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10 Der Mensclt im Projekt 10.1 Selbstmanagement " Manche Manager sind das Produkt starker Phantasie und schwacher Nerven. " (E. Ewel) Alle Beteiligten in einem Projekt führen eine ganze Reihe von Arbeiten aus. Hierzu gehören nicht nur die Aufgaben im Projekt, sondern auch andere berufliche Routine-Aufgaben sowie private Aktivitäten. So wie die Arbeitsprozesse eines Projekts ein Management erfordern, müs- sen auch die persönlichen Aktivitäten jedes Einzelnen geplant und gesteuert werden. Auch wenn dies oft nur intuitiv und nicht mit formalen Methoden erfolgt, kann man hier von einem Selbstmanagement sprechen, der Planung und Steuerung persönlicher Tätigkeitsprozesse. Jeder Einzelne muss für seine Aktivitäten Ziele setzen, Prioritäten definieren, mögliche Maß- nahmen suchen, Entscheidungen treffen und Arbeiten planen. Selbstmanagement ist daher zu einem Teil ,,Projektmanagement im Kleinen". Selbstmanagement ist aber auch mehr. Berufs- und Privatleben stehen oft in Konflikt mitein- ander. Um beiden Lebensbereichen gerecht zu werden, müssen berufliche und private Aktivitä- ten in einer Work-Life-Balance nebeneinander und miteinander in Einklang gebracht werden. Selbstmanagement hat daher sowohl eine methodische als auch eine emotionale Seite. 10.1.1 Methoden des effIZienten Arbeitens Bei der Planung eines Projekts werden alle Aufgaben so weit untergliedert, bis sie auf der Ebene der Arbeitspakete einzelnen Personen zugeordnet werden können. Aus dem Projektplan ergibt sich somit für jeden Beteiligten eine Liste auszuführender Arbeiten mit zugehörigen Start- und Zielterminen. Aus Projektsicht ist ein Arbeitspaket die kleinste zu planende und zu überwachende Einheit. Sie umfasst in der Regel Pakete mit einem Umfang von 1 bis 20 Tagen Arbeit. Aus Sicht eines Projekt-Mitarbeiters ist eine weitere Detaillierung der Arbeit nötig. Sie wird manchmal als Mikroplanung bezeichnet. Jeder Arbeitswoche und jeder Arbeitstag erfordert eine vorausschauende Planung, damit alle Anforderungen "unter einen Hut" gebracht werden. Die Arbeiten, die den Einzelnen im Projektplan zugeordnet werden, bilden also einen Rahmen innerhalb dessen jeder für sich eine genauere Planung vornehmen sollte. Dabei müssen auch die Aktivitäten außerhalb des Projekts, egal ob sie beruflicher oder privater Natur sind, berück- sichtigt werden. Als Voraussetzung für eine Planung müssen Ziele festgelegt werden. Für die Arbeitspakete des Projekts ergeben sich die funktionalen Ziele aus der Arbeitspaket-Beschreibung und die Ter- minziele aus dem Projektplan. Ist das Arbeitspaket umfangreicher, kann es sinnvoll sein, Teil- ziele zu bilden. Aber auch für die anderen Arbeiten müssen Ziele gebildet werden. Leider gibt es allzu oft Zielkonflikte: "Ich muss heute unbedingt länger arbeiten, damit die Bestellung für das Gehäuse noch rausgeht, die Personalabteilung braucht dringend den Stundenzettel von letzter Woche, um 17:00 Uhr muss ich meinen Sohn aus dem Fußballtraining abholen und eigentlich wollte ich heute Abend noch eine Runde joggen." Walter Jakoby, Projektmanagement für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9759-6_10, © Vieweg+Teubner Verlag I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

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10 Der Mensclt im Projekt

10.1 Selbstmanagement

" Manche Manager sind das Produkt starker Phantasie und schwacher Nerven. " (E. Ewel)

Alle Beteiligten in einem Projekt führen eine ganze Reihe von Arbeiten aus. Hierzu gehörennicht nur die Aufgaben im Projekt, sondern auch andere berufliche Routine-Aufgaben sowieprivate Aktivitäten. So wie die Arbeitsprozesse eines Projekts ein Management erfordern, müs­sen auch die persönlichen Aktivitäten jedes Einzelnen geplant und gesteuert werden. Auchwenn dies oft nur intuitiv und nicht mit formalen Methoden erfolgt, kann man hier von einemSelbstmanagement sprechen, der Planung und Steuerung persönlicher Tätigkeitsprozesse.

Jeder Einzelne muss für seine Aktivitäten Ziele setzen, Prioritäten definieren, mögliche Maß­nahmen suchen, Entscheidungen treffen und Arbeiten planen. Selbstmanagement ist daher zueinem Teil ,,Projektmanagement im Kleinen".

Selbstmanagement ist aber auch mehr. Berufs- und Privatleben stehen oft in Konflikt mitein­ander. Um beiden Lebensbereichen gerecht zu werden, müssen berufliche und private Aktivitä­ten in einer Work-Life-Balance nebeneinander und miteinander in Einklang gebracht werden.Selbstmanagement hat daher sowohl eine methodische als auch eine emotionale Seite.

10.1.1 Methoden des effIZienten Arbeitens

Bei der Planung eines Projekts werden alle Aufgaben so weit untergliedert, bis sie auf derEbene der Arbeitspakete einzelnen Personen zugeordnet werden können. Aus dem Projektplanergibt sich somit für jeden Beteiligten eine Liste auszuführender Arbeiten mit zugehörigenStart- und Zielterminen. Aus Projektsicht ist ein Arbeitspaket die kleinste zu planende und zuüberwachende Einheit. Sie umfasst in der Regel Pakete mit einem Umfang von 1 bis 20 TagenArbeit.

Aus Sicht eines Projekt-Mitarbeiters ist eine weitere Detaillierung der Arbeit nötig. Sie wirdmanchmal als Mikroplanung bezeichnet. Jeder Arbeitswoche und jeder Arbeitstag erforderteine vorausschauende Planung, damit alle Anforderungen "unter einen Hut" gebracht werden.Die Arbeiten, die den Einzelnen im Projektplan zugeordnet werden, bilden also einen Rahmeninnerhalb dessen jeder für sich eine genauere Planung vornehmen sollte. Dabei müssen auchdie Aktivitäten außerhalb des Projekts, egal ob sie beruflicher oder privater Natur sind, berück­sichtigt werden.

Als Voraussetzung für eine Planung müssen Ziele festgelegt werden. Für die Arbeitspakete desProjekts ergeben sich die funktionalen Ziele aus der Arbeitspaket-Beschreibung und die Ter­minziele aus dem Projektplan. Ist das Arbeitspaket umfangreicher, kann es sinnvoll sein, Teil­ziele zu bilden. Aber auch für die anderen Arbeiten müssen Ziele gebildet werden. Leider gibtes allzu oft Zielkonflikte: "Ich muss heute unbedingt länger arbeiten, damit die Bestellung fürdas Gehäuse noch rausgeht, die Personalabteilung braucht dringend den Stundenzettel vonletzter Woche, um 17:00 Uhr muss ich meinen Sohn aus dem Fußballtraining abholen undeigentlich wollte ich heute Abend noch eine Runde joggen."

Walter Jakoby, Projektmanagement für Ingenieure, DOI 10.1007/978-3-8348-9759-6_10,© Vieweg+Teubner Verlag I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

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230 10 Der Mensch im Projekt

Gerade in den schwierigen Phasen eines Projekts - und wann ist ein Projekt eigentlich nicht ineiner schwierigen Phase? - häufen sich solche Kollisionen, sie führen zu Stress, die Fehlerquo­te steigt an, was zu mehr Arbeit, zu höherem Zeitdruck und noch mehr Stress führt. Damitsolche Situationen, die leider oft die Regel darstellen, zur Ausnahme werden, ist eine methodi­sche, persönliche Planung notwendig.

Im Gegensatz zu einem Projekt, bei dem viele Aktivitäten parallel auf verschiedene Akteureaufgeteilt werden können, ist bei der persönlichen Planung nur eine sequentielle Abarbeitungaller anstehenden Aufgaben möglich. Die Planung der Arbeiten läuft daher auf die Festlegungder Zieltermine und eine möglichst effIziente Aufteilung der davor liegenden Zeit hinaus.

Egal ob mit oder ohne Planung: Allzu oft übersteigt der Bedarf die verfügbare Zeit und dieavisierten Termine werden nicht eingehalten. Daraufhin wird beim nächsten Mal versucht,noch genauer zu planen und die Arbeitsleistung zu steigern, was aber in der Regel wieder nichtgelingt. In der Praxis gibt es zu viele Zeitdiebe und Störfaktoren, die jede noch so genaue Pla­nung obsolet machen.

Wohl jeder kennt das Gefühl, dass man zu wenig Zeit hat, um alles zu tun, was getan werdenmuss. Ganz zu schweigen, von der fehlenden Zeit für das, was man gerne tun würde. Zeit isteine knappe Ressource. Der Eindruck, dass dies ein vorübergehender, durch eine Sondersitua­tion verursachter Zustand ist, täuscht in den meisten Fällen. Zeitknappheit ist oft ein dauerhaf­ter Zustand. In Projekten ist es sogar ein charakteristisches Merkmal.

Es stellt sich daher die Frage, wie die verfügbare Zeit am besten und am sinnvollsten genutztwerden kann. Die Ablauf- und Terminplanung versucht dies auf der Ebene des Projektstruktur­plans zu beantworten. Auf der Ebene der Arbeitspakete, d.h. bei der Planung des täglichenArbeitsablaufs, muss jeder diese Frage für sich beantworten.

Der erste Schritt zur Einteilung der Zeit ist es, alle anstehenden Tätigkeiten aufzulisten. Einegeeignet Form hierfür ist eine persönliche To-Do-Liste. Sie enthält in loser, ungegliederterForm alle auszuführenden Aufgaben. Für jede Aufgabe sollte dann der Aufwand geschätzt undein frühest möglicher und ein spätest möglicher Termin bestimmt werden.

Die Aufgaben der To-Do-Liste sollten dann nach den beiden Kriterien der Wichtigkeit und derDringlichkeit geordnet werden. Bei der Einschätzung der Wichtigkeit hilft es, eine ABC­Analyse durchzuführen. Dadurch werden wichtige von weniger wichtigen und diese wiederumvon unwichtigen Aufgaben getrennt. Das zweite Kriterium ist die Dringlichkeit. Es gibt dring­liche Tätigkeiten und andere die entweder nicht sofort gemacht werden müssen oder nichtsofort gemacht werden können, weil zuvor andere erledigt sein müssen.

Sind alle Aufgaben nach den Kriterien Wichtigkeit und Dringlichkeit klassifiziert, kann mandas auf den ehemaligen amerikanischen Präsidenten zurückgehende Eisenhower-Prinzip an­wenden. Dringliche und wichtige Tätigkeiten rät Eisenhower sofort selbst zu erledigen. Wich­tige aber nicht dringliche Tätigkeiten soll man für die Erledigung terminieren. Weniger wichti­ge aber dringliche Tätigkeiten sollen delegiert werden. Aufgaben, die weder wichtig nochdringlich sind, sollten gestrichen werden. Wegen permanent knapper Zeit und permanent hin­zukommender neuer Aufgaben, kommt man sowieso nicht zu den unwichtigen Aufgaben.Wenn man sie also gleich eliminiert, belasten sie auch nicht mehr die eigene Tätigkeitsbilanz.

Nach dem Eliminieren bzw. Delegieren der weniger wichtigen Aufgaben, bleiben die wichti­gen, selbst zu erledigenden Tätigkeiten übrig. Da die eigene Zeit nur einmal verplant werdenkann, müssen die oft noch parallel liegenden Aufgaben der To-Do-Liste serialisiert werden,damit eine sequentielle zeitbezogene Tätigkeitsliste entsteht. Je nach Zeithorizont kann dieseals Tages-, Wochen- oder Jahresplan ausgeführt sein. Bei der Erstellung dieser Zeitpläne darf

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keinesfalls die gesamte verfügbare Zeit verplant werden. Es soll eine Reserve offen gehaltenwerden wegen möglicher Unterschätzung des erforderlichen Aufwandes für die geplantenTätigkeiten und für hinzukommende unvorhergesehene Tätigkeiten.

Bei der Tagesplanung sollte außerdem die persönliche Leistungskurve berücksichtigt werden,die im Laufe eines Tages schwankt. Zwischen etwa 7:00 Uhr und 13:00 Uhr durchläuft dieseKurve ihr Tageshoch. Wichtige und kreative Arbeiten sollten daher in diese Zeit gelegt wer­den. Zwischen 13:00 und 18:00 Uhr durchläuft die Leistungsfähigkeit einen flacheren Bereich,in den man daher eher Routinetätigkeiten legen sollte.

Auch während guter Leistungsphasen sind kurze Erholungspausen vorteilhaft. Eine Pause vonetwa 10 Minuten nach etwa einer Stunde Arbeit hat sich als wirksamer Kompromiss zwischenLeistungsoptimierung und Erholungswirkung herausgestellt. Besonders ergiebig ist eine kurzePause, wenn sie einen körperlichen und geistigen Kontrast zur Arbeit bildet. Bei BÜfoarbeit istalso Bewegung und frische Luft eine gute Abwechslung, während für körperlich Arbeitendeeine kurze Ruhepause Entspannung bringt.

Das Zeitmanagement muss, damit es seine positiven Effekte zum Tragen bringt, konsequentund regelmäßig praktiziert werden. Hierzu gehört auch der Einsatz von technischen Hilfsmit­teln. Geeignete Werkzeuge sind schriftliche Pläne oder Rechnerprogramme, die die Umsetzungunterstützen und visualisieren.

Zum guten Zeitmanagement gehört auch die Auswertung abgeschlossener Aufgaben: Ist dasArbeitsergebnis so wie geplant? Wurde es in der vorgesehenen Zeit erreicht? Was ist schiefgegangen? Was kann man beim nächsten Mal besser machen? Nur wer aus Fehlern lernt,schafft es, sie in Zukunft zu vermeiden. Deshalb sollte immer geprüft werden, wo und warumman sich verschätzt hat und wie man dies in Zukunft vermeiden kann.

Tabelle 10.1 Methodik: des effizienten Arbeitens

1. Ziele formulieren

I Sinn-Ebene, strategische Ebene, taktische Ebene; Motive, Werte, Wünsche.

2. Aktivitäten analysieren

I Analyse der Aktivitäten; in Listen sammeln (=> To-Do-Liste).

3. Aufwand schätzen

I Zeitbedarfund Kapitalbedarf schätzen; mit den verfügbaren Budgets vergleichen.

4. Entscheiden

I Was ist wichtig? Was ist dringlich? (=> ABC-Analyse)

5. Planen

I Reihenfolge der Arbeiten; feste Termine berücksichtigen; Pufferzeiten frei halten.

6. Ausführen

I Wo treten Abweichungen auf? Sind Planänderungen nötig?

7. Auswerten

I Was wurde erledigt? Was ist liegen geblieben? Was sind Ursachen für Abweichungen?

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232 10 Der Mensch im Projekt

Es gibt eine ganze Reihe von Methoden, die diese Arbeitsschritte unter einem meistens gutklingenden und mehr oder weniger zutreffenden Namen zusammenfassen.

BeispiellO-l ALPEN

Diese Methode dient zur Planung der Aktivitäten eines Tages. Sie ist relativ einfach undbesteht aus 5 Schritten, deren Anfangsbuchstaben den Namen der Methode ergeben.

Aufgaben auflisten:Länge schätzen:Pufferzeiten schaffen:Entscheidung über Priorität:Nachkontrolle:

eine To-Do-Liste erstellen.den Aufwand für alle Aufgaben schätzen.nur einen Teil (z. B. 60 %) der Zeit verplanen.Wichtigkeit der Arbeiten bestimmen.Vergleich der Plan- und Istwerte der Aufgaben.

Diese Schritte sollen einmal pro Tag durchgeführt und schriftlich festgehalten werden. Beieiner gewissen Übung erfordern sie nur wenige Minuten.

BeispiellO-2 Getting Things done (GTD)

"Getting Things done" ist eine Verwaltungssystematik für das Zeitmanagement, die vonD. Allen entwickelt und professionell vermarktet wird [Allen 2001]. Mit Hilfe eines vor­gegebenen Arbeitsablaufs und verschiedener Listen wird sichergestellt, dass nichts verges­sen wird und der Kopf für wichtige Dinge frei bleibt.Arbeiten, Ideen, Notizen werden zuerst in einer Eingangsliste gesammelt. Diese wird re­gelmäßig durchgearbeitet. Alle darin befindlichen Einträge werden entweder als ,,mach­bar" oder als "nicht machbar" klassifiziert. Machbare Einträge die in einem Schritt erledigtwerden können und weniger als 2 Minuten beanspruchen, werden sofort erledigt.Länger dauernde Aktivitäten werden auf Termin gelegt oder delegiert. Sind mehrereSchritte zur Erledigung nötig, werden die Schritte geplant und terminiert. Nicht machbareEinträge wandern entweder in den Müll oder sie kommen in eine Ablage-Liste, weil siespäter eventuell doch machbar sein könnten.Zur Umsetzung der GTD-Methode existieren verschiedene Hilfsmittel in Papierform. Au­ßerdem sind auch Programme verfügbar, z.B. [tiddlywiki.com], die die Umsetzung mitHilfe eines Rechners ermöglichen.

So wichtig für den einzelnen Autor auch die Vorteile der eigenen und die Nachteile der frem­den Arbeitsmethoden sein mögen - zur Organisation der täglichen Arbeiten ist es für den An­wender viel wichtiger überhaupt eine Methode zu haben und diese konsequent und regelmäßigeinzusetzen.

Es gibt einige typische Fehler, die bei der Zeitplanung immer wieder auftreten. Hierzu gehört,fast fertige Arbeiten nicht abzuschließen. Sie bleiben offene "Baustellen". Die Rest-Arbeitensummieren sich auf und vermitteln dadurch den Eindruck, permanent einen Berg von Arbeitvor sich her zu schieben. Eine Arbeit abzuschließen, auch wenn sie vielleicht noch nicht per­fekt ist, gibt einem dagegen das gute Gefühl von Ordnung, Kontrolle und Zufriedenheit.

Ein gravierendes Problem entsteht, wenn die Zeit zu 100 % verplant wird. Dies kann nicht gutgehen. Es gibt immer unvorhergesehene Ereignisse, die eine solche Planung über den Haufenwerfen. Um sich ein realistisches Bild der Wirkung derartiger Zeitdiebe zu machen, kann es

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10.1 Selbstmanagement 233

sinnvoll sein, über einen Zeitraum von mehreren Tagen eine Zeitbilanz zu erstellen. Alle Akti­vitäten in diesem Zeitraum werden protokolliert. Neben den geplanten Arbeiten treten in einersolchen Bilanz auch Routine-Arbeiten und unvorhergesehene Arbeiten auf. Manche Aktivitä­ten erfordern viel mehr Zeit als gedacht. Andere dauern zwar nie lange, treten aber immerwieder auf, so dass sich ein erheblicher Aufwand aufsummiert. Oft stellt man schon nach kur­zer Zeit erstaunt fest, wie viele Störfaktoren im Laufe eines Tages auftreten. Hat man dies ersteinmal erkannt, ist es nur noch ein kleiner Schritt, Zeitdiebe zu eliminieren.

So ist es z. B. sinnvoll, seine E-Mails nicht sofort beim Eintreffen, sondern nur zu wenigen,festgelegten Tageszeiten zu sichten. Dabei sollten die E-Mails nicht nur gelesen, sondern sofortbearbeitet werden. Abfall sollte gleich gelöscht, einfache Anfragen beantwortet, aufwändigeAntworten auf Termin gelegt und bearbeitete E-Mails entweder gelöscht oder in einer klargegliederten Datenstruktur abgelegt werden.

Aber auch bei radikalem Ausmisten störender und unwichtiger Aktivitäten wird es nicht gelin­gen, Arbeiten punktgenau zu planen und durchzuziehen. Aus diesem Grund sollte jede Planungeinen ausreichenden Puffer enthalten. Viele praktische Erfahrungen haben gezeigt, dass des­halb nur etwa 60 % der verfügbaren Zeit verplant werden sollten. Der verbleibende Puffer wirdfür unvorhergesehene Arbeiten und für die Aufarbeitung unterschätzter Arbeiten benötigt.

10.1.2 Umgang mit StressDas Gefühl von Stress entsteht, wenn ein Mensch einer Anforderung ausgesetzt ist, die überdas Normalmaß hinausgeht und er nicht auf die üblichen Handlungsmuster zurück greifenkann. Es gibt ein ganzes Spektrum an Stress auslösenden Faktoren. Im Allgemeinen werdenvier Kategorien unterschieden:

• Physische Stressoren, wie z. B. Lärm oder Hitze entstehen durch die Arbeitsbedingungen.• Kognitive Stressoren entstehen durch Arbeitsaufgaben und äußern sich z. B. durch fachli­

che Anforderungen oder Zeitdruck.• Soziale Stressoren entstehen aus der Zusammenarbeit mit anderen Menschen.• Emotionale Stressoren werden durch Gefühlsarbeit verursacht, wenn unechte Gefühle ge­

zeigt und echte Gefühle unterdrückt werden müssen.

Die Reaktion von Menschen auf die Einwirkung von Stressoren ist subjektiv, d.h. von Menschzu Mensch unterschiedlich und situativ, d.h. vom momentanen Zustand abhängig. Es gibt alsokein starres Reaktionsmuster, aber ohne Zweifel besteht ein unmittelbarer Zusammenhangzwischen Stressoren und Reaktionen. Typische Reaktionen sind somatischer Art (vermehrteAdrenalinausschüttung, erhöhter Puls, Anstieg des Blutdrucks) uns psychischer Art (Ärger,Frustration).

Kurzzeitiger Stress ist nicht zwangsläufig negativ, sondern er kann sich als normale Reaktionauf die Anspannung leistungsfördernd auswirken. Nur wenn Stress nicht bewältigt wird, wennmehrere Stressoren zusammenkommen und wenn er länger andauert, wird Stress zum Problem.Er kann dann zu Ermüdung, Konzentrationsmängeln, vermehrten Fehlhandlungen, Erkrankun­gen, Resignation, Depression und sozialem Fehlverhalten führen.

Zur Vermeidung derartiger Stressfolgen, sind vorbeugenden Maßnahmen nötig. Diese könnenauf die Vermeidung von Stress gerichtet sein oder auf dessen Bewältigung. Physische Stresso­ren, die durch die Arbeitsbedingungen verursacht werden, lassen sich extern durch entspre-

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chende Gestaltung der Arbeitsbedingungen vermeiden. Alle anderen Stressursachen, lassensich nicht so leicht bekämpfen und erfordern auch interne Maßnahmen der Betroffenen.

Bestimmte Stressoren, wie z. B. fachlich anspruchsvolle Aufgaben, neuartige Problemsituatio­nen, enge Zusammenarbeit mit anderen und Zeitdruck sind charakteristische Merkmale vonProjekten und lassen sich daher nicht grundsätzlich vermeiden. Projektbeteiligte sind daher inbesonderem Maße zur Stressbewältigung und Stressresistenz gefordert.

Die Bewältigung kognitiver Stressoren erfordert Fachkenntnisse, die Verwendung effizienterArbeitsmethodiken und systematischer Problemlösetechniken, wie sie bereits in den vorange­gangenen Kapiteln beschrieben wurden. Soziale Stressoren können am Besten mit sozialerKompetenz und emotionale Stressoren mit emotionaler Kompetenz begegnet werden. Wer einegewisse Vorstellung von der Wirkung von Kommunikationsabläufen und von emotionalenProzessen hat, wird nicht jede unbedachte Bemerkung oder jede schlechte Laune von anderenin den "falschen Hals" bekommen und wird sich selbst mit unangebrachten Kommentaren odergar Angriffen zurückhalten.

Da Projektarbeit quasi per Definition stresserzeugend ist und gravierende Lücken nur seltenwährend des Projektverlaufs geschlossen werden können, ist bei der Auswahl des Projektper­sonals neben der nahe liegenden fachlichen Qualifikation auch auf emotionale und sozialeKompetenzen zu achten. Aus Projektsicht kann die interne Stressbewältigung des Einzelnenunterstützt werden. Hilfreiche Maßnahmen sind die Schaffung größerer Handlungsfreiräume,z.B. bei der Einteilung der Arbeitszeit, das Einräumen von mehr Entscheidungsfreiheiten unddie soziale Unterstützung im Kollegenkreis.

Die Hauptlast der Stressbewältigung trägt aber jeder Einzelne. Eine grundsätzliche hilfreicheMaßnahme zur Stressbewältigung ist es, an die eigene Arbeit den richtigen Maßstab anzulegenund die richtige Perspektive einzunehmen. Wer seine Arbeit zu wichtig nimmt und ihr dieabsolut dominierende Stellung im Leben gibt, wird auf Probleme bei der Arbeit eher gestresstreagieren, als jemand, der durch sein Privatleben, durch Familie, Freunde und Freizeitaktivitä­ten einen geeigneten Maßstab entwickelt, um die Schwere der Probleme angemessen einordnenund stressarm darauf reagieren zu können.

Auch die richtige Sicht auf ein Problem kann den Stress reduzieren. Betrachtet man ein Prob­lem nicht als Belastung, sondern als Herausforderung, kann der mit dem Problem verbundeneStress sogar stimulierend sein. Natürlich gelingt dies nicht bei beliebig schweren Problemen.Zu einer sinnvollen Reaktion gehört daher auch, die eigenen Grenzen zu kennen und zu akzep­tieren. Stressoren, die den Einzelnen überfordern, müssen dann identifiziert und im Team be­wältigt werden.

Die biologische Ausstattung des Menschen und das Repertoire seiner Reaktionen in Stresssitu­ationen sind eher auf die Bedingungen des Lebens in der Steinzeit als auf die Anforderungendes Informationszeitalters ausgelegt. Wenn der Körper in einer Stresssituation wahlweise mitAngriff oder Flucht reagieren möchte, so ist der Mensch heute gerade zum Gegenteil gezwun­gen: Er muss beherrscht reagieren, seine Gefühle unterdrücken sowie Sprache, Mimik undGestik kontrollieren.

Eine dauerhafte Unterdrückung körperlicher Impulse führt früher oder später zu Stress. Zueiner dauerhaft wirksamen Stressbewältigung gehört daher auch ein Ausgleich der unterdrück­ten Impulse durch Bewegung, körperliche Anstrengung und Sport. Auch gezielte Entspan­nungstechniken können die Probleme mildem. Kontraproduktiv sind so genannte eskapadischeStrategien, wie z. B. übermäßiges Trinken, Einsatz von Medikamenten oder Drogen. Auch

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10.2 Projektleiter 235

wenn sie vielleicht kurzfristig zu wirken scheinen, sind sie als Maßnahmen zur Bewältigungvon Stress nicht geeignet, da sie auf Dauer die Probleme sogar verschärfen.

Oft haben Projektbeteiligte ein allgemeines, unbestimmtes Gefühl von Stress, ohne die Ursa­chen genau lokalisieren zu können. In diesem Fall ist ein Stress-Tagebuch als konkrete Maß­nahme hilfreich. In ihm wird mindestens einmal täglich aufgezeichnet, wer oder was Stressausgelöst hat. Schon nach wenigen Tagen gewinnt man so eine Einsicht in die Art und dieHäufigkeit der auftretenden Stressoren. Sind diese erst einmal benannt, können sie durch einenAktionsplan bekämpft werden. Dabei sollte man aber realistisch bleiben. Eine sprungartigeVeränderung des eigenen Verhaltens ("gute Vorsätze") lässt schnell wieder nach und führt zurErnüchterung. Realistischer ist eine schrittweise Verbesserung im Umgang mit den Stressoren.

Tabelle 10.2 Stress-Ursachen, -Reaktionen und -Bewältigung

Stress-Ursachen (Stressoren)

Physische Stressoren: Lärm, Hitze, Platzmangel

Kognitive Stressoren: fachliche Probleme, Zeitdruck

Soziale Stressoren: Konkurrenzdruck, Angriffe

Emotionale Stressoren: echte Gefühle unterdrücken, unechte Gefühle heucheln

Stress-Reaktionen (Wirkungen)

Somatische Reaktionen: Adrenalin, Puls, Blutdruck, Krankheit

Psychische Reaktionen: Ärger, Frustration, Depression

Stress-Bewältigung (Maßnahmen)

Unterstützung durch Handlungsspielraum, Entscheidungsfreiheit

Körperlicher Ausgleich (Bewegung, Aktivität, Entspannung)

Sozialer Ausgleich (Familie, Freunde, Freizeit)

Stress-Resistenz durch Perspektivwechsel (Herausforderung statt Belastung)

Stress-Tagebuch und Aktionsplan

10.2 Projektleiter

" Den guten Steuermann erkennt man erst im Sturm. " (Seneca)

10.2.1 Aufgaben eines Projektleiters

Alle Aufgaben, die in einem Projekt anfallen, sind zunächst die Aufgaben des Projektleiters!

In einem Projekt einer nennenswerten Größe, kann ein Projektleiter aber nicht alle Aufgabenselbst erledigen. Er muss deshalb die Mehrzahl der Aufgaben auf andere Personen übertragen.Aber auch für übertragene Aufgaben bleibt die Verantwortung letztlich beim Projektleiter, sodass er deren Erledigung kontrollieren muss, um der Gesamt-Verantwortung für das Projektgerecht zu werden. Als originäre, nicht delegierbaren Aufgaben eines Projektleiters sind fol­gende zu nennen:

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• Bildung des Projektteams• Delegierung von Aufgaben• Kontrollierung der Bearbeitung• Feedback geben

10 Der Mensch im Projekt

Wegen der Notwendigkeit, Aufgaben zu delegieren, die Verantwortung aber nicht delegierenzu können, ist die Bildung des Projektteams die erste wichtige Aufgabe eines Projektleiters.Bei der Personalauswahl ist natürlich in erster Linie darauf zu achten, dass die im Projekt be­nötigten fachlichen und methodischen Kompetenzen durch die Mitarbeiter abgedeckt werden.

Leider kann sich ein Projektleiter nicht immer die Mitglieder des Projektteams aussuchen undoft werden die gewünschten Personen von ihren Linien-Vorgesetzten nicht für ein Projektabgestellt. Allzu oft versuchen Linien-Manager gerade die Mitarbeiter in ein Projekt zu schi­cken, die in der Linie am wenigsten vermisst werden. Oft muss ein Projektleiter in einer sol­chen Situation schon zum ersten Mal seine Durchsetzungsfähigkeit unter Beweis stellen.

Dies gilt auch für andere Projekt-Randbedingungen, wie das Budget, die Zielvorgaben und dieTermine. Auch hier muss der Projektleiter vorausschauend sein und schon am Anfang ener­gisch agieren, wenn die Vorgaben nicht passen. Sobald er nämlich seine Aufgabe als Projekt­leiter unter den gegebenen Randbedingungen angenommen hat, trägt er die Verantwortung.Auftraggeber neigen dazu, Probleme mit unfähigen Mitarbeitern, unrealistischen Zielen, nied­rigen Budgets oder knappen Terminen zu ignorieren. Ist ein Projekt gescheitert, ist dies immerder Fehler des Projektleiters. Waren die Bedingungen für den Projekterfolg ungeeignet, hätteder Projektleiter dies erkennen und etwas ändern müssen. Insofern ist es ratsam, lieber amAnfang die erste Machtprobe auszufechten, als mit schlechten Karten das Spiel zu beginnen.

Die Bildung eines Projektteams besteht aber nicht nur in der Auswahl von Mitarbeitern. Einzusammengewürfelter Haufen von Fachleuten ist noch lange kein Team. Deshalb darf bei derAuswahl auch nicht nur der fachliche Aspekt eine Rolle spielen, sondern auch persönliche undsoziale Kompetenzen der Mitarbeiter sind zu beachten. Im Zweifelsfall können fachlich guteund teamfähige Mitarbeiter zielführender sein, als exzellente, aber menschlich schwierigeFachleute. Gerade in der Projektarbeit mit knappen Zeitbudgets und dem Zwang zur engenZusammenarbeit können persönliche Reibereien kritisch werden.

Zu Beginn eines Projekts kann der Projektleiter die Teambildung fördern, indem er gemeinsa­me Veranstaltungen zur Besprechung der Aufgabe, zur Diskussion möglicher Lösungen undDefinition der Ziele durchführt. Im laufenden Projekt muss er den Zusammenhang im Teamsicher stellen, indem er Spannungen zwischen den Mitarbeitern erfasst. Bleiben diese in einemnormalen Bereich, ist kein Eingreifen nötig. Gewisse Spannungen sind förderlich und könneneinen gesunden Wettbewerb anfachen. Übersteigen die persönlichen Animositäten zwischenTeammitgliedern aber den normalen Bereich, muss ein Projektleiter eingreifen. Hilfreich sindzunächst Einzelgespräche mit den Betroffenen, um sich ein Bild der Situation zu machen undanschließend ein Gruppengespräch, bei dem die Probleme auf den Tisch kommen und wennnötig, in einem "Gewitter" bereinigt werden.

Wie schon betont, gehört die Delegierung von Aufgaben zu den wichtigsten Aufgaben einesProjektleiters. Ob das Delegieren gelingt, hängt von zwei Fragen ab: Welche Aufgaben sollendelegiert werden (bzw. welche dürfen keinesfalls delegiert werden)? An wen sollen sie dele­giert werden?

Aufgaben, die wichtig und dringlich sind, werden vom Projektleiter persönlich und sofort erle­digt. Wichtige Aufgaben, für die kein Zeitdruck besteht, verbleiben beim Projektleiter und

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10.2 Projektleiter 237

werden auf Termin geplant. Dringliche, aber weniger wichtige Aufgaben werden delegiert; siewerden sofort vom Projektteam bearbeitet. Bei den Aufgaben, die weder wichtig noch dring­lich sind, sollte ernsthaft und kritisch geprüft werden, ob sie notwendig sind oder eliminiertwerden können. Die Grenze zwischen wichtigen und weniger wichtigen Aufgaben muss natür­lich von der Auslastung des Projektleiters abhängen. Ist er sehr stark ausgelastet, müssen auchrelativ wichtige Aufgaben auf Mitarbeiter übertragen werden.

Keinesfalls sollte ein Projektleiter aber Aufgaben nur deshalb übernehmen, weil sie besondersdringlich sind. Hier ist die Gefahr zu groß, dass Mitarbeiter Aufgaben, die sie eigentlich erledi­gen sollten, liegen lassen, bis der Zeitdruck so groß ist, dass der Projektleiter als Notnageleinspringt. Eine ähnliche Falle ist die Rück-Delegation von Aufgabe. Hierbei wird eine Aufga­be zunächst an einen Mitarbeiter delegiert. Dieser kommt anschließend immer wieder mitProblemen und Nachfragen zum Projektleiter, bis dieser die Aufgabe schließlich selbst über­nimmt.

Damit die Delegation von Aufgaben gelingt, muss die vorhandene Kompetenz der Mitarbeitergenutzt werden. Ist das Projektteam richtig zusammen gestellt, sind auch die benötigten Kom­petenzen vorhanden. Im anderen Fall, muss das Team entweder umbesetzt oder die fehlendeKompetenz muss von außen zugekauft werden. Ist die Kompetenz im Team vorhanden, kanndie Delegierung höchstens noch an der fehlenden Motivation der Mitarbeiter scheitern. Anvielen Stellen wird davon gesprochen, dass die Motivation der Mitarbeiter ebenfalls eine Auf­gabe eines Projektleiters ist. Aus praktischer Sicht ist eine solche These fragwürdig. Erfahrun­gen in vielen Projekten haben gezeigt, dass eine dauerhafte Motivation nur vom Mitarbeiterselbst kommen kann. Externe Motivatoren wie "gutes Zureden" oder finanzielle Anreize, wir­ken dagegen nur kurzfristig.

Das Beste, was ein Projektleiter für die Motivation seines Teams tun kann, ist dessen Eigen­verantwortung zu stärken und demotivierende Bedingungen zu vermeiden. Werden Aufgabenan die Projektmitarbeiter delegiert, müssen sie auch die entsprechenden Entscheidungsbefug­nisse erhalten. Nur wenn die Verantwortung und Befugnisse zusammenpassen, werden sichMitarbeiter mit einer Aufgabe identifizieren und sie engagiert ausführen. Zur Vermeidung vonDemotivation müssen die benötigten Ressourcen, wie z. B. Räume, Werkzeuge, Rechner undArbeitsmittel verfügbar sein. Nicht zuletzt, ist es auch eine Aufgabe des Projektleiters, dieerforderlichen Arbeiten vor der Delegierung realistisch geplant zu haben.

Im Laufe eines Projekts ergeben sich vielfältige Entscheidungssituationen. Dabei besitzt dieWichtigkeit der Entscheidungen eine große Bandbreite. Auch wenn die Gesamt-Verantwortungbeim Projektleiter liegt, kommt er nicht umhin, kleinere Entscheidungen den Mitarbeitern zuüberlassen und nur deren Richtigkeit im abgelieferten Teil-Ergebnis zu überprüfen. Trotzdembleiben aber viele wichtige und sehr wichtige Entscheidungen, die nur vom Projektleiter ge­troffen werden können. Ob, in welchem Maß und in welcher Form er dabei die Mitglieder desProjektteams beteiligt, ist eine Frage des Führungsstils. Dieser wird in einem folgenden Kapitelbehandelt.

Zu den manchmal unangenehm empfundenen, aber gerade dadurch besonders notwendigenAufgaben eines Projektleiters gehört das Kontrollieren der erledigten Arbeiten: Wurden dieArbeiten mit der erwarteten Qualität und in der geplanten Zeit erledigt? Auch die Kontroll­Aufgabe ist eine unmittelbare Folge des Delegierens. Durch das Delegieren wird der Projekt­leiter fachlich und zeitlich entlastet. Jede von einem Mitarbeiter erbrachte Leistung bildet einenBaustein des Projektergebnisses und andere Arbeiten bauen darauf auf. Damit am Ende derProjekterfolg steht, muss jedes Arbeitspaket zeitnah kontrolliert werden, um bei Abweichun­gen frühzeitig korrigierend reagieren zu können. In kleinen Projekten ist ein Projektleiter auch

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Controller; in großen Projekten sollte die Kontroll-Aufgabe durch einen eigenen Projekt­Controller übernommen werden.

Als letztes wichtiges Aufgabengebiet eines Projektleiters soll das "Feedback geben" genanntwerden. Leider wird diese Aufgabe allzu oft vernacWässigt. Bislang gibt es keine schlüssigenErklärungen für dieses Manko, so dass man auf Vermutungen angewiesen ist. Die Bewertungder Leistung eines Mitarbeiters kann positiv oder negativ ausfallen. Beides gehört zu einemFeedback. Das Ausbleiben eines negativen Feedbacks kann man noch leicht erklären. EinemMitarbeiter zu sagen, dass man mit seiner Leistung unzufrieden ist, ist nicht erfreulich. Daherwird ein solches Gespräch so lange wie möglich aufgeschoben. Ist das Gespräch aber nichtmehr zu umgehen, wird es meist unangenehm. Gerade bei einer negativen Leistungsbeurtei­lung ist die Wahl der richtigen Worte und der richtigen Form entscheidend.

Zunächst einmal sollte Kritik im richtigen Rahmen geäußert werden. Ein Projektleiter solltesich für ein solches Gespräch genügend Zeit nehmen und mit dem Betroffenen unter vier Au­gen reden. Eine mitten im Stress und in Anwesenheit von Kollegen an den Kopf geworfeneKritik kann mehr Porzellan zerschlagen, als ein Elefant im Laden. Auf jedes Feedback sollteman sich vorbereiten und genügend Zeit verwenden. Im Gespräch sollten auch nicht nur nega­tive, sondern auch positive Aspekte der Arbeit, die bei sachlichem Nachdenken sicher gefun­den werden, erwähnt werden. Außerdem sollte die Kritik nicht die Form eines Vorwurfs undeiner Verallgemeinerung ("Du hast für dein Arbeitspaket mal wieder viel zu lange gebrauchf')annehmen, sondern das Problem sollte aus Sicht des Projektleiters oder des Projektteams ge­schildert werden ("Wir haben jetzt zwei Wochen gegenüber dem Plan verloren."). Anschlie­ßend sollten dann im Gespräch Maßnahmen zur Lösung des Problems gesucht und explizit alsZiele vereinbart werden. Am Ende eines Kritikgesprächs sollte schließlich die Betonung dergemeinsamen Interessen und Ziele stehen.

Tabelle 10.3 Checkliste Kritikgespräch

1. Gespräch gut vorbereiten und Zeit nehmen.

2. Keine allgemeinen Vorwürfe machen ("Sie"), sondern konkrete Probleme ansprechen("Wir").

3. Lösungen gemeinsam suchen und als Ziele vereinbaren.

4. Zum Abschluss positive Aspekte und gemeinsame Ziele betonen.

Wer nun erwartet, dass das Feedback auf eine gute Leistung, das ja für alle Beteiligten wesent­lich angenehmer sein sollte, unproblematisch ist, sieht sich getäuscht. Ein positives Feedbackfür die Mitarbeiter ist in manchen Unternehmen ebenso selten zu finden wie selbstkritischeSpitzenmanager. Die Gründe hierfür könnte die Angst sein, dass durch zu viel Lob die Leis­tungsbereitschaft der Mitarbeiter nachlässt oder die Befürchtung, dass die Erwartungen für eineGegenleistung, z. B. bei der nächsten Gehaltsverhandlung, zu stark wachsen.

Leider geben Führungspersonen, die ein angemessenes Feedback verweigern, ein wichtigesFührungsinstrument aus der Hand. Bei negativen Leistungen kann das sachlich formulierteFeedback ein wichtiger Ansporn für die Weiterentwicklung eines Mitarbeiters sein. Ein positi­ves Feedback ist eine gute Gelegenheit, die Motivation und das Selbstbewusstsein eines Mitar­beiters zu stärken und ihn dabei in einer verantwortungsbewussten Rolle im Projektteam zufördern.

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10.2 Projektleiter 239

10.2.2 Anforderungen an Projektleiter

Schaut man sich in den Projektleiter-Stellenbeschreibungen die Anforderungsprofile an, kannman sich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass es nichts gibt, was ein Projektleiter nicht kön­nen soll. Natürlich ist den meisten Beteiligten bewusst, dass eine solche Aufzählung Idealfor­derungen formuliert, die nie alle und nie vollständig erfiillt sind.

Leider führt eine endlose Aufzählung optimaler Fähigkeiten aber dazu, dass nicht ausreichendzwischen unbedingt notwendigen und optionalen Eigenschaften unterschieden wird. Wennsowieso niemand alle Anforderungen erfüllt, sind alle irgendwie gleich und es ist scheinbaregal, wer Projektleiter wird. Aber in Wirklichkeit sind nie alle Anforderungen gleich wichtig.Tatsächlich widersprechen sich sogar manche Anforderungen, so dass von vorneherein Priori­tätsfestlegungen, Einschränkungen und Kompromisse notwendig sind.

Alle Arbeitsgruppenleiter übernehmen Verantwortung, um ein Team von Mitarbeitern zumErfolg führen. Bei einem Projektleiter muss dies zusätzlich unter Projektbedingungen erfolgen,d. h. die Aufgabe, die Lösung und auch das Team sind neuartig und einmalig. Bestimmte Er­fahrungen und Routine, die einem Arbeitsgruppenleiter in der Linie zur Verfügung stehen,fehlen bei der Projektleitung. Außerdem gibt es harte Einschränkungen hinsichtlich Projekt­laufzeit, Kosten und Ergebnis.

Projektleiter benötigen einige psychische Voraussetzungen, die ihnen den notwendigen Antriebfür die Bewältigung der Aufgaben geben. Hier sind vor allem Ehrgeiz, Konzentrationsfähig­keit, Ausdauer, Flexibilität, Verantwortungsbewusstsein und ein gesundes Selbstvertrauen zunennen. Außerdem werden Eigenschaften wie Belastbarkeit, Flexibilität und Frustrationstole­ranz benötigt, die eine emotionale Resistenz gegen die negativen Einflüsse bilden, die vonaußen auf den Projektleiter einprasseln.

Wohl die wichtigste Anforderung an einen Projektleiter ist die soziale Kompetenz für denUmgang mit den Mitgliedern des Teams und mit anderen Projektbeteiligten. Eine introvertiertePersönlichkeit ist daher für die Leitung eines Projekts vollkommen ungeeignet. Wenn an dieserStelle von der Teamfähigkeit gesprochen wird, klingt dies oft missverständlich. Ein Projektlei­ter kann nicht der gute Kumpel, "mister nice guy" oder "everbody's darling" sein. Ein Projekt­leiter muss sein Team führen. Er muss in der Lage sein, sich sowohl nach innen, bei den Mit­gliedern seines Teams, als auch nach außen, z. B. gegenüber Auftraggeber oder Lieferantendurchzusetzen. Die unvermeidlich auftretenden Konflikte muss ein Projektleiter lösen und zumTeil auch unlösbare Konflikte aushalten können.

Mehr oder weniger selbstverständlich ist der Bedarf an Fachkompetenz. In vielen Fällen wirdderen Bedeutung aber überschätzt. Die einzelnen Teammitglieder sollen dem Projektleiter inihrem jeweiligen Fachgebiet durchaus überlegen sein. Im Vergleich zur Führungskompetenzverliert die Fachkompetenz an Bedeutung, je umfangreicher ein Projekt ist. Der Projektleitersollte nicht so sehr Spezialist, sondern vielmehr Generalist sein, der vernetzt denken und Ver­knüpfungen zwischen unterschiedlichen Fachgebieten herstellen kann. Die ökonomische Kom­petenz ist aufgrund des starken Kostendrucks in einem Projekt selbstverständlich.

Ein weiterer wichtiger Baustein im Anforderungsprofil des Projektleiters ist seine Problemlö­sekompetenz. Wie in Kapitel 2 dieses Buches ausführlich dargestellt, gehört dazu eine ausge­prägte Orientierung an den Zielen des Projekts, an konkreten Handlungen und Ergebnissen.Für theoretische Exkurse, für technische Spielereien und für Diskussionen um ihrer selbstWillen fehlt in einem Projekt die Zeit und das Geld. Weitere Voraussetzungen zum systemati­schen und zielgerichteten Lösen von Problemen ist ein analytisches Denkvermögen, sowie dieUrteils- und Entscheidungsfähigkeit.

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240 10 Der Mensch im Projekt

Für den Leiter eines Projekts fast schon selbstverständlich sind Erfahrungen mit den grundle­genden Planungs- und Steuerungsmethoden für Arbeitsprozesse, die den Kern des Projektma­nagements bilden. Es genügt aber nicht, diese Methoden zu kennen und die Mitarbeiter zumEinsatz der Methoden anzuleiten. Noch wichtiger ist, dass der Projektleiter die Methoden inseiner täglichen Arbeit einsetzt und nutzt. Ihm kommt hier eine Vorbildfunktion zu. Nur wenner sich selbst so verhält, wie er es von seinen Mitarbeitern erwartet, werden diese ihm folgen.

Tabelle 10.4 Anforderungen an Projektleiter

Psychische Voraussetzungen (Umgang mit sich selbst)

Ehrgeiz (innerer Antrieb)

Konzentrationsfähigkeit (in eine Aufgabe vertiefen)

Ausdauer (Durchhaltevermögen)

Flexibilität (aufungewohnte Situationen reagieren können)

Selbstbewusstsein (Wissen, was man kann und auch wissen, was man nicht kann)

Verantwortungsbewusstsein

Belastbarkeit (Stressresistenz)

Frustrationstoleranz

Soziale Kompetenz (Umgang mit anderen)

Führungsfähigkeit

Durchsetzungsfähigkeit (nach innen und nach außen)

Kommunikationsfähigkeit

Konfliktfiihigkeit (Konflikte ertragen und beseitigen können)

Fachkompetenz (Umgang mit dem Fachgebiet)

Fähigkeit zum vemetzten Denken (systemisch)

Generalist statt Spezialist

Ökonomische Denkweise

Problemlösekompetenz (Umgang mit sachlichen Problemen)

Ziel-, Handlungs- und Ergebnisorientierung

Analytisches Denkvermögen

Urteilsfähigkeit

Entscheidungsfähigkeit

Methodenkompetenz (Umgang mit Arbeitsprozessen)

Organisation, Planung und Steuerung von Projekten

Denken in Arbeitsprozessen

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10.2 Projektleiter 241

10.2.3 FührungsstileDas möglicherweise wichtigste Kriterium zur Einteilung der Führungsstile ist das Maß anBeteiligung der Mitarbeiter an den Entscheidungen. Die verschiedenen Stile können hinsicht­lich dieses Kriteriums auf einer Skala eingeordnet werden, die von einem autoritären bis zueinem demokratischen Stil reicht. Die Antwort auf die Frage der richtigen Beteiligung derMitarbeiter an den Entscheidungsprozessen, hängt zum einen von der Entscheidungssituationund zum anderen von den Mitarbeitern ab.

Generell sind die Führungsstile an den beiden Enden der Skala - sowohl der autoritäre als auchder demokratische - selten optimal. In den meisten Fällen sind die verschiedenen Formen ko­operativer Führungsstile zu bevorzugen. Ein autoritärer Führungsstil vereinfacht und beschleu­nigt zwar die Entscheidungsfindung - richtiger wird die Entscheidung dadurch aber nicht. Dieim Projektteam vorhandene Kompetenz wird nicht ausreichend genutzt. Außerdem führenautoritäre Entscheidungen fast immer zu Demotivation und mangelnder Identifikation mit demProjekt. Bei manchen wird sogar der Ehrgeiz angestachelt, zu beweisen, dass die Entscheidungdes Projektleiters falsch war.

Aber auch das Gegenteil einsamer Entscheidungen des Projektleiters, nämlich permanenteBeteiligung aller Mitarbeiter und das Treffen von Mehrheitsentscheidungen birgt viele Risiken.Ein demokratischer Entscheidungsprozess kann aufwändig und zeitraubend werden. Gerade inProjekten, in denen es ja immer auf Effizienz und Wirksamkeit ankommt, muss also auf denNutzen eines demokratischen Entscheidungsprozesses geachtet werden. Zudem ist der Sach­verstand nicht immer gleichmäßig im Team verteilt. Eine immer wieder kehrende gründlicheDiskussion aller Aspekte durch alle Beteiligten wird zudem von den Teammitgliedern oft alslähmend empfunden.

In der Praxis geht es also fiir einen Projektleiter nicht darum, sich pauschal auf diesen oderjenen Führungsstil festzulegen, sondern er braucht ein gewisses Repertoire verschiedener Füh­rungsstile, und er muss abschätzen können, welche Art und welches Ausmaß an Kooperation inder jeweiligen Situation passt.

In einer schwierigen Situation mit der Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung muss dieMitarbeiterbeteiligung geringer ausfallen. Wenn es brennt, kann nicht diskutiert werden, wel­cher Feuerlöscher am preiswertesten ist. Steht dagegen ausreichend Zeit zur Verfügung und istdie Identifikation der Mitarbeiter mit der Entscheidung wichtig, sollte eher auf Kooperation beider Entscheidungsfindung gesetzt werden.

Das zweite wichtige Kriterium zur Auswahl des richtigen Führungsstils ist die Qualifikationder Mitarbeiter. Ist diese eher gering, ist ein autoritärer Führungsstil aus pragmatischen Grün­den sinnvoll. Er sollte aber nicht auf Dauer angewendet, sondern als erster Schritt eines Pro­zesses gesehen werden, der die Weiterentwicklung des Mitarbeiters fördert und diesen fiir einestärkere Beteiligung an den Entscheidungsprozessen qualifiziert.

Nach Hersey und Blanchard durchläuft eine Führungsbeziehung vier verschiedene Phasen mitansteigendem Reifegrad [Staehle 1999].

Beim niedrigsten Reifegrad "Anweisen" (Telling) besitzt der Mitarbeiter ein niedriges Kompe­tenzniveau und auch die Leistungsbereitschaft ist nicht sehr ausgeprägt. Er erhält deshalb ge­naue Anweisungen, die nicht weiter begründet und deren Ausführungen in kurzen Zeitabstän­den (z. B. täglich) kontrolliert werden.

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242 10 Der Mensch im Projekt

Im nächsten Reifegrad ,,Argumentieren" (Selling) werden die von der Projektleitung getroffe­nen Entscheidungen begründet. Der Mitarbeiter hat auch die Möglichkeit für Nachfragen. DieAusfühnmgskontrolle ist auch hier notwendig, erfolgt aber in etwas größeren Zeitabständen.

Beim Reifegrad ,,Partizipieren" (Participating) wird der Mitarbeiter an den Entscheidungenaktiv beteiligt. Die Probleme werden gemeinsam besprochen. Der Mitarbeiter macht Lösungs­vorschläge und er wirkt an der Entscheidung kooperativ mit.

Sind die Erfahrung, Kompetenz und Leistungsbereitschaft des Mitarbeiters auf hohem Niveau,kann die Projektleitung zusammenhängende Aufgaben "Delegieren" (Delegating). Die Projekt­leitung tritt bei diesem Reifegrad in den Hintergrund und überlässt dem Mitarbeiter den Frei­raum für Entscheidungen und Aufgabenausfühnmg. Die Kontrolle erfolgt hier in größerenZeitabständen und eher informell als formell.

Tabelle 10.5 Situative Reifegrad-Theorie

Reifegrad Führungsstil Beschreibung

1 Anweisen Anweisungen geben, Ausführung eng kontrollieren

2 Argumentieren Begründete Anweisungen, Ausführung in Abständen kontrollieren

3 Partizipieren Beteiligung an Entscheidungen, Ergebnisse kontrollieren

4 Delegieren Aufgabe übertragen, Entscheidungsfreiheit, informelle Kontrolle

Die Reifegrad-Theorie berücksichtigt zwar ein sehr wichtiges, aber nur ein einziges Kriteriumfür die situative Auswahl des passenden Führungsstils. Neben dem persönlichen Reifegradmüssen auch immer der sacWiche Hintergrund und die Dringlichkeit einer Entscheidung in dieAuswaW mit einfließen. Den "richtige" Stil für die Leitung eines Projekts, könnte man zusam­menfassend als ein von der sachlichen Entscheidungssituation und von den persönlichen Ent­scheidungskompetenzen situativ abhängigen kooperativen Führungsstil definieren.

10.3 Projektteams

" Einer al/eine macht keinen Tanz. " (Sprichwort)

10.3.1 TeambildungJede Gruppe von Menschen bildet eine Ansammlung unterschiedlicher, zum Teil sogar wider­sprüchlicher Interessen und Ziele. Dadurch treten unvermeidlich Spannungen oder Reibungenauf. Diese können nicht vollständig unterdrückt werden - sie sollen es auch gar nicht, zu einemgewissen Grad wirken Spannungen sogar produktiv. Es muss aber darauf geachtet werden,dass soziale Reibungsverluste nicht die Projektarbeit beeinträchtigen oder das Projekt gefähr­den.

In einem Projektteam treten die gleichen soziologischen Effekte auf, wie in jeder anderenGruppe von Menschen, die zusammen arbeiten. Es gibt aber Besonderheiten, die ein Projekt­team von einer Arbeitsgruppe aus der Linienstruktur eines Unternehmens unterscheiden. DieZusammensetzung eines Projektteams ist normalerweise vollkommen neuartig, einmalig undzeitlich befristet. Es gibt daher keine gewachsene Team-,,K.ultur". Diese Situation birgt Chan­cen und Risiken.

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10.3 Projektteams 243

Die Zeit, die den Mitgliedern eines Projektteam zur Verfügung steht, um sich zu einem Teamzu formieren, ist knapp. Deshalb kann das Zusammenwachsen nicht dem Zufall, bzw. der Zeitüberlassen werden, sondern es muss gezielt und aktiv betrieben werden. Das Kickoff-Meeting,bei dem die Projektaufgabe präsentiert und die Ziele und Bedingungen für die Projektdurch­führung erläutert werden, sollte deshalb auch dazu genutzt werden, dass sich die Mitglieder desProjektteams gegenseitig kennen lernen. Die positive Wirkung einer solchen Veranstaltunglässt sich steigern, wenn neben dem fachlichen auch der soziale Aspekt gezielt gefordert wird,z. B. in Form eines Workshops außerhalb der gewohnten Umgebung, durch ein gemeinsamesEssen oder durch eine gemeinsame Freizeitaktivität.

Im Idealfall werden genau die Mitarbeiter ins Projektteam berufen und von den Linienabtei­lungen abgestellt, die die benötigten Kompetenzen besitzen. Alle sind motiviert, identifizierensich mit den Projektzielen und tun ihr Möglichstes, um das Ziel zu erreichen. Wie gesagt: einIdealfall. In der Realität muss mit mehr oder weniger großen Abweichungen und Konfliktengelebt und umgegangen werden.

Innerhalb eines Unternehmens ist in erster Linie der Konflikt zwischen den verschiedenenAbteilungen der Unternehmensorganisation - der "Linie" - und dem Projekt zu beachten. DieLinie verdient kurzfristig das Geld. Die Projektarbeit dagegen zeigt ihre Wirkung eher mittel­bis langfristig, z. B. durch ein neu entwickeltes Produkt, durch neue Methoden und Werkzeugeoder durch eine Neuorganisation betrieblicher Abläufe. Zudem müssen die Ergebnisse einesProjekts oft später in der Linie umgesetzt werden. Es kommt daher zu normalen menschlichenRegungen, wie Konkurrenzdenken, Argwohn, Neid oder gar Ablehnung.

Die spezielle "Kultur" eines Projektteams kann zu Spannungen mit dem Rest eines Unterneh­mens führen. Linienabteilungen besitzen meist feste Arbeitsabläufe und lassen wenig Platz fürFreiheit und Kreativität. Projektarbeit fordert vom Einzelnen größere Flexibilität und höherenEinsatzwillen, gibt ihm dafür aber auch größere Freiheiten und mehr Entfaltungsmöglichkei­ten. Dies wird von den Linien-Mitarbeitern oft argwöhnisch betrachtet.

Werden aus einer Abteilung Personen für ein Projekt abgestellt, fehlen sie für die normalen"Routine"-Aufgaben. Besonders schmerzlich ist es, wenn gerade die besten Mitarbeiter abge­stellt werden sollen. Linien-Vorgesetzte versuchen, sich diese Schmerzen zu ersparen undstellen lieber Mitarbeiter ins Projekt ab, die in der Linie keine so große Lücke reißen.

Zur Beseitigung des Widerstands der Linienabteilungen gegen ein Projekt, kann ein Befehl vonoben nur das letzte Mittel sein. Besser als Befehlen ist Überzeugen. Dies gelingt am glaubhaf­testen, wenn der Nutzeffekt eines Projektes möglichst konkret benannt wird. Nutzt ein Projektdem Unternehmen als Ganzes, nutzt es auch den Linien-Abteilungen. Natürlich müssen dafürkurzfristige eigene Interessen zugunsten langfristiger gemeinsamer Interessen zurückgestelltwerden. Oft hilft auch ein Hinweis darauf, dass auch andere Abteilungen ihren Kompetenz­und Ressourcenbeitrag zum Projekt leisten.

Aber nicht nur zwischen der Linie und dem Projekt, sondern auch innerhalb eines Projektteamskann es Spannungen geben. Nicht immer sind sie offensichtlich. Es gibt verschiedene persönli­che Konstellationen, die zu Problemen führen können, wenn sie nicht erkannt und in einerfrühen Phase geklärt werden.

Eine typische Konflikt-Konstellation ist der Neid auf den Projektleiter. Wenn kompetenteMitarbeiter ins Team berufen wurden, gibt es darunter sicher auch den einen oder die andere,die sich für die Aufgabe der Projektleitung Hoffnung gemacht hatten. Der Leithammel wirddann schnell zum Neidhammel. Eine solche Situation erfordert einige Überwindung, die eige-

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244 10 Der Mensch im Projekt

nen Ambitionen zurück zu stellen, alles fiir den Erfolg des Projekts zu tun und nicht zu bewei­sen, dass die Wahl des Projektleiters falsch war.

Auch ein "Maulwurf' kann dem Projekt Schaden zufügen. Derartige Personen lehnen die Pro­jektaufgabe innerlich ab. Sie sehen sich im Dienst ihrer Linienabteilung. Sie versuchen, denErfolg des Projekts zu verschleppen, zu blockieren oder gar zu sabotieren. Natürlich wird dasnicht offen geschehen. Offener Widerstand hätte fatale Folgen. Stattdessen werden auf subtileArt immer wieder "Krümel im Käse" gefunden oder "Sand ins Getriebe gestreut", um denProjektfortschritt zu hemmen.

Ein weiteres personales Problem stellen Mitarbeiter dar, die unfreiwillig ins Projekt entsandtwurden und Angst vor allen Abweichungen von der gewohnten Routine haben. Oft sind diesdurchaus kompetente Mitarbeiter, die in der Linie gute Routine-Arbeit leisten und ihre Aufga­ben gewissenhaft erfüllen. In der fiir sie neuen Umgebung eines Projekts fühlen sie sich aberunsicher und aus Angst, etwas verkehrt zu machen, machen sie lieber nichts. Ist die Angst vordem Neuen nur schwach ausgeprägt, kann man sie durch Zureden und kleine Erfolgserlebnissebeseitigen. Gelingt dies nicht, ist es besser, einen übervorsichtigen Mitarbeiter im Projekt ge­gen einen aktiveren auszutauschen.

Aber auch beim Gegenteil eines ängstlichen Mitarbeiters ist Vorsicht angesagt. In vielen prak­tischen Projekten wurde schon die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter, die mit viel Elan insProjekt gestartet sind, im Laufe der ständig auftretenden kleinen Probleme die erforderlicheAusdauer vermissen lassen.

Besonderes Augenmerk erfordern euphorische Mitarbeiter. Allzu oft sackt die anfänglicheBegeisterung fiir die neue Aufgabe, beim Auftauchen der ersten handfesten Probleme in sichzusammen. Ein Projekt ist ein Mittelstreckenlauf: Trotz hoher Durchschnittsgeschwindigkeitist vor allem Ausdauer gefragt: Ein Sprint beim Start taugt nur fiir die Galerie; wer genügendLuft hat, kann ja am Ende noch sprinten.

10.3.2 Personalauswahl

Der Erfolg eines Projekts hängt selbstverständlich sehr stark von den handelnden Personen ab.Daher ist auf die Auswahl der richtigen Mitglieder des Projektteams großer Wert zu legen. Inerster Linie bilden die im Projekt benötigten fachlichen Kompetenzen ein wichtiges Kriteriumfiir die Personalauswahl. Der Projektstrukturplan, die darin aufgelisteten Arbeitspakete und diezu deren Bearbeitung erforderlichen Qualifikationen bilden daher die Basis fiir die Suche nachden richtigen Akteuren.

Aber die fachliche Qualifikation alleine reicht nicht aus. Ein Team muss mehr sein, als dieSumme von Spezialisten. Dies gilt vor allem fiir Projektteams. Das enge Zusammenwirkenunterschiedlicher Fachgebiete, das knappe Zeitbudget und der hohe Erfolgsdruck führen zuvielfältigen Aufgabenarten. Neben der Erfüllung fachlicher Aufgaben sind hier fachübergrei­fende, generalisierende Denkweisen, der Bedarf an Kommunikation im Projekt und nach au­ßen, zeitliche und geistige Flexibilität sowie Stress-Resistenz zu nennen. Angesichts diesesAnforderungsspektrums ist es hilfreich, sich ein wenig mit der psychischen Ausstattung vonMenschen zu beschäftigen.

Zur Erfassung und Beschreibung eines Persönlichkeitsprofils gibt es eine Vielzahl von Krite­rien. Einerseits ist jeder Mensch anders. Andererseits kann man bestimmte Verhaltensweisenund Persönlichkeitsmerkmale wiedererkennen. Bei der Verwendung solcher Erkenntnisse imProjektmanagement geht es nicht um eine moralische Wertung persönlicher Eigenschaften.

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10.3 Projektteams 245

Vielmehr soll erkannt werden, welche Stärken und Schwächen jemand besitzt, für welche Artvon Aufgaben jemand gut geeignet ist und welche Menschen persönlich kompatibel sind.

Ein frühes Beispiel einer Typisierung ist die hippokratische Temperamentenlehre, die vierPersonentypen unterscheidet: sanguinisch, phlegmatisch, melancholisch, cholerisch. Sie gilt alsüberholt, da sie für die Erfassung der Vielfalt menschlicher Eigenschaften viel zu grob ist.Auch der Versuch, durch eine größere Anzahl von Typen, der existierenden Vielfalt gerecht zuwerden, muss als gescheitert angesehen werden.

Einen anderen Weg weist der Ansatz, Persönlichkeit nicht durch Typen zu kategorisieren,sondern durch eine Palette von Persönlichkeitseigenschaften zu beschreiben, die sozusagen dieDimensionen des persönlichen Profils darstellen.

Einer der ersten derartigen Ansätze ist der Persönlichkeitszirkel von Eysenck, der auf den bei­den Eigenschaften Interaktionsform und emotionaler Stabilität basiert. Neuere und weiter diffe­renzierte Modelle sind der Typenindikator von Myers und Briggs, der mit vier Eigenschaftenarbeitet und das Füof-Faktoren-Modell (The big five). Diese Modelle liegen heute vielen Per­sönlichkeitstests zugrunde.

Es soll hier nicht im Detail auf diese Modelle eingegangen werden, sondern nur so weit, wiedie Kenntnis der Persönlichkeitseigenschaften die passende Zuordnung von Aufgaben zu Per­sonen im Rahmen des Projektmanagements zu verbessern hilft.

Tabelle 10.6 Persönlichkeitseigenschaften

Eigenschaft Eigenschaftsspektrum E M F

Interaktionsfonn extrovertiert introvertiert X X X

emotionale Stabilität stabil labil X X

Offenheit konservativ offen X

Wahrnehmung intuitiv sensitiv X

Entscheidungsfmdung fühlend/emotional denkend/rational X

Entscheidungskonstanz flexibel/percepteive urteilend/judging X

Verträglichkeit egoistisch altruistisch X

Gewissenhaftigkeit oberflächlich/effizient gewissenhaft X

E: als Eigenschaft im Persönlichkeitszirkel von Eysenck enhalten.M: Bestandteil des Typenindikators von Myers und Briggs.F: Einer der Faktoren des Fünf-Faktoren-Modells (Big Five).

Eine schon sehr früh erkannte und in vielen Modellen zu findende Eigenschaft ist die Interak­tionsform. Sie beschreibt, in welchem Maße ein Mensch Anregungen aus seiner Umgebungaufnimmt und weitergibt. Extrovertierte Menschen agieren sehr stark mit ihrer Umgebung. Siesind daher für Teamarbeit prädestiniert. Introvertierte Menschen sind zurückhaltend, teilweisesogar verschlossen. Sie sind aber in der Lage, konzentriert und ausdauernd an einem Problemzu arbeiten.

Für die Projektarbeit von großer Bedeutung ist die emotionale Stabilität, bzw. deren Gegen­teil, der Neurotizismus. Emotional stabile Menschen sind ruhig und ausgeglichen. Gefühls­schwankungen weisen bei ihnen geringere Ausschläge nach oben und unten auf. In Stresssitua-

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246 10 Der Mensch im Projekt

tionen sind sie eher in der Lage, Ruhe und Übersicht zu bewahren. Menschen mit hohen Neu­rotizismuswerten sind emotional instabil. Im Extremfall schwanken sie zwischen Euphorie undDepression. Allerdings weisen sie ein höheres Maß an Empathie auf, was die Fähigkeit verbes­sert, für andere Verständnis aufzubringen.

Als dritte wichtige Persönlichkeitseigenschaft wird heute die Offenheit angesehen. Hiermitmeint man die Fähigkeit, neugierig, interessiert und experimentierfreudig zu sein. Offene Men­schen können viele neue Impulse und unkonventionelle Ideen zur Lösung von Problemen bei­tragen. Gerade in frühen Projektphasen kann dies von großem Nutzen sein. Weniger offeneMenschen zeigen eher konventionelles Verhalten und konservative Einstellungen. Sie bevor­zugen alles Bekannte und Bewährte.

Individuelle Unterschiede lassen sich auch bei der Wahrnehmungsart feststellen. Die Mehr­zahl der Menschen nimmt die Umgebung vorwiegend sensorisch wahr. Die Sinneseindrücke,die in unmittelbarer Interaktion mit der Umgebung entstehen, besitzen hier die größte Bedeu­tung. Durch Intuition geprägte Menschen dagegen misstrauen den Sinneseindrücken und ver­lassen sich eher auf eigene Vorstellungen, auf den "sechsten Sinn". Sensorische Menschensehen das konkrete, einzelne Detail, während intuitive Menschen Stärken beim abstraktenDenkvermögen besitzen und eine ganzheitliche Sicht bevorzugen.

Große Unterschiede sind bei der Entscheidungsfindung der Menschen feststellbar. RationaleEntscheider versuchen einen Entscheidungsprozess so weit wie möglich zu objektivieren. Siemachen sich Listen und Tabellen und versuchen die Entscheidung logisch und rational nach­vollziehbar zu machen. Emotionale Entscheider gehen subjektiv an eine Sache heran, berück­sichtigen auch soziale Aspekte und hören auf ihr Bauchgefühl. Gerade in Projekten, in denenviele und oft auch weit reichende Entscheidungen zu treffen sind, ist es gut, nicht nur eineSorte von Entscheidern zu haben, sondern sowohl die emotionale als auch die rationale Sichtzu berücksichtigen. Bei widersprüchlichen Ergebnissen ist weiteres Nachdenken erforderlich;bei übereinstimmenden Ergebnissen kann man von einer höheren Sicherheit ausgehen.

An die Findung einer Entscheidung schließt sich die Entscheidungsmobilität an. Sie be­schreibt, in welchem Maße jemand an einer einmal getroffenen Entscheidung festhält. FlexibleMenschen kommen schneller zu Entscheidungen und sind auch eher bereit, eine Entscheidungzu revidieren. Urteilende Menschen brauchen länger, bis eine Entscheidung getroffen wurde,halten aber dafür daran fest. Beide Positionen besitzen Vor- und Nachteile, so dass auch hierim Rahmen eines Projekts der richtige Mix beider Varianten, die Balance zwischen Standhaf­tigkeit und Flexibilität sicherstellen kann.

Die Verträglichkeit ist eine Eigenschaft, die das Verhalten einer Person gegenüber anderenbeschreibt. Altruistische Menschen sind gute Teamworker. Sie zeigen Verständnis, Hilfsbereit­schaft und Mitgefühl für andere, neigen aber auch zu Vertrauensseligkeit und Nachgiebigkeit.Egoistische Menschen dagegen sind vorwiegend auf ihre eigenen Interessen bedacht. AnderenInteressen wird nur so weit nachgegeben, wie sie einen eigenen Vorteil verheißen.

Altruistische Menschen sind für das Projektteam nicht so eindeutig die bessere Wahl, wie diesauf den ersten Blick scheinen mag. Der Erfolg eines Projekts besteht nicht darin, dass alle nettzu einander sind, sondern dass innerhalb der vorgegeben Zeit das geforderte Ergebnis geliefertwird. Dies setzt nicht nur Kooperation, sondern oft auch die Fähigkeit zu Skepsis, Konflikt undEhrgeiz voraus. Aus Sicht des Projekterfolgs ist es daher notwendig, den Ehrgeiz des Einzel­nen in der Balm des Projekts zu halten und den Altruismus nur so weit zu fordern, wie er dieLeistungsfähigkeit nicht beschränkt.

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10.3 Projektteams 247

Das Verhalten des Einzelnen in Bezug auf seine Aufgabe beschreibt die Gewissenhaftigkeit.Gewissenhafte Menschen gehen von selbst sehr motiviert an ihre Aufgabe heran und sind erstzufrieden, wenn diese vollständig gelöst ist. Gewissenhafte Menschen liefern auch ohne Druckgute Arbeit; sie sind daher im Projekt von großem Nutzen. Sie neigen aber auch zu Perfektio­nismus, der ein Projektbudget und den Zeitplan aus dem Ruder laufen lassen kann. Oberfläch­liche Menschen machen nur so viel, wie gefordert. Sogar diese Eigenschaft kann von Vorteilsein, wenn sie mit Effizienz gepaart ist: Im Sinne des Pareto-Prinzips wird das Nötige mitminimalem Aufwand getan. Der Volksmund bringt diese Einstellung ironisch mit der Bemer­kung von Faulen, der noch nie ein Dummer war, zum Ausdruck.

10.3.3 Team-Entwicklungsphasen

Ein Projektteam sollte sich aus kompetenten Fachleuten zusammensetzen, die ihren Ehrgeiz inden Dienst des Projekts stellen, offen und kooperativ miteinander umgehen, um gemeinsamdas Projekt zum Erfolg zu führen. Im Idealfall sollten sich die Mitglieder gegenseitig anregenund motivieren, damit die Teamleistung über die Summe von Einzelleistungen hinaus geht.

Aus der psychologischen Forschung ist bekannt, dass eine Gruppe nicht unmittelbar nach ihrerEinrichtung sofort in diesem Zustand ist, sondern verschiedene Phasen durchlaufen muss, bissie zu einem wirklichen Team herangereift ist.

Tabelle 10.7 Entwicklungsphasen von Arbeitsgruppen (nach Tuckman)

Phase Engl. Bez. Charakteristische Merkmale

Orientierungsphase Fonning Unsicherheit, Kennenlemen, Formieren

Konfliktphase Storming Konflikte, Konkurrenzdenken, Machtproben

Nonnierungsphase Nonning Zusammenrücken, gemeinsame Ziele, Etablierung von Regeln

Leistungsphase Performing Kooperation, Offenheit, Verständnis,

Die Gruppenbildung beginnt mit einer Orientierungsphase. Die Mitglieder der Gruppe müssensich zunächst kennen lernen. Jeder versucht, seine eigene Rolle in der Gruppe zu emden.Gleichzeitig werden die anderen hinsichtlich ihrer charakterlichen Eigenschaften und ihresSozialverhaltens beobachtet. In dieser Phase können erste Aversionen und Affinitäten zwi­schen Gruppenmitgliedern entstehen.

Nachdem die Gruppenmitglieder sich ein Bild der anderen gemacht haben, entstehen die erstenRollenkonflikte. Auch wenn diese auf den ersten Blick fachlicher Art zu sein scheinen, sindmeistens Emotionen, wie Ehrgeiz, Konkurrenzdenken oder Neid die Auslöser. Auch wenndiese Konfliktphase vielleicht unnötig oder gar ärgerlich erscheint, so haben die Forschungser­gebnisse gezeigt, dass sie unvermeidlich und in den meisten Fällen sogar von Nutzen ist. Un­ausgefochtene Konflikte, werden während der gesamten Zeit mitgeschleppt und sorgen immerwieder für Reibungsverluste.

Nachdem einige "Ecken und Kanten" abgeschliffen und einige "Hörner abgestoßen" wurden,kann sich eine Gruppe zusammenraufen. In dieser Normierungsphase besinnt man sich auf diegemeinsamen Ziele. Es etablieren sich - egal ob explizit oder implizit - Werte und Regeln; dieeigene Rolle und die Rollen der anderen werden akzeptiert.

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248 10 Der Mensch im Projekt

Die Gruppe kann sich nun aus der Arbeitsfähigkeit in die Leistungsphase weiter entwickeln.Hier leistet nicht nur jedes Gruppenmitglied seine Arbeit, sondern die Arbeit der anderen wirdgeschätzt. Es wird erkannt, dass der Nutzen einer guten Arbeit der Kollegen für das Projektgrößer ist, als der aus Sicht des Konkurrenzdenkens befürchtete eigene Nachteil.

Erst in dieser Phase hat sich eine Gruppenidentität gebildet und aus einer Arbeitsgruppe ist einProjektteam geworden. Die Mitglieder agieren nun nicht mehr als eine Ansammlung von Ein­zelkämpfern, sondern als eine Einheit, die das Projekt zum Erfolg führen will, der dann auchdem Einzelnen zugute kommt.

Die Aufgabe des Projektleiters beim Durchlaufen dieser Phasen, darf es nicht sein, die frühen,als störend empfundenen gruppendynamischen Prozesse zu unterdrücken. Diese Prozesse sindfür die Entwicklung zu einem Team notwendig und daher müssen die beschriebenen Phasendurchlaufen werden. Allerdings gibt es keine belastbaren Erfahrungswerte, wie lange die ein­zelnen Phasen dauern. Es gibt auch keinen Automatismus, der den Ablauf vorhersagbar macht.In jeder Phase können mehr oder weniger große Verzögerungen und Probleme auftreten, diesogar bis zu einem Stillstand der Gruppe führen können.

Die Aufgabe eines Projektleiters muss es sein, die Gruppe moderierend und antreibend durchdie einzelnen Phasen zu führen. Es ist darauf zu achten, dass beim Austragen der Konfliktekeine bleibenden Schäden angerichtet werden, dass die frühen Phasen möglichst effizientdurchlaufen werden und die Leistungsphase möglichst schnell erreicht wird.

In Gruppen mit unbegrenzter Dauer kommt es hin und wieder zu Rückfällen in die Konflikt­und Normierungsphasen. Für die Weiterentwicklung einer länger bestehenden Gruppe kanndies sinnvoll und notwendig sein. In einem Projektteam bleibt dafür keine Zeit. Deshalb sollteein Projektleiter derartige Rückfälle unterbinden oder auf einzelne, punktuelle Problemlösun­gen begrenzen.

Projektleiter gehören natürlich selbst zur Gruppe und daher ist diese Rolle auch Bestandteil derGruppendynamik. Daher müssen Projektleiter neben den praktischen Problemen, die als Führereiner Gruppe und als Moderator beim Austragen von Konflikten zu lösen sind, gleichzeitigauch die eigene Führungsrolle verteidigen, festigen und ausbauen.

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10.4 Repetitorium

10.4 Repetitorium

10.4.1 Checklisten

Tabelle 10.8 Checkliste Arbeitsmethodik

1. Welches sind meine Ziele für heute / für diese Woche?

2. Welche Arbeiten möchte ich oder muss ich erledigen?

3. Wie viel Aufwand erfordern sie?

4. Welche Arbeiten sind am wichtigsten und am dringlichsten?

5. Welche festen Termine habe ich und wie teile ich die verbleibende Zeit auf wichtige unddringliche Arbeiten auf?

6. Welche gravierenden Änderungen ergeben sich während der Ausführung?

7. Am Ende: Was wurde erledigt? Was wurde nicht erledigt? Warum?

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10.4.2 Verständnisfragen

1. Aus welchen Schritten besteht eine effiziente Arbeitsmethodik im Rahmen des Selbst-managements?

2. Wozu braucht man eine persönliche To-Do-Liste?

3. Was beschreibt die Eisenhower-Methode?

4. Welche Kategorien von Stress-Ursachen und Stress-Wirkungen gibt es?

5. Durch welche Maßnahmen kann Stress bewältigt werden?

6. Welche Voraussetzungen und Kompetenzen werden von einem Projektleiter erwartet?

7. Welches sind die wesentlichen Aufgaben eines Projektleiters?

8. Nennen Sie wichtige Merkmale eines guten Kritikgesprächs!

9. Nennen Sie einige wichtige Eigenschaften, die zur Beschreibung des Persönlichkeits-profils von Menschen geeignet sind!

10. Worin unterscheiden sich die verschiedenen Führungsstile?

11. Welche 4 Phasen durchläuft der Reifegrad einer Führungsbeziehung?

12. Welche 4 Entwicklungsphasen durchlaufen Arbeitsgruppen?

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10.4.3 Aufgaben

10 Der Mensch im Projekt

Aufgabe 10-1 Zeitbilanz

Erstellen Sie eine Zeitbilanz für einen normalen Arbeitstag, indem Sie alle Tätigkeiten, diemehr als 5 Minuten in Anspruch nehmen, mit Uhrzeit und Dauer notieren.

Für die Auswertung können Sie ähnliche Arbeiten, z. B. alle Telefonate, zusammenfassen.Ermitteln Sie, welcher Anteil der Zeit für geplante Arbeiten und welcher Anteil für Unvorher­gesehenes verwendet wurden.

Überlegen Sie, welche Arbeiten Zeitdiebe sind und wie Sie diese in Zukunft fernhalten können.

Aufgabe 10-2 Zeitfresser/Zeitdiebe

Überprüfen Sie, in welchem Maße die folgenden Aussagen auf Sie zutreffen:

,,Anrufe, E-Mails und Besucher sorgen immer wieder für Unterbrechungen meiner Arbeit."

"Ich sitze zu oft und zu lange in Besprechungen mit fruchtlosen Diskussionen."

"Es dauert oft ziemlich lange, bis ich bestimmte Informationen auf meinem Schreibtisch oderin meinem Rechner gefunden habe."

,,Die anspruchsvollen Aufgaben schiebe ich wie einen Berg vor mir her, weil ich mich ständigum lauter Kleinkram kümmern muss."

" ,Nein' zu sagen fällt mir schwer, wenn jemand etwas von mir will."

Was können Sie gegen die Zeitdiebe tun?

Aufgabe 10-3 Stress-Tagebuch

Legen Sie sich ein Stress-Tagebuch an, das Sie über einen Zeitraum von einigen Wochen füh­ren. Notieren Sie die Art und den Zeitpunkt des Stressors. Beschreiben Sie die Art und dieStärke Ihrer Stress-Reaktion.

Zur Auswertung des Stress-Tagebuchs überlegen Sie, welche Stress-Ursachen vermeidbar sindund wie Sie diese in Zukunft ausschalten oder wenigstens reduzieren können.

Aufgabe 10-4 Formulierung von Kritik

Überprüfen Sie, ob und gegebenenfalls warum die folgenden Aussagen die Regeln eines kon­struktiven Kritikgesprächs verletzen:

"Wegen Ihnen haben wir schon wieder 3 Wochen verloren."

"Ich werde es nicht länger hinnehmen, dass Sie ständig vereinbarte Termine überziehen."

,,Der Statusbericht, den Sie mir vorige Woche geschickt haben, ist vollkommen oberflächlich.Was soll ich damit anfangen?"

"Sie sind zu lasch gegen unsere Lieferanten. Wenn Sie denen nicht die Leine anziehen, tanzendie uns auf der Nase herum."

"Wenn es in Ihrem Kopf so aussieht, wie auf Ihrem Schreibtisch, wundert es mich nicht, dassSie ständig alles Mögliche vergessen."

Wie würden Sie die angesprochenen Probleme als Projektleiter formulieren?

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10.4 Repetitorium 251

Aufgabe 10-5 Persönlichkeitseigenschaften

Versuchen Sie, sich selbstfür jede der folgenden Persönlichkeitseigenschaften zwischen denbeiden Extremwerten einzuordnen.

Eigenschaft Extremwert I 2 3 4 5 Extremwert

Interaktionsfonn extrovertiert introvertiert

emotionale Stabilität stabil labil

Offenheit konservativ offen

Wahrnehmung intuitiv sensitiv

Entscheidungsfindung fühlend/emotional denkend/rational

Entscheidungskonstanz flexibellperceptive urteilend/judging

Verträglichkeit egoistisch altruistisch

Gewissenhaftigkeit oberflächlich/effizient gewissenhaft

Bitten Sie nun jemanden aus Ihrem Familien-, Freundes- oder Kollegenkreis um eine Einschät­zung Ihrer Eigenschaften. Wo gibt es zwischen den Einschätzungen Übereinstimmungen undwo gibt es größere Unterschiede?

Aufgabe 10-6 Persönlichkeitseigenschaften

Versuchen Sie, die Hauptperson Ihres Lieblings-Buchs oder -Films anband ihrer Persönlich­keitseigenschaften einzuordnen.

Versuchen Sie, in dem Buch oder Film Personen zu finden, bei denen jeweils eine Persönlich­keitseigenschaft besonders ausgeprägt ist.

Aufgabe 10-7 Projektleiter-Anforderungskriterien

Legen Siefür die Anforderungen an einen Projektleiter Gewichtungen fest, so dass die Ge­samtgewichtung 100 % ergibt.

Wie könnte eine entsprechende Gewichtung der Anforderungskriterien :für ein Mitglied desProjektieams aussehen?