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©Kopf und Zahl, 10. Ausgabe Seite 1 JOURNAL des Vereins für Lerntherapie und Dyskalkulie e.V. in Zusammenarbeit mit den Mathematischen Instituten zur Behandlung der Rechenschwäche 10. AUSGABE, 2008 www.dyskalkulie.de Dr. Michael Wehrmann, Institut für Mathematisches Lernen, Braunschweig Qualitative Diagnostik der Rechenschwäche Vortrag auf dem Kongress des Bundesver- bandes für Legasthenie und Dyskalkulie in Berlin am 2. Oktober 2008 Bedeutung der differenzierten Diagnostik im Lernprozess Die Thematik „Dyskalkulie“ ist in den letzten Jahren aktueller geworden, was sich an dem BVL-Kongress (02.10.08 - 05.10.08) in Berlin ebenso ablesen lässt wie an einerVielzahl von Neuerscheinungen aus die- sem Bereich. Vielfach spielt bei den (mehr oder weniger seriösen) Hilfsangeboten die inhaltliche Diagnostik der Lernprobleme eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Dieser Artikel fasst die wichtigsten Punkte meines Vortrags auf dem Kongress vom 02.10. thesenartig zusammen und soll einen Beitrag leisten zur Aufwertung qualitativer Diagnostik- instrumente als Bestandteil angemessener Förderung rechenschwacher Kinder. Dyskalkulie ist ein Entwicklungsrückstand im mathematischen Denken Die Rechenschwäche (gebräuchliche Synonyme hierfür sind Dyskalkulie oder Arithmasthenie) ist eine Entwicklungsverzögerung im Bereich des Erlernens, Verstehens und Anwendens mathemati- scher Grundlagenkenntnisse. Sie äußert sich in beständigen Minderleistungen im Lernstoff des arithmetischen Grundlagenbereiches (Mächtigkeits- verständnis, kardinaler Zahlbegriff, Grundrechen- arten und Dezimalsystem), wobei die betroffenen Schüler mit ihrer subjektiven Logik in systematisier- barer Art und Weise Fehler machen, die auf begriff- lichen Verinnerlichungsproblemen beruhen. Die Erscheinungsformen und der individuelle Ausprägungsgrad können sehr verschieden und viel- fältig sein – eines haben die betroffenen Kinder und Jugendlichen jedoch gemeinsam: Das Verständnis der grundlegenden Logik der Zahlen und der mathe- matischen Operationen ist bei ihnen nicht oder nur mangelhaft entwickelt. Diese Störungen beim Mathematiklernen sind für sich genommen keine Krankheit, bringen aber auf Grund der Bedeutung des Fachs für die Schule und den Alltag oft Krankheitsbilder im Sinne einer psychischen Sekundärstörung hervor. Rechenschwache Schüler sind in der Regel rein zählende Rechner Wenn der Gehalt der natürlichen Zahlen als allge- meine Vorstellung von Anzahl nicht auf Verständnis gestoßen ist, d. h. der kardinale Zahlbegriff nicht ausgebildet ist, verharren diese Schüler zumeist im Stadium des rein zählenden Operierens. Dafür hat sich der Begriff „Nominalismus“ herausgebildet: Diese Kinder kennen wohl die Zahlnamen und deren Reihenfolge auswendig, verknüpfen diese jedoch mit keiner quantitativer Vorstellung – sie identifizieren Zahlen dann lediglich über ihre ordinale Position in einer unstrukturierten Zahlwortreihe. Rechen- schwache Schüler müssen daher jegliche Rechen- operationen, die ja an sich Veränderungen von Kardinalzahlen bedeuten, über ein mühevolles Abgehen der Zahlwortreihe bewältigen. weiter S.2 INHALT Qualitative Diagnostik der Rechenschwäche Bruchrechnung, ein Thema der Unterstufe? Die Uhr als Unterrichtsgegenstand Klassische Kinderspiele NEU ENTDECKT! Diesmal: Schiffe versenken Schwache Rechner in der Jahrgangsstufe 10

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JOURNALdes Vereins für Lerntherapie und Dyskalkulie e.V.

in Zusammenarbeit mit den Mathematischen Institutenzur Behandlung der Rechenschwäche

10. AUSGABE, 2008

www.dyskalkulie.de

Dr. MichaelWehrmann,Institut für Mathematisches Lernen,Braunschweig

Qualitative Diagnostik derRechenschwächeVortrag auf dem Kongress des Bundesver-bandes für Legasthenie und Dyskalkulie inBerlin am 2. Oktober 2008

Bedeutung der differenzierten Diagnostik im Lernprozess

Die Thematik „Dyskalkulie“ ist in den letzten Jahrenaktueller geworden, was sich an dem BVL-Kongress(02.10.08 - 05.10.08) in Berlin ebenso ablesen lässtwie an einerVielzahl von Neuerscheinungen aus die-sem Bereich. Vielfach spielt bei den (mehr oderweniger seriösen) Hilfsangeboten die inhaltlicheDiagnostik der Lernprobleme eine untergeordnetebis gar keine Rolle. Dieser Artikel fasst die wichtigstenPunkte meines Vortrags auf dem Kongress vom02.10. thesenartig zusammen und soll einen Beitragleisten zur Aufwertung qualitativer Diagnostik-instrumente als Bestandteil angemessener Förderungrechenschwacher Kinder.

Dyskalkulie ist ein Entwicklungsrückstandim mathematischen Denken

Die Rechenschwäche (gebräuchliche Synonymehierfür sind Dyskalkulie oder Arithmasthenie) isteine Entwicklungsverzögerung im Bereich desErlernens, Verstehens und Anwendens mathemati-scher Grundlagenkenntnisse. Sie äußert sich inbeständigen Minderleistungen im Lernstoff desarithmetischen Grundlagenbereiches (Mächtigkeits-verständnis, kardinaler Zahlbegriff, Grundrechen-arten und Dezimalsystem), wobei die betroffenenSchüler mit ihrer subjektiven Logik in systematisier-barer Art undWeise Fehler machen, die auf begriff-lichen Verinnerlichungsproblemen beruhen. DieErscheinungsformen und der individuelleAusprägungsgrad können sehr verschieden und viel-fältig sein – eines haben die betroffenen Kinder und

Jugendlichen jedoch gemeinsam: Das Verständnisder grundlegenden Logik der Zahlen und der mathe-matischen Operationen ist bei ihnen nicht oder nurmangelhaft entwickelt. Diese Störungen beimMathematiklernen sind für sich genommen keineKrankheit, bringen aber auf Grund der Bedeutungdes Fachs für die Schule und den Alltag oftKrankheitsbilder im Sinne einer psychischenSekundärstörung hervor.

Rechenschwache Schüler sind in der Regelrein zählende Rechner

Wenn der Gehalt der natürlichen Zahlen als allge-meine Vorstellung von Anzahl nicht auf Verständnisgestoßen ist, d. h. der kardinale Zahlbegriff nichtausgebildet ist, verharren diese Schüler zumeist imStadium des rein zählenden Operierens. Dafür hatsich der Begriff „Nominalismus“ herausgebildet:Diese Kinder kennen wohl die Zahlnamen und derenReihenfolge auswendig, verknüpfen diese jedoch mitkeiner quantitativer Vorstellung – sie identifizierenZahlen dann lediglich über ihre ordinale Position ineiner unstrukturierten Zahlwortreihe. Rechen-schwache Schüler müssen daher jegliche Rechen-operationen, die ja an sich Veränderungen vonKardinalzahlen bedeuten, über ein mühevollesAbgehen der Zahlwortreihe bewältigen. weiter S.2

INHALT

Qualitative Diagnostik der Rechenschwäche

Bruchrechnung, einThema der Unterstufe?

Die Uhr als Unterrichtsgegenstand

Klassische Kinderspiele NEU ENTDECKT!Diesmal: Schiffe versenken

Schwache Rechner in der Jahrgangsstufe 10

Impressum:Herausgeber:Verein für Lern- und Dyskalkulietherapie,München, Brienner Straße 48Redaktion: Alexander v. Schwerin (verantwortlich),Beate Lampke, MünchenChristian Bussebaum, Elke Focke, Düsseldorf;Wolfgang Hoffmann, Dortmund; Rudolf Wieneke, BerlinLayout und Satz: Illustration+Grafik,Tanja Gnatz, Gröbenzell

Verein für Lerntherapie und Dyskalkulie. eV.

Internet:www.dyskalkulie.deE-Mail:[email protected]

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Größere Operanden bedeuten dann automatisch eineVerlängerung der Zählwege und damit verbundeneine höhere Fehleranfälligkeit. Die Subtraktion isthäufig sehr unbeliebt, da diesen Kindern dieRekonstruktion der Zahlwortreihe rückwärtsungleich schwerer fällt. Durch diese immensenKonzentrationsleistungen neigen die Kinder in lan-gen Übungssitzungen häufig auch zu Konzentrations-problemen, die dann genau genommen Folge (undnicht Ursache) ihrer Rechenschwierigkeiten sind.

Qualitative Diagnostik: Erforschung derGenese der Rechenergebnisse

Eine individuelle Förderung setzt die genaueErmittlung der Lernausgangslage des Schülers voraus.Die qualitative Diagnostik von Rechenschwierigkei-ten ist eine Differenzial- und Förderdiagnostik, sieuntersucht die konkreten Schwierigkeiten im mathe-matischen Grundlagenbereich, die betroffenenStoffgebiete, deren individuelles Ausmaß und diekonkreten Erscheinungsformen. Eine Erforschung derindividuellen Wissenskonstrukte beim Schüler mussüber eine reine Aufzählung und Messung vonFähigkeiten hinaus gehen. Denn gleichgültig, wie dif-ferenziert ein Fähigkeitskatalog ausgearbeitet seinmag, solch eine Untersuchung bleibt bei derKatalogisierung von Reproduzierbarem stehen, ohnedie begriffliche Grundlage des Kindes näher zubetrachten. Die subjektiven Überlegungen undBeweggründe eines Schülers, einzelne Leistung sound nicht anders zu erbringen, bleiben verborgen.Mechanismen, denen kein Verständnis zu Grundeliegt und die deshalb unverstanden wiedergegebenwerden, können auf dieseWeise nicht von begrifflichverinnerlichten Stoffinhalten geschieden werden. DieErfahrung zeigt, dass viele Kinder eine breite Palettesolcher „abspulbereiter“ Fertigkeiten vorrätig haben,die sie im Abfragefall stur reproduzieren, ohne dassdie Ergebnisse jedoch auf einem Verständnis dermathematischen Sachverhalte aufbauen. In solcheinem Fall sind vom Schüler meist keine Zusammen-hänge erkannt worden und das Reproduzierte beruhtauf unverstanden auswendig Gelerntem. Insofernerscheint es nicht angebracht, dies im engeren Sinneals Wissen oder Kenntnisse über Mathematik zubezeichnen. Ich halte es für angemessener, hier vonabgespeicherten Mechanismen zu sprechen, auchwenn bei diesem Vorgehen (vom Ergebnis aus be-

trachtet) durchaus richtige Resultate erzielt werden.Eine qualitative Untersuchung ermittelt daher nicht,wie viel richtig ist, sondern auf welcher kognitivenGrundlage die Ergebnisse, ob richtig oder falsch, pro-duziert werden. Ziel ist daher nicht die Rangwertungder Leistungen, sondern die genaue Beschreibung derbegrifflichen Verinnerlichung. Dafür sind differenzie-rende qualitative Diagnostikinstrumente erforderlich,sog. mikrogenetische Verfahren, die unter dieOberfläche der falschen und richtigen Ergebnisse tau-chen und darüber die subjektiven Bewältigungsstra-tegien der Kinder beim Lösen mathematischerAufgabenstellungen offenlegen.Wichtig ist dabei dieRekonstruktion der inneren Denk- und Handlungs-pläne sowie der individuellen Algorithmen derKinder beim Bearbeiten mathematischer Aufgaben-stellungen. Die Methode der qualitativen Fehlerana-lyse ermöglicht es, die Quellen der Rechenfehlerschrittweise einzugrenzen, bis sich ein individuellesDefizitbild, das persönliche Fehlerprofil, ergibt.Angemessene Diagnostikinstrumente sind innerhalbdes klinischen Interviews die Methode des lautenDenkens, die Analyse des Umgangs mit Veranschau-lichungsmaterialien sowie die Beobachtung derMimik und Gestik des Schülers.

Eine so ermittelte Standortbestimmung der Kinder im„mathematischen Gebäude“, die Konstatierung ihrerjeweiligen Lernausgangslage, ist die wichtigsteGrundlage für eine im Anschluss zu entwickelndelerntherapeutische Förderkonzeption. Das Ergebniseiner qualitativen Diagnose von Rechenschwierigkei-ten besteht konsequenterweise nicht in einem Noten-oder Punkteergebnis, d. h. die untersuchten Leistungender Schüler werden nicht auf einer Skala quantitativvergleichbar gemacht. Die Auswertung mündet viel-mehr in einem qualitativen Fehlerprofil, das die indi-viduelle Lernausgangslage des untersuchten Schülersso genau wie möglich widerspiegelt. Im Fehlerprofilwird dargelegt, welche Aspekte der Arithmetik sichder Schüler erschlossen hat und wo seine begriffli-chen Schwierigkeiten zu verorten sind.Klassische Schulleistungstests, ja jegliche standardi-sierte Testverfahren, genügen diesen Anforderungennicht, da hier immer nur die Quote der richtigenErgebnisse, verglichen mit der Altersnorm, festgehal-ten wird. Über die Entstehung der Fehler (oder garder richtigen Ergebnisse) und somit über den Gradder begrifflichen Verinnerlichung der einzelnen

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Stoffinhalte erfährt man damit nichts. Derartige Testsgenügen insbesondere den Anforderungen einer auflerntherapeutische Intervention ausgerichtetenDiagnostik nicht, da das Versagen in diesen Testslediglich eine rein negative Auskunft liefert: Das Kindschafft diese Anforderungen nicht. Worin diesesScheitern begründet liegt, bleibt dabei imVerborgenen. Diese Art derTestung trägt deshalb zumVerständnis der Schwierigkeiten, die Kinder beimRechnen haben, wenig bei.

Rechnen erlernt man nur durchBeschäftigung mit der Mathematik

Verständnisprobleme bei arithmetischen Sachverhal-ten erfordern in der Lernintervention die inhaltlicheArbeit an diesen Stoffgegenständen. Rechenschwa-chen Kindern mangelt es ganz grundlegend am men-genorientierten Verständnis der Zahlen und der Re-chenoperationen. Demzufolge müssen diese Inhaltemitsamt ihren kognitiven Voraussetzungen sachge-recht neu aufgebaut werden. Im individuellenLerndialog muss gesichert sein, dass der Schüler diemathematischen Argumente von Anfang an in ihmangemessenen Schritten nachvollzieht und darüberständig reflektiert. Eine wichtige Rolle spielt dabeidie in den Lernprozess integrierte Verlaufsdiagnostik,da diese die erzielten Lernfortschritte lernprozess-immanent auf kontinuierlicheWeise absichert. IhremWesen nach unterscheidet sich die Verlaufsdiagnostiknicht von der Initialdiagnostik: Das Kind erläutertund begründet jeden seiner arithmetischen Schritteund verschafft dem Pädagogen (und sich selbst)damit Klarheit über den Grad der begrifflichenVerinnerlichung der einzelnen Lerninhalte. In einerangemessenen Lernintervention weicht ein ergebnis-orientiertes Training gänzlich einer prozessorientier-ten Arbeitsweise, explizite Lernzielkontrollen werdenauf dieseWeise überflüssig.

Angemessene Förderung heißt Ansetzen ander Lernausgangslage

Nachhaltige Förderung bei Rechenschwäche bedeu-tet, basierend auf der Analyse der Lernausgangslage,ohne Zeit- und Leistungsdruck an den mathemati-schen Lerninhalten zu arbeiten, an denen das Kindaus dem mathematischen Lernprozess ausgestiegenist – manche sind sogar nie in ihn eingestiegen.Rechenschwache Schüler produzieren mit Hilfe ihrer(zahl-) begriffslosen Ersatzstrategien oft auch richtigeErgebnisse, ihre Probleme können auf dieseWeise beieiner rein ergebnisorientierten Betrachtungsweiseder Leistungen etliche Zeit unentdeckt bleiben. Setztnun die Hilfe inhaltlich erst an der Stelle an, an derdas Kind schulisch leistungsauffällig wird (totalesVersagen, schlechte Noten etc.), ist diese Art derFörderung – wie auch der aktuelle Unterricht– wieder eine inhaltliche Überforderung für den

Schüler. Leistungs- statt verständnisbezogene Hilfe istein häufiger Grund für das Scheitern schulischer wieaußerschulischer Förderbemühungen. Fatal wird dieganze Sache dann, wenn anschließend der Fehl-schluss gezogen wird, das Kind sei „förderungsresis-tent“. Denn dann wird die Hilfe zumeist eingestellt,obwohl das Kind sie dringend nötig hat; in manchenFällen wird sogar der unangemessene Wechsel aufeine andere Schulform in Erwägung gezogen.

Der kardinale Zahlbegriff ist die Basis fürarithmetische Einsichten

Rechenschwache Schüler müssen zunächst zu einemGrundbegriff des kardinalen Zahlverstehens geführtwerden. Dafür ist es wenig hilfreich, die verschiede-nen Zahlaspekte abwechselnd zu trainieren. Erstdurch das Begreifen der Zahlen als Repräsentantenvon Anzahlen, durch die verständige Verinnerlichungdes inkrementellen Zahlaufbaus um +1 habenSchüler das geistige Fundament, sich die sachlogischdarauf aufbauenden arithmetischen Operationen alsVeränderungen von Quantitäten Stück für Stückinhaltlich zu erschließen. Adäquate Förderung mussdasVerständnis ermöglichen, statt es durch den kom-pensatorischen Einsatz von Merkregeln, Eselsbrückenund Patentrezepten zu umgehen. Kein Materialspricht für sich: Der Einsatz von Veranschau-lichungsmaterial bleibt nutzlos, wenn das Materialzur reinen Zählhilfe verkommt; statt dessen ist eserforderlich, im Lerndialog durch reflektierteMaterialhandlungen abstrakte Zusammenhänge überZahlen und Rechenoperationen zu erarbeiten.

Wenn Üben das Lernen ersetzt, verfestigensich die Probleme

DerVersuch, rechenschwachen Schülern den aktuellenLernstoff durch schulische Wiederholung, außer-schulische Nachhilfe oder häusliches Einüben zu ver-mitteln, muss in der Regel scheitern, da hier mit demKind zumeist gänzlich Unverstandenes inhaltsleertrainiert wird. Was sich dadurch vielmehr verfestigt,ist die Anwendung der mechanisiert abgespultenZählverfahren – die Schwierigkeiten des Kindes blei-ben also bestehen. Solches Üben ist nicht nur päda-gogisch sinnlos und eine Qual für Kind und Eltern, esträgt zudem häufig zu einer sekundärenNeurotisierung bei. Muss ein Kind Unverstandenestrainieren, reagiert es auf die eigenen vergeblichenBemühungen oft mit Lernabneigung und Mathe-angst, die sich auch zu einer fächerübergreifendenLernunlust und zu einer allgemeinen Schulangst aus-weiten können. Üben hat sicherlich seinen festen Platzim Lernprozess – es ist jedoch erst sinnvoll in derAutomatisierungsphase, nachdem inhaltliche Einsichtenerworben worden sind und dem Schüler klar ist, waser einübt.

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Präventionsdiagnostik kann einer Dyskalkulieentgegenwirken

Wird eine Lernintervention erst eingeleitet, wenn derSchüler massiv leistungsauffällig geworden ist, d. h.in den Lernzielkontrollen versagt, ist möglicherweisebereits viel wertvolle Zeit ungenutzt verstrichen. Eineprozessbegleitende Beobachtung im Rahmen derindividuellen Lernentwicklung ermöglicht das früh-zeitiges Erfassen von Verständnisschwierigkeiten imrechnerischen Denken. Eine voll ausgebildete Lern-störung im Stoffbereich der Mathematik kann sinn-vollerweise wohl erst Mitte bis Ende des zweitenSchuljahres diagnostiziert werden, wenn die erstenschulischen Lernschritte abgelaufen sind. Der Sinnder Präventionsdiagnostik besteht nun jedoch darin,nicht zu warten, bis das Kind „in den Brunnen gefal-len“ ist, sondern durch frühzeitige Untersuchung derersten arithmetischen Kenntnisse und der zugehöri-gen Vorläuferfertigkeiten aus dem Bereich derPränumerik mögliche Verständnisschwierigkeiten so

früh wie möglich aufzudecken. Ziel ist dann ggf. dasEinleiten einer spezifischen binnendifferenzierendenFörderung bereits im ersten Schuljahr, um so derEntstehung einer Dyskalkulie von vornherein entge-genzuwirken.

Literatur

BEHRING, KARIN; KRETSCHMANN, RUDOLF; DOBRINDT, YVONNE:Prozessdiagnose mathematischer Kompetenzen in den Schuljahren 1 und 2,Horneburg(Persen) 1999

BRÜHL, HANS; BUSSEBAUM, CHRISTIAN; HOFFMANN,WOLFGANG; LUKOW,HANS-JOACHIM; SCHNEIDER, MARTINA; WEHRMANN, MICHAEL:Rechenschwäche/Dyskalkulie. Symptome – Früherkennung – Förderung, Osnabrück(Zentrum für angewandte Lernforschung) 2003

GERSTER, HANS-DIETER; SCHULTZ, RITA: Schwierigkeiten beim Erwerb mathe-matischer Konzepte im Anfangsunterricht, Freiburg (Pädagogische Hochschule) 2000(gesamter Text online unter http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/1397 )

GINSBURG, HERBERT P.; JACOBS, SUSAN F.; LOPEZ, LUZ STELLA: Teacher’sGuide to Flexible Interviewing in the Classroom – Learning What Children KnowAbout Math, Boston (Allyn & Bacon) 1998

KRAJEWSKI, KRISTIN: Vorhersage von Rechenschwäche in der Grundschule,Hamburg (Kova) 2003

WEHRMANN, MICHAEL: Qualitative Diagnostik von Rechenschwierigkeiten imGrundlagenbereich Arithmetik, Berlin (Köster) 2003

Wer glaubt, die Bruchrechnung sei ein Thema frühes-tens der Klasse 5, 6 oder 7, der ist auf dem Holzweg.Bereits in der vierten Klasse werden nicht seltenBruchzahlen verwendet, sei es in der geläufigstenForm, den Uhrzeiten, oder aber ganz allgemein beimUmrechnen von Maßzahlen:

Wie kann man eine halbe Stunde in Minuten ausdrü-cken, 0,5 kg sind wie viel Gramm, wie viele Meter sind1/4 km ... ? Schulbücher der vierten Klasse sind voll vonsolchen Arbeitsaufforderungen. Für jeden Schüler undjede Schülerin der vierten Klasse sind solche AufgabenTeil mindestens einer Klassenarbeit, und sie finden sichsowohl im Unterricht als auch in den Hausaufgaben.

Wann aber wird eigentlich der Zahlenraum durch dieBrüche erweitert?Wann werden Bruchzahlen systema-tisch eingeführt? Wann sind die üblichen Pizzastückeund Tortenstücke Aufteilungen in all ihrer sinnvollenAnschaulichkeit ausführlich Gegenstand desMathematikunterrichts? Genau: in der fünften, sechs-ten Klasse, in der weiterführenden Schule und nicht inder Grundschule.Die häufig zu hörende Einschätzung, „es wäre aberauch eine Überforderung der Kinder der viertenKlasse, mit ihnen die Bruchzahlen zu erarbeiten“, teileich nicht. Der Verweis auf Schulbücher der sechzigerund siebziger Jahre, in denen Grundvorstellungen derBruchzahlen anschaulich gemacht und behandelt wur-den, ist nur ein matter Einwand.Vielmehr halte ich es- gelinde gesagt - für einen Widerspruch, die

Erarbeitung vonBruchvorstellungenund den dazugehöri-gen Zahlen als Über-forderung zu kenn-zeichnen, die Anwen-dung davon aber zumGegenstand des Unter-richts und der Schul-notenermittlung zumachen. Es ist dahersehr naheliegend, dassSchülerInnen Aufgabenstellungen, wie die obengeschilderten, rein schematisch durch schlichtesAuswendiglernen von Merksätzen wie „ein halberKilometer sind fünfhundert Meter“ lösen und dannauch zu Transferleistungen häufig nicht in der Lagesind.

Immer wieder finden sich auch noch komplexereAufgabenstellungen in den Schulbüchern für vierteKlassen. So wird es dann richtig schwierig bis unmög-lich, Aufgaben der folgenden Art ohneVorstellung vonBruchzahlen zu lösen:

„Die Duschen in einem Schwimmbad schalten sich automatisch nacheiner halben Minute ab. In dieser Zeit werden pro Dusche drei LiterWasser verbraucht. Wie vielWasser wird pro Dusche in der angege-benen Zeitdauer verbraucht?“

a) ½ Minute 3l Wasserverbrauch b) 1 Minute ? Wasserverbrauchc) 2 ½ Minuten ? Wasserverbrauch d) 5 Minuten ? Wasserverbrauch

Christian Bussebaum, Kinder und Jugendlichenpsychotherapeut am MLI Düsseldorf

Bruchrechnung, einThema der Unterstufe?

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Soweit der erste Teil dieser Aufgabe.Was allerdings sounschuldig daherkommt als halbe Minute ist einerseitsfür Kinder der vierten Klasse kaum anschaulich,geschweige denn ist umstandslos zuunterstellen, dass der Zusammenhangzwischen einem Ganzen und zweiHalben klar ist. Zumal Bruchvorstel-lungen erst 10 Seiten weiter im Buchund dann auch recht knapp angespro-chen werden. Was explizit an dieserStelle nicht verlangt oder gewünschtist, ist die Umrechnung in Sekunden,das Auswendiglernen von „½ Minutesind 30 Sekunden“ hilft hier wenigweiter. Nein es ist schon daran gedacht, dass das Kindauf eineVorstellung vonTeilen eines Einzelnen zurück-greift und von einem solchenTeil (1/2) auf die 2/2=1zurückschließt. Diese Verdoppelung (2 mal ½ gibt 1)ist dann auf die natürliche Zahl 3 (lWasserverbrauch)anzuwenden: Verdoppelung der Zeit ergibtVerdoppelung der Liter.

Die Bearbeitung derAufgaben c) und d) ist nicht weni-ger schwierig, verlangt sie doch eine Sicherheit imZusam-menhang zwischen Bruchzahlen und ganzenZahlen als Vorbedingung (!!) für den Rückschluss aufden Wasserverbrauch in den gegebenen Zeitspannen.„Was ist das eigentlich für eine komische Zahl 2 ½ ?“

Sie stellt ebenso das Fünffache von ½ wie die Additionzweier Einsen mit ½ dar. So sollte sich der Wasserver-brauch doch wirklich ermitteln lassen, oder? Und die

Werte für die 5 Minuten erge-ben sich aus derVerdoppelungdes Werts, der für die 2 1/2Minuten ermittelt wurde.

Erstaunlich, was Kindern, dieangeblich mit der Erarbeitungvon Bruchzahlen und ihrenZusammenhängen zu natürli-chen Zahlen überfordert sind,dann wieder zugetraut undabverlangt wird. In den fol-

genden Ausgaben von Kopf und Zahl wollen wir des-halb die Problematik von Bruchvorstellungen undBruchzahlen im Mathematikunterricht derGrundschule und die Folgeprobleme in den weiter-führenden Schulen beleuchten. Eine Bitte sei allerdingsschon jetzt - nicht nur im Namen der rechenschwa-chen Kinder, mit denen wir arbeiten - vorgetragen:Versuchen Sie Zeit für die ausführliche Erarbeitung vonBruch-Vorstellungen im Sinne von anschaulichemGrundlagenunterricht in der Klasse 4 zu erübrigen.Auf diesem Wege haben die Kinder eine Chance zuverstehen, was sie tun - und das kommt letztlich demallgemeinen Lernklima und allen Beteiligten zugute.

VorbemerkungDie „Uhr“ ist eine etwas verzwickte Materie für den Unterricht.Für einen Teil der Schüler stellt sie bereits seit frühester Kindheitüberhaupt kein Problem dar, für andere jedoch ein schwer zu über-windendes Hindernis, dessen Unkenntnis sehr nah mit Gefühlen wieUnsicherheit und Scham einhergeht. Wo es für die einen imUnterricht im Umgang mit der Uhr, der Zeit, ihren Punkten undSpannen gar keine Geheimnisse gibt, gibt es für die anderen sehr vielzu verstehen und vor allem – zu erklären.Dieser Aufsatz verfolgt eine doppelte Absicht: Er will dieSchwierigkeiten desVerstehens in einer umfassenden Systematik dar-stellen und damit auch zu einer Entlastung des Unterrichts an die-ser Stelle beitragen. Denn für viele Kinder kann nur eine aufwändigekleinschrittige Automatisierung der Erklärungsschritte Erfolghaben, die über die Möglichkeiten des Unterrichts manchmal hinausgehen. Hier sind verständige Eltern gefragt statt stures und schädli-ches Pauken – und für solche kann der Aufsatz einen (theoretischen)Leitfaden anbieten. Er kann also zuWeiterreichung an interessierteEltern jederzeit kopiert oder unter www.dyskalkulie.de herunterge-laden werden.

Bei der Uhrzeit wissen viele Kinder aus ihrerAlltagserfahrung, dass man von „halb“ spricht, wennder große Zeiger auf dem Ziffernblatt genau auf dieSechs zeigt. Schwieriger wird es mit „viertel vor“und „viertel nach“. Diese Begriffe werden imZusammenhang mit der Uhr ständig verwendet,wenn auch nicht unbedingt von den Kindern selbst,dann im Familien- oder Freundeskreis. Eine Kenntnisdavon, dass hier eine Stunde inTeile aufgeteilt wurde,liegt in aller Regel im kindlichen Verständnis nichtvor. Der Sprachschatz der Kinder sollte daher nichtmit einem „Vorwissen“ verwechselt werden, bzw.dieser Begriff ist nur mit Vorbehalt anzuwenden.

Ein geeigneter Auftakt für den Einstieg in diesesStoffgebiet ist das Alltagswissen allemal. Den Kindernsind die digitale und die analoge Uhr als Zeitmesserzur Bestimmung von Zeiteinheiten (Zeitspannen undZeitpunkten) zumindest vom Ansehen her bekannt.Einige von ihnen kennen auch die Stoppuhr, mit derZeitspannen direkt gemessen werden können.

Katja Rochmann, Osnabrücker Zentrum für mathematisches Lernen

Die Uhr als Unterrichtsgegenstand„Du hast noch eine viertel Stunde Zeit!“ „Mama, ist das lange?“

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Das Ablesen der analogen Uhr bereitet dagegen häu-fig Schwierigkeiten. In unserer Arbeit mit rechen-schwachen Kindern haben wir festgestellt, dass vieleKinder die Beschäftigung mit der analogen Uhr überJahre hinweg geradezu vermeiden. Diese Ablehnungerfolgt nicht ohne Grund, denn der souveräne Um-gang mit der analogen Uhr setzt u. a. ein Verständnisvon Zahldifferenzen, vom additiven Ergänzen, vomBündeln/Entbündeln, vom kardinalen Zahlbegriffund seiner Differenzierung zum ordinalen Zahlbe-griff voraus.

Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sichin ihrem Schwerpunkt mit der Einführung der analo-gen Uhr im Unterricht.

Während digitale Uhren die Zeit anhand von Zahlendarstellen, ist bei der analogen Uhr die Stellung derZeiger das Instrument zum Ablesen der Zeit.

Das Ziffernblatt der Uhr wird dabei dreifach genutzt:

• Der kleine Zeiger (Stundenzeiger) – eineUmrundung des Ziffernblattes entspricht zwölfStunden = einem halben Tag.

• Der große Zeiger (Minutenzeiger) – eineUmrundung des Ziffernblattes entspricht einerStunde = 12/12 Stunden (Intervalle zwischenden Stundenzahlen) = 60/60 Stunden(Intervalle zwischen den Minutenstrichen).

• Der schmale lange Zeiger (Sekundenzeiger) –eine Umrundung des Ziffernblattes entsprichteiner Minute = 12/12 Minuten (Intervalle zwi-schen den Stundenzahlen) = 60/60 Minuten(Intervalle zwischen den Minutenstrichen).

Auf einen ersten Stolperstein sei vorweg aufmerksamgemacht: Die genaue Bestimmung „einerUmrundung“ des Ziffernblattes birgt ein Problem.Die Markierung „12“ hat auf dem Ziffernblatt einedreifache Bedeutung. Sie steht für „0“, „12“ und„24“. Zeigt der kleine Zeiger auf „12“ ist zunächsteine Uneindeutigkeit vorhanden. Zeitpunkte undZeitspannen orientieren sich an periodischenVorgängen in der Natur, am astronomischenZeitmaß. Der Zweiteilung des Tages in Tag und Nachtentspricht der zweimalige Durchlauf der analogenUhr von „12“ (0) bis „12“.Eine weitere Hürde ist, dass, neben der Zahl „12“ mitihrer dreifachen Bedeutung, alle anderen Zahlenzweifach zu lesen sind.Vielen Kindern ist diese dop-pelte Funktion der Zahlen geläufig. Dennoch ist essicher kein Fehler, die Schüler aufzufordern, sich zuüberlegen, wieso bei gleichem Zeigerstand unter-schiedliche Uhrzeiten genannt werden können. Eingemeinsamer Einstieg ins Gespräch kann dieAufforderung sein: „Erzähle, was du meistens um 7Uhr und um 19 Uhr machst.“

Für zusätzliche Verwirrung bei der erstenBeschäftigung mit Uhrzeiten sorgt gelegentlich dieumgangssprachliche Gewohnheit, die Stunden desTages in der zweiten Hälfte des Tages wieder vonvorne zu zählen: „Um 1 Uhr essen wir Mittag!“

Um die Schwierigkeiten bei der Vermittlung diesesUnterrichtsgegenstandes möglichst gering zu halten,sollte anfangs das Bestimmen und Einstellen vonZeitpunkten (Uhrzeiten) zur vollen Stunde themati-siert werden.

Kinder (wie Erwachsene) haben die Erfahrunggemacht, dass Zeitspannen subjektiv sehr unter-schiedlich empfunden werden. Eine Stunde kann „zueiner Ewigkeit werden“ oder „ganz schnell verge-hen“. Eine Stunde ist aber ganz unabhängig vomindividuellen Empfinden ein objektives Zeitmaß.Daher empfiehlt es sich, im Unterricht neben demLesen und Notieren von Uhrzeiten auch ZeitspannenzumThema zu machen.

Grundlegend für das Ablesen der Stunden ist dieEinteilung des Ziffernblattes von „12“ (0) bis „12“.Sie stellt, als Anordnung der Zahlen von „1“ bis „12“(und damit rechtsherum verlaufend – imUhrzeigersinn), die Reihung der Stunden dar. Stehtder große Zeiger auf „12“ (0) und der kleine Zeigerauf „3“ ist es drei Uhr (nachts) oder fünfzehn Uhr(12 + 3) resp. drei Uhr (nachmittags).

Um Zeitspannen voller Stunden berechnen zu kön-nen, muss bekannt sein bzw. erinnert oder imungünstigen Fall neu vermittelt werden, dass z. B.„drei Uhr“ die Inklusion aller vorherigen Stundenumfasst. Die Stundenzahl repräsentiert dieGesamtheit aller bereits vergangenen Stunden (hierdie Strecke von „12“ (0) bis „3“). Erst wenn dieseKenntnisse vorhanden sind, können Zeitspannenberechnet werden. Zeigt der kleine Zeiger auf „3“und der große Zeiger auf „12“, sind drei Stundenvergangen, gemessen vom Ausgangspunkt „12“ (0).

Steht der kleine Zeiger auf „9“ und der große Zeigerauf „12“, sind neun Stunden vergangen, gemessen-vom gleichen Ausgangspunkt. Auf dieser Grundlagelassen sich auch andere Zeitspannen ermitteln, derenAusgangspunkt nicht „12“ (0) ist. Die Frage: „Wieviel Zeit ist von drei Uhr bis neun Uhr vergangen?“rekurriert auf die Differenz zwischen der Gesamtheit

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von drei und neun Stunden. Der Unterschied in der(Stunden-) Anzahl ist sechs, „Der Zeiger ist sechsStundenintervalle vorgerückt, es sind sechs Stundenvergangen“. Ist die Differenz ermittelt, hat mandamit zwei Auskünfte gewonnen. Von drei Uhr ausbetrachtet ist es in sechs Stunden neun Uhr undumgekehrt – wählt man neun Uhr alsAusgangspunkt –war es vor sechs Stunden drei Uhr.

Bei Kindern häufig zu beobachten sind großeProbleme bei der Unterteilung der Zeiteinheit„Stunde“. Dies verwundert insofern nicht, als ihnenhierzu vertraut sein muss, dass die Strecke, die dergroße Zeiger durch anteilige Strecken, die er auf demvollen Kreisbogen der Uhr zurücklegt, das Maß füreine Zeiteinheit „Minuten“ als (entsprechende)Bruchteile einer Stunde darstellt.

Zur Förderung des Verständnisses bietet sich alsAnschauungsmaterial die Kreisscheibe einer analo-gen Uhr an, die sich jeder Schüler bastelt. Hilfreichist es, auf der Scheibe zunächst eine 12er-Einteilungwie auf dem Ziffernblatt der Uhr vorzunehmen, ander die Zahlen der Stunden entsprechend ihrerReihenfolge zugeordnet werden. Die fehlendenStrichunterteilungen können später nachgetragenwerden.

Eine aus Papier geschnittene Scheibe stellt das Ganzedar. Will man Bruchteile konstruieren, dieZweierpotenzen sind (Halbe, Viertel), so ist diesbequem mit (ggf. wiederholtem) Halbieren durchFalten zu erreichen – dabei wird die Scheibe (Kreis,Halbkreis, Viertelkreis) an einer Spiegelachse gefaltetund die beiden Teile werden deckungsgleich über-ein ander gelegt. Für die Einteilung in zwölf Teile (dieEinteilung des Ziffernblattes in Stunden eines halbenTages) wird der Vollkreis in Drittel unterteilt. Dazuschneidet man die Kreisscheibe auf einer Radiusliniebis zum Mittelpunkt ein und bildet anschließend„Schichten“, indem man an der Schnittlinie dieKreisscheibe so nach oben und unter umlegt, dassdrei Teile übereinander geschichtet sind. Drückt mandiese Konstruktion flach, so erhält man Faltlinien fürDrittel-Teile. Diese Drittel können dann nach demoben genantem Prinzip geviertelt werden und fertigsind die zwölf Teile. Die gleichmäßige Aufteilung

kann betrachtet werden, wenn beim Aufklappen derScheibe die Faltkanten des unzerteilten Ganzen sicht-bar werden.

Die Zwölftel-Einteilung des Ziffernblattes ermög-licht nicht nur die Aufteilung eines halben Tagesin einzelne Stunden, sondern bildet auch einewichtige Grundlage zur Bestimmung des genau-en Zeitmaßes innerhalb einer Stunde. Sie istgleichzeitig die Darstellung von Fünf-Minuten-Intervallen, da 60 Minuten in zwölf Teile unter-teilt worden sind. Diese Strukturierung desZiffernblattes ermöglicht dem Ableser, der dieZahlzerlegung im Zahlenraum beherrscht undüber ein Verständnis der Analogien imZehnersystem verfügt, ein leichtes Ermitteln derZeitabschnitte im Minutenkontext.

„Wie viel Zeit ist voneiner Stunde verstrichen,wenn der große Zeigervon „12“ (0) auf „6“gewandert ist?“ Wahr-scheinlich wird richtigerwidert: „Eine halbeStunde.“ Die Benennungals Halbe bildet dabeibereits den Übergang zur Bruchzahl, wenngleich vonden Schülern ganz ungewusst vorgetragen.

Diese Antwort auf das Material zu übertragen, wäreder nächste Schritt. Die Kreisscheibe wird einmalgefaltet. Auch wenn Schüler die Scheibe nicht so hin-legen, dass sich die Zahl „12“ im Zenit befindet, istihre Scheibe nach dem Falten in zwei halbe Stundenunterteilt. In so einem Fall bietet es sich an, dieSchüler untereinander vergleichen zu lassen: Immerwenn die Kreisscheibe an einer Mittelpunktlinie inzwei gleichgroße Teile gefaltet wird, entstehen zweihalbe Kreise, also 2/2 Stunden. Jeder Halbkreis fürsich betrachtet entspricht einer halben Stunde. Diesgilt für einen Halbkreis, dessen Achse von „3“ bis„9“ gezogen wurde genauso, wie für einen Halbkreisvon „2“ bis „8“ (der Zwölfer-Teilung). Hier wurdedie Uhr als Zeitmesser einer Zeitspanne verwendet.

Seite 8 ©Kopf und Zahl, 10. Ausgabe

Bezogen auf die Einteilung einer konkreten Stunde(in der Abbildung die erste Stunde) ist eine exakteHalbierung von „12“ (0) bis „6“ erforderlich: ½ vonder n-ten Stunde, hier halb eins. In dieser Funktiondient die Uhr der Bestimmung eines Zeitpunktes.

Neben dem Namen dieser Bruchzahl ist vielfach auchdie Schreibweise aus dem Alltagsgebrauch vertraut,die Bedeutung ist jedoch erklärungsbedürftig. DieBegriffe „Zähler“, „Bruchstrich“ und „Nenner“ kön-nen an dieser Stelle vernachlässigt werden, entschei-dend ist die Vermittlung, dass bei der Bruchzahlnota-tion anhand der Zahl unterhalb des Bruchstriches abzu-lesen ist, in wie viele gleichgroße Teile ein Ganzesaufgeteilt ist, und die Zahl oberhalb des Bruchstrichesangibt, wie viele dieserTeile zusammengefasst sind.

Bewegt sich der große Zeiger von „12“ (0) bis „6“,dann hat er einen Teil zurückgelegt, der entsteht,wenn man eine Stunde (ein Ganzes) in zwei gleichgroßeTeile unterteilt, notiert als „½“. Durchläuft die-ser Zeiger die Strecke der Kreisscheibe einmal ganz,dann hat er zwei der Teile zurückgelegt, die entste-hen, wenn man eine Stunde (ein Ganzes) in zweigleich große Teile unterteilt. Zwei Halbe (1/2 h +1/2 h) und ein Ganzes (1 h) stehen für ein- und dieselbeQuantität: eine Stunde.Als Analogie kann man auf dieunterschiedlichen Wertausdrücke im Dezimalsystemhinweisen: Ein Zehner hat die gleiche „Wertigkeit“wie zehn Einer.

Anhand der oben aufgelisteten unterschiedlichenFaltungen (Halbe, Viertel und Zwölftel) lässt sichebenfalls üben, die Aufteilung eines Ganzen – hiereiner Stunde – in n Teile zu erkennen, zu benennenund zu verschriften. Begleitet werden sollten dieseÜbungen mit Fragestellungen wie:

• In wie viele Teile ist die Stunde jetzt geteilt?

•Wie wird die Antwort als Bruchzahl aufgeschrieben?

• Wie viele dieser Teile sind verstrichen, wenn sichder große Zeiger von einer Faltkante bis zur nächs-ten (übernächsten usw.) Faltkante bewegt?

• Zu welcher Aufteilung der Stunde (wie vieleMinuten) gehören diese Teile?

Dabei ist nicht nur darauf zu achten, dass „wie viel“und „wovon“ korrekt angegeben werden. Da es sichbei Uhrzeiten um Maßangaben handelt, gibt es das„wovon“ doppelt: „¼“ von „eins“ und von derGesamteinheit „Stunde“, ¼ Stunde (abgekürzt ¼ h).

Diese Übungen sind ein Grundstein für denGrößenvergleich von Zeiteinheiten, wie er Bestand-teil der Bruchrechnung in der Unterstufe ist.

Der mathematische Grundgedanke, dass bei unter-schiedlicher Unterteilung eines Ganzen das Prinzip„je größer der Nenner desto kleiner dieWertigkeit“ gilt, bedeutet bezogen auf dieEinteilung einer Stunde: ¼ Stunde < ½ Stunde.

Dieser Gedanke lässt sich am Beispiel der „Uhr-Scheibe“ gut nachvollziehen. Eine Scheibe derEinheit „eins“ = eine Stunde wird in zwei Halbe,eine andere „Stundenscheibe“ in vier Viertel auf-geteilt. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, dieTeile nicht nur zu falten, sondern auch zu schnei-den. Anschließend wird ein Viertel (¼ h) auf dieFläche eines Halben (½ h) gelegt. Sichtbar ist, dass¼ h kleiner ist als ½ h und umgekehrt. Auch dieGrößenordnung der Differenz zwischen beidenBrüchen kann bestimmt werden: ½ h ist um ¼ hgrößer als ¼ h.Weiterführende Fragen lassen sich damit ebensobewerkstelligen:

• Wie viel sind sechs Stunden mehr als drei Stun-den? Ein viertel eines halben Tages oder dreiStunden.

• Wie viel sind 30 Minuten mehr als 15 Minuten?15/60 oder 15 Minuten ggf. auch 3/12 oder drei5-Minuten-Intervalle.

Auch der Größenvergleich zweier Bruchzahlenmit gleichem Nenner kann anschaulich vermitteltwerden (gleiche Unterteilung eines Ganzen): DreiViertel (¾ Stunde) sind mehr als ein Viertel (¼Stunde). Die Bruchzahl ist größer, die mehr dergleich großen Teile zusammenfasst.

Man sollte sich nicht scheuen, diese Frage-stellungen auf die Kleiner-Relation zu übertragen.Es ist nicht selbstverständlich, dass sich imVerständnis der Kinder das umgekehrte Verhältnisautomatisch durch die Größer-Relation erschließt.

Ein typischesVerständnisproblem von Bruchzahlentaucht immer wieder bei der Vorstellung vonZahlbeziehungen auf. Schüler betrachten häufigZähler und Nenner als eigenständige natürlicheZahlen, die Gesamterscheinung des Bruchs trittdabei in den Hintergrund. Dies führt zu Fehlernbei Relationsbestimmungen von Brüchen (und imweiteren Verlauf beim Rechnen mit Bruchzahlen).Dieses Missverständnis mündet in der Regel in denVersuch, Schemata des Größenvergleichs vonnatürlichen Zahlen auf Bruchzahlen anzuwenden.Zähler und Nenner werden getrennt voneinanderin Beziehung gesetzt, beispielsweise: 1/4>1/2 , weilvier größer als zwei ist.

Die Abbildungen der Uhr sind nachfolgendem Arbeitsbuch entnommen: ReinhardKutzer, Mathematik entdecken und verstehen, Band 3, Verlag Moritz Diesterweg,Frankfurt a. M. 2001.

Seite 9©Kopf und Zahl, 10. Ausgabe

Diesmal:

Welcher „leidgeprüfte“Mathe-Lehrer kenntdas nicht. Nicht dasSpiel (wir gehen ein-mal davon aus, dass esden meisten bekanntist), sondern wenn dielieben Schülerinnenund Schüler ständig diex-Achse und y-Achsevertauschen, die Koor-dinaten verwechselnoder Punkte nur miteiner Koordinate ange-

ben: „Punkt A (3/5) ist bei drei oder fünf!“ Na bravo!

Das führt nicht nur bei einfachen geometrischenAufgabenstellungen zu reichlichem Chaos sondernin späteren Phasen des Mathe-Unterrichts dazu, dassbei Nullstellen-Berechnungen die Variable x gleichnull gesetzt, alle Punkte auf der x-Achse jeden belie-bigen y-Wert annehmen können. Oder man setztgleich beide Werte (x und y) gleich null, dann istman wenigstens auf der sicheren Seite. Auf welcherAchse man dann die Punkte einträgt, wird zu einemGlücksspiel. Na ja, immerhin ist die Chance jafifty/fifty – auch nicht schlecht!

Gezeichnet werden

sollte ein regelmäßi-

ges Sechseck. An

Ecken mangelt es

nicht so sehr, an der

Regelmäßigkeit

schon.

Derlei Probleme gibt es auch in der Oberstufe, wennnach abgeschlossener Kurvendiskussion Nullstellen,Extrem- undWendepunkte nicht recht zusammenpas-sen wollen. Das entsprechende „Gemälde“ sprichtBände:

Für eine Funktion3. Grades ein reich-lich dramatischerVerlauf.

Wie geht das noch mal?Gespielt wird zu zweit. Vor jedem Spieler liegt einkariertes DIN A4-Blatt, auf dem er zweiKoordinatensysteme aufzeichnet. Die Schüler sollendiese selber konstruieren, also nicht vorfertigen,kopieren oder fertige Darstellungen kaufen. Die waa-gerechte Achse wird mit den fortlaufendenBuchstaben des Alphabets skaliert, die senkrechte mitZahlen.

Insgesamt existieren 144 Felder. In das linkeKoordinatensystem trägt jeder Spieler seine Schiffeein. Um die Sache etwas zu erschweren (muss mannicht machen), dürfen keine Schiffe an den Rändernplatziert werden. Untergebracht werden jetzt ein„Flugzeugträger“ (ein Fünfer), zwei „Zerstörer“ (jeein Vierer), drei „Kreuzer“ (je ein Dreier), vier„Fregatten“ (je ein Zweier) und fünf „U-Boote“ (jeein Einer), und zwar senkrecht oder waagerecht (alsonicht ums Eck) und so, dass sie sich nicht berühren.Allein diese Aufgabe erfordert von den Kindern eineSystematik bei der Anordnung der Schiffe. Das untereKoordinatensystem dient zur Kontrolle, auf welchesFeld man beim Gegner bereits „geschossen“ hat. Nilshat es richtig gemacht: Er malt an die Ränder sofortPunkte ein, weil Lena dort kein Schiff platzieren darf.

Das Benennen und das Auffinden der Felder verdeut-licht man den Kindern am besten, indem man vonden Koordinaten-Achsen ausgehend einen senkrech-ten und einen waagerechten Strich zieht.

Der Schnittpunkt ist dann das Feld E/5.

Sehr wichtig: Zuerst erfolgt dieNennung des Buchstabens, dann derZahl, auf keinen Fall umgekehrt,damit die Kinder sich daran gewöh-nen, dass bei Koordinatenangabenzuerst die x-Koordinate und dann diey-Koordinate folgt.

Es wird ausgelost, wer beginnen darf.

Wolfgang Hoffmann, Mathematisch Lerntherapeutisches Zentrum Dortmund/Bochum

Klassische Kinderspiele NEU ENTDECKT!

Nils Lena

©Kopf und Zahl, 10. AusgabeSeite 10

Dr. Martina Humbach, Lerntherapeutisches Zentrum Rechenschwäche Köln & Zentrum für Dyskalkulietherapie Bonn

Schwache Rechner in der Jahrgangsstufe 10

Die Ergebnisse der PISA Studien von 2000, 2003 und 2006(Klieme et al. 2001, Neubrandt 2004, Frey et al. 2007) belegen,dass 20 bis 25 % der deutschen Schüler in der Jahrgangsstufe 9 kaumüber die elementarsten Grundkenntnisse in Mathematik verfügen.Eine schulsystembezogene Untersuchung wie PISA oder auch TIMSSstellt das Problem jedoch nur fest. Diagnostische Hinweise auf dieQualität der mathematischen Defizite und geeignete Fördermaßnah-men können nicht geliefert werden.

Um den Förderbedarf der Schüler konkret angehen zu können, sind ent-wicklungs- und theoriegeleitete Erkenntnisse über den Erwerb mathe-matischer Kompetenzen notwendig (vgl. Fritz & Ricken 2008, Moser2007). Allerdings konzentriert sich die entsprechende Forschung inDeutschland schwerpunktmäßig auf Vor- und Grundschulkinder (z. B.Krajweski 2003,Kaufmann 2003,Grube 2006).Die Diagnostik undFörderung mathematischer Kompetenzen in der Sekundarstufe ist dage-gen ein weitgehend unerforschtes Problemfeld.

Im Folgenden wird eine Studie vorgestellt, deren Ziel es war, erste ent-wicklungs- und theoriegeleitete Erkenntnisse über mathematischeKompetenzen in der Sekundarstufe zu erlangen (Humbach 2008). Essollte zum einen der Frage nachgegangen werden, inwieweit Schüler derJahrgangsstufe 10 über ein konzeptuelles Verständnis der in der Grund-schule vermittelten arithmetischen Grundlagen (Grundrechenarten)verfügen. Zum anderen ging es darum festzustellen, wie es um denZusammenhang zwischen arithmetischem Grundlagenwissen undeinem weiterführenden mathematischenVerständnis gestellt ist. Andersgefragt: Kann davon ausgegangen werden, dass mathematischesWissen

hierarchisch aufeinander aufbaut, oder ist das in der Mathematik-didaktik häufig bevorzugte Modell wenig miteinander vernetzterWissenszweige (vgl. Kretschmann 2006, 53) angemessen?Mangels geeigneter diagnostischer Verfahren erforderte die Realisierungdes Forschungsvorhabens zunächst die Entwicklung eines Testinstru-ments. Basierend auf dem aktuellen Forschungsstand zum Entwick-lungsverlauf arithmetischer Basiskompetenzen wurde der sogenannteArithmetik-Test entwickelt. Diese Aufgabensammlung fragt mit60Auf-gaben die folgenden zentralenThemen der Grundschularithmetik ab:

1. Dekadisches Stellenwertsystem(Transkription, Bündelungsprinzip, Zahlenraumvorstellung)

2.Addition und Subtraktion(Teil-Ganzes-Konzept, Konzept desVergleichens)

3. Multiplikation und Division(Teil-Ganzes-Konzept, einfache Zuordnungen)

4. Vorteilhaftes Rechnen

5. Einfache rechnerische & begriffliche Modellierung

UntersuchungsdesignZu Beginn des Schuljahres 2005/06 wurde im ersten Untersuchungs-schritt der Arithmetik-Test mit 458 Schülern an zwei Hauptschulen,zwei Realschulen, einer Gesamtschule und einem Gymnasium durchge-führt. Um zu untersuchen, inwieweit zwischen arithmetischen Basis-kompetenzen und weiterführendem mathematischen Wissen einZusammenhang besteht, wurden die Schüler anschließend mit demRechentest 9+ von Bremm & Kühn (1992) zu den Themen desSchulstoffs der Sekundarstufe I befragt.

Lena versucht es mit dem Feld C/2. Nils antwortet mit„Treffer“ und markiert dieses Feld mit einem Kreuz.Lena weiß jetzt, dass sie kein U-Boot erwischt hat, weilNils sonst mit „versenkt“ geantwortet hätte. Sie überlegtnun weiter, dass sie C/1 nicht auszuprobieren braucht,da keine Schiffe am Rand platziert werden dürfen. ÜberEck dürfen die Schiffe auch nicht liegen, was die FelderB/3 und D/3 ausschließt. Lena trägt sich in ihrKontrollkoordinatensystem sofort einen Punkt ein,damit sie die mögliche Lage des Schiffes besser beurtei-len kann und dort auch nicht hinschießt. Bleiben dieFelder B/2,D/2 und C/3. Lena versucht es mit C/3,Nilsmarkiert sich das betreffende Feld mit einem Punkt undantwortet mit „vorbei“. Lena weiß jetzt für ihren nächs-tenVersuch, dass das Schiff waagerecht liegen muss.Nun ist Nils an der Reihe. Er versucht es mit C/8 undlandet einen Treffer, den er in seinemKontrollkoordinatensystem mit einem Kreuz markiert.Er entschließt sich jetzt für C/7 und erzielt wiederumeinen Treffer. Das Schiff liegt also senkrecht. Jetzt stelltsich nur noch die Frage, liegt es weiter oben oder unten.Nils hat Glück. Nach dem vierten „Schuss“ auf C/5 ant-wortet Lena mit „versenkt“. Um das Schiff malt sich NilsPunkte, weil dort kein Schiff mehr sein kann.

Gewonnen hat derjenige, der zuerst alle „gegnerischen“Schiffe „versenkt“ hat.

„Schiffe versenken“ ist ein hervorragendes Spiel, umden Aufbau eines Koordinatensystems zu verstehen undzu trainieren. Auch strategische Lagebeziehungen unddasVorstellungsvermögen werden geschult, was für denGeometrieunterricht sehr wichtig ist. Bei geschickterAnwendung ist es auch bestens geeignet, derGeschichtsstunde ein wenig mehr Schwung zu verlei-hen – jedenfalls war das bei uns so!

•X

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Nils Lena

Seite 11©Kopf und Zahl, 10. Ausgabe

Quantitative ErgebnisseZunächst konnten mit teststatistischen Auswertungen Objektivität,Gültigkeit und Zuverlässigkeit des Arithmetik-Tests belegt werden. Dieanschließende Analyse derTestergebnisse zeigt, dass die mathematischenVerständnisschwierigkeiten der Zehntklässler bereits bei grundlegendenKonzepten der Grundschularithmetik beginnen. So löste gut einViertelder Hauptschüler nur etwa die Hälfte der einfachen Grundschulauf -gaben des Arithmetik-Tests, die Hälfte der Schüler kam auf gut zweiDrittel richtige Antworten,und weniger als 10% der Hauptschüler wa-ren bei50,oder mehr der insgesamt 60Aufgaben erfolgreich.Das Ergeb-nis der Gesamtschule fällt nur unwesentlich besser aus: 25% lösen dieHälfte der Aufgaben, 50% gut zwei Drittel und 14% mehr als 50 vonden 60 Aufgaben. Für die Realschule ergab sich folgendes Bild: 25%beherrschen gut zwei Drittel der Aufgaben,50% kommen auf 46 rich-tige Aufgaben, und 38,4% lösen 50oder mehr der insgesamt 60 Auf-gaben.Im Gymnasium sind schließlich 25% der Schüler schon bei dreiViertel der Aufgaben erfolgreich und über 50 % beherrschen mehr als50Aufgaben des gesamtenTests.

Fehlerdiagnostische ErgebnisseMit einer qualitative Analyse der aufgetretenen Fehler wurde deutlich,dass die falschen Lösungen nicht durch Flüchtigkeitsfehler entstanden,sondern auf grundlegende Defizite im konzeptuellen Verständnis derGrundrechenarten schließen lassen. Im Folgenden stelle ich einige deraufschlussreichen Ergebnisse zusammengefasst vor. Beispielsweise ergabsich für die Aufgabe 100000–7000=, dieAufschluss über das Verständ-nis des Stellenwertverständnisses gibt, für Haupt- und Gesamtschülereine Fehlerquote von fast 30%. Dabei zeigte die Fehleranalyse der fal-schen Antworten, dass die falschen Lösungen durch ein fehlerhaftesEntbündeln oder Einfügen bzw. Auslassen von Ziffern zustande kamen,d. h. durch Fehler, die für grundlegende Missverständnisse hinsichtlichdes Zahlaufbaus sprechen. Die Platzhalteraufgabe 348 – x = 70, derenLösung eine Modellierung im Sinne des Teil-Ganzes-Konzepts erfordert,konnten 45% der Hauptschüler, 53% der Gesamtschüler und 42% derRealschüler nicht lösen.Bemerkenswert ist aber auch die Fehlerquote von26,8% im Gymnasium.Die Ursache der falschen Lösungen war in ers-ter Linie das Anwenden der falschen Operation, d. h. ein grundlegendesMissverständnis hinsichtlich des Konzepts von Addition und Subtrak-tion. Die Analyse der Aufgaben zur Multiplikation und Division decktegravierende Defizite bei der Division auf.Beispielsweise könnten 55,1%der Hauptschüler und 62,5% der Gesamtschüler die Aufgabe x:30=90 nicht lösen.Wie bei der oben genannten Aufgabe zur Subtraktionwaren auch hier kaum Rechenfehler die Fehlerursache, sondern über-wiegend Defizite im konzeptuellenVerständnis der Division.Auch für diefolgende einfache Zuordnung ergab sich eine erschreckend hoheFehlerquote von 57,9% in der Hauptschule und 44 % in derGesamtschule. „Auf einer Strecke von 900 km verbraucht HerrFröhlichs neues Auto 54 l Benzin.Wie viel Benzin verbraucht es beigleichemVerbrauch auf einer Strecke von 300 km?“ Etwa die Hälfte derfalschen Antworten kam dadurch zustande, dass die Schüler die Aufgabeerst gar nicht versuchten. Der Rest scheiterte an den gefordertenRechenfertigkeiten oder erkannte nicht,dass der dritteTeil von 54 Liternzu ermitteln ist und teilte 54 lediglich durch zwei.

Kompetenzstufen arithmetischen BasiswissensIm letzten Analyseschritt ging es darum,welche Aufgaben die verschie-denen Leistungsniveaus lösen konnten. Besonders interessierte dabei dasAnforderungsniveau der Aufgaben, die von leistungsschwachen Schülerngelöst werden konnten, also jenen Schülern, die insgesamt nur eine

niedrige Punktzahl im Test erreichten. Mit einer hierarchischenClusteranalyse konnten vier Kompetenzstufen abgegrenzt werden.Danach lösten die 25% schlechtesten Schüler lediglich Aufgaben, dieelementarste arithmetische Grundlagenkenntnisse erforderten.Die Repro-duktion von sehr grundlegenden Handlungsschritten führte zum rich-tigen Ergebnis, wobei ein konzeptuelles Verständnis arithmetischerZusammenhänge nicht unbedingt notwendig war. So wurden Platzhal-teraufgaben zur Addition, Subtraktion und Multiplikation bewältigt, beidenen die Anwendung einer Oberflächenregel zum richtigen Ergebnisführt. Ebenso waren die Schüler bei einschrittigen Textaufgaben undAufgaben zum Stellenwertverständnis < 20 000 erfolgreich.Die erforder-lichen Rechenfertigkeiten gingen nur selten über den Zahlenraum 1.000hinaus, und bei vielen Aufgaben bestand die Möglichkeit, zählend zumkorrekten Ergebnis zu kommen.

Arithmetische Basiskompetenzen und weiterführendesmathematischesVerständnisUm zu untersuchen, inwieweit die von den Schülern imArithmetik-Testerbrachten Leistungen mit jenen im RT 9+ erreichten in Zusammen-hang stehen, wurde die Korrelation der Ergebnisse berechnet.Mit einemKorrelationskoeffizienten von r = 0.71 (Irrtumswahrscheinlichkeit vonp< 0,01) ergab sich ein sehr hoher Zusammenhang zwischen arith-metischen Basiskompetenzen und weiterführenden mathematischenLeistungen. So zeigte sich, dass die Schüler, die schlecht im Arithmetik-Test abschnitten, auch im RT 9+ nur wenige Punkte erreichten.Umgekehrt erreichten die Schüler, die im RT 9+ eine gute Leistungerzielten, auch eine hohe Punktzahl im Arithmetik-Test. Allerdingserreichten auch viele Schüler zwar eine hohe Punktzahl im Arithmetik-Test, jedoch nur eine niedrige im RT 9+.Es kann also davon ausgegan-gen werden, dass gute arithmetische Grundlagenkenntnisse eine unbe-dingt notwendige, aber keinesfalls ausreichende Voraussetzung für guteLeistungen in der weiterführenden Mathematik sind.

SchlussfolgerungenVor dem Hintergrund, dass mathematischesWissen systematisch auf-einander aufbaut und viele Schüler selbst am Ende der Klasse 10 nochgravierende Defizite im arithmetischen Grundlagenwissen aufweisen,stellt sich die Frage nach Sinn und Nutzen von Förderkonzepten, die amaktuellen Schulstoff ansetzen.Vielmehr wird deutlich, dass Fördermaß-nahmen zunächst Lernstandsanalysen vorausgehen müssen, die auch inder Sekundarstufe I die arithmetischen Grundlagen einbeziehen. Ergebensich hier grundlegende Defizite,müssen diese durch gezielte Fördermaß-nahmen behoben werden, bevor weiterführende mathematische Themenerarbeitet werden können. Ein solches Vorgehen erfordert allerdings vonMathematiklehrern der Sekundarstufe umfassende diagnostischeKompetenzen und einWissen um didaktische Konzepte für den arith-metischen Grundlagenbereich. Dabei handelt es sich um Qualifika-tionen, die im Rahmen der aktuellen Lehrerausbildung nicht vermitteltwerden. Ein Umdenken insbesondere in der Ausbildung von Haupt- undGesamtschullehrern ist also notwendig.Zum anderen steht die Forschung zur mathematischen Entwicklungnoch am Anfang. Ein theoretisch fundiertes Entwicklungsmodell liegtlediglich für das Vorschul- und frühe Grundschulalter vor (Fritz &Ricken 2008). Wie sich der Entwicklungsverlauf mathematischerKom- petenzen bei älteren Kindern oder gar in der Sekundarstufe voll-zieht, ist bisher weitgehend ungeklärt (vgl. Humbach & Fritz 2007).Dringender Handlungsbedarf besteht also nicht nur in derLehrerausbildung, sondern auch bezüglich der Forschung zurEntwicklung mathematischer Kompetenzen.

Seite 12 ©Kopf und Zahl, 10. Ausgabe

Osnabrücker Zentrum für

mathematisches Lernen

(Rechenschwäche/Dyskalkulie)

Osnabrück / Diepholz / Herford / Münster

Georgstraße 8, 49074 Osnabrück

Telefonsprechstunde:

Mo. bis Fr. von 12.00 – 14.00 Uhr

Tel.: 0541 – 2052242, Fax: 0541 – 2052244

E-Mail: [email protected]

Internet: www.os-rechenschwaeche.de

Unser Zentrum arbeitet seit 1997 mit rechenschwachen

Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Weitere Informationen, sowie unsere aktuellen Ver-

öffentlichungen und Veranstaltungen erhalten Sie bei

uns im Zentrum oder auf unserer Internetseite.

Informieren können Sie sich auch auf der Internetseite

vom Zentrum für angewandte Lernforschung unter:

www.arbeitskreis-lernforschung.de

Unsere Aufgabenbereiche umfassen:

• qualitative Förderdiagnostik

• Beratung von Betroffenen, Eltern und Lehrern

• integrative Dyskalkulietherapie

• Informationsveranstaltungen und Fortbildungen

• Förderdiagnose

• Beratung

• Lerntherapie

- Aus der Praxis für die Praxis -

Manchmal nicht ganz einfach!

Wolfgang Hoffmann

Mathematisch Lerntherapeutisches Zentrum Dortmund/Bochum

Eine Fehleranalyse bei rechenschwachen Kindern kann

aufgrund der subjektiven Algorithmen, mit denen die

Kinder „rechnen“, gelegentlich ganz schön verzwickt sein.

Oft wird versucht, den Ergebnissen auf den Grund zu

kommen, indem man die Aufgaben nachrechnet. Dabei

wird mit den Zahlen hin- und herjongliert bis es irgendwie

„passt“. Vergessen wird dabei aber oft, dass

rechenschwache Kinder gar nicht rechnen können. Man

muss schon die Art und Weise der Denkvorgänge der

Kinder kennen, um die Fehleralgorithmen zu verstehen.

Hierzu zwei Beispiele:

Eine Schülerin auf dem Gymnasium rechnet:

Hier kann man rechnen wie man will. Auf die Zahl Sechs

kommt man nie. Man muss sich mit dem Kopf der Kinder

dem Problem nähern. Unsere Gymnasiastin sieht die

Aufgabe so: „Ich soll von der 19 aus bis zur 8

zurückzählen.“

Gleichzeitig muss sie zählen, wie

viele Zahlen sie gezählt hat. Dazu

benutzt sie die Finger und zählt

mit der 18 beginnend ab. Bei der

9 angekommen gibt es ein

Problem:

Die Finger reichen nicht aus, denn

sie muss ja bis 8 zählen! Aber

unsere Schülerin weiß sich zu

helfen. Sie klappt eine Hand zu

und zählt an dieser dann bis zur 8:

Und siehe da, das Ergebnis muss 6 lauten. Man nennt dies

auch einen Fingerklappfehler, der in zahlreichen Varianten

auftreten kann.

Ein zweites Beispiel. Ein Grundschüler aus der vierten

Klasse soll die Aufgabe 93-5 lösen. Er gelangt zu

folgender Lösung:

Und auch hier: Mit tatsächlichem Rechnen, so wie wir es

kennen, kommt man einfach nicht auf 91; da kann man die

Zahlen vertauschen wie man will. Auch unser

Grundschüler rechnet nicht, er zählt und begeht dabei als

erstes einen häufig vorkommenden Fehler, den so

genannten „Verzähler um Eins“. Das bedeutet, er beginnt

nicht bei der 92, sondern bei der Zahl 93 und klappt dann

jeweils einen Finger auf, um zu kontrollieren, ob er auch 5

Zahlen gezählt hat.

Bei der 90 angekommen

stockt der Junge. Welche

Zahl kommt vor der 90?

Rechenschwache Kinder kennen Zahlen nur als eine

Abfolge leerer Worthülsen. Sie benötigen beim Zählen

einen Rhythmus, um sich das Nacheinander der Zahlen zu

merken.

Dieser Rhythmus liefert in unserem Beispiel das Wort

„Neunzig“, der dann beim vollen Zehner unterbrochen

wird. Der Junge weiß nicht weiter, muss aber 5 Zahlen

zählen!

Er entschließt sich, einfach einen wieder hochzuzählen,

Ergebnis: 91. Ein so genannter „Klappfehler“, der sich

auf das Umklappen der Zählrichtung bei Subtraktionen

mit Zehnerüberschreitungen bezieht. Und auch der gut

gemeinte Tipp „Rechne doch erst ‘mal bis zur 90“ wird

dann meistens mit einem Protest quittiert: „Aber das

hab’ ich doch!“ Bei der Förderung rechenschwacher

Kinder ist es deshalb sehr wichtig, sich ständig der

Denkwege der Kinder anzunehmen, weil man ansonsten

diesen Strategien quasi „ins Messer läuft“.

Auch wenn es manchmal nicht ganz einfach ist!

MATHEMATISCHES INSTITUT ZUR BEHANDLUNGDER RECHENSCHWÄCHE/DYSKALKULIE

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