1 Erlebnisbericht · 2011. 12. 26. · 3 1. Tag: Ausgerüstet mit einem eigenen Pilgerbrief, der...

21
1 © Lothar Hülsmann Erlebnisbericht

Transcript of 1 Erlebnisbericht · 2011. 12. 26. · 3 1. Tag: Ausgerüstet mit einem eigenen Pilgerbrief, der...

  • 1 © Lothar HülsmannErlebnisbericht

  • 2

    Auf den Spuren des böhmischenReformtors Johannes Hus wandertenbis zu dreißig Pilger, die zum Teil inhistorischen Kostümen gekleidet wa-ren, von der Burgruine Krakovec

    entlang der Goldenen Straße bis nachBärnau in Oberfranken. Bärnau wardie erste Station von Jan Hus auf deut-schen Boden auf seiner Reise nachKonstanz. Die Pilgerwanderung wur-

    de vom Gemeinschaftsprojekt desdeutsch-tschechischen Zukunftsfondszur Völkerverständigung ausgerichtet.Die Teilnehmer kamen aus Tschechi-en, Deutschland, der Schweiz und Ita-

    lien. Die Wanderung begann am 5.Julii.begleitet von einem historischenPferdewagen und einem Wohnmobil,das sehr schnell zum „Kranken-transport“ zum Einsatz kam.

  • 3

    1. Tag: Ausgerüstet mit einem eigenenPilgerbrief, der allen Teilnehmern vonPetr Brozek, dem Leiter der Wallfahrt,überreicht wurde und nach einerAndacht mit Abendmahl in derBurgkapelle gaben ein evangelischerPfarrer und ein Pfarrer der Tsche-choslowakische Hussitische Kirche derReise ihren Segen. Eine feierlicheökumenische Einstimmung. ImVerlaufe der nächsten Tage stellte sichdann heraus, dass nur MiladaMitglied dieser Kirche war. Einegrößere Beteiligung durch Mitgliederder Tscheslowakischen HussitischenKirche hätte ich mir gewünscht.

  • 4

    Thomas, Besitzer und Lenker derPferde, hatte schon auf den erstenhundert Meter seine Kunst zubeweisen. Nur mit Hilfe der nochkräftigen Wanderer war das Gefälle beider Burg Krakovec zu bewäl-

    tigen.Dann wurde es für die Pferdeleichter und für die Wanderer rechtbeschwerlich. Am ersten Tag galt esdie Strecke Burg Krakovec - KlosterPlasy zu schaffen, Eine Strecke vonmehr als dreißig Kilometer. Acht

    Bachüberquerungen brachten allen nasse Füßeund führte zu den ersten Blasen an den Füßenund zum Ausfall des Wanderers Siegfried amnächsten Tag. Das Wohnmobil kam für Siegfriedals Transportmittel zum Einsatz. 2012 werde ichdas Fahrzeug passend ausrüsten (rechts).

  • 5

    Nur noch eine Straßenbreite trennt dieWanderer vom Ziel Kloster Plasy.Eine eigentlich vorgeseheneBesichtigung des Klosters wurde aufden nächsten Morgen verschoben. DasZisterzienserkloster wurde 1146 vom

    Fürsten Vladislav II. als Tochterklostervon Kloster Langheim in Oberfrankenaus der Filiation der PrimarabteiKloster Morimond - Kloster Ebrachgegründet. Am Anfang des 15.Jahrhunderts wurde das Kloster von

    den Hussiten niedergebrannt.UnterJoseph II. wurde das Kloster aufgelöst.Die Besichtigung am nächstenMorgen war sehr interessant. EineBesichtigung der Gesamtanlage(Propstei und Wallfahrtskirche

    Mariánská Týnice) viel wegen nichtvorhandener Zeit aus.

  • 6

    2. Tag: Am nächsten Tag (6. Juli). war in Tschechien ein Feiertag. Mangedachte der Verbrennung von JanHus in Konstanz im Jahre 1415. Undwieder ging es über Wege und Wiesenzur ersten Station des Tages in

    Lomany. Von der Leiterin des kleinenMuseums wurden die Wanderer schonunruhig erwartet. Mit Salz und Brot ,das allen gereicht wurde, erfolgte dielandestypische herzliche Begrüßung.Auf dem Gelände des Museum waren

    Eichen, die auch schon zur Zeit vonJan Hus dort gestanden haben.

  • 7

    Der Besuch im Museum endete ineinem Gewitter mit Starkregen. Aberauch dieses Wetter konnte dieWanderer nicht aufhalten. DasMittagessen war in Dolni Bela bestellt.Es war naheliegend schon zu dem Ort

    vorzufahren und dort auf diequerfeldein gehenden Wanderer zuwarten. Bei der Ankunft imRestaurant trafen wir auf einen völligaufgelösten Wirt. Er versuchte schonseit drei Stunden das Essen warm zu

    halten. Ein leichter Trost war unsereAussage, dass es nur noch eine bis zweiStunden bis zum Eintreffen derGruppe dauern würde. Da dieFeiertage endeten und damit ihrevorhandene Zeit, mussten sich die

    ersten Teilnehmer aus Prag undBrünn von der Gruppe verab-schieden.Für den Rest ging es weiterin Richtung Melchiorova Hut.

  • 8

    Die mitwandernde Margit schreibt inihrem Reisebericht dann folgendes:„Am Abend dieses tschechischenFeiertages erinnerte Milada und Petran die Tradition, um 18.30 Uhr eineGedenkminute zu halten, zu der

    Stunde, in der Hus als Ketzer auf demScheiterhaufen verbrannt wurde. Sostoppten wir mitten im Wald undhielten inne.“Wenig später tauchte dann einHinweisschild auf, das uns mit dem

    Wohnmobil und nun auch denWanderern den Weg zur Über-nachtung in Melchiorova Hut wies.Auch hier war das Küchenpersonal inAusnahmestimmung. Zum Glück gabes Linsensuppe, die ohne Probleme

    warm gehalten werden konnte undzusammen mit Rozpicky (kleinenrunden Bröchengebäck) vorzüglichschmeckte.

  • 9

    3. Tag: Der nächste Tag begann nachwenigen Kilometern mit einem zumGlück glimpflich verlaufenden Unfall.Friedhilde wurde von einem Pferd vonhinten angestossen, verlor dasGleichgewicht und schlug mit demGesicht auf. . Sie verbrachte dann die

    nächsten Stunden im Wohnmobil. Diemitwanderne Ärztin Monika und einein Ostrov bei der nächsten Pausehinzukommende tschechische Kran-kenschenschwester behandeltenFriedhilde.

  • 10

    Auf dem Weg von Olbramov nachNova Ves brachte unsere Wander-gruppe Abwechselung in das Lebeneiner grossen Viehherde.Der Zeit-verlust durch den Unfall hatte wiedereine verspätete Ankunft in derGaststätte in Nova Ves zur Folge. Da

    das Essen nach Karte bestellt wurdegab es kaum Probleme. Unser nächstesZiel war Dvur Krasikov, das wir mitdem Wohnmobil bereits am Morgenaufgesucht hatte. Dort waren wir beimTrinken einer Tasse Kaffee, natürlichtürkischer Art, durch den Notruf zur

    Unfallstelle bei Vojtesin gerufenworden.

  • 11

    Die drei Aufnahmen oben entstandenauf den letzten Kilometern vor DvurKrasikov. Dvur Krasikov, eineDiscoscheune, war eine besondere undgewöhnungsbedürftige Art der Über-nachtung. Der Ankunftsabend verlief

    sehr harmonisch. Dazu trugen auchWein und Speisen aus dem Kofferaumvom sich der Gruppe anschließendenBürgermeister Förster aus Naumburgbei.

  • 12

    4. Tag: Von Dvur Krasikov führte derWeg über Zadub und Olbramov nachPlana. In Zadub wurde die Gruppevon der Bürgermeisterin mit Brot undSalz, aber auch mit Slivovic (!)begrüßt. Bei Zadub traf die Gruppe aufeinen völlig überraschten Pfarrer der

    Tschechoslowakische HussitischeKirche. Dieses Zusammentreffen hatden Pfarrer nicht ruhen lassen. Er hatseine ausgebrochene Schafherde Herdesein lassen und ist der Gruppe nachOlbramov, dem nächsten Dorf nachgefahren.

    Wir, die Wohnmobilfahrer, warenbereits in Olbramov in der Gaststätteund warteten auf die Gruppe. Hierbekamen wir mit, wie dem Wirt einAnruf erreichte, dass in der Gruppeeine Vegetarierin sei und er etwasdarauf ausgerichtetes zum Essen

    bereitstellen sollte. Dieser Anruf löstegroße Hektik aus. Das Ergebnis wareine Käseplatte in ungeahntemAusmaß Ein Bewohner des Dorfeswurde mit dem Auto losgeschickt. Ersollte erkunden wann mit denWanderern zu rechnen sei.

  • 13

    In Olbramov wurden die Wandererwieder von der Bürgermeisterin mitBrot und Salz begrüßt. Der Gastwirthatte Bänke für das Essen aufgestellt.DerPfarrer der TschechoslowakischeHussitische Kirche hielt einebewegende Andacht, die von Milada

    gedolmetscht wurde. Einen Kelch,Wein aus Tetrapak und Hostien hatteder Pfarrer für das Abendmahl mit-gebracht. Auch die mitwanderndenNichtkristen waren von diesemVorgang angetan.

  • 14

    Von Olbramov ging die Wanderungüber Koren und Otin weiter nachPlana. In Plana erwartete dieWanderer eine Turnhalle für dieÜbernachtung. Wegen der Schulferienwar natürlich kein warmes Wasser

    vorhanden, was Milada nicht davonabgehalten hat eiskalt zu duschen.Im Kinosaal von Plana war dann einSeminar angesetzt. Zwei Studentenhielten zwei Stunden Referate zu denThemen: Konstanz und die Erin-

    nerung an Hus im 19. Jahrhundert.Der Abend wurde mit einemGaststättenbesuch am Marktplatzbeendet.

  • 15

    5. Tag: Von Plana führte der Weg überLom u Tachova zur romantischen, mitStadtmauern umgebenen StadtTachov. Die wohl kürzeste Streckeführte entlang eines Hochmoorgebietsund war fast eben.

    Nur die ersten Kilometer mußten aufder Hauptstraße nach Pilsenzurückgelegt werden. Die tsche-chischen Autofahrer zeigtenerstaunlich rücksichtsvoll.

  • 16

    In Tachov fand im Kulturhaus daszweite Seminar statt. Die Referentin,Frau Th Dr. Lenka Vavrova, hatversucht das Erbe von Jan Hus imWandel der Zeit darzustellen. FürMilada, als Mitglied der Kirche, war

    der Inhalt trotz der hohenQualifikation der Referentin, die auchPfarrer ist, zu einfach gestaltet.Ein gemeinsames Abendessen beimalten Schwimmbad schloss den Abendin Tachov ab.

  • 17

    6. Tag: Auf dem Marktplatz in Tachovbegann der letzte Tag mit demAbschied von Honza, der mit zweiPferden die Rückreise antreten musste.Neben einem tschechischen Fern-sehtaem war auch das BayerischeFernsehen vor Ort. Bis nach Bärnau

    wurden die Wanderer von diesemTeam begleitet. Die Wandergruppewurde ab Tachov durch Bürger derStädte Tachov und Bärnau verstärkt.Beim Auszug aus Tachov wurde dieGruppe voll Erstaunen von deutschenPolizisten beobachtet, die aus welchen

    Gründen auch immer, mit einemdeutschen Streifenwagen durchTachov fuhren.

  • 18

    Lassen wir Margit die letzte Streckebeschreiben: „Ein weiß-blauerHimmel, flächendeckende blühendeKornblumenfelder, neue fröhlicheWanderer, ein Bauer, der bis zumGrenzstein sein Arbeitspferd zum

    Ziehen lieh, ein für die Pilger mittenim Wald aufgebauter mit Getränkenund Waffeln bestückter Rastplatz, eingespielter Schaukampf der Hussiten-festfans – und am Ende der Blick insTal, der Einzug der glücklichen Pilger

    in den neuen Geschichtspark, in demdie Bärnauer Bürger auf derenAnkunft warteten.“

  • 19

    Starke Steigungen auf den letztenKilometern forderte die letztenKraftreserven. Die vergangenen fünfTage saßen doch „in den Knochen“.Für das als Holzrückpferd im Waldeingestezte Pferd war der Wagen aufder letzten Steigung bis zur Grenze

    kein Problem. Schilder und Grenz-steine wiesen auf den Grenzverlaufhin.Freizügig konnte man von„drüben“ die Seite wechseln. Seit 1966fahre ich nach Tschechien und dieGrenze der damaligen Zeit ist noch inErinnerung.

  • 20

    Der Wagen hat soeben die Grenzeüberquert. Eine kurze Rast unter denAugen des Fernsehens machte dieheutige Normalität dieser Grenzezwischen Deutschland und Tschechiendeutlich.

    Siegfried und ich führten an dieserStelle ein zufälliges Gespräch miteinem Ehepaar. Als vierzehnjährigewaren sie aus ihrem Wohnort, wenigehundert Meter hinter der Grenze, nachDeutschland umgesiedelt worden.

    Immer zum Bergfest in Bärnaukommen sie aus dem Schwäbischennach Bärnau und besuchen dabei auchdas nicht mehr vorhandene Heimatdorfhinter der Grenze.Das Ende der Pilgerwanderung war

    im neu gegründeten Geschichtspark inBärnau. Dieses Gemeinschaftsprojektder Städte Tochov und Bärnau lässtauf eine gemeinsame Zukunft unsererbeiden Völker hoffen.

  • 21

    Eine herzliche Begrüßung durch denBürgermeister Peter Hampel erfolgteim Geschichtspark in Bärnau. ZurErfrischung wurde von Mitar-beiterinnen der Stadt Wein kredenzt.Eine Einladung zum zünftigenLeberkäsessen wurde von uns gerne

    angenommen. Sechs anstrengendeTage mit vielen Entbehrungen aberauch großen Erfahrungen über dieeigene Leistungsfähigkeit lagen hinterden Wanderern. Der Pferdewagen wardie Tage über zeitbestimmendgewesen. Die bestehenden Sprach-

    barieren wurden mit einer beach-tenswerten Leichtigkeit überwunden.Allen Teilnehmern, die die Gesamt-strecke absolviert hatten, überreichteBernd eine Pilgermuschel. DasAnlegen dieser Muschel bleibtunvergessen.