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Die Gschwends von links nach rechts: Thomas, Vater Franz und Fast-Geschäftsführer Philipp, der im Interview Auskunft gibt 106 | Was meint der Boss?

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Die Gschwends von links nach rechts: Thomas, Vater Franz und Fast-Geschäftsführer Philipp, der im Interview Auskunft gibt

106 | Was meint der Boss?

In der neuen Aquaponik-Anlage der Firma Ecco-Jäger in Bad Ragaz treffen Fischzucht und Gemüseanbau aufeinander.

Philipp Gschwend, Geschäftsführer in spe, will vom ökologischen Stempel des Verfahrens möglichst wenig wissen.

Interview: Sarah Kohler | Fotos: Jürg Waldmeier

Auf dem Dach der Firma Ecco-Jäger in Bad Ragaz erstreckt sich auf 1000 Quadratmetern ein Gewächshaus, in dem Kräuter und Salate hydroponisch – also auf Wasser, ohne Erde – angebaut werden. Eine Etage tiefer wachsen Rosé-Barsche in einer Aquakultur. Die Verbindung von Fischzucht in Becken oder Tanks mit hydroponischem Pflanzenanbau nennt man Aquaponik. Die Idee liegt darin, die Abfallprodukte aus der Fischzucht als Nährstoffe für die Gemüseproduktion zu nutzen. So geschieht das auch in Bad Ragaz. Die Speisefische sondern Ammonium ab, das von Bakterien in einem Biofilter erst in Nitrit und dann in Nitrat umgewandelt wird. Das mit dem natürlichen Pflanzendünger angereicherte Wasser kommt ins Gewächshaus, in dem die Salate und Kräuter auf Anbautischen periodisch geflutet werden – und zwar mit dem immer gleichen Wasser, wobei die zehn Prozent, die verdunsten, aus dem Fischbecken ersetzt werden. Die CO

2-reiche Abluft aus der Aquakultur dient den Pflanzen als zusätzlicher

Dünger. Pro Jahr plant die Ecco-Jäger AG, 25 Tonnen Kräuter und Salate sowie 14 Tonnen Fisch zu produzieren.

Parallel zum Bau der Aquaponik-Anlage wurde die Kälte- und Wärmetechnik erneuert. Die Abwärme, die die Tiefkühl- und Kühlzellen produzieren, wird gespeichert und reicht aus, um das Gebäude, das Gewächshaus und die Fischzucht zu beheizen. Dass Produktion und Vertrieb unter einem Dach sind, hält zudem die Transportwege kurz.

Das Kerngeschäft Ihres Unter-nehmens war der Lebensmittelhandel. Jetzt bauen Sie plötzlich Gemüse an und züchten Fisch. Ist das nicht ein Riesensprung?Philipp Gschwend: Nun ja, mein Vater ist gelernter Gemüsegärtner und kennt sich im Anbau aus, Sie haben jedoch Recht: Für die Firma Ecco-Jäger ist die Pro-duktion ein neues Feld. Aber wir pflegen von Haus aus viele Kontakte zu Herstel-lern, bei denen wir Rat einholen können – und wir haben eigens einen Gärtner und einen Fischwirt eingestellt.

Beratung brauchten Sie auch beim Bau der Aquaponik-Anlage – das Verfahren ist hier-zulande neu.Das ist richtig. Als wir nach einem Pro-jekt suchten, um das Flachdach unseres Firmensitzes zu nutzen, stiessen wir auf einen Artikel über Aquaponik, vertieften uns ins Thema und beschlossen, das zu versuchen. Die ersten Schritte begleite-ten uns Schweizer Firmen, aber irgend-wann wandten wir uns für die fachliche Unterstützung an ECF Farmsystems in Berlin – auch weil in Deutschland die Gesetzgebung bereits besser ausformu-liert ist als hier. Von der Entscheidung für die Anlage bis zum Start im März vergingen drei Jahre.

Und wie oft haben Sie das Konzept in dieser Zeit erklärt?(lacht) Viele, viele Male. Es ist eine echte Herausforderung, etwas umzusetzen, was es in dieser Form noch nicht gibt. Da herrscht Erklärungsbedarf; bei den Be-hörden, bei der Bank. Hydroponik und Aquakultur gibt es einzeln schon lang,

aber die Verknüpfung der Systeme ist halt neu. Das Verfahren gewinnt in der Schweiz zwar an Bekanntheit, es wird meiner Meinung nach aber noch nicht wirklich ernstgenommen.

Nicht?Nein. Und das möchten wir ändern. Wir wollen als Unternehmer zeigen, dass Aquaponik wirtschaftlich funktioniert – sofern das Verfahren in einen beste-henden Betrieb passt.

Und das tut es in Ihrem Fall?Unbedingt. Unser Firmensitz ist statisch so gebaut, dass wir auf dem Dach ein Ge-wächshaus betreiben können. Wir nut-zen die ohnehin vorhandene Abwärme aus den Tiefkühl- und Kühlzellen, um alles zu beheizen. Wir verfügen bereits über die Abnehmer für unsere Produkte und haben den Vertrieb im Haus. Das macht die Aquaponik-Anlage zu einem rentablen Unterfangen.

Sie haben bewusst auf Fördergelder des Kantons verzichtet. Warum?Weil wir jeden Ansatz eines Öko-Images vermeiden wollen.

Aha.Das ist uns wichtig. Wenn sie Urban Far-ming oder Aquaponik hören, haben viele Leute das Gefühl, es handle sich um ein paar Freaks, die drauflos experimentie-ren. Wir aber haben ein Gewächshaus und eine Fischzucht gebaut, um Geld zu verdienen. Unsere Investition soll sich aus dem Projekt heraus refinanzieren – nicht aus dem bestehenden Geschäft.

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Per 1. Juli übernimmt Philipp Gschwend von Vater Franz die Geschäftsleitung der inhabergeführten Ecco-Jäger Früchte und Gemüse AG. Ursprünglich machte der heute 35-Jährige die KV-Lehre im Gastgewerbe, war an Rezeptionen tätig (etwa im «Rider’s Palace» in Laax) und leitete die Tourismusinformationsstelle von Flims Laax Falera. 2005 stieg er als Stellver-treter seines Vaters in den Lebensmittelhandel ein und bildete sich in der Folge zum Marketing- und Verkaufsleiter weiter. Der gelernte Gemüsegärtner Franz Gschwend (58) indes gründete in jungen Jahren die Firmen Frut Alpina sowie Selva Gemüse in Laax. Als neutrale Kraft übernahm er 2001 von der Kadi AG das Mandat, die Betriebe Ecco sowie Fruchthof Jäger zu fusionieren. Daraus resultierte in einem ersten Schritt die Übernahme der Geschäftsleitung – und 2007 des ganzen Unternehmens. Dieses bietet ein Vollsortiment an Frisch-, Kühl- und Tiefkühlprodukten, beschäftigt heute an den Standor-ten Bad Ragaz und Laax 60 Mitarbeiter und beliefert rund 1600 Kunden, vornehmlich aus der Gastronomie. Im Frühling gingen die Gschwends mit der Inbetriebnahme einer Aquaponik-Anlage unter die Produzenten. Hauptverantwortlich für die Fischzucht ist Philipp Gschwends Bruder Thomas (37). Vater Franz wendet sich ab Juli als Gemeindepräsident von Laax verstärkt der Lokalpolitik zu.

Ecco-Jäger Früchte und Gemüse AG, Chriesilöserstrasse 65, 7310 Bad Ragaz, www.ecco-jaeger.ch

Von welchem Betrag sprechen wir?Wir beziffern unsere Investition nicht. Die neue Kühl- und Wärmeanlage allein kostet aber 1,5 Millionen Franken. Und: Wir rechnen damit, dass wir das ganze Projekt im üblichen Rahmen rückfinan-zieren können.

Woher rührt dieser Widerwille gegen den Öko-Stempel?Dieser passt schlicht nicht zu uns. Wir sind ein Betrieb mit 60 Mitarbeitern und 26 Fahrzeugen, die täglich unterwegs sind und eine Menge Kilometer machen. Wir emittieren also CO

2. Zudem bezie-

hen unsere Kunden ein Vollsortiment, das aus allen Ländern kommt. Würden wir die ökologische Schiene fahren, müssten wir die Mangos aus dem Sorti-ment nehmen. Oder?

Trotzdem: Sie verzichten in der eigenen Produktion explizit auf Pestizide oder Anti- biotika.Klar, aber auch dahinter stecken ökono-mische Überlegungen. Wir entsprechen damit dem Wunsch unserer Kunden. Wir leisten gern einen Beitrag für die Um-welt und sehen das damit verbundene positive Marketing – aber der Ertrag muss immer stimmen.

Eine finanzielle Entscheidung ist auch, was Sie im Gewächshaus anbauen. Welchen Plan verfolgen Sie?Wir müssen uns gegen grosse Player im Markt behaupten, die den direkten Kanal in die Gastronomie suchen. Also brauchen wir ein Angebot, mit dem wir uns hervortun. Entsprechend wollen wir zum Beispiel Asia-Mix-Salate kultivie-

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ren, die wir sonst aus Italien, Spanien oder den Niederlanden importieren. Ein regionales Produkt in diesem Bereich ist für den Gastronomen sicher eine schöne Geschichte. Auch die saisonale Nachfra-ge spielt eine zentrale Rolle: Wir bauen das an, was wir teuer einkaufen müssen: Kräuter im Sommer, Nüsslisalat im Win-ter ... Wir werden die Nachfrage niemals aus unseren eigenen Ernten decken, aber wir können auf einen Teil des Zukaufs verzichten. Gleichzeitig laufen wir nicht Gefahr überzuproduzieren, weil wir ja bereits über die entsprechenden Abneh-mer verfügen.

Wie sieht das beim Fisch aus?Auch für unseren Rosé-Barsch gibt es Interessenten. Er ist ein guter Speisefisch, mit weissem Fleisch und wenig Eigen-geschmack. Wir bieten dem Gastrono-men ein regionales Produkt, vegetarisch gefüttert und ohne Chemie aufgezogen – faktisch also in Bio-Qualität. Und das frisch, ausgenommen mit Kopf, vaku-umiert. Das ist eine spannende Sache, finde ich. Zumal Fisch als Lebensmittel stark im Trend liegt.

Eine kritische Frage sei immer mal wieder jene nach dem Geschmack Ihrer Produkte, sagen Sie selbst.In der Tat. Die Vorstellung, dass Fisch-fäkalien in Pflanzendünger verwandelt werden, macht manchen Leuten zu schaffen. Aber mal ehrlich: Wenn Gemü-se mit Kuhmist gedüngt wird, schmeckt es nachher auch nicht nach dem Tier.

Gibt es andere qualitative Unterschiede zu herkömmlich produziertem Gemüse?Unseres ist natürlich besser! (lacht) Nein, im Ernst: Ein Nüsslisalat aus Hydropo-nik schmeckt nicht anders als einer vom Feld. Aber da er auf Tischen angebaut wird, kann er bequemer geerntet werden – und da er nicht in der Erde, sondern auf dem Wasser kultiviert wird, ist er von Anfang an sauber. Das ist auch für unsere Abnehmer ein Vorteil.

Apropos Vorteil: Sie können günstiger pro-duzieren, als Sie zukaufen. Profitiert davon auch der Gastronom?Der Marktpreis wird sich weiterhin nach Angebot und Nachfrage richten. Natür-lich sparen wir Geld bei den Produkt-kosten, so wie wir auch Energie sparen. Demgegenüber stehen jedoch die Inves-titionen und die Personalkosten.

Sie erwähnten es schon: Neu beschäftigen Sie einen Gärtner und einen Fischwirt.Genau. Unser Fischwirt Olaf Wein-reich kommt aus Deutschland, wo man das Studium dazu absolvieren kann. Er und Benjamin Hehle, unser Gärtner, bringen Erfahrungen aus viel grösseren Aquaponik-Projekten mit. Wir brauchen das Know-how von so «angefressenen» Leuten und deren Bereitschaft, sich mit dem Gebiet des jeweils anderen zu be-schäftigen. Ich glaube, das ist für beide reizvoll. So wie eben auch die Tatsache, dass wir die Anlage nicht als Spielerei be-treiben, sondern ernsthaft und mit einem wirtschaftlichen Ziel.

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