1 Bankendomino oder: Finanzkrise – ein Drama in fünf Akten Hanno Beck.
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Bankendominooder:
Finanzkrise – ein Drama in fünf Akten
Hanno Beck
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Erster Akt: Die Darsteller
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Die Darsteller
• Die Notenbanken– Historische Niedrigzinsphase– niedrige Zinsen zwingen Investoren, sich nach
alternativen Anlageformen umzusehen (Versicherer; Pensionskassen; Versorgungswerke)
• Die Regierungen– politisches Ziel: billige Eigenheime– Bankenregulierung als Wahlkampf-Thema?
• Die Banken– vergeben Kredite– Besicherung der Kredite durch Immobilien– halten Zahlungsverkehr aufrecht
Erster Akt: Die Darsteller
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So funktioniert eine Bank
Guthaben Schulden
Erster Akt: Die Darsteller
5
So funktioniert eine Bank
GuthabenEinlagen
Eigenkapital
Erster Akt: Die Darsteller
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So funktioniert eine Bank
Einlagen
Eigenkapital
Kredite
Wertpapiere
Kasse
Erster Akt: Die Darsteller
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So funktioniert eine Bank
• Die Summe der Verbindlichkeiten entspricht immer der Summe der Guthaben
• Die Einlagen der Kunden werden nicht im Keller gebunkert, sondern als Kredite an andere Kunden weitergegeben (Risiko- und Fristentransformation)
• Die Bank verdient Geld mit– der Fristentransformation: die Zinsen auf einen
Kredit sind höher als die Zinsen auf die Einlagen– dem Verkauf von Finanzprodukten– dem Eigenhandel mit Wertpapieren
• Das Problem: die Fristentransformation
Erster Akt: Die Darsteller
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Das Problem mit der Fristentransformation
Kredite
Wertpapiere
Kasse
Abhebungen
Eigenkapital
Liquiditätslücke
Einlagen
Erster Akt: Die Darsteller
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Wann funktioniert eine Bank?
• Reputation: Eine Bank muss den Kunden zeigen, dass ihr Geld sicher ist
• Sorgfalt bei der Kreditvergabe: Je weniger Kredite notleidend werden, um so geringer das Risiko von Bilanzlöchern
• Einlagensicherung durch den Staat: verhindert einen Abzug zu vieler Mittel auf einmal (bank run)
• Rücklagen als Schutzkissen gegen einen zu großen Abzug von Mitteln (Basel I und II)
Erster Akt: Die Darsteller
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Rücklagen: so funktioniert`s auch mit den Krediten
• Rücklagen– verhindern Liquiditätsschwierigkeiten – je mehr Eigenkapital eine Bank hat, um so mehr
Kredite kann sie vergeben; um so mehr Aktiva kann sie kaufen
• Eigenkapital– dient als Puffer gegen überraschenden
Geldabzug; hier liegt das Verlustrisiko; die Kredite muss man zurückzahlen, das EK kann man zurückzahlen
– Basel I und Basel II: Vorschriften über das Mindestmaß an Eigenkapital (Tier I), das eine Bank halten muss
– Mark-to-market-Bewertung: steigt der Wert der Aktiva, welche die Bank besitzt, so steigt automatisch ihr Eigenkapital
Erster Akt: Die Darsteller
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So steigt unser Eigenkapital
Einlagen 90Kredite 90
Wertpapiere 5
Kasse 5
EK 102015
Erster Akt: Die Darsteller
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Leverage: Ein verhängnisvoller Hebel
• Künstliches Bilanzwachstum– die niedrigen Zinsen machen Fremdkapital
attraktiv– mehr billiges Fremdkapital finanziert mehr
Geschäfte auf der Aktiv-Seite: Kauf von Wertpapieren, Vergabe von Krediten
– das führt zum so genannten Leverage-Effekt• Leverage:
– je mehr Fremdkapital man aufnimmt, um so weniger Eigenkapital braucht man, um Wertpapiere zu erwerben oder Kredite zu vergeben
– Hebel: Wie viel Fremdkapital nehme ich auf mit wie viel Eigenkapital?
Erster Akt: Die Darsteller
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Was ist Leverage?
Einlagen 90Kredite 90
Wertpapiere 5
Kasse 5
EK 105
95
Hebel: FK / EK = 919
Erster Akt: Die Darsteller
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Leverage: ein verhängnisvoller Hebel
Einlagen 90Kredite 90
Wertpapiere 5
Kasse 5
EK 1020
180180
Hebel: FK / EK = 9
15
4,5
Erster Akt: Die Darsteller
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Die Darsteller
• Die Finanzalchemisten– Verbriefung: Nicht-handelbare Kredite werden
handelbar gemacht; – Strukturierung: handelbare Kredite geschichtet
in verschiedene Risikoklassen, für jeden Risikoappetit, gekauft auch von Versicherungen, Pensionskassen und Banken
• Folgen:– Banken werden sorgloser bei der Kreditvergabe– Käufer der Verbriefungen werden zu indirekten
Kreditgebern (Schattenbanken)– Banken können mehr Kredite vergeben– massiver Anstieg der Kreditvergabe wirkt wie
ein kurzfristiges Konjunkturprogramm
Erster Akt: Die Darsteller
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^cZweiter Akt: Vorboten
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Jetzt geht’s los
Zweiter Akt: Vorboten
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Die Bühne ist gerichtet
• Immobilienpreise in Amerika beginnen zu fallen
• Besicherung der Kredite funktioniert nicht mehr
• Erste Schuldner können ihre Kredite nicht mehr bedienen, erste Kreditausfälle
• Folge: Niemand will mehr verbriefte Kredite kaufen; der Markt für diese Papiere bricht zusammen
• Die ersten Zeichen einer Katastrophe stellen sich ein: Der Fall Hypo-Real Estate; der Fall IKB, der Fall Sachsen LB
Zweiter Akt: Vorboten
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Der Fall Hypo-Real Estate
Einlagen
inst. Kunden
(kurzfristig)
Eigenkapital 10
Kreditver-briefungen
(langfristig, illiquide)
500
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• Hypo-Real-Estate: kauft langfristig laufende Kreditverbriefungen; finanziert diese mit kurzfristig geliehenem Geld
• Ergebnis: carry-trade lange versus kurze Frist; solange die Zinsen auf langfristige Kredite höher sind als für die kurzfristige Finanzierung, verdient man Geld
• Hebel: 50; mit einem Euro Eigenkapital werden 50 Euro Einlagen aufgenommen
• Probleme:– was, wenn die Zinsstruktur dreht?– Fristenproblem– zu wenig Eigenkapital als Puffer
Der Fall Hypo-Real Estate
Zweiter Akt: Vorboten
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• Hypo-Real-Estate: die Kreditgeber der HRE wollen ihr Geld zurück
• Problem: das Geld ist in Verbriefungen mit langer Laufzeit angelegt und ist damit kurzfristig nicht abrufbar
• Ausweg: Verkauf der Verbriefungen am Markt• Problem: niemand will bei sinkenden
Immobilienpreisen diese Verbriefungen kaufen, deren Marktwert fällt auf Null
• Ausweg: HRE braucht neue Kredite, aber die will ihr niemand geben
Der Fall Hypo-Real Estate: das Spiel ist aus
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• Gründung einer Zweckgesellschaft (Rhineland funding; Ormond Quay)
• Aufgabe: Kauf von verbrieften Krediten; finanziert mit kurzfristigen Einlagen; außerbilanzielles Geschäft
• Als die Immobilienpreise fallen, bekommen die Zweckgesellschaften das gleiche Liquiditätsproblem wie die Hypo-Real-Estate
• Aber: IKB und Sachsen LB haben der Zweckgesellschaft eine Kreditlinie für mögliche Liquiditätsausfälle gewährt
• Problem: Kreditgarantien wurden nicht mit einem Eigenkapitalpuffer unterlegt
Der Fall IKB und Sachsen LB
Zweiter Akt: Vorboten
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Ansteckungsgefahr: Bankendomino I
• Immer mehr Banken bekommen die ähnliche Liquiditätsprobleme. Folge:– was, wenn man nicht sicher ist, ob die Gegenpartei
die Kredite zurückzahlen kann, weil sie in faule Kredite investiert hat? (counterparty-risk)
– Lehman-Pleite weckt Angst, dass der Staat in solchen Fällen nicht hilft
– Löcher in der eigenen Bilanz?
• Folgen:– Banken können sich nicht mehr refinanzieren– Zusammenbruch des Geldmarktes– Geldmarktzinsen steigen; langfristige Zinsen sinken
(Flucht in Sicherheit). Folge: Depfa-Syndrom
Zweiter Akt: Vorboten
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Dritter Akt: Der Crash
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Jetzt geht’s los
• Die Banken kämpfen an mehreren Fronten:– Immobilienpreise sinken– Immobilienkredite werden notleidend– Besicherung der Kredite funktioniert nicht mehr – Zweckgesellschaften verlieren ihre Einlagen– Zweckgesellschaften fordern die
Kreditgarantien; das bringt die Banken in Bedrängnis
– Kurse der Wertpapiere in der Bilanz sinken; das Eigenkapital der Banken sinkt (mark-to-market), damit deren Kreditvergabefähigkeit
– die Beschaffung von Geld wird immer schwieriger, da Banken nun beginnen, sich untereinander zu misstrauen; der Geldmarkt bricht zusammen
– Kunden wittern Unheil; ein bank-run droht
Dritter Akt: Der Crash
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Der Crash oder: Bankendomino II
• Eine Bank lebt vom Glauben ihrer Kunden, dass sie jederzeit ihr Geld zurückzahlen kann
• Bisher: nur Spezialinstitute betroffen• Was, wenn Kunden an allen Banken zweifeln?• Die Vermutung, dass etwas schief laufen
könnte, lässt auch gesunde Banken zusammenbrechen (bank run)
• Aus der Krise weniger Banken wird eine systemische Bankenkrise; alle Banken, auch die gesunden, sind betroffen
• Bankenkrise wird zur Krise der Realwirtschaft
Dritter Akt: Der Crash
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Das Übergreifen in die Realwirtschaft
• Banken benötigen Liquidität– man vergibt keine neuen Kredite– man verlängert alte Kreditlinien nicht
• Rückgang des Eigenkapitals der Banken reduziert deren Kreditvergabefähigkeit (deleveraging)
• Unternehmen ohne Finanzierungsmög-lichkeiten (credit squeeze / crunch)
• Rückgang der Kredite bremst Investitions-tätigkeit
• Verfall der Vermögenswerte verschlechtert das Konsumklima
Dritter Akt: Der Crash
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Vierter Akt: Die Rettung
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So rettet man eine Bank
EinlagenKredite
Wertpapiere
Kasse
EigenkapitalEK-HilfeKredite / Kasse
Vierter Akt: Die Rettung
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So rettet man eine Bank
EinlagenKredite
Wertpapiere
Kasse
Eigenkapitalmehr EKNeubewertung
Vierter Akt: Die Rettung
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So rettet man eine Bank
EinlagenKredite
Wertpapiere
Kasse
Abhebungen
Eigenkapital
„Ihr Geld ist sicherKredite
Vierter Akt: Die Rettung
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Welche Rettungsmöglichkeiten gibt es?
• Einlagengarantien verhindern den Bank-run; zu großen Teilen psychologische Maßnahme
• Rekapitalisierung: mehr Eigenkapital für Banken stärkt deren Fähigkeit, Kundengelder zurückzuzahlen und neue Kredite zu vergeben
• Änderung der Bewertungsvorschriften reduziert mark-to-market-Problem und erhöht die Eigenkapital-Basis
• Kreditgarantien: erhöhen die Bereitschaft der Banken, untereinander Kredit zu geben und verhindern damit ein Austrocknen der Geldmärkte
Vierter Akt: Die Rettung
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Aber was istmit der Realwirtschaft?
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Brauchen wir ein Konjunkturpaket?
• Konjunkturpaket: Verhindern einer Abwärts-Spirale
• Das deutsche Paket:– Steuervorteile beim KFZ-Kauf– Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen– Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten– Hilfen der KfW für Mittelstand– Verlängerung Kurzarbeitergeld– Zweites Paket im Anrollen
• Empirie: Bankenkrise kann in den ersten fünf Jahren fiskalische Kosten von 13 bis 55 Prozent des BIP erreichen; Output-Verluste in den ersten vier Jahren im Schnitt 20 Prozent (Varianz: zwischen 0 und 98 Prozent)
Vierter Akt: Die Rettung
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Fünfter Akt: die Schuldigen
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Ein falscher Schuldiger: der freie Markt
• „Wer stoppt den freien Fall des freien Marktes?“ (Spiegel)
• Bankenbranche einer der am dichtesten regulierten Branchen
• Ursache der Krise nicht fehlende Regu-lierung, sondern falsche Regulierung
• Ist Gier ein nur der Marktwirtschaft immanentes Phänomen?
• Wie gut wäre denn eine staatliche Bank?
Fünfter Akt: Die Schuldigen
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„Die dümmste Bank Deutschlands“
Fünfter Akt: Die Schuldigen
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Auf der Suche nach Schuldigen
• Die Notenbanken– zu laxe Geldpolitik– Ursache spekulativer Blasen: die Geldmenge
wächst zu stark• Die Regierungen
– Eigenheimförderung als heilige politische Kuh– Regulierung von Banken kein politisch attraktives
Thema• Die Banken
– keine illegalen Handlungen– Ausnutzung von Regulierungslücken; handeln
gegen den Geist der Gesetze?– hindsight bias: konnte man diese Katastrophe
wirklich vorausahnen? (schwarzer Schwan)– kann man Bankmanager dafür bestrafen, dass sie
sich verspekulieren?– Musste man die Banken retten?
Fünfter Akt: Die Schuldigen
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Die Finanzalchemisten
• Grundsätzlich sind Verbriefungen eine gute Sache:– Risiko wird auf mehrere Schultern verteilt– das macht Systeme stabiler– das Problem dieser Krise: das Risiko war nur schein-
bar verteilt; am Ende landete es doch wieder in der Bankbilanz
• Finanzinnovationen sind technischer Fortschritt• Klassischer Zyklus bei Innovationen:
– Begeisterung– Übertreibung– Krise– Läuterung
• Dann wird etwas neues, Altvertrautes kommen:
Fünfter Akt: Die Schuldigen
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Der Vorhang fällt?
Die nächste Krise