1) Die sog. 'Apostolischen Vter': Gemeindeliteratur...Jerusalem; aber auch dort wird nicht berall...

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TEXTE ZUR PATROLOGIE 1) Die sog. 'Apostolischen Väter': Gemeindeliteratur Textbeispiel: Der 1. Clemensbrief Ausgaben / Übersetzungen: Die Apostolischen Väter (hg. u. übers. v. J.A. Fischer. SUC 1, Darmstadt 9 1986, S. 1-107). oder: Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe (hg. u. übers. v. A. Lindemann und H. Paulsen, Tübingen 1992, S. 77-151). oder: Clemens von Rom, epistola ad Corinthios / Brief an die Korinther. Griechisch – lateinisch – deutsch (hg. u. übers. v. G. Schneider. FC 15, Freiburg u.a. 1994); Kap. 1-3 (Anlass); 1.1. Wegen der plötzlichen und einander nachfolgenden Drangsale und Leiden bei uns, Brüder, glauben wir, etwas lässig sein zu dürfen, bis wir unsere Aufmerksamkeit den bei euch lebhaft verhandelten Dingen zuwendeten; wir meinen, Geliebte, den für die Auserwählten Gottes unpassenden und fremdartigen, den ruchlosen und unseligen Streit, den einige wenige hitzige und verwegene Leute, die da sind, bis zu einem solchen Grade von Unverstand angefacht haben, dass euer ehrwürdiger, hochgerühmter und bei allen Menschen beliebter Name in hohem Grade beschimpft wurde. 2. Denn wer ist bei euch eingekehrt und hätte nicht euren tüchtigen und festen Glauben gerühmt? Wer hätte nicht eure besonnene und geziemende Frömmigkeit in Christus bewundert? Wer hätte nicht die großartige Weise eurer Gastfreundschaft verkündet? Wer nicht eure vollkommene und zuverlässige Erkenntnis gerühmt? 3. Denn ohne Ansehen der Person tatet ihr alles und nach den Gesetzen des Herrn war euer Wandel, da ihr untertänig waret euren Vorgesetzten und die geziemende Ehrfurcht euren Priestern erzeigtet; die Jungen wieset ihr an, eine gemäßigte und heilige Gesinnung zu hegen, den Frauen befahlet ihr, alles in einem tadellosen, heiligen und reinen Gewissen zu tun und ihre Männer in der richtigen Weise zu lieben; auch lehrtet ihr sie, in den Schranken der Unterwürfigkeit sich zu halten und das Hauswesen würdevoll zu besorgen und sich in jeglicher Hinsicht verständig zu benehmen. 2.1. Alle waret ihr demütiger Gesinnung, fern jeder Überhebung, lieber Untergebene als Gebieter, freudiger zum Geben als zum Nehmen; ihr waret zufrieden mit den Gütern, die Christus für den Lebensweg euch gab und auf sie bedacht; seine Worte habt ihr gar sorgfältig eingeschlossen in euer Inneres (Herz), und seine Leiden standen euch vor Augen. 2. So war allen ein tiefer und gedeihlicher Friede beschieden und ein unstillbares Verlangen, Gutes zu tun, und in vollen Strömen ergoss sich der Heilige Geist über (euch) alle. ... 5. Ihr waret aufrichtig und arglos und truget einander Schlimmes nicht nach. 6. Jeder Streit und jede Spaltung war euch ein Greuel. Über die Fehltritte des Nächsten empfandet ihr Schmerz; seine Sünden sahet ihr an als eure eigenen. 7. Keine gute Tat hat euch gereut, „zu jedem guten Werke waret ihr bereit". 8. Geschmückt durch einen ganz tugendhaften und ehrwürdigen Wandel, vollbrachtet ihr alles in seiner (= des Herrn) Furcht; die Gebote und Satzungen des Herrn waren eingeschrieben auf die Wände eures Herzens.

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TEXTE ZUR PATROLOGIE 1) Die sog. 'Apostolischen Väter': Gemeindeliteratur Textbeispiel: Der 1. Clemensbrief Ausgaben / Übersetzungen: Die Apostolischen Väter (hg. u. übers. v. J.A. Fischer. SUC 1, Darmstadt 91986, S. 1-107). oder: Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe (hg. u. übers. v. A. Lindemann und H. Paulsen, Tübingen 1992, S. 77-151). oder: Clemens von Rom, epistola ad Corinthios / Brief an die Korinther. Griechisch – lateinisch – deutsch (hg. u. übers. v. G. Schneider. FC 15, Freiburg u.a. 1994); Kap. 1-3 (Anlass); 1.1. Wegen der plötzlichen und einander nachfolgenden Drangsale und Leiden bei uns, Brüder, glauben wir, etwas lässig sein zu dürfen, bis wir unsere Aufmerksamkeit den bei euch lebhaft verhandelten Dingen zuwendeten; wir meinen, Geliebte, den für die Auserwählten Gottes unpassenden und fremdartigen, den ruchlosen und unseligen Streit, den einige wenige hitzige und verwegene Leute, die da sind, bis zu einem solchen Grade von Unverstand angefacht haben, dass euer ehrwürdiger, hochgerühmter und bei allen Menschen beliebter Name in hohem Grade beschimpft wurde. 2. Denn wer ist bei euch eingekehrt und hätte nicht euren tüchtigen und festen Glauben gerühmt? Wer hätte nicht eure besonnene und geziemende Frömmigkeit in Christus bewundert? Wer hätte nicht die großartige Weise eurer Gastfreundschaft verkündet? Wer nicht eure vollkommene und zuverlässige Erkenntnis gerühmt? 3. Denn ohne Ansehen der Person tatet ihr alles und nach den Gesetzen des Herrn war euer Wandel, da ihr untertänig waret euren Vorgesetzten und die geziemende Ehrfurcht euren Priestern erzeigtet; die Jungen wieset ihr an, eine gemäßigte und heilige Gesinnung zu hegen, den Frauen befahlet ihr, alles in einem tadellosen, heiligen und reinen Gewissen zu tun und ihre Männer in der richtigen Weise zu lieben; auch lehrtet ihr sie, in den Schranken der Unterwürfigkeit sich zu halten und das Hauswesen würdevoll zu besorgen und sich in jeglicher Hinsicht verständig zu benehmen.

2.1. Alle waret ihr demütiger Gesinnung, fern jeder Überhebung, lieber Untergebene als Gebieter, freudiger zum Geben als zum Nehmen; ihr waret zufrieden mit den Gütern, die Christus für den Lebensweg euch gab und auf sie bedacht; seine Worte habt ihr gar sorgfältig eingeschlossen in euer Inneres (Herz), und seine Leiden standen euch vor Augen. 2. So war allen ein tiefer und gedeihlicher Friede beschieden und ein unstillbares Verlangen, Gutes zu tun, und in vollen Strömen ergoss sich der Heilige Geist über (euch) alle. ... 5. Ihr waret aufrichtig und arglos und truget einander Schlimmes nicht nach. 6. Jeder Streit und jede Spaltung war euch ein Greuel. Über die Fehltritte des Nächsten empfandet ihr Schmerz; seine Sünden sahet ihr an als eure eigenen. 7. Keine gute Tat hat euch gereut, „zu jedem guten Werke waret ihr bereit". 8. Geschmückt durch einen ganz tugendhaften und ehrwürdigen Wandel, vollbrachtet ihr alles in seiner (= des Herrn) Furcht; die Gebote und Satzungen des Herrn waren eingeschrieben auf die Wände eures Herzens.

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3.1. Jeglicher Ruhm und volles Gedeihen ward euch zuteil, und es hat sich erfüllt das Wort der Schrift: „Er aß und trank, wurde dick und fett, da schlug er aus, der Geliebte". 2. Daher kommt Eifersucht und Neid, Streit und Aufruhr, Verfolgung und Unordnung, Krieg und Gefangenschaft. 3. So erhoben sich die Unbeachteten gegen die Geachteten, die Ruhmlosen gegen die Berühmten, die Unverständigen gegen die Weisen, die Jungen gegen die Alten (Presbyter). 4. Deshalb ist weit weg geflohen die Gerechtigkeit und der Friede, indem jeder ablegte die Furcht Gottes und in seinem Glauben an ihn erblindete, nicht mehr wandelte auf dem gesetzlichen Pfad seiner Gebote noch ein Christus würdiges Leben führte, sondern indem jeder den Leidenschaften seines bösen Herzens nachging: so nahmen sie die ungerechte und gottlose Eifersucht in sich auf, durch welche auch „der Tod in die Welt gekommen ist". Kap. 19-20 (Die Ordnung des Kosmos als Vorbild); ...

19.2. Da wir nun an vielen großen und herrlichen Taten Anteil bekommen haben, wollen wir dem von Anfang an uns gesteckten Friedensziele von neuem zueilen, den Blick richten auf den Vater und Schöpfer der ganzen Welt und uns eng verbinden mit seinen großartigen und überschwenglichen Segnungen des Friedens und seinen Wohltaten. 3. Betrachten wir ihn im Geiste und schauen wir mit den Augen der Seele auf die Langmut seines Willens; betrachten wir, wie gütig er sich gegen seine ganze Schöpfung erzeigt.

20.1. Die Himmel, die nach seiner Anordnung sich bewegen, gehorchen ihm in Frieden. 2. Tag und Nacht vollenden sie den von ihm bestimmten Lauf, ohne einander im Geringsten zu hindern. 3. Sonne und Mond und der Sterne Reigen durchkreisen nach seinem Gesetze einträchtig ohne jede Abschweifung die ihnen vorgeschriebenen Bezirke. 4. Die Erde bringt Frucht nach seinem Willen zur rechten Zeit und erzeugt für Menschen und Tiere und jegliches Wesen, das auf ihr lebt, reichliche Nahrung; dabei zögert sie nicht noch ändert sie etwas an seinen Befehlen. 5. Der Abgründe unzugängliche und der Unterwelt unerforschliche Gerichte bestehen durch die gleichen Gesetze. 6. Das Becken des unendlichen Meeres - nach seiner Schöpfung zur Sammlung (der Wasser) festgebaut - überschreitet nicht die ihm rings gesetzten Schranken, sondern wie er ihm befohlen, so tut es. 7. Er sagte nämlich: „Bis hierher sollst du kommen, und deine Wogen sollen in dir selbst zerfallen“. 8. Der Ozean, den Menschen nicht durchfahren können, und die Welten hinter ihm, werden durch die nämlichen Gesetze des Herrn regiert. 9. Des Frühlings, Sommers, Herbstes und Winters Zeiten lösen einander in friedlichem Wechsel ab. 10. Der Winde Posten tun zur bestimmten Zeit ohne Anstoß ihren Dienst. Nichtversiegende Quellen, zum Gebrauch, für die Gesundheit geschaffen, reichen unaufhörlich ihre den Menschen Leben spendenden Brüste; auch die kleinsten Tiere

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halten ihre Versammlungen in Eintracht und Friede.

11. Dies alles besteht nach des großen Schöpfers und Herrn der Welt Befehl in Friede und Eintracht, da er allen Wohltaten spendet, in reichstem Übermaße aber uns, die wir unsere Zuflucht genommen zu Seinen Erbarmungen durch unseren Herrn Jesus Christus. 12. Ihm sei Ruhm und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Kap. 37-38 (Die Ordnung im Militär und im Leib als Vorbild für die Gemeinde); 37.1. Lasset uns also kämpfen, Männer, Brüder, mit aller Ausdauer unter seinen untadeligen Gesetzen. 2. Schauen wollen wir auf die, die unter unseren Führern kämpfen, wie sie wohlgeordnet, geziemend und gehorsam die Befehle vollziehen. 3. Nicht alle sind Tribunen, oder Oberste, oder Hauptleute, oder Führer von Abteilungen usw., sondern jeder erfüllt auf seinem richtigen Posten die Anordnungen des Königs und der Führer. 4. Die Großen können nicht sein ohne die Kleinen und die Kleinen nicht ohne die Großen; überall gibt es eine Art Mischung, und darin liegt der Vorteil. 5. Nehmen wir unseren Körper; der Kopf ist nichts ohne die Füße, ebenso die Füße nichts ohne den Kopf; und die kleinsten Glieder unseres Leibes sind notwendig und nützlich für den ganzen Körper; aber alle halten zusammen, und es bedarf eines einmütigen Gehorsams zum Wohle des ganzen Körpers.

38.1. So soll denn unser ganzer Körper gerettet werden in Christus Jesus, und jeder soll seinem Nächsten sich fügen, wie es in seiner Gnadengabe begründet ist. 2. Der Starke sorge für den Schwachen, und der Schwache kümmere sich um den Starken; der Reiche unterstütze den Armen, der Arme aber danke Gott dafür, dass er jenem gegeben, wodurch seinem Mangel abgeholfen werde; der Weise zeige seine Weisheit nicht in Worten, sondern in guten Werken; der Demütige stelle sich selbst kein Zeugnis aus, sondern lasse einen anderen über sich Zeugnis geben; wer keusch ist im Fleische, rühme sich nicht in der Erkenntnis, dass ein anderer es ist, der ihm die (Gnade der) Enthaltsamkeit verleiht. 3. Betrachten wir nun, Brüder, aus welchem Stoff wir geschaffen wurden, welcher Art und was wir waren beim Eintritt in diese Welt, aus welch dunkler Gruft unser Bildner und Schöpfer uns in seine Welt geführt, da er seine Wohltaten bereit hielt, schon bevor wir geboren waren. 4. Da wir nun dies alles von ihm bekommen haben, schulden wir ihm in allem Dank. Ihm sei die Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Kap. 40-44 (Ordnung im atl. Kult und in der Kirche); 40.1. Da uns also dieses ganz klar ist und wir weit hinabgedrungen sind in die Tiefen der göttlichen Erkenntnis, müssen wir alles ordnungsgemäß tun, was der Herr an bestimmten Zeiten zu erfüllen angeordnet hat. 2. Er wollte, dass Opfer und Gottesdienst gehalten werde, aber nicht aufs Geratewohl und ohne Ordnung solle es geschehen, sondern zu festgesetzten Zeiten und Stunden. 3. Wo und durch wen er es verrichtet wissen will, hat er nach seinem allerhöchsten

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Willen selbst bestimmt, damit alles heiligmäßig geschehe und so in Wohlgefallen aufgenommen werde von seinem Willen. 4. Die nun ihre Opfer darbringen zur vorgeschriebenen Zeit, sind wohlgefällig und selig; denn wenn sie den Gesetzen des Herrn nachkommen, sündigen sie nicht. 5. Dem obersten Priester sind nämlich eigene Verrichtungen zugeteilt, auch den Priestern ist ihr eigener Platz angewiesen, und den Leviten obliegen eigene Dienstleistungen; der Laie ist an die Laienvorschriften gebunden. 41.1. Jeder von uns, Brüder, soll in seinem Stande Gott danken, indem er sich ein gutes Gewissen bewahrt und die für seine Verrichtung festgesetzte Regel nicht übertritt, in würdigem Wandel. 2. Nicht an allen Orten, Brüder, werden Gott immerwährende Opfer oder Gelübdeopfer oder Sühnopfer oder Schuldopfer dargebracht, sondern nur in Jerusalem; aber auch dort wird nicht überall geopfert, sondern vor dem Heiligen am Altare, wobei die Opfergabe genau untersucht wird durch den Oberpriester und die vorerwähnten Diener des Heiligtums. 3. Wer nun nicht seinem Willen entsprechend etwas tut, erleidet den Tod als gebührende Strafe. 4. Ihr sehet, Brüder, je größer die Erkenntnis ist, deren wir gewürdigt worden sind, um so größer ist auch die Gefahr, der wir ausgesetzt sind.

42.1. Die Apostel haben uns das Evangelium verkündet, (das sie) vom Herrn Jesus Christus (bekommen haben), Jesus Christus aber ist gesandt von Gott. 2. Christus ist also von Gott und die Apostel von Christus (gesandt); beides ist demnach geschehen in aller Ordnung nach dem Willen Gottes. 3. Sie empfingen also ihre Aufträge, wurden durch die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus mit Gewissheit erfüllt, wurden im Glauben an das Wort Gottes gefestigt, und dann zogen sie voll des Heiligen Geistes hinaus zur Predigt, dass das Reich Gottes nahe sei. 4. Indem sie nun in Ländern und Städten predigten, setzten sie die Erstlingsfrüchte ihrer (Predigt), nach vorhergegangener Prüfung im Geiste, zu Bischöfen und Diakonen der zukünftigen Gläubigen ein. 5. Und dies war nichts Neues; denn schon seit langer Zeit war geschrieben über Bischöfe und Diakone. So nämlich sagt einmal die Schrift: „Ich will einsetzen ihre Bischöfe in Gerechtigkeit und ihre Diakone in Treue“.

43.1. Und ist es zu verwundern, wenn die von Christus mit einem solchen Werke Betrauten die oben Genannten eingesetzt haben? Da ja auch der selige Moses, „der getreue Diener im ganzen Hause“, die an ihn ergangenen Befehle sämtlich in den heiligen Büchern verzeichnet hat, dem auch die übrigen Propheten gefolgt sind, indem auch sie Zeugnis geben für das, was von ihm gesetzlich angeordnet wurde. 2. Als nämlich Eifersucht entstand wegen der Priesterwürde und die Stämme darüber stritten, welcher von ihnen mit dem rühmlichen Namen geschmückt werden sollte, befahl jener den zwölf Stammeshäuptern, sie sollten Stäbe mit dem Namen jedes einzelnen Stammes bezeichnen und diese ihm bringen. Und er nahm sie, band sie zusammen, versiegelte sie mit den Ringen der zwölf Vorsteher, hinterlegte sie in dem Zelte des Zeugnisses auf dem Tische Gottes. 3. Und nachdem er das Zelt abgeschlossen hatte, versiegelte er den Verschluss ebenso wie die Stäbe 4. und sprach zu ihnen; Männer, Brüder! Der Stamm, dessen Stab ausschlägt, den hat Gott auserwählt, auf dass er ihm opfere und diene. 5. Am anderen Morgen nun versammelte er ganz Israel, die sechshunderttausend Männer, zeigte den Stammeshäuptern die Siegel, öffnete das Zelt des Zeugnisses

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und nahm die Stäbe heraus; und es fand sich, dass der Stab Aarons nicht nur Knospen, sondern sogar Früchte hatte. 6. Was meint ihr, Geliebte? Wusste Moses nicht zum voraus, dass es so kommen werde? Ganz gewiss. Aber damit in Israel kein Aufruhr entstände, handelte er so, damit verherrlicht werde der Name des wahrhaftigen und einen Gottes; ihm sei die Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

44.1. Auch unsere Apostel wussten durch unseren Herrn Jesus Christus, dass Streit entstehen werde um die Bischofswürde. 2. Aus diesem Grunde setzten sie auch, da sie eine genaue Kenntnis hiervon zum voraus erhalten hatten, die oben Genannten ein und gaben ihnen dazu Auftrag, dass, wenn sie entschlafen wären, andere erprobte Männer ihren Dienst übernähmen. 3. Die also von jenen oder hernach von anderen ausgezeichneten Männern unter Zustimmung der ganzen Gemeinde eingesetzten (Bischöfe), die das Hirtenamt Christi in Demut untadelig, ruhig, uneigennützig verwaltet haben, die lange Zeit hindurch von allen ein gutes Zeugnis erhalten haben, diese von ihrem heiligen Amte abzusetzen, ist nach unserer Ansicht ein Unrecht. 4. Denn es wird für uns keine kleine Sünde sein, wenn wir Männer, die tadellos und heiligmäßig ihre Opfer dargebracht haben, aus ihrem Bischofsamte vertreiben. 5. Selig sind die Presbyter, die ihren Lebensweg bereits durchlaufen und eine vollkommene, an Früchten reiche Auflösung erreicht haben; denn sie müssen nicht fürchten, dass man sie verdrängt von dem für sie festbestimmten Platze. 6. Wir müssen es nämlich erleben, dass ihr einige, die einen guten Wandel führten, vertrieben habt aus dem heiligen Dienste, dem sie durch tadellose Verwaltung alle Ehre gemacht hatten. Kap. 54 (Lösungsvorschlag); 54.1. Wer ist nun unter euch edelmütig, wer barmherzig, wer voll Liebe? 2. Der soll sprechen: Wenn ich schuld bin an Aufruhr, Streit und Zwietracht, so wandere ich aus, ziehe fort, wohin ihr wollt, und tue, was die Mehrheit vorschreibt; nur soll die Herde Christi in Frieden leben mit ihren bestellten Presbytern. 3. Wer so handelt, wird sich großen Ruhm in Christus erwerben, und jeglicher Ort wird ihn aufnehmen. „Denn dem Herrn gehört die Erde und was in ihr ist“. 4. So haben gehandelt und so werden handeln, die ohne Vorwurf den Weg Gottes gehen. Kap. 62-63 (Schlussargumentation). 62.1. Darüber, was unser Gottesdienst erfordert und was am meisten nützlich ist für die, welche ein tugendhaftes Leben in Frömmigkeit und Gerechtigkeit führen wollen, habe ich euch genug geschrieben, Männer, Brüder. 2. Denn über Glaube und Reue und über echte Liebe, Enthaltsamkeit, Keuschheit, Geduld haben wir allerorts gesprochen und daran erinnert, dass ihr in Gerechtigkeit, Wahrheit und Langmut heiligen Sinnes dem allmächtigen Gott gefallen müsst, indem ihr ohne Böses nachzutragen in Liebe und Friede mit dauernder Nachgiebigkeit einmütig lebet, wie auch unsere oben gerühmten Väter Gott wohlgefällig waren dadurch, dass sie demütig waren in dem, was den Vater und Gott und Schöpfer und alle Menschen angeht. 3. Und daran haben wir euch um so lieber erinnert, als wir wohl wussten, dass wir an

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gläubige und ausgezeichnete Männer schreiben, die wohlbewandert sind in den Worten der göttlichen Lehre. 63.1. Daher ist es am Platze, dass wir solchen und so vielen Vorbildern uns anschließen, den Nacken beugen und die Pflicht des Gehorsams erfüllen, auf dass wir von dem nutzlosen Streite ablassen und dem uns in Wahrheit vorgesteckten Ziele ohne Tadel zueilen. 2. Ihr werdet uns Freude und Vergnügen bereiten, wenn ihr, gehorsam gegen das, was wir durch den Heiligen Geist (geleitet) geschrieben haben, den sündhaften Zorn eurer Erbitterung ableget, entsprechend der Mahnung, die wir euch über Frieden und Eintracht in diesem Briefe gegeben haben. 3. Wir haben euch zuverlässige und verständige Männer geschickt, die von Jugend auf bis in ihr Alter einen tadellosen Wandel unter uns geführt haben, diese sollen auch Zeugen zwischen euch und uns sein. 4. Dies haben wir getan, damit ihr einsehet, dass wir jede Sorgfalt angewendet haben und anwenden, damit ihr in Bälde den Weg zum Frieden findet. Fundstelle im Internet: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel4.htm

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2) Die Auseinandersetzung der Apologeten mit der heidnischen Umwelt und dem Judentum Textbeispiel: 1. Apologie des Justin Frühchristliche Apologeten I (übers. v. G. Rauschen. BKV2 12, Kempten – München 1913, S. 55-155). Kap. 1 (Adresse); 1. An den Kaiser Titus Älius Hadrianus Antoninus Pius Cäsar Augustus, an seinen Sohn Verissimus den Philosophen, an Lucius, eines philosophischen Cäsars leiblichen und des Pius angenommenen Sohn, den Freund der Wissenschaften, an den heiligen Senat und das ganze römische Volk richte ich Justinus, Sohn des Priskus und Enkel des Bakchius, aus Flavia Neapolis in der syrischen Landschaft Palästina, für die Leute aus jedem Volksstamm, die mit Unrecht gehasst und verleumdet werden, zu denen ich auch selbst gehöre, folgende Ansprache und Bittschrift. Kap. 3-4 (das Unrecht der Christenprozesse); 3. ... Wir verlangen, dass die Anschuldigungen gegen die Christen geprüft werden und dass sie, wenn jene sich als begründet herausstellen, nach Gebühr bestraft werden. Wenn man aber nichts nachweisen kann, so verbietet die wahre Vernunft, auf ein übles Gerücht hin unschuldigen Menschen Unrecht zu tun oder vielmehr euch selbst, wenn ihr nicht nach vernünftiger Entscheidung, sondern nach Leidenschaft die Dinge zu verhängen beliebet. Denn für eine angemessene, ja für die einzig gerechte Forderung wird jeder Vernünftige die erklären, dass die Untergebenen von ihrem Leben und von ihrem Denken eine Rechenschaft ablegen, der man nichts anhaben kann, dass aber ihrerseits auch die Machthaber sich bei Abgabe ihres Urteils nicht von Gewalttätigkeit und Willkür, sondern von Frömmigkeit und Wahrheitsliebe leiten lassen; denn nur so werden sowohl die Regierenden, als auch die Regierten des Glückes teilhaftig. Sagte doch auch irgendwo einer der Alten: „Wenn nicht Regierende und Regierte Philosophen sind, können die Staaten nicht gedeihen“. Unsere Aufgabe ist es also, in unser Leben und in unsere Lehren allen Einsicht zu verschaffen, damit wir nicht für solche, die erfahrungsgemäß mit unseren Verhältnissen unbekannt sind und aus Unwissenheit fehlen, selbst die Strafe auf uns laden; eure Sache aber ist es, uns, wie die Vernunft es fordert, anzuhören und euch als gerechte Richter zu erweisen. Denn seid ihr einmal unterrichtet, so wird euch fürderhin keine Entschuldigung bei Gott mehr zustehen, wenn ihr nicht Gerechtigkeit übet.

4. Eine Namensbezeichnung [wie z.B. ‚Christ’] ist weder ein gutes noch ein schlechtes Kriterium, wenn man von den dem Namen zugrunde liegenden Handlungen absieht. Übrigens, soweit es auf den uns beigelegten Namen ankommt, sind wir die trefflichsten Leute. Wie wir es aber nicht für recht halten, auf den Namen hin, wenn wir als Übeltäter erfunden werden, Freisprechung zu verlangen, so ist es hinwiederum auch eure Sache, wenn wir weder in unserer Namensbezeichnung noch in unserem Verhalten als Übeltäter befunden werden, darauf hinzuarbeiten, dass ihr nicht solche, die nicht überführt sind, ungerecht bestraft und so selber straffällig werdet. Denn aus dem Namen kann vernünftigerweise weder Lob noch

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Strafe erwachsen, wofern nicht aus den Werken etwas Tugendhaftes oder Schlechtes erwiesen werden kann. Alle, die vor euch angeklagt sind, bestraft ihr nicht, ehe ihre Schuld erwiesen ist; bei uns aber nehmt ihr schon den Namen als Schuldbeweis an, obgleich ihr, soweit ihr nach unserem Namen urteilt, vielmehr unsere Ankläger bestrafen müsstet. Denn wir werden angeklagt, Christen zu sein; das Brave aber zu hassen, ist nicht recht. Und wiederum, wenn einer der Angeklagten zum Leugner wird und einfach mit dem Munde erklärt, er sei es nicht, so lasst ihr ihn gehen, als hättet ihr keine Verschuldung ihm vorzuwerfen; wenn aber jemand bekennt, es zu sein, dann straft ihr ihn wegen des Bekenntnisses. Es wäre aber eure Pflicht, sowohl des Bekennenden als auch des Leugnenden Wandel zu prüfen, damit aus seinen Taten seine Schuld oder Unschuld sich ergebe. ... Kap. 9 (Kritik am Götzendienst); 9. Aber wir ehren auch nicht mit vielerlei Opfern und Blumengewinden die, welche Menschen gebildet, in Tempeln aufgestellt und Götter genannt haben; denn wir wissen, dass diese Dinge unbeseelt und tot sind und nicht Gottes Gestalt haben - wir glauben nämlich, dass die Gottheit nicht die Gestalt hat, in der man sie zum Zwecke der Verehrung abgebildet hat -, dass sie vielmehr Namen und Formen jener sichtbar erschienenen bösen Dämonen haben. Denn was braucht man es euch, da ihr es wisst, zu sagen, zu was allem die Künstler den Stoff durch Behauen, Schnitzen, Gießen und Hämmern verarbeiten. Selbst aus gemeinen Gefäßen bildet man oft, indem man künstlich Form und Aussehen verändert, sogenannte Götter. Wir finden das nicht nur widersinnig, sondern glauben auch, dass es zur Verhöhnung der Gottheit geschehe, die, da sie doch eine unaussprechliche Herrlichkeit und Schönheit besitzt, nach vergänglichen und der Wartung bedürftigen Dingen genannt wird. Und dass ihre Verfertiger liederliche Leute sind und um nicht alles aufzuzählen, jegliche Schlechtigkeit an sich tragen, wisst ihr wohl; sogar ihre jungen Sklavinnen, die mit ihnen daran arbeiten, verführen sie. Welch ein Blödsinn zu sagen, dass zügellose Menschen Götter zur Anbetung bilden und umbilden und für die Tempel, wo sie aufgestellt werden, solche Menschen als Wächter anstellen, und dass man nicht einsieht, dass es ein Frevel ist zu denken oder zu sagen, Menschen seien der Götter Hüter! Kap. 6 und 13 (die christliche Frömmigkeit); 6. Wir heißen Gottesleugner. Wir gestehen zu, in Bezug auf derartige falsche Götter Gottesleugner zu sein, nicht aber hinsichtlich des wahren Gottes, des Vaters der Gerechtigkeit und Keuschheit und der übrigen Tugenden, der mit dem Schlechten nichts gemein hat. Ihn und seinen Sohn, der von ihm gekommen ist und uns diese Dinge gelehrt hat, auch das Heer der anderen guten Engel, die ihm anhangen und ganz ähnlich sind, und den prophetischen Geist verehren und beten wir an, indem wir ihn mit Vernunft und Wahrheit ehren und jedem, der ihn kennen lernen will, wie wir ihn kennen gelernt haben, neidlos mitteilen.

13. Welcher Vernünftige wird nicht einräumen, dass wir nicht gottlos sind, da wir doch den Schöpfer dieses Alls verehren und ... behaupten, dass er keiner Schlacht-, Trank- und Räucheropfer bedarf, und die wir ihn bei allem, was wir zu uns nehmen, durch Gebet und Danksagungswort, soviel wir können, lobpreisen, indem wir als die seiner allein würdige Ehrung nicht die kennen lernten, das von ihm zur Nahrung Geschaffene durch Feuer zu verzehren, sondern die, es uns und den Bedürftigen

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zugute kommen zu lassen, ihm aber zum Danke in Worten Huldigungen und Gesänge emporzusenden für unsere Erschaffung und für alle Mittel zu unserem Wohlsein, für die Mannigfaltigkeit der Arten und für den Wechsel der Jahreszeiten, und die wir Bitten empor senden, dass wir wieder in Unvergänglichkeit erstehen durch den Glauben an ihn? Und dass wir außerdem den, der unser Lehrer hierin gewesen und dazu geboren worden ist, Jesus Christus, der gekreuzigt wurde unter Pontius Pilatus, dem Landpfleger von Judäa zur Zeit des Kaisers Tiberius, den wir als den Sohn des wahrhaftigen Gottes erkannt haben, an die zweite Stelle setzen und dass wir den prophetischen Geist an dritter Stelle mit Fug und Recht ehren, das werden wir zeigen. Denn darin beschuldigt man uns der Torheit, indem man sagt, dass wir die zweite Stelle nach dem unwandelbaren und ewigen Gott, dem Weltschöpfer, einem gekreuzigten Menschen zuweisen. Das sagt man, weil man das darin eingeschlossene Geheimnis nicht kennt. Indem wir dieses erklären, bitten wir euch, recht dabei aufzumerken. Kap. 14-17 (die christliche Moral); 14. ... Hatten wir früher an unzüchtigen Dingen Gefallen, so huldigen wir jetzt der Keuschheit allein; gaben wir uns mit Zauberkünsten ab, so haben wir uns jetzt dem guten und ungezeugten Gotte geweiht; wenn wir Geldmittel und Besitz über alles schätzten, so stellen wir jetzt, was wir haben, in den Dienst der Allgemeinheit und teilen jedem Dürftigen davon mit; hassten und mordeten wir einander und hielten wir mit denen, die nicht unseres Stammes sind, wegen der verschiedenen Stammesgewohnheiten nicht einmal Herdgemeinschaft, so leben wir jetzt nach Christi Erscheinen als Tischgenossen zusammen, beten für unsere Feinde und suchen die, welche uns mit Unrecht hassen, zu bereden, dass auch sie nach Christi schönen Weisungen leben und guter Hoffnung seien, dass auch sie dieselben Güter wie wir von dem allherrschenden Gott erlangen werden. Damit es jedoch nicht den Anschein habe, als ob wir euch täuschten, so halten wir es für angebracht, einige von den Lehraussprüchen Christi der Beweisführung vorauszuschicken, und euch als mächtigen Herrschern soll es dann obliegen zu prüfen, ob diese Dinge, die wir gelehrt worden sind und die wir andere lehren, wahr sind. ...

15. Über die Keuschheit sagte er folgendes: „Wer nach einem Weibe sieht, um es zu begehren, der hat schon im Herzen vor Gott Ehebruch begangen“. Und: „Wenn dein rechtes Auge dich ärgert, reiß es aus; denn es ist dir besser, einäugig in das Himmelreich einzugehen, als mit beiden Augen in das ewige Feuer geworfen zu werden“. Und: „Wer eine von einem anderen Mann Entlassene heiratet, bricht die Ehe“. Und: „Es gibt solche, die von den Menschen verschnitten worden sind; es gibt auch solche, die als Verschnittene geboren wurden; es gibt aber auch solche, die sich selbst verschnitten haben um des Himmelreiches willen, nur fassen das nicht alle“. Also sind nach dem Urteile unseres Lehrers sowohl die, welche eine vom menschlichen Gesetze erlaubte zweite Ehe schließen, Sünder als auch die, welche ein Weib ansehen, um es zu begehren. Denn nicht nur, wer tatsächlich die Ehe bricht, ist nach ihm verworfen, sondern auch, wer ehebrechen will, da Gott nicht bloß die Handlungen, sondern auch die Gedanken offenbar sind. Und gar viele Männer und Frauen, die von Jugend auf Schüler Christi gewesen sind, bleiben mit sechzig oder siebzig Jahren keusch, und ich getraue mir, solche in jedem Stande von Menschen aufzuweisen, ganz zu schweigen von der unzähligen Menge derer, die nach einem zügellosen Leben sich bekehrt und diese Grundsätze angenommen haben. Denn nicht die Gerechten und Enthaltsamen hat Christus zur

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Sinnesänderung berufen, sondern die Gottlosen, die Ausschweifenden und die Ungerechten. Denn so hat er gesprochen: „Nicht bin ich gekommen, Gerechte zur Buße zu berufen, sondern Sünder“. Will doch der himmlische Vater die Buße des Sünders mehr als seine Bestrafung.

Über die allgemeine Menschenliebe hat er folgendes gelehrt: „Wenn ihr die liebt, welche euch lieben, was tut ihr da Neues? Tun das doch auch die Hurer. Ich aber sage euch: Betet für eure Feinde, liebet, die euch hassen, segnet, die euch verfluchen, und betet für solche, die euch verleumden“. Dass man aber das Seinige mit den Bedürftigen teilen und nicht des Ruhmes wegen tun soll, sagt er also: „Jedem, der bittet, gebet, und den, der von euch borgen will, weiset nicht von euch. Denn wenn ihr denen leiht, von welchen ihr zu bekommen hofft, was tut ihr da Besonderes? Das tun auch die Zöllner. Ihr aber sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo Motte und Rost sie verzehren und Diebe sie ausgraben, sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost verzehrt. Denn was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, seine Seele aber verlöre? Oder was wird er zu ihrer Einlösung geben? Sammelt euch also Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost verzehrt“. Und: „Seid aber gütig und barmherzig, wie auch euer Vater gütig und barmherzig ist und seine Sonne aufgehen lässt über Sünder und Gerechte und Böse. Fraget nicht ängstlich, was ihr essen oder was ihr anziehen werdet. Seid ihr nicht mehr als die Vögel und die wilden Tiere? Und Gott ernährt diese. Seid also nicht bekümmert, was ihr essen oder was ihr anziehen werdet; weiß ja euer Vater im Himmel, dass ihr dessen bedürft. Suchet aber das Himmelreich, und dieses alles wird euch zugelegt werden. Denn wo sein Schatz ist, da ist auch der Sinn des Menschen“. Und: „Tut das nicht, um von den Menschen gesehen zu werden; sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel“.

16. Über die Pflicht, geduldig, gegen alle dienstfertig und sanftmütig zu sein, spricht er sich also aus: „Wer dich auf die Wange schlägt, dem biete auch die andere dar, und wer dir den Rock oder den Mantel nimmt, dem wehre es nicht. Wer zürnt, der ist des Feuers schuldig. Mit jedem, der dich zu einer Meile nötigt, gehe zwei mit. Es sollen leuchten eure guten Werke vor den Menschen, damit diese sie sehen und euren Vater im Himmel bewundern“. Wir dürfen also nicht Widerstand leisten, und er hat keineswegs gewollt, dass wir es den Bösen nachtun, er hat uns vielmehr ermahnt, durch Geduld und Sanftmut alle von der Schande und von der Lust am Schlechten abzubringen. Das können wir auch an vielen, die früher bei euch waren, nachweisen: sie haben ihr gewalttätiges und herrisches Wesen abgelegt, überwunden entweder durch den Anblick des geduldigen Lebens ihrer Nachbarn oder durch Beachtung der außerordentlichen Sanftmut übervorteilter Reisegenossen oder dadurch, dass sie diese an solchen erprobten, mit denen sie Geschäfte machten.

Dass wir ferner in keinem Falle schwören, aber immer die Wahrheit sagen sollen, dazu hat er uns mit diesen Worten aufgefordert: „Schwöret gar nicht; es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein; was darüber ist, das ist vom Bösen“. Dass man ferner Gott allein anbeten soll, hat er mit folgenden Worten vorgeschrieben: „Das höchste Gebot ist: Den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und ihm allein dienen aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Kraft, Gott den Herrn, der dich erschaffen hat“. Und als einer zu ihm hintrat und ihn „guter Meister“ anredete, erwiderte er: „Niemand ist gut, als Gott allein, der alles erschaffen hat“.

Die nun, deren Lebenswandel nicht so befunden wird, wie er gelehrt hat, sollen nicht als Christen angesehen werden, auch wenn sie mit der Zunge die Lehre Christi

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bekennen; denn er hat gesagt, dass nicht die, welche bloß sprechen, sondern die, welche auch die Werke vollbringen, zur Seligkeit gelangen werden, Er sprach nämlich also: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist. Denn wer mich hört und tut, was ich sage, hört auf den, der mich gesandt hat. Viele werden zu mir sagen: Haben wir nicht in deinem Namen gegessen und getrunken und Wunder gewirkt? Und dann werde ich zu ihnen sprechen: Weichet von mir, ihr Übeltäter. Dann wird Heulen und Zähneknirschen sein, wenn die Gerechten leuchten wie die Sonne, die Ungerechten aber ins ewige Feuer gewiesen werden. Denn viele werden kommen in meinem Namen, die äußerlich in Schafspelze gekleidet, innerlich aber reißende Wölfe sind; an ihren Werken werdet ihr sie erkennen. Jeder Baum aber, der nicht gute Früchte bringt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen“. Dass aber solche, die nicht seinen Lehren entsprechend leben und nur Christen heißen, gestraft werden, das verlangen wir auch von euch.

17. Abgaben und Steuern suchen wir überall vor allen anderen euren Beamten zu entrichten, wie wir von ihm angeleitet worden sind. Denn in jener Zeit kamen einige und fragten, ob man dem Kaiser Steuern entrichten solle. Und er antwortete: „Saget mir: Wessen Bild trägt die Münze?“ Sie sprachen: „Des Kaisers“. Und da entgegnete er ihnen: „Gebet denn, was des Kaisers ist, dem Kaiser und was Gottes ist, Gott“. Darum beten wir zwar Gott allein an, euch aber leisten wir im übrigen freudigen Gehorsam, indem wir euch als Könige und Herrscher der Menschen anerkennen und beten, dass ihr nebst eurer Herrschermacht auch im Besitze vernünftiger Einsicht erfunden werdet. Wenn ihr aber trotz dieser offenen Darlegung euch um uns nicht kümmert, so werden nicht wir den Schaden davon haben; denn wir meinen und sind sogar fest davon überzeugt, dass jeder, sofern seine Taten es verdienen, im ewigen Feuer seine Strafe finden und nach Maßgabe der ihm von Gott verliehenen Gaben von ihm zur Rechenschaft werde gezogen werden, wie Christus es angekündigt hat, als er sagte: „Wem Gott mehr gegeben hat, von dem wird auch mehr gefordert werden“. Kap. 61; 65-67 (Taufe und Eucharistie der Christen); 61. Wie wir uns aber nach unserer Neuschaffung durch Christus Gott geweiht haben, wollen wir jetzt darlegen, damit wir nicht, wenn wir dieses übergehen, in unserer Ausführung eine Unredlichkeit zu begehen scheinen.

Alle, die sich von der Wahrheit unserer Lehren und Aussagen überzeugen lassen, die glauben und versprechen, dass sie es vermögen, ihr Leben darnach einzurichten, werden angeleitet zu beten, und unter Fasten Verzeihung ihrer früheren Vergehungen von Gott zu erflehen, Auch wir beten und fasten mit ihnen. Dann werden sie von uns an einen Ort geführt, wo Wasser ist, und werden neu geboren in einer Art von Wiedergeburt, die wir auch selbst an uns erfahren haben; denn im Namen Gottes, des Vaters und Herrn aller Dinge, und im Namen unseres Heilandes Jesus Christus und des Heiligen Geistes nehmen sie alsdann im Wasser ein Bad. Christus sagte nämlich: „Wenn ihr nicht wiedergeboren werdet, werdet ihr in das Himmelreich nicht eingehen“ Dass es nun aber für die einmal Geborenen unmöglich ist, in ihrer Mutter Leib zurückzukehren, leuchtet allen ein. ... Da wir bei unserer ersten Entstehung ohne unser Wissen nach Naturzwang aus feuchtem Samen infolge gegenseitiger Begattung unserer Eltern gezeugt wurden und in schlechten Sitten und üblen Grundsätzen aufgewachsen sind, so wird, damit wir nicht Kinder der Notwendigkeit und der Unwissenheit bleiben, sondern Kinder der

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freien Wahl und der Einsicht, auch der Vergebung unserer früheren Sünden teilhaftig werden, im Wasser über dem, der nach der Wiedergeburt Verlangen trägt und seine Vergehen bereut hat, der Name Gottes, des Allvaters und Herrn, ausgesprochen, wobei der, welcher den Täufling zum Bade führt, nur eben diese Bezeichnung gebraucht. Denn einen Namen für den unnennbaren Gott vermag niemand anzugeben, und sollte jemand behaupten wollen, es gebe einen solchen, so wäre er mit unheilbarem Wahnsinn behaftet. Es heißt aber dieses Bad Erleuchtung, weil diejenigen, die das an sich erfahren, im Geiste erleuchtet werden. Aber auch im Namen Jesu Christi, des unter Pontius Pilatus Gekreuzigten, und im Namen des Heiligen Geistes, der durch die Propheten alles auf Jesus Bezügliche vorherverkündigt hat, wird der, welcher die Erleuchtung empfängt, abgewaschen.

65. Wir aber führen nach diesem Bade (c. 61) den, der gläubig geworden und uns beigetreten ist, zu denen, die wir Brüder nennen, dorthin, wo sie versammelt sind, um gemeinschaftlich für uns, für den, der erleuchtet worden ist, und für alle andern auf der ganzen Welt inbrünstig zu beten, damit wir, nachdem wir die Wahrheit erkannt haben, gewürdigt werden, auch in Werken als tüchtige Mitglieder der Gemeinde und als Beobachter der Gebote erfunden zu werden, und so die ewige Seligkeit zu erlangen. Haben wir das Gebet beendigt, so begrüßen wir einander mit dem Kusse. Darauf werden dem Vorsteher der Brüder Brot und ein Becher mit Wasser und Wein gebracht; der nimmt es und sendet Lob und Preis dem Allvater durch den Namen des Sohnes und des Heiligen Geistes empor und spricht eine lange Danksagung dafür, dass wir dieser Gaben von ihm gewürdigt worden sind. Ist er mit den Gebeten und mit der Danksagung zu Ende, so gibt das ganze Volk seine Zustimmung mit dem Worte „Amen“. Dieses Amen bedeutet in der hebräischen Sprache soviel wie: Es geschehe! Nach der Danksagung des Vorstehers und der Zustimmung des ganzen Volkes teilen die, welche bei uns Diakonen heißen, jedem der Anwesenden von dem verdankten Brot, Wein und Wasser mit und bringen davon auch den Abwesenden.

66. Diese Nahrung heißt bei uns Eucharistie. Niemand darf daran teilnehmen, als wer unsere Lehren für wahr hält, das Bad zur Nachlassung der Sünden und zur Wiedergeburt empfangen hat und nach den Weisungen Christi lebt. Denn nicht als gemeines Brot und als gemeinen Trank nehmen wir sie; sondern wie Jesus Christus, unser Erlöser, als er durch Gottes Logos Fleisch wurde, Fleisch und Blut um unseres Heiles willen angenommen hat, so sind wir belehrt worden, dass die durch ein Gebet um den Logos, der von ihm ausgeht, unter Danksagung geweihte Nahrung, mit der unser Fleisch und Blut durch Umwandlung genährt wird, Fleisch und Blut jenes fleischgewordenen Jesus sei. Denn die Apostel haben in den von ihnen stammenden Denkwürdigkeiten, welche Evangelien heißen, überliefert, es sei ihnen folgende Anweisung gegeben worden: Jesus habe Brot genommen, Dank gesagt und gesprochen: „Das tut zu meinem Gedächtnis, das ist mein Leib“, und ebenso habe er den Becher genommen, Dank gesagt und gesprochen: „Dieses ist mein Blut“, und er habe nur ihnen davon mitgeteilt. Auch diesen Brauch haben die bösen Dämonen in den Mithrasmysterien nachgeahmt und Anleitung dazu gegeben. Denn dass Brot und ein Becher Wassers bei den Weihen eines neuen Jüngers unter Hersagen bestimmter Sprüche hingesetzt werden, das wisst ihr oder könnt es erfahren.

67. Wir aber erinnern in der Folgezeit einander immer hieran, helfen, wenn, wir können, allen, die Mangel haben, und halten einträchtig zusammen. Bei allem aber, was wir zu uns nehmen, preisen wir den Schöpfer des Alls durch seinen Sohn Jesus Christus und durch den Heiligen Geist. An dem Tage, den man Sonntag nennt,

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findet eine Versammlung aller statt, die in Städten oder auf dem Lande wohnen; dabei werden die Denkwürdigkeiten der Apostel oder die Schriften der Propheten vorgelesen, solange es angeht. Hat der Vorleser aufgehört, so gibt der Vorsteher in einer Ansprache eine Ermahnung und Aufforderung zur Nachahmung all dieses Guten. Darauf erheben wir uns alle zusammen und senden Gebete empor. Und wie schon erwähnt wurde (c. 65), wenn wir mit dem Gebete zu Ende sind, werden Brot, Wein und Wasser herbeigeholt, der Vorsteher spricht Gebete und Danksagungen mit aller Kraft, und das Volk stimmt ein, indem es das Amen sagt. Darauf findet die Ausspendung statt, jeder erhält seinen Teil von dem Konsekrierten; den Abwesenden aber wird er durch die Diakonen gebracht. Wer aber die Mittel und guten Willen hat, gibt nach seinem Ermessen, was er will, und das, was da zusammenkommt, wird bei dem Vorsteher hinterlegt; dieser kommt damit Waisen und Witwen zu Hilfe, solchen, die wegen Krankheit oder aus sonst einem Grunde bedürftig sind, den Gefangenen und den Fremdlingen, die in der Gemeinde anwesend sind, kurz, er ist allen, die in der Stadt sind, ein Fürsorger. Am Sonntage aber halten wir alle gemeinsam die Zusammenkunft, weil er der erste Tag ist, an welchem Gott durch Umwandlung der Finsternis und des Urstoffes die Welt schuf und weil Jesus Christus, unser Erlöser, an diesem Tage von den Toten auferstanden ist, Denn am Tage vor dem Saturnustage kreuzigte man ihn und am Tage nach dem Saturnustage, d. h. am Sonntage, erschien er seinen Aposteln und Jüngern und lehrte sie das, was wir zur Erwägung auch euch vorgelegt haben. Kap. 20 (Übereinstimmung zw. Christen und Philosophen); 20. Übrigens haben auch die Sibylle und Hystaspes eine Vernichtung alles Vergänglichen durch Feuer vorausgesagt; die Philosophen aber, welche Stoiker heißen, lehren, Gott selber gehe in Feuer auf, und sagen, die Welt entstehe alsdann wieder neu durch Umwandlung. Wir aber stellen uns Gott den Schöpfer der Dinge als erhaben über alles Vergängliche vor. Wenn wir nun einiges in Übereinstimmung mit den von euch geschätzten Dichtern und Philosophen lehren, manches erhabener und Gottes würdig und so, dass wir allein auch Beweise bringen, warum werden wir dann vor allen mit Unrecht gehasst? Denn wenn mir behaupten, dass alles von Gott geordnet und geschaffen sei, so wird man erkennen, dass wir einen Satz Platons aussprechen; sprechen wir aber von einem Weltbrand, so einen Satz der Stoiker; sagen wir aber, dass die Seelen der Sünder auch nach dem Tode noch bei Bewusstsein seien und gestraft: werden, die der Gerechten aber von Strafen frei ein seliges Leben. führen, so wird man sehen, dass wir dasselbe sagen, wie Dichter und Philosophen; lehren wir endlich, man dürfe Werke von Menschenhänden nicht anbeten, so stimmen wir mit dem Lustspieldichter Menander überein und mit anderen, die diesen Gedanken geäußert haben; denn sie haben den Ausspruch getan, dass der Meister höher stehe als sein Werk. Kap. 59-60 (Platons Plagiat). 59. Damit ihr aber erkennt, dass von unseren Lehrern, wir meinen von dem durch die Propheten vorherverkündeten Logos, Platon den Satz überkommen hat, Gott habe durch Umwandlung gestaltlosen Stoffes die Welt geschaffen, so hört, was wörtlich von Moses gesagt worden ist, der, wie schon erwähnt wurde (c. 32), der älteste Prophet war und früher gelebt hat als alle griechischen Schriftsteller. Durch ihn hat der prophetische Geist, um kundzutun, wie und woraus Gott im Anfange die

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Welt bildete, also gesprochen: „Im Anfange schuf Gott den Himmel und die Erde; die Erde aber war noch unansehbar und ungeformt, es war Finsternis über dem Abgrunde und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Gott aber sprach: Es werde Licht, und es ward so“. Dass also durch Gottes Wort aus vorliegenden, von Moses erwähnten Stoffen die ganze Welt entstanden sei, das haben Platon mit denen, welche das gleiche sagen, und ebenso auch wir gelernt, und auch ihr könnt davon überzeugt sein. Und nun wissen wir auch, dass das, was bei den Dichtern Erebos heißt, zuerst von Moses genannt worden ist.

60. Auch was Platon im Timäus zur Erklärung der Welt über den Sohn Gottes gesagt hat, wo es heißt: „Er bildete ihn im All wie ein Chi“, hat er in ähnlicher Weise dem Moses entlehnt. Denn in den Schriften des Moses steht geschrieben, dass in der Zeit, als die Israeliten aus Ägypten auszogen und in der Wüste waren, ihnen giftspritzende Tiere, Nattern, Vipern und Schlangen aller Art entgegentraten, die dem Volke den Tod brachten; da habe Moses auf Gottes Eingebung und Antrieb Erz genommen, daraus eine Art Kreuz gemacht, dieses auf dem heiligen Zelte aufgestellt und zum Volke gesprochen: „Wenn ihr dieses Bild anblickt und euer Vertrauen darauf setzt, werdet ihr Heilung finden“. Und darauf, so berichtet er, seien die Schlangen umgekommen, das Volk aber, so berichtet er weiter, sei so dem Tode entronnen. Das las Platon, und da er es nicht recht verstand und glaubte, es sei nicht die Kreuzform, sondern die Chigestalt gemeint, so tat er den Ausspruch, die dem ersten Gott zunächst stehende Kraft sei im All wie ein Chi ausgebreitet. Auch wenn er einen Dritten nennt, so hat er das daher, dass er, wie schon gesagt, das Wort des Moses las, der Geist Gottes habe über den Wassern geschwebt. Denn den zweiten Platz weist er dem aus Gott stammenden Logos zu, von dem er sagt, dass er im All wie ein Chi ausgebreitet sei, den dritten aber dem Geiste, von dem es heißt, er schwebe über den Wassern, mit den Worten: „Die dritte Stelle aber für den Dritten“.

Höret nun auch, wie der prophetische Geist durch Moses einen Weltbrand vorherverkündigt hat. Er sprach nämlich: „Hinabsteigen wird ewigfressendes Feuer und wird fressen bis zum Abgrund hinunter“. Wir lehren also nicht dasselbe wie die übrigen, sondern alle andern sprechen nur das Unsrige nach. Und das kann man bei uns hören und lernen von solchen, die nicht einmal die Züge der Buchstaben kennen, von einfältigen und in ihrer Sprache rohen Menschen, die aber einen verständigen und guten Sinn haben, zum Teil auch von Krüppeln und Blinden; daraus kann man ersehen, dass es nicht menschlicher Einsicht entsprungen ist, sondern mit Gottes Kraft ausgesprochen wird. Fundstelle im Internet: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel77.htm

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Textbeispiel für die frühchristliche Auseinandersetzung mit dem Judentum Justin der Märtyrer, Dialog mit dem Juden Tryphon (übers. v. Ph. Haeuser. BKV2 33, Kempten – München 1917); Kap. 19-23: Argumente gegen den jüdischen Heilsweg. 19.1. ... 2. [Justin sagt zu seinem jüdischen Gesprächspartner:] „Nicht für alle, sondern nur für euch ist nämlich die Beschneidung Pflicht, damit ihr, wie gesagt, das erleidet, was ihr jetzt mit Recht erduldet. Wir nehmen ja auch nicht eure unnütze Brunnenwaschung an; denn neben unserer Waschung, die das Leben gibt, hat sie keine Bedeutung, Daher hat auch Gott gerufen: ,Ihr habt ihn verlassen, die lebendige Quelle, und habt euch Brunnen gegraben, die eingestürzt sind, und die kein Wasser fassen werden können.’ 3. Ferner braucht ihr trotz eurer fleischlichen Beschneidung unsere ‚Beschneidung’ [sc. die Taufe], während unsere ‚Beschneidung’ uns die eurige vollständig entbehrlich macht. Wäre sie uns nämlich notwendig, wie ihr meint, dann hätte Gott den Adam nicht in der Vorhaut erschaffen, noch hätte er auf die Gaben Abels geschaut, der in der Vorhaut des Fleisches geopfert hat, noch hätte Enoch in seiner Vorhaut dessen ,Wohlgefallen gefunden; und er verschwand, denn Gott hatte ihn hinweggenommen’ 4. Lot wurde, ohne beschnitten zu sein, aus Sodoma gerettet, da jene Engel selbst und der Herr ihm das Geleite gaben. Ohne beschnitten zu sein, trat Noe, der Vater eines neuen Geschlechtes, samt seinen Kindern in die Arche. Unbeschnitten war der Priester des Höchsten, Melchisedech, dem selbst Abraham, der erste, welcher die fleischliche Beschneidung empfing, den Zehnten darbrachte ,und es segnete ihn Melchisedech’, nach dessen Ordnung Gott, wie er durch David geoffenbart hat, den ewigen Priester einsetzen wird. 5. Für euch allein also war diese Beschneidung eine Pflicht ...

6. Auch ohne Sabbatfeier besaßen ja alle die vorhin genannten Gerechten Gottes Wohlgefallen und nach ihnen Abraham und alle seine Nachkommen bis Moses, unter dem sich euer Volk, da es sich in der Wüste das Kalb machte, ungerecht und gegen Gott undankbar zeigte. Aus diesem Grunde gab Gott eurem Volke nach und befahl, Opfer zu bringen, und zwar seinem Namen, damit ihr nicht Götzendienst treibet. Doch ihr achtetet auch darauf nicht, sondern ihr opfertet selbst eure Kinder den Dämonen. Auch die Sabbatfeier hat er euch nun zu dem Zweck verordnet, dass ihr an Gott erinnert werdet; sein Wort selbst deutet nämlich dieses also an: ,Auf dass ihr erkennet, dass ich Gott, euer Erlöser, bin’. 20.1. Auch die Enthaltung von gewissen Speisen verordnete er euch ja zu dem Zwecke, dass ihr auch beim Essen und Trinken Gott vor Augen habet; denn ihr seid gerne geneigt und gleich dazu bereit, von der Erkenntnis Gottes abzufallen, wie auch Moses sagt: ,Das Volk aß und trank und stand auf, um zu spielen’. Und an anderer Stelle heißt es: ,Jakob aß, füllte sich an und wurde fett und der Liebling schlug aus; er wurde fett, dick und breit und verließ Gott, seinen Schöpfer’. Dass (nämlich) dem Noe, der doch gerecht war, von Gott gestattet worden ist, von allen Lebewesen zu essen, nur Fleisch mit dessen Blut, d. i. Ersticktes, ausgenommen, wurde euch durch Moses im Buche Genesis erzählt.“ 2. Da Tryphon einwenden wollte, (dass die Genesis schreibe) ,wie die Kräuter des Feldes’, kam ich ihm zuvor mit der Bemerkung: „Warum wollt ihr die Worte ,wie die Kräuter des Feldes’ nicht so hinnehmen, wie sie von Gott gesagt sind: wie nämlich Gott die Kräuter für den Menschen zum Unterhalte erschaffen hatte, so hatte er

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ihnen auch die Tiere gegeben, damit sie ihr Fleisch essen? Ihr aber stellt deshalb, weil wir manche Kräuter nicht essen, die Behauptung auf, dass schon damals für Noe eine diesbezügliche Unterscheidung gemacht worden sei. 3. Eure Exegese verdient keinen Glauben. Zunächst könnte ich nämlich die Behauptung beweisen, dass jedes Kraut des Feldes gegessen werden darf; allein ich will mich damit nicht aufhalten. Wenn wir unter den Kräutern des Feldes unterscheiden und nicht alle essen, so tun wir dies doch nicht, weil sie profan und unrein sind, sondern weil sie bitter oder giftig oder stachlig sind. Alle jene, welche süß, sehr nahrhaft und sehr schön sind, mögen sie im Meere oder auf dem Lande wachsen, wünschen und genießen wir. 4. So hat Gott durch Moses euch auch die Enthaltung von unreinen, unrechten und gesetzwidrigen Speisen deswegen befohlen, weil ihr, trotzdem ihr das Manna in der Wüste aßet und trotzdem ihr alle die von Gott euch erwiesenen Wundertaten schautet, dennoch euch das goldene Kalb machtet, um es anzubeten. Daher ruft er stets mit Recht: Ihr unvernünftigen Söhne, bei euch gibt es keine Treue!’ 21.1. Die Worte Gottes selbst können euch beweisen: Gott hat um eurer und eurer Väter Sünden wegen zur Kennzeichnung, wie ich oben erwähnte, euch die Beobachtung des Sabbats angeordnet und außerdem die übrigen Verordnungen erlassen, und er gibt zu erkennen, dass er um der Heiden willen, damit sein Name bei ihnen nicht entweiht werde, überhaupt noch einige von euch am Leben gelassen habe. ... 22.1. Ebenso hat Gott wegen der Sünden eures Volkes und wegen seines Götzendienstes, nicht aber weil es für dasselbe Bedürfnis war, eure Art von Opfer angeordnet. Vernehmet, wie er hierüber durch Amos, einen von den zwölf Propheten, mit lauter Stimme predigt: 2. ,... Ich habe eure Feste gehasst und von mir gestoßen, und ich habe wirklich kein Wohlgefallen an dem Geruch eurer Versammlungen. 3. Wenn ihr mir daher eure Brandopfer und Gaben darbringt, werde ich sie nicht annehmen, und nicht werde ich darauf achten, wenn ihr eure Dankopfer zur Schau stellt. Schaffe weg von mir die Menge deiner Gesänge und Psalmen! Auf deine Musikinstrumente will ich nicht hören. Das Gericht wird heranstürzen wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein unpassierbarer Bergstrom. Habt ihr mir denn in der Wüste Schlachttiere und Gaben gebracht, Haus Israel! spricht der Herr. Ihr habt das Zelt des Moloch angenommen und den Stern eures Gottes Raphan, Darstellungen, welche ihr euch selbst gemacht habt. ...’ 6. An anderer Stelle spricht Gott durch Jeremias: ‚Bringet nur zusammen euer Opferfleisch und die Gaben und esset, denn ich habe euren Vätern keine Verordnung über Gaben oder Trankopfer gegeben an dem Tage, da ich sie an der Hand nahm, um sie aus Ägypten zu führen.’ 7. Noch einmal sprach er durch David im 49. Psalm also: ,... 8. Höre, mein Volk, ich will zu dir sprechen, Israel, und will es dir bezeugen: der Gott, dein Gott, bin ich. Nicht wegen deiner Opfer will ich dich tadeln; deine Brandopfer sind vor mir immerdar. Nicht will ich aus deinem Hause Kälber annehmen noch von deinen Herden Böcke; denn mir gehören alle Tiere des Feldes, das Vieh auf den Bergen und die Rinder, ich kenne alle Vögel des Himmels, und die Schönheit des Feldes ist bei mir. 9. Wenn ich Hunger habe, werde ich es wahrlich dir nicht sagen; denn mein ist der Erdkreis und alles, was auf ihm wohnt. Esse ich denn das Fleisch von Stieren oder trinke ich etwa das Blut von Böcken? Opfere Gott ein Opfer des Lobes und richte zum Höchsten deine Gebete! Rufe mich an am Tage der Drangsal, und ich werde dich retten. Verherrliche mich! Zum Sünder aber spricht Gott: Wozu zählst du meine

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Gebote auf und nimmst meinen Bund in deinen Mund? Zucht hasstest du, und meine Worte warfst du hinter dich. 10. Wenn du einen Dieb sahst, dann liefst du mit ihm, und mit dem Ehebrecher wähltest du deinen Anteil. Dein Mund floss über von Bosheit, und deine Zunge flocht Trug, Du saßest und redetest wider deinen Bruder, und gegen den Sohn deiner Mutter bereitetest du Anstoß. Das tatest du, und ich schwieg. Du hattest die sündhafte Vermutung, ich werde dir ähnlich sein. Ich werde dich zurechtweisen und vor dir deine Sünden aufstellen. Merket dies doch ihr, die ihr Gott vergesset, auf dass er nicht etwa zugreife und niemand da ist, der befreie. Das Opfer des Lobes wird mich verherrlichen, und da ist der Weg, auf welchem ich ihm mein Heil zeigen werde.’ 11. Also nimmt Gott von euch keine Opfer an, und wenn er ehedem sie angeordnet hat, tat er es nicht aus Bedürfnis, sondern wegen eurer Sünden. Auch den sogenannten Jerusalemer Tempel nannte er ja nicht deshalb, weil er seiner bedurft hätte, sein Haus oder seine Wohnung, sondern um euch auch auf diese Weise an sich zu ziehen und vom Götzendienste abzulenken. Dass dem so ist, sagt Isaias: ‚Was für ein Haus habt ihr mir gebaut? spricht der Herr. Der Himmel ist mein Thron, und die Erde ist der Schemel meiner Füße.’ 23.1. Nehmen wir aber diese Lehren in dieser Weise nicht an, dann wird es uns passieren, dass wir auf die widersinnigen Anschauungen verfallen: der Gott, welcher zur Zeit des Enoch und all der anderen Männer lebte, die keine fleischliche Beschneidung hatten, nicht den Sabbat und nicht die anderen Gebote beobachteten, sei nicht (mehr) derselbe gewesen, als Moses diese Verordnungen einzuhalten befahl, oder Gott habe nicht jeder Zeit und von jedem Menschengeschlecht die gleiche Gerechtigkeit verlangt. Solche Behauptungen sind aber gewiss lächerlich und töricht. 2. Die sündhaften Menschen sind, wie angenommen werden darf, der Grund, warum der ewig gleiche Gott diese und ähnliche Gebote erlassen hat, und wir können erklären, dass er die Menschen liebt, die Zukunft voraussieht, nichts bedarf, gerecht und gut ist. Sollte dem nicht so sein, dann antwortet mir, ihr Männer, was ihr über diese fraglichen Punkte denket!“ 3. Da keiner eine Antwort gab, fuhr ich fort: „Also will ich dir, Tryphon, und denen, welche Proselyten werden wollen, eine göttliche Lehre verkünden, welche ich von einem Greise gehört habe. Ihr sehet, dass die Sterne weder feiern noch Sabbat halten. Bleibet so, wie ihr geworden seid! Wenn nämlich vor Abraham die Beschneidung und vor Moses die Sabbatfeier, die Feste und Opfer kein Bedürfnis waren, dann sind sie in gleicher Weise auch jetzt kein Bedürfnis, da nach dem Willen Gottes Jesus Christus, der Sohn Gottes, ohne Sünde durch die aus dem Volke Abrahams stammende Jungfrau geboren worden ist. 4. Denn auch Abraham wurde, als er noch unbeschnitten war, gerechtfertigt und gesegnet, und zwar wegen seines Glaubens an Gott, wie die Schrift dartut. Die Beschneidung aber erhielt er als Zeichen, nicht jedoch um gerechtfertigt zu werden. Schrift und Geschichte zwingen uns, das anzunehmen. Mit Recht heißt es daher von jenem Volke: ‚Ausgetilgt soll werden aus seinem Stamme jener, der nicht am achten Tage beschnitten wird’. 5. Auch die Unmöglichkeit, dass das weibliche Geschlecht die fleischliche Beschneidung empfängt, beweist, dass diese Beschneidung als Zeichen, nicht aber als eine Tat der Gerechtigkeit gegeben worden ist; denn Gott hat in gleicher Weise auch dem Weibe die Möglichkeit verschafft, all das zu tun, was gerecht und tugendhaft ist. Wir wissen doch, dass nicht wegen des Körperbaues, der, wie wir sehen, bei Mann und Weib verschieden ist, dieselben gerecht oder ungerecht sind, sondern dass Frömmigkeit und Gerechtigkeit entscheiden.“

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Fundstelle im Internet: http://www.unifr.ch/bkv/kapitel100.htm

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3) Die apokryphe, häretische und anti-häretische Literatur Textbeispiel aus der apokryphen Literatur Protevangelium des Jakobus 17-20, in: Evangelia infantiae apocrypha / Apokryphe Kindheitsevangelien (hg. und übers. v. G. Schneider. FC 18, Freiburg u.a. 1995, S. 124-135). Protevangelium des Jakobus Kap. 17-20: die wundersame Geburt Jesu; 17.1. Ein Befehl aber ging aus von Augustus, dem König, dass alle Einwohner von Betlehem in Judäa sich eintragen lassen sollten. Und Josef sprach: „Ich lasse meine Söhne eintragen. Was aber soll ich mit diesem Mädchen [sc. Maria] machen? Wie soll ich sie aufschreiben lassen? Als meine Frau? Da schäme ich mich. Oder als meine Tochter? Doch es wissen ja alle Söhne Israels, dass sie nicht meine Tochter ist. Der Tag des Herrn wird es selber machen, wie er will." 2. Und er sattelte seinen Esel und setzte sie darauf; sein Sohn führte (den Esel), und Samuel folgte. Und sie näherten sich auf drei Meilen. Da wandte sich Josef um und sah sie traurig. Er sagte (sich): „Vielleicht macht ihr das zu schaffen, was in ihr ist." Wiederum wandte sich Josef um und sah sie lachen. Und er sprach zu ihr: „Maria, was ist mit dir, dass ich dein Angesicht mal lachend und mal traurig sehe?" Und sie sagte: „Josef, ich sehe zwei Völker mit meinen Augen, ein weinendes und klagendes und eins, das sich freut und jubelt." 3. Und sie hatten den halben Weg zurückgelegt, da sagte Maria: „Josef, heb mich vom Esel herab, denn das (Kind) in mir bedrängt mich und will herauskommen" Und er hob sie dort herunter und sprach zu ihr: „Wo soll ich dich hinbringen und dich in dieser misslichen Lage beschützen? Denn der Ort ist einsam." 18.1. Und er fand dort eine Höhle und führte sie hinein, ließ seine Söhne bei ihr stehen und ging hinaus, eine hebräische Hebamme in der Gegend von Betlehem zu suchen. 2. Ich aber, Josef, ging umher und ging (doch) nicht umher. Und ich blickte hinauf zum Himmelsgewölbe und sah es stillstehen, und ich blickte hinauf in die Luft und sah sie erstarrt und die Vögel des Himmels unbeweglich bleiben. Und ich blickte auf die Erde und sah dort eine Schüssel stehen und Arbeiter (darum) gelagert; ihre Hände waren in der Schüssel. Aber die Kauenden kauten nicht, und die etwas aufhoben, hoben nichts auf, und die etwas zum Mund führten, führten nicht. Vielmehr hatten alle den Blick nach oben gerichtet. 3. Und ich sah, wie Schafe getrieben wurden, doch die Schafe blieben stehen. Und der Hirte erhob die Hand, sie zu schlagen, doch seine Hand blieb oben stehen. Und ich blickte auf den Lauf des Flusses, und ich sah, wie die Mäuler der Böcke auf dem Wasser lagen, aber nicht tranken. Dann ging alles auf einmal wieder seinen Gang. 19.1. Und ich sah eine Frau vom Berg herabsteigen. Sie sagte zu mir: „Mann, wo gehst du hin?" Und ich sagte: „Eine hebräische Hebamme suche ich." Und sie antwortete mir und sprach: „Bist du aus Israel?" Ich sagte: „Ja." Sie aber sprach: „Und wer ist die, die in der Höhle gebiert?" Und ich sagte: „Meine Verlobte." Und sie sprach zu mir: „Sie ist nicht deine Frau?" Ich sagte ihr: „Maria ist es, die im Tempel des Herrn aufgezogen wurde. Ich erhielt sie durch das Los zur Frau. Doch sie ist nicht meine Frau, sondern das Kind hat sie durch den Heiligen Geist empfangen." Und die Hebamme sagte zu ihm: „Ist das wahr?" Josef antwortete ihr: „Komm und sieh!" Sie ging mit ihm. 2. Und sie traten an den Ort der Höhle. Und eine finstere Wolke überschattete die Höhle. Und die Hebamme sprach: „Erhoben ist heute meine Seele, denn meine Augen haben heute Wunderbares geschaut; denn für Israel ist das Heil geboren." Und sogleich verzog sich die Wolke von der Höhle, und es

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erschien ein großes Licht in der Höhle, so dass die Augen es nicht ertragen konnten. Und ein wenig später verschwand das Licht, bis das Kind erschien. Und es kam und nahm die Brust von seiner Mutter Maria. Und die Hebamme schrie auf und rief: „Was für ein großer Tag ist das heute für mich, dass ich dieses nie dagewesene Schauspiel sehen durfte!" 3. Und die Hebamme trat aus der Höhle heraus. Da begegnete ihr Salome. Sie sprach zu ihr: „Salome, Salome, ich habe dir ein nie dagewesenes Schauspiel zu erzählen: Eine Jungfrau hat geboren, was doch ihre Natur nicht zulässt." Und Salome sagte: „So wahr der Herr, mein Gott, lebt: Wenn ich nicht meinen Finger hinlege und ihren Zustand untersuche, werde ich nicht glauben, dass eine Jungfrau geboren hat." 20.1. Und die Hebamme ging hinein und sagte: „Maria, lege dich bereit. Denn ein nicht geringer Streit erhebt sich um dich." Und Maria hörte es und legte sich bereit. Und Salome legte ihren Finger hin zur (Untersuchung) ihres Zustandes. Und Salome stieß einen Schrei aus und sagte: „Wehe über meinen Frevel und meinen Unglauben, denn ich habe den lebendigen Gott versucht. Siehe, meine Hand fällt von Feuer (verzehrt) von mir ab." 2. Und Salome beugte die Knie vor dem Herrn und sagte: „Gott meiner Väter, gedenke meiner. Denn ich bin Nachkomme Abrahams, Isaaks und Jakobs. Stelle mich nicht an den Pranger vor den Söhnen Israels, sondern gib mich den Armen wieder! Denn du weißt, Herr, dass ich in deinem Namen meine Dienste tat und den Lohn von dir empfing." 3. Und siehe, da stand ein Engel des Herrn (vor Salome) und sagte zu ihr: „Salome, Salome, der Allherrscher hat dein Gebet erhört. Streck deine Hand aus zu dem Kind und nimm es auf den Arm! So wird dir Freude und Heil zuteilwerden." 4. Voll Freude trat Salome zu dem Kind, nahm es auf den Arm und sagte: „Huldigen will ich ihm, denn (in ihm) ist Israel ein König geboren worden." Und sogleich wurde Salome geheilt, und sie ging aus der Höhle gerechtfertigt hinaus. Und siehe, eine Stimme erging: „Salome, Salome, verkündige nicht, was du Wunderbares gesehen hast, bis der Knabe nach Jerusalem gekommen ist." Fundort: FC 18 S. 124-135

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Textbeispiel für die häretische Literatur: Das Evangelium der Wahrheit (16-22), in: Bibel der Häretiker. Die gnostischen Schriften aus Nag Hammadi (übers. und komm. v. G. Lüdemann / M. Janßen, Stuttgart 1997, S. 27-31) Kap. 16-22:. Das Evangelium der Wahrheit (NHC 1,3) 16-22: die Entstehung der Welt und die Erlösung der Erwählten Einleitung (16.31) Das Evangelium der Wahrheit ist ein Frohlocken für die, die vom Vater der Wahrheit die Gnade empfangen haben, ihn zu erkennen durch die Kraft des Wortes [Logos], das gekommen ist aus (35) dem Pleroma, das im Denken und im Verstand des Vaters ist, das der ist, den man Erlöser nennt, es ist der Name für das Werk, das er vollbringen wird zur Erlösung derer, die (17.1) den Vater nicht kannten, wobei der Name [des] Evangeliums die Offenbarung der Hoffnung ist, es ist das Finden für die, die nach ihm suchen. Die Hervorbringung des Alls und die Rolle des Irrtums Denn als (5) das All nach dem suchte, aus dem es gekommen war - und das All war in ihm, dem Unbegreifbaren, Undenkbaren, der über jedes Denken erhaben ist (10) hat die Unwissenheit über den Vater Angst und Schrecken erzeugt. Und die Angst hat sich verdichtet wie ein Nebel, so dass niemand sehen konnte. Deswegen wurde der Irrtum (15) stark. Er arbeitete an seiner Materie im Leeren (= ohne Erfolg), weil er die Wahrheit nicht kannte. Er war beschäftigt mit einem Gebilde, während er sich mit Kraft und (20) Schönheit bemühte, den Ersatz für die Wahrheit zu bereiten. Dies war keine Erniedrigung für ihn, den Unbegreifbaren, Undenkbaren, denn sie waren nichts, die Angst und das Vergessen und das Gebilde (25) der Lüge, während die feststehende Wahrheit unveränderlich ist, unerschütterlich ist, etwas vollkommen Schönes ist. Verachtet deswegen den Irrtum! Auf diese Weise (30) hat er keine Wurzel; er entstand in einem Nebel hinsichtlich des Vaters, während er dabei war, Werke und Vergessenheiten und Schrecken zu bereiten, damit er durch diese die (in) (35) der Mitte (Befindlichen) herunterziehe und sie gefangennehme. Das Vergessen des Irrtums war nicht offenbar. Es ist nicht ein (18.1) [...] durch den Vater. Das Vergessen ist nicht entstanden bei dem Vater, obwohl es seinetwegen entstanden ist. Was dagegen in ihm entsteht, ist das Wissen, (5) das offenbar wurde, damit das Vergessen aufgelöst und der Vater erkannt werde. Da das Vergessen entstand, weil man den Vater nicht kannte, wird dann, wenn (10) der Vater erkannt wird, von diesem Augenblick an das Vergessen nicht mehr existieren. Über Jesus und sein Erlösungswerk Dies ist das Evangelium dessen, nach dem man sucht, welches geoffenbart wurde denen, die vollkommen sind durch die Gnadenerweise (15) des Vaters, das verborgene Mysterium, Jesus Christus. Durch dieses hat er die erleuchtet, die in Finsternis waren durch das Vergessen. Er erleuchtete sie; er zeigte (ihnen) einen Weg. (20) Dieser Weg aber ist die Wahrheit, die er sie lehrte.

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Deswegen hat der Irrtum seinen Zorn gegen ihn erhoben, er hat ihn verfolgt, er hat ihn gequält, er hat ihn vernichtet. Er wurde an ein Holz genagelt, (und) er (25) wurde eine Frucht der Erkenntnis des Vaters, die kein Verderben brachte, wenn man sie aß. Diejenigen aber, die sie aßen - er veranlasste, dass sie sich freuen in dem Finden. Denn er (30) fand sie in sich, und sie fanden ihn in sich. Der Unbegreifbare, der Undenkbare, der Vater, der Vollkommene, der das All geschaffen hat - in ihm ist das All, (35) und an ihm hat das All Mangel. Obwohl er seine Vollkommenheit, die er dem All nicht gegeben hatte, in sich zurückgehalten hatte, ist der Vater nicht neidisch. Denn welcher Neid könnte (40) zwischen ihm und seinen Gliedern sein? (19.1) Denn wenn dieser Äon so ihre [Vollkommenheit empfangen] hätte, hätten sie es nicht vermocht zu kommen [...] zum Vater. Er hält in sich selbst ihre Vollkommenheit zurück, (5) indem er sie ihnen gibt als eine Rückkehr(-Möglichkeit) zu ihm und als ein vollkommenes, einzigartiges Wissen. Er ist derjenige, der das All schuf, und in ihm ist das All, und das All hatte Mangel (10) an ihm. Wie jemand, in Bezug auf den einige unwissend sind, wollte er, dass sie ihn erkennen und ihn lieben, so - (15) denn an was könnte das All Mangel haben außer an dem Wissen um den Vater? - wurde er ein Wegweiser, ruhig und ausdauernd. In den Schulen trat er auf (und) er sprach (20) das Wort wie ein Lehrer. Es kamen welche, die sich für weise hielten, wobei sie ihn auf die Probe stellten. Er aber beschämte sie, denn sie (25) waren leer. Sie hassten ihn, denn sie waren nicht wirklich weise. Über die Offenbarung als Buch und den Tod Jesu und seine Folgen ... (15) Wie das Vermögen des verstorbenen Hausherrn verborgen ist in einem Testament, bevor es geöffnet ist, so (verhält es sich) mit dem All, welches verborgen blieb, wobei der Vater der Alls (20) unsichtbar war, wobei er etwas war, das aus sich selbst existierte, durch den jeder Weg hervorkam. Deswegen trat Jesus in Erscheinung; er zog jenes Buch an; (25) er wurde an ein Holz genagelt; er schlug an die Verfügung des Vaters an das Kreuz. Oh, welch große und erhabene Lehre! Er erniedrigte sich bis zum Tod, obwohl das ewige Leben (30) ihn bekleidet. Nachdem er die vergänglichen Lumpen abgelegt hatte, zog er (die) Unzerstörbarkeit an, welche ihm niemand nehmen kann. Nachdem er hineingegangen war (35) auf die leeren Wege der Schrecken, ging er an denen vorbei, die entblößt waren durch Vergessen, wobei er Wissen und Vollendung war, wobei er verkündete die Dinge, die in dem Herzen waren, (21.1) [...][...] die lehren, welche die Lehren annehmen werden. Die aber, welche die Lehren annehmen, [sind] die Lebendigen, die eingeschrieben sind in das Buch (5) der Lebenden. Es ist allein ihretwegen, dass sie (die) Lehre empfangen, wobei sie sie vom Vater empfangen, wobei sie wieder zu ihm zurückkehren. Da die Vollkommenheit des Alls im Vater ist, (10) ist es für das All nötig, zu ihm aufzusteigen. Dann, wenn jemand hat (das) Wissen, empfängt er die Dinge, die ihm gehören, und zieht sie zu sich. Denn der, der (15) unwissend ist, hat Mangel, und das, woran er Mangel hat, ist eine große Sache, denn er hat Mangel an dem, was ihn vollkommen machen soll. Da die Vollkommenheit des Alls im Vater ist, (20) ist es für das All nötig, zu ihm aufzusteigen, und für jeden (ist es nötig), die Dinge, die ihm gehören, zu empfangen. Er hat sie vorher aufgeschrieben, wobei er sie vorbereitet hat, um sie denen zu geben, (25) die aus ihm hervorgekommen sind. Diejenigen, deren Namen er im Voraus wusste, wurden bis zuletzt gerufen, so dass einer, der (das) Wissen hat, derjenige ist, dessen Namen vom Vater (30) ausgesprochen wurde. Denn der, dessen Name nicht ausgesprochen wurde, ist unwissend. Wie nun kann jemand hören, wenn sein Name nicht ausgerufen worden

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ist? Denn der, der (35) unwissend ist bis zum Ende, ist ein Gebilde des Vergessens, und er wird mit ihm zusammen zugrunde gehen. Wenn nicht, warum ist es so, dass diese Elenden (22.1) keinen Namen haben, (warum ist es so), dass sie den Ruf nicht (erhalten) haben? Deswegen ist einer, wenn er (das) Wissen hat, von oben. Wenn er gerufen wird, (5) hört er, antwortet er und wendet sich zu dem, der ihn ruft, und steigt zu ihm auf. Und er erkennt, in welcher Weise er gerufen wird. Weil er (das) Wissen hat, tut er (10) den Willen dessen, der ihn gerufen hat, er wünscht, ihm zu gefallen, er empfängt Ruhe. Der Name des Einen kommt ihm zu. Der, der auf diese Weise erkennen wird, weiß, woher er kommt (15) und wohin er geht. Er erkennt wie jemand, der, indem er betrunken war und von seiner Trunkenheit ernüchtert worden (und) wieder zu sich selbst zurückgekehrt ist, das in Ordnung gebracht hat, (20) was das Seine ist. Er brachte viele aus dem Irrtum zurück. Er ging ihnen voran zu ihren Wegen, von denen sie sich entfernt hatten, als sie den Irrtum annahmen, (25) wegen der Tiefe dessen, der jeden Weg umfasst, ohne dass es etwas gibt, was ihn umfasst. Es war ein großes Wunder, dass sie im Vater waren, wobei sie ihn nicht kannten, und (dass) sie (30) in der Lage waren, allein hervorzukommen, da sie unfähig waren, den, in dem sie waren, (im Verstand) aufzunehmen oder zu kennen. Denn wenn sein Wille nicht in dieser Art von ihm ausgegangen war - , (35) denn er offenbarte ihn in einem Wissen, wobei alle seine Emanationen mit ihm verbunden waren.

Fundort: Bibel der Häretiker S. 27-31

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Textbeispiel für die anti-häretische Literatur: Irenäus von Lyon, Adversus haereses / Gegen die Häresien IV, 37 (hg. und übers. v. N. Brox. FC 8/4, Freiburg u.a. 1997, S. 318-333); Irenäus von Lyon, Adversus haereses IV 37: die Freiheit des Menschen zu Gehorsam und Ungehorsam – seine Verantwortlichkeit; 37,1. Wenn Christus sagte: „Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, aber du hast nicht gewollt" (Mt 23,37), dann ist dadurch das alte Gesetz mit der Freiheit des Menschen deutlich gemacht worden. Denn Gott hat ihn in Freiheit erschaffen, von Anfang an im Besitz eigener Kraft wie einer eigenen Seele, um freiwillig Gottes Ratschluss vollziehen zu können, ohne von ihm dazu gezwungen werden zu müssen. Gewaltanwendung ist nämlich nicht Gottes Art, sondern ständig hilft ihm guter Rat. Deshalb gibt er allen diesen guten Rat; er hat aber die Fähigkeit der freien Willensentscheidung in den Menschen gelegt, wie sie auch die Engel besitzen — die Engel sind ja auch vernunftbegabt —, damit alle, die gehorchen würden, mit Recht das Gute besäßen, von Gott gegeben, aber von ihnen selbst bewahrt; aber alle, die nicht gehorcht haben, werden mit Recht nicht (mehr) im Besitz des Guten gesehen und bekommen die gerechte Strafe, weil Gott ihnen in seiner Freundlichkeit das Gute gab, sie ihrerseits es aber nicht sorgfältig bewahrten und nicht entsprechend wertgeschätzt haben und für die herausragende Güte nichts übrig hatten. Weil sie das Gute also wegwerfen und gleichsam ausspeien, werden sie alle verdientermaßen dem gerechten Gericht Gottes verfallen. Paulus hat das in seinem Brief an die Römer mit den Worten bezeugt: „Verachtest du etwa den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass es Gottes Güte ist, die dich zur Umkehr bringt? Doch in deinem Starrsinn und umkehrunwilligen Herzen sammelst du dir selbst Zorn an für den Tag des Zornes und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes" (Rom 2,4 f). „Ruhm aber und Ehre", sagt er, „jedem, der das Gute tut" (Rom 2,10). Gott gab also das Gute. Der Apostel bezeugt das in demselben Brief, und die es tun, die bekommen Ruhm und Ehre, weil sie das Gute getan haben, als sie es auch lassen konnten; die es aber nicht tun, erleben Gottes gerechtes Gericht, weil sie es ließen, als sie es tun konnten. 37,2. Wäre es so, dass die einen von Natur aus gut, die anderen von Natur aus schlecht wären, dann könnte man sie gar nicht dafür loben, dass sie gut sind, denn sie wären so, wie sie sind, ja geschaffen worden; und die anderen könnte man nicht tadeln, weil sie ja auch so, wie sie sind, geschaffen worden wären. Weil aber alle derselben Natur und befähigt sind, am Guten festzuhalten und es zu tun, und umgekehrt auch in der Lage sind, es zu unterlassen und eben nicht zu tun, werden bei Menschen mit Verstand — und um wie viel mehr bei Gott — die einen gelobt, und sie bekommen das gebührende Zeugnis, dass sie das Gute gewählt und daran festgehalten haben; die anderen werden aber verklagt und bekommen die gebührende Strafe, weil sie die Gerechtigkeit und das Gute von sich gewiesen ha-ben. Deshalb ermahnten die Propheten die Menschen, Gerechtigkeit zu verwirklichen und Gutes zu tun. Das habe ich an zahllosen Beispielen gezeigt. Dazu haben wir die Fähigkeit bekommen, sind durch häufige Nachlässigkeit aber ganz vergesslich geworden und vermissen den guten Rat, den der gute Gott durch die Propheten verliehen hat.

37,3. Deshalb hat der Herr auch gesagt: „Euer Licht leuchte vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater verherrlichen, der im Himmel

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ist" (Mt 5,16). Und weiter: „Nehmt euch in acht, dass eure Herzen nicht durch Rausch und Trunkenheit und durch die Sorgen des Alltags beschwert werden" (Lk 21,34). Und weiter: „Eure Lenden sollen umgürtet sein, und eure Lampen sollen brennen, und ihr sollt Menschen gleichen, die ihren Herrn erwarten, wenn er vom Hochzeitsmahl zurückkommt, damit sie ihm öffnen, wenn er da ist und anklopft. Selig ist der Knecht, den der Herr bei seinem Kommen so vorfindet" (Lk 12,35 f. 43). Und weiter: „Ein Knecht, der den Willen seines Herrn kennt und ihn nicht tut, der wird arg geschlagen" (Lk 12,47). Und: „Was nennt ihr mich: Herr, Herr!, und tut nicht, was ich sage?" (Lk 6,46). Und weiter: „Wenn der Knecht sich in seinem Her-zen sagt: Mein Herr verspätet sich, und anfängt, seine Mitknechte zu schlagen, und zu essen, zu trinken und sich zu berauschen beginnt, dann kommt sein Herr an einem Tag, an dem er nicht damit rechnet, und er wird ihn in Stücke hauen und ihm seinen Anteil unter den Heuchlern geben" (vgl. Lk 12,45 f par). — Alle Stellen wie diese beweisen, dass der Mensch frei und eigenständig ist und Gott ihn durch seinen Rat unterstützt; er ermahnt uns, sich ihm zu unterwerfen, und lenkt uns vom Unglauben ab, aber er zwingt nicht mit Gewalt.

37,4. Denn wenn einer selbst dem Evangelium nicht folgen will, so steht ihm das

frei, hilft ihm aber nichts. Ungehorsam gegen Gott und Unterlassung des Guten liegt zwar in der Macht des Menschen, aber er handelt sich einen gewaltigen Schaden und Nachteil ein. Deswegen sagt Paulus: „Alles steht mir frei, aber es nützt mir nicht alles" (1 Kor 6,12; 10,23); er stellt die Freiheit des Menschen heraus, insofern „alles freisteht" und Gott keinen Zwang ausübt, und durch die Worte „es nützt nichts" zeigt er, dass wir die Freiheit nicht zum Deckmantel des Bösen missbrauchen dürfen (vgl. 1 Petr 2,16), denn das nützt nichts. Und weiter schreibt er: „Redet Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten" (vgl. Eph 4,25). Und: „kein böses Wort komme aus eurem Mund, nichts Schandbares, kein Geschwätz oder dumme Possen, die mit der Sache nichts zu tun haben, statt dessen aber Danksagung" (vgl. Eph 4,29; 5,4). Und weiter: „Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt seid ihr aber Licht im Herrn. Lebt als Kinder des Lichts" (Eph 5,8), „ehrenhaft, nicht in Ess- und Trinkgelagen, nicht von Bett zu Bett in zügelloser Lust, nicht in Streit und Eifersucht" (vgl. Rom 13,13). „So sind Leute vor euch gewesen. Aber ihr seid reingewaschen, ihr seid geheiligt im Namen unseres Herrn" (vgl. 1 Kor 6,11). Wenn es nicht in unserer Macht stände, das alles zu tun oder zu lassen, welchen Grund könnte dann der Apostel und noch viel mehr der Herr selbst haben, den Rat zu geben, dass wir manches tun, von anderem uns enthalten sollen? Aber weil der Mensch von Anfang an einen freien Willen hat, wie auch Gott einen freien Willen hat, nach dessen Bild er geschaffen ist, so bekommt er dauernd den Rat, am Guten festzuhalten, das aus dem Gehorsam gegen Gott heraus verwirklicht wird.

37,5. Und nicht nur bei den Werken, sondern auch beim Glauben hat der Herr

den freien und seiner selbst mächtigen Willen des Menschen respektiert, als er sagte: „Nach deinem Glauben geschehe dir" (Mt 9,29), womit angezeigt ist, dass der Glaube genauso zum Menschen gehört wie sein Wille. Und weiter: „Alles ist dem möglich, der glaubt" (Mk 9,23). Und: „Geh hin, es geschehe dir, wie du geglaubt hast" (Mt 8,13). Alle solche Stellen zeigen, dass der Mensch auch über seinen Glauben frei verfügt. Deshalb hat auch „der, der an ihn glaubt, ewiges Leben; wer aber dem Sohn nicht glaubt, hat kein ewiges Leben, vielmehr bleibt Gottes Zorn über ihm" (Joh 3,36). In diesem Sinn hat der Herr also das Gute als sein Eigentum erwiesen und den Menschen in seiner Willensfreiheit und Entscheidungskraft gekennzeichnet, als er zu Jerusalem sprach: „Wie oft wollte ich

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deine Kinder sammeln wie die Henne ihre Küken unter ihren Flügeln, und du hast nicht gewollt. Deshalb bleibt euch euer Haus öde zurück" (Mt 23,37 f par). 37,6. Wer das Gegenteil davon sagt, der führt einen Herrn ein, der schwach ist und sozusagen nicht verwirklichen kann, was er will, oder der die nicht kennt, die von Natur Choiker (Irdische)189 sind, wie sie selbst sagen, und nicht imstande, seine Unvergänglichkeit anzunehmen. Es hätte nicht passieren dürfen, mag man einwenden, dass er Engel schuf, die sündigen konnten, oder Menschen, die sogleich undankbar gegen ihn waren, wo sie doch vernunftbegabt und fähig zum Prüfen und Urteilen geschaffen sind und nicht wie die vernunftlosen und leblosen Wesen, die aus eigenem Willen nichts tun können, sondern sich nur mit Zwang und Gewalt zum Guten bringen lassen. Ein einziges Bestreben nur haben sie in sich und ein einziges Verhalten, unbeweglich und ohne Urteil, unfähig, anders zu sein, als wie sie erschaffen wurden. Dann hätte aber das, was das Gute ist, keinerlei Anziehungskraft für sie an sich, und die Gemeinschaft mit Gott wäre ihnen nichts wert, noch wäre das Gute besonders begehrenswert, wenn es ihnen ohne eigenes Bemühen, ohne Sorgfalt und Eifer ihrerseits erwachsen wäre, vielmehr von selbst und ohne Zutun eingepfropft. Dann stellen auch die guten Menschen nichts Be-sonderes dar, weil sie mehr von Natur aus als aus eigenem Willen so sind und das Gute von selbst haben und nicht auf eigene Wahl hin. Sie würden nicht einmal einsehen, dass das Gute schön ist, noch hätten sie einen Genuss davon. Welchen Genuss des Guten könnte man sich bei Leuten vorstellen, die das Gute nicht kennen? Welchen Ruhm hätten die davon, die sich um das Gute nicht bemüht haben? Welche Krone gäbe es für die, die sie nicht als Sieger im Wettkampf errungen haben?

37,7. Deshalb hat der Herr auch gesagt, dass das Himmelreich Gewalt leidet190 und dass nur, „wer Gewalt anwendet, es an sich reißt" (vgl. Mt 11,12 par). Damit ist gemeint, dass, wer mit Gewalt und Kampf beständig wachsam ist, es an sich reißt. Darum sagte der Apostel Paulus den Korinthern: „Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber nur einer den Siegespreis erhält? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt. Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam; jene tun es, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Kranz zu erhalten. Ich laufe aber nicht ins Ungewisse und kämpfe mit der Faust nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich züchtige meinen Leib und bringe ihn in Knechtschaft, dass ich nicht anderen predige und selbst verworfen werde" (1 Kor 9,24-27). Ein guter Kämpfer ermuntert uns also zum Kampf um die Unvergänglichkeit, damit wir gekrönt werden und den Wert der Krone zu schätzen wissen, da sie nur im Wettkampf von uns erworben werden kann und uns nicht von selbst zufällt. Und je mehr sie nur im Wettkampf von uns erworben werden kann, desto wertvoller ist sie; je wertvoller sie ist, desto mehr sollen wir sie immer lieben. Was man ohne Zutun von selbst bekommt, das liebt man nicht so wie das, was nur mit großer Anstrengung zu bekommen war. Weil es von uns abhängt, ob wir Gott mehr lieben, hat uns der Herr gelehrt und der Apostel überliefert, dass wir das nur im Wettkampf erreichen. Andernfalls würde aber auch das Gute in uns unbemerkt bleiben, wenn es gar nicht eingeübt würde. Wir würden doch auch bei weitem nicht so viel um unsere Sehkraft geben, wenn wir nicht wüssten, wie schlimm es ist, blind zu sein; und die Gesundheit wird durch die Erfahrung der Krankheit erst richtig geschätzt, und das Licht erst im Vergleich mit der Dunkelheit, das Leben erst im Vergleich mit dem Tod. So kann das Himmelreich nur richtig einschätzen, wer das irdische Reich kennt; je höher wir es aber einschätzen, desto mehr können wir es lieben; und wenn wir es mehr lieben, sind wir angesehener bei Gott. — Für uns hat Gott das alles so sein

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lassen, damit wir, über alles in Kenntnis gesetzt, künftig in allem ganz sorgfältig sind'", in aller Liebe zu ihm bleiben (vgl. Joh 15,9 f), durch unsere Vernunft angeleitet, Gott zu lieben; Gott zeigte Großmut, als der Mensch abtrünnig war, wodurch der Mensch seinerseits belehrt wurde. Das hat auch der Prophet gesagt: „Deine Apostasie wird dich bessern" (vgl. Jer 2,19), wobei Gott alles zur Vollendung des Menschen, zur Wirkung und Manifestation der Heilsordnung vorherbestimmt, damit sich die Güte erweist und die Gerechtigkeit sich vollendet und die Kirche der Gestalt des Bildes seines Sohnes (vgl. Rom 8,29) angeglichen wird und der Mensch endlich einmal reif wird, und zwar reif wird zur Anschauung und Erkenntnis Gottes. Fundort: FC 8/4 S. 318-333

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4) Die martyrologische Literatur Textbeispiel aus der martyrologischen Literatur Das Polykarpmartyrium 8-18, in: Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe (hg. u. übers. v. A. Lindemann und H. Paulsen, Tübingen 1992, S. 268-281); Polykarpmartyrium Kap. 8-18: die Bewährung des Bischofs Polykarp beim Prozess vor dem Prokonsul und beim Martyrium; Ankündigung der Gedächtnisfeier. 8,1. Als Polykarp [bei seiner Gefangennahme] das Gebet beendigt hatte, in dem er aller gedachte, die ihm jemals begegnet waren, der Kleinen wie der Großen, der Bedeutenden wie der Unbedeutenden und der ganzen, allgemeinen Kirche auf dem Erdkreis, und als die Stunde des Aufbruchs gekommen war, da setzten sie ihn auf einen Esel und brachten ihn in die Stadt; es war der große Sabbat. 2. Und es kamen ihm entgegen der Eirenarch Herodes und dessen Vater Niketes; sie nahmen ihn zu sich in den Wagen, versuchten ihn, während sie neben ihm saßen, zu überreden und sagten: „Was ist es denn Schlimmes zu sagen: ‚Herr ist der Kaiser’, zu opfern, die Dinge, die sich daraus ergeben, zu tun und sich so zu retten?" Er aber antwortete ihnen zunächst nicht; als sie aber fortfuhren, sagte er: „Ich werde nicht tun, was ihr mir ratet." 3. Als sie mit ihrer Überredung gescheitert waren, beschimpften sie ihn und stießen ihn mit solcher Geschwindigkeit herab, dass er beim Absteigen vom Wagen das Schienbein verletze. Er wandte sich jedoch nicht um, ging, als wäre ihm nichts widerfahren, bereitwillig weiter und wurde in das Stadion geführt; es herrschte aber im Stadion ein solcher Lärm, dass keiner etwas zu hören vermochte. 9,1. Als Polykarp in das Stadion hineinging ertönte eine Stimme aus dem Himmel: „Polykarp, sei mutig und männlich!" Keiner sah den Redenden, die Stimme jedoch hörten die von den Unsrigen, die anwesend waren. Und im Übrigen: als er hineingebracht wurde, herrschte großer Lärm, weil man gehört hatte: Polykarp ist ergriffen worden. 2. Als er nun gebracht wurde, fragte ihn der Prokonsul, ob er Polykarp sei. Dies bejahte er, und jener suchte ihn zum Leugnen zu überreden. Er sagte: „Bedenke dein Alter!" und fügte die Dinge hinzu, die sie gewöhnlich sagen: „Schwöre beim Glück des Kaisers, bereue und sprich: Fort mit den Gottlosen!" Polykarp aber blickte mit finsterer Miene auf die ganze Menge der gottlosen Heiden im Stadion, schüttelte seine Hand gegen sie, seufzte, blickte zum Himmel empor und sprach: „Fort mit den Gottlosen!" 3. Der Prokonsul ermahnte ihn dringend und sprach: „Schwöre, und ich lasse dich frei, lästere Christus!" Polykarp antwortete: „Sechsundachtzig Jahre diene ich ihm, und er hat mir kein Unrecht zugefügt; wie kann ich da meinen König lästern, der mich gerettet hat?" 10,1. Als jener beharrlich blieb und sagte: „Schwöre beim Glück des Kaisers", da antwortete er: „Wenn du der trügerischen Meinung bist, dass ich (wie du sagst) beim Glück des Kaisers schwören würde, und so tust, als wüsstest du nicht, wer ich bin, so höre mein offenes Bekenntnis: Ich bin Christ. Wenn du aber die Sache des Christentums kennenlernen willst, so gibt mir Zeit und höre zu." 2. Der Prokonsul sagte: „Überzeuge das Volk!" Polykarp antwortete: „Dich habe ich einer Erklärung

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gewürdigt; denn wir sind belehrt worden, den von Gott eingesetzten Mächten und Gewalten die angemessene Ehre zu erweisen, wenn sie uns nicht schädigt. Jene aber halte ich nicht für wert, dass ich mich ihnen gegenüber verteidige." 11,1. Der Prokonsul sagte: „Ich habe Tiere; denen werde ich dich vorwerfen, wenn du nicht bereust." Er antwortete: „Ruf sie! Denn die Umkehr vom Besseren zum Schlechteren ist für uns unmöglich; gut ist es, vom Schlimmen sich zur Gerechtigkeit hinzuwenden." 2. Der wiederum sagte zu ihm: „Ich werde veranlassen, dass du vom Feuer verzehrt wirst, wenn du die Tiere verachtest und nicht bereust." Polykarp sagte: „Du drohst mit einem Feuer, das zeitweise brennt und nach kurzem erlischt. Du kennst nicht das Feuer des kommenden Gerichts und der ewigen Strafe, das für die Gottlosen aufbewahrt ist. Aber warum zögerst du? Hole herbei, was du willst." 12,1. Während er dies und anderes mehr sagte, war er voll Mut und Freude, und sein Gesicht erfüllte Gnade, so dass er nicht nur nicht die Fassung verlor, erschrocken von dem gegen ihn Gesagten, sondern im Gegenteil der Prokonsul so außer sich geriet, dass er seinen Herold in die Mitte des Stadions schickte und dreimal verkünden ließ: „Polykarp hat bekannt, dass er Christ ist." 2. Als dies vom Herold gesagt wurde, da schrie die ganze Menge der Heiden und der Juden, die in Smyrna ansässig waren, mit unverhohlener Wut und lauter Stimme: „Dies ist der Lehrer der Asia, der Zerstörer unserer Götter, der viele gelehrt hat, nicht zu opfern und anzubeten." Dies schrien sie und forderten lärmend vom Asiarchen Philippos, er solle einen Löwen auf Polykarp loslassen. Der jedoch sagte, es sei ihm nicht erlaubt, weil die Tierhetzen zuende seien. 3. Da beschlossen sie einmütig zu rufen, Polykarp lebendig zu verbrennen. Denn es musste der Inhalt des Gesichts im Blick auf das Kopfkissen erfüllt werden; als er während des Gebets es brennen sah, hatte er sich umgewandt und zu den Glaubenden, die mit ihm zusammen waren, prophetisch gesagt: „Ich muss lebendig verbrannt werden." 13,1. Dies geschah mit solcher Eile, schneller, als sich erzählen lässt; die Massen trugen sofort aus den Werkstätten und Bädern Holz und Reisig zusammen, wobei die Juden - wie es ihre Gewohnheit ist - in besonderer Weise eifrig zu Werk gingen. 2. Als der Scheiterhaufen fertig war, legte er alle Oberkleider ab, löste den Gürtel und suchte, auch seine Schuhe auszuziehen; dies hatte er früher nicht getan, weil immer jeder der Glaubenden sich bemühte, wer zuerst seine Haut berührte. Denn in jeder Hinsicht war er wegen seines guten Lebenswandels auch vor dem Martyrium ausgezeichnet. 3. Sofort wurde das Material, das für den Scheiterhaufen vorbereitet war, um ihn herumgelegt. Als sie ihn auch noch annageln wollten, sagte er: „Lasst mich so; denn der, der mir die Kraft gibt, das Feuer zu ertragen, wird mir auch die Kraft geben, ohne eure Sicherheit auf Grund der Nägel unbewegt auf dem Scheiterhaufen auszuharren." 14,1. Die nagelten ihn zwar nicht an, banden ihn aber fest. Er aber, die Hände auf dem Rücken und festgebunden, wie ein ausgezeichneter Widder aus einer großen Herde zum Opfer bestimmt, als ein Gott angenehmes Brandopfer, blickte zum Himmel und sprach: „Herr Gott, Allmächtiger, Vater deines geliebten und gelobten Knechtes Jesus Christus, durch den wir die Erkenntnis deiner empfangen haben, Gott der Engel und Gewalten, aller Schöpfung und jedes Geschlechtes der Gerechten, die vor dir leben. 2. Ich preise dich, weil du mich dieses Tages und dieser Stunde gewürdigt hast, Teil zu haben in der Zahl der Märtyrer am Becher deines Christus zur Auferstehung des ewigen Lebens von Seele und Leib in der Unvergänglich-keit des heiligen Geistes. Unter ihnen möchte ich heute vor dir angenommen werden und in einem reichen und wohlgefälligen Opfer, wie du es zuvor bereitet und offenbart und jetzt erfüllt hast, untrüglicher und wahrer Gott. 3. Deshalb lobe ich dich für alles, ich preise dich und rühme dich durch den ewigen, himmlischen Hohenpriester Jesus

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Christus, deinen geliebten Knecht, durch den dir mit ihm und dem heiligen Geist Ehre sei jetzt und in alle Ewigkeiten. Amen." 15,1. Als er das Amen ausgesprochen und das Gebet vollendet hatte, zündeten die Menschen, die damit betraut waren, das Feuer an. Die Flamme loderte mächtig auf und wir sahen ein Wunder; uns war es gegeben, dies zu sehen, und uns war es vorbehalten, die Geschehnisse den Übrigen zu verkünden. 2. Das Feuer sah aus wie ein Verdeck, wie ein Segel vom Wind geschwellt, und umgab ringsum den Leib des Märtyrers. Er befand sich in der Mitte nicht wie Fleisch, das brennt, sondern wie Brot, das gebacken wird, oder wie Gold und Silber, das im Schmelzofen geläutert wird. Und wir empfingen einen solchen Wohlgeruch wie von duftendem Weihrauch oder von einem anderen kostbaren Rauchwerk. 16,1. Als schließlich die Gottlosen sahen, dass sein Leib nicht vom Feuer verzehrt werden konnte, befahlen sie, dass der Konfektor zu ihm träte und den Dolch in den Leib stoße. Und als er dies tat, kam [eine Taube und] eine solche Menge Blut hervor, dass das Feuer verlosch und sich verwunderte die ganze Menge, welch ein Unterschied zwischen den Ungläubigen und den Erwählten bestehe. 2. Einer von ihnen war auch der bewundernswerte Polykarp, zu unseren Zeiten ein apostolischer Lehrer und prophetischer Bischof der allgemeinen Kirche in Smyrna. Denn jedes Wort aus seinem Munde hat sich erfüllt und wird sich erfüllen. 17,1. Als aber der Widersacher und Verleumder, der Böse, der gegen das Geschlecht der Gerechten ankämpft, die Größe seines Zeugnisses sah, den von Anfang an untadeligen Lebenswandel und ihn selbst, der bekränzt mit dem Kranz der Unsterblichkeit den unbestreitbaren Kampfpreis davontrug, da trachtete er danach, dass sein Leichnam von uns nicht weggetragen werde, obwohl viele wünschten, dies zu tun und mit seinem heiligen Fleisch Gemeinschaft zu haben. 2. Er stiftete Niketes, den Vater des Herodes und Bruder der Alke, an, den Prokonsul zu bitten, seinen Leib nicht herauszugeben. Denn - so seine Worte - sie sollten den Gekreuzigten nicht verlassen und anfangen, diesen zu verehren. Dies geschah, weil die Juden dazu anstifteten und darauf drängten; sie hatten auch schon aufgepasst, als wir ihn aus dem Feuer nehmen wollten, unwissend, dass wir niemals Christus verlassen können, den, der für das Heil der in der ganzen Welt Geretteten litt, der Untadelige für die Sünder, und keinen anderen verehren werden. 3. Denn diesen verehren wir als den Sohn Gottes, die Märtyrer aber lieben wir in angemessener Weise als Jünger und Nachahmer des Herrn wegen der unüberbietbaren Zuneigung zu ihrem König und Lehrer; wenn doch auch wir deren Teilhaber und Mitjünger würden! 18,1. Als der Kenturio die Bosheit der Juden sah, ließ er ihn in die Mitte setzen und verbrennen, wie es ihre Gewohnheit ist. 2. So bekamen wir später seine Gebeine, die edler als Edelsteine und kostbarer als Gold sind, und bestatteten sie, wo es angemessen war. 3. Dort wird uns, die wir uns nach Möglichkeit in Jubel und Freude dort versammeln, der Herr die Feier des Tages seines Martyriums ermöglichen, zum Gedächtnis derer, die zuvor gekämpft haben, und zur Übung und Vorbereitung für die, denen dies bevorsteht. Fundort: Die Apostolischen Väter (s.o.) S. 268-281

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5) Die Rechtsquellen der frühen Kirche Textbeispiele aus den Rechtsquellen der Kirche Didache / Zwölf-Apostel-Lehre 7 (hg. u. übers. v. G. Schöllgen. FC 1, Freiburg u.a. 1991, S. 118f.) Didache (Lehre der Zwölf Apostel) 7 Kap. 7,1-4: Kurze Bestimmungen zur Taufe 7.1. Was die Taufe angeht, tauft folgendermaßen: Nachdem ihr das alles vorher mitgeteilt habt, tauft auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes in lebendigem Wasser. 2. Wenn du aber kein lebendiges Wasser hast, taufe in anderem Wasser; wenn du es nicht in kaltem Wasser kannst, dann in warmem. 3. Wenn du aber beides nicht hast, gieße über den Kopf dreimal Wasser aus auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. 4. Vor der Taufe sollen fasten der Täufer, der Täufling und andere, die können. Gebiete aber, dass der Täufling vorher ein oder zwei Tage fastet. Fundort: FC 1, S. 118f. Sog. Traditio Apostolica / Apostolische Überlieferung 20f. (hg. u. übers. v. W. Geerlings. FC 1, Freiburg u.a. 1991, S. 252-271): Kap. 20f. ausführlichere Bestimmungen zur Taufe. 20. Bei der Auswahl der Täuflinge prüfe man zuerst ihren Lebenswandel: ob sie während des Katechumenats ehrbar gelebt, die Witwen unterstützt, Kranke besucht, ob sie alle Arten von guten Werken getan haben. Wenn diejenigen, die sie herbeigeführt haben, von ihnen bezeugen, dass dem so sei, dann sollen sie das Evangelium hören dürfen. Vom Zeitpunkt ihrer Absonderung an lege man ihnen jeden Tag zum Exorzismus die Hand auf. Wenn der Tauftag näherrückt, vollziehe der Bischof selbst den Exorzismus an einem jeden von ihnen, um sich zu überzeugen, ob er rein ist. Wenn jemand nicht gut oder nicht rein ist, soll man ihn wegschicken, weil er das Wort nicht gläubig gehört hat. Denn es ist unmöglich, dass ein Fremder (sc. Dämon) sich auf Dauer verbirgt. Man soll die Täuflinge anweisen, sich am Donnerstag zu baden und zu waschen. Wenn eine Frau menstruiert, soll man sie zurückstellen, und sie soll die Taufe an einem anderen Tag empfangen. Die Täuflinge sollen am Freitag fasten. Am Sabbat sollen sich nach Anweisung des Bischofs die Täuflinge an einem Ort versammeln. Dann fordert er sie alle auf, zu beten und die Knie zu beugen. Unter Handauflegung beschwört der Bischof alle fremden Geister, sie zu verlassen und nicht mehr in sie zurückzukehren. Wenn er den Exorzismus vollzogen hat, soll er ihr Gesicht anhauchen und nach Bekreuzigung von Stirn, Ohren und Nasen lässt er sie aufstehen. Sie sollen die ganze Nacht wachend verbringen; man soll ihnen vorlesen und sie unterweisen. Die Täuflinge sollen nichts mitbringen außer dem, was ein jeder für die Eucharistie mitbringt. Denn jeder, der (sc. durch die Taufe) würdig geworden ist, soll auch: zur gleichen Stunde die Gabe für die Eucharistie darbringen.

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21. Zur Zeit des Hahnenschreis soll man zunächst über das Wasser beten. Es soll Wasser sein, das aus einer Quelle fließt oder von oben herabfließt. So soll man es halten, wenn die Verhältnisse es nicht anders erzwingen. In einer andauernden und bedrückenden Zwangslage kann man sich jedoch des Wassers bedienen, das man gerade vorfindet. Die Täuflinge sollen ihre Kleider ablegen, und zuerst soll man die Kinder taufen. Alle, die für sich selbst sprechen können, sollen es tun. Für die jedoch, die nicht für sich sprechen können, sollen die Eltern sprechen oder ein anderes Familienmitglied. Danach soll man die Männer taufen, anschließend die Frauen, nachdem sie ihr Haar aufgelöst und ihren Gold- und Silberschmuck abgelegt haben. Niemand soll einen fremden Gegenstand mit ins Wasser nehmen. Zum festgesetzten Zeitpunkt der Taufe soll der Bischof das Danksagungsgebet über das Öl sprechen und es in ein Gefäß gießen". Es ist dies das Öl der Danksagung. Er soll auch anderes Öl nehmen und darüber den Exorzismus sprechen. Es ist dies das Öl des Exorzismus. Ein Diakon nimmt das Öl des Exorzismus und stellt sich zur Linken, ein anderer nimmt das Öl der Danksagung und stellt sich zur Rechten des Presbyters. Der Presbyter nimmt jeden einzelnen Täufling in Empfang und fordert ihn auf, mit folgenden Worten zu widersagen: Ich widersage dir, Satan, all deinem Pomp und all deinen Werken. Nachdem jeder widersagt hat, salbt ihn der Presbyter mit dem Öl des Exorzismus unter folgenden Worten: Jeder böse Geist weiche von dir. Daraufhin übergibt er ihn unbekleidet dem Bischof oder dem Presbyter, der in der Nähe des Taufwassers steht. Ein Diakon soll danach mit ihm hinabsteigen. Sobald der Täufling ins Wasser hinabgestiegen ist, legt der Täufer ihm die Hand auf und fragt: Glaubst du an Gott, den allmächtigen Vater? Und der Täufling soll antworten: Ich glaube. Und sogleich, während die Hand auf seinem Haupt liegt, tauft er ihn zum erstenmal. Und darauf fragt er: Glaubst du an Christus Jesus, den Sohn Gottes, der geboren ist vom Heiligen Geist aus der Jungfrau Maria, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde, gestorben, am dritten Tage lebend von den Toten auferstanden und zum Himmel aufgestiegen ist, zur Rechten des Vaters sitzt, der kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten? Und wenn jener gesagt hat: Ich glaube, soll er ein zweites Mal getauft werden. Erneut fragt er: Glaubst du an den Heiligen Geist, in der heiligen Kirche und an die Auferstehung des Fleisches? Der Täufling soll sagen: Ich glaube. Und so soll er ein drittes Mal getauft werden. Wenn er dann wieder heraufgestiegen ist, soll er vom Presbyter unter folgenden Worten mit dem Öl der Danksagung gesalbt werden: Ich salbe dich mit heiligem Öl im Namen Jesu Christi. Ein jeder soll sich abtrocknen und wieder ankleiden. Dann sollen sie in die Kirche hineingehen. Der Bischof soll ihnen die Hand auflegen und anrufend beten: Herr, Gott, du hast sie gewürdigt, durch das Bad der Wiedergeburt des Heiligen Geistes die Vergebung der Sünden zu erlangen, mache sie auch würdig, mit Heiligem Geist erfüllt zu werden. Sende in sie deine Gnade, damit sie dir nach deinem Willen dienen. Denn dein ist die Herrlichkeit, Vater und Sohn mit dem Heiligen Geist in der heiligen Kirche, jetzt und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Dann gießt er Öl der Danksagung in seine Hand, legt sie dem Täufling aufs Haupt und spricht:

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Ich salbe dich mit heiligem Öl in Gott, dem allmächtigen Vater, in Christus Jesus und im Heiligen Geist. Nachdem er die Täuflinge auf der Stirn bekreuzigt hat, soll er ihnen einen Kuss geben und sagen: Der Herr sei mit dir. Und der Bezeichnete soll sagen: Und mit deinem Geist. So soll er mit jedem einzelnen verfahren. Danach beten sie zusammen mit dem ganzen Volk. Denn sie dürfen erst dann zusammen mit den Gläubigen beten, wenn sie dies alles erhalten haben. Nach dem Gebet sollen sie einander den Friedenskuss geben. Dann soll dem Bischof von den Diakonen die Opfergabe gereicht werden. Er soll danksagen: über das Brot als Abbild des Leibes Christi; über den Kelch mit gemischtem Wein als Abbild des Blutes, das für alle vergossen wurde, die an ihn glauben; über die Mischung aus Milch und Honig, um darauf hinzuweisen, dass sich die den Vätern gegebene Verheißung erfüllt hat, die von dem Land spricht, in dem Milch und Honig fließen. Dies ist das Fleisch, das Christus hingegeben hat. Von ihm nähren sich die Gläubigen wie kleine Kinder, von ihm, der durch die Süße des Wortes die Bitterkeit des Herzens lieblich macht. (Er soll danksagen:) über das Wasser zur Darbringung, um das Bad (der Taufe) anzudeuten, damit der innere Mensch, die Seele, die gleichen Wirkungen erhält wie der Leib. Alles dieses erkläre der Bischof denen, die die Kommunion empfangen. Beim Brechen des Brotes und wenn er die einzelnen Stücke reicht, soll er sagen: Brot des Himmels in Christus Jesus. Der Empfangende soll antworten: Amen. Wenn die Presbyter zur Austeilung nicht ausreichen, sollen auch Diakone die Kelche halten. Sie sollen in der gebotenen Ordnung dastehen: als erster der mit dem Wasser, als zweiter der mit der Milch, als dritter der mit dem Wein. Jeder soll nacheinander von jedem Kelch kosten. Dabei soll der, der ihn reicht, bei dem jeweiligen Kelch sagen: In Gott, dem allmächtigen Vater. Der Empfangende soll sagen: Amen. (Dann, beim nächsten Kelch:) Und im Herrn Jesus Christus. (Und er soll wiederum antworten:) Amen. Schließlich beim dritten Kelch: Und im Heiligen Geist und der heiligen Kirche. Wie vorher soll er sagen: Amen. So soll man bei jedem einzelnen verfahren. Wenn alles beendet ist, soll sich jeder bemühen, gute Werke zu tun, Gott zu gefallen, sich eines guten Lebenswandels zu befleißigen, voll Eifer sich an die Kirche zu halten, das zu tun, was er gelernt hat, und in der Frömmigkeit voranzuschreiten. Fundort: FC 1 S. 252-271

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6) Die exegetische Literatur Textbeispiele aus der exegetischen Literatur Textbeispiel zur Typologie: Meliton von Sardes, Vom Passa 31-45 (übers. und komm. v. J. Blank. Sophia 3, Freiburg 1963, S. 108-112) Meliton von Sardes, Vom Passa 31-45: Das Passalamm als Typos (Vorbild) für Christus – das Verhältnis von Vorbild (Typos) und Erfüllung (Wahrheit).

Das „Mysterium" des alttestamentlichen Berichts

31 O unsägliches Mysterium! Die Schlachtung des Schafes wurde als die Rettung des Volkes erfunden, und der Tod des Schafes wurde des Volkes Leben, und das Blut schreckte den Würgengel ab.

32 Sage mir, Engel, wovor schrakst du zurück? Vor der Schlachtung des Schafes, oder vor dem Leben des Herrn? Vor dem Tod des Schafes, oder vor dem Vorbild des Herrn? Vor dem Blut des Schafes, oder vor dem Geist des Herrn?

33 Offensichtlich warst du erschrocken, weil du das Mysterium des Herrn in dem Schaf geschehen sahst, das Leben des Herrn in der Schlachtung des Schafes, das Vorbild des Herrn in dem Tod des Schafes; darum schlugst du Israel nicht, sondern machtest nur Ägypten kinderlos.

34 Was ist das für ein neues Mysterium? Ägypten wird geschlagen zum Verderben, Israel wird behütet zum Heil! Vorbild (Typos) – Wahrheit (Aletheia) Höret die Kraft des Mysteriums:

35 Nichts wäre, Geliebte, das Berichtete und Geschehene außerhalb des Sinnbildes und des (göttlichen) Vorsatzes: Alles, was geschieht und was man [sc. im AT] liest, gehört dem Gleichnis zu. Das Gelesene (ist) Gleichnis, das Geschehene (ist) Vorbild, damit das Geschehene durch das Vorbild gezeigt

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und das Gelesene durch das Gleichnis erhellt würde.

36 Ohne Vorbild wird kein Werk errichtet. Oder wird nicht das Zukünftige

durch das vorzeichnende Bild geschaut? Um des Zukünftigen willen entsteht das Vorbild, aus Wachs, aus Lehm oder aus Holz, damit das Zukünftige, das errichtet werden soll, als an Größe überragender, als an Kraft mächtiger, als an Ansehen schöner, als in der Ausstattung reicher geschaut würde durch das kleine und vergängliche Vorbild.

37 Wenn nun aber aufgerichtet wird, worauf das Vorbild (hinwies), dann wird das, was das Bild des Kommenden trug, als nicht mehr brauchbar abgelöst; denn auf das, was wahr ist vom Wesen her, ist das, was dessen Bild war, übergegangen. Das, was einst wertvoll war, wird wertlos, wenn das wesenhaft Wertvolle offenbar wird.

38 Denn Jeglichem ist seine Zeit beschieden. Du begehrst dieses Vorbild, weil du in ihm das Bild des Kommenden erblickst. Du besorgst den Stoff für das Vorbild, du begehrst dieses um jenes willen, das einmal aus ihm errichtet werden soll. Du führst das Werk aus: dieses allein begehrst du, dieses allein liebst du, in ihm siehst du das Vorbild, den Stoff und die Wahrheit.

39 Wie es sich nun mit den vergänglichen Gleichnissen verhält, so auch mit den unvergänglichen; wie mit den irdischen Dingen, so auch mit den himmlischen Dingen. Denn so wurde auch des Herren Heil und Wahrheit in dem Volke (Israel) vorgebildet und die Lehren des Evangeliums wurden vom Gesetz vorherverkündet.

40 So wurde das Volk (Israel) zum Vorbild einer Absicht, und das Gesetz zur Schrift eines Gleichnisses: Das Evangelium ist die Auslegung des Gesetzes und seine Fülle, und die Kirche die Stätte der Wahrheit.

41 Das Vorbild besaß seinen Wert vor der Wahrheit, und das Gleichnis war bewundernswert vor der Auslegung; das bedeutet:

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Das Volk (Israel) war wertvoll, bevor die Kirche erstand, und das Gesetz war bewundernswert, bevor das Evangelium aufstrahlte.

42 Doch seit die Kirche erstand und das Evangelium vorgelegt wurde, wurde das Vorbild entwertet und übergab seine Kraft an die Wahrheit; und das Gesetz wurde erfüllt und übergab seine Kraft an das Evangelium, wie das Vorbild entwertet wird und das Bild dem wesenhaft Wahren übergibt, und wie das Gleichnis entwertet wird durch das Aufleuchten der Auslegung.

43 So auch wurde das Gesetz erfüllt durch das Aufleuchten des Evangeliums, und das Volk (Israel) wurde entwertet durch das Erstehen der Kirche, und das Vorbild wurde aufgelöst durch die Erscheinung des Herrn. Und heute ist das, was einst wertvoll war, wertlos geworden durch die Offenbarung des wesenhaft Wertvollen.

44 Denn wertvoll war einst die Schlachtung des Schafes, nun ist sie wertlos wegen des Lebens des Herrn. Wertvoll war der Tod des Schafes, nun ist er wertlos wegen des Heiles des Herrn. Wertvoll war einst das Blut des Schafes, nun ist es wertlos wegen des Geistes des Herrn. Wertvoll war einst das stumme Lamm, nun ist es wertlos wegen des schuldlosen Sohnes. Wertvoll war der Tempel unten, nun ist er wertlos wegen des Christus droben.

45 Wertvoll war das untere Jerusalem, nun ist es wertlos wegen des oberen Jerusalem, Wertvoll war das begrenzte Erbe, nun ist es wertlos wegen der weiten Gnade. Nicht an einem einzigen Ort, noch auf einen kleinen Raum wurde die Herrlichkeit Gottes eingesetzt, sondern auf alle Grenzen der bewohnten Erde wurde seine Gnade ausgegossen. Dort hat der allherrschende Gott sein Zelt errichtet durch Jesus Christus, dem die Ehre sei in die Äonen, Amen.

Fundort: Meliton von Sardes, Vom Passah (s.o.) S. 108-112

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Textbeispiel zur Allegorese: Gregor von Nyssa, In Canticum Canticorum homiliae / Homilien zum Hohenlied Prolog (hg. und übers. v. F. Dünzl. FC 16/1-3, Freiburg u.a. 1994, S. 96-113) Prolog: Verteidigung der allegorischen Auslegung.

Der ehrwürdigsten Olympias wünscht Gregor, Bischof von Nyssa, Freude im Herrn!

Als passend für Dein ehrwürdiges Leben und Deine reine Seele habe ich die

Mühe um das Hohelied (= das Canticum) auf mich genommen, die Du uns sowohl persönlich als auch brieflich aufgetragen hast:. Durch angemessene Betrachtung soll die in den Worten (des Hohenliedes) verborgene Philosophie offenbar gemacht werden, nachdem sie in den lauteren Gedanken von der vordergründigen Bedeutung, die dem Wortlaut entspricht, gereinigt worden ist. …

Nachdem es aber bestimmten Leuten aus kirchlichen Kreisen richtig scheint, sich durchweg dem Wortlaut der hl. Schrift anzuschließen, und sie nicht zugeben, dass von ihr manches in Rätsel- und Sinnbildern zu unserem Nutzen gesagt sei, halte ich es für notwendig, uns zuerst denen gegenüber, die uns solches vorhalten, in dem Punkt zu verteidigen, dass von unserer Seite her nichts Abwegiges geschieht in dem Bemühen, auf vielerlei Weise das Nützliche aus der göttlich inspirierten Schrift zu erjagen: Falls nämlich bereits der Wortlaut etwas nützen sollte, wenn man ihn wortwörtlich versteht, so hat man schon parat, worauf die Mühe abzielt. Falls aber etwas dem vordergründigen Verständnis nach unergiebig für den Nutzen sein sollte, weil es unter Verhüllung in Sinn- und Rätselbildern gesagt ist, so verkehrt man solche Worte [in einen anderen Sinn] - der Anleitung des Logos entsprechend, der uns durch das Buch der Sprichwörter dazu erzieht, das Gesagte entweder als Gleichnis oder als dunkles Wort, oder als Rede von Weisen, oder als eines von den Rätseln (vgl. Spr 1,6) zu verstehen. Sollte jemand die Betrachtung dieser Schriftworte mit Hilfe der Anagogie als 'Tropologie' oder 'Allegorie' oder anders benennen wollen, so werden wir uns keineswegs bei dem Begriff aufhalten, sofern man sich nur an die nutzbringenden Gedanken halten wollte.

… Und deshalb sagt er [sc. Paulus] auch: "Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig" [2 Kor 3,6], da oftmals die Historie, sofern wir bei den bloßen Tatsachen stehenbleiben wollten, uns nicht die Beispiele eines guten Lebens bietet. Denn was für einen Nutzen für die Tugend hat der Zuhörer davon, dass der Prophet Hosea sich aufgrund von Hurerei Kinder zeugte [vgl. Hos 1,2] und Jesaja zur Prophetin einging [vgl. Jes 8,3], wenn er das Gesagte beim Wortlaut stehenlässt? Oder was tragen die Erzählungen über David zu einem tugendhaften Leben bei, wenn Ehebruch und Mord bei einem Frevel Hand in Hand gehen [vgl. 2Sam 11]? Wenn sich aber irgendein Verständnis finden ließe, welches den Ertrag dieser Begebenheiten für die Heilsordnung als unanfechtbar erweist, dann würde das Wort des Apostels als wahrhaftig erwiesen, dass der Buchstabe tötet - er beinhaltet nämlich Beispiele schändlicher Taten -, der Geist aber lebendig macht; denn es setzt den unangemessenen und verworrenen Gedanken in göttlichere Bedeutung um.

Wir wissen aber, dass auch der Logos selbst, der von aller Schöpfung angebetet wird, uns, als er in menschlicher Gestalt im Fleisch die göttlichen Mysterien überlieferte, folgendermaßen die Gedanken des Gesetzes enthüllte: … Die eherne Schlange, die erhöht worden war und dem Volk als Abwehr gegen die

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todbringenden Schlangenbisse diente, bezog er auf das Heilsgeschehen, das sich am Kreuz unseretwegen ereignete [vgl. Joh 3,14]; … . Und wiederum, als die Jünger ihm eine Mahlzeit vorsetzten, antwortete er: "Ich habe eine Speise zu essen, die ihr nicht kennt" [Joh 4,32]. Als sie vermuteten, er rede von leiblicher Nahrung (als sei sie ihm von anderswoher gebracht worden), erklärt er sein eigenes Wort: Für ihn ist die Erfüllung des Heilswillens [Gottes] eine geziemende und angemessene Speise [vgl. Joh 4,34].

Und unzählige solche Beispiele lassen sich aus den Worten der Evangelien sammeln, bei denen das, was man vordergründig versteht, eines ist, etwas anderes aber das, worauf der Sinn des Gesagten zielt. Zum Beispiel das Wasser, das er [sc. Christus] den Dürstenden versprach, durch welches die Glaubenden zu Quellen von Flüssen werden [vgl. Joh 7,37-38]; das Brot, das vom Himmel herabkommt [vgl. Joh 6,50-51]; der Tempel, der zerstört und binnen dreier Tage (wieder)aufgerichtet wird [vgl. Joh 2,19]; der Weg [vgl. Joh 14,6]; die Tür [vgl. Joh 10,9]; der Stein, der von den Bauleuten für nichts geachtet ist und zum Eckstein hergerichtet wird [vgl. Mk 12,10]; … .

All das und alles, was von solcher Art ist, dient uns zur Ermahnung, dass es notwendig ist, die göttlichen Worte zu durchforschen und das Augenmerk auf die Schriftlesung zu richten und auf jede Weise nachzuspüren, ob irgendwo ein Sinn gefunden werden könnte, der höher reicht als das vordergründige Verständnis, weil er das Denken zum Göttlicheren und Unkörperlichen führt.

Deshalb sind wir davon überzeugt, dass der Baum, von dem man nicht essen durfte [vgl. Gen 2,17], kein Feigenbaum war, wie manche behauptet haben, und auch kein anderer von den fruchttragenden Bäumen. Denn wenn die Feige damals todbringend war, wäre sie jedenfalls auch jetzt nicht essbar; zugleich aber haben wir durch die Stimme des Herrschers, die dies in einem Ausspruch festlegte, gelernt, dass nichts, was durch den Mund in den Menschen hineingelangt, ihn profanieren kann [vgl. Mt 15,11]. Wir suchen vielmehr einen anderen Sinn in diesem Gebot [sc. Gen 2,17], würdig der Größe des Gesetzgebers. …

Und wenn man zu diesen Beispielen noch unzählige aus der übrigen Prophetie gesammelt hat, lässt sich die Notwendigkeit einer Betrachtung der [biblischen] Worte ihrem [tieferen] Sinngehalt nach erweisen: Verwirft man sie, wie es einigen gefällt, so scheint mir, was dabei herauskommt, so ähnlich zu sein, wie wenn einer das Getreide unzubereitet zu menschlicher Speise auf dem Tisch vorsetzte, ohne den Halm zerrieben und die Körner durch Worfeln von der Spreu geschieden zu haben, ohne das Getreide zu Mehl zerkleinert und das Brot in der richtigen Weise der Speisenherstellung zubereitet zu haben. Wie indes das unzubereitete Erzeugnis Nahrung von Tieren und nicht von Menschen ist, so, könnte man wohl sagen, seien die göttlich inspirierten Worte - nicht nur des Alten Testaments, sondern auch der Großteil der Lehre des Evangeliums - eher Nahrung vernunftloser als vernunftbegabter Wesen, sofern sie nicht durch feinere Betrachtung zubereitet sind: [z.B.] die Worfschaufel, die den Dreschplatz reinigt, die Spreu, die weggeblasen wird, das Getreide, das zu Füßen des Worflers zurückbleibt, das unauslöschliche Feuer, die gute Scheune, der Baum, der in reichem Maße schlechte Früchte trägt, die Drohung mit der Axt, die dem Baum im voraus in schrecklicher Weise ihre Schärfe zeigt, die Steine, die in die menschliche Natur verwandelt werden [vgl. Mt 3,7-12].

Dies sei mir - in einem Begleitbrief zu Deinem Verständnis - als eine Art Apologie gegen diejenigen geschrieben, die das Gesetz aufstellen, neben der vordergründigen Bedeutung des Wortlauts aus den göttlichen Worten nichts Weitergehendes aufzuspüren.

Page 39: 1) Die sog. 'Apostolischen Vter': Gemeindeliteratur...Jerusalem; aber auch dort wird nicht berall geopfert, sondern vor dem Heiligen am Altare, wobei die Opfergabe genau untersucht

Fundort: FC 16/1, S. 96-113