1 - Grundlagen der Lebensvorgänge

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1 1 Grundlagen der Lebensvorgänge Georg Löffler, Petro E. Petrides 1.1 Biomoleküle, Zellen und Organismen – 4 1.1.1 Elemente in lebenden Systemen – 4 1.1.2 Präbiotische Entstehung von Biomolekülen mit funktionellen Gruppen – 4 1.1.3 Organisationsstufen biologischer Systeme – 5 1.2 Wasser – 8 1.2.1 Wasser als Lösungsmittel – 8 1.2.2 Wasser als Reaktionspartner – 10 1.2.3 Kolligative Eigenschaften von Lösungen – 10 1.2.4 Dissoziation von Wasser, pH-Wert – 12 1.2.5 Säuren und Basen – 14 1.2.6 Puffersysteme – 15 1.2.7 Die Säure-Basenkatalyse – 18 Literatur – 20

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1 Grundlagen der Lebensvorgänge Georg Löffler, Petro E. Petrides

1.1 Biomoleküle, Zellen und Organismen – 41.1.1 Elemente in lebenden Systemen – 41.1.2 Präbiotische Entstehung von Biomolekülen mit funktionellen Gruppen – 41.1.3 Organisationsstufen biologischer Systeme – 5

1.2 Wasser – 81.2.1 Wasser als Lösungsmittel – 81.2.2 Wasser als Reaktionspartner – 101.2.3 Kolligative Eigenschaften von Lösungen – 101.2.4 Dissoziation von Wasser, pH-Wert – 121.2.5 Säuren und Basen – 141.2.6 Puffersysteme – 151.2.7 Die Säure-Basenkatalyse – 18

Literatur – 20

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Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

>> Einleitung

Nur 25 chemische Elemente kommen in den verschiedenen Lebensformen und damit auch im menschlichen Körper vor. Man nimmt heute an, dass in der präbiotischen Phase der Erde, also vor etwa 4 Milliarden Jahren, organische Moleküle spontan entstanden sind, deren funktionelle Gruppen eine Assoziation zu Makromolekülen und übergeordneten Strukturen ermöglich-te, aus denen schließlich das Leben in seiner heutigen Form entstanden ist.

Die heutigen Lebensformen werden in die kernlosen Prokaryoten (Bakterien und Archaeen) sowie die kernhaltigen Eukaryo-ten eingeteilt, zu denen auch höhere Pflanzen und Tiere gehören.

Wasser ist vom quantitativen und qualitativen Gesichtspunkt aus für alle biochemischen Prozesse von außerordentlicher Bedeutung. Aufgrund seiner physikalisch-chemischen Eigenschaften nimmt Wasser an vielen zellulären Reaktionen teil und bestimmt nahezu alle biochemischen Prozesse.

größten Anteil an der Masse lebender Zellen hat der Kohlenstoff mit etwa 60%, gefolgt von Stickstoff und Sauer-stoff mit jeweils etwa 10%. Wasserstoff, Calcium, Phos-phor machen je 3–6% aus, während Kalium, Schwefel, Chlor, Natrium und Magnesium Anteile von etwa 1% und weniger haben.

Chemisch können die in biologischen Systemen vor-kommenden Elemente in Metalle und Nichtmetalle einge-teilt werden.

Metalle sind in Form ihrer Kationen4 Träger von Ladungen4 Stabilisatoren von Strukturen sowie4 Katalysatoren von verschiedener Reaktionen

Eine Einteilung der Metall-Ionen nach ihrer biologischen Funktion findet sich in . Tabelle 1.2.

! Die Nichtmetalle Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff und Stickstoff bilden bevorzugt untereinander chemi-sche Bindungen.

Diese vier Elemente haben ihre besondere Bedeutung deshalb erlangt, weil sie covalente chemische Bindungen ausbilden können. Diese Fähigkeit beruht darauf, dass sie Elektronen mit anderen Atomen teilen können, was die Möglichkeit zur Ausbildung stabiler großer Moleküle bietet.

1.1.2 Präbiotische Entstehung von Biomolekülen mit funktionellen Gruppen

Man nimmt an, dass in der präbiotischen Phase der Erde vor etwa vier Milliarden Jahren aus den damaligen Bestand-teilen der Atmosphäre unter dem Einfluss von ultraviolet-tem Licht und elektrischen Entladungen ein Satz einfacher organischer Verbindungen wie Ameisensäure, Milchsäu-re, Propionsäure, Essigsäure, Harnstoff und Aminosäu-ren entstanden sind. Diese Verbindungen weisen bereits funktionelle reaktive Gruppen auf.

1.1 Biomoleküle, Zellen und Organismen

1.1.1 Elemente in lebenden Systemen

Analysiert man die verschiedenen auf der Erde vorkom-menden Lebensformen, so finden sich in ihnen etwa 25 chemische Elemente (. Tabelle 1.1). Von diesen kommen allerdings 14 nur als Spurenelemente (7 Kap. 22) vor. Den

. Tabelle 1.1. 25 Elemente des Periodensystems bauen die ver-schiedenen Lebensformen auf. S Spurenelemente

Element Symbol Häufigkeit [%]

Kohlenstoff C 62

Stickstoff N 11

Sauerstoff O 9

Wasserstoff H 5,7

Calcium Ca 5

Phosphor P 3

Kalium K 1,3

Natrium Na 1

Schwefel S 1

Chlor Cl 1

Magnesium Mg 0,3

Bor B S

Fluor F S

Silicium Si S

Vanadium V S

Chrom Cr S

Mangan Mn S

Eisen Fe S

Kobalt Co S

Kupfer Cu S

Zink Zn S

Selen Se S

Molybdän Mo S

Zinn Sn S

Jod I S

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1.1 · Biomoleküle, Zellen und Organismen15

! Funktionelle Gruppen zeichnen sich chemisch durch polare Bindungen von Kohlenstoff- oder Wasserstoff-atomen mit Sauerstoff, Schwefel oder Stickstoff aus.

Sowohl die in der präbiotischen Phase entstandenen, wie auch viele der heute in biologischen Systemen vorkom-menden Verbindungen, enthalten funktionelle Gruppen (. Abb. 1.1), die dadurch zustande kommen, dass elektro-negative Atome wie Sauerstoff, Schwefel oder Stickstoff mit Kohlenstoff oder Wasserstoffatomen polare und damit reaktionsfähige Bindungen eingehen.

Von besonderer Bedeutung sind folgende funktionelle Gruppen:4 Carboxylgruppe. Die Elektronegativität der Sauerstoff-

atome bewirkt eine Polarisierung der OH-Gruppe, die deshalb ihr Proton leicht abgeben kann, wobei die ne-gativ geladene Carboxylatgruppe entsteht

4 Carbonyl- oder Ketogruppe. Durch die starke Elek-tronegativität werden die Elektronen zum Sauerstoff-atom gezogen und die Bindung stark polarisiert. Da-mit können auch benachbarte Gruppen polarisiert und reak tionsfähiger werden. So sind die im Stoff-wechsel vorkommenden -Ketocarbonsäuren Pyru-vat, α-Ketoglutarat und Oxalacetat besonders reak-tionsfähig. Carbonsäuren, bei denen die Ketogruppe in -Stellung steht, neigen zur spontanen Decarboxy-lierung

4 Hydroxylgruppe. Die Hydroxylgruppe enthält eine polare OH-Bindung, die wesentlich reaktionsfreudiger ist als eine C-H-Bindung, da sie wie Wasser Protonen aufnehmen oder abgeben kann

InfoboxChemische Evolution im LaborDer Student Stanley Miller füllte im Jahre 1953 im Labor von Harold Urey ein Gasgemisch aus Ammoniak (NH3), Methan (CH4), Wasserdampf, Wasserstoff (H2), Kohlendioxyd (CO2) und Blausäure (HCN) in einen Glaskolben und setzte dieses Gemisch bei 80°C mehr als eine Woche lang ständigen elektrischen Entla-dungen aus. Mit dieser Versuchsanordnung wollte er die Uratmosphäre unseres Planeten vor mehr als 4 Milliarden Jahren imitieren und ging dabei von der Annahme aus, dass zu dieser Zeit relativ hohe Temperaturen und permanente elektrische Entladun-gen in der Atmosphäre herrschten. Unter dieser Be-handlung entstanden Hunderte von organischen Verbindungen, z.B. 10 der natürlich vorkommenden Aminosäuren, Mono-, Di- und Tricarbonsäuren, Form-aldehyd, Adenin, Zucker und sogar Nucleotidpoly-mere.

In jüngerer Zeit hat Günter Wächtershäuser die Annahme vertreten, dass Biomoleküle möglicherweise bei noch höheren Temperaturen an Eisensulfid-Ober-flächen entstanden sind, die als Katalysatoren gewirkt haben. In Modellversuchen konnte jüngst die Synthese von Pyruvat aus Formiat in derartigen Systemen nach-gewiesen werden.

Insgesamt zeigen diese Experimente, dass die einfachen Bausteine lebender Systeme ohne weiteres abiotisch gebildet werden können.

1.1.3 Organisationsstufen biologischer Systeme

Die verschiedenen Organisationsstufen biologischer Syste-me sind in . Abb. 1.2 dargestellt.4 Organische Moleküle wie Aminosäuren, Glucose, an-

dere Zucker, Fettsäuren u.a. entstehen aus den nieder-molekularen Bausteinen

. Tabelle 1.2. Einteilung der Metallionen nach ihren biologischen Funktionen

Na+, K+ Mg2+, Ca2+ Zn2+ Fe-, Cu-, Ca-, Mo-Ionen

Funktion Träger von Ladungen Stabilisatoren von Strukturen; Infromationsüberträger

Katalysatoren Redoxkatalysatoren

Beweglichkeit Hoch Mittel Immobil Immobil

Bevorzugte Liganden atome Sauerstoff Sauerstoff Schwefel, Stickstoff Schwefel, Stickstoff

Komplexbildung Wenig stabil Durchschnittlich Sehr stabil Sehr stabil

. Abb. 1.1. Funktionelle Gruppen von Biomolekülen. R und R´ = Alkylreste

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Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

4 Makromoleküle entstehen durch Polymerisation der organischen Moleküle überwiegend durch Konden-sationsreaktionen unter Abspaltung von Wasser

4 Viele Makromoleküle verfügen über sehr spezifische Mechanismen der Selbstorganisation, sodass sich aus ihnen supramolekulare Assoziate wie Multienzym-komplexe, Ribosomen, Chromosomen und Mem bra-nen bilden

4 Aus ihnen entstehen schließlich die Zellen als die allge-meinen Bausteinen aller lebenden Systeme

! Zellen sind die morphologische Einheit aller Organismen.

Der Übergang von der präbiotischen zur biotischen Ära geschah vermutlich vor etwa 3,5 Milliarden Jahren. Ein ent-scheidender Vorgang hierbei war das Auftreten von Mem-branvesikeln, durch die ein intravesikulärer Reaktions-raum der Umgebung abgetrennt wurde. Dieser erlaubte die Konzentrierung der in ihm enthaltenen Verbindungen, er-möglichte deren Reaktivität und damit die Polymerisierung und erlaubt schließlich das Fernhalten unerwünschter Ver-bindungen.

Man nimmt an, dass im Verlauf der Evolution der Organismen aus einem Progenoten die Vielzahl der heute lebenden Organismen entstanden ist. Durch Ver-gleich von Makromolekülen, vor allen Dingen von ribo-somaler RNA, ist es möglich, einen Stammbaum der verschiedenen Lebensformen aufzustellen (. Abb. 1.3). Dieser Stammbaum hat drei Hauptäste, die Bakterien, die den Bakterien verwandten Archaeen sowie die Euka-ryoten.

. Abb. 1.2. Hierarchische Organisation biologischer Strukturen (Molekülmasse in Da)

InfoboxDie Reiche des LebensMit zunehmender Akzeptanz der Evolutionstheorie von Charles Darwin wurde immer klarer, dass sich die aus morphologischen Kriterien abgeleitete Verwandtschaft der Arten auch molekular nachweisen lassen müsste. Carl Woese ging von dem Gedanken aus, dass sich hierfür am ehesten Makromoleküle mit essentieller Funktion für alle Lebensformen eignen und schlug deswegen die ribosomale RNA hierfür vor. Mit einer auf dieser Idee basierenden Methodik wurde der in der . Abb. 1.3 dargestellte Stammbaum der verschiede-nen Lebensformen von Karl Otto Stetter und Hans Huber zusammengestellt. Offensichtlich stammen alle Lebensformen von einem gemeinsamen Vorläufer ab. Die erste Verzweigung des Stammbaums trennt Bakte-rien von Archaeen, von diesen haben sich dann die Eukaryoten abgetrennt, deren Evolution schließlich zu vielzelligen Pflanzen und Tieren mit verschiedenen Organen führte. Thermophile Organismen, deren Wachstumsoptimum bei 80°C und darüber liegt, finden sich in der Nähe der ersten Verzweigung. Möglicher-weise ist dies ein Hinweis dafür, dass die frühesten Organismen an ein wesentlich heißeres Klima adaptiert waren.

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1.1 · Biomoleküle, Zellen und Organismen17

Bakterien und Archaeen gehören zu den sog. prokaryo-ten Organismen. Diese sind Einzeller mit einer relativ einfachen Struktur, deren DNA nicht in einem Zellkern kondensiert ist, sondern als ringförmiges Chromosom im Cytosol vorliegt. Auch andere subzelluläre Organellen sind nicht oder nur ansatzweise bei Prokaryoten nachzu-weisen.

Eukaryote Zellen sind im Gegensatz zu den prokaryo-ten Zellen wesentlich größer und enthalten intrazelluläre Organellen wie den Zellkern, Mitochondrien, endoplasma-

tisches Retikulum und Golgi-Apparat sowie bei photosyn-the tischen Zellen die Chloroplasten (7 Kap. 4.1.1). Zu den Eukaryoten gehören zahlreiche Einzeller, Flagellaten und Ciliaten, Hefen, Schleimpilze aber auch die höheren Pflan-zen und Tiere.

. Abb. 1.3. Von rRNA-Analysen abgeleiteter Stammbaum der Lebensformen der Erde. Von einem wenig definierten gemeinsamen Vorfahren zweigen zunächst die Bakterien, danach Archaeen und Eukaryoten ab. Thermophile Organismen (rot) gehören zu den frühes-

ten Lebensformen, was Rückschlüsse auf die frühen Lebensbedingun-gen ermöglicht. (Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von K.O. Stetter und LH. Huber, Regensburg)

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Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

1.2 Wasser

Ohne Wasser sind die bekannten Lebensformen nicht vor-stellbar. Die Bedeutung des Wassers für das Leben beruht auf einer Reihe von sehr spezifischen Eigenschaften dieses Moleküls.

1.2.1 Wasser als Lösungsmittel

! Wasser ist keine typische Flüssigkeit.

Im Vergleich zu anderen Dihydriden wie H2S oder H2Se weist Wasser eine höhere Schmelz- und Siedetemperatur auf, was ihm eine Reihe besonderer physikalisch-chemi-scher Eigenschaften verleiht:

Polarität. Wasser ist ein polares Molekül (. Abb. 1.4). Der O-H-Abstand beträgt 0,958 Å, der Winkel zwischen den beiden OH-Bindungen beträgt 104,5°. Im Wassermolekül trägt das Sauerstoffatom eine negative, die beiden Wasser-stoffatome je eine positive Partialladung. Das Wassermole-kül ist also ein Dipol, was für biologische Systeme von be-sonderer Bedeutung ist.

Aufgrund ihrer Polarität orientieren sich benachbarte Wassermoleküle so, dass die H-Atome mit der positiven Partialladung sich zu den benachbarten O-Atomen mit der negativen Partialladung orientieren. Daraus ergeben sich geordnete Strukturen, die z.B. bei der Kristallstruktur von Eis besonders augenfällig sind. Diese Bindungen heißen Wasserstoffbrückenbindungen.

Wärmekapazität. Wasser besitzt mit 1 cal (4,186 J)/Grad Gramm nach Ammoniak die höchste spezifische Wärme oder Wärmekapazität. Damit kann Wasser eine relativ große Wärmemenge zugeführt oder entzogen wer-den, ohne dass sich seine Temperatur wesentlich ändert. Für den menschlichen Organismus ist diese hohe Wärme-kapazität deshalb wichtig, weil im Stoffwechsel ständig Wärme erzeugt wird, die zur Konstanthaltung der Körper-temperatur von Wasser aufgenommen wird und schließlich abgeführt werden muss.

Verdunstungswärme. Durch eine zweite thermische Ei-genschaft, die hohe Verdunstungswärme, kann durch Verdunstung von Wasser Wärme abgeben werden, was z.B. besonders bei Muskelarbeit von Bedeutung ist.

! Wegen der Polarität von Wasser sind Ionen in Lösungen von einer Hydrathülle umgeben und können sich unab-hängig voneinander bewegen.

Hydrathüllen. Ionenkristallgitter lösen sich wegen ihrer Po-larität gut in Wasser. Dabei orientieren sich die geladenen Dipole der umgebenden Wassermoleküle entsprechend der Ladung der jeweiligen Ionen und bilden auf diese Weise Hydrathüllen. Dadurch können sich die geladenen Teil chen unabhängig voneinander bewegen, was eine der Voraussetzungen für die durch Natrium- und Kaliumionen vermittelte Erregungsleitung entlang biologischer Mem b-ranen ist.

Hydratationsradius. Für biologische Eigenschaften eines Ions wie Diffusionsgeschwindigkeit oder Permeations-vermögen ist der Hydratationsradius entscheidend. Wäh-rend der Atomradius von Kalium (0,133 nm) größer ist als der von Natrium (0,098 nm), sind Größenverhältnisse der Hydratationsradien der beiden Ionen (0,17 nm für Kalium und 0,24 nm für Natrium) genau umgekehrt. Deshalb kön-nen Kaliumionen die meisten biologischen Membranen besser permeieren als Natriumionen.

Die Lebensformen lassen sich aufgrund von Verwandt-schaftsuntersuchungen in die drei Reiche Bakterien, Ar-chaeen und Eukaryote einteilen. Nur bei den Eukaryoten ist die DNA als informationstragendes Molekül im Zell-kern lokalisiert, außerdem verfügen eukaryote Zellen über eine größere Zahl zellulärer Organellen, die ihnen die Kom-partimentierung von Lebensvorgängen ermöglichen. Eukaryote haben schließlich als Einzige die Fähigkeit, viel-zellige Organismen mit unterschiedlich differenzierten Zellen zu bilden.

In Kürze

25 chemische Elemente sind für den Aufbau lebender Strukturen notwendig. Neben den v. a. als Ladungsträger dienenden Metallen Natrium, Kalium, Calcium und Mag-nesium sind zum Aufbau lebender Strukturen Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel notwendig. Diese bilden einfache organische Moleküle, aus denen durch Kondensationsreaktionen Makromole-küle wie Nucleinsäuren, Proteine, Polysaccharide und Lipide hervorgehen. Diese aggregieren zu übergeordne-ten Strukturen, welche die Bauteile von Zellen als den allen Lebensformen zugrunde liegenden Grundeinheiten bilden.

. Abb. 1.4. Atomare Struktur des Wassermoleküls. –, + = negative bzw. positive Partialladung

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! Wasserstoffbrückenbindungen verschaffen als Bindun-gen mit geringer Energie Makromolekülen Flexibilität ihrer räumlichen Anordnung.

Allgemeiner formuliert handelt es sich bei Wasserstoff-brückenbindungen um Bindungen besonderer Art. Sie wirken zwischen einem Wasserstoffatom, das an ein stark elektronegatives Atom (in biologischen Systemen fast im-mer Stickstoff oder Sauerstoff) covalent gebunden ist und dadurch positiv polarisiert wird, und einem weiteren elektronegativen Atom mit einem freien Elektronenpaar (. Abb. 1.5). Je nachdem ob das Wasserstoffatom und das andere elektronegative Atom zum gleichen oder zu ver-schiedenen Molekülen gehören, wird zwischen intra- und intermolekularen H-Brücken unterschieden.

Außer im Wasser kommen diese Bindungen in Protei-nen und Nucleinsäuren vor, weil sie viele polarisierte Grup-pen wie –OH, >NH, >C=O und =O enthalten, die derartige Brücken leicht ausbilden.

Zur Spaltung einer Wasserstoffbrückenbindung müs-sen etwa 21–42 kJ/mol (5–10 kcal/mol) aufgewendet wer-den. Im Vergleich dazu ist die Bindungsenergie einer cova-lenten Einfachbindung mit 210–420 kJ/mol (50–100 kcal/mol) um eine Zehnerpotenz höher. Gerade ihre niedrige Bindungsenergie befähigt die Wasserstoffbrücken, in biolo-gischen Systemen Funktionen zu übernehmen, die von den viel stärkeren covalenten Bindungen nicht wahrgenommen werden können.

In Proteinen und Nucleinsäuren stabilisieren Wasser-stoffbrückenbindungen die räumliche Anordnung dieser Makromoleküle. Diese Stabilisierung durch leicht lösbare Wasserstoffbrückenbindungen verschafft den Molekülen eine relativ große Flexibilität ihrer räumlichen Konforma-tion, was eine Grundvoraussetzung für die Ausübung ihrer Funktionen darstellt.

! Hydrophobe Wechselwirkungen entstehen durch Un-verträglichkeit hydrophiler und hydrophober Gruppen.

Ionen und Moleküle mit polaren Gruppen lösen sich gut in Wasser, da sie aufgrund ihrer Polarität Wasser-stoffbrückenbindungen mit Wasser ausbilden können. Sie werden deshalb als hydrophil (wasserliebend) be -zeichnet.

Im Gegensatz dazu sind Moleküle, die nur aus Kohlen-stoff und Wasserstoff bestehen (Kohlenwasserstoffe) we-

gen der Unpolarität der C-H-Bindung nicht oder nur in begrenztem Umfang mit Wasser mischbar. Sie werden daher als hydrophob (wasserfeindlich) oder lipophil (fett-liebend) bezeichnet.

Soll ein hydrophobes Teilchen in der von den polaren Wassermolekülen gebildeten dreidimensionalen Netz-struktur untergebracht werden (. Abb. 1.6), müssen Was-serstoffbrückenbindungen, über die Wassermoleküle mit ihrer Umgebung verbunden sind, unter Energieverbrauch gelöst werden. Wenn das hydrophobe Teilchen den Platz besetzt hat, kann sich das Netz an dieser Stelle nicht wieder schließen. Werden nun zwei hydrophobe Teilchen in eine wässrige Lösung gebracht, so treten sie in einer gemeinsa-men Flüssigkeitslücke zusammen. Weil dadurch weniger Wasserstoffbrücken gelöst werden müssen, wird also auch weniger Energie aufgewendet. Damit ist die Anordnung der beiden Teilchen in einer gemeinsamen Wasserlücke energe-tisch günstiger und stabiler als die getrennte Verteilung in der Lösung.

Bei den Wechselwirkungen zwischen hydrophoben Teilchen, die die Zusammenlagerung dieser Gruppen im wässrigen Milieu hervorruft, handelt es sich also nicht um eine chemische Bindung im üblichen Sinn, sondern um ein Phänomen, das sich anschaulich auf die Unverträglichkeit hydrophiler und hydrophober Gruppen zurückführen lässt.

Hydrophobe Wechselwirkungen spielen bei der Selbst-organisation biologischer Strukturen eine Rolle:4 Ausbildung der dreidimensionalen Proteinstruktur.

Während die Sekundärstrukturelemente in Proteinen im Wesentlichen durch Wasserstoffbrückenbindungen fixiert werden, sind für die Ausbildung der Tertiär-

. Abb. 1.5. Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Carboxylgruppen von 2 Carbonsäuren. In Klammern (+ und –) sind die ungleichen Ladungsverteilungen (Polarisierung) angegeben, die die elektrostatischen Wechselwirkungen (= Wasser-stoffbrückenbindungen, die in dieser und allen folgenden Abbildun-gen durch senkrechte blaue Striche dargestellt sind) verursacht

. Abb. 1.6. Vereinfachtes Modell zur Erläuterung der hydro-phoben Wechselwirkungen in wässrigen Lösungen. Das in Wirk-lichkeit ungeordnete räumliche Netzwerk der Wasserstoffbrücken in der Lösung ist zu einer regelmäßigen flächigen Anordnung (blauePunkte) vereinfacht, die jeweils durch vier Wasserstoffbrücken ver-knüpft sind. Hydrophobe Teilchen (orange Kugeln) in der Lösung, die keine Wasserstoffbrücken mit den Wassermolekülen ausbilden kön-nen, haben die Neigung, sich zusammenzulagern, da so weniger Wasserstoffbrücken gelöst werden müssen

1.2 · Wasser

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Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

struktur von Proteinen hydrophobe Wechselwirkungen von großer Bedeutung (7 Kap. 3.3.3)

4 Selbstorganisation von Makromolekülen. Auch bei der Selbstorganisation von Makromolekülen zu überge-ordneten Komplexen wie der Quartärstruktur von Pro-teinen, der Assoziation von Multienzymkomplexen, Virusmantelproteinen, Ribosomen und biologischen Membranen spielen hydrophobe Wechselwirkungen eine große Rolle (7 Kap. 3.3.4)

Da Zellmembranen einen hohen Lipidanteil besitzen, der eine durchgehende nichtwässrige Phase darstellt, können sie von lipophilen Stoffen leicht passiert werden. Deshalb gelangen diese Stoffe i. Allg. schnell durch die Zellen des Magen-Darm-Trakts ins Blut und werden von dort rasch in das Innere der Gewebezellen aufgenommen. Daher werden auch manche Arzneimittel bei der Herstellung mit einer zusätzlichen Methyl (CH3)- oder Ethyl(CH3-CH2)-Gruppe zur Verbesserung ihrer Lipidlöslichkeit und damit Erhö-hung der Resorptionsgeschwindigkeit versehen.

Im Zellstoffwechsel kommt eine Vielzahl von Reaktio-nen vor, durch die Moleküle wasser- oder fettlöslich(er) gemacht werden können. Verbindungen, die aus dem Or-ganismus ausgeschieden werden sollen, werden v.a. in der Leber durch Einführung polarer Hydroxyl- oder Sulfat-gruppen wasserlöslicher gemacht, wodurch die renale bzw. biliäre Ausscheidungsrate erhöht wird.

1.2.2 Wasser als Reaktionspartner

Wasser ist ein wichtiger Partner vieler biochemischer Reak-tionen, weil es wegen seiner Dipolnatur eine hohe Polarität aufweist und in einer Konzentration von 55,5 mol/l vorliegt (Molekülmasse von H2O = 18 Da, Konzentration 1000 g/l, molare Konzentration 1000/18 = 55,5 mol/l).

Aufgrund seiner physikalischen und chemischen Ei-genschaften nimmt Wasser an einer großen Zahl biochemi-scher Reaktionen teil. Von besonderer Bedeutung sind:4 Hydrolyse- und Kondensationsreaktionen sowie4 Hydratisierungsreaktionen

Hydrolyse und Kondensation. Die meisten Nahrungsstoffe, die von tierischen Organismen aufgenommen werden, sind

Biopolymere, die sich aus monomeren Bauteilen zusam-mensetzen. Das Gleiche gilt für die große Zahl von Makro-molekülen, welche die Bestandteile von Zellen ausmachen. Am Anfang jeden Abbaus dieser Verbindungen steht im-mer die hydrolytische Spaltung der Bindungen, mit denen die einzelnen Untereinheiten verknüpft sind (. Abb. 1.7). Solche Bindungen sind i. Allg. Ester- oder glycosidische Bindungen oder Säureamidbindungen. Es ist verständ-lich, dass es eine außerordentlich große Zahl mehr oder weniger spezifischer Enzyme gibt, die derartige Bindungen in Makromolekülen zu spalten imstande sind.

Formal beruht die Biosynthese der genannten Makro-moleküle auf dem umgekehrten Vorgang, nämlich einer Kondensation monomerer Bauteile unter Wasserabspal-tung. Da ganz überwiegend das Gleichgewicht dieser Reak-tionen auf der Seite der Hydrolyse liegt, benützen lebende Systeme für Kondensationsreaktionen aktivierte Verbin-dungen.

Hydratisierung von Doppelbindungen. Diese Reaktion spielt im Zellstoffwechsel eine bedeutende Rolle. Grundlage ist, dass sich Doppelbindungen zwischen zwei Kohlenstoff-atomen leicht polarisieren lassen und andere Atome sich deshalb anlagern können. In der in . Abb. 1.8 dargestellten Reaktionsfolge wird zunächst eine C-C-Einfachbindung zu einer Doppelbindung dehydriert. An diese wird anschlie-ßend Wasser angelagert und im nächsten Teilschritt die ent-standene Hydroxyverbindung ein zweites mal dehydriert, sodass jetzt eine Ketogruppe entstanden ist. Derartige Reak-tionen spielen eine Rolle bei der -Oxidation der Fettsäuren (7 Kap. 12.2.1) sowie im Citratzyklus (7 Kap. 14).

1.2.3 Kolligative Eigenschaften von Lösungen

Als kolligative Eigenschaften einer verdünnten Lösung werden alle Eigenschaften bezeichnet, die nur von der An-zahl, nicht aber von der Art der gelösten Teilchen bestimmt werden. Dazu gehören im Einzelnen:4 der osmotische Druck einer Lösung4 die Erniedrigung ihres Gefrierpunkts und ihres Dampf-

drucks sowie4 die Erhöhung des Siedepunkts

. Abb. 1.7. Hydrolytische Spaltung von Estern, glycosidischen Bindungen und Säureamiden. Man beachte, dass die Rück reaktion als Kondensationsreaktion zur Ausbildung von Oligomeren führt

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! Lösungsmitteldiffusion durch selektiv permeable Mem-branen wird als Osmose bezeichnet.

Für den Austausch von Wasser zwischen dem Zellinneren und dem extrazellulären Raum sind osmotische Kräfte von großer Bedeutung, da die meisten Zellmembranen für Was-ser frei permeabel sind. Diese Tatsache führt zur Entste-hung des osmotischen Druckes. Dieser entsteht immer dann, wenn 2 Lösungsmittelräume mit unterschiedlicher Teilchenkonzentration durch eine nur für das Lösungsmit-tel (i. Allg. Wasser) permeable Membran getrennt sind. Die dabei ablaufenden Vorgänge sind schematisch in . Abb. 1.9 dargestellt.

Befinden sich zwei Lösungen mit unterschiedlicher Teilchenkonzentration in zwei durch eine semipermeable Membran getrennten Kammern, so strömt Wasser von der Kammer mit der niedrigen Teilchenkonzentration in die mit der höheren. Der Grund hierfür ist, dass ein Ausgleich der unterschiedlichen Wasserkonzentrationen in den bei-den Kammern gesucht wird. Der Volumenanstieg in der Kammer mit der ursprünglich höheren Teilchenkonzentra-tion kann aber durch einen entsprechenden hydrostati-schen Druck verhindert werden, der den Durchtritt der Lösungsmittelmoleküle unterbindet. Dieser Druck wird auch als osmotischer Druck bezeichnet.

In dem in . Abb. 1.9 dargestellten Beispiel führen die osmotischen Kräfte zu identischen Teilchenkonzen-trationen in beiden Kammern, d.h. zu einem vollständi-gen Konzentrationsausgleich. Dies ist unter physiologi-schen Bedingungen auch mit wenigen Ausnahmen der Fall. Sind die Konzentrationsunterschiede jedoch sehr groß (beispielsweise nur Wasser in der einen, konzen-trierte Salzlösung in der anderen Kammer), so verhin-dert der durch die Volumenerhöhung alleine entstehende hydrostatische Druck den vollständigen Konzentrations-ausgleich des Wassers. Man sollte auch beachten, dass eine Lösung als solche keinen osmotischen Druck be-sitzt, ganz gleich, ob sie eine hohe oder niedrige Teilchen-konzentration aufweist. Osmotische Kräfte werden erst dann wirksam, wenn man die Lösung mit einer zweiten Lösung mit anderer Teilchenkonzentration in Kontakt

. Abb. 1.8. Reversible Anlagerung von Wasser an eine Kohlen-stoffdoppelbindung. Eine C–C-Bindung wird zunächst zur Doppel-

bindung dehydriert. An diese kann Wasser angelagert werden, was eine nochmalige Dehydrierung erlaubt

. Abb. 1.9. Vorgänge bei der Osmose. Zwei durch eine semiperme-able (nur für Wasser durchgängige) Membran getrennte Kammern enthalten jeweils Teilchenlösungen unterschiedlicher Konzentration (im Beispiel 10 bzw. 20 Teilchen/120 Volumeneinheiten). Um die Wasserkonzentration in den beiden Kammern auszugleichen, strömt Wasser so lange aus der Kammer mit der niedrigen Teilchenkonzentra-tion in die mit der hohen, bis sich die Teilchenkonzentrationen und damit die Wasserkonzentrationen in beiden Kammern angeglichen haben (im Beispiel je 10 Teilchen/80 Volumeneinheiten). (Weitere Einzelheiten 7 Text)

1.2 · Wasser

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Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

bringt, von der sie durch eine semipermeable Membran getrennt ist.

Die Grundlagen für die Berechnung des osmotischen Drucks wurden Ende des vergangenen Jahrhunderts von dem holländischen Physikochemiker Jacobus Henricus van’t Hoff (1852–1911) erarbeitet. Bei seinen Untersuchun-gen fand er, dass der osmotische Druck mit der Temperatur ansteigt und bei konstanter Temperatur mit der Teilchen-konzentration zunimmt. Daraus schloss er, dass sich die gelösten Teilchen in idealen hochverdünnten Lösungen wie ideale Gase verhalten. In Analogie zur allgemeinen Gasgleichung

pV nRTn Anzahl der Mole R GaskonstanteT Grad Kelvin

== ==

, ,

stellte er für den osmotischen Druck idealer Lösungen folgende Zustandsgleichung auf:

πV nRT=

oder

π = =nVRT cRT

n/V = c (molare Konzentration aller gelösten Teilchen)Das Einsetzen der entsprechenden Werte ergibt, dass

eine Lösung der Konzentration 1 mol/l bei 0°C einen os-motischen Druck von 22 bar aufweist.

! Osmotische Kräfte entstehen bei Wasserbewegungen zwischen Intra- und Extrazellulärraum.

Zelluläre Membranen sind für die meisten polaren Verbin-dungen, nicht jedoch für Wasser impermeabel. Einige spe-zialisierte Zellen wie Nierenepithelien und Erythro zyten besitzen zusätzlich Proteinporen, die als Wasser kanäle dienen. Mit diesen Aquaporinen wird der Wassertrans-port durch die Zellmembran erleichtert und regulierbar (7 Kap. 6.1.4, 28.1.4).

An der Grenze zwischen Extrazellulär- und Intrazellu-lärraum, den Zellmembranen, bestehen also unterschied-liche Permeabilitäten für gelöste Stoffe und das Lösungs-mittel Wasser sowie unterschiedliche Konzentrationen der gelösten Stoffe, sodass eine Osmose eintreten kann. In den meisten Geweben halten allerdings eine Reihe von Mecha-nismen die Teilchenkonzentrationen im Extra- und Intra-zellulärraum gleich, sodass osmotische Kräfte nicht auftre-ten. Diese sind jedoch wichtig für die Regulation der Flüs-sigkeitsausscheidung durch die Nieren (7 Kap. 28.1.4) sowie unter pathologischen Bedingungen (z.B. hyperosmolares diabetisches Koma).

! Das osmotische Verhalten einer Lösung gegenüber reinem Wasser kann über die Gefrierpunktserniedri-gung bestimmt werden.

Der Gefrierpunkt von reinem Wasser liegt bei 0 °C. Löst man in 1 kg Wasser 1 mol einer Substanz wird der Gefrier-punkt um 1,86 °C erniedrigt. Diese Lösung wird als 1 os-molal bezeichnet, d.h. sie enthält 1 mol (6,023 1023 Mo-leküle) einer nicht dissoziierenden Substanz in 1 kg Lösungsmittel. Wird dagegen 1 mol Substanz in 1 l Lö-sungsmittel gelöst, so ist die Lösung 1 osmolar. Bei kolliga-tiven Effekten wie der Gefrierpunktserniedrigung oder dem osmotischen Druck ist entscheidend, ob die gelöste Substanz dissoziiert oder nicht. Eine 1 molare Lösung von Glucose oder einer anderen nicht dissoziierenden Verbin-dung enthält 6,023 1023 Moleküle. Diese Lösung ist 1 os-molar. 1 mol NaCl besteht zwar ebenfalls aus 6,023 1023 NaCl-Einheiten, die Lösung ist aber 2 osmolar, da NaCl in wässriger Lösung in 2 Ionen, Na+ und Cl-, dissoziiert. Man muss deshalb bei der Ermittlung der Osmolalität einer Lö-sung eine etwaige Dissoziation der gelösten Substanz be-rücksichtigen.

Aus apparativen Gründen hat es sich eingebürgert, statt der Osmolarität einer Lösung deren Gefrierpunktsernied-rigung zu bestimmen. Einige für Werte der menschlichen Körperflüssigkeiten sind in . Tabelle 1.3 zusammenge-stellt.

1.2.4 Dissoziation von Wasser, pH-Wert

Die chemischen und die physikalischen Eigenschaften von Wasser sowie die Tatsache, dass es, wenn auch in geringem Umfang, in seine Ionen zerfällt, beeinflussen das chemische Verhalten einer großen Zahl anderer Moleküle. In diesem Zusammenhang sind besonders wichtig:4 der pH-Wert4 die Säure/Baseneigenschaften sowie4 die Puffersysteme

! Wasser dissoziiert in Protonen und Hydroxylionen.

Aus Messungen der elektrischen Leitfähigkeit von Wasser muss geschlossen werden, dass auch in reinstem Wasser geringe Mengen freier Ionen als Ladungsträger enthalten sein müssen. Sie entstehen durch folgende Reaktion:

H O OH H2 � − ++

. Tabelle 1.3. Osmolalität und Gefrierpunktserniedrigung ver-schiedener Körperflüssigkeiten

Erniedrigung des Gefrierpunkts (GPE) von 0 °C auf

Osmolalität

Normales Blutserum

–0,558 300 mosm/kg H2O

Verdünnter Urin –0,372 200 mosm/kg H2O

Konzentrierter Urin

–2,600 1400 mosm/kg H2O

Page 11: 1 - Grundlagen der Lebensvorgänge

113

In wässriger Lösung assoziiert das entstandene Proton so-fort mit einem weiteren Molekül H2O nach

H O H H O2 3+ + +�

Zur Vereinfachung wird dieser Teil der Reaktion meist weg-gelassen.

Die Gleichgewichtskonstante K dieser Reaktion ist temperaturabhängig und beträgt bei 25 °C 1,8 10–16. Die Reaktionsgleichung kann umgewandelt werden zu

oder

H OH K H O+ −⎡⎣ ⎤⎦ × ⎡⎣ ⎤⎦ = × [ ]2

Da die Konzentration der Wassermoleküle in verdünnten Lösungen mit 55,5 mol/l konstant ist, kann sie in die Gleichgewichtskonstante einbezogen werden.

H OH KW+ − − −⎡⎣ ⎤⎦ × ⎡⎣ ⎤⎦ = × × = =1 8 10 55 5 1016 14 2, ,

Die dadurch entstandene neue Konstante wird als das Io-nenprodukt von Wasser bezeichnet. Aus dem Wert der Konstante von 10–14 folgt, dass die Konzentrationen von H+ und OH– in reinem Wasser und auch verdünnten wässrigen Lösungen neutraler Substanzen je 10–7 mol/l betragen. Es folgt weiterhin, dass bei einem Anstieg der Protonenkon-zentration (in sauren Lösungen) die Hydroxylionenkon-zentration abfallen und umgekehrt beim Abfall der Proto-nenkonzentration (in basischen Lösungen) die Hydroxyl-ionenkonzentration zunehmen muss.

Zur Charakterisierung einer verdünnten wässrigen Lö-sung genügt daher die Angabe einer der beiden Konzentra-tionen. Man hat sich auf die der Protonen geeinigt und verwendet nach einem Vorschlag von Soeren Soerensen den negativen dekadischen Logarithmus der mit c0 = 1mol/l normierten Protonenkonzentration:

pH H= − ⎡⎣ ⎤⎦+log

Bei einer Protonenkonzentration von 10–7 mol/l ist dem-nach der pH gleich 7, die Lösung ist neutral.

Steigt die Konzentration auf 10–6 mol/l, so wird der pH 6 und die Lösung sauer,

fällt die Konzentration auf 10–8 mol/l, so wird der pH 8 und die Lösung alkalisch.

Am Neutralpunkt des Wassers beträgt die Konzen-tration der Wassermoleküle 55,5 mol/l und die Konzen-tration der Hydroxylionen und Protonen je 100 nmol/l (10–7 mol/l), d.h. es kommen je 1 H+-Ion und 1 OH–-Ion auf 555 Millionen Wassermoleküle.

In . Abb. 1.10 sind die pH-Werte einiger bekannter Flüssigkeiten zusammengestellt. Auch in biologischen Sys-temen wird ein weiter Bereich von pH-Werten umspannt. Während der pH-Wert des Blutplasmas bei 7,4 liegt, er-streckt sich derjenige des Pankreassaftes ins Alkalische, wohingegen Magensaft pH-Werte unter 2 erreichen kann. Dabei ist immer zu beachten, dass es sich bei der pH-Skala um eine logarithmische Skala handelt und die Protonen-konzentrationen beim Magensaft etwa 10–2 mol/l, beim

. Abb. 1.10. pH-Werte allgemein bekannter Flüssigkeiten

1 Die Konstante kann hier als dimensionslose Zahl angegeben wer-den, wenn man sich auf folgende Definition einigt: Symbol [X] bedeutet in normierter Konzentration

[X] = c(X)/c0 mit c0 = 1 mol/l

Dieser Wert ist für die Normierungs- (bzw. Bezugs-)Konzentration ist allgemein verbindlich und liegt allen in Tabellenwerken angegebe-nen K-Werten zugrunde.

2 Genauer ist KW wie alle Gleichgewichtskonstanten eine Funktion der Temperatur. Der angegebene Wert gilt bei 25°C, während bei 37°C der Wert 2,5 x 10–14 beträgt.

1.2 · Wasser

1

2

Page 12: 1 - Grundlagen der Lebensvorgänge

14

1

Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

Pankreassaft dagegen 10–8 mol/l betragen und damit um sechs Größenordnungen niedriger liegen.

! Der pH-Wert des Intra- und Extrazellulärraumes wird genau reguliert.

Bei 37 °C beträgt der pH-Wert der Extrazellulärflüssigkeit 7,4. Damit ist die Protonenkonzentration im Vergleich zu anderen Kationen des Blutplasmas, deren Konzentration im millimolaren Bereich liegt, äußerst gering. Zu diagnos-tischen Zwecken wird der pH-Wert – zusammen mit den Blutgasen (O2, CO2) – im arteriellen Blut bestimmt.

Der pH-Wert im Intrazellulärraum ist im Gegensatz zu dem im Extrazellulärraum nicht leicht messbar, obwohl ihm wahrscheinlich die größere Bedeutung zukommt, da er das wichtigere Kompartiment darstellt und in ihm die we-sentlichen Stoffwechselreaktionen ablaufen. Mit Hilfe der Magnetresonanzspektroskopie (NMR) konnte jedoch in-zwischen nachgewiesen werden, dass im Zellinneren im Vergleich zur extrazellulären Flüssigkeit ein niedriger pH, d.h. eine höhere Wasserstoffionenkonzentration vorliegt. So herrscht z.B. in der Muskulatur ein pH-Wert von 6,6. Eine Ausnahme macht die Tubuluszelle der Niere mit ei-nem pH von 7,32 – wahrscheinlich deshalb, weil diese Zel-len Protonen sezernieren.

Die Wasserstoffionenkonzentrationen im Extrazel lu-lärraum und im Intrazellulärraum unterliegen einer ge-nauen Regulation, da Änderungen der Protonenkonzentra-tion all diejenigen Vorgänge beeinflussen, die auf elektro-statischen Wechselwirkungen basieren (7 Kap. 3.3.3). Durch Änderung der Protonenkonzentration kann die Protonen-anlagerung bzw. Protonenabspaltung und damit der La-dungscharakter eines Moleküls wesentlich beeinflusst wer-den. Von großer Bedeutung ist dies bei den Enzymen, deren Wechselwirkung mit ihrem Substrat von elektrostatischen Kräften bestimmt wird (7 Kap. 4.3). Darüber hinaus wirken Säuren und Basen als Katalysatoren (7 Kap. 1.2.7), sodass eine Erhöhung ihrer Konzentration bei der Zelle uner-wünschte Reaktionen verursachen kann.

1.2.5 Säuren und Basen

Protonen und Hydroxylionen als die Dissoziationsproduk-te des Wassers sind für die Biochemie von größter Be-deutung, u.a. da die meisten Biomoleküle über chemische Gruppen verfügen, die Protonen oder Hydroxylionen anla-gern oder abgeben können. Dadurch wird nicht nur der pH-Wert verändert, sondern auch viele Eigenschaften der betreffenden Biomoleküle selbst.

! Säuren spalten Protonen ab, Basen lagern Protonen an.

Für die Definition von Säuren und Basen existiert eine Reihe von Konzepten, von denen das des dänischen Phy-sikochemikers Johann N. Broensted (1879–1947) für viele Zwecke geeignet ist:

4 Säuren sind Protonendonatoren, d.h. sie spalten Pro-tonen in Anwesenheit eines Protonenakzeptors ab

4 Basen sind Protonenakzeptoren, d.h. sie lagern Pro-tonen in Anwesenheit eines Protonendonators an

In wässrigen Lösungen ist der allgemeine Protonenakzep-tor das Wasser, sodass eine typische Säure-Basenreaktion folgendermaßen geschrieben werden kann:

AH H O A H O+ +− +2 3�

Sehr häufig (und auch in diesem Buch) werden Gleichun-gen dieser Art unter Weglassen des Wassers geschrieben:

AH A H� − ++

Die bei der Protonenabgabe oder Dissoziation einer Säure (Protolyse) entstehende Verbindung wird als (die zur Säu-re) konjugierte Base bezeichnet.

Säure Konjugierte BaseHCl + H2O Cl– + H3O+

NH4 + H2O NH3 + H3O+

H2CO3 + H2O HCO3– + H3O+

HCO3– + H2O CO3

2- + H3O+

H3PO4 + H2O H2PO4– + H3O+

H2PO4– + H2O HPO4

2- + H3O+

Säuren, die wie Kohlensäure und Phosphorsäure mehrere Protonen abgeben können, spalten diese stufenweise ab. Ihre konjugierten Basen (die Anionen HCO3

– und H2PO4–)

können nochmals Protonen abgeben, wirken also einer Base gegenüber als Säure. Von einer Säure können sie jedoch auch Protonen übernehmen und wirken diesen gegenüber somit als Basen. Derartige Verbindungen, zu denen auch Wasser zählt, werden als Ampholyte be-zeichnet.

! Die Stärke einer Säure wird durch die Dissoziations-konstante bestimmt.

Ob das Gleichgewicht einer Protonenübertragung mehr auf der Seite der Ausgangssubstanzen oder mehr auf der Seite der Reaktionsprodukte liegt, wird dadurch bestimmt, wie leicht die protonenspendende Säure H+-Ionen abgibt bzw. die protonenaufnehmende Base H+-Ionen aufnimmt, mit anderen Worten von der Stärke der Säure bzw. Base. Eine starke Säure ist definiert als eine, die vollständig oder nahe-zu vollständig dissoziiert ist. Eine Säure die nur teilweise dissoziiert, wird als schwach (Essigsäure, Kohlensäure) be-zeichnet. Diese Angaben beziehen sich auf Wasser als bio-logisches Lösungsmittel. Dies ist entscheidend, da z.B. Salz-säure in Benzol praktisch nicht, in Wasser dagegen vollstän-dig dissoziiert und damit als starke Säure gilt.

Eine quantitative Bestimmung der Säure- bzw. Basen-stärken kann durch die Bestimmung der Gleichgewichts-

Page 13: 1 - Grundlagen der Lebensvorgänge

115

konstante oder Dissoziationskonstante erfolgen. Für die obige Reaktion

AH H O A H O+ +− +2 3�

gilt nach dem Massenwirkungsgesetz:

KH O AAH H O

∗+ −

=⎡⎣ ⎤⎦ × ⎡⎣ ⎤⎦[ ]× [ ]

3

2

Wenn also unter Gleichgewichtsbedingungen die Konzen-trationen der Reaktionsteilnehmer bekannt sind, kann dar-aus die Gleichgewichtskonstante errechnet werden.

Da die Konzentration der Wassermoleküle im Vergleich zu der der übrigen Reaktanden mit 55,5 mol/l unverändert bleibt, kann man [H2O] in die Konstante einbeziehen und erhält:

KH A

AH=

⎡⎣ ⎤⎦ × ⎡⎣ ⎤⎦[ ]

+ −

Diese Größe, die als Dissoziationskonstante einer Säure oder als Säurekonstante KS bezeichnet wird, ist tempera-turabhängig (7 Kap. 1.2.4). Je stärker eine Säure dissoziiert ist, desto höher sind die Konzentrationen im Zähler und desto kleiner ist die Konzentration der verbleibenden undissoziierten Säure im Nenner der Gleichung. Säuren, deren Dissoziationskonstante größer als 10–1 ist, bezeich-net man als starke Säuren. Mittelstarke Säuren besitzen

Säurekonstanten zwischen 10–1 und 10–5, während KS bei schwachen Säuren kleiner als 10–5 ist.

In . Tabelle 1.4 sind die Dissoziationskonstanten eini-ger in der Biochemie wichtiger Säuren aufgeführt. Es han-delt sich dabei um die KS -Werte in wässriger Lösung.

Da die Angabe der Dissoziationskonstante in Zehner-potenzen umständlich ist, verwendet man für Berechnun-gen häufig den negativen (dekadischen) Logarithmus der Dissoziationskonstante, der als pKS bezeichnet wird.

pK KS = − log

Damit ergeben sich Säuren, deren pK-Wert geringer als 1 ist, als starke Säuren, Säuren deren pK-Wert 5 überschreitet, als schwache. Die meisten Säuren, die im Stoffwechsel der Zelle von Bedeutung sind, gehören zu den schwachen bis mittelstarken Säuren.

1.2.6 Puffersysteme

! Schwache Säuren und ihre konjugierten Basen bilden Puffersysteme und halten den pH-Wert in den Körper-flüssigkeiten konstant.

Die Aufrechterhaltung einer relativ konstanten Wasserstoff-ionenkonzentration im Zellinneren und im Extrazellulär-raum wird durch Puffer erreicht. Darunter versteht man im einfachsten Fall Lösungen aus einer schwachen Säure und ihrer konjugierten Base. Diese zeichnen sich durch einen stabilen pH-Wert aus, der sich auch beim Zusatz erheb-

. Tabelle 1.4. Dissoziationskonstanten und pKS-Werte einiger Säuren mit biochemischer Bedeutung (bei 25° C)

Säure/Base-Paar Dissoziationskonstante K pKSb = – IogK

Brenztraubensäure/Pyruvat 3,16 10–3 2,5

Milchsäure/Lactat 4 10–3 2,9

Kohlensäure/HCO3– 1,32 10–4 3,88

CO2/Hydrogencarbonata 4,45 10–7 6,35

Hydrogencarbonat/Carbonat 4,79 10–11 10,32

Dihydrogenphosphat/Hydrogenphosphat 6,34 10–8 7,20

Hydrogenphosphat/Phosphat 4,37 10–13 12,36

Acetessigsäure/Acetacetat 2,60 10–4 3,58

β-Hydroxybuttersäure/β-Hydroxybutyrat 4,07 10–5 4,39

Ammonium/Ammoniak 4,39 10–10 9,21a Die Kohlensäure dissoziiert als zweiprotonige Säuren in 2 Stufen. Für die erste Stufe (Kohlensäure/Hydrogencarbonat) sind aus folgendem

Grund 2 pK-Werte angegeben: in einer wässrigen Lösung von Kohlendioxid treten folgende Gleichgewichte auf:(1) CO2 + H2O H2CO3

(2) H2CO3 + H2O HCO3– + H3O+

aus (1) und (2) ergibt sich(2a) CO2 + 2H2O HCO3

– + H3O+

Kohlensäure ist eine mittelstarke Säure (pK = 3,88); da jedoch aus CO2 und H2O nur sehr wenige H2CO3-Moleküle entstehen, wirkt sie als schwache Säure. Durch Zusammenfassung der Gleichgewichte (1) und (2) zu (2a) erhält man die übliche Säurekonstante (pK = 6,35), d.h. die Säurekonstante bezogen auf gelöstes CO2 (und nicht auf H2CO3!).

b Die hier angegebenen pKS-Werte gelten für verdünnte Lösungen. In biologischen Lösungen z.B. in Körperflüssigkeiten verändern sie sich z.T. beträchtlich. Sie werden dann als pK oder pKS bezeichnet.

1.2 · Wasser

Page 14: 1 - Grundlagen der Lebensvorgänge

16

1

Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

licher Mengen von Säuren oder Basen, die im Stoffwechsel der Zelle entstehen, nicht wesentlich ändert.

Die puffernde Wirkung schwacher Säuren ist in . Abb. 1.11 am Beispiel der Titrationskurve der Essigsäure dargestellt. Versetzt man diese schwache Säure (Dissoziati-onskonstante 1,7 10–5; pK = 4,76) mehrfach mit kleinen Mengen einer starken Base (z.B. NaOH) fängt diese bei je-der Zugabe die freien Protonen der Säure mit ihren Hydro-xylionen ab. Durch den Protonenentzug wird das System Essigsäure/H+ + Acetat– aus dem Gleichgewicht gebracht. Zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes dissoziiert die Essigsäure im verstärkten Maße und setzt dabei Protonen frei, die sich ebenfalls mit den Hydroxylionen der Natron-lauge zu Wasser verbinden. Dabei werden Hydroxylionen und Essigsäure verbraucht, bis die Essigsäure vollständig in Natriumacetat umgewandelt ist. Beachtenswert an der Kur-ve ist, dass über einen relativ weiten Bereich NaOH der Es-sigsäurelösung zugesetzt werden kann, ohne dass sich der pH-Wert stark ändert. Dieser Vorgang wird auch als Puffe-rung bezeichnet.

Die Pufferung in biologischen Flüssigkeiten (z.B. Extra-zellulärraum) erfolgt nicht durch einen, sondern durch mehrere, gleichzeitig wirkende Puffer.

! Die Henderson-Hasselbalch-Gleichung verknüpft pH-Wert, pK-Wert und das Konzentrationsverhältnis von konjugierter Säure und Base miteinander.

Die Konzentration der H+-Ionen in einem Puffersystem (schwache Säure HA und konjugierte Base A–) wird durch Auflösung der auf S. 15 abgeleiteten Gleichung

KH A

AH=

⎡⎣ ⎤⎦ × ⎡⎣ ⎤⎦[ ]

+ −

nach [H+] errechnet:

H K AHA

+−⎡⎣ ⎤⎦ = [ ]

⎡⎣ ⎤⎦

Um den pH-Wert dieses Systems auszurechnen, bildet man den negativen dekadischen Logarithmus der Gleichung und erhält:

− ⎡⎣ ⎤⎦ = − − [ ]⎡⎣ ⎤⎦

+−log log logH AH

AK

oder, da

–log K = pK (7 Kap. 1.2.5)

und

–log [H+] = pH (7 Kap. 1.2.5)

pH pAAH

= +⎡⎣ ⎤⎦[ ]

K log ,

Säure[ ]pH p

konjugierte Base= +

⎡⎣ ⎤⎦K log

Bei diesem Ausdruck, der die mathematische Grundlage zur Rechnung mit Puffersystemen bildet, handelt es sich um die Gleichung nach Lawrence J. Henderson und Karl Albert Hasselbalch. Aus dieser Gleichung, in der der pH- und der pK-Wert sowie das Konzentrationsverhältnis von konjugierter Base zu Säure miteinander verknüpft sind, lassen sich folgende Gesetzmäßigkeiten ab leiten:4 Der pH-Wert eines Puffersystems wird von dem Kon-

zentrationsverhältnis von konjugierter Base und Säure bestimmt

4 Bei bekanntem pK und bekanntem Konzentrationsver-hältnis von konjugierter Base zur Säure kann der pH-Wert ausgerechnet werden

4 Bei bekanntem pH und pK kann der Quotient der Kon-zentration von konjugierter Base und Säure errechnet werden

Setzt man in die Gleichung die pK-Werte für Brenztrauben-säure bzw. Milchsäure (. Tabelle 1.4) ein, so lässt sich be-rechnen, ob die betreffenden Carbonsäuren vorwiegend als Säuren oder Säureanionen in der Zelle vorliegen. In der Muskelzelle mit einem pH-Wert von 7,1 beträgt das Ver-hältnis von Brenztraubensäure zu Pyruvat etwa 1 : 40000 und das von Milchsäure zu Lactat etwa 1 : 16000. Dies gilt für eine große Zahl von im Stoffwechsel vorkommenden Säuren, weswegen in diesem Buch generell die dissoziierten Formen von Verbindungen benutzt werden.

Die Kenntnis des Quotienten [A–]/[AH]ist besonders wichtig, wenn man wissen will, wie stark eine Säure beim

. Abb. 1.11. Titrationskurve der Essigsäure. pH-Wert bei Titration von 10 ml 0,1 mol/l Essigsäure mit 0,1 mol/l Natronlauge. Wenn die Hälfte der Essigsäure nach Zugabe von 5ml 0,1 mol/l NaOH neutrali-siert ist, ist die Konzentration von Essigsäure gleich der Konzentration von Acetat und damit pH = pK = 4,7.

Page 15: 1 - Grundlagen der Lebensvorgänge

117

pH-Wert von Körperflüssigkeiten, wie z.B. der Extrazellu-lärflüssigkeit (pH 7,4), dissoziiert ist. Da die Aufnahme bzw. Abgabe von Protonen mit einer Änderung des Ladungscha-rakters des aufnehmenden bzw. abgebenden Moleküls ver-bunden ist und ungeladene Stoffe Zellmembranen wegen der Unpolarität besser durchdringen können, ist der Disso-ziationsgrad beispielsweise für die Resorption, Verteilung und Ausscheidung von Arzneimitteln mit Säure- oder Ba-sencharakter oder für Stoffwechselstörungen, bei denen sich organische Säuren und Basen anhäufen, von Bedeutung.

Aus der Gleichung von Henderson und Hasselbalch lässt sich Folgendes ableiten:4 Je mehr der pK-Wert einer Säure nach unten vom pH-

Wert der Lösung abweicht (pK<pH), desto stärker nimmt der Anteil der konjugierten Base zu

4 Je mehr der pK-Wert einer Säure nach oben vom pH-Wert der Lösung abweicht (pK>pH), desto stärker steigt der Anteil der Säureform an

Als Beispiele seien zwei Säuren angeführt, deren Konzent-ration im Blut bei Stoffwechselkrankheiten stark erhöht sein kann: die β-Hydroxybuttersäure beim Diabetes melli-tus und die Ammoniumionen bei der schweren Leber-insuffizienz. Setzt man die pK-Werte der beiden Säuren (. Tabelle 1.4) in die Gleichung ein, so ergibt sich, dass in einer wässrigen Lösung mit einem pH-Wert von 7,4 das Verhältnis von β-Hydroxybuttersäure zu β-Hydroxybutyrat 1 : 1000 (pK-Wert niedriger als pH!) und das vom Ammo-niumion zu Ammoniak 100 : 1 (pK höher als pH!) beträgt.

Sind die Konzentrationen von konjugierter Base und Säure gleich groß, so wird – da der Logarithmus von 1 Null ist – der logarithmische Ausdruck Null und man erhält pK = pH, d.h. der pK einer schwachen Säure entspricht dem pH-Wert, bei dem Säure und konjugierte Base in glei-chen Konzentrationen vorliegen oder – mit anderen Wor-ten – bei dem die Säure zur Hälfte dissoziiert ist.

Ist der pK-Wert eines Puffersystems unbekannt, so kann er bestimmt werden, indem man die Konzentration von konjugierter Base und Säure gleich groß wählt. Die Messung des resultierenden pH-Werts ergibt den pK des betreffenden Systems.

Liegen konjugierte Base und Säure in gleichen Konzen-trationen vor, so sind also pH- und pK-Wert gleich. Ist das Verhältnis von konjugierter Base zu Säure gleich 10 : 1 bzw.100 : 1, so beträgt der pH-Wert pK + 1 bzw. pK + 2. Trägt man in einem Koordinatensystem auf der Abszisse die pH-Werte und auf der Ordinate die entsprechenden Men-gen Säure (HA) und konjugierte Base (A–) auf, so ergibt sich das in . Abb. 1.12 gezeigte Kurvenbild, aus dem für jeden bekannten pH-Wert das Konzentrationsverhältnis A– zu HA und für jedes bekannte Konzentrationsverhältnis A– zu HA der entsprechende pH-Wert abgelesen werden kann.

Das Bild dieser Kurve, an deren Wendepunkt der pK liegt, sieht bei allen schwachen Säuren gleich aus. Die Kur-ven unterscheiden sich lediglich durch die Lage des Wende-

punkts (und damit des pK-Werts), d.h. sie sind entweder nach links oder rechts verschoben.

Wie aus dem Kurvenbild in . Abb. 1.12 zu ersehen ist, ändert sich in einem bestimmten Bereich (pH gleich pK ± 1) trotz einer starken Verschiebung des Molverhältnisses A– zu HA (von 1 : 10 bis 10 : 1) der pH-Wert nur wenig.

In diesem – in der Abbildung rot hinterlegten – Bereich ist also die Kapazität des Puffers, Säuren oder Basen ohne starke pH-Änderung aufzunehmen, am größten.

Man wird deshalb bei experimentellen Arbeiten ein Puffersystem wählen, dessen pK-Wert mit dem pH-Wert übereinstimmt, den die Lösung enthalten soll – oder zu-mindest einen Puffer, dessen pK-Wert nicht mehr als eine Einheit nach oben oder unten vom einzustellenden pH-Wert abweicht.

Außerdem wird die Kapazität eines Puffersystems durch seine Gesamtkonzentration bestimmt, d.h. ein 0,5-molares System puffert etwa 5 mal so viele Protonen oder Hydroxylionen wie ein 0,1-molares (7 unten).

Wichtige Puffersysteme des menschlichen Organismus sind im Intra- und Extrazellulärraum (7 Kap. 28.8):4 das Dihydrogenphosphat/Hydrogenphosphat-System

(pK’ = 6,80)4 das Kohlendioxid/Hydrogencarbonat-System

(pK’ = 6,10) und4 die Proteine

sowie im Urin (7 Kap. 28.2):4 das Dihydrogenphosphat/Hydrogenphosphat-System

(pK’ = 6,80) und4 das Ammonium/Ammoniak-System (pK’ = 9,40)

! Das Hydrogencarbonat-Puffersystem ist das wichtigste Puffersystem des Extrazellulärraums.

Der pH-Wert im Extrazellulärraum wird im Wesentlichen durch das Kohlendioxid/Hydrogencarbonat-Puffersystem konstant gehalten (Bicarbonat = Hydrogencarbonat).

. Abb. 1.12. Titrationskurve einer schwachen Säure

1.2 · Wasser

Page 16: 1 - Grundlagen der Lebensvorgänge

18

1

Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

Die Plasmakonzentrationen von Hydrogencarbonat (HCO3

–) und Kohlendioxid (CO2) betragen 24 mmol/l bzw. 1,2 mmol/l. Dabei steht Kohlendioxid für die Summe von CO2 und H2CO3, da bei 37 °C nur 1/400 des gesamten Koh-lendioxids in hydratisierter Form als H2CO3 vorliegt. Des-halb gilt:

CO H CO CO2 2 3 2+[ ]≅ [ ].

Der pKS’-Wert des CO2/H2CO3-Systems im Blutplasma liegt bei 6,10.

Da der Extrazellulärraum als verdünnte wässrige Lö-sung einer idealen Lösung nahe kommt, lässt sich die Glei-chung von Henderson und Hasselbalch auf ihn anwenden und der pH-Wert des Extrazellulärraums berechnen:

pH pKkonjugierte Base

= ′ + log[ ]

Säure[ ]

pHmmol lmmol l

= +6 10241 2

, log/

, /

pH pHpH

= += +=

6 10 206 10 1 307 40

, log ,, , ,, .

Durch das Kohlendioxid-/Hydrogencarbonat-System wird also ein pH-Wert von 7,40 im Extrazellulärraum einge-stellt.

Die Bedeutung dieses Puffersystems scheint im Wider-spruch zu der Feststellung zu stehen, dass ein Puffer seine Funktion optimal im Bereich pK ± 1 erfüllt. Es ist nicht ohne weiteres verständlich, dass ein Puffersystem mit einem pK’-Wert von 6,10 für die Konstanthaltung des pH-Werts von 7,40 sorgt.

Dass dieses Puffersystem trotzdem das wichtigste Puf-fersystem des Extrazellulärraumes ist, hat – wie Lawrence Henderson bereits 1914 betont hat – folgende Ursachen:4 Es handelt sich um ein offenes Puffersystem, dessen Ka-

pazität auf 2 Gleichgewichten beruht:

CO H O H CO HCO H2 2 2 3 3+ +− +� �

4 CO2 ist entsprechend seinem Partialdruck von 40 mm Hg im Blutplasma physikalisch gelöst

4 Das Verhältnis von konjugierter Base (Hydrogencarbo-nat) zu Säure (CO2) ist sehr hoch (20 : 1), im Gegensatz zu anderen Puffern, deren Pufferfähigkeit am besten bei einem Verhältnis von 1 : 1 ist

Diese Tatsachen haben wichtige Konsequenzen:4 Fällt der pH-Wert des Bluts, weil durch Stoffwechsel-

prozesse Protonen erzeugt werden, verlagert sich das Gleichgewicht von Hydrogencarbonat und Kohlen-säure in Richtung der Kohlensäure. Diese kann zu CO2 dehydratisiert und anschließend abgeatmet werden

4 Sinkt dagegen die Protonenkonzentration ab, nimmt also der pH-Wert zu, so resultiert dies in einer gestei-gerten Bildung von Hydrogencarbonat aus Kohlen-säure. Diese kann durch Hydratisierung von CO2 aus der Atemluft gewonnen werden

Störungen des Blutpuffersystems führen zur Azidose oder Alkalose und werden in Kapitel 29 ausführlich besprochen.

1.2.7 Die Säure-Basenkatalyse

! Nach der Lewis-Definition besitzen Säuren eine Elektro-nenpaarlücke und Basen ein freies Elektronenpaar.

Zum Verständnis organisch- und biologisch-chemischer Reaktionen muss die Säure-Basen-Definition von Broen-sted, der die Abgabe bzw. Aufnahme von Protonen zugrun-de liegt, noch weiter verallgemeinert werden. Nach der von dem amerikanischen Physikochemiker Gilbert N. Lewis (1875–1946) entwickelten Definition ist4 eine Säure ein Molekül oder Ion, das eine Elektronen-

paarlücke aufweist (Lewis-Säure)4 eine Base eine Molekül oder Ion, das ein freies Elektro-

nenpaar besitzt (Lewis-Base)

Säuren können also Elektronen aufnehmen (Elektronenak-zeptoren) und werden deshalb als elektrophil bezeichnet, Basen können Elektronen abgeben (Elektronendonatoren). Sie greifen immer an besonders elektronenarmen Stellen des Reaktionspartners an, wo sie möglichst nahe an einen Atomkern (Nucleus) herankommen, und werden deshalb als nucleophil bezeichnet. (. Tabelle 1.5).

Als Beispiel einer Reaktion zwischen einem elektrophi-len (Lewis-Säure) und einem nucleophilen Teilchen (Le-wis-Base) sei die Bildung eines Esters durch Reaktion einer Carbonsäure mit einem Alkohol angeführt. Die Carbon-säure enthält eine Carboxylgruppe, die durch die hohe Elektronegativität des Sauerstoffatoms stark polar ist. An das dadurch partiell positive (und damit elektronenarme) Kohlenstoffatom lagert sich das nucleophile Alkoholmole-kül (freies Elektronenpaar!) an (. Abb. 1.13). Die gebildete Zwischenverbindung wird durch den Übergang eines Pro-tons und die Abspaltung von Wasser stabilisiert und es ent-steht ein Ester.

. Tabelle 1.5. Lewis-Säuren und Lewis-Basen

Lewis-SäurenElektrophil

Lewis-BasenNucleophil

CO2 H2O, NH3

–NH3+ –NH2

C = O –OH, –SH

Mg2+, Mn2+, Zn2+

Fe3+

Page 17: 1 - Grundlagen der Lebensvorgänge

119

Diese Reaktion kann auch in umgekehrter Richtung verlaufen, d.h. durch den Angriff des nucleophilen Wasser-moleküls (zwei freie Elektronenpaare) auf das elektrophile Kohlenstoffatom wird der Ester gespalten.

! Säuren und Basen wirken als Katalysatoren bei bioche-mischen Reaktionen.

Bestimmte Verbindungen können die Einstellung des Gleichgewichts einer Reaktion beschleunigen. Sie werden als Katalysatoren bezeichnet und die durch sie ausgelöste Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit als Katalyse. Ent-scheidend ist, dass der Katalysator unverändert aus der ka-talysierten Reaktion hervorgeht.

Wichtige Katalysatoren organisch-chemischer Reak-tionen sind Säuren oder Basen. Wird eine Reaktion durch eine Säure oder Base katalysiert, so bedeutet dies nach der Definition eines Katalysators, dass bei der Reaktion keine Säure bzw. Base verbraucht wird. Wenn also die Säure auf einen Reaktionspartner übertragen wird, so muss sie später wieder entfernt werden, und zwar durch eine Base.

Säurekatalyse. Das oben angeführte Beispiel, die Vereste-rung einer Carbonsäure mit einem Alkohol lässt sich durch Säuren katalysieren: Dabei wird – wie . Abb. 1.14 zeigt – zunächst ein Proton an die zum elektronegativen Sauer-stoffatom gezogenen Elektronen der Carbonylgruppe ad-diert. Das bewirkt eine Verstärkung der positiven Polarisie-rung des C-Atoms und erleichtert den nucleophilen Angriff

des Alkoholmoleküls. Die gebildete Zwischenverbindung spaltet Wasser und das Proton wieder ab.

Die katalytische Wirkung der Säure liegt darin, dass sie durch Addition des Protons die Anlagerung eines nucleophilen Alkoholmoleküls (bzw. nucleophilen Wasser-moleküls bei Umkehrung der Reaktion) an das C-Atom der C arbonylgruppe der Carbonsäure (bzw. des Esters) er-leichtert.

Basenkatalyse. Als Beispiel einer basenkatalysierten or ganisch-chemischen Reaktion sei die Aldoladdition (. Abb. 1.15), eine im Stoffwechsel der Zelle häufig vor-kommende Reaktion, angeführt: die Base entzieht der Me-thylgruppe des Aldehyds ein Proton, wodurch ein Anion entsteht. Dieses wirkt wegen seines negativ geladenen C-Atoms nucleophil und addiert sich an das positiv polarisier-te C-Atom der Carbonylgruppe eines anderen Aldehydmo-leküls an. Das durch die Addition entstandene Anion wird durch Aufnahme eines Protons stabilisiert und die Base dadurch regeneriert.

Bei beiden Reaktionen führt also der Angriff eines Pro-tons bzw. einer Hydroxylgruppe zu einem Zwischenpro-dukt, in welchem es zu einer Neuverteilung der Bindungs-elektronen kommt, die den nucleophilen bzw. elektrophi-len Angriff erleichtert.

Diese beiden Beispiele zeigen das grundsätzliche Prin-zip aller katalysierten Reaktionen, die zur Bildung oder Spaltung einer covalenten Bindung führen: Ziel der Kataly-se ist die Neuverteilung der Bindungselektronen zur Pola-risierung der Bindungen, d.h. zur Erhöhung der Elektro-nendichte an einem Atom und zur Erniedrigung am an-

. Abb. 1.13. Reaktion einer Carbonsäure mit einem Alkohol

. Abb. 1.14. Durch Säure katalysierte Veresterung einer Carbon-säure mit einem Alkohol. (Oben links): Die Carbonsäure übernimmt ein Proton vom Katalysator und wird dadurch polarisiert. Das polari-sierte Zwischenprodukt reagiert mit dem Alkohol (in rot), wobei nach Abgabe des Protons an den Katalysator der Ester und Wasser entste-hen. Alle Reaktionen sind reversibel

. Abb. 1.15. Durch eine Base katalysierte Aldolreaktion. (Oben links): Der Aldehyd wird durch Abgabe eines Protons polarisiert und reagiert deshalb leichter mit einem weiteren Aldehydmolekül (in rot). Das Zwischenprodukt nimmt das Proton wieder auf und wird dadurch zum Alkohol

1.2 · Wasser

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Kapitel 1 · Grundlagen der Lebensvorgänge

deren Atom. Das wird dadurch erreicht, dass entweder nucleophile (Basekatalyse) oder elektrophile Verbindun-gen (Säurekatalyse) oder beide Arten gleichzeitig als Säure-Basen-Katalyse die Atome der zu polarisierenden Bindung angreifen.

Die Polarisierung versetzt das Molekül in einen thermo-dynamisch instabilen Zustand oder macht es reak tions-fähig(er), was sich in einer Erniedrigung der Aktivierungs-

energie der Reaktion niederschlägt. Gerade diese Ernied-rigung der Aktivierungsenergie der Reaktion ist vom ener getischen Standpunkt ein wesentliches Merkmal der Katalyse. Das gilt ebenso für die – in Kapitel 4 (7 Kap. 4.2) besprochenen – Enzyme, die als Biokatalysatoren die Reak-tionen im Stoffwechselgeschehen der Zelle beschleunigen und deren Wirkung sehr häufig auf einer Säure-Basenkata-lyse beruht.

In Kürze

Ohne Wasser sind Organismen nicht lebensfähig. Wasser bestimmt praktisch alle biochemischen Prozesse. Durch seine Polarität ermöglicht es die Ausbildung von Wasser-stoffbrückenbindungen, die für die Strukturbildung biolo-gischer Makromoleküle wie Proteine oder Nucleinsäuren von größter Bedeutung sind. Andere Strukturen werden durch wasserabhängige hydrophobe Wechselwirkungen

stabilisiert. Viele Reaktionen finden unter Beteiligung von Wasser statt. Durch Wasserbewegung zwischen Intra- und Extrazellulärraum entstehen osmotische Kräfte, die für den Wasserhaushalt von großer Bedeutung sind. Vom Wasser hängt der pH-Wert des Intra- und Extrazellulärraums ab, darüber hinaus ist Wasser an den unterschiedlichen Puffer-systemen des Intra- und Extrazellulärraums beteiligt.

Literatur

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Links im Netz7 www.lehrbuch-medizin.de/biochemie