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1. Robotersysteme 29.12.2011 V3.1 - 1-1 - © Dr-Ing. habil. Jörg Wollnack 1 Robotersysteme Robotersysteme bestehen typischerweise aus einem mechanischen Manipulator, einem End- effektor, einer Robotersteuerung, internen Sensoren und gegebenenfalls weiteren externen Sensoren. Interne Sensoren werden im Allgemeinen für die Lageregler der Antriebe und externe Sensoren für Messungen in Bezug auf Umgebungsgrößen eingesetzt (siehe Abb. 1-1). Für die Kommunikation mit weiteren technischen Sys- temen und peripheren Komponenten stehen zumeist über die Robotersteuerung weitere datentechnische Schnittstellen, wie z. B. digitale Input-Output- Kanäle, serielle Schnittstellen und Ethernet zur Ver- fügung. Die Programmierung der Robotersteuerungen er- folgt überwiegend über herstellerspezifische Pro- grammiersprachen. Zumeist sind dies problem- spezifisch erweiterte strukturierte prozedurale Programmiersprachen. Der Roboter besteht letztlich aus meh- reren Körpern, die durch aktive Gelenke verbunden sind. Hieraus ergeben sich die unterschiedlichen Roboterstrukturen in Abb. 1-2. Der Aufbau der kinematischen Kette bestimmt direkt sowohl die Form des Arbeitsraumes als auch die Zahl der Freiheitsgrade (DOF := Degrees of Freedom) bzw. Bewegungsmöglichkeiten. Die aktiven Gelenke werden dabei durch Motoren angetrieben und die Positionen der einzelnen Achsen bestimmen die Lage des Tool Center Point (TCP) oder Endeffektors. In der Robotik werden über- wiegend serielle Kinematiken mit elektrischen Antrieben eingesetzt. Die Drehmomente der Elektromotoren sind bei kompakten Bauweisen der Motoren relativ klein. Hohe Leistungen sind des- halb mit hohen Drehzahlen der Motoren verbunden, was im Allgemeinen inkompatibel mit den Anforderungen an die Achsgeschwindigkeiten und Achsmomente der Robotersysteme ist. Aus diesem Grunde werden mechanische Getriebe eingesetzt, die eine Transformation der Drehzahlen und Momente vollziehen (siehe auch Tab. 1-2). Aufgrund der Dominanz der seriellen Kinematiken, wird im Weiteren diese Kinematik zu Grunde gelegt. Aufgabe der Lageregelung der Robotersteuerung ist es, die einzelnen Motoren so zu regeln, dass das Ist- weitgehend dem Sollbewegungsverhalten entspricht. Für das Bewegungsver- Abb. 1-2: Arm- und Handgelenkskonfigurationen von Robotersystemen nach Weck Objekt Objekt Roboter Roboter 3D 3D-Kamera Kamera- system system Greifer Greifer- Wechsel Wechsel- System System Abb. 1-1: Systemkomponenten

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1. Robotersysteme

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1 Robotersysteme

Robotersysteme bestehen typischerweise aus einem mechanischen Manipulator, einem End-effektor, einer Robotersteuerung, internen Sensoren und gegebenenfalls weiteren externen Sensoren. Interne Sensoren werden im Allgemeinen für die Lageregler der Antriebe und

externe Sensoren für Messungen in Bezug auf Umgebungsgrößen eingesetzt (siehe Abb. 1-1). Für die Kommunikation mit weiteren technischen Sys-temen und peripheren Komponenten stehen zumeist über die Robotersteuerung weitere datentechnische Schnittstellen, wie z. B. digitale Input-Output-Kanäle, serielle Schnittstellen und Ethernet zur Ver-fügung.

Die Programmierung der Robotersteuerungen er-folgt überwiegend über herstellerspezifische Pro-grammiersprachen. Zumeist sind dies problem-spezifisch erweiterte strukturierte prozedurale Programmiersprachen.

Der Roboter besteht letztlich aus meh-reren Körpern, die durch aktive Gelenke verbunden sind. Hieraus ergeben sich die unterschiedlichen Roboterstrukturen in Abb. 1-2. Der Aufbau der kinematischen Kette bestimmt direkt sowohl die Form des Arbeitsraumes als auch die Zahl der Freiheitsgrade (DOF := Degrees of Freedom) bzw. Bewegungsmöglichkeiten.

Die aktiven Gelenke werden dabei durch Motoren angetrieben und die Positionen der einzelnen Achsen bestimmen die Lage des Tool Center Point (TCP) oder Endeffektors. In der Robotik werden über-wiegend serielle Kinematiken mit elektrischen Antrieben eingesetzt. Die Drehmomente der Elektromotoren sind bei kompakten Bauweisen der Motoren relativ klein. Hohe Leistungen sind des-

halb mit hohen Drehzahlen der Motoren verbunden, was im Allgemeinen inkompatibel mit den Anforderungen an die Achsgeschwindigkeiten und Achsmomente der Robotersysteme ist. Aus diesem Grunde werden mechanische Getriebe eingesetzt, die eine Transformation der Drehzahlen und Momente vollziehen (siehe auch Tab. 1-2). Aufgrund der Dominanz der seriellen Kinematiken, wird im Weiteren diese Kinematik zu Grunde gelegt.

Aufgabe der Lageregelung der Robotersteuerung ist es, die einzelnen Motoren so zu regeln, dass das Ist- weitgehend dem Sollbewegungsverhalten entspricht. Für das Bewegungsver-

Abb. 1-2: Arm- und Handgelenkskonfigurationen von Robotersystemen nach Weck

ObjektObjektRoboterRoboter

3D3D--KameraKamera--systemsystem

GreiferGreifer--WechselWechsel--SystemSystem

Abb. 1-1: Systemkomponenten

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halten sind die Zustände der Achsen hinsichtlich der Position, Geschwindigkeit und Be-schleunigung bedeutsam (siehe auch Abb. 1-3).

StromsensorStromsensorStromsensorStromsensor

GeschwindigkeitsGeschwindigkeits--sensorsensor

GeschwindigkeitsGeschwindigkeits--sensorsensor

KukaKuka

O&Q

GetriebeGetriebe

O&QO&Q

GetriebeGetriebe

Faulhaber

ElektromotorElektromotor

FaulhaberFaulhaber

ElektromotorElektromotor

LTN

PositionsPositions--sensorsensor

LTNLTN

PositionsPositions--sensorsensor

Abb. 1-3: Aufbau einer Antriebsachse am Beispiel einer seriellen Kinematik

Eine Messung dieser Zustände ermöglicht einerseits eine separierte Einstellung der Koef-fizienten der charakteristischen Gleichung des Reglers über Verstärkungsfaktoren und hat andererseits den Vorteil, dass Momenten- und Geschwindigkeitsfehler über dynamische Rückkoppelungen wirksamer reduziert werden können (Prinzip des Kaskadenreglers).

Der Entwurf von Lagereglern hat auch in der Robotik eine große Bedeutung erlangt. Neben der regelungstechnischen Betrachtung ist eine Dimensionierung der Antriebe vorzunehmen. Es sind dabei verschiedene mechanische Übertragungsarten, je nach Bewegungstransforma-tion zu unterscheiden:

• Rotation ⇔ Rotation,

• Translation ⇔ Rotation und

• Translation ⇔ Translation.

Eine regelungstechnische Betrachtung erfordert ein Aufstellen der Bewegungsgleichung, für die die o.g. Transformationen ebenfalls bedeutsam sind.

Entscheidend für die Dimensionierung von elektrischen Antrieben ist der Bedarf an me-chanischer bzw. elektrischer Leistung. Be-schränkt man sich auf einfache Arbeits-maschinen mit einer Kombination aus geradlinigen und Drehbewegungen, so fin-det eine Umrechnung der Zustandsgrößen zwischen geradlinigen und Drehbewegun-gen, zwischen Drehbewegungen mit unter-schiedlichen Drehzahlen und zwischen geradlinigen und geradlinigen Bewegungen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten

zumeist unter der Annahme verlustloser Übertragungsglieder statt. Aufgrund der Energie-erhaltungssätze stellt man die Energiebilanzen vor und hinter den Übertragungsgliedern (Getriebe, Spindel usw.) auf (siehe Abb. 1-4). Die kinetische Ein- und Ausgangsenergien sowie die Ein- und Ausgangsaugenblicksleistungen müssen infolgedessen gleich sein, so dass

System

n

v

F

M

m

JH

GGGGGGG K

JJJJJJJ

1

n

v

F

M

m

JH

GGGGGGG K

JJJJJJJ

2

Abb. 1-4: Verlustloses Übertragungsglied

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man die diesbezüglichen Gleichungen formell gleichsetzen kann, womit man die gesuchten mathematischen Transformationen der physikalischen Zustandsgrößen, die Momente, Träg-

heitsmomente usw. erhält. Hierbei geht man im Allgemeinen von einem Verbraucher-leistungsbegriff (P ≥ 0 Senke, P < 0 Quel-le), rechtswendig orientierten Koordinaten-systemen und mathematisch positiver Zählweise der Drehrichtungen aus. Der Ein-gang wird dabei mit 1 und der Ausgang mit 2 indiziert.

Anschließend berücksichtigt man die Ver-luste PV der Übertragungsglieder durch Angabe des Wirkungsgrades η (siehe Abb. 1-5):

P P P1 2= + V (1-1)

η = =+

P

P P2

1

1

1 V 2P (1-2)

Die Zustandsgleichungen der allgemeinen, der translatorischen und der rotatorischen Bewegungen zeigt Tab. 1-1. Über die o.g. Ansätze erhält man die Zustandstransformation für die verschiedenen mechanischen Übertragungsglieder nach Tab. 1-2. Typische Wirkungs-grade von mechanischen Übertragungsgliedern zeigt Tab. 1-3.

SystemP1 P2

PV

Abb. 1-5: Wirkungsgrad und Übertragungsglied

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allgemeine Bewegung translatorischer

Antrieb

rotatorischer

Antrieb

Bemerkung

v

Fm

vF

x

m

ω

M

x

J

Zählpfeilsysteme

d dE t= F v d dE F v t= d dE M t= ω differenzielle Ener-

gie

Erzeugerleistungsbegriff

(P ≥ 0 Quelle, P < 0 Senke)

Verbraucherleistungsbegriff

(P ≥ 0 Senke, P < 0 Quelle)

Verbraucherleistungsbegriff

(P ≥ 0 Senke, P < 0 Quelle) Leistungsbegriff

P =d

d

E

t= F v P F vtrans = P Mrot = ω

Augenblicks-

leistung

E m v= 1

22 E m v= 1

22 E J= 1

22ω kinetische Energie

Fv= mt

d

d F F m

v

tA

d

d= + M M J

tA

d

d= + ω

Kräftebilanz

Antriebskräfte

Tab. 1-1: Energiebeziehungen und Bewegungsgleichung

Rotation ⇔⇔⇔⇔ Rotation Rotation ⇔⇔⇔⇔ Translation Translation ⇔⇔⇔⇔ Translation

J1

M1

M2

J2

ω1

ω2

Abtrieb

Antrieb

h := Spindelsteigung

Antriebv F

Schlitten

Spindel

m

Jspω M

Motor

Arbeits-maschine

v1

F1

v2

F2

ün

n= =ω

ω2

1

2

1

hs v v= = =ϕ ϕ

πω�

2 üs

s

v

v= =1

2

1

2

M

M1

2

2

1

1= ωω η

M

F

v=ω η

1

F

F

v

v1

2

2

1

1=η

J

J1

2

2

1

2

=FHG

IKJ

ωω

J

m

v= FH

IKω

2

m

m

v

v1

2

2

1

2

=FHG

IKJ

J J J ii

G 1 =FHG

IKJ

+∑22

1

2

1

ωω

J mv

J J ii

G 1 sp= FHIK + +∑ω

2

1 m mv

vm i

iG 1 =

FHG

IKJ

+∑22

1

2

1

Tab. 1-2: Zustandstransformation mechanischer Übertragungsglieder

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Die Messung der Positionen, Ge-schwindigkeiten und Beschleunigun-gen kann vor oder hinter den mechani-schen Übertragungsgliedern erfolgen.

Eine Messung hinter den Übertra-gungsgliedern nahe an der Wirkstelle hat den Vorteil, dass Übertragungs-fehler von den Sensoren erfasst und über den Regler in ihrer Wirkung re-duziert werden.

Jedoch wird insbesondere bei der Positionsmessung die Auflösung der

Positionssensoren um das Getriebeübersetzungsverhältnis erhöht werden müssen, was zu entsprechend kostenträchtigen Positionssensoren führt. Aus diesem Grunde findet man in der Robotik überwiegend Positionsmessungen auf der Motorseite. Dies gilt analog für die Mes-sung der Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der Achsen. Für die Geschwindigkeits-messungen werden im Allgemeinen Tachogeneratoren eingesetzt (Induktionsspannung pro-portional zur Drehgeschwindigkeit). Aufgrund der Proportionalität von Motorströmen und Motordrehmomenten werden anstatt spezieller Beschleunigungssensoren zumeist die Achs-beschleunigungen über Strommessungen an den elektrischen Motoren bestimmt.

Die Messungen der Positionen der Antriebsachsen vor den mechanischen Übertragungsglie-dern hat unmittelbar zur Folge, dass mechanische Übertragungsfehler relativ stark in das Posi-tionierverhalten eingehen. Dies umfasst sowohl elastisch und thermisch bedingte Über-tragungsfehler als auch reine Übersetzungsfehler. Letztere beinhalten auch das Getriebe und Führungsspiel. Eine Reduzierung dieser Fehler wird zumeist durch spielfreie vorgespannte Führungen und Getriebe vollzogen. Bei einer technisch wirtschaftlich sinnvollen Auslegung erhält man im Allgemeinen die in Abb. 1-6 dargestellte Rangfolge der Fehlereinflussgrößen.

x

yz

w

1. 1. Kinematische Kinematische Parameter:Parameter:(Nullage, Fluchtung und Länge)

2. Lage des Maschinen2. Lage des Maschinen--KS KS zum Basiszum Basis--KSKS

3. Temperatur3. Temperatur--schwankungenschwankungen

4. Gelenk4. Gelenk--elastizitätenelastizitäten

5. Element5. Element--elastizitätenelastizitäten6. Getriebefehler6. Getriebefehler

7. Lagerspiel7. Lagerspiel

8. Weggeber8. Weggeber

9. Reibung9. Reibung

10. Steuerung:10. Steuerung:(Rundungen und num. Verfahrensfehler) KukaKuka

Abb. 1-6: Ursachen für Lagefehler (KS steht für Koordinatensystem)

Übertragungsglied Wirkungsgrad η

Stirnradzahnpaarung 96 % – 99 %

Keilriemengetriebe 94 % – 97 %

Flachriemenantriebe 96 % – 98 %

Ritzel – Zahnstange ca. 96 %

Schnecke – Zahnstange ca. 90 %

Trapezspindel – Mutter ca. 70 %

Kugelgewindetrieb 75 % – 97 %

Tab. 1-3: Typische Wirkungsgrade von mechanischen

Übertragungsgliedern

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Für die Beschreibung des Positionierverhaltens eines Systems benötigt man Koordinaten-systeme. Diese Koordinatensysteme werden in die einzelnen aktiven Gelenkachsen gelegt. Man kann z. B. hierfür kartesische Koordinatensysteme heranziehen. Diese werden dann so an die einzelnen Körper gebunden, dass eine Drehung oder Translation um bzw. in Richtung der Koordinatenachsen erfolgt (siehe Abb. 1-7).

TCP

TCP := Tool Center Point

S0S0

S1S1

S2S2

S3S3 S4S4 S5S5S6S6

Kuka

Drehungen um KoordinatenachsenDrehungen um Koordinatenachsenin einer Koordinatensystemin einer Koordinatensystem--

ebeneebene

TranslationTranslation in Richtung derin Richtung derKoordinatenachsenKoordinatenachsen

Aktives Gelenk:Aktives Gelenk:typisch genau ein Antriebsparametertypisch genau ein Antriebsparameter

pro Gelenkpro Gelenk

Abb. 1-7: Achskoordinatensysteme am Beispiel einer seriellen Kinematik

STCP

SM

SG

SR

Abb. 1-8: Sensor- und Greifer-Koordinatensysteme (G:= Greifer; R:= Referenz; M:=Sensor)

Die Lagebeziehungen der Koordinatensysteme zueinander definiert somit die Lage des End-effektor-Koordinatensystems. Man verwendet dabei eine natürliche Zählweise der Indizes in dem man die einzelnen Koordinatensysteme beginnend bei der Basis S0 hin zum Endeffektor mit steigenden Nummern versieht. Werden weitere mechanische Objekte oder externe Sen-soren mit aufgenommen, so erhalten diese ebenfalls eigene Koordinatensysteme, die in wohldefinierten Beziehung zu den anderen Koordinatensystemen stehen (siehe auch Abb. 1-8 bis 1-16). Diese Koordinatensysteme werden zur Unterscheidung zumeist mit Symbolen in-diziert.

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Die in der Robotik eingesetzten Robotersteuerungen sind gegenwärtig überwiegend speziell entwickelte frei programmierbare Steuerungen, die sowohl eine Bewegungsplanung als auch eine Achsregelung der Abtriebsachsen entsprechend Abb. 1-9 vollziehen. Sie enthalten spe-zielle auf die Robotik zugeschnittene Steuer- und Regelalgorithmen, die die Besonderheiten der gekoppelten Achsen berücksichtigen. Anstatt analoger werden heute überwiegend digitale Systeme bis hin zu den pulsbreitenmodulierten Leistungsendstufen eingesetzt.

T LMpower supply

position control

speed control

current controlpower amplifier

ballast

energyrecovery

desired speed

desired currentactualcurrent

actualspeed

actualposition

desiredposition

Inter-polation

Fein-Inter-polation

Inversekinematische

Transformation

Bewegungs-befehle und

Posen

Geschwindigkeits-und Beschleunigungs

parameter p( )tk q( )tk q( )tk’

Lage-Regler

q

qS q

q

Abb. 1-9: Struktur einer Robotersteuerung

Mit dem vermehrten Einzug von PC-basierten Robotersteuerungssystemen werden Roboter-systeme mehr und mehr von den Entwicklungen des Massenmarktes profitieren. Damit kön-nen objektorientierte Programmiersprachen, PC-basierte Simulationssysteme und nicht zuletzt vielfältige nummerische Algorithmen mit in die Robotersteuerungen integriert werden. Letzt-lich ist dies sowohl wirtschaftlich als auch technologisch die attraktivste Lösung. Offene Steuerungssysteme sollten in diesem Sinne mehr als Chance für eine weitere Verbreitung der Robotertechnologien als eine Gefahr gesehen werden. Für die Roboterhersteller wichtiges System-Know-how muss damit nicht preisgegeben werden.

Im diesem Sinne kann die um 2007 gestartete Initiative von Bill Gates auf dem Gebiet der Robotik einen signifikanten Entwicklungsschub induzieren, den etablierte Roboterhersteller rechtzeitig mit in ihre Überlegungen und Entwicklungen einbeziehen sollten. Bedenkt man, dass vermutlich in ca. 5 bis 10 Jahren auf einem Chip preiswert Rechnerleistungen zur Ver-fügung stehen, die heutigen Großrechnern vorbehalten sind, so wird die Modellierung und Kalibration selbst hoch komplexer Systeme, iterative Inversenberechnung der kinematischen Transformation des mit Achswinkelfehlern behafteten kinematischen Modells im Zusam-menhang mit der Echtzeitbahninterpolation bis hin zur Berechnung der kinematischen In-versen an praxisrelevanten Singularitäten der Maschinenkoordinaten, um nur einiges zu nennen, unter den jeweils spezifischen Echtzeitanforderungen umgesetzt werden können.

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Neben dem Einsatz einzelner Roboter findet man in komplexen Fertigungssystemen mehr und mehr kooperierende Roboter entprechend Abb. 1-10.

Abb. 1-10: Kooperierende Industrieroboter beim Großbauteil-Handling

Eine kooperierende Bewegung von mehreren Robotern erfordert sowohl eine Echtzeit-synchronisation der Lageregler als auch einen Austausch von Sicherheits- und Bewegungs-daten zwischen den Robotersteuerungen. Dieser Datenaustausch muss in der Regel über Echt-zeitnetzwerke nach Abb. 1-11 erfolgen.

Abb. 1-11: Koppelung von Steuerungen kooperierender Industrieroboter (Kurth)

Kooperierende Bewegungen lassen sich wie folgt klassifizieren:

• Asynchrone Bewegungen in sich überschneidenden Arbeitsräumen, • Synchrone Bewegungen in sich überschneidenden Arbeitsräumen und • Multi-Roboter-Objekt-Transport in einem gemeinsamen Arbeitsraum.

Derartige Aufgaben erfordern sowohl eine geometrische als auch zeitliche Koppelung der ein-zelnen Roboterbewegungen. Hierauf müssen sowohl die Robotersteuerungen als auch Robo-terprogrammiersprachen angepasst sein, da in diesem Zusammenhang eine Programmko-operation, Bewegungssynchronisation oder Bewegungskooperation erforderlich ist. Bei der Programmkooperation findet eine zeitliche Synchronisation der Programme in den einzelnen Steuerungen durch entsprechende Befehle statt. Eine Bewegungssynchronisation erfordert einen synchronen Start und Ende der Programme. Die Bewegungskooperation vollzieht eine Bewegung des Multi-Robotersystems mit geometrischer zeitlich konstanter Koppelung zu den anderen Robotern.

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Abb. 1-12: Kooperierende Roboter an einer Abkantpresse (Kurth)

Abb. 1-13: Anlagenkonzepte mit kooperierenden Robotern (Kurth)

Abb. 1-14: Zwei Roboter geometrisch kooperierend und ein geometrisch kooperierender Prozessroboter (Kurth)

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FanucFanucFanucFanuc

Abb. 1-15: Schweißroboter (klassisch und Laser-Remote, Emmelmann)

Abb. 1-16: Flexible Großbauteil-Montagezelle mit kartesischen kooperierenden Robotern

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