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In diesem Heft

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Titel

Deutsche Telekom – Psychogramm einesparanoiden Konzerns ............................................ 20

Deutschland

Panorama: Berlin weicht Konflikt mit den USAum Streubomben aus /Ypsilanti gegenNeuwahlen in Hessen/Neuer Einbürgerungstestverzichtet auf Gewissensfragen ............................. 15Umweltpolitik: Kanzlerin Angela Merkelscheitert mit ihren Klimaplänen ............................ 36Bundespräsident: SPIEGEL-Gespräch mit derSPD-Kandidatin Gesine Schwan über AmtsinhaberHorst Köhler und warum sie sich mit denStimmen der Linkspartei wählen lassen würde ..... 40Karrieren: SPD-Parteivize Andrea Nahlesbaut ihren Einfluss systematisch aus ..................... 44SPD: Interview mit Berlins RegierendemBürgermeister Klaus Wowereit überdas zwiespältige Verhältnis zur Linken .................. 47Linkspartei: Spitzenpolitiker Gregor Gysi wirderneut von seiner Vergangenheit eingeholt ........... 48Die Aktenspur zu IM „Notar“ .............................. 49Extremismus: Der Schwarze Blockder Neonazis ......................................................... 52Wiedergutmachung: Kritik an den Millionen-geschäften der Jewish Claims Conference ............. 54Strafjustiz: Eine Ärztin ist wegen Totschlagsan Patienten angeklagt – auf dem Gericht lastetder Verdacht der Befangenheit .............................. 58Kriminalität: Jugendliche Hacker stoßen inSicherheitslücken von Behörden und Firmen vor ... 60

Serie

Die Zukunft der Demokratie (V):Autokratische Regime auf dem Vormarsch – hatdas westliche Freiheitsmodell abgewirtschaftet? .... 62

Gesellschaft

Szene: Bildband über kubanischeRevolutionsromantik /Digitale Bürgerwehrim Internet ............................................................ 73Eine Meldung und ihre Geschichte – über einenUnternehmer, der keinen Zivildienst leisten will ... 74Glücksspiel: Die deutsche PokerweltmeisterinKatja Thater und ihre Jagd auf kleine Fische ........ 76Ortstermin: In München kümmert sichein Lobbyist um die Sorgen der Millionäre ........... 82

Wirtschaft

Trends: Postenpoker bei EADS/DoppeltesGehalt für KfW-Chef /Arbeitsmarktprogramme floppen .......................... 84Landwirtschaft: Die Milchbauern fordernMolkereien und Discounter heraus ....................... 86Finanzpolitik: Unsolide und ungerecht –das Abgabenkonzept der SPD ............................... 88Autoindustrie: VW bremst Porsche aus ............... 90Unternehmer: Milde Strafe fürSteuersünder Reinhold Würth ............................... 92Konzerne: Die Erben des FirmengründersRockefeller attackieren den Ölmulti ExxonMobil .... 94Gesundheit: Wie der Chefberater desstaatlichen Arzneimittel-TÜVs sein Wissen andie Pharmaindustrie verkauft ................................ 95Zeitgeschichte: Friedrich Flicks Rolleals Kriegsprofiteur im Dritten Reich ...................... 96

Medien

Trends: Ist die Media-Markt-Werbung rassistisch? /ZDF will für Champions League bieten ................ 99Fernsehen: Vorschau/Rückblick ........................ 100Presse: Wie Alice Schwarzer ihre Nachfolgerinbei „Emma“ vergraulte......................................... 102Buchmarkt: Der Aufbau-Verlag gibt auf – und macht weiter ................................................. 104

Präsidentin mit links Seite 40

Die Programmatik der Linkennennt sie „völlig unzureichend“,Parteichef Oskar Lafontaine ei-nen „Demagogen“ – doch für ih-ren Einzug ins Schloss Bellevuewill Gesine Schwan, SPD-Kandi-datin für das Bundespräsidenten-amt, auch um Stimmen von ganzlinks werben. „Die Integrationder Linken ist wichtig für unsereDemokratie“, sagt sie im SPIE-GEL-Gespräch. „Ich rede mit allen, die mich einladen.“

Pokern mit den Haien Seite 76

Inzwischen versuchen mehrals eine Million Deutsche ihrGlück am Pokertisch. Welt-meisterin Katja Thater ziehtvon Turnier zu Turnier, um denkleinen Fischen das Geld abzu-nehmen. Profis wie sie werdenHaie genannt, sie leben von derIllusion der vielen, spielendreich werden zu können. In LasVegas versammeln sich die Haienun zur Weltmeisterschaft.

Opfer-Organisation im Zwielicht Seite 54

Die jüdische Claims Conference hatmit der Rückübertragung von Immo-bilien, die Juden in Ostdeutschlandvon den Nazis geraubt wurden, rund1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.Doch nicht alle Gelder kamen bisherbei Holocaust-Überlebenden an. DieKritik an der mächtigen Organisationwächst auch in Israel.

Machtkampf um die Milch Seite 86

In Deutschland wird die Milch knapp. Seit vergangener Woche liefern viele Land-wirte aus Protest gegen die ruinösen Preise keine Milch mehr ab. Angeführt wirdder Boykott vom kleinen Verband der Milchbauern. Der fordert mit dem Streik nichtnur die Industrie, sondern auch den mächtigen Bauernverband heraus.

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Schätze auf dem Meeresgrund Seite 108Die Küstenstaaten wollen ihre Hoheitszonen immer weiter ausdehnen, weil unterdem Meeresgrund riesige Rohstoffmengen lagern. Die Uno soll über die Anträge ent-scheiden, etwa für die Region um den Nordpol. Noch aber streiten sich die Natio-nen. Experten erwarten in Zukunft Militärkonflikte um die Schätze in der Tiefe.

Das gefühlte Übergewicht der Kinder Seite 148Stress durch Schlankheitswahn: Kinder und Jugendliche leiden seelisch stärker un-ter gefühltem Übergewicht als unter ihrem tatsächlichen. Fettleibige dagegen, die sichnur für ein bisschen zu dick halten, haben eine deutlich höhere Lebensqualität.

Ölplattform im Nordmeer

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Viel Tempo, viele ToreSeiten 134, 137, 140

Zu Beginn der Fußball-Europameisterschaft er-warten Experten tor- und

temporeiche Spiele, auch vom deutschenTeam unter Trainer Joachim Löw. Außerdemim Sonderteil zur Euro 2008: ein Porträt desportugiesischen Superstars Ronaldo und einInterview mit dem türkischen Schriftstellerund Fußballfan Orhan Pamuk.

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„Mal-Ort“ in Paris

Gemalte Ursprache Seite 172Seit über 60 Jahren betreut er an weltweit ver-streuten „Mal-Orten“ Kinder, die in stillen Räu-men zeichnen, wonach ihnen zumute ist: ArnoStern, der Pariser Pädagoge und Abenteurer.Frucht seiner Arbeit ist die frappierende Theorieeiner bildnerischen Ursprache der Menschheit. A

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Ausland

Panorama: Maoistenführer Prachanda überdas Ende der Monarchie in Nepal /Eine Jüdinwird Botschafterin Bahreins in Washington ......... 106Ozeane: Die Küstenstaaten konkurrierenum Bodenschätze unter dem Meeresgrund .......... 108USA: Der republikanische SenatorChuck Hagel über die gescheiterte Außenpolitikvon Präsident George W. Bush ............................ 112Nahost: BND-Agent vermittelt zwischenIsrael und der Hisbollah ....................................... 116Sekten: Die missbrauchten Mormonenkindervon Eldorado ....................................................... 120Kolumbien: Wie Venezuelas Staatschef HugoChávez mit den Urwald-Terroristen paktiert ........ 124Afghanistan: SPIEGEL-Gespräch mit PräsidentHamid Karzai über die wachsende Kritikan seiner Regierung und die schmutzigenGeschäfte mit den Warlords ................................. 126Global Village: Ein Schotte stellt sich demBauspekulanten Donald Trump in den Weg ........ 130

Sport

Szene: Gerichtsstreit des Bayern-StarsFranck Ribéry mit seinem damaligen Berater /Formel-1-Rennstallbesitzer Gerhard Bergerüber den Fall Mosley ........................................... 133Euro 2008: Experten erwartenOffensiv-Fußball .................................................. 134Christiano Ronaldo – Portugalsschwieriges Genie ................................................ 137Schriftsteller Orhan Pamuk über türkischenFußball und Nationalismus .................................. 140

Wissenschaft · Technik

Prisma: Liste der größten Weltprobleme/Zigaretten mit Erdbeer-und Schokoladengeschmack ................................ 145Medizin: Die seelischen Leidenübergewichtiger Kinder ....................................... 148Archäologie: War Stonehenge ein Friedhoffür Steinzeitkönige? ............................................. 151Bücher: Die erstaunliche Kulturgeschichtedes Zahnstochers ................................................. 152Genetik: Der Blick ins eigeneErbgut – ein Selbstversuch .................................. 154Automobile: Fiat baut Winzlingemit Riesenmotor .................................................. 156

Kultur

Szene: „Feuchtgebiete“ von Charlotte Rocheauch im Ausland gefragt /Frankreichdebattiert die These, Paris sei nach 1940 ein„Freudenhaus“ der Nazis gewesen ...................... 159Städtebau: Der Wolkenkratzer-Glamour wandertvon Westen in den Nahen und den Fernen Osten ... 162Intellektuelle: Denker wie Sartre und Foucaultwerden als Schreibtischtäter attackiert ................ 166Bestseller .......................................................... 169Unterhaltung: Ein neuer James-Bond-Roman –nach, nicht von Ian Fleming ................................ 170Anthropologie: Wie der PädagogeArno Stern die bildnerische Ursprache derMenschheit rekonstruiert ..................................... 172Nahaufnahme: Wien feiert denGedächtnistrainer Eric Kandel mit einerFilmreise durch sein Gehirn ................................. 176

Briefe ..................................................................... 6Impressum, Leserservice ................................. 178Register ............................................................. 180Personalien ........................................................ 182Hohlspiegel /Rückspiegel ................................ 184

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Am Anfang war das Spiel. Davor wares ernst. Denn bevor der 22-jährigeArno Stern, französischer Staats-

bürger, geboren in Kassel, seinen erstenJob bekam, aus dem das Spiel seines Le-bens wurde, hatte er 13 Jahre lang auf derFlucht gelebt – halblegal, illegal, immer gefährdet bis auf die letzte Zeit: in einemAuffanglager in der Schweiz. „Die Emi-gration aus dem Nazi-Land war nur einerster Schritt auf dem langen Weg abwärts.Immer wieder versuchten meine Eltern,einen Haushalt einzurichten. So ging esvon Ort zu Ort, bis die Flucht im Internie-rungslager endete. So überlebten wir, dieAuserwählten, die Nichtdeportierten.“

Das Leben war ernst, oder es war über-haupt nicht. Nach dem Krieg bekam derSohn einer jüdischen ehemaligen Fabrikan-tenfamilie, ein Jüngling praktisch ohne Aus-bildung, das Angebot, 150 jüdische Waisenin einem Heim bei Paris „zu beschäftigen“.Es ging um die Zeit zwischen den Schul-stunden. Es gab nicht viele Möglichkeiten,aber Papier und Bleistifte. Auch Farben wur-den schnell wieder produziert – „schnellerals Nahrungsmittel oder übliche Gebrauchs-artikel, Farben gab es beinahe sofort“.

Stern gab den Kindern Farbe und Pa-pier und stellte fest: Das genügt. Die Kin-der malten, wollten nichts anderes, „denganzen Tag lang“. Die Schule brauchtemehr Raum, er zog mit seinen Utensilien in den benachbarten Stall. Um mehr Mal-raum zu gewinnen, verhängte er die Fens-ter mit Brettern; die Kinder malten im Ste-hen, nebeneinander, sie holten sich aus derPalette in des Raumes Mitte Farbe auf ihrePinsel und legten die, wenn sie die Farbewechselten, sorgsam wieder ab. Ein Jungenamens Maurice stellte die Farbschälchenin eine Reihenfolge, die bis heute besteht.Der „Mal-Ort“ war gefunden.

Und damit der Ausgangspunkt für eineForschung, die bis heute im Garten derWissenschaften quer liegt wie ein Findling.Stern entwickelte, ausgehend vom Materialder Kinderzeichnungen, eine revolutionä-re Theorie der zeichnerischen Ursprachedes Menschen. Expeditionen in schriftloseGesellschaften und Vergleiche der frappie-renden Übereinstimmungen der Bildsym-bole von Kindern in aller Welt brachtenihn zu erstaunlichen Thesen über die Con-ditio humana: Das Reservoir der erstenZeichen sei unabhängig von Kultur, Ethnie

Kultur

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A N T H R O P O L O G I E

Das Alphabet der MenschheitArno Stern ist der Begründer des „Mal-Orts“, einer über die Welt verstreuten Institution. Seine

Forschungen über die bildliche Ursprache des Homo sapiens widersprechen der üblichen Kunstpsychologie und deuten die ersten Bilder der Frühgeschichte neu. Von Elke Schmitter

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Kunstpädagoge Stern: Entdecker und Vermesser des Unbekannten

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Stern-Übersichtstafel, Kinderzeichnung: Variationen der ersten Bildelemente

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und Geschichte. Es ist Ausdruck jenersprachlosen Erfahrung, die jeder Mensch in der ersten Phase seiner Entwicklungmacht, beginnend im Mutterleib.

Zudem ist der Anschluss an diese Er-fahrung, praktiziert durch die spontaneund absichtslose Malerei, eine lebensläng-liche Ressource von Kreativität und Un-abhängigkeit. Kinder, die mit Stöcken imSand Kreise ziehen, sind wie solche, diemit dem Kugelschreiber Strichmännchenaufs Papier kratzen, nach seiner Überzeu-gung im allerbesten Kontakt mit sich selbst– gewissermaßen badend in der Quellepsychischer Gesundheit. Wenn die ver-schulte Gesellschaft sie nicht versiegelt.

1947 verließ Stern, heute 83, das Wai-senheim. Er gründete seinen ersten „Mal-Ort“ im legendären Pariser KünstlerviertelSaint-Germain-des-Prés; inzwischen ist er mit „Closlieu“ („geschlossener Raum“)nach Montparnasse gezogen. An der Pra-xis der Mal-Orte änderte sich nichts: Seitüber 60 Jahren kommen einmal wöchent-lich Gruppen von 12 bis 15 „Malkindern“,Menschen ab 3 Jahren, in einen fenster-losen Raum und malen 90 Minuten lang.Stern, der von den Kursgebühren lebt, gibttechnische Hilfe; er heftet die 50 mal 70Zentimeter großen weißen Bögen an dieWand, holt Schemel und Leitern, mischtFarben, beseitigt einen Tropfen und ver-setzt die Reißnägel, bevor sie den Malen-den in seinem Malfluss hindern.

Gespräche sind erlaubt, solange sie ein Thema meiden – die Spur auf demBlatt. Stern gibt keine Themen vor, er regtnichts an. Niemand begeht eine der dreiTodsünden im Reich der Sternschen Aus-druckslehre, die er „Ausdruckssemiologie“nennt: Niemand wundert sich, bewertetoder deutet. Wenn ein Junge zwei Jahrelang an einem Kriegsschiff malt, wird dasebenso wenig kommentiert, wie wenn einMädchen viertelstündlich nach einem neu-en Blatt verlangt, um rote Kreise zu ziehen.Ein Pariser kommt seit 40 Jahren jedenSonntagmorgen. „Wir sprechen über Bü-cher, Musik und Politik. Ich weiß nicht,wie er lebt, ich kenne ihn nur als Malspie-lenden. Und so wünsche ich es.“

Es gibt eine quasitherapeutische Ent-haltsamkeit in Arno Sterns Tun, und sowird das Geschehen im Mal-Ort gern ver-wechselt mit Kunsttherapie – ein krassesMissverständnis. Denn Stern ist der Auf-fassung, dass schon die Waisenkinder da-mals im Heim nicht ihre Traumata zu Pa-pier brachten, um sich so mitzuteilen. Esgehe bei der spontanen Malerei kaum umKommunikation, nicht um Ästhetik, nichtum eine Botschaft: „Die Malkinder sindnicht künstlerisch tätig. Und sie teilennichts mit. Sie legen eine Spur, die für nie-manden bestimmt ist, die nur zu geschehenhat.“ Wie sie im Rahmen seiner „Aus-druckssemiologie“ zu verstehen ist, hat erin dem Buch „Das Malspiel und die natür-liche Spur“ (2005) dargestellt.

Stern ist Forscher im eigenen Auftrag. Erist Pionier auf seinem Gebiet, vergleichbarjenen Polarforschern, die zugleich Ent-decker und Vermesser des Unbekanntenwaren. Er war als Experte für die Unescotätig, referiert an Museen und Universitä-ten, doch hat sich keine „Schule“ gegrün-det, und aus seinen Werken wird eherwahllos zitiert.

Während es über die Erde verteilt in-zwischen viele Mal-Orte gibt, geleitet vonMenschen, die er ausgebildet hat, aber

nicht kontrolliert oder auch nur vernetzt(daher weiß auch niemand, wie viele essind), steht er als Theoretiker allein. SeinDurchsetzungswille ist sanfter und gedul-diger als der eines Richard Wagner, seinOrganisations- und Kontrollbedürfnis deut-lich geringer als das eines Sigmund Freud,doch wie diese beiden ursprünglich einsa-men Größen beweist er jene Dreifaltigkeitaus Beharrungsvermögen, missionarischemEifer und Ironiearmut, die offenbar nötigist, um Jahrzehnte der Nichtachtung pro-duktiv zu überstehen.

Sterns Theorie hat sich rein aus der Be-obachtung entwickelt. Er stellte zunächstfest, dass die ersten Malkinder – die, wie erselbst, aus objektiv schwierigen Umstän-den kamen und weitgehend unverbildet,ohne Schulerfahrung waren – mit einerKonzentration bei ihrer Sache waren, diestützende Wirkung zeigte. Der abge-schlossene Raum, in dem sich nichts ver-ändert, das friedliche Nebeneinander derMenschen: Diese Bedingungen des erstenMal-Orts waren geeignet, Versenkung imspontanen Tun zu erzeugen. Die Herstel-lung eines Bildes, das nicht kritisiert odergedeutet wird, trug offenbar zur Selbst-achtung bei. Der respektvolle Umgang mit-einander und dem Material wirkte sozial

besänftigend. Die Regelmäßigkeit der Si-tuation schuf Vertrauen. „Ein Mensch“, istStern überzeugt, „der in den Mal-Ort geht,bedarf keiner Therapie.“

Das sind die psychischen Nebenwirkun-gen des „Malspiels“, wie Stern es nennt –unabhängig vom Bildgegenstand. DochRegelmäßigkeit, Vorhersehbarkeit fand erauch hier: Im Laufe der Jahre ging ihmauf, dass die ersten Malbewegungen allerKinder entweder kreisende oder tupfendewaren und dass aus diesen Bewegungen in

immer derselben Entwicklung die „Erst-figuren“ entstehen – jene Gebilde, die Erwachsene, wenn sie auf Kinderbilderschauen, etwa so kommentieren: „Das istaber eine schöne Blume! Oder soll das dieSonne sein?“

Nach Sterns Beobachtung dauert es lan-ge, bis Kinder die Welt darstellen wollen.Dem ersten Ausdruck gehe kein äußererEindruck voraus. Die sogenannten Erst-figuren –„die Grätenfigur“, „die Strahlen-figur“, „der Schwarm“ – seien mechani-sche Folgen der allerersten Gebärden („dierunde Figur“, „die Tropfenfigur“) unddrückten aus, was Stern die „organischeErinnerung“ nennt: jene Erfahrungswelt,die vor der sprachlichen Entwicklung liegtund die schon den Embryo mit sinnlichenSensationen versorgt. Hier trifft sich seineForschung mit den neueren Erkenntnissenvon Embryologie und Neurologie, die dasGedächtnis des Körpers gerade entdecken.„Sind wir alle nicht wie ein Buch“, fragtStern, „aus dem die ersten Seiten heraus-gerissen wurden?“ Was darauf stand, lesenwir möglicherweise in der „Formulation“.

Die „Formulation“ nennt Stern die bild-nerische Ursprache, sein Erkenntnisgebiet.Mitte der sechziger, Anfang der siebzigerJahre, als in Paris die Strukturalisten um

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Stern-Aktion in Äthiopien (1972): „Eine schöne Blume – oder soll das die Sonne sein?“

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Claude Lévi-Strauss und Jacques Lacanum die Frage stritten, was den Menschenimmer und überall zum Menschen mache(Ist es das Totenfest? Die Sprache? DieMahlzeit?), begab sich Arno Stern nachGuatemala und Papua-Neuguinea, Afgha-nistan und Peru, Äthiopien und Niger. Miteinem Metallkoffer für die Schaumgum-mirolle, auf der er schlief, mit einem Gas-kocher für Reis und Tee („Ich wollte voll-kommen unabhängig sein“) – und mit einem klappbaren Palettentisch, 18 Farben,Kugelschreibern und sehr viel Papier. EinHausierer der Forschung.

Er war auf der Suche nach Kindern, de-ren Erfahrungswelt so weit wie möglichvon der europäischen Zivilisation entferntwar. Begleitet von einem Studenten derAnthropologie, wanderte er zu Fuß in dasHochgebirge Perus und stand schließlicheinem Häuptling gegenüber, „umgebenvon Männern wie von einer Mauer“. Derwollte keinen Fremdling in seinem Dorf,ließ sich aber auf eine kleine Vorführungein. „Ich baute den Palettentisch auf, leg-te Papier auf den Boden, und er bestimm-te drei junge Männer, sich auf das Wagniseinzulassen. Sie malten gleich los und wa-ren begeistert, und so durfte ich bleiben.Ich schlief in einer Höhle im Berg, undeine Woche lang kamen täglich die Kinderzu mir, um zu malen.“

Stern sah zu, wie Kinder, die nie eineSchule besucht, nie auf Papier gezeichnethatten, „Strahlenfiguren“, „Grätenfiguren“,„runde Figuren“ und „Dreiecke“ malten,in derselben Versunkenheit und demsel-ben entspannten Ernst wie die Kriegswai-sen und die Pariser petits Bourgeois. Dasbildnerische Alphabet der Menschheit ent-rollte sich vor seinen Augen: jene immer-gleichen Figuren, die spontan überall ent-stehen, wenn Kinder zu malen beginnen.Unabhängig davon, ob sie in Zelten oderHochhäusern leben, in Kleinfamilien oderder Sippe, im Urwald oder Industriegebiet.

„Die Objekte unterscheiden sich“, sagtStern, „aber nicht die Strukturen. Die Kin-der in der Wüste in Maureta-nien, wo ich Ende der sechzigerJahre war, hatten beispielsweiseniemals ein Schiff gesehen. Dochihre Reiterfiguren waren ausdenselben Elementen gebildetwie die Schiffe der Pariser Kin-der: ein Gebilde aus drei Stri-chen, ein waagerechter, zweisenkrechte – wie Segel.“

Die Blätter liegen in seinem Archiv. „Ichkönnte diese Forschung heute nicht mehrmachen“, sagt er. „Es gibt keine Noma-denvölker mehr, die ohne Berührung mitder Zivilisation überleben. Von der Schul-pflicht gibt es kein Entkommen mehr. Es istfast unmöglich, Kinder zu finden, die nieBilder gesehen haben.“

Zugleich benötigten die Kinder heuteungleich mehr Zeit, sich auf das Malspieleinzulassen: „Sie sind ungleich mehr belas-

tet als ihre Vorgänger vor 30, 40 Jahren:mit Belehrungen über Perspektive undKomposition, vor allem aber mit der Er-fahrung, dass man angeblich richtig undfalsch malen kann. Sie sind vollgestopftmit Lob und Kritik. Sie brauchen länger,um zu dem bildnerischen Fluss zurückzu-finden, der sie trägt.“

Das Frappierendste an seiner Feldfor-schung war die Übereinstimmung – der„Erstfiguren“ zunächst, die überall gleichaussehen und aufeinander aufbauen, in im-mer derselben Folge. Der Weg dahin geht

über Gestaltungsformen, dieebenfalls verlässlich wiederkeh-ren: die Verengung, der Trich-ter, der Bogen.

Die inhaltliche Idee ist dabeinicht wichtig: Das Dreieck kannein Segel sein, ein Haus oder einMensch. Es taucht so zuverlässigauf wie das Element „Durch-sichtigkeit“: Dann sind Leute im

Zug zu sehen, in einem Schiff, oder Wur-zeln im Erdboden.

Übereinstimmung schließlich fand erauch bei den Objekten, die immer wiedervorkommen. „Was sieht man auf einemKinderbild?“, fragt er manchmal in seinenVorträgen. Die Antworten tröpfeln erst,kommen dann schneller: ein Haus. EinenMenschen. Die Sonne, einen Baum. Tiere,ein Fahrzeug. Eine Blume, ein Möbel wieTisch oder Stuhl. „Mehr ist es nicht“, sagt

Stern, „mit diesen Requisiten baut sich jedes Kind eine Welt auf. So scheint dasParadies zu sein.“

Sterns Forschungsgegenstand ist lieblich,seine Überzeugungen sind es nicht.Zunächst widerspricht er dem Sinn desZeichenunterrichts. Jede Belehrung er-achtet er als überflüssig, ja schädlich.„Komposition, Farblehre und Perspektive:All das sind Aspekte, die das Kind zu-nächst nicht sucht. Sie zerstören seine Unbefangenheit.“ Nach seiner Erfahrungkommt das Interesse an diesen Dingen vonselbst – zu seiner Zeit. Wolle man es vor-her wecken, erreiche man nur, dass Kinder„Kunstkarikaturen“ anfertigen – Kinder-bilder nach Kunstvorbildern – und sich alsJugendliche gelangweilt abwenden vondem, wofür Museums- und Kunstpädago-gik Interesse wecken wollen: der bildne-rischen Kultur.

Vor dem Hintergrund seiner Forschungist auch die geläufige Interpretation der äl-testen Kunstwerke der Menschheit nichtsals lächerlich. Es ist beispielsweise selbst-verständlich geworden, eine menschlicheDarstellung mit erhobenen Armen als„Oranten“ (Betenden) zu bezeichnen.Stern weist darauf hin, dass bei allen Kin-dern der Mensch in einer gewissen Ent-wicklungsphase so gebildet ist: mit erho-benen Armen. „Immer versucht sich dasKind zuerst am senkrechten Strich, späterkommt der horizontale hinzu, der schwie-

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Stern-Projekt in Afghanistan (1969): „So scheint das Paradies zu sein“

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„Mit den immer gleichen

Requisitenbaut sich jedes

Kind seine Welt.“

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riger zu verfertigen ist. Aus der Kombina-tion von beiden, mit der lange gespieltwird, entstehen die Grätenfigur und dannviele weitere Dinge.“

Auch die übliche Strahlenfigur, die inden nordischen Steinzeitmalereien als Be-leg eines „Sonnenkultes“ zu verstehen sei,ist für ihn – bis zum Beweis des Gegenteils,für den es noch anderer Quellen bedürfe –lediglich ein Element der Formulation.

Besonders brisant sind seine Forschun-gen allerdings auf einem Gebiet, das ge-rade in der Bundesrepublik floriert: derKunsttherapie. Die Überzeugung, dassKinder mit ihren Bildern Aufschluss überihr Seelenleben geben, ist für ihn in jedemFalle unzulässig. „Es gibt Kriegskinder, dieBomben malen, und andere, die Prinzes-sinnen zeichnen. Die Gestaltung eines Bil-des folgt Gesetzen, die sich zur inhaltli-chen Deutung nicht eignen.“

Nicht wenige der sogenannten „Miss-brauchsprozesse“ sind unter Hinzuziehungvon „fachlich interpretierten“ Kinder-zeichnungen bestritten worden. Die spek-takulären Prozesse von Worms zum Bei-spiel, deren Anklagen auf sexuellen Miss-brauch in mehr als 50 Fällen lauteten undderen Angeklagte nach vier Jahren schließ-lich freigesprochen wurden. Nach einemBundesgerichtshof-Urteil von 1999 sindKinderzeichnungen als Beweismittel in-zwischen nicht mehr zulässig – doch wel-che verunsicherten Eltern haben den Mut,einer psychologischen Fachkraft zu wider-sprechen, die ein Mädchen auf einer Kin-derzeichnung, das zwischen zwei hohenBergen verschwindet, als innerlich be-drängt (oder zwischen den Eltern hin- undhergerissen) analysiert?

Der Malprozess als solcher allerdings hatnach Sterns Erfahrung heilende Wirkung –wenn man ihn nicht stört. Die Leiterin eines Berliner Mal-Orts namens „Kokon“,die Künstlerin Gabriele Oelschläger, be-stätigt Sterns Befund: „Die Versenkung insspontane Tun, die Verbindung mit demSelbst an diesem geschützten Ort, inmittenvon anderen, hilft Menschen jeden Alters,Sicherheit zu gewinnen und zu ihrer Krea-tivität zurückzufinden.“

Gute Erfahrungen machte auch dieAsylorganisation für den Kanton Zürich, indem für Flüchtlingskinder jeden AltersMalateliers eingerichtet wurden: Farben,Formen und Gesten treten an die Stelleder verbalen Kommunikation, die natur-gemäß schwierig ist. Die Bilder wurden –wie an allen Mal-Orten – archiviert. Alleinin einem Landhaus bei Paris bewahrt Sternmittlerweile rund 500000 Bilder auf.

Zweimal in all den Jahren, erzählt Stern,wurde er von ehemaligen Malkindern nachihren Bildern befragt. „‚Ich kann sie Ih-nen heraussuchen‘, sagte ich. Doch das warnicht mehr nötig – die beiden wollten nursicher sein, dass es die Bilder noch gibt.“Die Spur, die sie legten, war nicht ver-schwunden. Darauf kam es ihnen an. ™

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