1. BESCHLUSSABTEILUNG B 1 – 116/04 -...
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BUNDESKARTELLAMT
1. BESCHLUSSABTEILUNG B 1 – 116/04
Beschluss
In dem Verwaltungsverfahren B1 –116/04
1. Nord-KS GmbH + Co. KG Barmstedter Straße 14
24568 Kaltenkirchen 2. Xella Deutschland GmbH, Duisburg – Verfahrensbevollmächtigte:
Dr. Matthias Ulshöver Oppenländer Rechtsanwälte
Altenbergstraße 3 70180 Stuttgart –
3. Hansa Baustoffwerke GmbH & Co. KG
Bremerhavener Heerstraße 12 27711 Osterholz-Scharmbeck
4. Baustoffwerke Buxtehude GmbH & Co. KG Lüneburger Schanze 35 21614 Buxtehude
5. Industriebetriebe Heinrich Meyer-Werke Breloh GmbH & Co. KG Breloher Strasse 95-101 29633 Munster
6. Holert Beteiligungen GmbH & Co. KG Röntgenstr. 7 21465 Reinbek
– Beteiligte –
hat die 1. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes am 9. August 2006 beschlossen:
1. Die Durchführung des Gesellschaftsvertrags der Beteiligten zu 1., deren Gesell-
schafter die Beteiligten zu 2. bis 6. sind, verstößt gegen § 1 GWB und Art. 81
EGV.
Für die Veröffentlichung bestimmte Fassung Beschluss nach § 1 GWB und Art. 81 EG
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2. Die Beteiligte zu 2. wird nach § 32 Abs. 1 und 2 GWB in Verbindung mit § 1
GWB und Art. 81 Abs. 1 EGV verpflichtet, spätestens 3 Monate nach Zustellung
des Beschlusses als Gesellschafterin aus der Beteiligten zu 1. auszuscheiden.
3. Der Beteiligten zu 2. wird nach § 32 Abs. 1 und 2 GWB in Verbindung mit § 1
GWB und Art. 81 Abs. 1 EGV mit sofortiger Wirkung untersagt, weiterhin an den
Beiratssitzungen der Beteiligten zu 1. teilzunehmen, ihre Stimmrechte im Beirat
auszuüben sowie Protokolle der Beiratssitzungen anzufordern oder einzusehen.
4. Den Beteiligten zu 1. sowie 3. – 6. wird nach § 32 Abs. 1 und 2 GWB in Verbin-
dung mit § 1 GWB und Art. 81 Abs. 1 EGV mit sofortiger Wirkung untersagt, der
Beteiligten zu 2. Protokolle der Beiratssitzungen zugänglich zu machen.
5. Die Gebühr für diese Entscheidung wird auf
[...] EUR
(in Worten: [...]EUR)
festgesetzt und den Beteiligten zu 1. bis 6. als Gesamtschuldnern auferlegt.
GRÜNDE
A.
I. Gegenstand der Nord-KS
1. Gegenstand der Nord-KS GmbH & Co. KG (im Folgenden Nord-KS), Kaltenkir-
chen, ist die Herstellung, der Vertrieb von und der Handel mit Kalksandstein und
anderen Baustoffen und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte. Die
Nord-KS betreibt fünf Kalksandsteinwerke in Norddeutschland an den Standorten
Kaltenkirchen, Harburg, Buxtehude, Osterholz-Scharmbeck und Lüneburg. Sie er-
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zielte mit diesen Werken im Jahre 2004 einen Umsatz von ca. [20 –35] Mio. €. Die
Nord-KS ist weiterhin mit 50 % an der Union Norddeutsche Kalksandsteinwerke
(UNK) GmbH & Co. KG, Eisendorf (im Folgenden UNK), beteiligt, die in Eisendorf
ein Werk (Umsatz: ca. [5-10] Mio. €) betreibt.
II. Die Gesellschafter der Nord-KS
1. Kreis der Gesellschafter
2. Komplementärin der Nord-KS ist die Verwaltung Nord-KS GmbH, Kaltenkirchen,
an der die Nord-KS alle Anteile hält. Neben dieser Komplementärin sind fünf
Kommanditisten wie folgt an der Nord-KS beteiligt:
• die Xella Deutschland GmbH (im folgenden Xella), Duisburg, mit einer Beteili-gung von 17,5027 %,
• die Hansa Baustoffwerke GmbH & Co. KG, Osterholz, mit einer Beteiligung von 16,1160 %,
• die Baustoffwerke Buxtehude GmbH & Co. KG, Buxtehude, mit einer Beteiligung von 16,5120 %,
• die Holert Beteiligungen GmbH & Co. KG, Kaltenkirchen, mit einer Beteiligung von 29,6534 % und
• die Industriebetriebe Heinrich Meyer-Werke Breloh GmbH & Co. KG, Munster, mit einer Beteiligung von 20,2160 %.
2. Die Kommanditistin Xella
3. Xella ist eine Tochtergesellschaft der zum Konzern der Franz Haniel & Cie. GmbH
gehörenden Xella International GmbH (der frühere Bereich Haniel Bau-Industrie
GmbH firmiert seit dem 1. Januar 2005 als Xella International GmbH). Die Umsät-
ze des Haniel-Konzerns beliefen sich 2005 auf 25,9 Mrd. € weltweit, wovon ca. 5,4
Mrd. € auf Deutschland entfielen. Die Xella International GmbH erzielte 2005 ei-
nen Umsatz in Höhe von rd. 1,3 Mrd. Euro.
4. Xella hat die Kommanditbeteiligung an der Nord-KS am 28. November 2005 im
Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung mit der 100 %-igen Ha-
niel-Tochter Xella Kalksandstein GmbH, Duisburg, übernommen (§ 20 UmwG).
5. Zu den durch die Verschmelzung auf Xella von der Xella Kalksandstein GmbH
übergegangenen Anteilen gehört zunächst eine unmittelbare Beteiligung der Xella
Kalksandstein GmbH an der Nord-KS in Höhe von 7,9087 %. Eine Beteiligung von
weiteren 2,0905 % an der Nord-KS waren der Xella Kalksandstein GmbH von ih-
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rer 100 %-igen Tochtergesellschaft Kalksandsteinwerke Oeversee Jensen GmbH
& Co. KG, Oeversee, übertragen worden. Schließlich hatte die Xella Kalksand-
stein GmbH weitere 7,5035 % an der Nord-KS durch Verschmelzung mit ihrer 100
%-igen Tochtergesellschaft Hartsteinwerke Harburg Thörl GmbH & Co. KG (im
folgenden Thörl KG), Seevetal-Beckedorf, übernommen.
6. Xella International GmbH bezeichnet sich selbst als bedeutendsten Hersteller von
Kalksandstein in Europa und als weltweit größten Produzenten von Porenbeton
und Kalksandstein (vgl. u. a. Pressemitteilung der Xella International GmbH vom
26. 4. 2006). Das Unternehmen verfügt über Kalksandsteinwerke an insgesamt 32
europäischen Standorten. Starke Marktpositionen hat das Unternehmen über
Deutschland hinaus in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Polen. Zu Xella
International GmbH gehören Marken wie Ytong, Silka, Hebel und Fermacell.
7. Die Xella betreibt in Deutschland an den folgenden Standorten Kalksandsteinwer-
ke:
22885 Barsbüttel-Stellau
21465 Reinbek
31536 Neustadt am Rübenberge
17219 Möllenhagen
15751 Niederlehme
39326 Colbitz
46397 Bocholt
45721 Haltern
46514 Gahlen (Schermbeck)
47669 Wankum (Wachtendonk)
41542 Nievenheim (Dormagen)
50170 Manheim (Kerpen)
14943 Ruhlsdorf-Luckenwalde (Nuthe Urstromtal)
04668 Schönbach (Großbothen)
99428 Nohra
34593 Remsfeld(Knüllwald)
35510 Griedel/Butzbach
50169 Kerpen/Horrem
(Die Werke Neubrandenburg und Delitzsch wurden zwischenzeitlich geschlossen)
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Die vorgenannten Werke haben im Jahr 2004 insgesamt einen Absatz in Höhe
von ca. [800-1.200] Tsd. cbm und einen Umsatz in Höhe von ca. [70-100) Mio. €
getätigt.
An den folgenden Standorten betreibt Xella Porenbetonwerke:
51147 Porz
04838 Laußig
14822 Brück
64409 Messel
76316 Malsch
77866 Freistett
86259 Schrobenhausen
27356 Rotenburg
22880 Wedel
Der Absatz dieser Werke lag im Jahr 2004 bei insgesamt ca. [1.600 bis 2.400]
Tsd. cbm, der Umsatz bei ca. [140-200] Mio. €.
3. Die Hansa-Gruppe bzw. Gruppe Busch/Dörlitz
8. Alle Anteile des Kommanditisten Baustoffwerke Buxtehude GmH & Co. KG wer-
den von der Kalksandsteinwerk Busch & Dörlitz GmbH & Co. KG gehalten, an der
Frau Ursula Busch und Herr Alfred Dörlitz mit je 50 % beteiligt sind.
9. Alle Anteile des Kommanditisten Hansa Baustoffwerke GmbH & Co. KG werden
von der Kalksandsteinwerk Glinstedt GmbH & Co. KG gehalten, an der Frau
Busch und Herr Dörlitz ebenfalls mit je 50 % beteiligt sind.
Die Kalksandsteinwerk Glinstedt GmbH & Co. KG hält weiterhin alle Anteile an der
Hansa Baustoffwerke Parchim GmbH, die in Parchim (Mecklenburg-Vorpommern)
ein kombiniertes Kalksandstein- und Porenbetonwerk betreibt. Der Umsatz des
Werkes Parchim betrug im Jahr 2004 ca. [8-20] Mio. €.
10. Die Kalksandsteinwerk Glinstedt GmbH & Co. KG und ihre beiden 100 %-igen
Tochtergesellschaften Hansa Baustoffwerke GmbH & Co. KG und Hansa Bau-
stoffwerke Parchim GmbH sowie die Kalksandsteinwerk Busch & Dörlitz GmbH &
Co. KG und ihre 100%ige Tochtergesellschaft Baustoffwerk Buxtehude GmbH &
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Co. KG werden im folgenden als Hansa-Gruppe oder als Gruppe Busch/Dörlitz
bezeichnet. An allen genannten Gesellschaften sind Herr Dörlitz und Frau Busch
(unmittelbar oder mittelbar) paritätisch beteiligt. Darüber hinaus sind jeweils Frau
Busch und Herr Dörlitz Geschäftsführer dieser Gesellschaften.
11. Herr Dörlitz vertritt als einer der Geschäftsführer der Hansa Baustoffwerke Par-
chim GmbH die Hansa Baustoffwerke GmbH & Co. KG (Beteiligung an der Nord-
KS: 16,116 %) und die Baustoffwerke Buxtehude GmbH & Co. KG (Beteiligung an
der Nord-KS: 16,512 %) mit insgesamt 32,628 % der vertretenen Stimmen im Bei-
rat der Nord-KS.
12. Die Kalksandsteinwerke Glinstedt GmbH & Co. KG ist weiterhin mit 5 % an der
Domapor Baustoffwerke GmbH & Co. KG beteiligt ist, die in Hohen-Wangelin
(Mecklenburg-Vorpommern) ein Werk betreibt, das Kalksandstein und Porenbeton
produziert. Der Umsatz des Werkes lag im Jahr 2004 bei ca. [3-15] Mio. €.
13. Der Vertrieb des Werkes Parchim (Betreiber: Hansa Baustoffwerke Parchim
GmbH) und Hohen-Wangelin (Betreiber: Domapor Baustoffwerke GmbH & Co.
KG) erfolgt über die gemeinsame Vertriebsgesellschaft Hansa-Domapor Vertriebs
GmbH & Co. KG, an der die Hansa Baustoffwerke Parchim GmbH die Mehrheit
hält. Die Hansa-Domapor Vertriebs-GmbH & Co. KG ist als Mittelstandskartell le-
galisiert worden (vgl. B1-75/03). Sie erzielte im Jahr 2004 einen Umsatz von ca.
[11-35] Mio. €.
14. Die Verflechtungen der Hansa (Busch/Dörlitz)-Gruppe mit ihren Wettbewerbern
sind in einem Organigramm dargestellt, das als Anlage 1 beigefügt ist.
4. Weitere Kommanditisten
15. Die Kommanditisten Holert Beteiligungen GmbH & Co. KG und Industriebe-triebe Heinrich Meyer-Werke Breloh GmbH & Co. KG sind nicht mehr selbstän-
dig in der Kalksandsteinproduktion tätig, da sie ihre Kalksandsteinaktivitäten voll-
ständig in die Nord-KS eingebracht haben.
III. Der Einfluss der Gesellschafter auf die Nord-KS
1. Gesellschaftsrechtliche Regelungen zum Beirat
16. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Nord-KS und der Verwaltung Nord-KS GmbH
ist für einige Entscheidungen die Zustimmung aller Mitglieder des Beirates erfor-
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derlich (Gesellschaftsvertrag GmbH § 6 Abs. 3, Gesellschaftsvertrag KG § 6 Abs.
2), für andere Entscheidungen ist eine Mehrheit von mehr als ... % der vorhande-
nen Stimmen im Beirat erforderlich (Gesellschaftsvertrag GmbH § 6 Abs. 4, Ge-
sellschaftsvertrag KG § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 2). Für weitere Beschlussgegenstände
ist die Zustimmung der einfachen Mehrheit der im Beirat vorhandenen Stimmen
ausreichend (Gesellschaftsvertrag GmbH § 6 Abs. 5, Gesellschaftsvertrag KG § 6
Abs. 2).
17. Die Zustimmung aller Mitglieder des Beirates ist erforderlich für ... 18. Die Zustimmung des Beirates mit einer Mehrheit von mehr als ... % der vorhande-
nen Stimmen ist erforderlich für...
19. Nach § 5 Abs. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrags der KG bestellt der Beirat die ...
Geschäftsführung...
20. Nach § 10 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der KG wird je ein Beiratsmitglied
durch jeden Mehrheitsgesellschafter der Kommanditisten benannt. Soweit der
Mehrheitsgesellschafter bei mehreren Kommanditisten übereinstimmt oder der
Mehrheitsgesellschafter wiederum mittelbar oder unmittelbar mehrheitlich mit ei-
nem anderen Mehrheitsgesellschafter verbunden ist, kann nur ein Beiratsmitglied
benannt werden.
21. Jedes Beiratsmitglied und jeder Gesellschafter hat Anspruch auf Aushändigung
einer Abschrift der Niederschrift über die Beschlüsse und Sitzungen des Beirates
(§ 14 Abs. 10 Satz 3 Gesellschaftsvertrag KG).
2. Mehrheitsverhältnisse im Beirat
22. Der Beirat besteht derzeit aus 4 Mitgliedern. Xella, Hansa (Busch/Dörlitz), die In-
dustriebetriebe Heinrich Meyer-Werke Brehloh GmbH & Co. KG und die Holert
Beteiligungen GmbH & Co. KG stellen jeweils einen Vertreter im Beirat. Jedes
Beiratsmitglied hat so viele Stimmen, wie dem durchgerechneten Anteil des Be-
nennungsberechtigen an der Gesellschaft entspricht.
23. Xella verfügt über einen Anteil von ca. 17,5 % der Stimmen.
24. Hansa (Busch/Dörlitz) kann mit einem Anteil von 32,6 % der Stimmen alle wichti-
gen Entscheidungen der Nord-KS blockieren. Es ist deshalb davon auszugehen,
dass Hansa (Busch/Dörlitz) die Nord-KS (mit-)beherrscht.
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3. Gegenstand der Beiratssitzungen
25. In den Beiratssitzungen wurde in teils kurzen zeitlichen Abständen von etwa 2
Wochen die Geschäftspolitik der Nord-KS einschließlich der geplanten Preisge-
staltung erörtert. Dies geht insbesondere aus den folgenden Protokollen der Bei-
ratssitzungen der Nord-KS hervor:
26. Sitzung vom 11.04.2002:
„...“
27. Sitzung vom 18.9.2002 (Seite 2 oben): “..."
28. Sitzung vom 18.10.2002 (Seite 2 oben): "....“
29. Sitzung vom 8.10.2003 (TOP 7 – Preiserhöhung): "..."
30. Sitzung vom 7.5.2004:
„...“ 31. Sitzung vom 25.10.2004 (TOP 4 "Verabschiedung Planung 2005") :
"..."
IV. Die Marktstellung der Nord-KS und ihrer Gesellschafter Xella und Hansa
1. Sachliche Marktabgrenzung
32. Die Nord-KS stellt Kalksandstein her. Nach dem Bedarfsmarktkonzept stehen sich
Kalksandsteine, Porenbetonsteine, Mauerziegel und Bims- sowie Betonsteine
nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer
Preislage so nahe, dass der verständige Verbraucher sie als gegenseitig aus-
tauschbar für die Deckung seines Bedarfs ansieht. Nach ständiger Praxis des
Bundeskartellamtes sind diese Baustoffe daher als Gruppe der Mauerwerksbau-
stoffe für das aufgehende Hintermauerwerk marktgleichwertig und bilden wegen
ihrer überragenden Bedeutung im privaten Wohnungsbau einen eigenständigen,
sachlich relevanten Markt innerhalb der Gesamtheit der Wandbaustoffe, zu denen
neben den Mauerwerksprodukten noch Stahlbeton, Stahl und Holz gehören (vgl.
Beschluss Haniel/Fels-Werke, B1-187/01; Beschluss Haniel/Ytong, B1-263/01).
Hintermauerwerk ist das Mauerwerk, das nicht aus Vormauersteinen oder
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Verblendern errichtet wird, also die hintere Wandschale von zweischaligem Mau-
erwerk oder das einschalige Außenwandmauerwerk sowie das Innenmauerwerk.
„Aufgehendes“ Mauerwerk ist das Mauerwerk, das oberhalb der Bodenplatte oder
der Kellerdecke entsteht.
33. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerksbau e. V. (DGfM) ver-
teilte sich im Jahr 2004 die Gesamtproduktion an Mauersteinen in Höhe von
16.719 Tsd. cbm wie folgt auf die einbezogenen Produkte: Hintermauerziegel
7.566 (= ca. 45,3 %), Kalksandstein 4.013 (= ca. 24 %), Porenbeton-Blöcke 3.895
(= ca. 23,3 %) und Bims/Leichtbeton 1.239 (= ca. 7,4 %).
34. Die weiteren von Xella genannten Wandbaustoffe Mauermörtel, Ortbeton, Beton-
fertigwandelemente, Stahlblech, Gipsplatten/Dielen und Holzplatten sind dagegen
nicht in den sachlich relevanten Markt einzubeziehen.
35. Mauermörtel ist kein eigenständiger Wandbaustoff, sondern dient lediglich als
Klebematerial zur Verbindung von Mauerwerksprodukten.
36. Stahlblech und Holzplatten können nur im Skelettbau eingesetzt werden, da sie
keine tragende Funktion übernehmen können. Auch Gipsplatten weisen keine tra-
gende Funktion auf, sondern kommen nur als leichte Trennwände innerhalb des
Gebäudes in Betracht.
37. Ortbeton und Betonfertigwandelemente sind zwar Baustoffe für tragende Wände.
Diese finden als Wandbaustoff im Wohnungsbau jedoch nahezu ausschließlich
Verwendung im Kellergeschoss, wo der Anteil des Betons bei 46 % liegt. Für auf-
gehende Wände oberhalb der Kellerdecke haben diese Produkte im privaten
Wohnungsbau aus raumklimatischen Gründen dagegen kaum eine Akzeptanz.
Lediglich im gewerblichen Wohnungsbau – insbesondere bei größeren Siedlungs-
projekten - werden Betonfertigwandelemente aus Gründen der Kosten- und Zeit-
ersparnis eingesetzt. Ortbeton kommt im Wohnungsbau als Wandbaustoff für auf-
gehende Wände dagegen schon deshalb kaum in Betracht, weil er nicht nur einen
anderen Bauablauf sondern auch längere Bauzeiten als die Mauerwerksbaustoffe
erfordert.
Der Anteil des Betons an den Wandbaustoffen im Wohnungsbau ist seit Jahren
mit rund 6 % unverändert niedrig.
38. Im Wohnungsbau kommen daneben insbesondere noch Wandelemente aus Holz
(ca. 10 % der Nachfrage) zum Einsatz. Wenn auch der hinsichtlich des Anschaf-
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fungspreises billigere Holzbau mit vorgefertigten Wandelementen seit Beginn der
Neunziger-Jahre vor allem durch den Fertighausbau in den Neuen Bundesländern
einen nicht unbedeutenden Marktanteil erreichen konnte, kommt für die große
Mehrheit der privaten Bauherrn die Errichtung ihres Hauses mit Wandelementen
aus Holz vor allem wegen - im Vergleich zu den bei der Massivbauweise verwen-
deten Mauerwerksbaustoffen - befürchteter Qualitätsnachteile, schlechteren
Brand- und Schallschutzeigenschaften, einer kürzeren Lebensdauer und der damit
verbundenen höheren Wertminderung jedoch nicht in Betracht.
39. Im Sektor Wohnungsbau – der in Deutschland neben dem Wirtschaftsbau und
dem öffentlichen Bau etwa die Hälfte der Bautätigkeit ausmacht – entfällt über 80
% der Nachfrage auf die in den relevanten Markt einbezogenen Mauerwerkspro-
dukte (Quelle: Jahresbericht 2004 der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks-
bau, Anhang C, S. 30).
2. Räumliche Marktabgrenzung
40. Kalksandsteine gehören zu den transportkostenintensiven Mauerwerksprodukten,
für die nach ständiger Praxis der Beschlussabteilung näherungsweise ein Liefer-
radius von 150 km um den Produktionsstandort angenommen wird (vgl. B1-
187/01). Von diesem Lieferradius ausgehend gibt es Überschneidungen der Ver-
triebstätigkeit der Werke der Nord-KS mit den Werken von Xella und Hansa. Die
Beteiligten haben auf Auskunftsbeschlüsse übereinstimmend geantwortet, dass
sich die Lieferradien der Werke aller Beteiligten tatsächlich überschneiden.
Bis auf das Werk der Nord-KS in Osterholz-Scharmbeck, das nach Angaben der
Nord-KS keine Überschneidung mit den Lieferradien der Xella-Werke hat, und den
Werken der Xella in Niederlehme und Neubrandenburg, deren Lieferradien nach
Angaben der Xella keine Überschneidungen mit den Lieferradien der Nord-KS-
Werke haben, überschneiden sich alle Lieferradien der Werke der Nord-KS mit
denen der Xella und Hansa. Das gesamte deutsche Überschneidungsgebiet als
betroffener Regionalmarkt besteht aus den Bundesländern Schleswig-Holstein,
Hamburg, Bremen, Niedersachsen, dem westlichen Teil von Mecklenburg-
Vorpommern und Brandenburg sowie kleinen Teilen von NRW und Sachsen-
Anhalt. Auf diesem Regionalmarkt betätigen sich die Nord-KS, die Xella und die
Hansa. Der betroffene Regionalmarkt ist in eine Karte eingetragen. Zur näheren
Bestimmung sind die Postleitzahlen genannt, die dem dort gekennzeichneten Ge-
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biet entsprechen. Die Karte sowie die erläuternde Postleitzahlen-Liste ist als Anla-
ge 3 beigefügt.
3. Marktstellung der Nord-KS, ihrer Gesellschafter Xella und Hansa und der wichtigs-
ten Wettbewerber
41. Das Marktvolumen des betroffenen Regionalmarktes lässt sich näherungsweise
wie folgt berechnen. Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks-
baustoffe (DGfM) wurden in Deutschland im Jahr 2004 insgesamt 16.719 Tsd.
cbm Hintermauersteine produziert. Auf der Basis einer Einwohnerzahl von 82,5
Millionen errechnet sich ein durchschnittlicher Verbrauch von 0,2027 cbm pro
Einwohner. Der betroffene Regionalmarkt hat ca. 15,74 Mio. Einwohner. Danach
liegt das Marktvolumen im Jahr 2004 bei 3,19 Mio. cbm.
42. Die Beschlussabteilung hat alle ihr bekannten Unternehmen u. a. gebeten, ihre
Einlieferungsmengen in den betroffenen Regionalmarkt zu benennen. Nach dem
Ergebnis dieser Ermittlungen betätigen sich insgesamt 36 Unternehmen mit ins-
gesamt 89 Werken auf dem Regionalmarkt. Der Gesamtabsatz dieser Unterneh-
men auf dem Regionalmarkt beträgt 3.176.842 cbm. Danach erscheint das auf der
Basis des Durchschnittsverbrauchs errechnete Marktvolumen in Höhe von ca.
3,19 Mio. cbm plausibel und wird deshalb der Marktanteilsberechnung zugrunde
gelegt.
43. Nach dem Ergebnis der erwähnten Marktbefragung waren im Jahr 2004 die fol-
genden 10 Unternehmen die bedeutendsten Anbieter (Rangfolge nach Höhe der
Marktanteile):
Xella
Wienerberger Ziegelindustrie GmbH
Nord-KS
Hansa-Domapor Vertriebs-GmbH & Co. KG
BMO Baustoffwerke Münster-Osnabrück GmbH & Co. KG
H+H Celcon GmH
Kalksandsteinwerke Weser-Ems GmbH & Co. KG
Emsländer Baustoffwerke GmbH & Co. KG
Otto Bergmann GmbH
KS Kontor Westfalen-Lippe GmbH
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44. Xella war im Jahr 2004 auf dem betroffenen Regionalmarkt mit den folgenden
Werken tätig:
a) Kalksandstein
45721 Haltern
Manheim (50170 Kerpen)
Nievenheim (41542 Dormagen)
39326 Colbitz
04509 Delitzsch (zwischenzeitlich geschlossen)
39307 Kleinwusterwitz (zwischenzeitlich geschlossen)
15751 Niederlehme
99428 Nohra
14943 Ruhlsdorf (Nuthe Urstromtal)
35510 Griedel/Butzbach
Remsfeld (34593 Knüllwald-Remsfeld)
17219 Möllenhagen
31536 Neustadt
21465 Reinbek
22885 Strellau
b) Porenbeton
27356 Rotenburg
22880 Wedel
04838 Laußig
14822 Brück
511147 Porz
63755 Alzenau (Produktion zwischenzeitlich eingestellt)
76316 Malsch
64409 Messel
86529 Schrobenhausen
77866 Freistett
Mit den genannten Werken setzte Xella auf dem betroffenen Regionalmarkt ins-
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gesamt ca. [400-650] Tsd. cbm ab, was einem Marktanteil von ca. [10-20] % ent-
spricht.
45. Die Nord-KS setzte mit ihren fünf Werken auf dem betroffenen Regionalmarkt im
Jahr 2004 ca. [200-350] Tsd. cbm Kalksandstein ab. Der entsprechende Marktan-
teil beträgt ca. [5-15] %.
Einschließlich ihrer 50 % - Beteiligung an der UNK, die das Werk Eisendorf be-
treibt (Absatz 2004: ca. [50-75] Tsd. cbm) liegt der Marktanteil bei ca. [10-20] %.
Im Marktsegment Kalksandstein ist die Nord-KS Marktführer.
46. Hansa (Werk Parchim) setzte im Jahr 2004 insgesamt ca. [150-350] Tsd. cbm
Kalksandstein und Porenbeton ab. Hansa und Domapor (Werk Hohen-Wangelin)
vertreiben ihre Produkte ausschließlich über das Mittelstandskartell Hansa-
Domapor Vertriebs-GmbH.& Co. KG. Von dem Gesamtabsatz der Hansa-
Domapor Vertriebs GmbH & Co. KG im Jahr 2004 in Höhe von ca. [250-500] Tsd.
cbm entfallen ca. [180-350] Tsd. cbm auf den betroffenen Regionalmarkt. Damit
erreicht die Hansa-Domapor Vertriebs GmbH einen Marktanteil von ca. [2-10] %.
47. Die Nord-KS und ihre Gesellschafter Xella und Hansa erreichten 2004 somit ge-
meinsam einen Marktanteil, der zwischen 30 % und 40 % liegt.
4. Marktstellung der Wettbewerber
48. Zweitstärkster Anbieter ist die Wienerberger Ziegelindustrie GmbH, die aus-
schließlich Ziegelsteine herstellt. Diese ist mit 6 Werken (16775 Gransee, 16259
Bad Freienwalde, 39365 Wefensleben, 33397 Rietberg, 48249 Buldern und 27419
Sittensen) auf dem betroffenen Regionalmarkt aktiv. Der Marktanteil der Wiener-
berger Ziegelindustrie GmbH liegt zwischen 10 und 15 %.
49. Weitere bedeutende Wettbewerber sind die BMO Baustoffwerke Münster-
Osnabrück GmbH & Co. KG (BMO), die H+H Celcon GmbH, die Kalksandstein-
werke Weser-Ems GmbH & Co. KG, die Emsländer Baustoffwerke GmbH & Co.
KG, die Otto Bergmann GmbH und die KS Kontor Westfalen-Lippe GmbH. Die
sonstigen Anbieter haben eine nur unbedeutende Marktstellung.
5. Verflechtungen mit Wettbewerbern
50. Xella ist mit ca. 24 % an der BMO beteiligt, die an 7 Standorten Kalksandsteine
herstellt. Die weiteren Gesellschafter sind die Kalksandsteinwerk Holdorf Theodor
Schnepper GmbH & Co. KG, die Vestische Hartsteinwerke Schencking GmbH &
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Co. KG (Vestische Hartsteinwerke), die Kalksandsteinwerk Cording GmbH (Eigen-
tümer: Vestische Hartsteinwerke), die Cirkel GmbH & Co. KG (Cirkel), die Waren-
dorfer Hartsteinwerke Schräder & Kottrup GmbH & Co. KG und die Hermann Bor-
ger GmbH & Co. KG. Die Vestische Hartsteinwerke und Cirkel sind – wie Xella -
mit eigenen Werken außerhalb des GU auf dem betroffenen Regionalmarkt tätig.
51. Die Nord-KS ist mit 50 % an der Union Norddeutsche Kalksandsteinwerke (UNK)
beteiligt, die ein Werk in Eisendorf betreibt. Weiterer Gesellschafter ist mit 50 %
die Heidelberger Kalksandstein Grundstücks- und Beteiligungs-GmbH & Co. KG,
eine Tochtergesellschaft der HeidelbergCement AG. Auch Unternehmen der Hei-
delbergCement AG sind außerhalb des GU auf dem betroffenen Regionalmarkt
mit eigenen Werken aktiv.
52. Die Verflechtungen der Nord-KS mit ihren Wettbewerbern sind in einem Organi-
gramm dargestellt, das als Anlage 2 beigefügt ist.
V. Vorgeschichte
53. Bereits vor der Gründung der Nord-KS bestanden zwei Mittelstandskartelle, an
denen jeweils Unternehmen der Gruppe Busch/Dörlitz einerseits und der Indust-
riebetriebe Heinrich Meyer-Werke Breloh GmbH & Co. KG andererseits beteiligt
waren. Diese haben ihre Tätigkeit inzwischen eingestellt. Das Mittelstandskartell
zwischen der Kalksandsteinwerk Thörl & Meyer GmbH & Co. KG, Seevetal-
Beckedorf, an der die Thörl KG mit 59 % und die Industriebetriebe Heinrich Mey-
er-Werke Breloh GmbH & Co. KG zu 41 % beteiligt sind, und der früheren Kalk-
sandsteinwerke Busch & Dörlitz GmbH & Co. KG, ist 1998 aufgehoben worden
(B1-93/76). Das kurz darauf angemeldete Mittelstandskartell zwischen der Kalk-
sandsteinwerk Thörl & Meyer GmbH & Co. KG, Seevetal-Beckedorf, und der Bau-
stoffwerke Buxtehude GmbH & Co. KG, Buxtehude, ist 2002 beendet worden (B 1
– 146/98).
54. Die Nord-KS ist formal aus der Hartsteinwerke Herbert Holert KG (GmbH & Co.)
durch Umfirmierung hervorgegangen. Nachdem die ehemaligen, zur Familie Ho-
lert gehörigen Kommanditisten aus der KG ausschieden, wurden Ende 2002 Han-
sa, die Baustoffwerke Buxtehude GmbH & Co. KG, die Industriebetriebe Heinrich
Meyer-Werke Breloh GmbH & Co. KG, die Kalksandsteinwerke Oeversee Jensen
GmbH & Co. KG und die Kalksandsteinwerke Thörl & Meyer GmbH & Co. KG als
Kommanditisten der Nord-KS eingetragen. Die unmittelbare Kommanditbeteili-
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gung von Xella wurde im September 2004 ins Handelsregister eingetragen. Bei
Gründung der Nord-KS wurden mehrere Werke stillgelegt und die Produktion auf
die verbliebenen Werke aufgeteilt.
55. Ursprünglich hatte die Xella nur 9,5 % der Anteile an der Thörl KG. Mit Schreiben
vom 20. April 2004 meldete die Haniel Bau-Industrie GmbH den Erwerb der restli-
chen 90,5 % der Anteile an der Thörl KG durch die Xella von der Industriebetriebe
Heinrich Meyer-Werke Breloh GmbH & Co. KG an. Die Aufstockung der Anteile an
der Thörl KG vermittelten der Xella auch den Erwerb von 7,5 % an der Nord-KS.
Die Xella hat mit einer Gesamtbeteiligung von ca. 17,5 % weder Mitwirkungs- /
Blockademöglichkeiten bei der Bestellung/Abberufung der Geschäftsführung noch
bei der Ausgestaltung der Geschäftspolitik. Die (mittelbare) Erhöhung der Beteili-
gung von Xella an der Nord-KS unterlag nach damaligem Erkenntnisstand nicht
der Fusionskontrolle. Die Beschlussabteilung gab das Zusammenschlussvorha-
ben mit Schreiben vom 18. Mai 2004 frei. Mit Schreiben vom 29. Juni 2004 zeigte
die Anmelderin den Vollzug des Zusammenschlusses an.
VI. Verfahrensverlauf
1. Allgemeines
56. In dem Freigabeschreiben vom 18. Mai 2004 hat die Beschlussabteilung der An-
melderin mitgeteilt, dass die Tätigkeit der Nord-KS nach § 1 des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und Art. 81 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften (EG) (im folgenden EGV) bedenklich erscheine.
Die diesbezügliche Prüfung erstrecke sich zum einen auf die Beschränkung des
Geheimwettbewerbs und zum anderen darauf, ob die Nord-KS von den Gesell-
schaftern Xella (Haniel) und der Unternehmensgruppe Busch/Dörlitz, die ihre
Kalksandsteinaktivitäten jeweils nicht vollständig in das Gemeinschaftsunterneh-
men (GU) eingebracht haben, als Instrument der wettbewerblichen Verhaltensko-
ordinierung bei Kalksandstein genutzt werde.
57. Die Beschlussabteilung hat Auskunftsbeschlüsse vom 29. Juni 2004 an die Ver-
fahrensbeteiligten Xella, Hansa und Nord-KS adressiert, in denen die Standorte
der Kalksandsteinwerke, ihre Umsätze, die Größe der Lieferradien, die Über-
schneidungen der Lieferradien mit den Werken der jeweils anderen beiden Betei-
ligten und die Exportaktivitäten erfragt wurden. Die Nord-KS ist zur Übersendung
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sämtlicher Niederschriften über die Beschlüsse und Sitzungen des Beirates aufge-
fordert worden.
58. Die Beschlussabteilung hat den Beteiligten mit Schreiben vom 8. März 2005 die
Gründe für die beabsichtigte Untersagung mitgeteilt („Abmahnung“) und Gelegen-
heit zur Stellungnahme gegeben.
59. Die schleswig-holsteinische Landeskartellbehörde ist mit Schreiben vom 8. März
2005 von der Einleitung des Verfahrens benachrichtigt worden. Eine Stellung-
nahme ist nicht erfolgt.
60. Die Kommission hat gemäß Art. 11 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des
Rates vom 16. Dezember 2002 eine Kopie des Abmahnschreibens am 14. April
2005 erhalten.
61. Mit weiteren an die Nord-KS und ihre Gesellschafter gerichteten Auskunftsbe-
schlüssen vom 5. Oktober 2005 sollte deren Marktstellung ermittelt werden. Mit
dem Auskunftsbeschluss an die Nord-KS sind auch die Protokolle der Beiratssit-
zungen, die seit dem 7. Mai 2004 stattgefunden haben, angefordert worden.
62. Mit Auskunftsbeschlüssen vom 13. Dezember 2005 hat die Beschlussabteilung
eine Markterhebung durch Befragung von Wettbewerbern durchgeführt.
63. Mit Schreiben vom 1. Juni 2006 ist den Beteiligten ein Entwurf des Beschlusses
übersandt und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden.
2. Beschwerde gegen einen an Xella gerichteten Auskunftsbeschluss
64. Mit Auskunftsbeschluss vom 1. Februar 2006 sind von der Xella ergänzende In-
formationen erbeten worden. Xella hat Beschwerde gegen den Auskunftsbe-
schluss eingelegt und Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Be-
schwerde gestellt. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der
Beschwerde ist vom OLG Düsseldorf hinsichtlich des Kerns der erbetenen Aus-
künfte zurückgewiesen worden (vgl. OLG, Beschluss vom 6. April 2006, Xella
Deutschland GmbH, VI Kart 6/06 [V]). Der Auskunftsbeschluss ist inzwischen be-
antwortet worden.
3. Stellungnahme der Beteiligten zu 2.
65. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2. hat mit Schreiben vom 17.
Mai 2005 zu der Abmahnung vom 8. März 2005 Stellung genommen, der sich die
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übrigen Beteiligten angeschlossen haben. Dabei ist im Wesentlichen folgendes
vorgetragen worden.
Die Gründung der Nord-KS sei keine Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 81
Abs. 1 EGV, jedenfalls aber nach der Legalausnahme des Art. 81 Abs. 3 EGV frei-
gestellt. Schon deshalb dürfe das nationale Kartellverbot des § 1 GWB nicht zum
Verbot der Durchführung der Gesellschaftsverträge der Nord-KS führen. Überdies
sei die Nord-KS aus einer Reihe von Gründen nicht mit dem GU vergleichbar,
welches der BGH in der von der Beschlussabteilung zitierten "Ostfleisch-
Entscheidung" als kooperatives GU subsumiert habe. Nicht alle Gesellschafter der
Nord-KS blieben auf dem gleichen Markt tätig. Xella und Hansa stünden sich nicht
als aktuelle Wettbewerber auf dem gleichen räumlichen Markt wie das GU gegen-
über. Aus einer nur marginalen Überschneidung der Vertriebstätigkeit könne keine
Koordinierungswahrscheinlichkeit geschlossen werden. Die wirtschaftliche Bedeu-
tung des GUs sei für Xella auch nicht annähernd so groß, dass es kaufmännisch
vernünftig wäre, auf Preiswettbewerb zu verzichten. Die angenommene Gefähr-
dung durch Preisunterbietungen könne Xella aus dem Mehrertrag der eigenen Ak-
tivitäten ohne weiteres kompensieren.
66. Zum Entwurf des Beschlusses haben die Beteiligten nicht Stellung genommen.
B.
I. Zuständigkeit
67. Das Bundeskartellamt ist für die beabsichtigte Verfügung nach § 32 GWB gemäß
§ 48 Abs. 2 GWB zuständig, da sich die Wirkung des wettbewerbsbeschränken-
den Verhaltens auf mehrere Bundesländer erstreckt. Für die Anwendung des Art.
81 EGV ist das Bundeskartellamt gemäß § 50 Abs. 1 GWB zuständig.
II. Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 und 2 GWB
68. Die Kartellbehörde kann Unternehmen verpflichten, eine Zuwiderhandlung gegen
§ 1 GWB oder Art. 81 Abs. 1 EGV abzustellen (§ 32 Abs. 1 GWB). Sie kann hierzu
den Unternehmen alle Maßnahmen aufgeben, die für eine wirksame Abstellung
der Zuwiderhandlung erforderlich und gegenüber dem festgestellten Verstoß ver-
hältnismäßig sind (§ 32 Abs. 2 GWB). Jede vorsätzliche oder fahrlässige Zuwider-
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handlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 32 Abs. 1 GWB stellt eine
mit Bußgeld bedrohte Ordnungswidrigkeit dar (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 a GWB).
69. Die Kooperation der Beteiligten zu 2. bis 6. in der Nord-KS bewirkt eine Wettbe-
werbsbeschränkung im Sinne von § 1 GWB und Art. 81 Abs. 1 EGV. Die Nord-KS
ist zum einen ein kooperatives GU, das zu einer Koordinierung des Marktverhal-
tens und somit zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Gesell-
schaftern Xella und Hansa und dem GU Nord-KS auf dem Markt für das aufge-
hende Hintermauerwerk führt (dazu 1). Zum anderen beschränken die umfassen-
den Informationsmöglichkeiten, die den Kommanditisten insbesondere durch die
Entsendung von Mitgliedern in den Beirat vermittelt werden, den Geheimwettbe-
werb zwischen den Gesellschaftern Xella und Hansa und der Nord-KS (dazu 2).
Die genannten wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen erfüllen nicht die
Freistellungsvoraussetzungen des deutschen und europäischen Kartellrechts (da-
zu 3).
Die Beschlussabteilung hat den Beteiligten die im Tenor unter 2. bis 4. genannten
Maßnahmen aufgegeben, weil diese zur Abstellung der festgestellten Wettbe-
werbsverstöße erforderlich und verhältnismäßig sind (dazu 4).
1. Wettbewerbsbeschränkung durch das kooperative GU Nord-KS
a) Verstoß gegen § 1 GWB
aa) Anwendbarkeit des Kartellverbots
70. Die vorgenommene fusionskontrollrechtliche Prüfung sowie die Freigabe des an-
gemeldeten Zusammenschlusses bzgl. der Aufstockung der Anteile der Haniel-
Tochter Xella an der Thörl KG steht der Prüfung der Gesellschaftsverträge der
Nord-KS nach Maßgabe von § 1 GWB schon deshalb nicht entgegen, weil diese
sich nicht auf die (mittelbare) Erhöhung der Xella-Beteiligung an der Nord-KS be-
zogen hat. Auch die Gründung der Nord-KS unterlag nicht der Fusionskontrolle,
da die Schwellenwerte des § 35 Abs. 1 GWB nicht erreicht wurden. Insofern han-
delt es sich bei Anwendung des § 1 GWB nicht um eine Doppelkontrolle.
bb) Wettbewerbliche Verhaltenskoordinierung zwischen Xella und Hansa über die
Nord-KS
71. Der Gesellschaftsvertrag der Nord-KS und der Verwaltung Nord-KS GmbH sind
Verträge zwischen den im Wettbewerb stehenden Unternehmen Xella, Hansa und
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Nord-KS, die zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führen. Als Instrument der
Verhaltensabstimmung des kooperativen GUs Nord-KS dient deren Beirat. Die
Abstimmung betrifft insbesondere die Preispolitik der genannten Unternehmen.
72. Ob ein GU aufgrund der Auswirkungen auf die Marktverhältnisse auch dem Kar-
tellverbot unterliegt, ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzel-
falls zu beantworten (BGH, Beschl. vom 1.10.1985, WuW/E BGH 2171 – „Misch-
werke“; BGH, Beschl. v. 8.5.2001, WuW/E DE-R, 711, 715 – „Ostfleisch“). Dabei
stellt die Unterscheidung zwischen kooperativen und konzentrativen GU eine Ab-
grenzungshilfe dar. Nach der Rechtsprechung (BGH Beschl. v. 1.10.1985, WuW/E
BGH 2169, 2170 – „Mischwerke“; BGH Beschl. v. 8.5.2001, WuW/E DE-R, 711,
716 – „Ostfleisch“) ist ein GU konzentrativ, wenn es im Sinne einer „selbständigen
Wirtschaftseinheit“ sämtliche Funktionen eines selbständigen Unternehmens
wahrnimmt, marktbezogene Leistungen erbringt und nicht ausschließlich oder ü-
berwiegend auf einer vor- oder nachgelagerten Stufe für die Muttergesellschaften
bzw. die Gesellschafter tätig ist (sog. VollfunktionsGU) sowie sich nicht auf dem-
selben Markt wie die Mütter bzw. Gesellschafter betätigt. Danach handelt es sich
bei der Nord-KS zwar um ein VollfunktionsGU, doch schließt dies die Prüfung der
Frage nicht aus, ob die Nord-KS zu einer Koordinierung des Wettbewerbsverhal-
tens führt. Dabei stellt es ein Indiz für eine Zusammenarbeit der Muttergesell-
schaften dar, wenn diese ihre Tätigkeit auf demselben sachlichen und räumlichen
Markt wie das GU fortsetzen (BGH, Beschl. v. 8.5.2001, WuW/E DE-R 711, 716 –
„Ostfleisch“). Bleiben die Muttergesellschaften aktuelle Wettbewerber des GUs,
sind sie im Allgemeinen versucht, durch Abstimmung ihrer Geschäftspolitik oder
durch bewusste Zurückhaltung die Intensität des Wettbewerbs zu verringern.
73. Zwei Gesellschafter – die Holert Beteiligungen GmbH & Co. KG und die Industrie-
betriebe Heinrich Meyer-Werke Breloh GmbH & Co. KG – haben sich vollständig
vom Markt zurückgezogen und ihre Geschäftstätigkeit in die Nord-KS eingebracht.
Hinsichtlich dieser Gesellschafter ist § 1 GWB nicht anwendbar.
74. Xella und Hansa bleiben dagegen aktuelle Wettbewerber der Nord-KS. Beide Ge-
sellschafter sind im Vertriebsgebiet der Nord-KS tätig. Auch das Vertriebsgebiet
von Xella und Hansa überschneidet sich. Xella hat auf dem betroffenen Regio-
nalmarkt einen Anteil von ca. [10 – 20] %, die Hansa (-Domapor Vertriebs-GmbH
& Co. KG) hat einen Anteil von ca. [2 – 10] %.
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75. Die Haniel Bau-Industrie GmbH hat für Xella die Frage nach der Überschneidung
der Lieferradien des Hansa-Werkes in Parchim und der Xella-Werke mit Schrei-
ben vom 16. August 2004 wie folgt beantwortet:
"Die Lieferradien aller Werke (mit Ausnahme von Niederlehme und Neustadt)
dürften sich mit dem Lieferradius des Kalksandstein- und Porenbetonwerkes Par-
chim, der uns allerdings nicht genau bekannt ist, überschneiden".
76. Die Produkte des Werkes Parchim werden über das Mittelstandskartell Hansa-
Domapor Vertriebs-GmbH & Co. KG vertrieben. Das Mittelstandskartell hat bei der
Anmeldung mehrere Werke von Xella und Nord-KS als Wettbewerber benannt
(vgl. B 1 – 75/03, Bl. 42 ff.)
Auch die Hansa Baustoffwerke Parchim haben mehrere Werke von Xella und
Nord-KS als Wettbewerber aufgeführt (vgl. Schreiben der Hansa Baustoffwerke
Parchim vom 1. 11. 2005, Anlage).
77. Die Beteiligten haben Aktivitäten des Gesellschafters Hansa auf dem betroffenen
Regionalmarkt mit dem Argument bestritten, nicht die unmittelbaren Gesellschaf-
ter der Nord-KS (die Hansa Baustoffwerke GmbH & Co. KG und die Baustoffwer-
ke Buxtehude GmbH & Co. KG) seien Betreiber des Werkes in Parchim, sondern
die Hansa Baustoffwerke Parchim GmbH.
78. An den drei genannten Gesellschaften sind jeweils Frau Busch und Herr Dörlitz
(mittelbar) paritätisch beteiligt. Frau Dörlitz und Herr Busch sind auch jeweils Ge-
schäftsführer dieser Gesellschaften. Frau Busch und Herr Dörlitz beherrschen ü-
ber ihre Stellung als alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer die drei Gesell-
schaften. Die drei Gesellschaften bilden gemeinsam mit den weiteren Gesell-
schaften der Hansa-bzw. Busch/Dörlitz-Gruppe (vgl. Ziffern 8 ff.) eine wettbe-
werbliche Einheit, die als Hansa bezeichnet wird (zur gemeinsamen Beherrschung
mehrerer Unternehmen durch mehrere Personen vgl. Ruppelt in: Langen/Bunte;
Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 10. Aufl., § 36 Rn. 64,
§ 37 Rn. 25). Die Hansa Baustoffwerke Parchim GmbH bringt ihre wettbewerbli-
chen Interessen in die Entscheidungsgremien der Nord-KS konkret dadurch ein,
dass einer ihrer Geschäftsführer (Herr Dörlitz) als Mitglied des Beirats der Nord-
KS fungiert. Herr Dörlitz übt im Beirat die Stimmrechte für die unmittelbaren Ge-
sellschafter der Nord-KS aus.
79. Es ist auch kartellrechtlich irrelevant, dass während des Verfahrens im Haniel-
Konzern konzerninterne Umstrukturierungen durchgeführt wurden und nunmehr
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die Kalksandsteinwerke nicht mehr unmittelbar von der Xella Kalksandstein
GmbH, sondern von der Xella betrieben werden (vgl. OLG, Beschluss vom 6. April
2006, Xella Deutschland GmbH, VI Kart 6/06 [V), S. 5).
80. Die Beteiligten vertreten die Auffassung, dass das Kartellverbot nach § 1 GWB
keine Anwendung auf das GU Nord-KS finde, weil dieses nicht – wie in dem der
Ostfleisch-Entscheidung zugrundeliegenden Fall – zu 100 %, sondern nur zum
Teil kooperativ sei.
81. Entgegen der Ansicht der Beteiligten kann die Tatsache, dass sich das GU für
zwei Gesellschafter wegen ihres Rückzugs vom Markt als konzentrativ darstellt,
das GU nicht insgesamt dem Kartellverbot entziehen. Die Beteiligung der beiden
wettbewerbsneutralen Gesellschafter verhindert nicht, dass die beiden noch selb-
ständig auf dem Markt aktiven Gesellschafter das GU nutzen, um ihr wettbe-
werbliches Verhalten untereinander sowie zu dem GU abzustimmen. Der Tatsa-
che, dass das GU auch konzentrative Aspekte hat, wird auf Rechtsfolgenseite
Rechnung getragen, indem nicht – wie in der Ostfleisch-Entscheidung – die Un-
tersagung des GUs insgesamt verfügt wird, sondern als dazu minderer Eingriff
das Ausscheiden des Gesellschafters Xella angeordnet wird.
82. Der Annahme einer Verhaltenskoordinierung der Gesellschafter Xella und Hansa
steht auch nicht entgegen, dass sie an sich aufgrund der Mehrheitsverhältnisse
gesellschaftsrechtlich keinen bestimmenden Einfluss auf die Nord-KS nehmen
können. Die Annahme einer Wettbewerbsbeschränkung unter den Gesellschaftern
setzt nicht voraus, dass diese das GU zu einem bestimmten Verhalten im Wett-
bewerb anweisen können (BGH Beschl. v. 8.5.2001, WuW/E DE-R 711, 717 –
„Ostfleisch“).
83. Neben der Vermutung einer Verhaltenskoordinierung aufgrund der weiterhin fort-
geführten eigenen Tätigkeiten im selben relevanten Markt sprechen weitere Grün-
de für das Bestehen von kooperativen Effekten. Hier sind insbesondere die Ge-
sellschaftsstruktur der Nord-KS, das strategisches Interesse der Xella, die wirt-
schaftliche Bedeutung und das Ausmaß der bereits praktizierten Verhaltenskoor-
dinierung zu nennen.
(1) Gesellschaftsstruktur 84. Die Nord-KS ist eine GmbH & Co. KG in der Form einer Einheitsgesellschaft, d.h.
die KG ist ihrerseits alleinige Inhaberin der Geschäftsanteile ihrer eigenen Kom-
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plementär-GmbH. Diese Konstellation hat zur Folge, dass die Kommanditisten
Träger des Vermögens des Unternehmens sind, was gesellschaftsvertraglich
durch eine ausgeprägte Mitentscheidungsbefugnis der Kommanditisten abgesi-
chert wird. Der Gesellschaftsvertrag implementiert insbesondere einen Beirat, der
weitreichende Entscheidungsbefugnisse hat und dessen Mitglieder von den
Kommanditisten bestimmt werden.
85. Der Katalog der Geschäfte, die der einstimmigen Zustimmung des Beirates bedür-
fen, geht zwar nicht über die gesetzlich vorgesehenen Rechte der Kommanditisten
hinaus, da es sich bei den dort genannten Geschäften um sog. Grundlagenge-
schäfte handelt, die Sache aller Gesellschafter, also auch der Kommanditisten,
sind (BGHZ 132, 266). Der Katalog der Geschäfte, denen der Beirat mehrheitlich
– sei es mit ... %-iger Mehrheit oder mit einfacher Mehrheit – zuzustimmen hat,
geht jedoch weit über die gesetzlich vorgesehenen Rechte der Kommanditisten
hinaus und ist derart umfassend, dass ihre Mitbestimmung in das Tagesgeschäft
hineinreicht (z. B. Erfordernis der Zustimmung des Beirates für...) und der Beirat
als faktisches Geschäftsführungsorgan bezeichnet werden kann. Dies wird auch
dadurch deutlich, dass dem Beirat die Angelegenheiten der Geschäftsführung zur
Entscheidung vorzulegen sind, wenn ein einstimmiger Beschluss der Geschäfts-
führung der persönlich haftenden Gesellschafterin nicht zustande kommt (vgl. § 7
Satz 2 Gesellschaftsvertrag der KG). Auch die kurzen zeitlichen Abstände, in de-
nen der Beirat tagte, weisen darauf hin, dass sich der Beirat nicht nur mit strategi-
schen Planungen, sondern darüber hinaus mit Angelegenheiten des Tagesge-
schäfts befasste. Eine enge und effektive Zusammenarbeit der Kommanditisten
wird auch durch die geringe Zahl von vier Beiratsmitgliedern begünstigt.
86. Durch die Gesellschaftsstruktur als Einheitsgesellschaft und die Installation eines
Beirates haben die Kommanditisten ein Gremium, in dem sie die Geschäftspolitik
der eingebrachten und ihrer weiteren noch selbständig am Markt tätigen Unter-
nehmen abstimmen und in der Geschäftsführung des GUs durchsetzen können.
Die Kommanditisten können die gemeinsame Erörterung der Geschäftspolitik der
Nord-KS dazu nutzen, ihre eigenen Interessen einzubringen und aufeinander ab-
zustimmen sowie vertrauliche Informationen auszutauschen. Es ist nicht zu erwar-
ten, dass die Gesellschafter, die Wettbewerber der Nord-KS sind, einem in diesem
Gremium gefundenen Konsens außerhalb des GU zuwider handeln.
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(2) Strategisches Interesse der Xella 87. Nach den Feststellungen in früheren Fusionskontrollverfahren (z. B. B 1 – 187/01)
hatte Xella in Norddeutschland auf dem Markt für das aufgehende Hintermauer-
werk eine so starke Marktstellung, dass sich weitere Akquisitionen aus fusions-
rechtlichen Gründen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht hätten realisieren lassen.
Die letzte diesbezügliche Freigabe eines Zusammenschlusses im Jahr 2002 war
mit einer Veräußerungs-Bedingung verbunden, die sich auch auf den hier betrof-
fenen Regionalmarkt bezog (vgl. Beschluss Haniel/Fels vom 26. 3. 2002, B 1 –
187/01, Veräußerung des Werkes Wedel an H+H Celcon). Xella konnte ihre
Marktstellung deshalb nur weiter absichern, wenn es ihr gelang, bedeutende
Wettbewerber in einer nicht der Fusionskontrolle unterliegenden Weise an sich zu
binden oder wenigstens wettbewerblich zu neutralisieren. Bei dem homogenen
Massengut Kalksandstein sowie dessen Substitutionsprodukten konzentriert sich
der Wettbewerb im Wesentlichen auf den Preis. Eine Festigung der Marktstellung
kann deshalb hauptsächlich über eine Minderung des Preiswettbewerbs erreicht
werden, der von bedeutenden Wettbewerbern ausgeht.
88. Xella hat diesen Weg beschritten, indem sie sich mit weniger als 25 % und ohne
gesellschaftsrechtliche Blockademöglichkeit an dem wichtigen Wettbewerber
Nord-KS (drittstärkster Anbieter, Marktführer im Marktsegment Kalksandstein) be-
teiligt hat, dessen Gesellschaftsvertrag so ausgestaltet ist, dass die Geschäftspoli-
tik im Beirat von ihr und dem weiteren Wettbewerber Hansa mit erörtert und be-
schlossen werden kann. Gegenstand der Sitzungen des Beirats war auch tatsäch-
lich insbesondere die Preispolitik.
89. Vor dem Hintergrund dieser Strategie ist auch die 24 % - Beteiligung von Xella an
der BMO Baustoffwerke Münster-Osnabrück zu sehen.
(3) Wirtschaftliche Bedeutung 90. Die Nord-KS erwirtschaftete im Jahr 2004 einen Umsatz von ca. [20-35] Mio. €
(einschließlich der 50 %-Beteiligung an der UNK ca. [20-45] Mio. €). Der Umsatz
der Hansa (Werk Parchim) lag im Jahr 2004 bei [8-20] Mio. €. Die Hansa (Unter-
nehmensgruppe Busch/Dörlitz) ist mit 32,6 % an der Nord-KS beteiligt. Dies lässt
auf ein erhebliches Interesse von Hansa am wirtschaftlichen Ergebnis der Nord-
KS schließen. Der Versuch von Hansa, der Nord-KS durch Preisunterbietungen
Marktanteile abzunehmen und dadurch den Gewinn zu steigern, würde wahr-
scheinlich durch die geminderten Ertragsaussichten bei der Nord-KS überkom-
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pensiert. Ein vorstoßender Wettbewerb seitens Hansa erscheint somit schon auf-
grund der Gesellschafterstellung bei der Nord-KS praktisch ausgeschlossen.
91. Xella erzielte im Jahr 2004 auf dem betroffenen Regionalmarkt einen Umsatz von
ca. [40 –70] Mio. Euro und damit einen höheren Umsatz als die Nord-KS. Xella ist
mit ca. 17,5 % an der Nord-KS beteiligt. Obwohl das wirtschaftliche Ergebnis der
Nord-KS somit für Xella eine geringere Bedeutung hat als für Hansa, ist von einer
Verminderung der Wettbewerbsintensität auszugehen. Preisvorstöße durch Xella
erscheinen zwar nicht völlig ausgeschlossen, doch sind sie weniger wahrschein-
lich, wenn ein denkbarer Erlöszuwachs durch vorstoßenden Wettbewerb gegen
eine Gewinnminderung als Gesellschafter der Nord-KS abzuwägen ist.
92. Die Nord-KS ist für Xella auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil diese im
Marktsegment Kalksandstein auf dem betroffenen Regionalmarkt Marktführer ist.
Die Nord-KS als größter regionaler Kalksandstein-Konkurrent könnte Bemühun-
gen von Xella, dort die Preise zu erhöhen, verhindern oder zumindest erschweren.
Die wettbewerbliche Neutralisierung der Nord-KS ist deshalb von erheblichem
Gewicht für die Erlös- und Gewinnerzielungsmöglichkeiten der Xella. Der betroffe-
ne norddeutsche Raum ist der zentrale Markt für Kalksandstein, weil sich dort die
überwiegende Anzahl der Produktionsstätten für Kalksandstein befindet (in den
südlichen Regionen Deutschlands liegt dagegen der Schwerpunkt der Ziegelpro-
duktion).
93. Das Interesse von Xella an einer Beruhigung der Preise wird auch durch die Vor-
geschichte bestärkt, die der Gründung der Nord-KS in der heutigen Form voran-
gegangen ist. Ein Koordinierungsinteresse der Busch/Dörlitz - Gruppe und der In-
dustriebetriebe Heinrich Meyer-Werke Breloh GmbH & Co. KG hat sich bereits in
der Vergangenheit in der als Mittelstandskartell fungierenden Thörl & Meyer KG
niedergeschlagen. Da die beabsichtigte Einbeziehung des Großunternehmens
Xella und ihrer Tochtergesellschaft Kalksandsteinwerke Oeversee Jensen GmbH
& Co. KG in die Kooperation im Wege eines Mittelstandskartells nicht möglich war,
wurde dieses Mittelstandskartell aufgelöst. Als neues Koordinierungsinstrument
trat an seine Stelle kurz darauf die zur Nord-KS umstrukturierte Hartsteinwerk
Herbert Holert KG (GmbH & Co.), zu deren Gesellschaftern auch Xella gehört. Die
Beteiligten haben auf die Auskunftsbeschlüsse übereinstimmend geantwortet,
dass die Nord-KS im Zuge der Krise der Bauwirtschaft zunächst von mittelständi-
schen Unternehmen gegründet wurde. Die Gesellschafter konnten mit den aufge-
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bauten Überkapazitäten bei der stark gesunkenen Nachfrage nach Kalksandstein
nicht mehr wirtschaftlich arbeiten und erhofften sich durch die Gründung der Nord-
KS eine Verbesserung der Erlössituation. Eine Verbesserung der Erlössituation
setzt aber voraus, dass die erzielten Vorteile nicht oder nicht in vollem Umfang an
die Abnehmer weitergegeben werden. Aus der Sicht der Gesellschafter lag es
deshalb nahe, im Verhältnis zum GU und damit auch zugleich untereinander den
Preiswettbewerb zu beschränken. Der Preisberuhigung diente zunächst die Still-
legung einiger Werke sowie die Einbringung der meisten Werke in die gemeinsa-
me Gesellschaft. Später beteiligte sich der Marktführer Xella schließlich sogar di-
rekt an der ursprünglich mittelständisch geprägten Gesellschaft, nachdem Xella
bzw. Haniel zuvor bereits über die von ihr beherrschte Kalksandsteinwerke Oe-
versee Jensen GmbH & Co. KG an der Nord-KS mittelbar beteiligt war. Die der
Xella in diesem Zusammenhang eingeräumten Informationsrechte, insbesondere
hinsichtlich der Preise, ergeben nur einen Sinn, wenn die Beteiligten sich einig wa-
ren, künftig den Preiswettbewerb zu mindern. Kein Unternehmen ist bereit, einem
echten Konkurrenten Einblick in seine Preispolitik zu gewähren.
94. In Anbetracht des gemeinsamen Interesses von Xella, Nord-KS und Hansa an
einer Preisberuhigung, die über höhere Erlöse allen drei Wettbewerbern dient,
kommt es für die Wahrscheinlichkeit der Verhaltenskoordinierung zwischen Xella
und Hansa auf die wirtschaftliche Bedeutung des GUs ohnehin nicht entscheidend
an. Nach der „Ostfleisch-Entscheidung“ des BGH kann auch das kleinere GU als
Scharnier zwischen den weiterhin auf dem Markt tätigen Gesellschaftern fungieren
(BGH WuW/DE-R, 711, 717).
(4) Ausmaß der bereits praktizierten Verhaltenskoordinierung 95. Die Protokolle der Beiratssitzungen (siehe oben Ziffern 26-31) belegen, dass eine
Verhaltensabstimmung tatsächlich stattfindet. In den Beiratssitzungen wird unter
Beteiligung von Vertretern von Xella und Hansa die Geschäftspolitik der Nord-KS,
insbesondere die Preispolitik, erörtert und beschlossen. Bei der Beratung und Ab-
stimmung können die von Xella und Hansa entsandten Beiratsmitglieder die Kalk-
sandstein-Interessen ihrer Unternehmen einbringen. Andererseits können sie die
im Beirat gewonnen Erkenntnisse über die Marktstellung und die geplanten Aktivi-
täten der Nord-KS bei der Ausgestaltung ihrer eigenen Geschäftspolitik berück-
sichtigen. Zur Verdeutlichung werden einige der diesbezüglichen Protokolle
nochmals zitiert:
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96. Protokoll vom 11.4.2002: „...“
97. Protokoll vom 7.5.2004: „...“
98. Protokoll vom 25.10.2004 (TOP 4 "Verabschiedung Planung 2005"): “...“
cc) Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung
99. Die Annahme einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung setzt nicht voraus, dass
die Marktverhältnisse wesentlich beeinflusst werden. Die Spürbarkeit ist nur dann
zu verneinen, wenn die Auswirkungen eines Kartells praktisch nicht ins Gewicht
fallen (BGH „Ostfleisch“ WuW/E DE-R, 711, 718).
100. Die Verhaltenskoordinierung zwischen Xella, Hansa und Nord-KS führt zu
schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen, insbesondere zu einer Be-
schränkung des Preiswettbewerbs. Die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung
hat also zur Folge, dass Xella als bundesweiter und regionaler Marktführer seine
starke Marktstellung dadurch weiter absichern kann, dass ein Preiswettbewerb
durch zwei Wettbewerber eingeschränkt wird. Angesichts dieser gravierenden
Marktauswirkungen ist deren Spürbarkeit offensichtlich.
b) Verstoß gegen Art. 81 EGV
101. Die Gesellschaftsverträge der Nord-KS und der Verwaltung Nord-KS GmbH sind
nach Art. 81 Abs. 1 EGV verbotene Vereinbarungen, die zu einer wettbewerbli-
chen Verhaltenskoordinierung von Hansa, Xella und Nord-KS führen.
aa) Anwendbarkeit des europäischen Kartellrechts
102. Nach bisherigem Erkenntnisstand scheint das europäische Kartellrecht auf den
vorliegenden Sachverhalt Anwendung zu finden. Denn es gibt Indizien dafür, dass
die Vereinbarung geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beein-
trächtigen.
103. Die Beteiligten haben auf die Auskunftsbeschlüsse vom 29.06.2004 zwar überein-
stimmend angegeben, dass sie einen Export von Kalksandstein nicht betreiben.
Ausländische Xella-Unternehmen importieren auch keinen Kalksandstein nach
Deutschland. Bei Berücksichtigung der Art der von der Vereinbarung erfassten
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Waren sind jedoch Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel zu erwar-
ten. Kalksandstein gelangt als homogenes Massengut seinem Wesen nach prob-
lemlos in den grenzüberschreitenden Handel, sofern sich das benachbarte Aus-
land innerhalb des Lieferradius eines Werkes befindet. Die Entfernung zur hollän-
dischen, dänischen oder polnischen Grenze von den nächstgelegenen Produkti-
onsstandorten der Beteiligten (Osterholz-Scharmbeck, Kaltenkirchen, Neubran-
denburg) beträgt jeweils weniger als 150 km, die von der Beschlussabteilung nach
ständiger Praxis näherungsweise als Lieferradius angenommen werden.
104. Die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ist vermutlich auch spür-
bar.
105. Die positive Vermutungsregelung für eine Spürbarkeit (vgl. Ziff. 53 der Bekannt-
machung der Kommission, Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des
zwischenstaatlichen Handels in den Art. 81 und 82 des EG-Vertrages, ABl. EG C
101/81) greift nicht ein, obwohl der Umsatz der Unternehmen mit der von der Ver-
einbarung erfassten Ware (d.h. Kalksandstein) 40 Mio. Euro überschreitet und der
gemeinsame Marktanteil der Parteien auf dem relevanten Markt 5 % überschreitet
(vgl. Ziff. 53 a.E., ebda.). Denn die Vereinbarung bezieht sich nur auf einen Teil
eines Mitgliedstaates.
106. Sofern eine Vereinbarung einen regionalen Markt abschottet, wird der Handel
spürbar beeinträchtigt, wenn das umsatzbezogene Marktvolumen des betroffenen
Regionalmarktes einen erheblichen Anteil am Gesamtumsatz der fraglichen Ware
innerhalb des betreffenden Mitgliedstaates ausmacht (vgl. Ziff. 90 der Bekanntma-
chung zur Zwischenstaatlichkeit). Der räumlich relevante Markt deckt fast den ge-
samten nördlichen Teil der Bundesrepublik ab. Der Gesamtumsatz mit Kalksand-
stein in diesem Markt ist ein erheblicher Anteil am Gesamtumsatz mit Kalksand-
stein in Deutschland. Denn nach den Feststellungen im Verfahren B1-187/01 be-
findet sich in der nördlichen Hälfte des Bundesgebietes die ganz überwiegende
Anzahl der Produktionsstätten für Kalksandstein, so dass dort Kalksandstein das
dominierende Produkt auf den Märkten ist. In den südlichen Regionen ist der
Mauerziegel vorherrschend. Angesichts der starken Marktstellung der Beteiligten
liegt es auch nahe, dass die Vereinbarung eine Abschottung des betroffenen be-
deutenden Regionalmarktes bewirkt.
107. Letztlich kommt es auf die spürbare Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen
Handels nicht an, da die in Frage stehenden Vereinbarungen und Verhaltenswei-
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sen sowohl nach deutschem als auch europäischem Recht verboten sind. Die
Voraussetzungen von § 2 GWB/Art. 81 Abs. 3 EGV liegen nicht vor, so dass die
Vereinbarungen vom Bundeskartellamt nach § 32 Abs. 1 und 2 GWB untersagt
werden können.
bb) Anwendbarkeit des Art. 81 Abs. 1 EGV
108. Die Tätigkeit der Nord-KS unterliegt der Prüfung nach Art. 81 des EG-Vertrages.
Ein Konkurrenzverhältnis zur Fusionskontrolle entsteht auch nach europäischem
Recht nicht, da weder bei der Gründung der Nord-KS noch beim Erwerb der restli-
chen Anteile an der Thörl KG, die eine Erhöhung des Anteils der Xella an der Nord-
KS vermittelte, die Schwellenwerte des Art. 1 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG)
Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unterneh-
menszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), im folgenden FKVO,
insbesondere nicht Art. 1 Abs. 3 d) FKVO, überschritten wurden. Darüber hinaus
fehlte es an einem Zusammenschlusstatbestand i. S. d. Art. 3 FKVO, da Xella
mangels Sperrminorität keine Kontrolle über die Nord-KS ausüben kann. Für ko-
operative VollfunktionsGU ohne gemeinschaftsweite Bedeutung ist die Prüfung ei-
nes Verstoßes gegen das Kartellverbot gemäß Art. 81 des EG-Vertrages über Art.
3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates zur Durchführung der in den
Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003 L 1,
S. 1) eröffnet. Auch nach europäischem Kartellrecht ist daher eine Prüfung nach
Maßgabe der Kriterien des Art. 81 Abs. 1 und Abs. 3 EGV angezeigt, wenn die E-
xistenz eines auf Dauer alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Ein-
heit erfüllenden GUs („Vollfunktionsunternehmens“) ohne gemeinschaftsweite Be-
deutung zu einer Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens unabhängig bleiben-
der Unternehmen führt (vgl. Schroeder in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen
Union, Stand: 24. Erg. Lfg., 09/04, Art. 81 EGV Rn. 421).
cc) Wettbewerbsbeschränkung zwischen den Wettbewerbern Xella und Hansa
109. Nach der Praxis der Kommission bezweckt oder bewirkt ein VollfunktionsGU nur
dann eine unter Art. 81 Abs. 1 EGV fallende Koordinierung des Wettbewerbsver-
haltens der Gründerunternehmen im Verhältnis zueinander, wenn eine solche Ko-
ordinierung wahrscheinlich und spürbar und auf die Gründung des GUs zurückzu-
führen ist (KOME IV/JV.1, Telia/Telenor/Schibsted, Rn. 28; KOME IV/JV.2, E-
NEL/FT/DT, Rn. 29; Schroeder, Art. 81 EGV Rn. 439). Auf Märkten, auf denen
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das GU und mindestens zwei der Gründerunternehmen präsent sind, ist eine Ko-
ordinierung der Gründerunternehmen untereinander sehr wahrscheinlich (vgl.
KOME IV/JV.16, Game Channel, Rn. 19; KOME COMP/JV.26, Free-
Com/Dangaard Holding, Rn. 27; KOME COMP/JV.35, Chemag/Beiselen/BayWa,
Rn. 21).
110. Die Beteiligten haben eingewendet, dass die Kommission in ihrer Entscheidungs-
praxis nicht jede Präsenz mindestens zweier Gesellschafter hat genügen lassen,
sondern eine „nennenswerte und gleichzeitige Präsenz“ der Gesellschafter ver-
langt. Die Europäische Kommission betont bei der Beurteilung von kooperativen
Aspekten von GUs in der Tat strukturelle Gesichtspunkte. Wesentlich ist danach
im Regelfall auch die Höhe des Marktanteils der Mütter und des GUs und ob die
Mütter über einen ähnlich hohen Marktanteil verfügen.
111. Diese Kriterien dienen jedoch letztlich nur dazu, die Wahrscheinlichkeit einer Ver-
haltenskoordinierung zu bemessen. Ihnen liegt die Überlegung zugrunde, dass für
einen deutlich größeren Marktteilnehmer kein Anreiz für die Koordinierung des
Wettbewerbsverhaltens mit einem Konkurrenten besteht, der über einen nur ge-
ringen Marktanteil verfügt. Im vorliegenden Fall gibt es jedoch nicht nur zusätzli-
che Hinweise für ein Koordinierungsinteresse. Vielmehr ist in den Protokollen über
die Beiratssitzungen ausführlich dokumentiert, dass und wie Xella und Hansa ihr
wettbewerbliches Verhalten in der Nord-KS über Jahre hinweg koordiniert haben.
112. Im Übrigen handelt es sich bei dem Kriterium der „nennenswerten und gleichzeiti-
gen Präsenz“ systematisch um eine Frage der Spürbarkeit (vgl. Schroeder in Gra-
bitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand: 24. Erg. Lfg., 09/04, Art. 81
EGV Rn. 442), an der im vorliegenden Fall keine Zweifel bestehen (vgl. dazu un-
ten Rn. 117).
c) Wettbewerbsbeschränkung zwischen Xella, Hansa und Nord-KS
113. Nach Auffassung der Kommission ist die Koordinierung zwischen den Gründern
und dem GU nur in dem Maße von Bedeutung, als sie ein Instrument für die Her-
beiführung oder Stärkung der Koordinierung zwischen den Gründern darstellt [vgl.
Ziff. 17 der Bekanntmachung der Kommission über die Unterscheidung zwischen
konzentrativen und kooperativen GU nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89
des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusam-
menschlüssen (ABl. 1994 C 385/1), die gemäß Fußnote 3 der Mitteilung der
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Kommission über den Begriff des VollfunktionsGUs nach der Verordnung (EWG)
Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen
(ABl. 1998 C 66/1) weiterhin zu berücksichtigen sein soll].
114. Diese vorgenannte Bekanntmachung steht der Anwendung von Art. 81 EGV auf
die Wettbewerbsbeschränkungen zwischen der Nord-KS und ihren Gesellschaf-
tern Xella und Hansa jedoch nicht – wie von den Beteiligten behauptet – entge-
gen. Ihr liegt der Zusammenschlussbegriff der europäischen Fusionskontrolle
zugrunde, nach der ein Zusammenschluss den Erwerb der Kontrolle eines Unter-
nehmens voraussetzt (vgl. dazu insbesondere Ziff. 18 ff. der Mitteilung der Kom-
mission über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) Nr.
4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen,
ABl. (1998) C 66, S. 2). Beim gemeinsamen Erwerb der Kontrolle über ein Unter-
nehmen verfügt dieses GU im Verhältnis zu seinen Gründern in aller Regel ohne-
hin über keinen beschränkbaren wettbewerblichen Verhaltensspielraum. Die Be-
kanntmachung der Kommission betrifft außerdem nur die mit der Gründung eines
GUs zwangsläufig verbundene Koordinierungswirkung (Gruppeneffekt). Für die
laufende Verhaltensabstimmung – etwa hinsichtlich der Preise - zwischen einem
Unternehmen und dessen Gesellschaftern ist dagegen maßgeblich, ob zwischen
ihnen ein beschränkbares Wettbewerbsverhältnis besteht. Ansonsten könnte ein
Unternehmen eine kartellrechtswidrige Preisabsprache mit seinem Wettbewerber
einfach dadurch legalisieren, dass es sich an diesem z. B. mit 1 % beteiligt.
115. Da Xella keinen (mit-)beherrschenden Einfluss auf das GU Nord-KS hat, handelt
es sich jedenfalls bei Xella nicht um einen Gründer im Sinne der zitierten Be-
kanntmachungen. Da die Nord-KS nicht innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit
den Weisungen ihrer Gesellschafter folgen muss, kann ihre wettbewerbliche
Handlungsfreiheit eingeschränkt werden, so dass ein Verstoß gegen Art. 81 Abs.
1 GWB in Betracht kommt. Nach der Kommissionspraxis zu Art. 81 EGV liegt
selbst zwischen einer an der gemeinsamen Kontrolle beteiligten Muttergesell-
schaft und dem GU eine solche wirtschaftliche Einheit nicht vor, da Weisungen
wegen der gemeinsamen Kontrolle nicht von einer Muttergesellschaft allein aus-
gehen können. Vereinbarungen zwischen einer Muttergesellschaft und dem GU,
die geeignet sind, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen, fallen daher unter
Art. 81 EGV i. V. m. VO 1/2003 (vgl. Henschen, in: Handbuch der Fusionskontrol-
le, Hrsg. Josef L. Schulte, C. IV. 3. b), Rn. 1580 m. N.).
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116. Die Kommission hat in einer Reihe von Fusionsfällen dem Umstand, dass ein
Minderheitsaktionär einer deutschen AG über einen Sitz im Aufsichtsrat Einblick-
möglichkeiten in und Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftspolitik hat, maßgebli-
che wettbewerbliche Bedeutung beigemessen (vgl. Simon, in: Handbuch zum
deutschen und europäischen Kartellrecht, Hrsg. Knut Werner Lange, 2. Aufl., § 3
Freistellung horizontaler Zusammenarbeit, Rn. 359 ff. mit Nachweisen). In der
Freistellungsentscheidung Olivetti/Digital genehmigte die Kommission den Erwerb
von 8 % der Anteile von Olivetti durch Digital sowie die damit verbundene Reprä-
sentanz im Verwaltungsrat u. a. mit der Begründung, dass Digital keinerlei Zugang
zu wettbewerbsrelevanten Informationen bekam, da der Verwaltungsrat von Oli-
vetti alle operative Macht an den Vorsitzenden des Verwaltungsrats delegiert hat-
te (Komm., Entsch. v. 11.11.1994 – Az. IV/34.410"Olivetti/MCI", Abl. 1994, Nr. L
309/29, 24 Rn. 26-27). Nur unter dieser Voraussetzung lag nach Auffassung der
Kommission kein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EGV vor.
d) Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkungen
117. Unter welchen Bedingungen eine etwaige Koordinierung des Wettbewerbsverhal-
tens spürbar ist, richtet sich nach der Bekanntmachung der Kommission über Ver-
einbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Art. 81 Abs. 1
des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beein-
trächtigen (de minimis) (ABl. 2001 C 368/13). Danach beschränken Vereinbarun-
gen zwischen Unternehmen den Wettbewerb nicht spürbar, wenn der Marktanteil,
der von den an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen insgesamt gehalten
wird, auf keinem der von der Vereinbarung betroffenen relevanten Märkte 10 %
überschreitet [vgl. Ziff. 7a) der Bekanntmachung der Kommission über Vereinba-
rungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1
des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beein-
trächtigen (de minimis), ABl. 2001 C 368/13]. Die Beteiligten erreichen insgesamt
Marktanteile von weit über 30 %. Im Übrigen bezieht sich die 10 %-Grenze ohne-
hin nicht auf schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen wie Vereinbarungen
und Verhaltensabstimmungen, die den Preiswettbewerb betreffen (vgl. Ziff. 11
Abs. 1a der de-minimis-Bekanntmachung).
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2. Beschränkung des Geheimwettbewerbs zwischen der Nord-KS und ihren Gesell-
schaftern Xella und Hansa
118. § 1 GWB bzw. Art. 81 Abs. 1 EGV sind auf das Verhältnis zwischen den auf dem-
selben Markt aktiven Gesellschaftern und dem wirtschaftlich und rechtlich selb-
ständigen GU anwendbar. Ein irgendwie geartetes Konzentrationsprivileg besteht
weder nach deutschem noch nach europäischem Recht. Zwischen dem GU und
den Gesellschaftern Xella und Hansa besteht ein beschränkbares Wettbewerbs-
verhältnis. Ein konzerninternes Wettbewerbsverhältnis ist zu verneinen, da die
bloße Sperrmöglichkeit bei der Ausgestaltung der Geschäftspolitik – über die Xella
ohnehin nicht verfügt - nicht genügt, um die Abhängigkeit des GUs zu begründen
(vgl. Baumbach/Hueck, AktG, 17. Aufl., 2001, § 17 Rn. 10).
119. Der Geheimwettbewerb ist von § 1 GWB geschützt (vgl. nur BGH Beschl. v.
29.1.1975, WuW/E BGH 1337, 1339, 1341 – „Aluminium-Halbzeug“; BGH Beschl.
v. 18.11.1986, WuW/E BGH 2313 – „Baumarkt-Statistik“; KG Beschl. v. 24.3.1972,
WuW/E OLG 1253, 1256 – „Tubenhersteller II“; Bunte in Langen/Bunte, 9. Aufl.
1999, § 1 Rn. 288; Immenga/Mestmäcker, 3. Aufl. 2001, § 1 Rn. 392).
120. Die Preisgabe des Geheimwettbewerbs vermindert die Intensität des Wettbe-
werbs, weil es den Informationsempfängern dadurch möglich wird, mit größerer
Sicherheit vorauszusehen, welche Preisangebote der Konkurrenz bei einem po-
tentiellen Kunden zu erwarten sind. In der Regel ist einem Unternehmen nicht be-
kannt, zu welchen individuellen Preisen seine Wettbewerber eine bestimmte Ware
angeboten haben. Es kann dies im allgemeinen auch nicht kurzfristig feststellen,
insbesondere dann nicht, wenn Preiswettbewerb – wie bei homogenen Massen-
waren verbreitet – in Form von geheimen Preisnachlässen praktiziert wird. Damit
ist es einem Unternehmen unmöglich, aus der in jüngster Zeit praktizierten Preis-
politik begründete Vermutungen über die aktuelle Preispolitik seiner Wettbewerber
abzuleiten. Um einen Auftrag zu erhalten, ist es deshalb gezwungen, besonders
scharf zu kalkulieren, um möglichst unter den Preisen seiner Wettbewerber zu
bleiben. Wenn das eigene besonders preisgünstige Angebot den Wettbewerbern
nicht sofort bekannt wird, sind auch keine Vergeltungsaktionen zu befürchten, die
vorstoßenden Preiswettbewerb sonst äußerst riskant machen oder sogar verhin-
dern könnten. Der BGH sah deshalb die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der
Weitergabe von Preisen darin, dass die Ungewissheit der Beteiligten über die
Wettbewerbslage beseitigt werde und damit der Einsatz des Preises als Wettbe-
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werbsmittel im Geheimwettbewerb nicht mehr zu nachhaltigen Wettbewerbsvor-
sprüngen führen würde mit der Folge, dass der Preiswettbewerb auf höherem als
wettbewerblichem Niveau an Intensität verliert (vgl. Stockmann in Wiedemann
(Hrsg.). Handbuch des Kartellrechts, 1999, § 8 Rn. 241; BGH Beschl.v.19.1.1975,
WuW/E BGH 1337, 1339, 1341 – "Aluminium-Halbzeug", KG Beschl.v.24.3.1972,
WuW/E OLG 1253, 1256 – "Tubenhersteller II").
121. Nach der „Bekanntmachung des Bundeskartellamtes über die kartellrechtliche
Beurteilung von Marktinformationsverfahren“ vom 24. Januar 1977 (BAnz. Nr. 22,
S. 8) sind Informationssysteme unzulässig, in deren Rahmen nicht nur allgemeine
Marktdaten (Höchst- und Mindestpreise, Durchschnittspreise), sondern auch Indi-
vidualpreise (einschließlich Sonderkonditionen und Rabatte) weitergegeben wer-
den. Dabei werden identifizierende Verfahren bei homogenen Gütern als beson-
ders bedenklich angesehen, da bei diesen der Preis der entscheidende Wettbe-
werbsparameter ist.
122. Die Beschränkung des Geheimwettbewerbs ist auch mit dem europäischen Recht
nicht vereinbar. Unterrichten sich die Beteiligten jeweils über ihre aktuellen Kondi-
tionen und Kalkulationen, ihre Umsätze, ihre Produktionsmengen und Produkti-
onsvorausschätzungen, ihre Kapazitäten, ihre Investitionen und/oder ihre Preise in
einer unter Berücksichtigung ihrer Marktkenntnisse die Identifizierung erlaubenden
Weise, so liegt ein Verstoß gegen Art. 81 EGV vor (vgl. Stockmann, a.a. O., § 8
Rn. 238 mit Nachweisen). Entscheidendes Merkmal für den Tatbestand der Ab-
stimmung ist, dass es durch die Fühlungnahme zwischen den Beteiligten zu einer
Reduktion des Risikos kommt, das mit autonomen Entscheidungen sonst verbun-
den ist, bzw. dass dadurch die Ungewissheit über das zukünftige Verhalten der
Mitbewerber verringert wird (Stockenhuber in Grabitz/Hilf: Das Recht der Europäi-
schen Union, Juli 2000, Art. 81 EGV Rn. 109; Wagenbauer in: Loewen-
heim/Meesen/Riesenkampf, Kartellrecht, Bd. 1, Art. 81 Abs. 1 Rn. 248).
123. Die umfassenden Informationsmöglichkeiten, die den Kommanditisten durch Ent-
sendung von Mitgliedern in den Beirat vermittelt werden, beschränken spürbar
den Geheimwettbewerb zwischen den Gesellschaftern Xella und Hansa einerseits
und dem GU Nord-KS. Durch ihre Teilnahme an den Beiratssitzungen erhalten die
Gesellschafter Xella und Hansa nicht nur Kenntnis vom Investitions- und Finanz-
plan ihres Wettbewerbers Nord-KS, sondern sie erörtern diesen mit und stimmen
über ihn ab. Damit sind sie im Voraus über alle wichtigen unternehmensstrategi-
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schen Entscheidungen der Nord-KS unterrichtet. Darüber hinaus werden im Beirat
die zu erstellenden Preislisten und sogar die Rabatte erörtert. Unter diesen Bedin-
gungen können von der Nord-KS keine autonomen Preisvorstöße ausgehen. Ins-
besondere die zu erwartenden Gegenmaßnahmen des ressourcenstarken und
weltweit tätigen Marktführers Xella schrecken die Nord-KS davor ab, offene Preis-
unterbietungen zu riskieren. Xella ist durch den Einblick in den Investitions- und
Finanzplan außerdem bekannt, ob die Nord-KS einen längeren Preiskampf finan-
ziell überhaupt durchstehen kann. Ein Vordringen der Nord-KS in die von der Xella
dominierten Markträume ist somit nicht erfolgversprechend, wenn der Geheim-
wettbewerb hinsichtlich der Preise beseitigt ist. Entsprechend werden auch wett-
bewerbliche Vorstöße der Nord-KS gegenüber Hansa unwahrscheinlicher. Eine
autonome Preispolitik der Wettbewerber Xella, Hansa und Nord-KS ist in Anbet-
racht der geschilderten Interessenlage und der tatsächlich belegten gemeinsamen
Erörterung der Preise im Beirat nicht vorstellbar. Mit dem Verzicht auf den Ge-
heimwettbewerb kann der Marktführer Xella zwei wichtige Wettbewerber neutrali-
sieren und so die wettbewerblichen Strukturen auf dem betroffenen Regionalmarkt
konservieren, was auch im Interesse der Nord-KS und der Hansa liegt. Das Zu-
sammenwirken der Xella und der Hansa in der Nord-KS hat somit eine wesentli-
che Beschränkung des Wettbewerbs, insbesondere hinsichtlich der Preise, zur
Folge.
124. Die Beteiligten haben in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass die kon-
kret verwandten Preislisten ohnehin im Markt verbreitet und damit auch für Xella
und Hansa zugänglich seien. Die Teilnahme an den Beiratssitzungen führe des-
halb zu keinem zusätzlichen Informationsgewinn. Außerdem werde auf die Listen-
preise mit den einzelnen Abnehmern individuell ausgehandelte Rabatte gewährt,
über deren Höhe keine Informationen in den Beiratssitzungen ausgetauscht wür-
den. In diesem Zusammenhang wird auf das Protokoll zur Beiratssitzung am 11.
April 2002 Bezug genommen.
125. Es ist unbestritten, dass eine von einem Unternehmen autonom gestaltete Preis-
liste nach der Zustellung an die Abnehmer später auch den Wettbewerbern be-
kannt wird. Es entspricht allerdings nicht dem wettbewerbskonformen Marktgeba-
ren, die Wettbewerber an der Ausgestaltung der Preisliste zu beteiligen. Letzteres
ist jedoch von den Beteiligten praktiziert worden. In der Beiratssitzung vom 11. Ap-
ril. 2002 ist z. B. der "Entwurf" einer Preisliste ausführlich diskutiert worden, "auch
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im Zusammenhang mit den direkten Wettbewerbern". Die Liste sollte lt. Protokoll
bis Ende April gedruckt sein, damit sie Anfang Mai verschickt werden konnte. Spä-
testens am 11. April 2002 haben Xella und Hansa somit die in der Liste enthalte-
nen Preise gekannt, die ihr Wettbewerber Nord-KS seinen Abnehmern erst An-
fang Mai mitteilen wollte. Erst danach konnten sie im Markt bekannt werden. Hier-
in ist ein erheblicher Informationsgewinn zu sehen.
126. Auch wenn auf die Listenpreise Rabatte gewährt werden, so bilden diese doch die
Basis der Preisgestaltung, deren Kenntnis den Geheimwettbewerb mindert. Auch
nach ständiger Praxis der Kommission verstößt es gegen Art. 81 Abs. 1 EGV,
wenn ein Hersteller seinen Wettbewerbern die wesentlichen Faktoren seiner
Preispolitik, wie seine Preislisten, die von ihm angewandten Rabatte oder Zeit-
punkte der Preisänderungen mitteilt (vgl. Wagenbaur, in: Loewen-
heim/Meesen/Riesenkampff, Kartellrecht, Bd. 1, Art. 81 Abs. 1 Rn. 248 mit Nach-
weisen).
127. Dem Protokoll der erwähnten Sitzung ist außerdem zu entnehmen, dass auch die
Rabattgestaltung Gegenstand der Erörterungen war. So heißt es im Protokoll: "...“
Danach ist die Rabattgestaltung ein wichtiges Mittel zur Steuerung der Preise.
Ergänzend wird auf das Protokoll der Sitzungen am 18. 10. 2002 und 8. 10. 2003
verwiesen. Dort heißt es: "...“
128. Ein Verstoß gegen § 1 GWB liegt auch dann vor, wenn sich die Informationsbe-
rechtigten auf anderem Wege Informationen über die Preise ihrer Wettbewerber
verschaffen können. Maßgeblich ist allein, dass die zu gewährende Information es
den Berechtigten ermöglicht, kurzfristig und sehr genau abzuschätzen, welches
Konkurrenzangebot von Konkurrenten zu erwarten ist (BGH Beschl. v. 29.1.1975,
WuW/E BGH 1337, 1339, 1341 – „Aluminium-Halbzeug“).
129. Insoweit gehen die in der Nord-KS kraft gesellschaftsvertraglicher Regelung ge-
währten Informationsrechte über die gesetzlich geregelten Rechte eines Kom-
manditisten hinaus. Dieser hat lediglich die Kontrollrechte nach § 166 HGB und ist
berechtigt, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses zu verlangen und
dessen Richtigkeit unter Einsicht der Bücher und Papiere zu prüfen. Das Ein-
sichtsrecht ist auf die Kontrolle des Rechnungsabschlusses beschränkt (vgl.
Baumbach/Hueck, HGB, 30. Aufl., 2000, § 166 Rn. 4).
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130. Dahinstehen kann der Einwand, es sei bei Kommanditverträgen mit wenigen Ge-
sellschaftern üblich, dass den Kommanditisten die umfangreichen Informations-
rechte eines GmbH-Gesellschafters nach § 51 a GmbHG gewährt werden. Denn
die den Kommanditisten Xella und Hansa kraft Gesellschaftsvertrag zustehenden
Informationsmöglichkeiten gehen auch über die Informationsrechte eines GmbH-
Gesellschafters hinaus. Diesem werden Informationen nach § 51 a GmbHG nur
auf Verlangen gewährt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Nord-KS findet die In-
formation der Kommanditisten jedoch regelmäßig, laufend, kurzfristig, unaufgefor-
dert und umfassend statt, so dass sie in dem faktischen Geschäftsführungsorgan
„Beirat“ über die Geschäftspolitik der Nord-KS mitentscheiden können.
3. Fehlen der Freistellungsvoraussetzungen von § 2 GWB/Art. 81 Abs. 3 EGV
131. Die Freistellung betrifft Vereinbarungen, die unter angemessener Beteiligung der
Verbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeu-
gung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitra-
gen, ohne dass den beteiligten Unternehmen a) Beschränkungen auferlegt wer-
den, die für die Verwirklichung dieser Ziele unerlässlich sind, oder b) Möglichkei-
ten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den
Wettbewerb auszuschalten. Diese Voraussetzungen müssen gleichzeitig vorlie-
gen. Gemäß Art. 2 der VO 1/2003 obliegt die Beweislast den Unternehmen, die
den Rechtsvorteil der Ausnahmeregelung von Art. 81 Abs. 3 EGV beanspruchen.
132. Art. 81 Abs. 3 EGV schließt nicht a priori bestimmte Arten von Vereinbarungen
aus seinem Anwendungsbereich aus, jedoch ist es bei schwerwiegenden Wettbe-
werbsbeschränkungen – wie bei der hier zu beurteilenden Beschränkung des
Preiswettbewerbs – unwahrscheinlich, dass die Voraussetzungen von Art. 81 Abs.
3 EGV erfüllt sind (Bekanntmachung der Kommission - Leitlinien zur Anwendung
von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag, Ziffer 46). Vereinbarungen dieser Art erfüllen
in der Regel (mindestens) die ersten beiden Voraussetzungen von Art. 81 Abs. 3
EGV nicht, da sie weder objektive wirtschaftliche Vorteile schaffen noch den
Verbrauchern Vorteile bringen. Darüber hinaus scheitern diese Vereinbarungen
nach Auffassung der Kommission in der Regel auch an der Prüfung der Unerläss-
lichkeit, die in der dritten Voraussetzung niedergelegt ist.
133. Die Beteiligten haben vorgetragen, die abgemahnte Wettbewerbsbeschränkung
sei im Rahmen der Legalausnahmen nach Art. 81 Abs. 3 EGV zulässig. Das GU
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sei durch die Kooperation in die Lage versetzt, Kalksandstein-Planelemente zu
produzieren und zu vertreiben. Kalksandstein-Planelemente sind großflächige
Bauelemente, die auf das konkrete Bauvorhaben zugeschnitten werden und vor-
gefertigt an die Baustelle angeliefert werden. Das aufwändige Sägen und Schnei-
den an der Baustelle entfalle, was zu erheblichen Lohnkosteneinsparungen und
deutliche kürzeren Gesamtbauzeiten führe. Die Investition in die Produktion von
Planelementen wäre für die mittelständischen Gesellschafter für sich alleine nicht
rentabel gewesen. Zudem wäre die weite Produktpalette, die die Nord-KS jetzt
anbietet, nicht möglich gewesen.
134. Die behaupteten (nicht quantifizierten) Kosteneinsparungen sowie die Erweiterung
der Produktpalette hätte auch durch eine sich auf den Bereich der Produktion be-
schränkende Kooperation ohne Beteiligung von Xella (Haniel) erreicht werden
können. Die Gründung eines GU, die bei zwei Gesellschaftern auch zu Wettbe-
werbsbeschränkungen im Vertrieb führt, ist für die Verwirklichung dieser Ziele
nicht unerlässlich (Leitlinien, Ziffern 74 ff.).
135. Die gemeinsamen Preiserörterungen im Beirat bewirken ohnehin keine Effizienz-
gewinne. Im Gegenteil: Eine Vereinheitlichung der Preise begrenzt die Produktion
und führt zu einer Fehlleitung von Ressourcen (vgl. Leitlinien, Ziffer 46).
136. Die Beschränkung des Preiswettbewerbs verhindert eine angemessene Beteili-
gung der Verbraucher an denkbaren Effizienzgewinnen. Bei der Gründung eines
GU besteht grundsätzlich die Besorgnis, dass die Muttergesellschaften einen Teil
der Effizienzgewinne, die durch die Zusammenlegung der Ressourcen erzielt wer-
den, als "Kartellgewinne" abschöpfen und nicht in vollem Umfang an die Verbrau-
cher weitergeben (vgl. Henschen, in: Handbuch Fusionskontrolle, a.a.O., Rn.
1517). Eine Vereinheitlichung der Preise führt zu Transferzahlungen von den
Verbrauchern zu den Produzenten, denn die Vereinbarung verursacht höhere
Preise, ohne für die Verbraucher auf dem relevanten Markt einen entsprechenden
Gegenwert zu erzeugen (vgl. Leitlinien, Ziffer 46).
137. Im GU wurden auch Preiserhöhungen beschlossen und realisiert. So werden in
dem Protokoll der Beiratssitzung vom 18.10.2002 als erreichte Ziele neben Ra-
battreduzierung und Personalabbau auch Preiserhöhungen genannt. Eine Ge-
winnbeteiligung der Verbraucher hat daher gerade nicht stattgefunden.
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138. Die Preiserhöhungen konnten aufgrund der starken Marktstellung der Beteiligten –
insbesondere der Marktstellung von Xella (Haniel) – durchgesetzt werden. Dies
ist ein Anhaltspunkt dafür, dass das GU keinem echten Wettbewerbsdruck ausge-
setzt ist und der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren
ausgeschaltet wurde (Leitlinien, Ziffer 111).
4. Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit der Maßnahmen
139. Die der Xella im Beschlusstenor zu 2. aufgegebene Verpflichtung, spätestens drei
Monate nach Zustellung des Beschlusses als Gesellschafter aus der Nord-KS
auszuscheiden, ist erforderlich, um die Wettbewerbsbeschränkung zwischen Xel-
la, Hansa und Nord-KS zu beenden. Durch sie wird nicht nur der Gruppeneffekt,
sondern auch alle Einfluss- und Informationsmöglichkeit des Marktführers Xella in
dem kooperativen GU beseitigt.
140. Das angeordnete Ausscheiden der Xella aus der Nord-KS kann im Wege des
Austritts nach Kündigung oder im Wege der Übertragung des Kommanditanteils
auf einen unabhängigen Erwerber geschehen.
Ob für den Austritt die Kündigung eines gegen § 1 GWB und Art. 81 EGV versto-
ßenden Gesellschaftsvertrages bei Personengesellschaften nach den Grundsät-
zen über die fehlerhafte Gesellschaft erforderlich ist oder wegen Nichtigkeit des
Gesellschaftsvertrages entbehrlich ist, ist in Rechtsprechung und Literatur (vgl.
Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Bd. 1,
9. Aufl., §1 Rn 236 m.w.N.) nicht abschließend geklärt.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Fehlerhaftigkeit der Gesellschaft schon
per se ein wichtiger Grund für eine – gegebenenfalls deklaratorische – außeror-
dentliche Kündigung (vgl. nur BGHZ 3, 285; 47,293,300). Etwaige im Gesell-
schaftsvertrag enthaltene Kündigungsfristen sind in diesem Zusammenhang un-
beachtlich, da sie nur für eine ordentliche Kündigung gelten.
141. Die aufgegebene Verpflichtung ist verhältnismäßig, da zum Abstellen des wettbe-
werbswidrigen Zustandes keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Im Ver-
gleich zur Untersagung der Durchführung der Gesellschaftsverträge der Nord-KS
insgesamt stellt das angeordnete Ausscheiden der Xella aus der Nord-KS den ge-
ringeren Eingriff dar, der berücksichtigt, dass das GU für die Gesellschafter, die ih-
re Kalksandstein-Tätigkeit vollständig in die Nord-KS eingebracht haben, kon-
zentrativen Charakter hat. Die Untersagung der Tätigkeit der Nord-KS wäre auch
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kein geeignetes Mittel zur Belebung des Wettbewerbs, weil sie dazu führen würde,
dass ein in seinem Kern mittelständisch geprägter Wettbewerber des Marktführers
aufgelöst und dadurch der Wettbewerb geschwächt wird.
142. Das angeordnete vollständige Ausscheiden des Gesellschafters Xella aus der
Nord-KS ist aber auch ausreichend. Die Beschlussabteilung hält es derzeit nicht
für geboten, auch die Hansa zum Ausscheiden aus der Nord-KS zu verpflichten.
Sie wird das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung zwischen der Nord-KS und
Hansa erneut überprüfen, wenn sich abzeichnet, zu welchen wettbewerblichen
Ergebnissen das Ausscheiden der Xella aus dem GU geführt hat.
143. Die der Xella für das Ausscheiden aus der Nord-KS gesetzte Frist räumt dieser
ausreichend Zeit für die Beendigung ihrer Beteiligung ein.
144. Die im Beschlusstenor zu 3. und 4. getroffenen Verpflichtungen dienen dazu, die
Mitwirkung von Xella im Beirat der Nord-KS sofort zu unterbinden, da insbesonde-
re der Beirat der Nord-KS bisher als Plattform für die Verhaltensabstimmung zwi-
schen den Gesellschaftern gedient hat. Sie ist auch erforderlich, um die Wettbe-
werbsbeschränkungen, insbesondere die beschriebene Beschränkung des Ge-
heimwettbewerbs, während der eingeräumten Frist für das Ausscheiden abzustel-
len.
145. Die alleinige Tenorierung zu 3. und 4. würde indes nicht genügen, um die Wett-
bewerbsbeschränkungen zwischen den Beteiligten vollständig und dauerhaft zu
beenden, da bei weiterem Bestehen einer strukturellen Verbindung über das GU
die Gefahr einer fortwährenden Verhaltenskoordinierung zwischen den Gesell-
schaftern Xella und Hansa sowie der Nord-KS nicht beseitigt würde.
Temme
Dr. Bardong Martin