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Die Haftpflicht nach dem Die Haftpflicht nach dem Gentechnikgesetz: Gentechnikgesetz:

Eine Alternative für die Nanotechnologie?Eine Alternative für die Nanotechnologie?

13.12.201313.12.2013

PD Dr. iur. Christoph Errass, Advokat, Privatdozent für öffentliches Recht an der Uni St. Gallen; Gerichtsschreiber an der II. öffentlich – rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts

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Inhalt

• Vorbemerkung• GTG Haftpflichtregelung • Übertragung auf Nanotechnologie?

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Vorbemerkung zum GTG 1

• Vorentwurf – Auseinandersetzungen mit gewissen Akteuren– Verwaltungsinterne Differenzen

• Entwurf des Bundesrates• Ständerat

– Kommission – SR – Kommission – SR– Kritik Versicherungsverband

• Nationalrat– Kommission – NR – Einzelanträge –

Wiederholung der Abstimmung

• Differenzbereinigung

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Vorbemerkung zum GTG 2

• Fazit:– GTG Haftpflichtbestimmungen

Bestimmt (v.a.)durch politische Standpunktenicht durch sachliche Überlegungen

wenig kohärent, unübersichtlich, nicht fehlerlos (was sich allerdings auch im materiellen Teil des GTG zeigt [z.B. Art. 5 Abs. 3 GTG])

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GTG Haftpflichtbestimmungen

• Art. 30 GTG– Grundsätze

• Art. 31 GTG– Schädigung der Umwelt

• Art. 32 GTG – Verjährung

• Art. 33 GTG– Beweiserleichterung

• Art. 34 GTG– Sicherstellung

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Haftung nach GTG

• Zweiteilung – Schnittstelle

InverkehrbringenSchäden, die vor dem Inverkehrbringen

auftreten»Art. 30 Abs. 1 GTG

Schäden, die nach dem Inverkehrbringen auftreten»Art. 30 Abs. 2 – 6 GTG

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Schäden, die vor dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 1 GTG) 1

• Haftungsrelevante Handlung mit GVO– GVO (Art. 5 Abs. 1 und 2 GTG; FrSV Anh. 1)– Umgang im geschlossenen System (Art. 10

GTG; ESV)– Freisetzungsversuche (Art. 11 GTG; FrSV)– Unerlaubt in Verkehr bringen: keine Bewilligung

(vgl. Art. 12 GTG; FrSV)

• Haftungssubjekt – Bewilligungspflichtige bzw. meldepflichtige

Person (Art. 10, 11, 12 GTG)– Lücke wegen 14 Abs. 1 GTG ?

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Schäden, die vor dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 1 GTG) 2

• Schaden– Unfreiwillige Vermögensreduktion

Verminderung der Aktiven, Vermehrung der Passiven, Entgangener Gewinn

– Vergleich zwischen vorher (hypothetischer Vermögensstand) und nachher

– Wirtschaftlicher Geldwert– Personen-, Sachschaden, Umweltschaden nach

Art. 31 GTG, reiner Vermögensschaden (?)

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Schäden, die vor dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 1 GTG) 3

• Kausalität– „gentechnische Kausalität“ (Art. 30 Abs. 7 GTG)

Schaden wegen neuer Eigenschaften der OrganismenVermehrung oder Veränderung der

OrganismenWeitergabe des veränderten Erbmaterials der

Organismen Auslegungshilfe in Art. 6 GTG und FrSV

– Nachweis und Feststellung Sachverhalt: Art. 33– Unterbrechung: Art. 30 Abs. 8 GTG

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Schäden, die vor dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 1 GTG) 4

• 30 Abs. 1 GTG– Gefährdungshaftung

D.h. verschuldensunabhängig

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Schäden, die nach dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 2-6 GTG) 1

• Differenzierung in: – Land- und waldwirtschaftliche

Produktionsmittel (Art. 30 Abs. 2 GTG)– Alle anderen erlaubt in Verkehr gebrachten

gentechnisch veränderten Organismen (Art. 30 Abs. 4 – 6 GTG)

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Schäden, die nach dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 2-6 GTG) 2

• Art. 30 Abs. 2 GTG– Haftungsrelevante Handlung mit GVO

in land- und waldwirtschaftliche Produktionsmittel (Art. 30 Abs. 2 GTG) enthalten

Erlaubtes Inverkehrbringen

– Haftungssubjekt Bewilligungspflichtige Person (Art. 12 GTG; z.B.

Saatguthersteller, Hersteller von PSM) Lücken?

Art. 14 Abs. 1 GTGHersteller ist immer bekannt: Art. 15 Abs. 3

GTG; Art. 9 Abs. 4 lit. a FrSV (Erkennungsmarker)

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Schäden, die nach dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 2-6 GTG) 3

– Schaden Siehe oben Einschränkungen:

Land- und waldwirtschaftlichen BetriebenKonsumenten von Produkten dieser Betriebe

– Kausalität Art. 30 Abs. 7, 33, Art. 30 Abs. 8 GTG

– Gefährdungshaftung

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Schäden, die nach dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 2-6 GTG) 4

• Art. 30 Abs. 4-6 GTG– Haftungsrelevante Handlung

Übrige GVO (also nicht solche nach Abs. 2)Fehlerhafte GVO (Art. 30 Abs. 5 und 6)

Erlaubtes Inverkehrbringen

– Haftungssubjekt Bewilligungspflichtige Person (Art. 12 GTG) Lücke?

– Schaden (siehe oben) Keine Einschränkungen wie beim PrHG

– Kausalität (siehe oben)

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Schäden, die nach dem Inverkehrbringen auftreten (Art. 30 Abs. 2-6 GTG) 5

– Verschärfte Produktehaftung Einbezug des Entwicklungsrisikos (Art. 30 Abs. 4

Satz 2 GTG)

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Gemeinsamkeiten

• Neben bereits aufgeführten (wie z.B. Schaden)– Verjährung (Art. 32 GTG)

3 Jahre 30 Jahre

– Sicherstellung (Art. 34 GTG)

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Voraussetzungen für diese Haftungsarten 1

• Sachlage mit GVO– Komplex– Situation der Ungewissheit– Folge:

EntkomplexisierungStep-by-step-PrinzipSchaffung von verschiedenen Umgangsarten

»Geschlossenes System»Freisetzungsversuche» Inverkehrbringen

Generierung von WissenReflexive Risikosteuerung

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Voraussetzungen für diese Haftungsarten 2

• Haftung knüpft an diese Umgangsformen an• Verschuldenshaftung (mit allen

Verschärfungen): keine Lösung– Geschädigte werden nicht vermögensrechtlich

(genügend) geschützt– Einführung einer Gefährdungshaftung

Umgang mit GVO ist risikobehaftet (unfallartige Ereignisse [siehe z.B. Cartagenaprotokoll]; „katastrophenartig“)

Von der Allgemeinheit gewünscht (nur z.T.; z.B. Moratorium in BV und nun Art. 37a GTG)

– Verschärfte Produktehaftung

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Voraussetzungen für diese Haftungsarten 3

– Einbezug des Umweltschadens– Ausdehnung der Verjährungsfrist

Langfristigkeit

– Verpflichtung zur Sicherstellung (Art. 34 GTG; ESV und FrSV)

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 1

• Sachlage komplex• Risikowissen minimal (nur für gewisse

Bereiche)– Situation der Ungewissheit– Siehe z.B. und nächste Folien

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 2Risikoradar der SwissRe

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 3Swiss Re: Emerging risk insights 1

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 4Swiss Re: Emerging risk insights 2

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 5

• Zur Zeit grundsätzlich keine nanospezifische Regelung– Rudimentär: Querschnitterlass (alles, was

grundsätzlich mit Chemikalien zu tun hat): ChemV (Art. 2 Abs. 2 lit. m, Art. 64 lit. d Ziff. 7, Anh. 3 Ziff. 2 und 7)

– Ansonsten Über Querschnitterlass GTG, sofern mit GVO, über Produkteerlasse (z.B. HMG) + USG

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 6

• Haftung zur Zeit– PrHG– Art. 59a USG (Anlage: Gefährdungshaftung)– Evtl. 59abis USG und Art. 30 GTG (passt nicht

genau, da Blick auf pathogene bzw. GVO)

• Einführung Gefährdungshaftung?– Risiken vs Schlüsseltechnologie ([COM(2012) 341

final] wie Biotechnologie ) = Grund: ja– Schaffung eines eigenen Gesetzes oder

Generalklausel Eigenes Gesetz

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 7

Entkomplexisierung Einführung eines Step-by-step-Prinzips:

»Anknüpfung der Haftung an diese Schritte

– Anknüpfungspunkt der Gefährdungshaftung Hängt vom Geltungsbereich des Gesetzes ab Herrschaft über eine Sache = Anlage (z.B. wo

Nanoteilchen für Produkte produziert werden) Ausübung einer gefährlichen Tätigkeit (z.B. Art.

30 Abs. 7 GTG)Frage, was ist das bei der Nanotechnologie?

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 8

– Verjährungsfrist (30 Jahre nach GTG) Nano wird z.T. mit Asbestfällen verglichen

(siehe SwissRe) Sind 30 Jahre genug?

– Gewisse Verbesserungen gegenüber GTG Beweislastumkehr (im Bereich der

Nanotechnologie noch wünschbarer als im Bereich des GTG)

Sonderregelungen? Produktehaftung wären auch noch Verbesserung

notwendig; in jedem Fall aber Einbezug des Entwicklungsrisikos (wie Art. 30 Abs. 4 S. 2 GTG)

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Übertragbarkeit auf Nanotechnologie 9

• Aus verfassungsrechtlicher Sicht und auch aus Sicht der EMRK (Schutzpflichten) nicht zulässig:– Nanotechnologie nur reaktionär aus

haftpflichtrechtlicher Sicht zu regeln Potentiell Geschädigte dürfen nicht nur auf die

Versicherbarkeit bzw. auf wertmässigen Schutz ihrer Güter verwiesen werden

– Also: Erlass gesetzlicher Regelungen