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    Zum Erziehungskonzept John Lockes

    I. Grundlagen:

    1) Die gute Erziehung der Kinder ist so sehr eine Sorgepflicht der Eltern, Wohlfahrt und Gedeihen der Nation hngen so sehr davon ab, da ich sie jedermann ernstlich ans Herz legen mchte. Mge ein jeder prfen und sich klarmachen, was Neigung, Gewohnheit und Vernunft im Einzelfall anraten; mge jeder seine helfende Hand leihen und berall eine Erziehung der Jugend frdern, welche die verschiedensten Stnde bercksichtigt und den leichtesten, krzesten und erfolgversprechendsten Weg aufzeigt, um sittliche Persnlichkeiten und tchtige Mnner fr die verschiedensten Berufe hervorzubringen; wobei die Hauptsorge allerdings dem Stande des Gentleman gelten sollte. Denn wenn dieser Stand erst einmal durch Erziehung in Ordnung gebracht worden ist, wird er auch alle brigen sehr schnell in Ordnung bringen. (Widmung)

    II. Die erzieherische Bedeutung der Gewohnheit (nach Locke):

    1) "Es ist fr mich keine Frage, da der Grund aller Tugend und Vortrefflichkeit in der Fhigkeit liegt, uns selbst die Befriedigung unserer Wnsche zu versagen, wo sie nicht durch Vernunft gerechtfertigt sind. Diese Fhigkeit mu erworben und gestrkt werden durch eine Gewohnheit, die durch frhe bung leicht und selbstverstndlich wird." (38) 2)"Das groe Thema, mit dem sich Erziehung zu befassen hat, ist die Frage, welche Gewohnheiten man entwickeln soll; daher hte man sich, in diesem wie in allen anderen Fllen, etwas zur Gewohnheit werden zu lassen, dessen Ausbung man nicht fortgesetzt und ge-steigert haben will." (18) 3)"Und wenn man ihn whrend seiner Kindheit stndig und streng davon abhlt, sich auf die Erde zu setzen oder kalte Getrnke zu sich zu nehmen, wenn er erhitzt ist, wird die Enthaltsamkeit allmhlich zur Gewohnheit werden und viel dazu beitragen, ihn zu bewahren, wenn er nicht mehr unter der Aufsicht des Kindermdchens oder des Erziehers steht. Ich glaube das ist alles, was man in diesem Falle tun kann; denn mit den Jahren mu die Freiheit kommen, und in sehr vielen Dingen mu er seiner eigenen Fhrung anvertraut werden; er kann nicht immer unter Obhut bleiben, auer unter derjenigen, die man durch gute Grundstze und gefestigte Gewohnheiten in seinen Geist eingepflanzt hat..." (10) 4)"Bedenke aber bitte, da man Kinder nicht mit Geboten belehren kann, die ihrem Gedchtnis immer wieder entschlpfen. Was sie nach deiner Meinung unbedingt tun mssen, das festige in ihnen durch unerlliche bung, sooft die Gelegenheit dazu wiederkehrt; und wenn es mglich ist, schaffe die Gelegenheiten. Das wird Gewohnheiten in ihnen erzeugen, die, einmal einge-wurzelt, von selbst zwanglos und selbstverstndlich wirken, ohne Hilfe des Gedcht-nisses....[M]an halte sie zur bung dessen an, was man in ihnen zur Gewohnheit entwickeln mchte, mit freundlichen Worten und sanften Ermahnungen, mehr als wolle man sie an etwas

  • 2 erinnern, das sie vergessen haben, als mit schroffem Verweis und Schelten... Ein weiteres auf das man achten sollte, ist, da man nicht versucht, zu viele Gewohnheiten auf einmal einzu-pflanzen, damit die Mannigfaltigkeit nicht Verwirrung stifte..." ( 66) 5)"Der Wesensgrund aller Tugend und allen Wertes besteht darin: da ein Mensch imstande ist, sich sich selbst seine eigenen Wnsche zu versagen, und seinen eigenen Neigungen entgegenzutreten und lediglich dem zu folgen, was die Vernunft ihm als das beste anweist, mag auch die Begierde in eine andere Richtung gehen." (33) 6)"Nicht darin liegt der Fehler [der blichen Erziehung, RN], da man Wnsche hat, die den Begriffen und dem Geschmack jener verschiedenen Altersstufen angemessen sind, sondern darin, da man sie nicht den Gesetzen vernunftgemer Beschrnkung unterwirft: der Unterschied liegt nicht darin, da wir Begierden haben oder nicht haben, sondern darin, ob wir uns in der Gewalt haben, sie zu beherrschen und uns selbst ihnen zu verleugnen. Wer nicht daran gewhnt wird, seinen Willen der Vernunft anderer zu unterwerfen, solange er jung ist, wird sich kaum dazu verstehen, sich seiner eigenen Vernunft zu unterwerfen, wenn er in dem Alter ist, da er sich ihrer bedienen kann." (36) 7)"Das erste, was sie zu lernen htten, wre, da sie nie etwas bekommen drfen, weil es ihnen gefllt, sondern weil man es fr sie geeignet hlt. Wenn man ihnen gewhrte, was ihren Bedrfnissen entspricht, und nie zuliee, da sie bekommen, wonach sie schreien, wrden sie lernen, auch ohne es zufrieden zu sein..." (38) "Je jnger sie sind , desto weniger sollte man, meine ich, ihren unmigen und unordentlichen Gelsten nachgeben; und je weniger Vernunft sie selbst haben, desto mehr mssen sie unter dem Zwang derjenigen stehen, in deren Hnden sie sind. (39) [D]enn Freiheit und Nachsichtigkeit sind Kindern nicht bekmmlich; ihr Mangel an Urteilskraft macht Zucht und Disziplin fr sie erforderlich; whrend im Gegenteil Herrschsucht und Strenge ein schlechtes Verhalten gegenber Menschen sind, die ber Vernunft zur eigenen Lebensfhrung verfgen..." (41) "Furcht und Ehrfurcht sollten dir die erste Gewalt ber ihre Gemter geben, Liebe und Freundschaft in reiferen Jahren sie dir erhalten... Jeder Mensch mu frher oder spter sich selbst und seiner eigenen Fhrung berlassen werden; und wer ein guter rechtschaffener und tchtiger Mensch ist, mu es von innen heraus geworden sein." (42) 8)"Was den guten Ruf betrifft, so will ich nur noch dieses eine dazu anmerken, da er zwar nicht die wahre Grundlage und das Ma der Tugend ist (denn diese besteht darin, da der Mensch seine Pflicht erkennt, und in der Befriedigung, seinem Schpfer zu gehorchen, indem er den Geboten jenes Lichts folgt, das Gott ihm verliehen hat, mit der Hoffnung erhrt und erlst zu werden), da er diesem jedoch am nchsten kommt: und da er das Zeugnis und der Beifall ist, den die Vernunft anderer Menschen wie durch allgemeine bereinkunft tugendhaften und rechtschaffenen Handlungen zollt, ist er der geeignete Fhrer und eine Ermunterung fr die Kin-der, bis sie fhig werden, fr sich selbst Entscheidungen zu treffen und durch eigene Vernunft herauszufinden, was recht ist." (60)

  • 3 9)"Daher mu alles, was er von der Erziehung empfngt, was sein Leben beherrschen und beeinflussen soll, etwas sein, das beizeiten in ihn hineingelegt wird: Gewohnheiten, die in den Grund seiner Natur selbst hineinverwoben werden, und nicht ein unechtes Getue, eine heuchlerische Maske, die er sich aus Furcht aufsetzt..." (42) (John Locke, Gedanken ber Erziehung (1693), Stuttgart 1980.

    III. Locke unterscheidet vier Aufgaben der Erziehung: Tugend (virtue), Lebensklugheit (wisdom), Lebensart (breeding) und Kenntnisse (learning).

    1) Tugend:

    a) "Als Grundlage der Tugend sollte seinem Gemt ein wahrer Begriff von Gott eingeprgt werden als dem unabhngigen hchsten Wesen, dem Urheber und Schpfer aller Dinge, von dem wir alles empfangen, was wir haben, der uns liebt und uns alle Dinge gibt. Dementsprechend fle man ihm Liebe und Ehrfurcht gegenber diesem hchsten Wesen ein. Das ist fr den Anfang genug, ohne da man diesen Gegenstand irgendwie weiter erklrt... Er soll nur bei Gelegenheit erfahren, da Gott alle Dinge gemacht hat und regiert, da er alles hrt und sieht und da er jenen, die ihn lieben und ihm gehorchen, alles Gute zuwendet..." (136)

    b) "Nachdem der Grund der Tugend mit einem rechten Begriff von Gott gelegt worden ist, wie das Glaubenbekenntnis ihn weislich lehrt und soweit sein Alter ihn dazu befhigt, und indem man ihn daran gewhnt, zum Herrn zu beten, wre als nchstes darauf zu achten, da man ihn genauestens anhlt, die Wahrheit zu sagen, und da man ihn mit allen nur erdenklichen Mitteln auf den Weg der Nchstenliebe (good nature, RN) fhrt. La ihn wissen, da zwanzig Vergehen leichter verziehen werden knnen als eine Verletzung der Wahrheit zu dem Zweck, ein Vergehen durch eine Ausflucht zu verdecken. Und wenn du ihm beizeiten beibringst, andere mit Gte zu behandeln, so legst du damit einen dauerhaften Grund zu einem ehrenwerten Mann; denn alle Ungerechtigkeit entspringt im allgemeinen aus zu groer Liebe zu uns selbst und zu geringer gegenber anderen." (139)

    2) Lebensklugheit:

    "Unter Lebensklugheit verstehe ich, entsprechend dem volkstmlichen Sprachgebrauch, die Fhigkeit eines Mannes, seine Geschfte in dieser Welt geschickt und mit Umsicht zu fhren. Sie ist das Ergebnis einer guten natrlichen Veranlagung, der Anstrengung des Geistes und zugleich der Erfahrung und bersteigt damit den Horizont von Kindern. Was man allenfalls in dieser Richtung mit ihnen tun kann, ist, sie nach Mglichkeit daran zu hindern, listig zu werden; denn List ist der Affe der Weisheit... (140)

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    3) Lebensart:

    "Lebensart verleiht erst all seinen anderen guten Eigenschaften Glanz und macht sie ihm ntzlich, da sie ihm die Achtung und Gewogenheit aller sichert, denen er nahetritt. Ohne gute Lebensart lassen alle anderen Vorzge ihn nur stolz, eingebildet, eitel oder nrrisch erscheinen.

    Mut erscheint in einem Mann von schlechter Lebensart als Brutalitt und wird immer als solche eingeschtzt; Gelehrsamkeit wird zur Pedanterie, Geist zu Possenspiel, Einfachheit zu burischem Wesen, Gutmtigkeit zu kriechender Schmeichelei [...] Gute Eigenschaften sind der innere Reichtum des Geistes, aber Erziehung zu guter Lebensart setzt sie erst ins rechte Licht; wer sich empfehlen will, mu seinem Tun neben Kraft auch Schnheit verleihen. Gediegenheit, selbst Ntzlichkeit ist nicht genug; anmutige Art und Erscheinung gibt erst Schmuck und Gefallen. Und in den meisten Fllen ist die Weise, wie man etwas tut, von grerer Bedeutung als das Tun selbst..." ( 93)

    "Es gibt zwei Arten schlechter Lebensart: einmal blde Verlegenheit und zum anderen ungehrige Nachlssigkeit und Unhflichkeit in unserem Benehmen; beides vermeidet man, wenn man eine einzige Regel gebhrend beachtet: nicht zu gering von sich selbst und nicht zu gering von anderen zu denken." (141)

    Um diesen (Mangel an Lebensart, RN) zu vermeiden, bedarf es