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Neues Rezeptur-Formularium ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände Pharmazeutisches Laboratorium Govi-Verlag Pharmazeutischer Verlag GmbH Carl-Mannich-Straße 20 Postfach 5360 Telefax: 06196/928-330 65760 Eschborn 65728 Eschborn E-Mail: [email protected] www.dac-nrf.de Nennung von Lieferanten und Warenzeichen entspricht Kenntnisstand bei Redaktion und schließt andere Bezugsquellen und Produkte nicht aus. Informationen werden ohne Rücksicht auf eventuellen Patentschutz angegeben. Trotz größter Sorgfalt bei der Erstellung der Texte können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Aus der Angabe von Arzneistoffen und Rezepturen darf nicht geschlossen werden, dass diese pharmazeutisch oder medizinisch unumstritten wären. Verlag und NRF-Redaktion können deshalb weder eine juristische Verantwortung noch eine Gewährleistung oder irgendeine Haftung übernehmen. 2006 GOVI Stand: 03.06.2009 Rezepturhinweise: Silberverbindungen, kolloidal lösliche Relevante NRF-Monographien und -Texte: Silbereiweiß-Nasentropfen 2 % / 5 %, NRF 8.5. Silbereiweißacetyltannat-Augentropfen 5 %, NRF 15.7. Relevante Rezepturhinweise im Internet (www.dac-nrf.de): Silbernitrat Borsäure Wirkung / Anwendung: Schwaches Antiseptikum; medizinhistorisch: im 19. Jahrhundert Bedeutung des Kolloidalen Silbers als universelles Wunderheilmittel (24). Physikalische, chemische, galenische Eigenschaften: Siehe NRF und Standardliteratur. 1 Pharmazeutische Grundstoffe Im Gegensatz zu wässrigen Lösungen löslicher Silbersalze (z. B. Silbernitrat oder Silberacetat) handelt es sich bei wässrigen kolloidalen Silberlösungen entweder um flüssige Dispersionen elementaren Silbers oder um flüssige Dispersionen komplexer schwerlöslicher Silberverbindungen. Die wasserdispergierbaren Ausgangsstoffe enthalten Silberionen nur in Spuren. Hinsichtlich der pharmazeutisch verwendeten Silber-Zubereitungen sind u. a. zu unterscheiden: Boraxhaltiges Silbereiweißacetyltannat DAC mit einem Silberanteil von etwa 6 % Boraxfreies Silbereiweißacetyltannat DAC mit einem Silberanteil von etwa 6,5 % Silbereiweiß DAC (ähnlich Argentum proteinicum Erg-B. 6) mit einem Silberanteil von 7,5 bis 8,5 % Kolloidales Silber HAB 2000 mit einem Silberanteil von gewöhnlich 70 bis 80 %. Kolloidales Silber zum äußerlichen Gebrauch Ph. Eur. mit einem Silberanteil von gewöhnlich 70 bis 80 % in der getrockneten Substanz bei bis zu 8 % Trocknungsverlust, Kolloides Silber DAB 6 mit einem Silberanteil von mindestens 70 % [Synonyme: Argentum colloidale bzw. „Kollargol ® “ (gemeint wahrscheinlich „Collargol ® “)], eventuell ähnlich dem Kolloiden Silber ÖAB.

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Neues Rezeptur-Formularium ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände

Pharmazeutisches Laboratorium Govi-Verlag Pharmazeutischer Verlag GmbH

Carl-Mannich-Straße 20 Postfach 5360 Telefax: 06196/928-330 65760 Eschborn 65728 Eschborn E-Mail: [email protected] www.dac-nrf.de Nennung von Lieferanten und Warenzeichen entspricht Kenntnisstand bei Redaktion und schließt andere Bezugsquellen und Produkte nicht aus. Informationen werden ohne Rücksicht auf eventuellen Patentschutz angegeben. Trotz größter Sorgfalt bei der Erstellung der Texte können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Aus der Angabe von Arzneistoffen und Rezepturen darf nicht geschlossen werden, dass diese pharmazeutisch oder medizinisch unumstritten wären. Verlag und NRF-Redaktion können deshalb weder eine juristische Verantwortung noch eine Gewährleistung oder irgendeine Haftung übernehmen. 2006 GOVI Stand: 03.06.2009

Rezepturhinweise: Silberverbindungen, kolloidal lösliche Relevante NRF-Monographien und -Texte: • Silbereiweiß-Nasentropfen 2 % / 5 %, NRF 8.5. • Silbereiweißacetyltannat-Augentropfen 5 %, NRF 15.7. Relevante Rezepturhinweise im Internet (www.dac-nrf.de): • Silbernitrat • Borsäure Wirkung / Anwendung: Schwaches Antiseptikum; medizinhistorisch: im 19. Jahrhundert Bedeutung des Kolloidalen Silbers als universelles Wunderheilmittel (24). Physikalische, chemische, galenische Eigenschaften: Siehe NRF und Standardliteratur. 1 Pharmazeutische Grundstoffe Im Gegensatz zu wässrigen Lösungen löslicher Silbersalze (z. B. Silbernitrat oder Silberacetat) handelt es sich bei wässrigen kolloidalen Silberlösungen entweder um flüssige Dispersionen elementaren Silbers oder um flüssige Dispersionen komplexer schwerlöslicher Silberverbindungen. Die wasserdispergierbaren Ausgangsstoffe enthalten Silberionen nur in Spuren. Hinsichtlich der pharmazeutisch verwendeten Silber-Zubereitungen sind u. a. zu unterscheiden: • Boraxhaltiges Silbereiweißacetyltannat DAC mit einem Silberanteil von etwa 6 % • Boraxfreies Silbereiweißacetyltannat DAC mit einem Silberanteil von etwa 6,5 % • Silbereiweiß DAC (ähnlich Argentum proteinicum Erg-B. 6) mit einem Silberanteil von 7,5

bis 8,5 % • Kolloidales Silber HAB 2000 mit einem Silberanteil von gewöhnlich 70 bis 80 %. • Kolloidales Silber zum äußerlichen Gebrauch Ph. Eur. mit einem Silberanteil von gewöhnlich

70 bis 80 % in der getrockneten Substanz bei bis zu 8 % Trocknungsverlust, • Kolloides Silber DAB 6 mit einem Silberanteil von mindestens 70 % [Synonyme: Argentum

colloidale bzw. „Kollargol®“ (gemeint wahrscheinlich „Collargol®“)], eventuell ähnlich dem Kolloiden Silber ÖAB.

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NRF-Rezepturhinweise: Silberverbindungen, kolloidal lösliche Seite 2 1.1 Erforderliche Qualität der Rezeptursubstanz – TSE-Risiko Falls zutreffend müssen die Rezeptursubstanzen der AB-Monographie „Produkte mit dem Risiko der Übertragung von Erregern der spongioformen Enzephalopathie tierischen Ursprungs“ entsprechen. Silberverbindungen ohne diese Zertifizierung durch den Lieferanten dürfen nicht arzneilich angewendet werden. Ob angebotenes Kolloidales oder Kolloides Silber pharmazeutisch verwendet werden kann, ist unklar. Bei Boraxhaltigem bzw. Boraxfreiem Silbereiweißacetyltannat wird diese Qualität im Herstellungsteil der Monographie expliziert gefordert 1.2 Physikalische Eigenschaften vom Silberdispersionen Silber bildet wie andere Edelmetalle mit Wasser als Dispersionsmittel relativ stabile kolloidale Lösungen. Für die Herstellung kolloidaler Silberlösungen gibt es unterschiedliche Verfahren (13). Das Silber liegt dabei im elementaren Zustand vor. In dem Dispersionskolloid werden Teilchengrößen zwischen 1 und 100 nm beobachtet, meist zwischen 10 und 50 nm, was spezifischen Oberflächen von 50 bis 250 m²/g entspricht (13). Die Dispersion wird durch negative Oberflächenladung der kolloidalen Metallpartikel stabilisiert und kann durch Zugabe störender Elektrolyte vollständig koaguliert und ausgefällt werden (13). Bestimmte makromolekulare Naturstoffe, insbesondere Eiweiße, können Silberkolloide in Lösung stabilisieren, aber mit dem Silber auch ein Pulver bilden, dass die Redispergierbarkeit in Wasser erlaubt. Insofern spielen Silber-Sole als Ausgangsstoffe (diese enthalten meist 1 % Silber) im technischen und pharmazeutischen Bereich kaum noch eine Rolle (13). 2 Antimikrobielle Wirkungen in vitro – oligodynamischer Effekt Unter dem oligodynamischen Effekt oder der Oligodynamie versteht man die schädigende Wirkung kleinster Mengen an Metall-Kationen auf lebende Zellen (13). Die Bezeichnung prägte 1893 ihr Entdecker, der Botaniker K. von Nägeli (1817–1891) (13, 15). Der bakterizide Effekt des Silbers beruht auf der hohen Empfindlichkeit des Stoffwechsels vieler Bakterien gegen Silber-Ionen, so dass das gesundheitliche Risiko für den Menschen u. U. relativ gering bleibt. Damit sind auch relativ schwer wasserlösliche Silberverbindungen und Silbersalze (u. a. Silberoxid und Silberchlorid) für bestimmte Anwendungen ausreichend wirksam, in Anwesenheit von Luftsauerstoff auch elementares Silber, da es oberflächlich in Spuren Silberoxid bildet. Die letztlich durch Silber-Ionen vermittelte antimikrobielle Wirkung ist rascher, wenn das Silber mit einer hohen Oberfläche angeboten wird, wie dies bei kolloidalen Lösungen der Fall ist, sie geht in Anwesenheit von Sulfid-Ionen wegen der zu geringen Löslichkeit des Silbersulfid verloren (13). 2.1 Silber in der Wassertechnologie Silberbeladene Ausgangsstoffe mit großer Oberfläche (Ionentauscher, Filter) oder kolloidale Silberlösungen wurden versuchsweise zur mikrobiologischen Stabilisierung der Wasserqualität in Schwimmbädern und zur Trinkwasserdesinfektion verwendet (13, 14). Hierzu waren relativ hohe Konzentrationen von 0,1 ppm Ag erforderlich, die sich nicht mit den Grenzwerten der Trinkwasserqualität vereinbaren lassen, und die antimikrobielle Wirkung reicht bei hoher Belastung nicht aus (14). 2.2 Antimikrobielles Spektrum und unterschiedliche Metalle Die Edelmetalle Platin und Gold haben wegen zu geringer Löslichkeit und Ionen-Bildung nur eine schwache oligodynamische Wirkung, andere Schwermetalle kommen – wie Antimon, Quecksilber, Cadmium, Kobalt, Nickel oder Kupfer – nur für bestimmte technische Zwecke in Betracht (14). Unterschiedliche Bakterienarten reagieren unterschiedlich empfindlich auf Metalle in Wasser (14). Der antivirale Effekt von Silber-Zubereitungen ist sehr gering und lässt sich durch Konzentrationserhöhung nicht steigern (15).

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NRF-Rezepturhinweise: Silberverbindungen, kolloidal lösliche Seite 3 2.3 Verwendung als Konservierungsstoff in Kosmetik und Pharmazie Ein mikrofein verteiltes Silberchlorid-Titandioxid-Verbundmaterial (3 bis 5 µm), das kontrolliert Silberionen abgeben soll, wurde auf seine Eignung als Konservierungsstoff in kosmetischen Cremes untersucht (15). Die oligodynamische Wirkung des Silbers wird auch zur mikrobiellen Stabilisierung an den Ventilen refluxfreier Pumpventile unkonservierter Präparate genutzt. 2.4 Ausreichende konservierende Wirkung Die antimikrobielle Wirkung der pharmazeutisch noch angewendeten kolloidalen Silberzubereitungen ist unterschiedlich stark, z. T. werden die Forderungen des Arzneibuchtests nach ausreichend schneller Abtötung zugesetzter Testkeime selbst für Augentropfen erfüllt, in anderen Fällen tritt die Keimreduktion zu langsam oder nicht ein, insbesondere gegenüber Schimmelpilzen. 3 Arzneiliche Anwendungen Bei kolloidal löslichen Silberzubereitungen sind zu unterscheiden • die homöopathische Anwendung, • die (negativ beurteilte) Anwendung per os bei Tieren bei Darmentzündungen mit ruhrartigen

Durchfällen, • die Anwendung als Adstringens und mildes Antiinfektivum sowie • die Anwendung als „Wundermittel“, bei der oft homöopathische Denkansätze mit

antimikrobiellem Wirkungsanspruch und Quacksalberei schwer zu trennen sind. 3.1 Fertigarzneimittel und Bedarf für Rezepturen Kolloidal lösliche Silberzubereitungen sind neben homöopathischen Zubereitungen als Fertigarzneimittel kaum noch erhältlich. Dies würde einen Bedarf für die rezepturmäßige Herstellung begründen, falls die Anwendung vor dem Hintergrund einer Nutzen/Risiko-Beurteilung vertretbar bzw. rational nachvollziehbar erscheint. Als Arzneimittel werden überwiegend Augentropfen, Rachensprays und Nasentropfen rezeptiert. 3.1.1 Nutzen/Risiko-Beurteilung bei topischer Anwendung Wirkung und Risiken der pharmazeutisch standardisierten kolloidalen Silberzubereitungen scheinen wissenschaftlich nicht immer ausreichend dokumentiert zu sein. Dies geht zumindest aus den negativen Aufbereitungsmonographien für den Veterinärbereich hervor (1, 2). Für den Humanbereich sind keine Aufbereitungsmonographien veröffentlicht worden. 3.1.2 Risiken und Anwendungsbeschränkungen Die früher übliche Anwendung der Borax-haltigen Rezeptursubstanz, Boraxhaltiges Silbereiweißacetyltannat, ist aufgrund der Stellungnahmen der Bundesoberbehörde betreffend die Bedenklichkeit und Zulässigkeit Bor-haltiger Arzneimittel in der Nasenheilkunde, der Urologie und als Rollkur ausgeschlossen (3, 4); siehe auch die Rezepturhinweise zu „Borsäure“. 3.2 Fließender Übergang zur Quacksalberei Häufig wird die Anwendungskonzentration des Silbereiweiß gegenüber der Normkonzentration stark reduziert. In diesen Fällen ist fraglich, ob der Versuch einer antiinfektiven Behandlung im Vordergrund steht oder der Anspruch einer „Wundermedizin“. 4 Homöopathie Beim NRF sind aus der Praxis keine echten homöopathischen Rezepturen bekannt geworden. Von Heilpraktikern werden aber z. T. Konzentrationsangaben gemacht, z. B. „4 ppm-Lösung“, so dass trotz geringer Dosierung nicht von einer homöopathischen Zubereitung ausgegangen werden kann.

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NRF-Rezepturhinweise: Silberverbindungen, kolloidal lösliche Seite 4 5 Rezepturen zur topischen Wirkung im Magen-Darm-Trakt Die beanspruchte Anwendung per os ist in der Veterinärmedizin wegen fehlender Wirkungsnachweise negativ aufbereitet worden (1). Vor Präparaten zur Einnahme mit Kolloidalem Silber in der Humanmedizin, die kaum noch als Fertigarzneimittel erhältlich sind (21), mögen bei Infektionen mit Helicobacter pylori und anderen Erregern wirksam gewesen sein (18). Heute wird vor der Anwendung wegen des Risikos der Argyrie (Argyrose) und Organschäden bei längerfristiger Anwendung gewarnt (13, 23, 24). In den USA besteht auf Grund anderer Rechtsvorschriften ein Risiko durch Kolloidales Silber in Form von Nahrungsergänzungsmitteln, die aggressiv beworben werden (23, 24). 5.1 Kontrollfunktion des Apothekers In Deutschland müssen Präparate mit Kolloidalem Silber als allopathische Rezepturarzneimittel in der Apotheke angefertigt werden, so dass durch Abgabe nur kleiner Mengen und Warnhinweise („kurze Anwendungsdauer“) ein eventueller Missbrauch kontrolliert werden kann. 6 Anwendung als Antiinfektivum in der HNO-Heilkunde Silbereiweißacetyltannat-haltige Nasentropfen sind als Fertigarzneimittel erhältlich (22). Nur in wenigen Fällen sind Rezepturen für die HNO-Heilkunde bekannt (5), bei diesen wird die antiseptische Wirkung z. T. angezweifelt und ein Nutzen jedenfalls in der Wirkung als Spülmittel gesehen (5). Neben Nasentropfen sind u. a. Rachensprays in der Praxis rezeptiert worden. 6.1 Boraxfreie Silbereiweißacetyltannat-Nasentropfen Für die Herstellung von Nasentropfen kann Boraxfreies Silbereiweißacetyltannat DAC verwendet werden. Die antimikrobielle Wirksamkeit der Borax-freien Substanz dürfte vergleichbar sein mit der Borax-haltigen. Insofern könnte diese dem Arzt als Alternative vorgeschlagen werden, wenn unzulässige Rezepturen verordnet werden, z. B. Rhinoguttae Argenti diacetylotannici proteinici 3 % SR oder Rhinoguttae pro infantibus SR (7). Die Ersatzrezeptur könnte nach Elimination der bedenklichen und umstrittenen Bestandteile für beide Rezepturen gleichartig zusammengesetzt sein. Mikrobiologische Untersuchen sind nicht bekannt.

Silbereiweißacetyltannat-Nasentropfen als (nicht umfassend geprüfter) Ersatz für Rhinog. Arg. diacetylotannici prot. 3 % SR oder für Rhinog. pro inf. SR

Vorschlag: A B Boraxfreies Silbereiweißacetyltannat 3,0 g 3,0 g Mannitol 0,7 – Sorbitol-Lösung 70 %, nicht kristallisierende (Karion® F) – 1,0 g Gereinigtes Wasser zu 100,0 g zu 100,0 g Wegen Unsicherheiten der mikrobiologischen Qualität siehe Text.

6.2 Silbereiweiß-Nasentropfen und -Augentropfen Silbereiweiß wird trotz des begrenzten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes als Austausch-Substanz für das Boraxhaltige Silbereiweißacetyltannat in Nasentropfen angewendet. Gelegentlich wird die Vertretbarkeit damit begründet, dass trotz des schlecht belegten Nutzens keine gesundheitlichen Risiken durch Konservierungsstoffe zu befürchten seien; vgl. NRF 8.5. 6.2.1 Isotonisierung Kolloidale Silbereiweiß-Lösungen sind im basischen pH-Bereich ausreichend stabil. Im sauren Bereich und in geringem Ausmaß auch in Kombination mit Natriumchlorid kommt es zu Ausfällungen. Eine 5-prozentige Silbereiweiß-Lösung hat etwa die Osmolalität ξ = 150 mosmol/kg. In der Literatur wird die isoosmotische Konzentration mit 5,51 % angegeben (6). Der Zusatz von Natriumacetat, wie in der Monographie Silbereiweiß-Nasentropfen NRF 8.5. beschrieben, dient zur

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NRF-Rezepturhinweise: Silberverbindungen, kolloidal lösliche Seite 5 Einstellung der Isotonie und bewirkt eine Verschiebung des pH-Wertes in den basischen Bereich. Möglicherweise sind nicht pH-aktive, nichtionische Hilfsstoffe, wie z. B. Sorbitol oder Mannitol vorteilhafter. 6.2.2 Konservierung Auf eine zusätzliche chemische Konservierung der 5- bzw. 2-prozentigen Silbereiweiß-Nasentropfen kann wegen der ausreichenden antimikrobiellen Wirkung des Silbereiweiß verzichtet werden. Bei geringeren Konzentrationen an Silbereiweiß ist die mikrobiologische Stabilität schwächer. So tötete eine einprozentige Silbereiweiß-Lösung auf Grundlage 5-prozentiger Mannitol-Lösung (pH 8,75) den Testkeim Candida albicans nicht ab, wie im Arzneibuch gefordert, sondern es kam sogar zu Keimwachstum. Phenylmercurinitrat oder Thiomersal werden zur Konservierung für Silbereiweiß-Augentropfen genannt (6), diese Konservierungsstoffe kommen aber für Nasentropfen nicht infrage. 6.2.3 Zusätzliche Arzneistoffe, z. B. Naphazolin Häufig soll Silbereiweiß mit Naphazolin- oder Xylometazolinhydrochlorid bzw. Dexpanthenol kombiniert werden. Hierbei sollte die Verwendung von Fertigarzneimitteln wegen möglicher Inkompatibilitäten vermieden werden (3). Mit dem Wirkstoff in Form der betreffenden Rezeptursubstanz wird eine geringe Menge Chlorid eingebracht, die Konzentration dürften dabei im Hinblick auf Wechselwirkungen mit dem Silbereiweiß zu vernachlässigen sein. Fertigarzneimittel enthalten aber häufig auch Natriumedetat und sind auf eine schwach saure Reaktion eingestellt. Vorteile der Rezeptur aus der Substanz liegen vor allem in der Vermeidung der in den Fertigarzneimitteln enthaltenen Konservierungsmittel, da bei 5-prozentiger Silbereiweiß-Konzentration keine zusätzliche Konservierung nötig ist. Eine mögliche Rezeptur mit Naphazolin könnte wie folgt aussehen:

Naphazolin-haltige Silbereiweiß-Nasentropfen – nicht praktisch verifiziert Vorschlag: A B Silbereiweiß 5,0 g 5,0 g Naphazolinnitrat (oder -hydrochlorid) 0,05 g 0,05 g Mannitol 2,6 – Sorbitol-Lösung 70 %, nicht kristallis. (Karion® F) – 3,7 g Gereinigtes Wasser zu 100,0 g zu 100,0 g

Die Stabilität dürfte vor allem durch die zu erwartende Zersetzung des Naphazolin bzw. Xylometazolin bei dem durch das Silbereiweiß dominierten neutralen oder schwach basischen pH-Wert begrenzt sein. Bei Anwendung ist die Aufbrauchsfrist aus Hygienegründen auf die Richtwerte des NRF zu begrenzen (14 Tage; im Falle der Abgabe als Nasenspray auf 6 Monate, wegen der vorgenannten chemischen Instabilität besser 3 Monate). Es ist allerdings nicht praktisch verifiziert, dass die Lösung technisch als Spray anwendbar ist (und nicht etwa die Sprühöffnung verklebt), und es ist im Einzelfall zu beurteilen, ob kleine Kinder das Spray akzeptieren. 7 Augentropfen mit Boraxhaltigem Silbereiweißacetyltannat Boraxhaltiges Silbereiweißacetyltannat DAC wird trotz des begrenzten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes als mildes Antiseptikum in 5-prozentiger Konzentration als Augentropfen angewendet, vgl. NRF-Vorschrift 15.7. In Nasentropfen wurde es früher auch angewendet, bei Bedarf ist es dort durch andere, boraxfreie kolloidale Silberzubereitungen ersetzt worden. 7.1 Isotonisierung Die isoosmotische Konzentration des Boraxhaltigen Silbereiweißacetyltannat beträgt etwa 3,4 % (6), so dass bei 5-prozentigen Rezepturen keine weiteren isotonisierenden Zusätze benötigt werden.

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NRF-Rezepturhinweise: Silberverbindungen, kolloidal lösliche Seite 6 Bei niedrigeren Wirkstoffkonzentrationen empfiehlt der DAC (Anlage A) Kaliumnitrat zur Korrektur der Tonizität, Natriumchlorid kommt wegen möglicher Inkompatibilitäten nicht infrage. Ggf. sind auch nicht pH-aktive, nichtionische Hilfsstoffe, z. B. Sorbitol oder Mannitol, zu diskutieren. 7.2 Konservierung und Stabilität Wegen der ausreichend antimikrobiellen Wirkung des Boraxhaltigen Silbereiweißacetyltannat kann auf eine zusätzliche chemische Konservierung der Augentropfen verzichtet werden. Ein wesentliches Merkmal für die Qualität der Substanz ist die Filtrierbarkeit wässriger Lösungen durch Bakterien zurückhaltende Membranfilter. Für NRF-Vorschrift 15.7. gilt die (grundsätzlich für konservierte Augentropfen in Mehrdosenbehältnissen anzunehmende) Aufbrauchfrist von 4 Wochen und eine Haltbarkeitsfrist von mindestens 6 Monaten. 8 Silber-Zubereitungen zur Instillation in die Harnblase Silbernitrat ist früher offensichtlich bei Cystitiden angewendet worden (8). Die Anwendung von diversen Silbereiweiß-Verbindung, u. a. von Silbereiweiß (Protargol®) scheint vor allem in der früheren Gonorrhoe-Behandlung eine Rolle gespielt zu haben (9, 10). Leider ist den Angaben nicht sicher zu entnehmen, ob hierzu wirklich die Harnblase einbezogen wurde. Dies scheint aber bei „Injectio usitata“ nach FMB (11) wahrscheinlich. Aus neuerer Zeit ist hierzu beim NRF nichts wissenschaftlich Verwertbares dokumentiert. Für die Anwendung von Boraxfreiem bzw. Boraxhaltigem Silbereiweißacetyltannat als Blasenspülung gibt es in 0,2-prozentiger bzw. 1-prozentiger Konzentration nur Hinweise aus der Sekundärliteratur (12). Für allgemeine Hinweise zur Herstellung von Blaseninstillationslösungen siehe auch NRF-Abschnitt I.16. 9 „Wundermittel“: „Silberwasser“ bzw. niedrig konzentrierte kolloidale Silberlösungen Selbst hergestellte oder aus dubioser Quelle bezogene kolloidale Silberlösungen werden seit mehreren Jahren im Internet und unseriösen Zeitschriften als angebliches „natürliches Antibiotikum“ angepriesen, das „effektiv Bakterien, Viren und Pilze tötet“, „ohne Nebenwirkungen“ sei, auch gegen Psoriasis (18) Krebs und AIDS (19) helfe und zahlreiche Indikationen bei z. T. anderen schwer wiegenden Erkrankungen habe (20). Vom Produktstatus her handelt es sich angeblich oft um Nahrungsergänzungsmittel, jedoch werden auch Präparate zur Lokalanwendung beworben. Von der Anwendung entsprechender Präparate wurde abgeraten (18–20, 25), die Verharmlosung der unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung bei Schwangeren, Säuglingen und Kleinkindern wurde als „unverantwortlich“ (19) bezeichnet. Dies dürfte im Besonderen für das kolloidale Silber mit seinem hohen Silberanteil gelten. Literatur: (1) Aufbereitungskommission F beim Bundesgesundheitsamt / Bundesinstitut für Arzneimittel

und Medizinprodukte: Monographie: Kolloides Silber, Pharm. Ztg. 137 (1992) 236–237. (2) Aufbereitungskommission F beim Bundesgesundheitsamt / Bundesinstitut für Arzneimittel

und Medizinprodukte: Monographie: Silber-Eiweiß-Komplex, Pharm. Ztg. 138 (1993) 4183. (3) Lang, S., Borax-haltige Rhinologika sind verboten, Pharm. Ztg. 145 (2000) 26-28. (4) Reimann, H., Bor-Verbindungen in Rezepturen, Pharm. Ztg. 145 (2000) 102. (5) Breuninger, H., Medikamentöse Therapie der Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten, 4. Auflage,

Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York 1983, S. 49, 65 u. 82. (6) Dolder, R., Skinner, F. S., Monographie: Silberprotein. In: Dolder, R., Skinner, F. S. (Hrsg.),

Ophthalmika, 4. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1990, S. 309-310.

(7) N. N., Monographie: Rhinoguttae Argenti diacetylotannici proteinici 3 % SR, Rhinoguttae pro infantibus SR. In: Institut für Arzneimittelwesen der DDR (Hrsg.), Standardrezepturen 1990 (SR 90). Für das Apothekenwesen bestimmte Ausgabe, 15. Auflage. VEB Verlag Volk

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und Gesundheit, Berlin, 1990. Unveränderter Nachdruck als 16. Auflage, Ullstein Mosby, Berlin 1993.

(8) N. N., Monographien: Silver, Silver Nitrate, Silver Protein. In: Reynolds, J. E. F. (Hrsg.), Martindale – The Extra Pharmacopoeia, 31st Edition, Royal Pharmaceutical Society, London 1996, S. 1751.

(9) N. N., Monographie: Argentum. In: Frerichs G., Arends, G., Zörnig, H. (Hrsg.), Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, 1. Band, 2. berichtigter Neudruck, unveränderter Nachdruck, Springer Verlag, Berlin u. a. Orte 1949, S. 527–547.

(10) N. N., Monographie: Argentum. In: Reichert, B., Frerichs G., Arends, G., Zörnig, H. (Hrsg.), Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis, Ergänzungsband, unveränderter Nachdruck, Springer Verlag, Berlin u. a. Orte 1949, S. 247–253.

(11) Reuter, F., Monographie: Injectio usitata. In: Formulae Magistrales Berolinenses, Weidmann, Dublin und Zürich 1968.

(12) Pharmazeutische Stoffliste, Stand: 1989. (13) Renner, H., Silber, Silber-Verbindungen und Silber-Legierungen. In: Bartholomé, E., et al.

(Hrsg.), Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, Band 21, 4. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim, New York 1982.

(14) Hausam, W., Desinfektionsmittel. In: Bartholomé, E., et al. (Hrsg.), Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, Band 10, 4. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim, New York 1975.

(15) Müller, H. E., Untersuchungen zur oligodynamischen Wirkung von 17 verschiedenen Metallen auf Bacillus subtilis, Enterobacteriaceae, Legionellaceae, Mocrococcae und Pseudomonas aeruginosa, Zbl. Bakt. Hyg. B 182 (1985) 95–101.

(16) Mahnel, H., Schmidt, M., Über die Wirkung von Silberverbindungen auf Viren in Wasser, Zbl. Bakt. Hyg. B 182 (1986) 381–392.

(17) Corbett, R. J., An inorganic biocide using a novel presentation of silver, Int. J. Cosmet. Sci 18 (1996) 151–165.

(18) Schubert, H.-J., Rubrik Forum, PSO-Magazin Heft 2/2002 (2002) 31. (19) N. N., Kolloidales Silber statt Antibiotika?, Arznei-Telegramm 33 (2002) 106. (20) Frey, O., Kolloidales Silber bei Infektionen?, Med. Mo. Pharm. 24 (2001) 165. (21) Gastrarctin® N Tropfen. In: Rote Liste® 2007, Editio Cantor Verlag, Aulendorf. (22) Rhinoguttae Argenti diacetylotannici proteinici 3 % SR Rhinoguttae pro infantibus N. In:

Rote Liste® 2004, Editio Cantor Verlag, Aulendorf. (23) Füeßl, H. S., Versilberter Knabe, MMW-Fortschr. Med. 147/Heft 7 (2005 65–66; nach:

Wickless, S. C., Shwayder, T. A., A medical mystery, N. Engl. J. Med. 351 (2004) 15, 1547. (24) Fung, M. C., et al., Colloidal Silver proteins marketed as health supplements, JAMA 274

(1995) 1196–1197. (25) N. N., Arzneimittelinformationsstellen der LAK Hessen, LAK-Konkret. Mitteilungen der

Landesapothekerkammer Hessen 4/2006, S. 20. (26) N. N., Monographie: Argentum colloidale – Kolloidales Silber. Kollargol. In: Deutsches

Arzneibuch, 6. Ausgabe 1926. Neudruck 1951 mit eingearbeitetem 1. und 2. Nachtrag, Deutscher Apotheker-Verlag, Stuttgart 1951.