1 Unternehmensteuerrecht SS 2015 Prof. Dr. iur. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht.

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UnternehmensteuerrechtSS 2015

Prof. Dr. iur. Roman SeerLehrstuhl für Steuerrecht

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Steuersubjekte

Einkommensteuer Körperschaftsteuer

Steuersubjekt:Natürliche Person

(§ 1 I EStG)

als Einzelunternehmer/Mitunternehmer einer Personengesellschaft

Steuersubjekt:Juristische Personenund gleichgestellteVermögensmassen

i.S.v. § 1 KStG

und zwar auch, soweitdie Körperschaft Gesell-

schafterin einer Per-sonengesellschaft ist

Personengesell-schaften

sind weder Subjekt der Einkommen- noch der Körperschaftsteuer!

vielmehr transparenteBetrachtung

Der Gewinn der Per-sonengesellschaft wird anteilig auf die Mitunter-

nehmer verteilt (§ 15 I Nr. 2 Satz 1 EStG)

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Rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung

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AG

Kapital-gesellschaften

Vereine

Idealverein(§§ 21 ff. BGB)

Juristische Personen des Zivilrechts

Gesamthands-gemeinschaften

Stiftung(§§ 80 ff. BGB)

GmbH eG

Personen-gesellschaften

GbR

PartG OHG KG

Erbengemein-schaft

Gütergemein-schaft

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Insbesondere: GmbH & Co. KG

X-GmbH & Co. KG

A-GmbH B

Komplementär Kommanditist

Gesellschafter (100 %)

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Rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung

PersonengesellschaftenEinzelunternehmen

Transparenzprinzip Trennungsprinzip

Gewinn unterliegt der KSt der KapGes u. bei

Ausschüttung der ESt des Gesellschafters

Gewinn unterliegt der ESt beim Gesellschafter

(Zurechnung)

Kapitalgesellschaften

Gesellschafter (selbst der Kommanditist) wirdals Mitunternehmer

qualifiziert (§ 15 I 1 Nr. 2 EStG)

Gesellschafter (auch ein beherrschender) wird als Kapitalgeber qualifiziert

(§ 20 I Nr. 1 EStG)

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Rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung

Die A-GmbH erwirtschaftet einen Gewinn iHv 100; eine Ausschüttung an den Ges´ter B (= natürliche Person) wird nicht beschlossen

GmbH Ges´terGewinn 100,00

KSt -15,00

GewSt - 15,00

Gewinn nach Steuern

70,00

Ausschüttung 0,00

Einkünfte iSv § 20 I Nr.1 EStG

0,00

ESt 0,00

Nach Steuern 0,00

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Rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung

GmbH Ges´terGewinn 100,00

KSt -15,00

GewSt - 15,00

Gewinn nach Steuern

70,00

Ausschüttung 70,00

Einkünfte iSv § 20 I Nr.1 EStG

70,00

ESt (25 %) - 17,50

Nach Steuern 52,50

Die A-GmbH erwirtschaftet einen Gewinn iHv 100. Die Ges´terversammlung beschließt eine Ausschüttung von 70 an den Alleinges´ter A und zahlt diese aus.

Bsp. unter Zugrunde-legung der Abgeltungsteuer

(§ 32d I EStG)Alternativ: Option zur Regelbe-

steuerung mit dem individuellen ESt-Satz des Ges´ters

(§ 32d II Nr. 3 lit. a) EStG)

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Rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung

OHG Ges´ter B Ges´ter CGewinn 100,00

GewSt - 15,00

Verteilung des Gesamthands-gewinns auf die Gesellschafter 50,00 50,00ESt mit dem individuellen Steuersatz (hier: 45 %) - 22,50 - 22,50Anrechnung GewSt + 6,65 + 6,65Nach Steuern 34,15 34,15

Die BC-OHG erwirtschaftet einen Gewinn iHv 100. Ges´ter sind B und C zu je 50 %. Sowohl B als auch C sind im Höchststeuersatz.

§ 35 EStG

Für die Besteuerung der Ges´ter B und C ist es grundsätzlich irrelevant, ob sie den Gewinn bei der OHG entnehmen bzw. ob sie ihn entnehmen dürfen Transparenzprinzip = unmittelbare Zurechnung bei den Ges´tern

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Unternehmensträgerschaft BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BStBl. II 1993, 616;

BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617

Unternehmer des Betriebs u. Träger des Unternehmens = Mitunternehmer in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit

Kriterien: Mitunternehmerinitiative u. -risiko

Spätestens seit BGHZ 146, 341: Rechtsfähigkeit der Außen-GbR Unternehmensträger = Gesamthand als rechtsfähige Gruppe, nicht der einzelne PersGes‘ter

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Gewerbliche Mitunternehmerschaft - Voraussetzungen (I)(Tipke/Lang, § 10 B)

1. Gesellschaft i.S.d. § 15 I Nr. 2 EStG

a) Personengesellschaften

= Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG), GbR,

reine Innengesellschaften (z.B. stille Gesellschaft)

b) wirtschaftlich vergleichbare

Gemeinschaftsverhältnisse

(z.B. Erbengemeinschaften, Bruchteilsgemeinschaften)

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Gewerbliche Mitunternehmerschaft - Voraussetzungen (II)(Tipke/Lang, § 10 B) 2. Gewerbliches Unternehmen a) grundsätzlich muss Tätigkeit der

Gesellschaft alle Tatbestandsmerkmale des § 15 II

EStG erfüllen

b) Sonderfall § 15 III Nr. 2 EStG (gewerblich geprägte Gesellschaft)

c) Umfang der gewerblichen Einkünfte:

gesamte Tätigkeit, wenn zumindest teilweise

gewerblich

(§ 15 III Nr. 1 EStG, sog. Abfärbung); gilt nur für

PersGes‘en, nicht für Gemeinschaften

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Gewerbliche Mitunternehmerschaft - Voraussetzungen (III)(Tipke/Lang, § 10 B)

3. Gesellschafter sind Mitunternehmer

a) tragen Mitunternehmer-Risiko

b) entfalten Mitunternehmer-Initiative

c) mindestens zwei Mitunternehmer vorhanden

d) Voraussetzungen auch bei Gesellschaftern

von OHG oder KG erforderlich

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Zurechnungs-kriterien

Mitunternehmer-initiative

Mitunternehmer-risiko

Beachte: Gesamtbild entscheidend (Typusbegriff); vgl. z.B. BFH, BStBl. II 2006, 595 ff.; 2013, 79 ff.

Bedingte Kompensation

Zurechnungsfunktion des Mitunternehmerbegriffs (I)(Tipke/Lang, § 10 B)

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Zurechnungsfunktion des Mitunternehmerbegriffs (II)(Tipke/Lang, § 10 B)

Einfluss auf Unternehmensentscheidungen:• Geschäftsführungs- und

Vertretungsrechte• Stimm-, Kontroll- und

WiderspruchsrechteMindestmaß: Stellung eines Kommanditisten nach dem

HGB

Mitunternehmerinitiative

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Zurechnungsfunktion des Mitunternehmerbegriffs (III)(Tipke/Lang, § 10 B)

Risikomerkmale:• Beteiligung am laufenden Gewinn

und Verlust• Beteiligung an den stillen

Reserven des Anlagevermögens einschl. eines Firmenwerts• Mindestmaß: Stellung eines

Kommanditisten nach dem HGB

Mitunternehmerrisiko

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„Familienpersonengesellschaft“

Z-GmbH & Co. KG

V S

V-GmbH

Kommanditisten

Komplementär

100 %

S ist von seinem Vater V mit 10 % an der Z-GmbH & Co. KG (Tätigkeit = Maschinenbau) beteiligt worden (Schenkung). Die Hafteinlage beträgt 10 T€. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass S mit Dreiviertelmehrheit jederzeit aus der Gesellschaft herausgekündigt werden kann. Für jeden Fall des Ausscheidens ist eine Buchwertabfindungsklausel vorgesehen. Anmerkung: Unterstellen Sie, dass der Gesellschaftsvertrag wirksam ist!

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„Familienpersonengesellschaft“

A. Einkünfte des VI. Subjektive Steuerpflicht § 1 I EStG (+)

II. Objektive Steuerpflicht

1. Einkünftequalifikation

Einkünfte aus gewerblicher Mitunternehmerschaft gemäß § 15 I Nr. 2 EStG?

(+), da

1. KG = Gesellschaft

2. auf der Ebene der Gesellschaft eine Tätigkeit ausgeübt wird, welche die Voraussetzungen von § 15 II EStG erfüllen

3. V als Mitunternehmer anzusehen ist (es gelten uneingeschränkt die §§ 161 ff. HGB) u. zudem (mit V) mindestens zwei Mitunternehmer vorhanden sind, nämlich neben V die V-GmbH (Komplementär)

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„Familienpersonengesellschaft“

A. Einkünfte des SI. Subjektive Steuerpflicht § 1 I EStG (+)

II. Objektive Steuerpflicht

1. Einkünftequalifikation

a. Einkünfte aus gewerblicher Mitunternehmerschaft gemäß § 15 I Nr. 2 EStG?

(-), da S (wohl) nicht als Mitunternehmer angesehen werden kann.

Mitunternehmerrisiko bleibt hinter den §§ 161 ff. HGB zurück, weil S abweichend vom Regelfall nicht an den stillen Reserven beteiligt wird.

Mitunternehmerinitiative wer jederzeit Angst haben muss, von dem Mehrheitsgesellschafters herausgekündigt zu werden, kann sich in der Gesellschaft (selbst als Minderheitsgesellschafter) nicht frei entfalten.

b. Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 I Nr. 4 o. 7 EStG)? (+)

S wird letztlich wie ein Kapitalanleger behandelt

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Besteuerung der Mitunternehmerschaft (Tipke/Lang, § 10 B)

Früher: BilanzbündeltheorieHeutige Auffassung: Grundsatz der Einheitstheorie

Gesellschaft ist zwar nicht Steuersubjekt, aber zumindest partielles Steuerrechtssubjekt.

1) Gesellschaft ist Einkünftequalifizierungssubjekt Tätigkeit der Gesellschaft erfüllt den Einkünftetatbestand. Einkunftsart ist daher prinzipiell aufgrund dieser Tätigkeit zu bestimmen.2) Gesellschaft ist Gewinnerzielungssubjekt Es ist auf der Ebene der Gesellschaft zu prüfen, ob die Gesellschaft ihre Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht (als Merkmal steuerbarer Einkünfte) betreibt.3) Gesellschaft ist Gewinnermittlungssubjekt Grundlage der Ermittlung des Gewinnanteils als erste Komponente der Mitunternehmer-Einkünfte ist die Handelsbilanz der Gesellschaft; aus dieser ist unter Berücksichtigung des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 I EStG) die Steuerbilanz der Gesellschaft zu entwickeln.

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1. Stufe = Ebene der Gesellschaft• Personengesellschaft ist zwar nicht

Steuersubjekt, aber immerhin Gewinnerzielungssubjekt

• Betätigung der Gesellschaft verwirklicht den Einkünftetatbestand

Qualifikation und Zurechnung der Einkünfte von Mitunternehmern (Tipke/Lang, § 10 B)

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Qualifikation und Zurechnung der Einkünfte von Mitunternehmern (Tipke/Lang, § 10 B)

Rechtsfolgen• Gegenstand der Gewinnermittlung ist auf der

ersten Stufe der Anteil an dem durch die Gesamthand erzielten Gewinn (Gewinnanteil i.S.d. § 15 I Nr.2 S.1, 1.Hs. EStG)

• Es ist zunächst auf der Ebene der Gesellschaft zu prüfen, ob die Merkmale steuerbarer Einkünfte erfüllt sind und welche Einkunftsart vorliegt (BFH GrS BStBl. II 84, 751 ff.; 91, 691 ff.)

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2. Stufe = Ebene der Gesellschafter• Steuersubjekt ist letztlich der Gesellschafter,

nicht die Gesellschaft• Mitunternehmer kann auch außerhalb der

Gesamthand mit seiner Mitunternehmerschaft zusammenhängende Einkünfte erwirtschaften (z.B. Sondervergütungen nach § 15 I Nr.2 S.1, 2. Hs. EStG)

Qualifikation und Zurechnung derEinkünfte von Mitunternehmern (Tipke/Lang, § 10 B)

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Qualifikation und Zurechnung der Einkünfte von Mitunternehmern (Tipke/Lang, § 10 B)

Rechtsfolgen Die außerhalb der gesamthänderischen

Bindung erzielten Einkünfte werden hinzugerechnet (s. § 15 I Nr.2 S.1 EStG für Sondervergütungen; ebenso das sog. Sonderbetriebsvermögen)

Die personenbezogene Einkünftequalifikation hat endgültig erst auf der Ebene der Gesellschafter zu erfolgen (BFH GrS BStBl. II 95, 617 ff.)

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Tätigkeit der Mitunternehmerschaft gewerblich i.S.d. § 15 II EStG ?

Auf der Ebene der Gesamthand:In vollem Umfang gewerbliche Ein-künfte (§ 15 I Nr. 2, II EStG)

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Tätigkeit der Mitunternehmerschaft gewerblich i.S.d. § 15 II EStG ?Nur teilweise, daneben auch nichtgewerblich (freiberuflich, L+F, Vermögensverwaltung)

Personengesellschaft§ 15 III Nr. 1 EStG einschlägig!► Keine getrennte Beurteilung, insgesamt gewerbliche Einkünfte (Abfärbewirkung) maßgeblich ist die Tätigkeit (BFH BStBl. II 2005, 376 u. 383; 14, 972), die in gesamthänderischer Verbundenheit ausgeübt wird (BFH BStBl. II 2007, 378)

Rechtsfolgen

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Tätigkeit der Mitunternehmerschaft gewerblich i.S.d. § 15 II EStG ?

Folgen (u.a.):GewSt auch für Einkünfte, die originär nichtgewerblich sind. Ungleichbehandlung gegenüber Einzelunternehmer, bei dem eine getrennte Beurteilung gilt; Verstoß gg. Art. 3 I GG? § 15 III Nr. 1 EStG (-), wenn Anteil der gewerblichen Tätigkeit geringfügig

Rechtsfolgen bei Vorliegen der Voraussetzungendes § 15 III Nr. 1 EStG

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Tätigkeit der Mitunternehmerschaft gewerblich i.S.d. § 15 II EStG ?

Keine gewerblicheTätigkeit

Handelt es sich um eine gewerblich geprägte Gesellschaft (§ 15 III Nr. 2 EStG)?Bsp. : GmbH & Co. KG► Tätigkeit der Gesellschaft gilt in vollem Umfang als gewerblich

Hinweis zur Rechtsentwicklung:• Nach früherer Rspr. galt sog. Geprägetheorie• Aufgabe durch BFH GrS BStBl. II 84, 751

wegen der Einheit der Gesellschaft • Umgehende Normierung der Gepräge-

Grundsätze in § 15 III Nr. 2 EStG.

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Umfang der gewerblichen Einkünfte

Einkünfte aufgrund schuldrechtlicher Leistungsbezieh-ungen des Mitunternehmers mit der Gesellschaft werden ebenfalls als gewerblich qualifiziert, wenn es sich um „Dienste und Nutzungsüberlassungen“ handelt und die von der Gesellschaft vergütete Leistung bei wirtschaft-licher Betrachtung als Beitrag zur Erreichung und Verwirk-lichung des Gesellschaftszwecks dient (Beitragstheorie).

Gewerblichkeit der Vermögensveränderungen im Zusammenhang mit dem Sonderbetriebsvermögen

Ungeachtet, ob die Gewerblichkeit auf der Ebene der Gesellschaft aus § 15 II EStG oder § 15 III Nr. 2 EStG folgt: Die Wirkungen des § 15 I Nr. 2 EStG gehen ferner über die Gesamthand hinaus

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Umfang der gewerblichen Einkünfte

Z - KGV

S

Kommanditist

Komplementär

Gewinnanteil= § 15 I Nr. 2 EStG

§§ 535 ff. BGBMietzins

§ 21 EStG § 15 I Nr. 2 EStG

Beispiel: Gesellschafter V vermietet an die Z-KG ein Grundstück!

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Einkünfteermittlung bei Mitunternehmer-schaften

A. Subjektive SteuerpflichtB. Objektive SteuerpflichtI. Einkünftequalifikation1. Personengesellschaft oder ähnliche Vereinigung2. Gewerbliche Tätigkeit in gesamthänderischer Verbundenheit3. Mitunternehmerschaft und zu prüfender Gesellschafter ist als

Mitunternehmer anzusehen Steuersubjekt erzielt Einkünfte aus einer gewerblichen Mitunter-nehmerschaft

II. Einkünfteermittlung1. Ebene der Gesellschaft Gewinnanteil2. Ebene des Gesellschafters Sonderbetriebsergebnis

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Einkünfteermittlung 1. Stufe - Gewinnanteil im Fall einer Personenhandelsgesellschaft (Tipke/Lang, § 10 B)

Handelsbilanzgewinn der GesellschaftPersonenhandelsgesellschaften sind buchführungspflichtig

(§§ 6 I, 238 I HGB); sie müssen regelmäßig einen Jahresabschluss erstellen (§ 242 HGB)

Steuerbilanzgewinn der GesellschaftMaßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz, aber

Anpassung handelsrechtlicher Ansätze und Bewertungen an steuerrechtliche Vorschriften

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Anteil des einzelnen Mitunternehmers am Steuerbilanzgewinn Anteilige Verteilung der Gewinne auf die Mitunternehmer. Maßgebend für Verteilung ist grundsätzlich die Regelung im Gesellschaftsvertrag.

Zurechnung im Jahr der Entstehung des Gewinns bei der Gesellschaft unabhängig vom Zufluss beim Gesellschafter.

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Einkünfteermittlung 1. Stufe - Gewinnanteil im Fall einer Personenhandelsgesellschaft (Tipke/Lang, § 10 B)

Korrekturen durch ErgänzungsbilanzenWertkorrekturen für den einzelnen Gesellschafter zu den anteilig auf

ihn entfallenden Ansätzen in der Steuerbilanz der Gesellschaft bei entgeltlichem Erwerb eines Mitunternehmeranteils, Einbringungen (§ 24 UmwStG) und personenbezogenen Steuervergünstigungen

Gewinnanteil des Mitunternehmers i.S.d § 15 I Nr. 2 S. 1, 1.Hs. EStG

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Einkünfteermittlung 2. Stufe - Das Sonder-betriebsergebnis des Mitunternehmers (Tipke/Lang, § 10 B)

Sondervergütungen (§ 15 I Nr. 2 S. 1, 2.Hs. EStG)• Erweiterung der gewerblichen Einkünfte des Mitunter-

nehmers um sog. Sondervergütungen durch § 15 I Nr. 2 S. 1, 2.Hs. EStG.

• Leistungen werden außerhalb der gesamthänderischen Sphäre erbracht.

• Vergütungen stellen handels- und steuerrechtlich Aufwand der Gesellschaft dar.

• Grund: wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit gesellschafts-vertraglich geschuldeten Beiträgen, für die der Gesellschafter höheren Anteil am Gewinn (= bloße Gewinnverteilung = 1. Stufe) erhält.

• Wirkung: Einkünfte, die an sich Überschusseinkünfte sind, werden in gewerbliche umqualifiziert.

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Einkünfteermittlung 2. Stufe - Das Sonder-betriebsergebnis des Mitunternehmers(Tipke/Lang, § 10 B)

Einkunftsermittlung im SonderbereichEinkünfte des Sonderbereichs sind wegen des gewerblichen Charakters als Gewinn nach §§ 4 ff. EStG zu ermitteln.Sonderbetriebsvermögen (eigenes Vermögen des Gesellschafters, das dem Betrieb oder seiner Beteiligung dient) ist Grundlage der Gewinnermittlung.Gewinnermittlungsart richtet sich nach der im Gesamthandsbereich Nur wenn Gesellschaft Gewinn nach § 4 III EStG ermittelt, darf auch der Gesellschafter eine § 4 III EStG-Rechnung erstellen; ansonsten muss auch er unabhängig von eigener Buchführungs- pflicht bilanzieren.Ergebnis des Sonderbereichs ist additiv mit dem Gewinnanteil des Gesellschafters zusammenzurechnen; nach überwiegender Auffassung gilt dabei das Prinzip der korrespondierenden Bilanzierung.

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Sonderbetriebsvermögen I Sonderbetriebsvermögen I

alle Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines Gesellschafters stehen und unmittelbar dem Betrieb der Gesellschaft dienen.Bsp.: Gesellschafter vermietet Grundstück an die Gesellschaft oder gewährt ihr ein Darlehen. Rechtsgrundlage: Umqualifizierung des Vermögens in gewerbliches als Folge der Einkünfte-Umqualifizierung durch § 15 I Nr. 2 S. 1, 2.Hs. EStG.Beachte: Wirtschaftsgut gilt auch dann als Sonderbetriebsvermögen, wenn es eigentlich BV eines eigenen Gewerbebetriebs des Mitunternehmers ist (Zuordnungsfunktion des § 15 I Nr. 2 S. 1, 2.Hs. EStG; keine Subsidiarität).

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Sonderbetriebsvermögen II

Sonderbetriebsvermögen II Wirtschaftsgüter, die nicht unmittelbar dem Betrieb der Gesellschaft, sondern unmittelbar der Beteiligung des Mitunternehmers an der Gesellschaft dienen, z.B. - Darlehen zur Finanzierung des Anteilserwerbs- Anteile an anderen Unternehmen, die eine wesentliche wirtschaftliche Funktion für die Personengesellschaft erfüllen (z.B. Vertriebs-GmbH)Rechtsgrundlage und Existenz umstritten; nach der Rspr. muss Vermögen, das der Gesellschafter als Steuersubjekt für gewerbliche Zwecke nutzt, in die Gewinnermittlung einbezogen werden.

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Vermögensveränderungen sind steuerrechtlich relevant; sie sind insbeson-dere steuerverstrickt, d.h. eine Entnahme

führt zur Besteuerung stiller Reserven

Gesamthands-betriebs-

vermögen

Sonderbetriebs-vermögen

Personen-gesellschaft Gesellschafter

Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft

Privat-vermögen

Privat-vermögen

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Beispiel bei Bilanzierung:

A und B sind Gesellschafter der A & B OHG.

1. Die A & B OHG hat in 01 Erträge in Höhe von 200 und Aufwendungen in Höhe von 100 erwirtschaftet (einschließlich der Miete für die Maschinen des A). Gewinnverteilung = 50 / 50.

2. A ist Eigentümer mehrerer Produktionsmaschinen, die er der A & B OHG vermietet. Er erhält hierfür einen jährlichen Mietzins in Höhe von 20. Die AfA 01 beläuft sich auf 10. Ferner hat er ein Darlehen aufgenommen, um die Maschinen zu finanzieren. Hierdurch entstehen ihm pro Jahr Zinsen in Höhe von 5.

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500 500

Aktiva 500 Eigenkap. 500

Aktiva Passiva

EK-VeränderungGesamthandsbereich

ErträgeAufwendungen

Gewinn

200- 100

+ 100

A & B OHG

600 600

Aktiva 600Aktiva Passiva

Eigenkap. 600

100 100

Maschinen 100 Eigenkap. 20Darlehen 80

Aktiva Passiva

EK-VeränderungSonderbereich

MietenAfAZinsen

Gewinn

20- 10

- 5

+ 5

Sonderbilanz A

105 105

Maschinen 90Geld 15

Aktiva PassivaEigenkap. 25 Darlehen 80

Gewinn der Mitunternehmerschaft insgesamt: 100 + 5 = 105

davon A = 50 + 5 = 55 und davon B = 50

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Einkünfteermittlung 2. Stufe - Das Sonder-betriebsergebnis des Mitunternehmers

Prinzip der korrespondierenden BilanzierungWechselseitige Forderung und Schuld müssen sich immer

entsprechen; Wertberichtigungen (Teilwert-Abschreibung, § 6 I Nr. 1 S. 2, 3; Nr. 2 S. 2 EStG) in der Sonderbilanz des Gesellschafters sind immer erst mit Vollbeendigung der Gesellschaft zulässig (BFH BStBl. II 2000, 347; str.)

Beachte: Die Einschränkungen gelten nur für SBV, nicht für Forderungen, die zu einem anderen BV des Mitunternehmers gehören (z.B. aus Warenlieferungen)

Bedeutung hat die korrespondierende Bilanzierung ferner bei Pensionszusagen der Gesellschaft an einen Gesellschafter: Dem Passivposten in der Gesamthandsbilanz steht immer ein gleich hoher Aktivposten in der Sonderbilanz gegenüber (dazu BFH BStBl. II 2008, 182)

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Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter

Gesellschaft

Gesellschafter

Veräußerungen Gesellschafter – Gesellschaft• Fallen nicht unter § 15 I Nr. 2, 2. Hs. EStG• Entsprechen die Bedingungen denen unter Fremden, wird die

Veräußerung steuerlich entsprechend ihrer zivilrechtl. Wirksamkeit anerkannt

► Gewinnrealisierung, wenn es sich bei dem veräußerten Gegenstand um SBV handelt und damit gleichwohl Einfluss auf das Sonderbetriebsergebnis

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Fortentwicklung des Beispiels:

3. A veräußert die Produktionsmaschinen, die er bisher an die OHG vermietet hatte, für einen fremdüblichen Kaufpreis in Höhe von 110 an die OHG. Der Kaufpreis wird dergestalt erbracht, dass die OHG das Anschaffungskostendarlehen des A übernimmt (Valuta 80) und ihm weitere 30 zahlt.

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600 600

Aktiva 600 Eigenkap. 600

Aktiva Passiva

EK-VeränderungGesamthandsbereich

ErträgeAufwendungen

Gewinn

00

0

A & B OHG

680 680

Aktiva 570Maschinen 110

Aktiva PassivaEigenkap. 600Darlehen 80

105 105

Maschinen 90Geld 15

Eigenkap. 25 Darlehen 80

Aktiva Passiva

EK-VeränderungSonderbereich

Abgang Masch.Abgang DarlehZuzahlung

Gewinn

- 90+ 80+ 30

+ 20

Sonderbilanz A

45 45

Geld 45Aktiva Passiva

Eigenkap. 45

Gewinn der Mitunternehmerschaft insgesamt: 0 + 20 = 20

davon A = 0 + 20 = 20 und davon B = 0

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Qualifikation und Zurechnung der Einkünfte von Mitunternehmern;Beispiel für Ergänzungsbilanzen

Gesellschafter der X-OHG sind A und B je zu 50 %. Steuerbilanz der X-OHG zum 31.12.01:

Die Aktiva der X-OHG (Buchwert = 500) haben einen Verkehrswert von 900. Mit Wirkung zum 1.1.02 erwirbt C den Anteil des B zum Kaufpreis von 400 (zur Erinnerung der Wert des Unternehmens: 900 – 100 = 800)

Aktiva PassivaVermögen 500 Eigenkapital

Kapitalkonto A 200

Kapitalkonto B 200

Fremdkapital 100

500 500

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45

Qualifikation und Zurechnung der Einkünfte von Mitunternehmern;Beispiel für Ergänzungsbilanzen

Da B seinen Anteil an den Wirtschaftsgütern der OHG verkauft, werden durch den Kaufpreis, der über dem Buchwert liegt, stille Reserven aufgedeckt. Für den Erwerber kommt es insoweit zu einem Anschaffungs-vorgang: Gesamthandsbilanz Ergänzungsbilanz für C

Aktiva Passiva

Vermögen 500 Eigenkapital

Kapitalkonto A 200

Kapitalkonto C 200

Fremdkapital 100

500 500

Aktiva Passiva

Vermögen 200 Mehrkapital 200

200 200

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46

Übertragung von Wirtschaftsgütern (I)

§ 6 V S.1 EStG:Buchwertfort-führung, wenn

Übertragung zwischen einem BV in anderes BV desselben Stpfl.

und Besteuerung stiller Reserven sichergestellt

Übertragung von Wirtschaftsgütern

§ 6 V S. 2, Alt. 2 EStG: Buchwertfortführung

auch,wenn Übertragung

zwischen verschiedenen

(Sonder-)Betriebsvermögen desselben StPfl.

§ 6 V S.2, Alt. 1 EStG:Buchwertfort-führung, wenn

Übertragung zwischen einem BV in ein

SonderBV desselben Stpfl. und

Besteuerung stiller Reserven

sichergestellt

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47

Übertragung von Wirtschaftsgütern (II)

Übertragung von Wirtschaftsgütern

Buchwertfortführung

§ 6 V 3 Nr. 1 EStG: aus BV in GHV et vice versa

• bei Unentgeltlichkeit• bei Gewährung oder Minderung von

Gesellschaftsrechten

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48

Übertragung von Wirtschaftsgütern (III)

Übertragung von Wirtschaftsgütern

§ 6 V 3 Nr. 2 EStG:aus SBV in GHV et vice versa

• bei Unentgeltlichkeit• bei Gewährung oder Minderung

von Gesellschaftsrechten

Buchwertfortführung

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49

Übertragung von Wirtschaftsgütern (IV)

Übertragung von Wirtschaftsgütern

Buchwertfortführung

§ 6 V 3 Nr. 3 EStG:aus SBV in SBV eines anderen Ges´ters

• bei Unentgeltlichkeit

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Beispiel

A und B sind Gesellschafter der X-OHG. A ist Eigentümer eines Grundstücks, welches er der X-OHG vermietet (Buchwert des Grundstücks = 100; Teilwert = 500).

Grundfall: A überträgt das Eigentum an dem Grundstück auf C.

Abwandlung: A überträgt das Eigentum an dem Grundstück auf B.

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100 100

Grundst. 100 Eigenkap. 100

Aktiva Passiva

EK-Veränderungim Sonderbereich

ErträgeAufwendungen

Gewinn

0- 100

- 100

Sonderbilanz A

0 0

Aktiva 0Aktiva Passiva

Eigenkap. 0

EK-VeränderungEinlageEntnahme

Gewinn iSv § 4 I EStG

- 1000

+ 500

400

Zur Wiederholung:Grundsatz: Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit(Subjektsteuerprinzip)Übertragung stiller Reserven auf

ein anderes Steuersubjekt ist daherim Grundsatz nicht möglich; dies wird im Bereich der Gewinneinkünfte durch den Ersatzrealisationstat-bestand der Entnahme sichergestellt

Übertragung des Grundstücks Entnahme iSv § 4 I 2 EStGBewertung mit dem Teilwert

(§ 6 I Nr. 4 EStG) Aufdeckung der stillen Reserven

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52

100 100

Grundst. 100 Eigenkap. 100

Aktiva Passiva

EK-Veränderungim Sonderbereich

des A

ErträgeAufwendungen

Gewinn

0- 100

- 100

Sonderbilanz A

0 0

Aktiva 0Aktiva Passiva

Eigenkap. 0

EK-VeränderungEinlageEntnahme

Gewinn iSv § 4 I EStG

- 1000

+ 100

0

Bewertung der Entnahme mitdem Buchwert(§ 6 V 3 Nr. 3 EStG)

0 0

Aktiva 0 Eigenkap. 0

Aktiva Passiva

EK-Veränderungim Sonderbereich

des B

ErträgeAufwendungen

Gewinn

1000

100

Sonderbilanz B

100 100

Grundst. 100Aktiva Passiva

Eigenkap. 100

EK-VeränderungEinlageEntnahme

Gewinn iSv § 4 I EStG

+ 100- 100

0

0„steuerneutral“

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53

Übertragung von Wirtschaftsgütern (V)

Beachte:Ausnahme: Teilwertansatz

Kapitalgesellschaftsklausel,§ 6 V 5, 6 EStG:

Beteiligung einer Körperschaft am WG wird

innerhalb von 7 Jahren nach der Übertragung begründet

oder erhöht

Nichteinhaltung der Sperrfrist, § 6 V 4 EStG:3 Jahre nach Abgabe der

Steuererklärung;Rückausnahme:

stille Reserven sind durch Ergänzungsbilanz dem

übertragenden Gesellschafter zugeordnet

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5454

Gesamthands-betriebs-

vermögen

Z-OHGBetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft

Z-OHGSonder-betriebs-vermögen

Sonder-betriebs-

vermögen

A B

Gesamthands-betriebs-

vermögen

X-OHG

Sonder-betriebs-vermögen

Sonder-betriebs-

vermögen

A B

Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft

X-OHG

Übertragung eines Grundstücks der X-OHG auf die Z-OHG; Ges´ter beider

OHGs sind A und B zu je 50 %

Steuerneutral? Bejahend: BFH BStBl. II 2010, 971 (IV. Senat); verneinend: BFH BStBl. II 2010, 471 (I. Senat): § 6 V EStG sei abschließend; dem folgend BMF BStBl. 11, 1279; nun Vorlage an das BVerfG durch BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, BStBl. II 2013, 1004 (2 BvL 8/13)

Problem: Übertragung zwischen beteiligungsidentischenSchwesterpersonengesellschaften

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55

Unternehmensnachfolge bei Einzelunter-nehmen und Mitunternehmerschaft (ertragsteuerliche Aspekte)

Unternehmer

Abkömmlinge („nächste Generation“)

Fremder Dritter(Verkauf)

„Aufgabe“

Substanz u. Verantwortung oder

nur Erträge?Sicherung des

„Lebenswerks“?

Unentgeltlich,entgeltlich oderteilentgeltlich?

„Versorgung“ des Übergebers?

Vorbehalt von Einflussnahme-möglichkeiten?

Umkehrbarkeit der Nachfolge?

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Einheitstheorie:Wenn Entgelt

kleiner/gleich BW § 6 III EStG

Entgelt höher als BW Insgesamt entgeltlichWichtig: Übernahme der betrieblichen Schulden stellt kein Entgelt dar

Realisationsvorgang, d.h. zwingende

Aufdeckung der stillen Reserven (sofern nicht

ausnahmsweise ein Aufschub zulässig ist, z.B.

§ 6b EStG)Aber: Abmilderung der stl. Folgen, §§ 16, 34 EStG

Übertragung als Ent-nahme (Grundsatz der Besteuerung nach der

individuellen Leistungs-fähigkeit)

Aber: § 6 III EStG(zwingende Buchwert-

Verknüpfung)

56

Unternehmensnachfolge bei Einzelunter-nehmen und Mitunternehmerschaft (ertragsteuerliche Aspekte)

Übertragung des „Unternehmens“/ „Mitunternehmersanteils“

UNENTGELTLICH ENTGELTLICH TEILENTGELTLICH

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57

Betriebliche SphäreVater V

Betriebliche SphäreSohn S

Beispiel: Vater V ist Gewerbetreibender. Der Gesamtbuchwert seines Unternehmens beträgt 500 T€. Der gemeine Wert / Teilwert beträgt hingegen 1000 T€. V überträgt den Betrieb unentgeltlich auf seinen Sohn S, der den Betrieb fortführt

Aktiva 800Aktiva Passiva

EK 500Verbindl. 300

Aktiva 800Aktiva PassivaEntnahme

Stille Reserven = 500 T€ (gW/TW - BW) Stille Reserven = 500 T€ (gW/TW - BW)

1. Die Übertragung der WG auf einen anderen Stpfl. stellt eine Entnahme i.S.v. § 4 I 1, 2 EStG dar

2. Würde die Entnahme gem. § 6 I Nr. 4 EStG mit dem TW bewertet, würden die stillen Reserven aufgedeckt. Hier aber: § 6 III EStG, zwingende BW-Fortführung

EK 500Verbindl. 300

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§ 6 III 1 Hs. 1 EStG Mitunternehmeranteil

BW-Verknüpfung, wenn der gesamte Mitunter-nehmeranteil (d.h. gesamte Gesamthandsberechtigung und gesamtes Sonderbetriebsvermögen übertragen werden)

Betrieb (Teilbetrieb) BW-Verknüpfung, wenn der Betrieb als Einheit mit allen wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen wird (Ab-grenzung zur nicht privilegierten Übertragung einzelner WG!)

Teil eines Mitunternehmeranteils Buchwertverknüpfung, wenn ein Teil eines Mitunter-nehmeranteils (d.h. teilweise Gesamthandsberechtigung und quotal entsprechender Anteil des SBV übertragen werden; soweit überquotal übertragen wird § 6 V EStG!)

Aufnahme in ein Einzelunternehmen (MU-schaft entsteht) Buchwertverknüpfung, wenn alle wesentlichen Betriebs-grundlagen Gesamthandsvermögen werden

§ 6 III 1 Hs. 2 EStG

Aufnahme in ein Einzelunternehmern oder Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils Buchwertverknüpfung selbst dann, wenn der Aufnehmende / Übergebende (Sonder-) BV zurückbehält, solange dieses bei der Mitunternehmerschaft SBV bleibt und Erwerber nicht innerhalb von 5 Jahren den erworbenen Mitunternehmeranteil veräußert.

§ 6 III 2 EStG

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Übertragung des „gesamten“ Mitunternehmeranteils (incl. SBV)?

BFH v. 2.8.2012 – IV R 41/11, BFHE 238, 135; BFH v. 9.12.2014 – IV R 29/14

Verhältnis von § 6 III u. § 6 V EStG gebietet weite Auslegung, so dass gleichzeitig unentgeltliche Übertragung von WG des SBV auf eine andere PersGes. (beides steuerneutral möglich)

Dagegen BMF v. 12.9.2013, BStBl. I 2013, 1164

Übertragung des SBV auf andere PersGes. ist steuerschädlich (ebenso wie Zurückbehaltung des SBV)

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Teilentgeltliche Übertragung von Mitunternehmeranteilen

BFH v. 19.9.2012 – IV R 11/12, BFHE 239, 76; dazu Wendt DB 2013, 834

Aufgabe der Trennungstheorie zugunsten der Einheitstheorie

Dagegen BMF v. 12.9.2013, BStBl. I 2013, 1164; dazu Mitschke, FR 2013, 648

Beibehaltung der Trennungstheorie Aufspaltung in ein entgeltliches/unentgeltliches Rechtsgeschäft

BFH v. 19.3.2014 – X R 28/12, BStBl. II 2014, 629: Aufforderung an dem BMF zum Verfahrensbeitritt

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Beispiel: A ist Inhaber eines Einzelunternehmens mit folgender Steuer-bilanz:

900 900

PKW 10Sonst. WG 890

Eigenkap. 500Schulden 400

Aktiva PassivaEinzelunternehmen des A

Er verkauft sein Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva an B zum Kaufpreis von 800. Da im zu übertragenden Vermögen auch ein Grundstück enthalten ist, fallen noch Notarkosten iHv 5 an.

Abwandlung: Wie zuvor, aber den PKW (gemeiner Wert = 20) übernimmt der Erwerber nicht. Das Fahrzeug verbleibt bei A, der den Wagen nunmehr ausschließlich privat nutzt. In diesem Fall beläuft sich der Kaufpreis auf 780.

Veräußerung des Unternehmens (§ 16 I EStG)

Page 62: 1 Unternehmensteuerrecht SS 2015 Prof. Dr. iur. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht.

900 900

PKW 10Sonst. WG 890

Eigenkap. 500Schulden 400

Aktiva PassivaEinzelunternehmen des A

§ 16 II EStG: „Veräußerungsgewinn im Sinne des Absatzes 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens (Abs. 1 Nr. 1) oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen (Abs. 1 Nr. 2) übersteigt.“

Es liegt eine Betriebsveräußerung vor, da alle wesentlichen Betriebs-grundlagen unter Beibehaltung der organosatorisch-ökonomischen Einheit einheitlich auf einen Erwerber übertragen werden § 16 I Nr. 1 EStG (+)

Merke: Selbst ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 III EStG ermittelt, muss im Falle einer Betriebsveräußerung auf den Zeitpunkt der Veräußerung eine Bilanz aufstellen! Ohne die Eigenkapitalgröße einer Bilanz kann der Veräußerungsgewinn nicht berechnet werden (vgl. § 16 II 2 EStG)

Veräußerungspreis 800- Veräußerungskosten 5

- Wert des BV 500

= Veräußerungsgewinn 295

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Abwandlung:Es liegt eine Betriebsveräußerung vor, da alle wesentlichen Betriebs-grundlagen unter Beibehaltung der organisatorisch-ökonomischen Einheit einheitlich auf einen Erwerber übertragen werden. Die Zurückbehaltung des PKW ändert hieran nichts. Denn bei dem zurückbehaltenen PKW handelt es sich nicht um eine wesentliche Betriebsgrundlage.§ 16 I Nr. 1 EStG (+) und zugleich erfolgt bzgl. des PKW eine Entnahme

(zwingende Überführung ins Privatvermögen), die analog § 16 III 7 EStG mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist.

Damit ergibt sich folgende Veräußerungs- und Entnahmegewinnermittlung:

Veräußerungspreis 780- Veräußerungskosten 5

- Wert des BV 500

+ gemeiner Wert PKW 20

= Veräußerungsgewinn 295

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64

BetriebsveräußerungFall:

Einzelunternehmer E hat sein 60. Lebensjahr vollendet und möchte sich zur Ruhe setzen. Deshalb veräußert er seinen Betrieb im Ganzen im Mai 2014 mit einem Gewinn i.H.v. 200.000 €. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er in 2014 mit dem Betrieb einen Gewinn i.H.v. 60.000 € erwirtschaftet. E hat Sonderausgaben u.a. in Höhe von 30.000 €.Freibetrag nach § 16 IV EStG►45.000 € ./. 64.000 € = 0 €► steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn = 200.000 €

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Lösung Fall Betriebsveräußerung (I)

Besteuerungsgrundlagen Tarifermäßigung nach § 34 I EStG

Tarifermäßigung nach § 34 III EStG

Gewinn 260.000 € 260.000 €

./. Sonderausgaben u.a. 30.000 € 30.000 €

z.v.E. insgesamt 230.000 € 230.000 €

z.v.E. laufende Einkünfte 30.000 € 30.000 €

ESt lt. Splitting-Tabelle 80.122 € 80.122 €

Durchschnittssteuersatz 34,84% 34,84 %

56% v. 34,84% v. 200 T€ 39.021 €

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66

Fortführung Lösung Fall Betriebsveräußerung (II)

Besteuerungsgrundlagen Tarifermäßigung nach § 34 I EStG

Tarifermäßigung nach § 34 III EStG

ESt lt. Splitting-Tabelle nur laufendes Einkommen 2.686 € 2.686 €

30.000 € zzgl. 1/5 v. 200.000 € = 70.000 €, ESt 14.384 € -

Differenz 11.698 € -

Differenz x 5 = 58.490 € -

zu zahlende ESt 61.176 € 41.101 €

Tarifermäßigung 18.946 € 38.415 €

Page 67: 1 Unternehmensteuerrecht SS 2015 Prof. Dr. iur. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht.

67

Hinweis zur Falllösung Betriebsveräußerung

Beachte: Freibetrag nach § 16 IV EStG und Tarifermäßigung nach § 34 III EStG sind personenbezogen und können nur einmal im Leben unter den folgenden alternativen Voraussetzungen in Anspruch genommen werden:• Stpfl. hat das 55. Lebensjahr vollendet

oder• ist im sozialversicherungsrechtlichen

Sinne dauernd berufsunfähig.

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Veräußerung desMitunternehmeranteils (I)

Veräußerung desMitunternehmeranteils

Umfang des Anteils iSd § 16 I Nr. 2 EStG: Anteil am Gesamthandsvermögen zzgl.

Sonderbetriebsvermögen des jeweiligen Mitunternehmers

ist der Betriebsveräußerunggleichgestellt

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Veräußerung desMitunternehmeranteils (II)

Rechtsfolgen• Gewinn steuerpflichtig (§ 16 I Nr. 2 EStG)• Freibetrag (§ 16 IV EStG) und Tarifermäßigung

(§ 34 EStG) sind anwendbar, wenn insoweit alle stillen Reserven aufgedeckt werden

• Keine Gewerbesteuer, wenn Veräußerer natürliche Person ist (§ 7 S. 2 GewStG)

Besonderheiten• Die Veräußerung des Teils eines Mitunternehmeranteils

(Teilanteilsveräußerung) ist gem. § 16 I 2 EStG nicht begünstigt und unterliegt daher dem lfd. Gewinn

• Bei unentgeltlicher Übertragung besteht dagegen zwingend Buchwertfortführung (§ 6 III EStG)

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- Geld- und Sachleistungen, unab-hängig davon ob sie einmalig, in Raten oder lebenslang erbracht werden (sofern nicht Versorgungs-leistungen iSv § 10 I Nr. 1a EStG)

- Übernahme von Verbindlichkeiten (sofern nicht die Voraussetzungen des § 6 III EStG vorliegen)

- Gleichstellungsgelder (z.B. an Geschwister)

- Gesellschaftsrechte bei Einbring-ungen / offenen Einlagen

Sofern im Übrigen die Voraussetzungen des § 6 III EStG vorliegen, d.h. wenn ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeran-teil übertragen wird:

- Verpflichtung zur Erbringung von Versorgungsleistungen unter den (weiteren) Voraussetzungen des § 10 I Nr. 1a EStG

- Vorbehalt des Nießbrauchs

- Übernahme betrieblicher Schulden durch den Erwerber

(Teil-) Entgelte Kein Entgelt

Abgrenzung der Veräußerung von der unentgeltlichen Übertragung !

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71

Betriebsaufgabe (II)Rechtsfolgen

• Gewinn ist steuerpflichtig (§ 16 III 1 EStG)• An die Stelle des Veräußerungserlöses tritt der

gemeine Wert der in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter (§ 16 III 6, 7 EStG)

• Freibetrag (§ 16 IV EStG) und Tarifermäßigung (§ 34 EStG) sind anwendbar, wenn alle stillen Reserven aufgedeckt werden

• Keine Gewerbesteuer

Besonderheiten• Eine Betriebsaufgabe ist grds. auch die Realteilung

eines Unternehmens.

• Für die Realteilung gelten allerdings die Sonderregelungen des § 16 III 2-4 EStG.

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Betriebsaufgabe (III)

E

Der Erfinder E wandert nach Kanada aus. Zu seinem Betriebsvermögen gehören (bisher nicht bilanzierte) Patente mit einem gemeinen Wert in Höhe von insgesamt 1 Mio €. Sonstiges BV (Schreibtisch, Werkbank) existiert mit BW = gW = 50.000 €.

Vormalige BFH-Rspr.: Sog. finale Entnahmetheorie! Ausgangsproblem: Verliert Deutschland das Besteuerungsrecht hinsichtlich der stillen Reserven, die in den Patenten schlummern, und muss daher in der letztmöglichen Sekunde der Steuerzugriff geübt werden?

Nach Aufgabe der finalen Entnahmetheorie hat der Gesetzgeber mit § 16 IIIa EStG iVm § 4 I 4 EStG die vormalige Rspr wiederhergestellt

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Betriebsaufgabe (IV)Lösung (wegziehender Erfinder)

I. Subjektive Steuerpflicht

§ 1 Abs. 1 EStG (+), da die juristische Sekunde vor seinem Wegzug (Aufgabe von Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland) zu beurteilen ist(Anm.: § 16 IIIa EStG kann auch dann eingreifen, wenn Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in der BRD bestehen bleiben und lediglich der gesamte Betrieb ins Ausland verlagert und dort eine neue [Geschäfts-] Leitungsbetriebsstätte begründet wird)

II. Objektive Steuerpflicht

1. Laufende Einkünfte bis zum Wegzug

2. Auswirkungen des Wegzuges

a. § 16a Abs. 3 EStG (+) Betriebsaufgabe

b. Betriebsaufgabegewinns:

c. Anwendung §§ 16, 34 EStG

Gemeiner Wert aller WG 1.050.000 €

- Buchwert des Betriebsvermögens - 50.000 €

= Aufgabegewinn 1.000.000 €

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Betriebsaufgabe (V)

E

Abwandlung: Der Erfinder E wandert nach Österreich aus.

Aufgabegewinn in Höhe von 1.000.000 €

weil Verlegung in EU-Mitgliedstaat § 36 Abs. 5 EStG (+), Rechtsfolge: Die Steuerschuld, die auf den Aufgabegewinn entfällt, kann auf Antrag in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden; eine Verzinsung findet nicht statt

siehe noch Vorlesung Europäisches Steuerrecht: Die Regelung dürfte unionsrechtswidrig sein, weil sie eine unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit enthält.

Page 75: 1 Unternehmensteuerrecht SS 2015 Prof. Dr. iur. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht.

75

Realteilung eines Unternehmens, § 16 III 2-4 EStG (I)

Bsp.: A & B – OHG wird real geteilt

Übertragung vonEinzel-WGern

in die bereits bestehende A-KG

Buchwertfortführung, § 16 III 2 EStG

Übertragung einesTeilbetriebes

in die neugegründete B-KG

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76

Realteilung eines Unternehmens, § 16 III 2-4 EStG (II)

Ausnahmen zur Buchwertfortführung

Gemeiner Wert-Ansatz, soweit WG auf eine

Körperschaft übertragen werden

(sog. Kapital-gesellschaftsklausel

§ 16 III 4 EStG)

Gemeiner Wert-Ansatz bei

Nichteinhaltung der Sperrfrist

(§ 16 III 3 EStG)Veräußerung oder Entnahme 3 Jahre nach Abgabe der Steuererklärung

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77

Realteilung eines Unternehmens, § 16 III 2-4 EStG (III)

Beachte:

Wird zwischen den Beteiligten ein sog. Spitzenausgleich gezahlt, liegt insoweit ein

Veräußerungsgeschäft vor.Der Veräußerungsgewinn ist beim Empfänger als

laufender Gewinn zu behandeln (allerdings keine GewSt!)

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Beispiel: A und B sind zu je 1/2 als Gesellschafter an der X-OHG beteiligt. Das Gesellschaftsvermögen besteht aus dem Teilbetrieb 1 (Buchwert: 150.000 Euro, gemeiner Wert: 300.000 Euro) und verbleibenden Wirtschaftsgütern (Buchwerte: 50.000 Euro, Summe der gemeinen Werte: 300.000 Euro). Die Kapitalkonten von A und B betragen je 100.000 Euro. Die Gesellschafter beschließen, die X-OHG zum 31.12.14 in der Weise zu beenden, dass A den Teilbetrieb 1 und B die übrigen Wirtschaftsgüter übernimmt. Beide Gesellschafter übertragen die ihnen zugeteilten Wirtschaftsgüter in eigene gewerbliche Einzelunternehmen. Die steuerrechtliche Schlussbilanz der X-OHG hat zum 31.12.14 folgendes Bild:

200 200

Teilbetrieb 150Übrige WG 50

Eigenkap.Kapital A 100Kapital B 100

Aktiva PassivaX-OHG

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Lösung:

Die Realteilung erfolgt steuerneutral. Stille Reserven werden nicht aufgedeckt. Vielmehr führen die vormaligen Gesellschafter die Buchwerte fort.

150 150

Teilbetrieb 150 Eigenkap. 150

Aktiva PassivaEinzelunternehmen A

50 50

Aktiva 50 Eigenkap. 50

Aktiva PassivaEinzelunternehmen B

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Abwandlung: Die OHG hat zwei Teilbetriebe (TB I und TB II). TB I hat einen gW von 2 Mio. € und einen Buchwert von 200.000 €. TB II hat einen gW von 1,6 Mio. € und einen Buchwert von 160.000 €. Im Wege der Realteilung erhält A TB I und B TB II. Außerdem zahlt A an B eine Abfindung iHv 200.000 €.

Lösung: A stehen bei der Realteilung wertmäßig 1,8 Mio € (50 % von 3,6 Mio. €) zu. Da er aber 2 Mio. € erhält, also 200.000 € mehr, zahlt er diesen Betrag für 1/10 (10 % von 2 Mio. = 200.000 €) des TB I, das er mehr erhält. A erwirbt also 9/10 des TB I unentgeltlich und 1/10 entgeltlich. Auf diese 1/10 entfällt ein Buchwert von 20.000 € (10 % des BW des TB I iHv 200.000 €), so dass A Aktivwerte um 180.000 € aufstocken muss.

B wiederum verwirklicht einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 180.000 €.

380 380

Teilbetrieb 380 Eigenkap. 380

Aktiva PassivaEinzelunternehmen A

160 160

Aktiva 160 Eigenkap. 160

Aktiva PassivaEinzelunternehmen B

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81

Gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, § 180 I Nr. 2a AO (I)

(Tipke/Lang, § 21, Rn. 121-129)

I. Zwecke:VerfahrensökonomieVermeidung widersprüchlicher

Entscheidungen

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Gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, § 180 I Nr. 2a AO (II)

(Tipke/Lang, § 21, Rn. 121-129)

Umfang der Feststellungen:• Beteiligte• Einkunftsart (bezogen auf PersGes, s. aber BFH GrS BStBl. II

2005, 679 – Zebra-Gesellschaft: Umqualifizierung auf Ebene des Ges‘ters)

• Gewinnanteile der Gesellschafter • Sondervergütungen (§ 15 I Nr. 2, 2.Hs. EStG)• SonderBE/SonderBA (z.B. Veräußerungsgewinn WG des SBV;

Schuldzinsen aus Anteilsfinanzierung)• sonstige Besteuerungsgrundlagen (z.B. Spenden)

Einbeziehung wegen Gefährdung berechtigter Geheimhaltungs-interessen des Ges‘ters umstritten;

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Gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, § 180 I Nr. 2a AO (III) (Tipke/Lang, § 21, Rn. 121-129)

Anfechtungsbefugnis personell beschränkt

(§§ 352 I AO, 48 I FGO)

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Feststellungsbescheid= Grundlagenbescheid

Steuerbescheid des einzelnen Gesellschafters• Folgebescheid im Sinne des § 182 I AO• Bindungswirkung des Feststellungsbescheids (mit

Korrekturmöglichkeit nach § 175 I Nr. 1 AO)• Einwendungen hinsichtlich der Feststellungen des

Grundlagenbescheids ausgeschlossen (§§ 351 II AO, 42 FGO)

Gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, § 180 I Nr. 2a AO (IV) (Tipke/Lang, § 21, Rn. 121-129)

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Gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte, § 180 I Nr. 2a AO (V) (Tipke/Lang, § 21, Rn. 121-129)

Personen-gesellschaft

Feststellungsbescheid

Finanzamt Bochum

A B

Beispiel: Sitz der Personen-Gesellschaft in BochumGesellschafter sind A (Essen),und B (Duisburg). Geschäfts-führer der Gesellschaft ist A.

Einkommen-steuerbescheid

FinanzamtEssen

FinanzamtDuisburg

Einkommen-steuerbescheid

BindungswirkungVgl. §§ 175 I 1 Nr. 1, 182 I AO

Für die Einspruchs-befugnis gilt § 352 AO

Wegen der Bindungswirkung auch nur geschränkte Anfechtbarkeit, § 351 II AO

entscheidet über:• Einkunftsart• Stl. Gesamthandsgewinn• Verteilung auf die Ges

´ter•

Sonderbetriebsergebnisse

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Dualismus der UnternehmensbesteuerungEinkommensteuer

Steuersubjekt:

Natürliche Personen§ 1 EStG

Steuersubjekt: (§ 1 I KStG)1. Kapitalgesellschaften2. Genossenschaften3. Versicherungs- u. Pensionsfondsvereine auf Gegenseitigkeit4. Sonst. jurist. Personen. d. privaten Rechts5. nichtrechtsfähige Vereine u.ä.6. Betriebe gewerbl. Art von jurist. Personen d. öffentl. Rechts

Körperschaftsteuer

Sphäre der Körperschaft

Sphäre d. Anteilseigners

Trennungs-prinzip

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Subjektive Körperschaftsteuerpflicht

unbeschränkte Steuerpflicht(§ 1 KStG)

Körperschaften i.S.d. § 1 I KStGGeschäftsleitung oder Sitz im

Inland 

Rechtsfolge: Besteuerung sämtlicher Einkünfte (Welteinkommen) i.S.d.

§ 1 II KStG

beschränkte Steuerpflicht(§ 2 KStG)

-„normale“ beschränkte Steuerpflichtweder Geschäftsleitung noch Sitz im

Inland (§ 2 Nr. 1 KStG) Rechtsfolge: Besteuerung inländischer

Einkünfte i.S.d. § 49 EStG (Inlandseinkommen)

 -„besondere“ beschränkte

Steuerpflicht (§ 2 Nr. 2 KStG) Rechtsfolge: Besteuerung inländischer

Einkünfte mit Steuerabzug i.S.d. §§ 43 ff. EStG i.V.m. § 49 EStG sowie inländische Einkünfte i.S.d. § 2 Nr. 2 2.

HS. KStG

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Körperschaftsteuersubjekte

A-GmbH B

Komplementär Kommanditist

Gesellschafter (100 %)

X-GmbH & Co. KG

Merke nochmals: die GmbH & Co. KG ist kein Körperschaftsteuersubjekt! Sie ist Personengesellschaft mit der Folge, dass die allgemeinen Grundsätze zur Besteuerung von Personengesellschaften gelten. Besteuert werden mithin die Gesellschafter (nat. Pers. = ESt und Körp. = KStG)

§ 1 KStG § 1 EStG

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KörperschaftsteuertatbestandSteuersubjekt: Körperschaften (Katalog des § 1 I KStG)

Steuerobjekt: Einkommenserzielung (§ 7 I KStG i. V. m. § 2 I 1 EStG)

Bemessungsgrundlage: Einkommen (§§ 7 II, 8 I KStG i.V.m. den Ermittlungsvorschriften des EStG und §§ 9, 10 KStG; beachte § 8 II KStG: gewerbliche Einkünfte bei unbeschränkter Steuerpflicht i.S.d. § 1 Nr. 1 bis 3 KStG)

Steuertarif: Einheitlicher Tarif 15 % (§ 23 I KStG)

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Unternehmensteuersätze KapGes

HebesatzGewSt350%

HebesatzGewSt400%

HebesatzGewSt450%

HebesatzGewSt500%

KSt 15% 15% 15% 15%

SolZ 0,83% 0,83% 0,83% 0,83%

GewSt 12,25% 14% 15,75% 17,5%

UntSt 28,08% 29,83% 31,58% 33,33%

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Wirtschaftliche DoppelbelastungDoppelbelastung aufgrund des

Dualismus der Unternehmensbesteuerung

Doppelbelastung Belastung mit ESt

Körperschaft Gewinnausschüttung Anteilseigner

Belastung mit KSt

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Umgang mit der DoppelbelastungUngemilderte

Doppelbelastung(Teilweise) Vermeidung der

Doppelbelastung

„Klassisches“System

Bsp. Schweiz, Irland

Auf der Ebene des Anteilseigners· Vollanrechnung der KSt auf ESt:

Deutschland (bis VZ 2000), Malta· Teilanrechnung: z.B. Japan,

Großbritannien· Freistellung (früher: z.B. Griechenland),

Slowakei· Teilfreistellung: Deutschland (ab VZ

2001), Norwegen, Frankreich, Finnland· Steuersatzermäßigung (sehr häufig):

z.B. Österreich, Griechenland, Deutschland (ab VZ 2009, soweit Abgeltungsteuer anwendbar ist)

Auf der Ebene der

Körperschaft· Freistellung

(z.B. Estland)· Abzug der

Dividende als BA

· Gespaltener Steuersatz

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Ebene der KörperschaftVorbelastung mit definitiver KSt von 15 %

Ebene des Anteilseigners

= KörperschaftFreistellungsverfahren zur

Verhinderung einer Kumulation definitiver KSt bei

Beteiligungsketten(§ 8b I KStG)

= natürliche PersonTypisierende Berücksichtigung der Vorbelastung mit KSt durch

das sog. Teileinkünfteverfahren

(§ 3 Nr. 40 EStG) oder die Abgeltungsteuer

Dualismus von sog. Teileinkünfte- u. Freistellungsverfahren (I)

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Dualismus von sog. Teileinkünfte- u. Freistellungsverfahren (II)

Rechtsfolgen beim Anteilseigner

40 % Freistellung der· Dividenden (§ 20 I Nr. 1 EStG)· Veräußerungsgewinne (§ 17

EStG)nach § 3 Nr. 40 EStG(Teileinnahmenverfahren)

40 % Abzugsverbot für · Erwerbsaufwendungen (BA/WK)· Teilwertabschreibungen,

Veräußerungskosten, Verlustenach § 3c II EStG.

Rechtsfolgen beim Anteilseigner

Vollständige Freistellung der Dividenden (§ 8b I KStG) grds. Veräußerungsgewinne (§ 8b II

KStG)Abzugsverbot für· 5% der Betriebsausgaben· (§ 8b III, V KStG)· anteilsbezogene Gewinn-

minderungen (§ 8b III KStG) · Ausnahme: Dividenden aus

Streubesitz (< 10 Prozent) iSd § 8b IV KStG nF nunmehr steuerpflichtig - als Reaktion auf EuGH v. 20.11.11, Rs. C-284/09, DStR 2011, 2038.

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Zusammenspiel von Freistellungs- u. Teileinkünfteverfahren (betriebliche Beteiligungskette)

Enkel-GmbH

Tochter-GmbH

Mutter-GmbH

100% Anteil

Freistellungsverfahren, § 8b KStG

Teileinkünfteverfahren, § 3 Nr. 40 EStGAnteilseigner = natürl. Person

100% Anteil

100% Anteil

Veräußerungsgewinn

Freistellungsverfahren, § 8b KStG

Beispiel:

Dividende od. Veräußerungsgewinn

Veräußerungsgewinn

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Pauschale Bruttobesteuerung ab 1.1.2009

Einkünfte aus Kapitalvermögen (im erweiterten neuen Verständnis)

Privatvermögen

Abgeltungsteuer 25% = Bruttosteuer

Werbungskosten sind durch Sparer-Pauschbetrag i.H.v. 801 € p.P. (§ 20 IX EStG) abgegolten!!

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Teileinkünfteverfahren bei betrieblichen Einkünften statt Abgeltungsteuer (ab 1.1.2009)

Teileinkünfteverfahren bleibt bei gewerblichen Einkünften

Beteiligung an der KapGes wird im BV

gehalten (§ 3 Nr. 40 lit. a, b EStG)

„wesentliche“ Beteiligung > 1%

(§ 3 Nr. 40 lit. c EStG):beschränkt auf den

Veräußerungsgewinn

Gestaltungsüberlegung: Beteiligung statt im Privatvermögen in einer gewerblich geprägten PersGes. zu halten!

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Abgeltungsteuer als „Störfaktor“ der Unternehmensbesteuerung

Verletzung des objektiven Nettoprinzips bei KapGes-Beteiligungen (Abweichung von PersGes-Beteiligung)

Verletzung der Finanzierungsneutralität wegen Unabgestimmtheit des Abgeltungsteuersatzes mit der Unternehmensteuerbelastung

Abgeltungsteuer passt nicht zu unternehmerischen KapGes-Beteiligungen!

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99

Ausnahme: weiterhin Teileinkünfteverfahren bei „unternehmerischen“ Einkünften aus Kapitalvermögen (Optionsrecht)

Option zum Teileinkünfteverfahren bei „unternehmerischen“ Einkünften i.S.d.

§ 20 I Nrn. 1, 2 EStG (§ 32d II Nr. 3 EStG)

Beteiligung > 25%

Beteiligung > 1% undberufl. Tätigkeit für

KapGes

Option bindet für 5 Jahre! (§ 32d II Nr. 3 S. 4 EStG)

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Wertungswiderspruch bei unternehmerischen KapGes-Beteiligungen

Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG)

Ausschüttung: Beteiligung > 25%

Veräußerung: Beteiligung > 1%

Unterscheidung widerspricht der Konzeption des § 20 EStG n.F. (Gleichbehandlung von Ausschüttung u. Veräußerung)!

nur optional obligatorisch

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Ausnahmen von Abgeltungsteuer zur Missbrauchsabwehr (Steuerarbitrage)

§ 32d II Nr. 1 Satz 2 EStG – Rechtsfolge:• keine Sondertarifierung, vielmehr synthetische ESt mit

Geltung des objektiven Nettoprinzips• Verlustausgleich uneingeschränkt möglich, m.E. auch

mit Verlusten aus KapVerm.

§ 32d II Nr. 1 Satz 1 EStG - Fallgruppen Darlehensverträge unter nahen Angehörigen Schuldner = KapGes., an der der Gläubiger >

10% beteiligt ist (sog. Ges‘ter-Fremdfinanzierung) sog. Back-to-Back-Finanzierungen

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102

Private Kapitaleinkünfte

Privatvermögen

Abgeltungsteuer, §§ 43 V 1, 32d I 1, 20 VIII EStG

Lfd. Erträge, insb.:Zinsen, § 20 I Nr. 7 EStGDividenden / vGA § 20 I

Nr. 1 Sätze 1 und 2 EStG

Ausnahmen: Veräußerung von

Beteiligungen i.S.d. § 17 EStG Teileinkünfteverfahren, §§ 3 Nr. 40 S.1 c) 17, 20 VIII EStG

Soweit den Einkünften aus V+V zurechenbar, §§ 21, 20 VIII EStG

Veräußerungsgewinne, § 20 II EStG

Wegfall der Besteuerung nach Maßgabe des § 23 EStG (Spekulations-frist)

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103

Betriebliche Kapitaleinkünfte

Betriebsvermögen

Unterliegt nicht der Abgeltungsteuer, §§ 32d I 1, 43 V 2, 20 VIII EStG

Laufende Kapitalerträge, insb. Zinsen, § 20 I Nr. 7 EStG

KapErtragSt-Abzug, aber• individueller Steuersatz• KapErtragSt-Anrechnung• objektives Nettoprinzip (voller

BA-Abzug)

Dividenden, Veräußerungs-gewinne KapGes-Anteile

Teileinkünfteverfahren:• Einnahmen zu 60%,

§ 3 Nr. 40 S.1 a) EStG• BA-Abzug zu 60%, § 3c II

EStG

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Verlustabzug und -ausgleich in der Abgeltungsteuer

Kein vertikaler Verlustausgleich (§ 20 VI EStG)

Nur horizontal, aber überperiodisch i.S.d. § 10d EStG

Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen

aus Aktienveräußerungen verrechenbar (§ 20 VI 5 EStG)

andere Verluste i.S.d. § 20 EStG sind mit allen Einkünften aus

KapVerm. verrechenbar

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105

Anwendung des Sondertarifs innerhalb des Veranlagungsverfahrens

• es bleibt bei der analytischen Sondertarifierung• es bleibt bei der Bruttobesteuerung und dem

eingeschränkten Verlustausgleich/-abzug

§ 32d III-V EStG, insb. zur Versteuerung über eine ausländische Zahlstelle

bezogener Einkünfte bei Veräußerung von GmbH-Anteilen u. Ansprüchen aus

Kapitalversicherungen zur Berücksichtigung von Verlusten zur Ausschöpfung des Sparer-Pauschbetrages zur Anrechnung ausländischer Steuern

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Besteuerung der Ges´ter von Kapitalgesellschaften

E

E ist Gesellschafter der A-GmbH (Beteiligung 60 %, die Beteiligung wird im Betriebsvermögen des E gehalten), der B-GmbH (Beteiligung 10 % und E ist dort Geschäftsführer) und der C-GmbH (Beteiligung 5 %). Alle Gesellschaften schütten jeweils 200 T€ an E aus; E hat im Zusammenhang mit jeder Beteiligung 10 T€ Aufwendungen (Zinsen anlässlich der fremdfinanzierten Anschaffung).

A-GmbH B-GmbH C-GmbH

60 % BV 10 % PV GF 5 % PV

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Ausschüttung(§ 15 I Nr. 1 EStG)

200

davon 60 % 120

Zinsen 10

davon 60 % 6

BMG 114

Steuer 45 % ca. 51

Ausschüttung(§ 20 I Nr. 1 EStG)

200

Zinsen 0

Pauschbetrag 0,8

BMG 199,2

Steuer 25 % 49,8

E

A-GmbH B-GmbH C-GmbH

60 % BV 10 % PV GF 5 % PV

§ 32d II Nr. 3 lit b) EStG§§ 3 Nr. 40, 3c II EStG 32d Abs. 1 EStG

Beachte noch 32d Abs. 6 EStG:Wahlrecht zur Veranlagung mit individuellem Steuersatz

Auf Antrag kann derSteuerpflichtige ausder Abgeltungsteuer„herausoptieren“

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Besteuerung der Ges´ter von Kapitalgesellschaften

E

E ist Gesellschafter der A-GmbH (Beteiligung 60 %, Beteiligung wird im Betriebsvermögen des E gehalten), der B-GmbH (Beteiligung 10 % und E ist dort Geschäftsführer) und der C-GmbH (Beteiligung 0,5 %). Bei allen Gesellschaften hatte E Anschaffungskosten in Höhe von 20.000 € und er erzielt anlässlich der Veräußerung jeder Gesellschaft einen Kaufpreis iHv 50.000 €.

A-GmbH B-GmbH C-GmbH

60 % BV 10 % PV GF 0,5 % PV

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Kaufpreis 50

davon 60 % 30

BW bzw. AK 20

davon 60 % 12

BMG 18

Steuer 45 % ca. 8,1

Kaufpreis 50

Anschaffungskost. 20

Pauschbetrag 0,8

BMG 29,2

Steuer 25 % 7,3

E

A-GmbH B-GmbH C-GmbH60 % BV 10 % PV GF 0,5 % PV

32d I EStG

Beachte noch 32d Abs. 6 EStG:Wahlrecht zur Veranlagung mit individuellem Steuersatz

§§ 3 Nr. 40, 3c II EStG

§ 15 EStG § 17 EStG§ 20 II EStG

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Besteuerung der Ges´ter von Kapitalgesellschaften

E

E ist Gesellschafter der A-GmbH (Beteiligung 60 %, die Beteiligung wird im Betriebsvermögen des E gehalten), der B-GmbH (Beteiligung 10 % und E ist dort Geschäftsführer) und der C-GmbH (Beteiligung 0,5 %). Bei allen Gesellschaften hatte E Anschaffungskosten in Höhe von 20.000 €. Alle Gesellschaften sind insolvent und werden gelöscht. E ist mit dem vollen Kapital ausgefallen.

A-GmbH B-GmbH C-GmbH

60 % BV 10 % PV GF 0,5 % PV

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Kapitalrückzahlung 0

davon 60 % 0

BW bzw. AK 20

davon 60 % 12

BMG -12

E

A-GmbH B-GmbH C-GmbH60 % BV 10 % PV GF 0,5 % PV

§§ 3 Nr. 40, 3c II EStG

§ 15 EStG § 17 IV EStG

§ 20 II EStG (-), so zumindest BMF BStBl I 2012, 953 Rn. 60: Anders als § 17 EStG erfasst § 20 II EStG nur die Veräußerung und nicht die Auflösung der KapGes (kritisch Blümich/Ratschow, § 20 Rn. 427a m.w.N.).

Jedenfalls systemwidrig, da nicht einsichtig ist, warum die Vermögensebene nur im Ver-äußerungsfall erfasst wird

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Systemwidrigkeit des Teilabzugsverbots des § 3c II EStG

§ 3 Nr. 40 EStG ist keine Sozial-/Lenkungszweckbefreiung, sondern eine Fiskalzweckbefreiung (unechte Befreiung): lediglich Berücksichtigung der KSt-Vorbelastung

Verletzung des objektiven Nettoprinzips durch das Teilabzugsverbot des § 3c II EStG (nur scheinbare Folgerichtigkeit)

Systemwidriges Verlustausgleichsverbot bei Veräußerungsverlusten im Falle der Steuerbarkeit gemäß § 20 Abs. 2 EStG

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Fallgruppen: Teilabzugsverbot des § 3c II EStG

Dividenden/Ausschüt-tungen

Erwerbsaufwen-dungen

Teilabzugsverbot systemwidrig

Veräußerungs-/Liquidationsgewinn

Anschaffungskosten Teilabzugsverbot folgerichtig

Veräußerungs-/Liquidationsverlust

Anschaffungskosten/Erwerbsaufwen-dungen

Teilabzugsverbot systemwidrig

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Rechtsprechung zu § 3c II EStG

BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551: nur hälftige Berücksichtigung von Schuldzinsen auf eine gehaltene Beteiligung (Halbabzugsverbot) ist zwar systemwidrig, aber von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers noch gedeckt

BFH v. 27.10.2005 – IX R 15/05, BStBl. II 2006, 171: bei Veräußerungsgewinn ist hälftiger Ansatz der AK folgerichtig

BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220: beim Veräußerungsverlust ist hälftiger Ansatz der AK systemwidrig teleologische Reduktion des § 3c II EStG: volle Verlustberück-sichtigung, wenn gar keine Einnahmen erzielt worden sind (anders, wenn Einnahmen fließen: BFH v. 6.4.2011 – IX R 40/10 u. 61/10, BStBl. II 2011, 785; 2012, 8)

Jetzt aber: § 3c II 2 EStG Siehe auch: BFH BStBl. II 2013, 802 u. 817; BMF BStBl. I 2013, 1269

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115

Legitimationsverlust des § 17 EStG

• StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl. I 1999, 402 Absenkung der Beteiligungsschwelle auf mindestens 10%

• StSenkG v. 23.10.2000, BGBl. I 1433Absenkung der Beteiligungsschwelle auf mindestens 1%Paradigmenwechsel: Ziel = Ausweitung des Halbeinkünftever-fahrens auf Veräußerungen von KapGes-Anteilen > Streubesitz

• UntStRefG v. 14.8.2007, BGBl. I 1912

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer werden seit 1.1.2009 Dividenden und Veräußerungsgewinnen generell gleichgestellt

Warum lösen Veräußerungen von Anteilen > 1% Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus? Was soll überhaupt noch eine Mindestschwelle?

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Mitunternehmerschaftlicher Typus der personalistischen GmbH

Leitbild = PersGes mit beschränkter Haftung (s. Hintergrund für Einführung der Rechtsform, RTag-Abg. Oechelhäuser)

GmbH materiell = PersGes, die um der Haftungsbeschränkung willen als juristische Person verfasst ist (Flume, AT BGB, 1983, 61 f.)

Unterschied zwischen PersGes u. GmbH: rechtsfähige Gesamthand juristische Person

juristische Person: Verselbständigung gegenüber ihren Mitgliedern Prinzip der Fremdorgan-schaft statt der Selbstorganschaft bei PersGes

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Unterscheidung nach dem Trennungsprinzip

Wirtschaftliche Betätigung der KapGes.

Wirtschaftliche Betätigung des KapGes‘ters

keine Zurechnung („analog § 15 I Nr. 2 EStG“)

keine Zurechnung des BV der KapGes

Dieses Zurechnungsverbot gilt auch bei einer 100igen Beteiligung eines Ges‘ter/Gf‘ers!

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Typologische Qualifikation auf der Ebene des Kapitalgesellschafters

Entscheidend: Persönliche wirtschaftliche Betätigung des KapGes‘ters !

Zu hinterfragen: „Die juristische Person ist Unternehmerin und zwar nur sie!“ (so Strutz, Handbuch des Reichssteuergesetzes, 3. Aufl., 1927, 337)

Warum soll es keinen „Unternehmer hinter dem Unternehmer“ i.S. des § 15 I Nr. 1 EStG geben?

Zu dem Problemkreis ausführlich Seer, GmbHR 2011, 225 ff. u. die Kontroverse zwischen Schothöfer u. Seer, GmbHR 2012, 559 ff. u. 563 ff.

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Referenzfall = Ges‘ter-Gf‘er einer GmbH

GmbH

KapGes‘ter: § 20 I Nr.1 EStG?

KapGes‘ter: § 19 I Nr. 1 EStG?

Gesellschafts-verhältnis Dienstverhältnis

KapGes‘ter: typologisch§ 15 I Nr.1 EStG?

+

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Umsatzsteuerrecht zur Selbständigkeit desGmbH/Gesellschafter-Geschäftsführers (I)

BFH v. 10.03.2005 – V R 29/03, BStBl. II 2005, 730; BFH v. 8.9.2005 – V B 47/05, BFH/NV 2006, 622: Geschäfts-führungsleistungen eines GmbH-Gf’ers können als selbständig i.S.d. § 2 II Nr.1 UStG zu beurteilen sein. Die Organstellung des GmbH-Gf’ers steht dem nicht entgegen.

Aber: EuGH v. 18.10.2007 – Rs. C-455/06 van der Steen, UR 2007, 889: Allein-Ges‘ter/Gf‘er, der auf der Basis eines Arbeitsvertrages mit der KapGes deren Geschäfte führt, ist nicht selbständig und kein Stpfl. i.S.d. 6.EG-RL 77/388/EWG

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Umsatzsteuerrecht zur Selbständigkeit desGmbH/Gesellschafter-Geschäftsführers (II)

121

BFH v. 14.4.2010 – XI R 14/09, BStBl. II 2011, 433: Bei der Auslegung des Begriffs der Selbständigkeit i.S.d. § 2 I 1 UStG kommt der einkommensteuer-, arbeits- und sozial-rechtlichen Behandlung nur eine indizielle Bedeutung zu. Der umsatzsteuerliche Begriff der Selbständigkeit ist ein solcher des Unionsrechts.

Auf der Basis des EuGH (ebenso im Ertragsteuerrecht: BFH v. 23.4.2009 – VI R 81/06) kommt es umsatzsteuerlich allein auf die Ausgestaltung des Anstellungsvertrages zwischen KapGes u. Ges‘ter/Gf‘er an!

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Sozialversicherungsrecht zur Selbständigkeit des GmbH/Ges‘ter-Gf‘ers

Rspr. des BSG Ges‘ter/Gf‘er ist dann selbständig tätig, wenn er

maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH kraft eines entspr. Anteils am Stammkapital besitzt

beherrschender Ges‘ter/Gf‘er = Selbständiger (BSG v. 9.11.1989 – 11 RAr 39/89, BSGE 66, 69; BSG v. 24.11.2005 – B 12 RA 1/04 R, BSGE 95, 275)

Ebenso: Ges‘ter/Gf‘er, der über eine Sperrminorität (= Blockierstellung auch in laufenden Angelegenheiten) lt. GesVertrag verfügt (BSG v. 29.8.2012 – B 12 KR 25/10, BSGE 111, 257; BSG v. 30.4.2013 – B 12 KR 19/11 R)

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GmbH/Ges‘ter-Gf‘er im Einkommensteuerrecht (I)

BFH v. 10.3.2005 (6. Senat), BFH/NV 2006, 545: knüpfte an die sozialversicherungsrechtliche Typologie an: GmbH-Ges’ter/Gf’er mit 50%iger Beteiligung = regelmäßig selbständig (Streitfall: 50%ige Ges’terin war aber bloß Angestellte).

BFH v. 23.4.2009 (6. Senat), BStBl. II 2012, 262, beschränkt die o.g. Aussage nun auf § 3 Nr. 62 EStG, folgt selbst für den Mehrheits-Ges‘ter/Gf‘er der überkommenen steuerrechtlichen Betrachtungsweise und hebt trotz des beherrschendes Einflusses allein auf die Ausgestaltung des Anstellungsvertrages ab.

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GmbH/Ges‘ter-Gf‘er im Einkommensteuerrecht (II)

BFH v. 20.10.2010 – VIII R 34/08, BFH/NV 2011, 585: Organstellung u. Anstellungsvertrag sind zu unterschei-den. In Anknüpfung an die typologische Einordnung durch das BSG sind GmbH-Ges’ter/Gf’er regelmäßig Selbstän-dige, wenn sie mind. 50% des Stammkapitals innehaben.

Literaturstreit:Seer, GmbHR 2011, 225 ff., dagegen Schothöfer, GmbHR 2012, 559 ff., dazu Replik v. Seer, GmbHR 2012, 563 ff.

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Typologische Einordnung des beherrschenden Ges‘ter-Gf‘ers (I)

Frühere Organtheorie ist überwunden: Organstellung als Gf‘er der GmbH steht der Selbständigkeit nicht entgegen.

Wenn der Ges‘ter/Gf‘er in der Ges‘ter-Versammlung das Sagen hat, ist er nicht mehr weisungsabhängig!

Typusabgrenzung im Sozialversicherungsrecht besitzt keinen vom Steuerrecht abweichenden Telos!

Abgrenzung des BSG macht auch im Steuerrecht Sinn: Wer sowohl als Organ als auch durch beherrschende Beteiligung die Geschicke der GmbH lenkt, wird unternehmerisch tätig.

beherrschender KapGes‘ter/Gf‘er: = Gewerbetreibender (§ 15 I Nr.1 EStG)

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Typologische Einordnung des beherrschenden Ges‘ter-Gf‘ers (II)

Einordnung nach § 20 I Nr. 1 EStG ist nicht abschließend (s. § 20 VIII EStG); es existiert kein „Kapitalanleger kraft Rechtsform“.

Unternehmerinitiative: Geschäftsführertätigkeit u. beherrschender Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft

Unternehmerrisiko: Tätigkeitsvergütung + Bezüge aus dem Gesellschaftsanteil (Ausschüttungen + Wertsteigerungen/-verluste)

beherrschender KapGes‘ter/Gf‘er: = GmbH-Beteiligung gehört zum

notwendigen BV nach § 4 I, 15 I Nr. 1 EStG

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127

Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Einkommenserzielung

Einkommensverwendung= Einkommensverteilung(§ 8 III S. 1 und 2 KStG)

Offene Gewinnausschüttung

§ 8 III 1 KStG

Verdeckte Gewinnausschüttung

§ 8 III 2 KStG

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128

Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Einführendes Beispiel zur Verdeutlichung der Problematik:

G ist Alleingesellschafter der A-GmbH. Die A-GmbH ist Eigentümerin eines Grundstücks (BW = 100, gW/TW = 200).

Grundfall:

Die A-GmbH verkauft das Grundstück für 200. Die Gesellschafterversammlung der A-GmbH beschließt sodann die Ausschüttung der 200 an G.

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

500 500

Aktiva 400Grundstück 100

Eigenkapital 500

Aktiva Passiva 1. Schritt: VeräußerungEK-Veränderung

Abgang GrundstückZugang Kaufpreis

Gewinn vor SteuernKSt (15 %)

Jahresüberschuss

- 100+ 200

+ 100- 15

+ 85

EK-Veränderung§ 8 III 1 KStG

Einkommen

- 200+ 200

0

A-GmbH

2. Schritt AusschüttungEK-Veränderung

Ausschüttung - 200

585 585

Aktiva 585

Aktiva PassivaEigenkapital 585

385 385

Aktiva 385Aktiva Passiva

Eigenkapital 385

G

§ 20 I Nr. 1 EStGSteuersatz 25 %(§ 32d EStG)nach Steuern

200- 50

150

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130

Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Abwandlung:

Die A-GmbH „verschenkt“ dieses Grundstück an G und überträgt ihm das Eigentum hieran.

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131

Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

500 500

Aktiva 400Grundstück 100

Eigenkapital 500

Aktiva Passiva

EK-VeränderungAbgang Grundstück

Gewinn vor SteuernKSt (15 %)

Jahresüberschuss

- 100

- 1000

- 100

EK-Veränderung§ 8 III 2 KStG (vGA)

Einkommen

KSt (15 %)

- 100+ 200

100

- 15

A-GmbH

400 400

Aktiva 400Aktiva Passiva

Eigenkapital 400

G

§ 20 I Nr. 1 EStGSteuersatz 25 %(§ 32d EStG)nach Steuern

200- 50

150

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oder

132

Verdeckte Gewinnausschüttung Voraussetzungen

Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung,

die durch das Gesellschaftsverhältnisveranlasst ist,

die sich auf den Unterschiedsbetrag gemäß § § 5 I, 4 I 1 EStG i.V.m. § 8 I KStG auswirkt,

die in keinem Zusammenhang mit eineroffenen Ausschüttung steht und

die Minderung des Unterschiedsbetrages muss (objektiv) ge-eignet sein, beim Gesellschafter einen Vorteil in Gestalt eines

sonstigen Bezuges i.S.v. 20 I Nr. 1 S. 2 EStG auszulösen

Fremdvergleich: Ein gewissen-hafter Geschäftsleiter hätte den

Vorteil nicht gewährt

bei beherrschendem Ges´ter: Es fehlt an einer klaren und im Voraus abgeschlossenen wirk-samen und tatsächlich durch-

geführten Vereinbarung

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133

Verdeckte Gewinnausschüttung Fallgruppen

Ein Gesellschafter erhält für seine Geschäftsführertätigkeit ein unangemessen hohes Gehalt.

Ein Gesellschafter erhält ein zinsloses oder unangemessen niedrig verzinsliches Darlehen von der Gesellschaft.

Ein Gesellschafter gibt der Gesellschaft ein Darlehen zu einem außergewöhnlich hohen Zinssatz.

Ein Gesellschafter verkauft der Gesellschaft Wirtschaftsgüter zu einem ungewöhnlich hohen Preis.

Ausnutzen der Geschäftschancen der Kapitalgesellschaft? Beherrschender Gesellschafter erhält einen Vorteil und es fehlt

an einer klar im Voraus getroffenen Vereinbarung (vGA selbst dann (+), wenn Vorteilsgewährung fremdüblich; Bsp: Abgren-zung zwischen Sachlohn und vGA bei der PKW-Gestellung)

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Beispiel: A nimmt sich aus der Kasse „seiner“ B-GmbH (100 % Beteiligung) 10.000 €.1) A hat nicht vor, diesen Betrag zurückzuzahlen

100 100

Geld 100 Eigenkapital 100

Aktiva PassivaEK-Veränderung

Abgang Geld

Steuerbilanzgewinn

- 10

- 10

90 90

Geld 90

Aktiva PassivaEigenkapital 90

100 100

Geld 100 Eigenkapital 100

Aktiva Passivakeine EK-Veränderung

Abgang GeldAktivierung Darlehens-

forderung ggü. A

Steuerbilanzgewinn

- 10

+ 10

0

100 100

Geld 90Darlehensford. 10

Aktiva PassivaEigenkapital 100

2) A betrachtet den Griff in die Kasse als zinsloses Darlehen (üblicher Zins 10 %)

EK-Veränderung§ 8 III 2 KStG

Einkommen

- 10+ 10

0

Anknüpfungspunkt: Gewinnauswirkung

wegen „Geldschenkung“

Anknüpfungspunkt:- Geldabgang (-), da

durch Darlehensforder-ung kompensiert

- aber: verhinderte Ver-mögensmehrung wegen

,,Zinslosigkeit“ (+)

EK-Veränderung§ 8 III 2 KStG

Einkommen

0+ 1

1

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Beispiel: A ist Ges´ter der B-GmbH und verkauft dieser ein unbebautes Grundstück zum Kaufpreis von 500 T€; der gemeine Wert des Grundstücks liegt nur bei 100 T€. Die B-GmbH nimmt daher eine TW-AfA auf das Grundstück vor.

700 700

Geld 700 Eigenkapital 700

Aktiva Passiva 1. Schritt: Anschaffungkeine EK-Veränderung

Abgang GeldZugang Grundstück

- 500+ 500

0

EK-Veränderung§ 8 III 2 KStG

Einkommen

- 400+ 400

0

2. Schritt WertberichtigungEK-Veränderung

Teilwert-AfA (§ 6 I Nr. 2 S. 2 EStG)

Steuerbilanzgewinn

- 400

- 400

700 700

Geld 200Grundstück 500

Aktiva PassivaEigenkapital 700

Anschaffungs-kostenprinzip

§253 I HGB§ 6 I Nr. 1, 2 EStG

300 300

Geld 200Grundstück 100

Aktiva PassivaEigenkapital 300

Problem: TW-AfA ist als Wahlrecht aus-gestaltet und

bleibt aufgrunddes Wahlrechts-vorbehaltes in

§ 5 I EStG auchein Wahlrecht.

Wie ist dieRechtslage,

wenn die GmbHhiervon keinen

Gebrauch macht?

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Alternative (vorzugswürdige) Lösung der Problematik = am Vorsichtsprinzip orientierte Auslegung des (handelsrechtlichen) Anschaffungskostenbegriffs und hiernach Aktivier-ung nur der fremdüblichen Anschaffungskosten (vgl. Martini/Valta, DStR 2010, S. 2329).

700 700

Geld 700 Eigenkapital 700

Aktiva Passiva Anschaffungsvorgang, aber ausnahmsweise:

EK-VeränderungAbgang GeldZugang Grundstück

- 500+ 100

- 400

EK-Veränderung§ 8 III 2 KStG

Einkommen

- 400+ 400

0

300 300

Geld 200Grundstück 100

Aktiva PassivaEigenkapital 300

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137

Verdeckte Gewinnausschüttung Rechtsfolgen

Körperschaft

§ 8 III 2 KStG: keine Minderung des Einkommens

zu niedriger Jahresüber-schuss ist zu korrigieren

differenziere:

Anteilseigner

Beteiligung des Privat-vermögens

§ 20 I Nr. 1 S. 2 EStG

Beteiligung des Betriebs-vermögens

§ 15 EStG

Natürliche PersonKörperschaft

§ 8 II KStGi.V.m.

§ 15 EStG

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Beispiel: Die A-GmbH gewährt ihrer 100%igen Konzernmutter X-AG ein zinsloses Darlehen in Höhe von 1 Mio. € (der marktübliche Zins würde 5 % = 50 T€ betragen).

A - GmbH

X - AG

vGA

Bei der A-GmbH kommt es wegen der Zinslosigkeit zu einer verhinderten Vermögensmehrung in Höhe von 50 T€. Diese Vermögensmehrung beruht auf dem Gesellschaftsverhältnis zur X-AG (vgl. Fremdvergleich: Ein fremder Dritter hätte kein zinsloses Darlehen erhalten).

100 %

Steuerbilanzgewinn x

Hinzurechnung vGA (§ 8 III 2 KStG) + 50

Einkommen der A-GmbH x + 50

A - GmbHSteuerbilanzgewinn x

Hinzurechnung vGA + 50

Steuerfreiheit gem. § 8b I KStG - 50

Hinzurechnung nicht abziehbare Betriebsausgabe, § 8b V KStG

+ 2,5

Einkommen der X-AG x + 2,5

X - AG

Darlehens-vertrag

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139

Merke: Eine vGA kann auch dann vorliegen, wenn die Vermögens-minderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung, die Anknüpfungspunkt für eine vGA ist, einer anderen Person als dem Gesellschafter zugute kommt/ zufließt. Voraussetzung ist jedoch, dass die Bevorteilung des Dritten durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist.Wenn dies der Fall ist, dann wird die vGA dem Gesellschafter (nicht dem Dritten) zugerechnet (1. Schritt) und der Gesellschafter wendet den Vorteil sodann dem Dritten zu (2. Schritt); es liegt daher stets eine fiktive Verausgabung/Weiterreichung durch den Gesellschafter an den Dritten vor

Problem: Empfänger der vGA bei Dreipersonenverhältnissen

Die tatsächlich unmittelbar erfolgende Vorteilsgewährung der Gesellschaft an den Dritten wird mithin wie eine Abkürzung des Zahlungsweges beurteilt.

Page 140: 1 Unternehmensteuerrecht SS 2015 Prof. Dr. iur. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht.

140

Beispiel: A ist Ges´ter der B-GmbH. Geschäftsführerin der B-GmbH ist seine Ehefrau E, die jedoch nicht Ges´terin ist. E erhält ein Gehalt in Höhe von 500 T€. Angemessen wären lediglich 300 T€ (Fremdvergleich). Der Steuerbilanzgewinn der B-GmbH beläuft sich unter Berücksichtigung des Gehaltes auf 300 T€.

A

B-GmbH

vGAGeschäfts-

führergehalt100 %

E§ 12 EStG

Steuerbilanzgewinn vor Berücksichtigung Gehalt

800

Gehalt (Betriebsausgabe) - 500

Steuerbilanzgewinn 300

Hinzurechnung vGA (§ 8 III 2 KStG)

+ 200

Einkommen A-GmbH 500

B-GmbHEinkünfte aus Kapital-vermögen (§ 20 I Nr. 1 S. 2 EStG

200

Fiktive Verwendung der vGA = irrelevant, da nur Einkommens-verwendung

- 0

Einkünfte 200

AEinkünfte gem. § 19 EStG

300

Fiktive Zuwendung der vGA = einkommen-steuerrechtlich irrele-vant (kein Einkünfte-tatbestand erfüllt)

- 0

Einkünfte 300

E

Das Ergebnis entspricht dem Fall, dass E nur ein Gehalt von 300 T€ erhalten, die 200 T€ an A ausgeschüttet und er diese wiederum an E weitergereicht hätte!

Page 141: 1 Unternehmensteuerrecht SS 2015 Prof. Dr. iur. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht.

141

Beispiel: A ist Ges´ter der B-GmbH. Er hat den Erwerb der Anteile an der B-GmbH fremdfinanziert bei der Bank X. A zahlt die Zinsen jedoch nicht aus seinem Vermögen, sondern hat mit der B-GmbH vereinbart, dass diese jährlich 200 T€ an die Bank X überweist. Auf eine Erstattung durch A hat die B-GmbH verzichtet! Steuerbilanzgewinn der B-GmbH ohne Zinsaufwand = 800 T€.

A

B-GmbH

vGA Zinszahlungfür A100 %

Bank X§ 9 EStG

Steuerbilanzgewinn vor Zinsen 800

Zinsen (Betriebsausgabe) - 200

Steuerbilanzgewinn 600

Hinzurechnung vGA (§ 8 III 2 KStG)

+ 200

Einkommen A-GmbH 800

B-GmbHEinkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 I Nr. 1 S. 2 EStG)

200

Fiktive Verwendung der vGA = Werbungskosten bei den Ein-künften aus Kapitalvermögen (unterstellt, dass A von § 32d II Nr. 3 EStG Gebrauch gemacht hat)

- 200

Einkünfte 0

A

Das Ergebnis entspricht dem Fall, dass A die 200 T€ ausgeschüttet erhalten und die Tilgung an die Bank aus seinem Vermögen geleistet hätte

Page 142: 1 Unternehmensteuerrecht SS 2015 Prof. Dr. iur. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht.

142

Verdeckte Gewinnausschüttung Prinzip materieller Korrespondenz

§ 3 Nr. 40 Satz 1 lit. d, S. 2 EStG, § 8b I 2 und 3 KStG→ das Teileinkünfte-/Freistellungsverfahren findet keine

Anwendung, wenn eine vGA das Einkommen der Körperschaft nach § 8 III 2 KStG gemindert hat

§ 32d II Nr. 4 EStG→ Abgeltungsteuer findet keine Anwendung, wenn eine vGA

das Einkommen der Körperschaft nach § 8 III 2 KStG gemindert hat und deren Steuerfestsetzung bestandskräftig ist

Page 143: 1 Unternehmensteuerrecht SS 2015 Prof. Dr. iur. Roman Seer Lehrstuhl für Steuerrecht.

143

Verdeckte Gewinnausschüttung Prinzip formeller Korrespondenz

§ 32a I KStG

→ Eigenständige Korrekturvorschrift: aus einer Änderung des KSt-Bescheides sollen folgerichtige Konsequenzen für den ESt-Bescheid gezogen werden → zuvor war eine Änderung zumeist nur nach Maßgabe der §§ 172 ff. AO möglich; Problem der Bestandskraft→ der KSt-Bescheid wird zwar nicht zum Grundlagenbescheid, hat aber grundlagenähnliche Wirkung für die Veranlagung des Gesellschafters→ besondere Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist des ESt-Bescheides

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144

Verdeckte Einlage - Spiegelbild der verdeckten Gewinnausschüttung

ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person wendet der Gesellschaft einen einlagefähigen Vorteil zu

und diese Zuwendung ist durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ( Fremdvergleich).

Negative Voraussetzung: Nutzungsvorteile können nicht Gegenstand einer (verdeckten) Einlage sein. Daher kann die Überlassung eines Wirtschaftsgutes zum Gebrauch oder zur Nutzung nicht Gegenstand einer (verdeckten) Einlage sein.

Voraussetzungen

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145

Verdeckte Einlage –Fallgruppen

Ein Gesellschafter verkauft der Gesellschaft Wirtschaftsgüter zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis.

Ein Gesellschafter übernimmt eine Schuld der Gesellschaft.

Verzichtet der Gesellschafter aufgrund des Gesellschafts-verhältnisses auf eine nicht mehr werthaltige Forderung gegenüber seiner Gesellschaft, führt dies bei der Gesell-schaft zu einer (verdeckten) Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung und zugleich beim Gesellschafter zu AK i.H. des noch werthaltigen Teils der Forderung.

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146

Verdeckte Einlage Rechtsfolgen

Körperschaft

Werterhöhung

vE führt zu Erhöhung des Eigenkapitals

differenziere

Anteilseigner

Abfluss   

nachträglicheAK des Anteils

der Gesellschaft

Beachte: → Verdeckte Einlage erhöhen das Einkommen der Gesellschaft nicht (§ 8 III 3 KStG) → § 32a II KStG = Spiegelbild zu § 32a I KStG

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147

Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

500 500

Aktiva 500 Eigenkapital 400Darl-Verb. 100

Aktiva Passiva

EK-VeränderungErlass Forderung

Steuerbilanzgewinn

+ 100

+ 100

EK-Veränderung§ 8 III 3 KStG (vE)

Einkommen

KSt (15 %)

+100- 100

0

0

A-GmbH

500 500

Aktiva 500Aktiva Passiva

Eigenkapital 500

G

Ursprüngliche AKNachträgliche AK

50+ 100

150

Beispiel: G hat gegenüber der A-GmbH, deren 100%iger Gesellschafter er ist (Gründung mit Stammkapital 50 T€), eine Forderung in Höhe von 100 T€. Diese (voll werthaltige) Forderung erlässt er der A-GmbH.

Im Zeitpunkt desErlasses ergeben sichkeine steuerlichenAuswirkungen; dieAnschaffungskosten der GmbH-Anteile er-

höhen sich jedoch:

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148

Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Fortführung des Beispiels: G veräußert seine GmbH-Beteiligung (Privatvermögen) nunmehr für 500 T€.

Der Veräußerungsgewinn ist gemäß § 17 Abs. 1 EStG steuerbar. Er berechnet sich gemäß § 17 Abs. 2 EStG wie folgt:

Veräußerungserlös 500

§ 3 Nr. 40 lit. c EStG -200

Ursprüngliche Anschaffungskosten - 50

§ 3c II EStG + 20

Nachträgliche Anschaffungskosten - 100

§ 3c II EStG + 40

Veräußerungskosten 0

Veräußerungsgewinn 210

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Abwandlung:

G ist Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH. Laut Anstellungsvertrag bekommt er ein monatliches (angemessenes) Gehalt in Höhe von 5.000 €. Weil die Gesellschaft gerade nur bedingt liquide ist, stundet er der A-GmbH 6 Monatsgehälter (30.000 €). Da sich die Liquiditätslage nicht bessert erlässt er der Gesellschaft die 30.000 € schließlich sogar vollständig.

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150

Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

100 100

Aktiva 100 Eigenkapital 70Gehalt-Verb 30

Aktiva Passiva

2. G verzichtet auf Ford.EK-Veränderung

Erlass Forderung

Steuerbilanzgewinn

+ 30

+ 30

EK-Veränderung§ 8 III 3 KStG (vE)

Einkommen

KSt (15 %)

+30- 30

0

0

A-GmbH

100 100

Aktiva 100Aktiva Passiva

Eigenkapital 100

G

100 100

Aktiva 100Aktiva Passiva

Eigenkapital 100

1. G verdient sich das GehaltEK-Veränderung

Gehalt des G

Steuerbilanzgewinn

- 30

- 30

Auswirkung bei G:Keine, da kein Zuflussim Sinne von § 11 EStG

Auswirkung bei G:1. Zufluss der 30 T€(Erlass als Erlangungder Verfügungsmacht)2. verdeckte Einlage(Erhöhung der AK)

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Weiteres Beispiel: Die A-GmbH und die B-GmbH sind Schwestergesellschaften. Konzernmutter (je 100 % an beiden Gesellschaften) ist die X-AG. Die A-GmbH kauft von der B-GmbH ein Wirtschaftsgut zum Preis von 100 T€ (gemeiner Wert = 50 T€).

A - GmbH B - GmbH

X - AG

vGA 100 %100 %

ÜberteuerterVerkauf

A-GmbH die vGA erhöht ihr Einkommen (§ 8 III 2 KStG)

X-AG die vGA wird ihr als Einnahme zugerechnet. Wegen der zugleich verwirklichten vE erhöhen sich bei der X-AG die Anschaffungskosten in Ansehung der Beteiligung an der B-GmbH

B-GmbH der (zu hohe) Gewinn der B-GmbH wird um die verdeckte Einlage gemindert (§ 8 III 3 EStG)

vE

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152

BetriebsaufspaltungSchaubild

Betriebsaufspaltung

Besitzunternehmen: (i.d.R.: PersGes., EinzU)

A

Miete

WG*

Betriebsunternehmen:(i.d.R.: GmbH)

B BA

*wesentliche Geschäftsgrundlagen

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153

BetriebsaufspaltungRechtsfolgen

Umqualifizierung der Vermietungseinkünfte in gewerbliche Einkünfte (§ 15 EStG, § 2 I GewStG); an die Betriebs-GmbH überlassene WG sind notwendiges BV des Besitzunternehmens

Anteile an der Betriebs-GmbH sind nach h.M. ebenfalls notwendiges BV des Besitzunternehmens (ggf. Sonder-BV II)

Gewinnausschüttungen der Betriebs-GmbH an Ges’ter bilden Einkünfte nach § 15 EStG

Von der Betriebs-GmbH an A/B gezahltes Geschäftsführergehalt führt nicht zu Einkünften gem. § 15 I Nrn. 1, 2 EStG, sondern gem. § 19 I Nr. 1 EStG (BFH BStBl. II 1970, 722) - streitig.

Beachte: Eine GewSt-Befreiung der Betriebsgesellschaft erstreckt sich auf das Besitzunternehmen (BFH BStBl. II 2006, 661)

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Beispiel: E und F sind Gesellschafter der (bilanzierenden) X-Grundstücks-verwaltungs-GbR. Die X-GbR ist Eigentümerin eines bebauten Grundstücks (BW Grundstück = 100.000 €; BW Gebäude = 500.000 €), welches die GbR an die Y-GmbH verpachtet. Gesellschafter der Y-GmbH sind E und F zu je 45 % (Stammkapital 100.000 € = ursprüngliche Anschaffungskosten). Die restlichen 10 % an der Y-GmbH hält A. Geschäftsführer der Y-GmbH ist E.

In 2014 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1) Die Y-GmbH zahlt eine Pacht in Höhe von 120.000 € an die X-GbR. Die AfA bezüglich des Gebäudes beläuft sich auf insgesamt 20.000 €. E hat zudem ein Darlehen aufgenommen, um die Anschaffung des Grundbesitzes zu finanzieren (Valuta = 100.000 €).

2) Die Y-GmbH schüttet an E und F jeweils 100.000 € aus.

3) Die Y-GmbH zahlt E ein Geschäftsführergehalt in Höhe von 60.000 €.

4) E hat der Y-GmbH ein Darlehen in Höhe von 45.000 € gewährt, auf dessen Rückzahlung er verzichtet.

5) E überträgt je 5 % GmbH-Anteil unentgeltlich auf F und A. Die GmbH-Beteiligung des E hat zu diesem Zeitpunkt einen Teilwert iHv 450.000 €.

6) Steuerlicher Gewinn der GmbH ohne diese Ereignisse = 200.000 €

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600 600

GruBo 100Gebäude 500

Eigenkap. 600

Aktiva PassivaX - GbR

100 100

Y-GmbH-Ant. 45Darlehen 45Neg. EK 10

Darlehen 100

Aktiva PassivaSonderbilanz E

Ausgangssituation:

Falllösung bezogen auf E:

I. Subjektive SteuerpflichtII. Objektive Steuerpflicht1. Einkünftequalifikation

Vermietung eines Grundstücks grds § 21 EStG; hier erzielt E jedoch Einkünfte aus einer gewerblichen Mitunternehmerschaft

Betriebsaufspaltung (+), da sowohl sachliche als auch personelle Verflechtung (+)

2. Einkünfteermittlung= Betriebsvermögensvergleich gemäß § 5 I EStG

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600 600

GruBo 100Gebäude 500

Eigenkap. 600

Aktiva PassivaX - GbR

100 100

Y-GmbH-Ant. 45Darlehen 45Neg. EK 10

Darlehen 100

Aktiva PassivaSonderbilanz E

1) 120.000 € Pacht / 20.000 € AfA Gebäude

156

EK-VeränderungGesamthandsbereich

ErträgeAufwendungen

Gewinn

120- 20

+ 100

keine EK-Veränderungim Sonderbereich

700 700

Geld 120GruBo 100Gebäude 480

Eigenkap. 700

Aktiva Passiva

100 100

Y-GmbH-Ant. 45Darlehen 45Neg. EK 10

Darlehen 100

Aktiva Passiva

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X - GbR

100 100

Y-GmbH-Ant. 45Darlehen 45Neg. EK 10

Darlehen 100

Aktiva PassivaSonderbilanz E

2) Ausschüttung der Y-GmbH an E in Höhe von 100.000 €

157

keine EK-VeränderungIm Gesamthandsbereich

700 700

Geld 120GruBo 100Gebäude 480

Eigenkap. 700

Aktiva Passiva

190 190

Geld 100Y-GmbH-Ant. 45Darlehen 45

Eigenkap. 90Darlehen 100

Aktiva Passiva

EK-VeränderungSonderbereich

Ausschüttung

Gewinn

100

+ 100

Geld 120GruBo 100Gebäude 480

Aktiva PassivaEigenkap. 700

700 700

EK-Veränderung§ 3 Nr. 40 lit. d EStG

Einkommen

+100- 40

60

MERKE: Die Anteile an der Betriebs-GmbH gehören zum SBV; folglich stellen Ausschüttungen der GmbH gewerb-liche Einkünfte dar, für die das Teileinkünfteverfahren gilt

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X - GbR

190 190

Geld 100Y-GmbH-Ant. 45Darlehen 45

Eigenkap. 90Darlehen 100

Aktiva PassivaSonderbilanz E

3) Geschäftsführergehalt iHv 60.000 € an E

158

keine EK-VeränderungIm Gesamthandsbereich

700 700

Geld 120GruBo 100Gebäude 480

Eigenkap. 700

Aktiva Passiva

190 190

Geld 100Y-GmbH-Ant. 45Darlehen 45

Eigenkap. 90Darlehen 100

Aktiva Passiva

keine EK-VeränderungSonderbereich

Geld 120GruBo 100Gebäude 480

Aktiva PassivaEigenkap. 700

700 700

MERKE: Das Geschäftsführergehalt gehört nach h.M. (obwohl die GmbH-Anteile SBV sind) nicht zu den gewerblichen Einkünften des E, sondern unterfällt § 19 EStG

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X - GbR

190 190

Geld 100Y-GmbH-Ant. 45Darlehen 45

Eigenkap. 90Darlehen 100

Aktiva PassivaSonderbilanz E

4) Forderungsverzicht durch E

159

keine EK-Veränderungim Gesamthandsbereich

700 700

Geld 120GruBo 100Gebäude 480

Eigenkap. 700

Aktiva Passiva

190 190

Geld 100Y-GmbH-Ant. 90

Eigenkap. 90Darlehen 100

Aktiva Passiva

keine EK-VeränderungSonderbereich

Geld 120GruBo 100Gebäude 480

Aktiva PassivaEigenkap. 700

700 700

MERKE: Eine Eigenkapitalmehrung bei der GmbH (hier durch den Forderungs-verzicht), der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, führt zu einer ver-deckten Einlage und damit beim Ges´ter zu nachträglichen AK auf die Beteiligung

Verlust Forder.nachtr. AK auf GmbH-Beteil.

Gewinn

- 45

+ 45

0

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Sonderbilanz E

EK-VeränderungEntnahme Anteil an AEntnahme Anteil an F§§ 3 Nr. 40 lit. a, 3c II EStG

Gewinn iSv § 4 I EStG

- 20+ 50+ 10- 16

24

§ 6 V 3 Nr. 3 EStG

45 45

GmbH-Bet. 45 Eigenkap. 45

Aktiva Passiva

EK-Veränderungim Sonderbereich

des F

Zugang GmbHAnteil

Gewinn

+ 10

+ 10

Sonderbilanz F

55 55

GmbH-Bet. 55Aktiva Passiva

Eigenkap. 55

EK-Veränderung

Einlage

Gewinn iSv § 4 I EStG

+ 10- 10

0

„steuerneutral“

5) Anteilsübertragung (Vorüberlegung: die gesamte Beteiligung von E, d.h. 45 % entspr. einem BW von 90 T€, d.h. je 5 % Beteiligung entspr. einem BW von 10 T€!)

190 190

Geld 100Y-GmbH-Ant. 90

Eigenkap. 90Darlehen 100

Aktiva Passiva

170 170

Geld 100Y-GmbH-Ant. 70

Aktiva Passiva

Übertrag. GmbH-Anteil auf FÜbertrag. GmbH-Anteil auf A

Gewinn

- 10- - 10

- 20

Eigenkap. 70Darlehen 100

EK-Veränder-ung im Sonder-bereich des E

§ 6 I Nr. 4 EStG

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Steuerlicher Gewinn des E aus der gewerblichen Mitunternehmerschaft

Gesamthand EPachterträge 120.000 €-AfA - 20.000 €

Gesamthandsgewinn 100.000 €Gewinnanteil je Ges´ter 50.000 €

+ Sonderbetriebsertrag Ausschüttung + 100.000 €- § 3 Nr. 40 lit. d EStG - 40.000 €- SBV-Minderung Forderungsverzicht - 45.000 €+ nachträgliche AK auf GmbH-Beteiligung + 45.000 €

- SBV-Minderung Anteilsübertragung - 20.000 €

+ § 3c II EStG + 8.000 €+ Entnahmekorrektur infolge Anteilsübertragung +60.000 €- § 3 Nr. 40 lit. a EStG - 24.000 €Gewinn aus gewerblicher Mitunternehmerschaft 134.000 €

Einkünfte des E gemäß § 19 EStG

Geschäftsführergehalt 60.000 €Werbungskosten (hier Pauschbetrag gem. § 9a EStG) - 1.000 €Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten 59.000 €

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Einkommensberechnung der Y-GmbH

Jahresüberschuss 200.000 €Pachtzahlung an GbR - 120.000 €Ausschüttung an die Gesellschafter E und F - 200.000 €

§ 8 III 1 KStG + 200.000 €Geschäftsführergehalt an E - 60.000 €Verzicht des E auf Darlehensrückzahlung (= Befreiung der Y-GmbH von einer Schuld)

+ 45.000 €

§ 8 III 3 KStG - 45.000 €

Einkommen der Y-GmbH 20.000 €

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163

GmbH & Co. KG (I)GmbH & Co. KG

= Mitunternehmerschaft

Komplementär-GmbH

§§ 1 I, 8 I KStGi.V.m. § 15 I Nr. 2

EStG

KommanditistB

KommanditistA

§ 15 I Nr. 2 EStG

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164

GmbH & Co. KG (II)Sog. identische GmbH & Co. KG

= Kommanditist ist zugleich GmbH-Gesellschafter• GmbH-Anteile gehören nach h.M. zum Sonder-BV II

(BFH BStBl. II 1993, 792; 1999, 720; 2001, 825; BFH/NV 2010, 1096; 2012, 1112; 2014, 1519).

• Gewinnausschüttungen der GmbH sind deshalb nach h.M. gewerbliche Einkünfte gem. § 15 I Nr. 2 EStG

• Ist A/B auch Geschäftsführer der GmbH, qualifiziert die h.M. Geschäftsführer-Gehalt als Tätigkeitsvergütung i.S.d.

§ 15 I Nr. 2 EStG

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165

GmbH & Still (I)GmbH & Still

= sog. Innengesellschaft

im Innenverhältnis: stiller Gesellschafter A

§§ 1 I, 8 I KStG, ggf.i.V.m. § 15 I Nr. 2 EStG

nach außen handelnd: GmbH

§ 20 I Nr. 4 EStG oder § 8 II KStG

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166

GmbH & Still (II)GmbH & atypisch Still

= stiller Gesellschafter entfaltet MU-Initiative und trägt im

Innenverhältnis MU-Risiko• GmbH & atyp. Still = MU-schaft • Gewinnanteil des stillen Ges’ters = gewerbl. Einkünfte (§ 15 I Nr. 2); dito für Gewinnausschüttung der GmbH (falls A deren Ges’ter) • GmbH-Anteile des stillen Ges’ters gehören nach h.M. zum SBV II • ist A auch Geschäftsführer der GmbH, Geschäftsführer-Gehalt = Tätigkeitsvergütung i.S.d. § 15 I Nr. 2 EStG

GmbH & typisch Still = stiller Gesellschafter ist bloßer

Kapitalgeber (Rückzahlungs-anspruch beschränkt sich auf die Einlage u. Gewinnanteil,

s. § 235 HGB) • Gewinnanteil des stillen Ges’ters = Einkünfte aus § 20 I Nr. 4 EStG; falls A gleichzeitig Ges’ter d. GmbH: Gewinnausschüttung der GmbH = Einkünfte aus § 20 I Nr. 1 EStG • GmbH-Anteile gehören grds. zum Privatvermögen von A • Gehalt für eine Tätigkeit des A = grds. Eink. aus § 19 I Nr. 1 EStG.

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Organschaft, §§ 14 - 19 KStG Schaubild

M-AG

B-AG

D-GmbH

100%

100%Ausschüttung§ 8b I, V KStG mit jeder

Ausschüttung werden 5 % besteuert

Verlustejede KapGes ist

eigenes Steuersubjekt

Kein Verlusttransfer

im Konzern möglich

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168

Organschaft, §§ 14 - 19 KStG Funktion

Überwindung des rechtssubjektbezogenen Trennungsprinzips zur Verrechnung von Verlusten der Organgesellschaften mit Gewinnen anderer Organgesellschaften bzw. des Organträgers

Vermeidung des Kaskaden-Effekts des Abzugsverbots des § 8b III, V KStG

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169

Organschaft, §§ 14 - 19 KStG Voraussetzungen nach dem Ges. v. 20.2.2013

Organgesellschaft kann nur eine Kapitalgesellschaft sein (AG, GmbH, SE, KGaA) mit Geschäftsleitung im Inland + Sitz innerhalb EU/EWR

Organträger muss ein „gewerbliches Unternehmen“ sein Finanzielle Eingliederung: Mehrheit der Stimmrechte an der

Organgesellschaft steht dem Organträger zu Beteiligung an der Organgesellschaft muss einer inländ.

Betriebsstätte (§ 12 AO) des Organträgers zuzuordnen seinAbschluss eines wirksamen Gewinnabführungsvertrages auf mind.

5 Jahre zwischen Organgesellschaft und Organträger wenn für die Organgesellschaft § 302 AktG nicht unmittelbar gilt,

muss die Verlustübernahme durch Verweis auf § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart worden sein (vgl. § 17 S. 2 Nr. 2 KStG: Erfordernis einer dynamischen Verweisung)

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Neuerungen durch Ges. zur Vereinfachung des UntStR v. 20.2.2013, BGBl. I 285

Aufgabe des doppelten Inlandsbezugs der Organgesellschaft

Ausländ. Organträger mit inländ. Betriebsstätte: Problem = Kriterien für die Zuordnung der Beteiligung, s. Dötsch/Pung DB 2013, 305

Verhinderung einer doppelten Verlustnutzung ausländ. Organträger/-gesellschaft (sog. Dual Consolidated Loss Rule – DCL Rule)

Einführung eines vorgeschalteten Feststellungs-verfahren über das zuzurechnende Organ-einkommen

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171

Organschaft, §§ 14 - 19 KStG Rechtsfolgen

Wirkung der Organschaft: Abzuführender Gewinn und zu übernehmende Verluste werden dem Organträger zugerechnet, d.h. sowohl Gewinnabführung als auch

Verlustübernahme sind trotz gesellschaftsrechtlicher Veranlassung steuerrechtlich erheblich

aber: Die Steuersubjektivität der Organgesellschaft bleibt bestehen.Ferner z.B.- § 8b KStG bzw. §§ 3 Nr. 40, 3c II EStG sind auf der Ebene des

Organträgers anzuwenden, wenn die Organgesellschaft Ausschüttungen empfängt (§ 15 S. 1 Nr. 2 KStG)

- Organträger und Organgesellschaft gelten als ein Betrieb im Sinne des § 4h EStG (§ 15 S. 1 Nr. 3 KStG)

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Organschaft

A-AG B GmbH100 %

A-AGHB-/StB-Gewinn (inkl. Ausschüttung der C GmbH)

1.000

Gewinnabführung 500

Zwischenergebnis 1.500

§ 8b I iVm § 15 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG - 100

§ 8b V iVm § 15 S. 1 Nr. 2 S. 2 KStG + 5

Einkommen der A-AG 1.405

B-GmbHHB-/StB-Gewinn (inkl. Aus-schüttung der C GmbH)

500

Gewinnabführung - 500Einkommen 0

Beispiel: Die A-AG (HB/StB-Gewinn vor Ergebnisabführung = 1.000) ist 100%-ige Gesellschafterin der B-GmbH (HB/StB-Gewinn vor Ergebnisabführung = 500); es besteht ein Gewinnabführungsvertrag und auch im Übrigen wird § 17 KStG genügt. Die B-GmbH wiederum ist 100 %-ige Gesellschafterin der C-GmbH; diese schüttet 100 an die B-GmbH aus.

C GmbH100 %

Ausschüttung= 100

Ergebnis-abführung

Beachte: § 15 S. 1 Nr. 2 KStG verlagert die Vermeidung der Doppelbelastung folgerichtig auf die Ebene des Organträgers

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173

Sog. Zinsschranke Grundproblematik und Entwicklung

A-AG

B GmbH

100 %

Ausschüttungen der KapGes an den Ges´ter mindern das Einkommen der KapGes nicht (§ 8 III 1 KStG)

Zinsen für Fremdkapital – auch wenn es vom Ges´ter über-lassen wird – mindern das Einkommen der KapGes

Ausgangs-erkenntnis

Sofern das Mindesteigenkapital erbracht ist, hat der Ges´ter die freie Wahl, ob er die Kap´Ges mit Eigen- oder Fremdkapital finanzieren will!

B-GmbHGewinn (vor Zinsen) 500

Zinsen - 100

Eigenkapitaländerung 400

Korrekturen 0

Einkommen 400

B-GmbHErgebnis vor Ausschüttung 500

Ausschüttung - 100

Eigenkapitaländerung 400

Korrektur (§ 8 III 1 KStG) 100

Einkommen 500

Beispiel: Die A-AG finanziert die B-GmbH mit Fremdkapital und erhält 100 Zinsen und alternativ mit Eigenkapital und erhält eine Ausschüttung iHv 100 Fremdkapitalvariante Eigenkapitalvariante

A-AG versteuert 100 Zinsen A-AG bezieht die Ausschüttung zu 95 % steuerfrei (§ 8b I, V KStG)

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174

Sog. Zinsschranke Grundproblematik und Entwicklung

Solange es sich um einen rein inländischen Sachverhalt handelt, besteht für den dt. Gesetzgeber kein Anlass zur Reaktion

Ist Gesellschafter hingegen eine gebietsfremde Kapitalgesellschaft, geht über die Fremdkapitalvariante „deutsches Besteuerungssubstrat“ verloren. Ursache: die abkommensrechtlich übliche und EU-rechtlich durch die Mutter-Tochter- sowie Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie abgesicherte Praxis der gegenläufigen Zuweisung von Besteuerungsrechten an Unter-nehmensgewinnen einerseits und Zinsen andererseits.

A-AG B GmbH

Ausland Deutschland

100 %

mit Zinszahlung geht Gewinntransfer einher

für Deutschland misslich, weil Besteuerungssubstrat an das Ausland verloren geht (die Gewinne der B-GmbH vor Zinsen werden nicht in Deutschland besteuert, sondern vermittelt über Zinsabzug der B-GmbH und Zinsgewinn der A-AG im Ausland)

für die Konzernmutter A-AG kann der Anreiz zur Gewinnverlagerung darin liegen, dass ihr Ansässigkeitsstaat für die Zinsen ein niedrigeres Steuerniveau hat als Deutschland für die Gewinne der B-GmbH

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Sog. Zinsschranke Grundproblematik und Entwicklung

§ 42 AO

Reaktion der Finanzverwaltung und sodann des Gesetzgebers

ab 1994: § 8a KStG Zinszahlungen an Gebietsfremdeige Anteilseignerwurden anknüpfend an eine bestimmte Relation von Eigen- und

Fremdkapital zu vGA fingiert

ab 2004: § 8a KStG Zinszahlungen an Anteilseigner (gleich ob gebietsfremd oder gebietsansässig) wurden zu vGA fingiert

BFH: keine ausreichende gesetzliche Grundlage

EuGH: Verstoß gegen Grundfreiheiten

seit 2008: der Gesetzgeber gibt den Versuch, Zinszahlungen an Anteilseigner als Problem der Einkommensverwendung zu regeln, auf und

normiert in § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG ein (rechtsformneutral ausgestaltetes) Zinsabzugsverbot und ergänzt dies in § 8a II, III KStG durch besondere Regelungen für die Gesellschafterfremdfinanzierung

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176

Die Zinsschranke (I) – Inhalt und Zweck

Zinsschranke statuiert ein Betriebsausgaben-Abzugsverbot zur Sicherung des nationalen Steuersubstrats und Abwehr „missbräuchlicher Gestaltungen“

Zinsaufwendungen sind nur in Höhe von 30% des steuerlichen Gewinns vor Zinsen, Steuern und AfA (sog. EBITDA) abzugsfähig, soweit sie die Zinserträge übersteigen

Zinsschranke erfasst jede Art der Fremdfinanzierung und geht über die bisherige Regelung zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung des § 8a KStG a.F. deutlich hinaus

Sie beschränkt sich nicht auf grenzüberschreitende Sachverhalte und statuiert letztlich eine Mindestbesteuerung

Nicht verbrauchtes EBITDA kann in die Folgejahre vorgetragen werden (sog. EBITDA-Vortrag), § 4h I 3 EStG

Die dem Abzugsverbot unterliegenden Schuldzinsen dürfen in die Folgejahre übertragen werden (sog. Zinsvortrag), wenn der EBITDA-Vortrag aufgebraucht ist, § 4h I 5 EStG

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177

Die Zinsschranke (II) – Ausnahmen (§ 4h II 1 EStG)

Freigrenze von 3 Mio. Euro→ Schuldzinsüberhang < 3 Mio. € (lit. a)

„ Stand-alone-Escape“→ Betrieb gehört nicht zu einem Konzern i.S.d. Zinsschranke (lit. b)

- bei KapGes. greift die Konzernklausel nur, wenn keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegt (§ 8a II KStG) „Konzern-Escape“

→ Betrieb kann nachweisen , dass seine Eigenkapitalquote > Konzerneigenkapitalquote (lit. c)

- Unterschreiten um 2% ist unschädlich,- bei KapGes. greift die Konzernklausel nur, wenn keine schädliche

Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegt (§ 8a III KStG)

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178

Die Zinsschranke (III) - Prüfungsdiagramm

Escape-Regeln (§ 4h II EStG)

Zinsschranke (§ 4h I EStG) greift

Abzugsbeschränkung auf 30% des EBITDA zzgl. EBITDA-

Vortrag greift!Zinssaldo < 30% des EBITDA

Zinsaufwendungen eines Betriebes

unbeschränkter Abzug

Zinssaldo > 30% des EBITDAZinsvortrag oder EBITDA-

Vortrag auf zukünftige Wj. (§ 4h IV EStG)

anwendbar

nicht anwendbar

Zinsaufwendungen überschreiten Zinserträge nicht

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179

Die Zinsschranke bei Gesellschafter-Fremdfinanzierung (§ 8a KStG)

Schädliche Ges‘ter-Fremdfinanzierung

Darlehensgeber ist unmittelbar/mittelbar > 25%

am Kapital der KapGes (Darlehensnehmerin) beteiligt

Vergütungen für Ges‘ter-Fremdfinanzierung > 10% des

Nettozinsaufwands der KapGes

• Zinsschranke greift auch außerhalb von Konzernen (§ 8a II KStG)

• Kein „Stand-alone-Escape“ (§ 8a III KStG), aber konzerninterne Finanzierungen führen noch nicht zur Ges‘ter-Fremdfinanzierung (BMF v. 4.7.08, Tz. 80).

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Beispiel: X ist Gesellschafter der A-GmbH und hat der A-GmbH ein Darlehen gewährt, für das die A-GmbH 0,6 Mio. € Zinsen gezahlt hat. Die A-GmbH hat ferner Zinsen für Darlehen an die B-Bank und die C-Bank gezahlt. Gegenüber der B-Bank hat sich X für die Schulden der GmbH verbürgt.

Die Gewinnermittlung der A-GmbH sieht wie folgt aus:

A - GmbH

X

Zinsen0,6 Mio. €100 %

A-GmbHGewinn (vor Zinsen, AfA) 10.000.000

Zinsen - 4.000.000

Abschreibungen - 1.500.000

Zinserträge 500.000

Steuerbilanzgewinn 5.000.000

B-Bank

C-BankZinsen1,4 Mio. €

Zinsen2 Mio. €

Bürg-schaft

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

A-GmbHGewinn (vor Zinsen, AfA) 10.000.000Zinsen - 4.000.000Abschreibungen - 1.500.000Zinserträge 500.000Steuerbilanzgewinn 5.000.000

Anwendung des § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG?

I. Grundsatz: Abzugsverbot nach Maßgabe des § 4h Abs. 1 EStG, soweit die Zinsen die Zinserträge und 30 % des EBITDA übersteigen

Formel: Zinserträge + 30 % x (Gewinn + Zinsaufwendungen + Abschreibungen – Zinserträge)

500.000 € + 30 % (5.000.000 € + 4.000.000 € + 1.500.000 € - 500.000 €) = 3.500.000 € (= in dieser Höhe ist der Zinsabzug zulässig!)

die Zinsaufwendungen in Höhe von 4.000.000 € übersteigen diesen Betrag um 500.000 € (= in dieser Höhe ist der Zinsabzug unzulässig!)

II. sofern nicht Ausnahmen gemäß § 4h Abs. 2 EStG eingreifen

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Anwendung des § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG?

I. Grundsatz: Abzugsverbot nach Maßgabe des § 4h Abs. 1 EStG, soweit die Zinsen die Zinserträge und 30 % des EBITDA übersteigen

Zwischenergebnis

Zinsen abziehbar in Höhe von 3.500.000 €; hinsichtlich der übrigen 500.000 € würde § 4h I EStG vorbehaltlich der nachfolgenden Prüfung ein Betriebs-ausgabenabzugsverbot vorschreiben

II. sofern nicht Ausnahmen gemäß § 4h Abs. 2 EStG eingreifen

1. § 4h II 1 lit. a (-), da Freigrenze überschritten ist

(Beachte: Es handelt sich um eine Freigrenze; es ist keine „soweit“-Regelung. Wenn die Grenze auch nur um 1 Cent überschritten wird, sind alle Zinsen erfasst.

2. § 4h II 1 lit. b?

Grundsatz: die A-GmbH gehört nicht zu einem Konzern im Sinne von § 4h III 5 u. 6 EStG, da Gesellschafter X keinen „Betrieb“ unterhält

aber Rückausnahme gemäß § 8a II KStG?

hiernach ist § 4 II 1 lit. b EStG nämlich nur dann anzuwenden, wenn keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vorliegt!

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

Anwendung des § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG?

I. Grundsatz: Abzugsverbot nach Maßgabe des § 4h Abs. 1 EStG, soweit die Zinsen die Zinserträge und 30 % des EBITDA übersteigen

II. sofern nicht Ausnahmen gemäß § 4h Abs. 2 EStG eingreifen2. § 4h II 1 lit. b?

Grundsatz: die A-GmbH gehört nicht zu einem Konzern im Sinne von § 4h III 5 u. 6 EStG, da Gesellschafter X keinen „Betrieb“ unterhält

aber Rückausnahme gemäß § 8a II KStG?

eine Gesellschafterfremdfinanzierung ist schädlich, wenn die Summe aus den Zinsen an einen wesentlich beteiligten Gesellschafter (mehr als 25 % Beteiligung), an einen nahen Angehörigen von ihm oder an einen ihm gegenüber rückgriffsberechtigten Dritten 10 % des Saldos aus allen Zinsaufwendungen und Zinserträgen erreicht oder höher ist.

Schritt 1: Berechnung der „Gesellschafterzinsen“ = 600.000 € (Zinsaufwand unmittelbar gegenüber X) + 2.000.000 € (Zinsaufwand an B-Bank, da die Bank iSv § 8a II 1 KStG als Dritter bei X Rückgriff nehmen kann) = 2.600.000 €

Schritt 2: Bezugsgröße für die 10 %-Regel = 3.500.000 € (Zinsaufwand 4.000.000 € abzgl. Zinserträge 500.000 €)

Schritt 3: Verhältnisrechnung 2.600.000 / 3.000.000 * 100 = ca .74 % die 10 % Grenze ist deutlich überschritten

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Abgrenzung zwischen Einkommenserzielung u. -verwendung

A-GmbHGewinn (vor Zinsen, AfA) 10.000.000Zinsen - 4.000.000Abschreibungen - 1.500.000Zinserträge 500.000Steuerbilanzgewinn 5.000.000

Hinzurechnung gem. § 4h EStG iVm § 8a I, II KStG 500.000

Körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen 5.500.000

Materiell-rechtliches Ergebnis:

Verfahrensrechtliches Ergebnis:

Die nichtabziehbaren Zinsaufwendungen iHv 500.000 € sind gesondert festzustellen (§ 4h IV 1 EStG); es findet ein Zinsvortrag statt (§ 4h I 5, 6 EStG)

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Verlustabzugsbeschränkung, § 8c KStG (I)

Schädlicher Beteiligungserwerb = unmittelbare od. mittelbare Anteils- od. Stimmrechtsüber-

tragungen innerhalb von 5 Jahren > 25% des Kapitals an einen Erwerber oder eine diesem nahe stehende Person

Beteiligung > 25%, aber < 50%

Beteiligung > 50%

quotaler Verlust des Verlustvortrages!

vollständiger Verlust des Verlustvortrages!

Problem: Können bei unterjähriger Veräußerung die zwischen dem letzten Verlustfeststellungszeitpunkt und der Veräußerung erwirtschafteten Gewinne noch verrechnet werden? (dafür mit guten Gründen FG Münster v. 30.11.2010, 9 K 1842/10, EFG 2011, 909, bestätigt von BFH BStBl. II 2012, 360; a.A. BMF BStBl. I 2008, 736 Tz. 31)

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Verlustabzugsbeschränkung, § 8c KStG (II)

entgeltlicher u. unentgeltlicher Erwerb erfasst (nach Auffassung der Finanzverwaltung allerdings Erbfall und vorweggenommene Erbfolge nicht)

Erwerberkreis nach § 8c S. 3 KStG auf Gruppe von Erwerbern erstreckt

Bis 2009: keine Konzernbetrachtung (BMF v. 4.7.08, Tz. 11) konzerninterne Umstrukturierungen können schädlich sein; für Erwerbe ab 2010: Konzernklausel § 8c I 5 KStG, an übernehmenden und übertragendem Rechträger müssen diesselben Personen zu 100% beteiligt sein

Ab 2010 Einführung einer Verschonungsklausel § 8c I 6-8 KStG, Verlustabzug möglich bis zur Höhe der stillen Reserven, die auf den schädlichen Erwerb entfallen

Erstreckung der Vernichtungswirkung auch auf den Zinsvortrag nach §§ 4h V EStG, 8a I 3 KStG!

Verlustvernichtung gilt auch für die GewSt (§10a S.9 GewStG)

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Sanierungsklausel (§ 8c Ia KStG)

Unschädlicher Beteiligungserwerb = zum Zweck der Sanierung, d.h. um Zahlungsunfähigkeit

oder Überschuldung zu verhindern u. die wesentlichen Betriebsstrukturen zu erhalten (§ 8c Ia 2 KStG)

Problem: Erhaltung wesentlicher Betriebsstrukturen n. § 8c Ia 3 Nrn. 1-3 KStG = Sanierungshindernis!

Nach Auffassung der EU-Kommission beinhaltet eine § 8c Ia KStG eine Beihilfe im Sinne der Art. 106, 107 AEUV. Deutschland hat die Entscheidung angefochten. Durch Verwaltungsanweisung hat das BMF angeordnet, dass § 8c Ia KStG bis zur abschließenden Klärung durch den EuGH nicht anzuwenden ist.

Der Verwaltungsanweisung hat nun § 34 VIIc KStG (eingeführt durch das BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. I 2592 [2612]) gesetzlich entsprochen

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Verlustabzugsbeschränkung, § 8c KStG (III) – Verfassungsverstoß

Verletzung des objektiven Nettoprinzips ohne tragenden Rechtfertigungsgrund

§ 8c KStG ist eine rein von fiskalischen Motiven geleitete Verlustvernichtungs-regel (s. Zusammenhang mit der Mindestbesteuerung - §§ 10d II EStG, 10a S. 1, 2 GewStG)

Durchbrechung des Trennungsprinzips durch Verknüpfung der Gesellschafter- mit der Gesellschaftsebene

Anknüpfung an das rein formale Kriterium einer qualifizierten Anteilsübertragung Regelung hat mit dem Missbrauchsgedanken (bloßer Mantelkauf) nichts mehr zu tun!

Sanktionierung auch der Gesellschafter, die ihre Anteile nicht veräußern

Vorlagebeschluss gemäß Art. 100 I GG des FG Hamburg v. 4.4.11, EFG 2011, 1460 (2 BvL 6/11)

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Die Gewerbesteuer im Steuersystem

Verfassungsrechtliche Garantien

Kommunale Selbst-verwaltungsgarantie

(Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG)

Finanzverfassung(Art. 106 Abs. 6 GG)

GemeindesteuerArt. 106 VI GG

Realsteuer= Objektsteuer

§ 3 II AO

Ertragsteuer

Die Gewerbesteuer im Steuersystem

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Revitalisierung der GewSt durch UntStRefG 2008

Historische Rechtfertigung der Gewerbesteuer über das Äquivalenzprinzip

• im Steuerrecht a priori nicht überzeugend• kein Zusammenhang zwischen der Steuerlast und

der Inanspruchnahme der kommunalen InfrastrukturBVerfG v. 15.1.2008 - 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, hält GewSt

gleichwohl unverändert für verfassungsgemäß

Aber: Vorlage des FG Hamburg v. 29.2.2012, EFG 2012, 960 (1 BvL 8/12), das die Hinzurechnung von Zinsen und Mieten nach § 8 GewStG für verfassungswidrig hält (s. Malzkorn/Rossa, DB 2012, 1169; Petrak/Karrenbrock, DStR 2012, 2046)

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GewerbesteuerSteuerobjekt

Gewerbe-betrieb kraft gewerblicher Betätigung

(§ 2 I GewStG)

Steuerobjekt =Inländischer Gewerbebetrieb

Gewerbe-betrieb kraft Rechtsform

(§ 2 II GewStG)

Betriebe der öffentlichen Hand (§ 2 I GewStDV)

Gewerbe-betrieb bei wirtschaft-

lichem Geschäfts-

betrieb (§ 2 III GewStG)

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GewerbesteuerBemessungsgrundlage

Ausgangsgröße: = Der nach den einkommen- und körperschaftsteuerrechtlichen Vorschriften ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb + gewerbesteuerliche Hinzurechnungen (§ 8 GewStG)./.gewerbesteuerliche Kürzungen (§ 9 GewStG) = Gewerbeertrag (§ 7 GewStG)

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Ermittlung der Gewerbesteuer (I)

Freibetrag (§ 11 I 3 GewStG)Nr. 1: 24.500 € bei nat. Personen und PersGes.Nr. 2: 5.000 € für die dort genannten Unternehmen

Ausgangswert = Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG)

+ Hinzurechnungen (§ 8 GewStG)

./. Kürzungen (§ 9 GewStG)

= maßgebender Gewerbeertrag (§ 10 GewStG)

./. Gewerbeverlust (§10a GewStG)

Abrundung auf volle 100 € (§ 11 I 3 GewStG)

= Gewerbeertrag

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Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG zum Gewerbeertrag

¼ der Summe aus Entgelten für Schulden Renten u dauernde Lasten, Gewinnanteile stiller Ges‘ter 1/5 der Miet-, Pachtzinsen, Leasingraten für

bewegliche WGer des AV 1/2 der Miet-, Pachtzinsen, Leasingraten für

unbewegliche WGer des AV ¼ der Lizenzgebühren

BMF v. 2.7.2012, BStBl. I 2012, 654 ff.

./. Freibetrag i.H.v. 100.000 €

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Ermittlung der Gewerbesteuer (II)

x Steuermesszahl (§ 11 II GewStG n.F.)einheitlich: 3,5 %; Grund: Die GewSt mindert gem. §§ 4 Vb EStG, 7 S. 2 GewStG ihre eigene Bemessungsgrundlage nicht

Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheides durch das Finanzamt (§ 184 AO)ggfs. Zerlegung auf mehrere Gemeinden (§§ 28 - 34 GewStG) durch Zerlegungsbescheid des Finanzamtes (§ 188 AO)

Gewerbeertrag

= Steuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag

x Hebesatz (§ 16 GewStG) der hebeberechtigten Gemeinde (§§ 4, 35a GewStG; Mindesthebesatz 200 %, § 16 IV 2 GewStG)= Festzusetzende GewerbesteuerFestsetzung durch Gewerbesteuerbescheid der Gemeinde (Erlass des Realsteuerbescheides)

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GewerbesteuerAnwendung des Hebesatzes

Auf den Steuermessbetrag wendet die hebeberechtigte Gemeinde (§ 4 GewStG) den Hebesatz an (§ 16 GewStG).

Die Hebesätze betragen z.B. in Bochum 495 %, in Duisburg 510 % (mit geplanter weiterer Anhebung auf 520 % im Jahr 2016) und in Essen 480 %. Zum Vergleich: Berlin 410 % (seit 1999), Frankfurt 460 % (seit 2007).

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GewerbesteuerGestuftes Festsetzungsverfahren

Ausgangsbasis ESt-Bescheid oder KSt-Bescheid oder

Feststellungsbescheid kein Grundlagenbescheidkeine rechtliche Bindung,

aber Korrekturmecha-nismus (§ 35b I GewStG) FA: Gewerbesteuer-

messbescheidAdressat: Stpfl.

Mitteilung an die Gemeinde (§ 184 III AO)

Hebeberechtigte Gemeinde:

Gewerbesteuerbescheid (§ 184 III AO)

Adressat: Stpfl.

Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung (§ 184

I 4 i.V.m. § 182 I AO)

1. Stufe

2. Stufe

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GewerbesteuerRechtschutzfragen

Einwendungen gegen den Gewerbesteuermessbescheid und den Zerlegungsbescheid -

z.B. Einwendung gegen die Qualifikation gewerbl. Einkünfte u.

die Höhe der Einkünfte

Einspruch beim Finanzamt (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO)

Rechtsschutzziel?

Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht

(§§ 40, 42 VwGO)

Einwendungen gegen den Gewerbesteuerbescheid

(§ 351 Abs. 2 AO!)- z.B. Einwendungen gegen die Anwendung des Messbetrages

Anfechtungsklage beim Finanzgericht

(§§ 33, 40 FGO)

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Pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer

Die Einkommensteuer des Unternehmers wird gem. § 35 Abs. 1 EStG durch eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer in Höhe des 3,8fachen des Gewerbesteuermessbetrags ermäßigt.

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Anrechnungsbeispiel (I)Anrechnungsbeispiel: Unternehmer U erzielt mit seinem Einzelunternehmen einen Gewinn i.H.v. 124.500 €. Der Hebesatz in seiner Gemeinde beträgt a) 300%, b) 400%, c) 500%.

Gewerbesteuermessbetrag = Anwendung der Steuermesszahl von einheitlich 3,5% (§ 11 II GewStG) auf den Gewerbeertrag= 3.500 € x Hebesatz= Gewerbesteuer a) 10.500 € b) 14.000 € c) 17.500 €

GewerbesteuerGewinn vor Gewerbesteuer 124.500 €Freibetrag (§ 11 I 3 Nr. 1 GewStG) ./. 24.500 €Gewerbeertrag vor Gewerbesteuer 100.000 €

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Anrechnungsbeispiel (II)Einkommensteuer (unterstellt: U ist ledig, steuerlicher Gewinn 124.500 € = z.v.E)

a) 44.051 € b) 44.051 € c) 44.051 €

Anrechenbare Gewerbesteuer3,8 x 3.500 € a) 13.300 € b) 13.300 € c) 13.300 €(§ 35 EStG) aber maximal 10.500 €

Einkommensteuerschuld 33.551 € 30.751 € 30.751 €Belastung durch GewSt insg. 0 € 700 € 4.200 €

Zu beachten: Aufgrund der unterschiedlichen Bemessungsgrundlage ESt/GewSt (s. Hinzurechnungen/Kürzungen, §§ 8, 9 GewStG) können sich erhebliche Anrechnungsüberhänge ergeben. Sie können insb. gerade in einer Verlustsituation dazu führen, dass das Ermäßigungspotential nicht ausgeschöpft werden kann!

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Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG

Besteuerung bei Thesaurierung → ermäßigter Steuersatz i.H.v. 28,25%, § 34a I 1 EStG → im Idealfall: nach der GewSt-Anrechnung eine ESt-Belastung von 14,95% zzgl. 0,82% SolZ u. eine Gesamtbelastung (bei Thesaurierung) inkl. GewSt: 29,77%

Rechnung ist aber geschönt (s. Rüd FR 2008, 413): bei der regelmäßig erforderlichen Entnahme von ESt- u. GewSt-Zahlungen ist tatsächliche Gesamtbelastung höher: ca. 36%!

Nachversteuerung→ bei späterer Entnahme der ermäßigt besteuerten Gewinne kommt es zu einer Nachversteuerung i.H.v. 25%, § 34a IV 2 EStG

→ sog. nachversteuerungspflichtige Betrag ist mitunternehmerbezogen gesondert festzustellen u. fortzuschreiben, § 34a III 3 EStG