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MATERIALDIENST Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen 74. Jahrgang 1 / 11 ISSN 0721-2402 H 54226 Wiederkehr der Religion in Westeuropa? Ist der Humanismus eine (gottlose) Konfession? Ein Blick auf drei spirituelle Events Dialog mit der Neuapostolischen Kirche Stichwort: Falun Gong Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen

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74. Jahrgang 1/11IS

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721-

2402

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4226

Wiederkehr der Religion in Westeuropa?

Ist der Humanismuseine (gottlose) Konfession?

Ein Blick auf drei spirituelle Events

Dialog mit der Neuapostolischen Kirche

Stichwort: Falun Gong

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

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Werner ThiedeWiederkehr der Religion in Westeuropa? 3

Andreas FinckeIst der Humanismus eine (gottlose) Konfession? 16

Esoterik / PsychoszeneDas 17. „Rainbow Spirit Festival“ hat in Berlin stattgefunden 20

Tolle Zeiten: Eckhart Tolle in Hannover 22

Meditation ohne Religion? Ein Kongress zur Bewusstseinsforschung 24

Film und LiteraturSünners kreatives Universum 25

Neuapostolische KircheMehr Verbindlichkeit im Dialog suchen 27

In eigener SacheWechsel in der Redaktionsverantwortung 29

Beratertagung über den Umgang mit Magie-Erfahrungen 29

Falun Gong / Falun Dafa 30

INHALT MATERIALDIENST 1/2011

INFORMATIONENINFORMATIONEN

ZEITGESCHEHENIM BLICKPUNKT

INFORMATIONENBERICHT

STICHWORT

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Anselm GrünMystik. Den inneren Raum entdecken 34

Richard RohrPure Präsenz. Sehen lernen wie die Mystiker 34

Werner ThiedeMystik im Christentum. 30 Beispiele, wie Menschen Gott begegnet sind 34

Linus HauserScientology. Geburt eines Imperiums 38

INFORMATIONENBÜCHER

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3MATERIALDIENST DER EZW 1/2011

Seit über einem Vierteljahrhundert istlandauf, landab die These von der Wie-derkehr der Religion zu vernehmen.1 Sieverstand und versteht sich als Gegenthesezum sogenannten Säkularisierungstheo-rem, also zu der einst von Max Weberund Ernst Troeltsch angebahnten und spä-ter durch die Religionssoziologie vertief-ten Rede vom notwendig zunehmendenVerschwinden der Religion als bestim-mender Macht im gesellschaftlichen undindividuellen Leben der Moderne. Na-mentlich der Zusammenbruch des kom-munistischen Ostblocks mit seinem staat-lich verordneten Atheismus wurde beigleichzeitig feststellbarer Hartnäckigkeitder Präsenz von religiös-irrationalenDenkmustern etwa im Kontext der soge-nannten New-Age-Bewegung2 im Abend-land als Indiz für eine Renaissance derReligionen weltweit und auch in derabendländischen Gesellschaft gewertet. Doch unumstritten war diese These zukeiner Zeit. Unter den Gegenwartstheolo-gen votiert namentlich Ulrich H. J. Körtneranders und betont, dass das bloße Inte-resse an religiösen Themen nicht mit Reli-giosität verwechselt werden dürfe.3 AuchJoachim Kunstmann bemerkt: „Das Inte-resse an Religion ist aber nicht selbstschon Religion ... Gelebte Religion, derpersönliche spirituelle Vollzug, Selbstver-pflichtung, Glaube und Bekenntnis sindlängst zu Randphänomenen des gesell-schaftlichen Lebens geworden ... ÜberReligion spricht man nicht.“4 Und Klaus-Peter Jörns mahnt: „Was dabei die Aus-sage angeht, (die) Religion sei zurückge-

kehrt, so sind Daten, auf die sich solcheAussagen stützen, vorsichtig zu bewer-ten.“5 Für christliche Religionstheoretiker,aber auch für kirchliche Analysten, insbe-sondere für die Verwalter der nach wie vorkontinuierlich sinkenden Mitgliederzah-len der Großkirchen, ist die Frage ihrerAussagekraft und Richtigkeit naturgemäßvon hoher Relevanz.6 Im Folgenden wer-de ich die These von der angeblichen Renaissance der Religion meinerseitsüberprüfen, und zwar primär im Blick aufdie kulturelle Situation bei uns in West-europa. Das will ich in fünf Schritten tun,nämlich im Hinblick auf 1. das Phänomeneines anhaltenden Säkularisierungspro-zesses, 2. den weltweit und auch in West-europa erstarkenden Islam und Islamis-mus, 3. einen wachsenden biblizistischenFundamentalismus, 4. die sich vital zei-gende Esoterikwelle und 5. die Zunahmesynkretistischer Religiosität. Abschließendwerde ich das Ergebnis meiner Analysenund Überlegungen zusammenfassen undtheologisch auswerten.

Keine Wiederkehr der Religion: Die Säkularisierung in Westeuropa geht weiter

Den Wandel der gesellschaftlichen Stel-lung der Religion konnten Soziologen ge-nau so lange als Säkularisierungsprozessbegreiflich machen, wie es sich bei dieser„Religion“ hauptsächlich um das Chris-tentum im Kontext der Moderne handelte.Diese Religion, die weit über ein Jahrtau-send lang das Abendland maßgeblich ge-

IM BLICKPUNKTWerner Thiede, Regensburg

Wiederkehr der Religion in Westeuropa?

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prägt hat, ist unübersehbar dabei, ihrenprägenden Einfluss zunehmend zu verlie-ren. Umfragen bestätigen in der Regel,dass der Einflussverlust des Christentumsweiter anhält. Von einer Renaissance desChristentums – das wird kaum jemand be-streiten – kann in Westeuropa nicht ernst-haft die Rede sein. In diesem Sinn hat dieSäkularisierungsthese also Recht behal-ten. Dagegen ist eine „Renaissance derReligion als Kulturmacht in nahezu allenaußereuropäischen Gesellschaften undKulturkreisen unübersehbar“7.Allerdings hat in unseren europäischenBreitengraden das Säkularisierungstheo-rem mit dem Aufkommen der sogenann-ten Postmoderne und des ihr korrespon-dierenden religiösen Pluralismus an Evi-denz eingebüßt.8 Oft genug ist von der„Rückkehr der Religionen“ (Martin Riese-brodt), der „Wiederkehr der Religion“(Gottfried Küenzlen), der „Wiederkehr derGötter“ (Friedrich Wilhelm Graf), einerRe-Spiritualisierung (Matthias Horx) odereiner De-Säkularisierung (Peter L. Berger)die Rede. Man meint sicher sein zu kön-nen, dass Religion doch auch unter mo-dernen bzw. postmodernen Bedingungenihre innere Kraft behalten habe und be-währen werde. Sprechen nicht zu viele Beobachtungengegen einen unaufhörlich weitergehen-den Prozess der Verweltlichung unsererwestlichen Kultur? „Nicht Säkularisierung,sondern die Entwicklung in Richtung ei-nes religiösen Pluralismus ist der charak-teristische Vorgang“, erklärt ReinhardHempelmann.9 Die von Max Weber undEmile Durkheim eingeführte Säkularisie-rungsthese möchte heutzutage kaum nochjemand in den Mund nehmen; sie ist ge-rade auch in unserem Kulturkreis gewis-sermaßen aus der Mode gekommen. Aber das dürfte mit ihrem sich ausbreiten-den falschen Verständnis zusammenhän-gen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich

schnell, dass Weber wie Durkheim kei-neswegs die Ansicht vertreten haben, Reli-gion schlechthin sei im Zeitalter der Mo-derne immer klarer zum Untergang verur-teilt, um eben einer wissenschaftlich-nüchtern geprägten Weltsicht Platz zumachen. Auch spätere Religionssoziolo-gen wie etwa Bryan Wilson10 und DetlefPollack11 verstanden die Säkularisierungs-these mitnichten in einem solch plattenSinn. Vielmehr waren sie allenfalls derÜberzeugung, dass Modernisierungspro-zesse einen kritischen Einfluss auf die Sta-bilität und Vitalität von Religionsgemein-schaften hätten – nicht mehr, aber auchnicht weniger. Und das bleibt zutreffend,zumindest im Blick aufs institutionell ver-fasste Christentum – während sich dieLage hinsichtlich der zweitgrößten Welt-religion, des Islam nämlich, in Westeu-ropa etwas anders darstellt. Die schon seitLangem wahrzunehmende Tendenz einer„Verweltlichung“ der Religionen12 hältan, wenngleich nicht ohne Gegenkräfte.

Keine „Wiederkehr“ der Religion: Islamund Islamismus erobern neues Terrain

Dass es sich mit dem Islam in Sachen Sä-kularisierung nicht so verhält wie beimChristentum, hat Gründe, die vor allem inder andersartigen Struktur und Intentiondieser monotheistischen Religion liegen.Bekanntlich ist sie weltweit im Wachsenbegriffen und macht sich anheischig, den„Spitzenreiter“ Christentum immer mehreinzuholen, was ein Stück weit auch imAbendland zutrifft. Aber gerade in West-europa handelt es sich eigentlich nicht umeine „Wiederkehr“ dieser Religion, son-dern um ein Erstarken, sodass sie mehroder weniger Neuland erobert (mit der dieRegel bestätigenden Ausnahme von Spa-nien). Die These von der „Renaissance derReligion“ oder der Religionen ist also ge-rade auch im Blick auf Islam und Islamis-

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mus in unseren Breitengraden kaum zu-treffend.Immerhin wird aber die Säkularisierungs-these durch die globalen Erfolge des Islamein Stück weit in Frage gestellt. Denn hierhat man es mit einer großen traditionellenReligion zu tun, die sich inmitten der mo-dernen Zeit durchaus zu behaupten weißund Zunahme verzeichnen kann.13

Mit einer Kompatibilität zur aufgeklärtenVernunft hat das – ungeachtet der bemer-kenswerten mittelalterlichen Blüte arabi-scher Wissenschaften und ihres Einflussesin Europa – bei dieser autoritären Buchre-ligion relativ wenig zu tun. Vielmehr liegtes primär an ihrem Selbstverständnis, dassich tendenziell zur politischen Wirklich-keit etwas anders verhält als das Christen-tum. Wissen Christen sich eher als vonGott Versöhnte, die eine Vorhut der kom-menden, erlösten Schöpfung inmitten deralten Welt bilden und in dieser deshalbFremdlinge bleiben, so sehen sich Mus-lime mit ihrem Leben und Glauben mehrin einer Religion, die im unmittelbarenZugriff auf die Welt kultur- und lebensge-staltend wirken will. Demgemäß ist die Grundstruktur islami-scher Frömmigkeit die von Gebot undGehorsam: „Der Mensch hat zu gehor-chen, sich auf Gottes Wegleitung zu ver-lassen, auch dort, wo ihm die Einsicht inGrund und Berechtigung der göttlichenForderungen verwehrt ist. Er steht vor derWahl, sich Gottes Weisheit und Machtunterzuordnen oder sich ihm in Wider-spenstigkeit zu verweigern; und auchdiese Wahl ist ebenfalls noch der Verfü-gung Gottes unterstellt, so daß dem Men-schen auch im Bösen keine Selbstherr-lichkeit zukommen kann. Die Vorstel-lung, daß Gott mit dem Menschen heils-geschichtlich eine Gemeinschaft eingehe,um so das Verhältnis von Schöpfer undGeschöpf, von Herrn und Knecht durchdas andere von Vater und Kind zu über-

bieten, ist den theologischen Lehren desIslam fremd.“14

Von daher bestimmt eine fromme Gesetz-lichkeit die hier herrschende Religiosität,die das gesamte Leben individuell, aberim jeweils möglichen Maße auch gesell-schaftlich prägt. Sie macht die politisie-renden Ambitionen des Islam plausibel:Muss doch die religiöse Ordnung mög-lichst gesamtgesellschaftlich geregelt undgewährleistet werden! In nüchterner Ana-lyse gilt es wahrzunehmen, dass der Islamals Weltreligion daher schon im Ansatzwie keine andere zu einer Vermischungvon Religion und Politik neigt.15 Im Unter-schied zum Christentum, das seine uni-versalistischen Ansprüche politisch erst imMittelalter formuliert und als politischelängst wieder storniert hat, ist der Islamvon Beginn an auf Universalismus aus ge-wesen.16 Denn er sieht sich „aufgerufen,seinen Machtbereich universal auszudeh-nen, damit die gesellschaftlichen Verhält-nisse zunehmend der Weisung Gottes, derScharia, unterstellt werden ...“17 Zwarlehnt es der Islam ausdrücklich ab, An-dersgläubige mit Gewalt zu bekehren(Sure 2,256); gleichwohl haben Muslimedie Pflicht, sich um die Herstellung eineruniversalen Herrschaft des Islam zu be-mühen.18 Die Ordnungsvorstellungen, dieder Islam als Ausgestaltung des göttlichenGesetzes ausgibt, verstehen sich als diebessere Alternative zum politischen Sys-tem des Ostens und zu den demokrati-schen Institutionen des Westens.Überhaupt wird der Westen mit seinerTendenz zu anhaltender Säkularisierungvon Muslimen verständlicherweise kri-tisch gesehen. Insbesondere der ideolo-gisch zugespitzte Islamismus mit seinenteilweise terroristischen Bestrebungen ver-steht sich ausdrücklich als Gegenkraft ge-gen die Säkularisierungsmächte des Wes-tens.19 Zwar gibt es die sogenannten Re-form-Muslime, die das abendländische

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Denken wegen der hier anzutreffendenhumanistischen Ideale und aufgeklärtenFortschrittlichkeit entschieden bejahenund für eine angemessene Einpassung ih-rer Religion in die moderne Kultur plädie-ren. Doch sie sind klar in der Minderheitund können ihre Stimme nur im Exil erhe-ben – nämlich im freien Westen! AlbrechtHauser kritisiert deshalb mit Recht dieverbreitete Annahme, „alle Religionenseien mehr oder weniger nur kulturell be-dingte ‚Blaupausen’ ein und derselbenGrundstruktur des Religiösen, so dassauch der Islam mit etwas verständnisvollentgegenkommendem Dialog und mit gutem Willen sich bald den europäischenGegebenheiten anpasse“20.Zu den liberalen Reform-Muslimen zähltder international bekannte ProfessorBassam Tibi: Er hat in zahlreichen Publi-kationen und Fernsehinterviews deutlichvor den fundamentalistischen Kräften desIslamismus gewarnt. Dass dessen religiö-ses Streben nach einer weltweiten Gottes-ordnung den Weltfrieden herausfordere,betont er seit Langem. Fundamentalismusversteht er als „Politisierung von Reli-gion“; auf dieser Basis macht er deutlich,dass sich unter den Fundamentalismender Weltreligionen eine direkte Verbin-dung von politischer Religion und Welt-politik allein im besonderen Fall des Islambeobachten lasse.21

Mitunter hat man in den neueren Debat-ten das Argument zu hören bekommen,jede Weltreligion bringe Fundamentalis-mus und somit womöglich religiös moti-vierten Terrorismus hervor. Solche Gleich-macherei stellt jedoch einen bedenk-lichen Kurzschluss in der Wahrnehmungder Realität dar. Die Fundamentalismender verschiedenen Weltreligionen sind beinäherer Betrachtung recht unterschiedlichstrukturiert – je nach dem Charakter ihrerBasisreligion.22 Und gerade der Funda-mentalismus des gelebten Islam ist laut

Tibi neben Kommunismus und Faschis-mus zu einer dritten Spielart des Totalita-rismus der neueren Zeit geworden. Eine„Wiederkehr der Religion“ ist das abernicht – wenn denn Evelyn Bokler-VölkelRecht hat mit der These, dass „nicht voneiner Renaissance des Religiösen gespro-chen werden“ kann, wo dieses früher ent-weder gar nicht oder aber ohnehin stetsvorhanden war.23

Keine Wiederkehr der „Religion“: Christlicher Fundamentalismus ringt um Vergewisserung

Wie steht es indessen mit dem christ-lichen, insbesondere protestantischenFundamentalismus? Stellt nicht diese Be-wegung in den USA und in Westeuropaeine Wiederkehr der Religion dar – näm-lich die Wiedergeburt einer Frömmigkeit,welche die Heilige Schrift als religiöse Ur-kunde endlich wieder so ernst nimmt, wiedas früher einmal allgemein der Fall war?Der entschiedene, in aller Regel gewalt-freie Kampf gilt hier nicht etwa jeder Ver-nunft überhaupt, sondern der säkular ver-standenen Rationalität, die traditionellerreligiöser Autorität den Boden zu entzie-hen trachtet. Diese stark konservative Spiritualität be-tont vor allem jenes eine Fundament, aufdas allein sich nach ihrer Überzeugungwahre religiöse Autorität gründet und demsich deshalb auch jedes Vernunfturteil un-terzuordnen hat: die Heilige Schrift alsüberlieferte Textgestalt des Wortes Gottes.Ein solcher protestantischer Fundamenta-lismus zielt auf ein Bibelverständnis, dasder Heiligen Schrift als göttlich inspirierterGröße absolute Autorität zuerkennt.24

Doch bei näherer Betrachtung handelt essich auch bei dieser religiösen Strömungkeineswegs um eine „Wiederkehr“ vonfrüher schon da gewesener Religiosität,sondern um ein durchaus modernes Phä-

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nomen – nämlich um den Versuch derVergewisserung eines greifbaren, tragen-den Fundamentes inmitten der säkularenWelt. In dieser Hinsicht bedarf es genauerer Un-terscheidungen. Die Heilige Schrift alsGlaubensfundament und als Richtschnurfür Lehre und Leben zu betrachten, istzwar eine reformatorische und altprotes-tantische Grundhaltung. Doch zu einem„-ismus“, zu einer religiösen Ideologie istdiese Haltung erst geworden, seit die fun-damentale Bedeutung der Heiligen Schriftzu einer absoluten hochstilisiert wird. Dasreformatorische Prinzip des sola scripturahat einst gegenüber dem Papstamt eine al-ternative Autorität ins Zentrum gerückt,hat dies allerdings eindeutig in der Ab-sicht getan, die Autorität Christi selbst inder Kirche wieder angemessener zur Gel-tung kommen zu lassen. Deshalb war undist das Sola-scriptura-Prinzip im Protestan-tismus immer dem theologischen Prinzipsolus Christus zugeordnet, ja im Streitfalluntergeordnet worden. Erst wo diese Zu-und Unterordnung fallen gelassen, ja dassolus Christus womöglich umgekehrt demsola scriptura untergeordnet wird25, hatman es innerhalb des Protestantismus mitFundamentalismus zu tun. Für Martin Luther selbst war die HeiligeSchrift nicht in solch plattem Sinn Autori-tät, dass sie in allen ihren Teilen gleicher-maßen zu gewichten wäre. Vielmehrkonnte der Reformator bei aller Verehrungder von ihm übersetzten Bibel bekannt-lich auch kanonkritische Äußerungen tun,wie sie für fundamentalistisch orientierteProtestanten undenkbar wären. Die Heils-erkenntnis in Christus war ihm wichtigerals ein formales Schriftprinzip, sodass erbeispielsweise sagen konnte: „Wenn aberdie Gegner die Schrift treiben gegenChristus, so treiben wir Christus gegen dieSchrift ...“26 Nach Luthers Verständnis istdie Schrift ihr eigener Kritiker.27 Insofern

ist auch theologisch begründete Bibelkri-tik nicht nur erlaubt, sondern im GeisteChristi sogar geboten! Bekanntlich konnteLuther den Jakobusbrief als „stroherneEpistel“ abqualifizieren – und umsoleuchtender das Rechtfertigungsverständ-nis der zentralen paulinischen Schriftenherausarbeiten. Für ihn war Christus selbstdas eine Wort Gottes, demgegenüber dieWorte der Heiligen Schrift dienendenCharakter hatten. Von daher unterschieder theologisch zwischen dem Gesetz inder Bibel einerseits und dem biblischenEvangelium von Jesus Christus anderer-seits. Kurz: Er dachte nicht biblizistisch,sondern christozentrisch. Fundament deschristlichen Glaubens ist daher nach lu-therischem Verständnis nicht ein Buch,sondern vielmehr Christus selbst, wie ihnTeile der Schrift in klarem Licht bezeugen.Erst eine protestantische Haltung, die imKampf gegen die moderne Bibelkritik von-seiten autonomer Vernunft diese theolo-gischen Unterscheidungen der Reforma-tion mehr oder weniger aus den Augenverliert, verdient den Namen „Fundamen-talismus“.28 Er stellt zwar ein erstarkendesreligiöses Phänomen unserer Zeit dar,wäre aber unter der Überschrift „Wieder-kehr der Religion“ in seinem Wesen ver-kannt.

Keine Wiederkehr „der“ Religion: Esoterik als monistische Spiritualität

Ist aber nicht die unbezweifelbare Esote-rikwelle im Abendland ein deutliches In-diz für eine Wiederkehr der Religion inunserer Gesellschaft? Zu Beginn der1990er Jahre hatte Hans-Jürgen Ruppert,damals Referent der Evangelischen Zen-tralstelle für Weltanschauungsfragen(EZW), notiert, es habe „den Anschein, alsob sich die christlichen Kirchen wenigs-tens für die nahe Zukunft darauf einzustel-len haben, daß viele Menschen Hoffnung

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und Lebenssinn aus einer okkulten Reli-giosität neben den Kirchen und dem tradi-tionellen Christentum beziehen“.29 Dieser„Anschein“ ist inzwischen einer unüber-sehbaren Faktizität gewichen.30

Die „Renaissance der Esoterik“, wie einBuchtitel des vom Okkultismus herkom-menden Schriftstellers Jörg Wichmann1990 lautete, hat ganze esoterische Ta-schenbuchreihen in namhaften, teils sogarchristlichen Verlagen hervorgebracht. Fastjede bessere Buchhandlung verfügt heut-zutage über eine eigene Abteilung „Esote-rik“, in der oftmals der kleine Bestand anchristlicher Literatur mit untergebrachtwird. In größeren Städten sind florierendeEsoterik-Buchläden anzutreffen. KeinWunder, dass sich diese Literatur verkauft– heißt es doch in einem Werbetext fürdas mehrfach aufgelegte Werk „Erwachein Gott“ der Esoterikerin Silvia Walli-mann, man spüre schon „beim Lesen diehohe Schwingung der Engel“! 1992 kon-statierte die Fachzeitschrift „esotera“, dieEsoterik-Bestsellerlisten zu publizierenpflegt, dass sich jedes sechste Buch inDeutschland mit einem „Thema aus demDunstkreis des Spirituellen und der Esote-rik“ befasse. In den ersten Jahren des 21.Jahrhunderts konnte die „Gesellschaft fürKonsumforschung“ dem esoterischenBuchmarkt eine Zuwachsrate von jährlichbis zu 20 Prozent bescheinigen. Inzwi-schen interessiert sich laut einer 2006 vor-gelegten Umfrage fast jeder zweite Deut-sche für esoterische Fragen.31 Intensiv be-finden sich demnach 15 Prozent der er-wachsenen Bevölkerung auf spirituellerSuche nach ihrer „inneren Mitte“.32 Esote-rik-Fernsehsender sorgen auf ihre Weisedafür, dass dieser Trend nicht abreißt.Sind also Millionen von Menschen in un-serem Land in einer Rückkehrbewegungzur Religion unterwegs? Gewiss bleibteinzuschränken, dass mittlerweile einleichter Rückgang gesellschaftlicher Eso-

terik-Fasziniertheit feststellbar ist. Dochdas besagt wenig: „Esoterische Annahmensind längst in breitem Umfang von derHauptkultur rezipiert, wie beispielsweisedie enorme Verbreitung der Reinkarnati-onsvorstellung oder astrologischer Über-zeugungen zeigt, sodass das ‚kultischeMilieu’ der Esoterik-Szene im engerenSinn für die Vermittlung solcher Vorstel-lungen schließlich an Bedeutung ver-liert.“33 Faktisch zeigen sich inmitten un-serer „aufgeklärten“ Kultur Millionen vonMenschen innerhalb wie außerhalb derKirchen an Esoterik mehr oder wenigerdeutlich interessiert. Aufklärung und Eso-terik sind ja schon vom Aufklärungszeital-ter an keineswegs zwingend als Gegen-sätze aufgefasst worden!34

Das aber besagt offenkundig: Die Säkula-risierung ist ein Prozess, der eine Offen-heit für Esoterik nicht ausschließt. In die-sem Zusammenhang stellt sich allerdingsdie Frage, ob denn Esoterik überhauptkorrekt unter den Begriff der „Religion“ zusubsumieren wäre. Dies bejahen aus reli-gionswissenschaftlicher Perspektive bei-spielsweise Julia Iwersen35 und auchChristoph Bochinger, der mit Blick auf dieesoterisch durchsetzte New-Age-Bewe-gung ausdrücklich sagt, ein „‚Neues Zeit-alter’ der Religion“36 sei entstanden. Undgewiss hat man es hier immer noch mitReligion im weitesten Sinn des schwer de-finierbaren Wortes37 zu tun. Doch wenn man von einer rein funktiona-len Verwendung des Religionsbegriffs ab-sieht und inhaltliche Gesichtspunkte ein-bezieht, dann zeigt sich rasch, dass esproblematisch ist, die Esoterik pauschalzugunsten der These einer Wiederkehr„der“ Religion in Beschlag zu nehmen.Denn zum einen stellt „die“ Esoterik fürsich genommen keine bestimmte Religiondar, sondern pflegt sich, sofern sie sich re-ligiös gibt, parasitär bestehenden Religio-nen an- oder einzugliedern oder sich in

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diversen Sekten auszugestalten. Zum an-deren stellt das sie durchweg bestim-mende Prinzip eines spirituellen Monis-mus38 eine eher philosophische denn reli-giöse Größe dar. Nicht von ungefähr be-zieht sich Madame Helena Petrovna Bla-vatsky, die geistige Mutter der modernenTheosophie und Esoterik, deutlich auf dieMetaphysik des Neuplatonismus.39 Zeit-genössische Esoteriker sehen sich demge-mäß vor allem in einer Hinsicht im Ver-bund mit allem, was sich „Religion“nennt – nämlich im gemeinsamen Kampfgegen ein Wirklichkeitsverständnis, daseinem materialistischen Monismus frönt.Dem Philosophen Peter Sloterdijk zufolgestellt der Okkultismus eine „verkniffeneNotwehr des metaphysischen Sinns gegendie Zumutungen einer materialistischenKulissenontologie“40 dar. Dieser Konflikt mit einer materialistischenWeltsicht bedeutet aber nicht schon eineRenaissance der Religion schlechthin,sondern nur ein verbreitetes Unbehagenan einer solchen Interpretation der Wirk-lichkeit, die das – durchaus vernünftigeund auch tiefenpsychologisch verständ-liche – Bedürfnis nach einem umfassen-den Sinn negiert. Die boomende Esoterik unserer Zeit istdaher, wie ein zeitgenössischer Esoterikerselbst formuliert, „gleichbedeutend mit ei-nem gewaltigen Supermarkt der Metaphy-sik, in dem sich Millionen von Menschenaus den unterschiedlichsten Motiven nachGutdünken bedienen“41, nicht aber per segleichzusetzen mit Religion. So betont derehemalige Pfarrer und spätere OkkultistHans-Dieter Leuenberger, Esoterik „solltenicht mit Religion verwechselt werden“,denn es handle sich nicht um „Rückbin-dung“ (so deutet er das lateinische Wortreligio), sondern um „Rückbesinnung aufdas kosmische Selbstverständnis des Men-schen, das durchaus ohne einen religiö-sen Gottesbegriff im herkömmlichen

Sinne auskommt“.42 In dem Buch „Esote-rik – die postreligiöse Dauerwelle“ habeich bereits 1995 dargelegt, dass und in-wiefern hier nicht ein religiöses, sondernein nach-religiöses Phänomen vorliegt.Hinzu kommt, dass die Esoterik unsererTage nicht einmal eine Wiederkehr derfrüheren, voraufklärerischen Traditionenvon Okkultismus und Hermetik darstellt,sondern im Kontext der modernen Gesell-schaft ein ganz eigenes Gesicht hat. VielenZeitgenossen erscheint esoterische Spiri-tualität deshalb so hilfreich, weil man da-mit der Fixierung auf einengende „gesell-schaftliche Rollen“ zu entkommen meint,ohne allerdings zu merken, dass man da-durch nur in neue kosmische „Gesetzmä-ßigkeiten“ und Rollenfixierungen hinein-gerät. Im technologischen Zeitalter derMachbarkeiten gehen Esoteriker allzu gernvon zauberhaften Bedingungen aus, zuderen Erfüllung sie befähigt sind. Entspre-chend spekulieren sie darauf, ihre Zukunftaus eigener Leistung heraus gestalten zukönnen. Das Wissen der großen Religio-nen um die Notwendigkeit und Wirklich-keit der göttlichen Gnade spielt hier, wennüberhaupt, dann eine nachgeordneteRolle. Esoterik blüht nicht von ungefähr in-mitten einer ausgesprochenen Leistungs-gesellschaft. Menschen, die esoterischdenken und handeln, sind nicht einfach„Nachzügler der Geistesgeschichte. DieOkkultbewegungen haben vielmehr ihrenSitz und ihre Wurzeln im Leben der mo-dernen Welt, sind Antworten auf elemen-tare Aporien dieser modernen Welt undempfangen ihre Gestalt aus Motiven,Denkweisen und Argumenten der moder-nen Welt.“43 Nachaufklärerische Symp-tome wie Autoritätsverfall, Sinnkrise undHoffnungsverlust lassen viele Menschennicht zuletzt deshalb ihre Zuflucht in derEsoterik suchen, weil sie dort aufkläreri-sche Ideen und Werte nur in anderer Ver-packung wiederfinden können.

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Kurz und gut: Die Esoterik stellt keinewiedergekehrte Religion dar, sondern sieist ein Ausdruck der auch in der säkularenWelt Westeuropas virulent bleibendenFrage nach einem übergreifenden Sinnzu-sammenhang. Nicht eine Renaissance derReligion liegt hier vor, vielmehr ein Indizfür die Kontinuität der religiös-philosophi-schen Grundfragehaltung des Menschentrotz und inmitten des Säkularisierungs-prozesses.

Keine Wiederkehr „der Religion“: Syn-kretismen in permanentem Wachstum

Religion kommt bei näherer Betrachtungimmer nur in bestimmten Konkretionenvor, so wie Sprache eigentlich nicht an-ders als in einer Vielzahl unterschiedlicherSprachen existiert. Gibt es aber vielleicht„Religion“ doch auch als übergreifendesPhänomen, als inhaltlich konkret füllba-ren Begriff im Singular? Nämlich als einebestimmte, mystische Tiefenstruktur, die inallen Religionen mehr oder weniger ver-borgen im Hintergrund steht und dabeisogar deren eigentliche Substanz aus-macht? Also als eine synkretistische „Uni-versalreligion“, wie das insbesondere diemoderne Theosophie behauptet? Undwäre diese dann eine Erklärung für globalwachsende „synkretistische“ Tendenzenim Miteinander der Religionen? Schon 1974 hat sich Michael Mildenber-ger als damaligem Referenten der EZWder Eindruck aufgedrängt, dass sich einsynkretistisches Grundgefühl „diesseitsund jenseits der verschwimmenden Rän-der der christlichen Kirchen immer weiterauszubreiten scheint“.44 1987 formulierteGerhard Adler ausdrücklich, die Hauptre-ligion in Westeuropa sei ein Synkretismusmit wechselnden Inhalten und Schwer-punkten.45 Eine deutliche „Tendenz zumreligiösen Synkretismus“ hat 1993 aucheine Erhebung zur Religiosität in der

Schweiz festgestellt.46 Damals jährte sichgerade die erste Einberufung eines „Welt-parlaments der Religionen“ in Chicagozum 100. Mal. Hier trat deshalb 1993 einzweites „Weltparlament der Religionen“zusammen, vor dem Swami Ghahana-nanda wohl im Sinne der meisten anwe-senden Vertreter der Religionen formu-lierte: „Die Behälter sind verschieden, derInhalt ist derselbe.“ Es gelte, „von Harmo-nie zur Einheit“ voranzuschreiten.47

Stellt ein solcher Trend zur „Einheitsreli-gion“ nicht eine eindrucksvolle „Wieder-kehr der Religion“ dar – nämlich die Wie-dersichtbarmachung der einen, wahrenReligion, die verborgen immer schon inden Herzen aller Menschen lebte undlebt? So sieht es etwa der Benediktinerpa-ter und Zen-Meister Willigis Jäger, der„Visionen einer integralen Spiritualität“48

verfolgt. Mystisches Ahnen interpretiert erals „Erinnerung an die Einheit, aus der wirkommen“. Damit eröffnet sich freilicheine Perspektive, die „über einen Glau-ben an Gott weit hinausgeht“49. Jägerlehrt, alle Religionen seien Wege zur Er-fahrung des Göttlichen, aber keine von ih-nen könne behaupten, den einzigen Zu-gang zu ihm zu besitzen. Gleichwohlwürden alle Religionen auf dem gleichenGipfel enden. Jäger meint demgemäß,„dass die spirituellen Wege aller Religio-nen der gleichen Grundstruktur folgen“50.Wenn man – wie er das tut – das Absolutemit völliger Leere identifiziert, kann manallerdings leicht zu der These gelangen, essei gleichgültig, wie man das Göttlich-Un-begreifliche benenne – ob Brahman, Gott,kosmisches Bewusstsein oder noch an-ders. Konsequent erklärt Jäger, seine Geis-tesschule und seine Übungswege seien„transkonfessionell“ und führten „überalle Dogmen und Bekenntnisse hinaus“.51

Doch hat man es dann überhaupt nochmit „Religion“ zu tun? Der von Jäger ge-lehrte Weg ist ausdrücklich bestimmt

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„auch für all jene, die sich keiner Religionzuzählen“, ja er eröffnet eine rein „säku-lare Mystik“52!Damit bestätigt sich zunächst exempla-risch, dass der Säkularisierungsprozessdem Bestehen lebendiger Religiosität kei-neswegs zuwiderläuft. Vielmehr kann einesolche Religiosität oder Spiritualität sogartatsächlich eine wachsende sein, was derenorme Zulauf zu den Vorträgen des Pa-ters und Zen-Meisters Willigis Jäger be-weist – solange es sich nämlich um einerelativ konturenlose Spiritualität handelt,wie er sie anbietet. Genau das aber istnicht „Religion“ im engeren Sinn desWortes, sondern eher eine mystisch-philo-sophische Abstraktion davon, die sichdeshalb jedweder Religion konkreter Artscheinbar problemlos einpassen oder an-gliedern kann. Und schon gar nicht hatman es mit dem Wiederauftauchen einergeheimen Einheitsreligion zu tun: Diestellt bei näherer Betrachtung lediglich einspekulatives Konstrukt ohne jeglichen reli-gionskundlichen Anhalt dar. Gewiss lässt sich so etwas wie eine mysti-sche Erfahrung des „Zugehörens“ – dieselehrt ausdrücklich David Steindl-Rast53 –als gemeinsame Grundlage aller Religio-nen der Welt behaupten.54 Christlich-theologisch würde man etwa formulierenkönnen, dass Christus als das eine WortGottes alle Menschen auf verborgeneWeise erleuchtet (Joh 1,9) und dass seinGeist in allen wirksam ist, um sie letztlichin Richtung der befreienden Wahrheit zudrängen oder zu bewegen.55 Aber damitist eben gerade nichts klar Aufweisbaresim Sinne einer Religion gemeint, von de-ren Renaissance derzeit die Rede seinkönnte. Vielmehr handelt es sich hierbeium die Benennung einer anthropologi-schen Konstante, die vom wesenhaftenAussein des menschlichen Geistes auf ei-nen umfassenden Sinnhorizont zeugt –oder christlich-theologisch gesprochen: in

der sich etwas von der grundsätzlichenBestimmung des Menschen zur Gemein-schaft mit seinem himmlischen Schöpferandeutet. Im Zuge des Säkularisierungsprozesseszeichnet sich in dieser Hinsicht freilichnicht mehr ab als die vage Beobachtung,dass der Mensch sozusagen unausrottbarreligiös veranlagt ist – und dass diese Ver-anlagung durch die jeweiligen geschicht-lichen bzw. kulturellen Umstände teilsmehr, teils weniger hervor- oder zurück-tritt. Man kann sagen, dass es im 20. Jahr-hundert schon religionskritischere Zeitengegeben hat, als sie das Abendland der-zeit erlebt. Die Wendung von der „Wie-derkehr der Religion“ indessen übertreibtmaßlos, sofern man sie auf Westeuropabezieht.

Zusammenfassung und Ausblick: Blei-bende Religiosität auch in Westeuropa

In allen Punkten hat sich klar und deutlichzeigen lassen: Die These von der „Wie-derkehr der Religion“ lässt sich zumindestfür Westeuropa nicht erhärten. Sie wäreeine Illusion, die sich unscharfer Wahr-nehmung und verschwommener Begriff-lichkeit verdankte. Zutreffend ist sie allen-falls insofern, als man in der einen oderanderen Bewegung oder Bewegtheit einWiedererwachen von Religiosität, vonneuem Fragen nach einem positiven Sinndes Weltganzen entdecken kann. Ein sol-ches Fragen hat aber schon der Aufklä-rungsphilosoph Immanuel Kant als derautonomen Vernunft selbst zugehörig er-wiesen.56 Weder die Lebendigkeit einessolchen Fragens noch die individuell ge-wagten Antworten oder die weltanschau-lichen Monismen, innerhalb derer sie sichgern ansiedeln, bedeuten aber eine Wie-derkehr der Religion bzw. der Religionen– oder gar das erneute Wachstum der ei-nen oder anderen religiösen Institution.

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Vielmehr ist gerade die im Abendland im-mer noch vorherrschende Religion, näm-lich das Christentum – die christliche Kir-che in Gestalt ihrer großen Konfessionenund auch die klassischen Freikirchen undSekten – in kontinuierlichem Schrumpfenoder bestenfalls in einem Zustand der Sta-gnation begriffen.57 Von ihrer Wiedererho-lung oder „Wiederkehr“ als kulturprägen-der Macht kann trotz ihrer enormen per-sonellen und finanziellen Möglichkeitenbis heute keine Rede sein – ausgenom-men einige charismatisch inspirierteGruppen, die insbesondere auch außer-halb Westeuropas wachsen. Große Events wie Kirchentage oder Papst-reisen58 stellen Ausnahmefälle dar undbestätigen nur die Regel. Dabei verzeich-nen selbst solche Ausnahme-Ereignisseeher sinkende Teilnehmerzahlen. Dassman zu Groß-Events wie evangelischenoder ökumenischen Kirchentagen immerwieder einen Mann wie den Pater undZen-Meister Willigis Jäger einlädt, derkeine biblisch und kirchlich verantwort-bare Lehre vertritt, zeugt von einer be-denklichen theologischen Orientierungs-losigkeit der verantwortlichen Kirchen-leute. Dabei müsste doch klar sein: EineKirche, der es im Ernst auf ihre Identitätimmer weniger ankommt, kommt selbst-verständlich bei den Menschen immerweniger an. Dass im Übrigen die Zahl der an JesusChristus Glaubenden in dieser Welt aufdie Dauer wachse, entspricht bekanntlichnicht der Prognose der Heiligen Schrift.Vielmehr ist der apokalyptische Ausblickin dieser Hinsicht eher düster. Keine in-nerweltliche Entwicklung soll das ReichGottes herbeibringen, sondern Gott selbstwird sein Königtum – vielleicht gerade imfinstersten Augenblick – durch einenplötzlichen Einbruch in diese Welt unddurch ihre Umwandlung in einen neuenHimmel und eine neue Erde durchsetzen.

Es ist aus dieser Perspektive nichts mit derAnnahme des sogenannten Kulturprotes-tantismus, der im Anschluss an Kant59 undden neuzeitlichen Fortschrittsglauben aufeinen innerweltlichen Wachstumsprozessin Richtung des verheißenen Gottesrei-ches setzt. Ein solcher Kulturprotestantis-mus lebt geradezu von der Verabschie-dung der eschatologischen Reich-Gottes-Hoffnung zugunsten ihrer Ummünzung ineine dem Fortschrittsglauben angepassteSpiritualität. Wer solche Verabschiedungtheologisch nicht mitmacht, der wundertsich kaum über eine wachsende Krise derChristenheit. Er kalkuliert vor allem auchein, dass der anhaltende Säkularisierungs-prozess mitnichten eine Art Heilsprozessdarstellt. Und tatsächlich ist unser modernes, hoch-technisiertes Zeitalter alles andere als nursegensreich, sondern im Begriff, auf gi-gantische Krisen zuzusteuern. Nur einpaar exemplarische Stichworte seien ge-nannt: „Die Weltwirtschaft verharrt amRande des Abgrunds“, hieß es am 11.März 2010 auf Seite 1 der ZEIT. In nichtzu ferner Zeit drohen große Hungersnöte,wie das neue Buch „Kein Brot für dieWelt“60 aufzeigt. Der CO2-Ausstoß nimmtbekanntlich langsam, aber sicher bedroh-liche Ausmaße an. Die Wasserqualitätwird weltweit immer schlechter.61 DieMobilfunktechnologie zieht ein immerdichteres elektromagnetisches Hochfre-quenz-Netz mit ungeklärten biologischenFolgen über die meisten Länder derErde62. Die Gefahr atomarer Konfliktenimmt namentlich mit der Aufrüstung desIran aktuell weiter zu.63

Ob eine wirkliche Renaissance der Reli-gionen diese besorgniserregende Entwick-lung stoppen könnte, bleibt fraglich. Dennzum einen kommt es darauf an, welchereligiösen Kräfte im Einzelnen dann wirk-sam würden; nicht alle eignen sich als Be-lege für die Richtigkeit der Idee eines

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„Weltethos“ im Sinne Hans Küngs. Undzum anderen ist die Macht irreligiöserKräfte, die derzeit höchst unheilvoll amWerk sind, gewaltig. Auf eine Rückkehrder Religion als heilvolle Entwicklung zusetzen, könnte sich als traurige, ja gefähr-liche Illusion erweisen.Anders steht es um die Möglichkeit jedeseinzelnen Menschen zu einer persön-lichen Rückkehr zur Religion – und zwarnicht nur zu irgendeiner Religiosität oderSpiritualität, sondern zu der Religion, dieam meisten Hoffnung macht. Mit der Ver-heißung der Auferstehung der Toten (1.Kor 15,20ff; Röm 8,17ff)64, eines neuenHimmels und einer neuen Erde (2. Petr3,13) und einer Versöhnung alles Ge-schaffenen mit Gott durch Jesus Christus

(Kol 1,20; Röm 11,32)65 ist die christlicheReligion in ihrer Positivität schlechter-dings nicht zu überbieten. Wer zwischen-zeitlich anderen, weniger attraktiven Hoff-nungen anhing, darf dem Ruf dieses Got-tes, der Liebe ist (1. Joh 4,8.16), neu fol-gen, darf jederzeit zurückkehren zumChristus-Glauben, heimkehren ins bedin-gungslose Vertrauen und Hoffen. Jesus istbekanntlich der Mann mit der Dornen-krone, der schmachvoll Gekreuzigte: Inseinem Namen begegnet keine narzissti-sche Religiosität, sondern eine zur Hin-gabe befreiende, keine mit Pomp wieder-kehrende Religion, sondern eine, die indie Herzen einkehren und heilsam mitdem Gott bekannt machen will, der „grö-ßer ist als unser Herz“ (1. Joh 3,20).

Anmerkungen

1 Vgl. z. B. Wolfram Weimer, Credo: Warum dieRückkehr der Religion gut ist, München 2006; Hei-ner Barz, Religion ist angesagt!, in: Tutzinger Blätter4/2008, 22-24; Karl Gabriel, Die Religionen blei-ben, in: zeitzeichen 11/2010, 12-14; Hans-JürgenLuibl, Wiederkehr der Religion? in: Sonntagsblatt11/2010, 22-24.

2 Siehe Christoph Bochinger, New Age und moderneReligion, Gütersloh 21995; Werner Thiede, „NewAge“ in religionstheologischer Betrachtung, in: Mi-chaela Moravèíková (Hg.), New Age, Bratislava2005, 560-576.

3 Vgl. Ulrich H. J. Körtner, Wiederkehr der Religion?Das Christentum zwischen neuer Spiritualität undGottvergessenheit, Gütersloh 2006.

4 Joachim Kunstmann, Rückkehr der Religion.Glaube, Gott und Kirche neu verstehen, Gütersloh2010, 42f. „Die viel beschworene ‚Wiederkehr derReligion’ ist also eine Defizitanzeige“ (45).

5 Klaus-Peter Jörns, Notwendige Abschiede, Güters-loh 2004, 33.

6 Vgl. Eberhard Jüngel, Untergang oder Renaissanceder Religion? , in: Erwin Teufel (Hg.), Was hält diemoderne Gesellschaft zusammen?, Frankfurt a. M.1996, 176-209.

7 Gottfried Küenzlen, Die Wiederkehr der Religion.Lage und Schicksal der säkularen Moderne, Mün-chen 2003, 29. „Weltweit kann von solcher Entkräf-tung nicht die Rede sein“ (32); „Westeuropa ist einSonderfall“ (33).

8 Vgl. Detlef Pollack, Zur neueren religionssoziologi-schen Diskussion des Säkularisierungstheorems, in:Dialog der Religionen 5 (1995), 114-121.

9 Reinhard Hempelmann, Religion und Religiosität inder modernen Gesellschaft. Evangelische Beiträge,EZW-Texte 179, Berlin 2004, 4.

10 Vgl. Bryan R. Wilson, Religion in Secular Society. ASociological Comment, London 1966.

11 Vgl. Detlef Pollack, Rückkehr des Religiösen? Stu-dien zum religiösen Wandel in Deutschland undEuropa II, Tübingen 2009; ders., Die Wiederkehrdes Religiösen, in: Herder Korrespondenz Spezial:Renaissance der Religion – Mode oder Mega-thema?, Freiburg i.Br. 2006, 6-10.

12 Vgl. Heinz Robert Schlette, Christen als Humanis-ten, München 1967, 53ff.

13 Der SPIEGEL-Beitrag mit dem Cover-Titel „Wer hatden stärkeren Gott?“ (Nr. 52/2009) bringt aktuelleZahlen: 1900 gab es 200 Millionen Muslime, heutesind es 1,5 Milliarden; das Christentum hat sich imgleichen Zeitraum auf zwei Milliarden Anhänger„nur knapp vervierfacht“.

14 Hans Zirker, Islam. Theologische und gesellschaft-liche Herausforderungen, Düsseldorf 1993, 302f.

15 Ein differenziertes Bild hierzu vermittelt AndreasMeier, Der politische Auftrag des Islam. Programmeund Kritik zwischen Fundamentalismus und Refor-men. Originalstimmen aus der islamischen Welt,Wuppertal 1994; ders., Politische Strömungen immodernen Islam, Bonn 1995.

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16 So Bassam Tibi, Kreuzzug und Djihad. Der Islamund die christliche Welt (1999), München 2001, 43.

17 Hans Zirker, Islam, a.a.O., 233; vgl. 234.18 Vgl. Adel Theodor Khoury, Fundamentalismus im

heutigen Islam, in: Hermann Kochanek (Hg.), Dieverdrängte Freiheit, Freiburg i. Br. 1991, 266-276,bes. 268.

19 Vgl. Gilles Kepel, Die Rache Gottes. Radikale Mos-lems, Christen und Juden auf dem Vormarsch, Mün-chen / Zürich 1991.

20 Albrecht Hauser, Keine Kritik mehr am Islam? ZurDebatte um „Islamophobie“, in: idea Spektrum10/2010, 3.

21 Vgl. Bassam Tibi, Fundamentalismus im Islam –Eine Gefahr für den Weltfrieden?, Darmstadt 2000;ferner Gisbert Gemein / Hartmut Redmer, Islami-scher Fundamentalismus, Münster 2005.

22 Vgl. näherhin Hansjörg Hemminger (Hg.), Funda-mentalismus in der verweltlichten Kultur, Stuttgart1991.

23 Evelyn Bokler-Völkel, Renaissance des Religiösen?,in: MUT 499 (2009), 64-71, bes. 68 und 71.

24 Vgl. Werner Thiede, Fundamentalistischer Bibel-glaube, in: ders., Sektierertum – Unkraut unter demWeizen?, Neukirchen-Vluyn 1999, 197-234.

25 Ein Beispiel: Das Southern Baptist Council (SBC) hatEnde des 20. Jahrhunderts den Satz „Der Maßstab,nach dem die Bibel auszulegen ist, ist Jesus Chris-tus“ ersatzlos gestrichen (vgl. Erich Geldbach, Pro-testantischer Fundamentalismus in den USA undDeutschland, Münster 2001, 107).

26 Übersetzt nach WA 39 I, 47, 15ff. 27 Vgl. Paul Althaus, Die Theologie Martin Luthers,

Gütersloh 51980, 79ff.28 Dagegen ist die Bestimmung dieses Begriffs durch

Bezugnahme auf militante Gewalt zu einseitig undzu durchsichtig (gegen Thomas Schirrmacher, Fun-damentalismus. Wenn Religion zur Gefahr wird,Holzgerlingen 2010).

29 Hans-Jürgen Ruppert, Okkultismus – Geisterweltoder neuer Weltgeist?, Wuppertal 1990, 133.

30 Julia Iwersen erblickt als Religionswissenschaftlerinin der Esoterik eine zukunftsträchtige Wiederher-stellung der Sinngebungsleistung traditioneller Reli-gion (Wege der Esoterik. Ideen und Ziele, Freiburgi. Br. 2003).

31 Vgl. Michael Utsch, Neue Umfrage bestätigt Ein-sichten der EKD-Perspektivkommission, in: MD8/2006, 306-308, hier 306.

32 „Damit zählen mehr als sechs Millionen Deutschezur Gruppe ‚spiritueller Sinnsucher’, die besondersaus christlicher und anderer Mystik und Esoterikschöpfen ...“ (ebd., 306).

33 Hans-Jürgen Ruppert, Esoterische Religiosität aufdem Prüfstand, in: Reinhard Hempelmann u. a.(Hg.), Panorama der neuen Religiosität, Gütersloh22005, 285-303, hier 286; ähnlich Gottfried Küenz-len, Die Wiederkehr der Religion, a.a.O., 65.

34 Vgl. Monika Neugebauer-Wölk (Hg.), Aufklärungund Esoterik. Rezeption – Integration – Konfronta-tion, Tübingen 2008 (dazu meine Rezension in:ThLZ 135 [2010], 585f).

35 Vgl. Julia Iwersen, Lexikon der Esoterik, Düsseldorf2001, 81.

36 Christoph Bochinger, New Age, a.a.O., 30.37 Helmut Gollwitzer unterstreicht, „daß ein universell

anwendbarer Religionsbegriff nicht gebildet werdenkann“ (Was ist Religion? München 1980, 19). Ähn-lich Jürgen Hach, Gesellschaft und Religion in derBundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1980, 25;Falk Wagner, Was ist Religion?, Gütersloh 1986, 12und 449f.

38 Vgl. Werner Thiede, Theologie und Esoterik, Leip-zig 2007, 20ff; Edmund Runggaldier, Philosophieder Esoterik, Stuttgart u. a. 1996, 30.

39 Vgl. Helena P. Blavatsky, Die entschleierte Isis(1877), Bd. 1, Leipzig 21922, 224 u. ö.; dies., DerSchlüssel z. Theosophie (1889), Satteldorf 31995, 23.

40 Peter Sloterdijk, Kritik der zynischen Vernunft, Bd.2, Frankfurt a. M. 1983, 638.

41 Franz Binder, Astrali Banali. Vom Mißbrauch derEsoterik, Ergolding 1992, 13.

42 Hans-Dieter Leuenberger, Sieben Säulen der Esote-rik, Freiburg i. Br. 1989, 17 und 91.

43 Kurt Hutten, Parapsychische Phänomene und Ok-kultbewegungen im Urteil der Theologie, in: NeueWissenschaft 1/1968, 36-52, hier 37.

44 Michael Mildenberger, Heil aus Asien? Hinduisti-sche und buddhistische Bewegungen im Westen,Stuttgart 1974, 93f.

45 Gerhard Adler, Vom buntscheckigen New Age, in:Die politische Meinung 32, 232/1987, 73ff, hier 79.

46 Vgl. Alfred Dubach / Roland J. Campiche (Hg.),„Jede(r) ein Sonderfall?“, Zürich 1993, 44.

47 Nach dem Bericht von Leo D. Lefebure, „Weltpar-lament der Religionen in Chicago“, in: Dialog derReligionen 4 (1994), 104-110, hier 109.

48 Willigis Jäger, Westöstliche Weisheit. Visionen ei-ner integralen Spiritualität, Stuttgart 2007.

49 Ebd., 35.50 Ebd., 95.51 Ebd., 15.52 Ebd., 16. 53 Vgl. Werner Thiede, Mystik im Christentum. 30 Bei-

spiele, wie Menschen Gott begegnet sind, Frankfurta. M. 2009, 227-231.

54 Vgl. Fritjof Capra / David Steindl-Rast, Wendezeitim Christentum. Perspektiven für eine aufgeklärteTheologie, München 1991, 47.

55 Vgl. auch Wolfhart Pannenberg, SystematischeTheologie Bd. 1, Göttingen 1988, 170ff und 404ff.

56 Vgl. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, in:Werke in zwölf Bänden, hg. von W. Weischedel,Frankfurt a. M. 1977, Bd. 4, bes. 49 und 59.

57 Die Bertelsmann Stiftung hat im Rahmen ihres Pro-jektes „Die Rolle der Religion in der modernen Ge-

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sellschaft“ den „Religionsmonitor“ entwickelt und2010 festgestellt, dass für einen Großteil der Men-schen in Deutschland Religion und Glaube keineoder nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen.Deutschland ist kein Land, das weitgehend säkulari-siert wäre; gleichwohl zeigt der „Religionsmonitor“,dass eine Wiederkehr der Religion oder eine Re-naissance des Glaubens auch nicht behauptet wer-den kann. „Warum gelten Suche, Sehnsucht und In-teresse an Religion so vorschnell als deren Wieder-kehr?“, fragt Joachim Kunstmann (Rückkehr der Re-ligion, a.a.O., 47).

58 Vgl. Werner Thiede (Hg.), Der Papst aus Bayern.Protestantische Wahrnehmungen, Leipzig 2010.

59 Vgl. Christine Axt-Piscalar, Das gemeinschaftlichehöchste Gut. Der Gedanke des Reiches Gottes beiImmanuel Kant und Albrecht Ritschl, in: WernerThiede (Hg.), Glauben aus eigener Vernunft? KantsReligionsphilosophie und die Theologie, Göttingen2004, 231-256; Werner Thiede, Wie Jesus glauben?

Oder: An Jesus glauben? Kants Einfluss auf die mo-derne Theologie, in: CA III/IV (2006), 75-80.

60 Vgl. Wilfried Bommert, Kein Brot für die Welt. DieZukunft der Welternährung, München 2009.

61 Siehe www.wwf.de/presse/details/news/weltwasser-woche_2010_wasserqualitaet_weltweit_bedroht.

62 Vgl. Heike-Solweig Bleuel (Hg.), GenerationHandy. Grenzenlos im Netz verführt, St. Ingbert2007; Werner Thiede, Omnipräsenter Mobilfunk alsethische Herausforderung, in: Umwelt – Medizin –Gesellschaft 23 (2010, im Druck).

63 Vgl. Werner Thiede, Zeichen der Endzeit? in: unter-wegs 14/2009, 3.

64 Dazu meine Diss. „Auferstehung der Toten – Hoff-nung ohne Attraktivität?“ (Göttingen 1991).

65 Vgl. Ethelbert Stauffer, Die Theologie des NeuenTestaments, Stuttgart / Berlin 1941, 201ff; WernerThiede, Die Hölle ist ausgelöscht. Warum die Hoff-nung auf Allversöhnung theologisch legitim ist, in:zeitzeichen 11/2010, 15-17.

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Andreas Fincke, Berlin

Ist der Humanismus eine (gottlose) Konfession?

In der SPD, der Linken, bei den Grünen,aber auch in der FDP melden sich injüngster Zeit verstärkt Stimmen zu Wort,die einen entschiedenen Laizismus fürDeutschland fordern. Die Themen Tren-nung von Staat und Kirche, Ablösung derStaatsleistungen sowie die Frage nachkirchlichen Privilegien gewinnen aktuellan Brisanz. Ein in den Medien beachtetesEreignis war der Versuch einiger Mitglie-der der SPD, einen „Arbeitskreis Laizistenin der SPD“ zu gründen. Dieser Schrittwurde seit Jahren in verschiedenen Inter-netforen vorbereitet. Zu den prominentenUnterstützern gehören SPD-Landtags- undBundestagsabgeordnete, darunter GerdAndres, Bundesstaatssekretär a. D., sowieIngrid Matthäus-Maier, viele Jahre stell-vertretende Vorsitzende der SPD-Bundes-tagsfraktion und Mitglied im Beirat der re-ligionskritischen „Giordano Bruno Stif-tung“ (vgl. MD 10/2010, 374f). Die SPD-Parteispitze reagierte vorerst kritisch unduntersagte ihren Mitgliedern die Verwen-dung des Parteinamens in diesem Zusam-menhang. Ebenfalls für Aufregung sorgt in den letz-ten Wochen die polemische Schrift „Vio-lettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Staatdie Kirchen finanziert“ von Carsten Frerkund die begleitende Pressekampagnedurch den „Koordinierungsrat säkularerOrganisationen“ (KORSO). Vor diesem Hintergrund ist eine Diskus-sion im Humanistischen VerbandDeutschlands (HVD) interessant. Hiergeht es darum, ob der (atheistische) Hu-

manismus ein Bekenntnis im Sinne einerKonfession, der HVD also eine „Bekennt-nisgemeinschaft“ ist, wie das die Kirchensind.

Ein Recht auf humanistische Weltanschauungsschulen?

Aktueller Hintergrund der Debatte ist einjuristischer Streit um eine Schule in Bre-men. Ende 2008 hatte der HVD Nieder-sachsen gemeinsam mit dem Humanisti-schen Sozialwerk Norddeutschland einenAntrag auf Erteilung einer Genehmigungzur Errichtung einer „HumanistischenSchule Bremen“ in freier Trägerschaft alsWeltanschauungsschule nach Art. 7 Abs.5 Grundgesetz gestellt. Die Schule, re-formpädagogisch ausgerichtet, sollte lang-sam aufwachsen und vorerst mit wenigenSchülern beginnen. Für die weltanschau-liche und pädagogische Ausrichtung derSchule würde der HVD bzw. sein Landes-verband Niedersachsen Verantwortungtragen. Inzwischen ist ein HumanistischerVerband Bremen ausgegründet worden,der Träger sein will.Nachdem die zuständige Senatsverwal-tung keine Entscheidung getroffen hatte,reichte der HVD im August 2009 Untätig-keitsklage beim Verwaltungsgericht derFreien Hansestadt Bremen ein. Mit einemUrteil vom 25. Februar 2010 hat das Ge-richt dem HVD in den wesentlichenPunkten Recht gegeben und die BremerSenatorin für Bildung und Wissenschaftverpflichtet, den Antrag auf Genehmigung

BERICHTE

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zur Errichtung und zum Betrieb einer„Humanistischen Schule Bremen“ neu zubescheiden und damit praktisch den Wegfür die Schulgründung zu eröffnen (Az: 1K 1209/09).In der Urteilsbegründung finden sich ei-nige interessante Überlegungen, die weitüber die Bremer Situation hinausgehen.Denn es ist ein offenes Geheimnis, dassder HVD sich um die Eröffnung weitererSchulen im Bundesgebiet bemühen wird.So geht das Bremer Verwaltungsgerichtauf die Frage ein, ob eine Weltanschau-ung einen Ausschließlichkeitsanspruchformulieren muss, und es führt aus: „Ausder ... Definition einer Weltanschauungergibt sich nicht, dass diese einen Aus-schließlichkeitsanspruch erheben müsste.Entscheidend ist vielmehr, dass ein An-hänger der Weltanschauung diese für sichselbst als eine Sinn- und Werteordnungmit subjektiv verbindlichen Handlungsan-leitungen begreift. In den ... Grundsätzendes HVD vermag die Kammer sehr wohleine weltanschauliche Orientierung zu er-kennen; aus der Betonung der Verantwor-tung des einzelnen für Gesellschaft undNatur ergeben sich zudem moralische An-forderungen an das Handeln. Schließlicherscheint es nicht überzeugend, warumeine Weltanschauung, deren Grundsätzeinzwischen von einem Großteil der Be-völkerung geteilt werden und derenGrundforderungen auch Grundlagen deswestlichen Verfassungsstaates sind, nuraus diesem Grunde keine Weltanschau-ung mehr sein sollte; insbesondere da diegenannten Grundforderungen bei denHumanisten aus einem bestimmten – undsicher nicht von allen Teilen der Bevölke-rung geteilten – atheistischen Weltbild re-sultieren.“1

Mit diesen Gedanken rekurriert die Kam-mer auf ein Gutachten von Wolfgang Lö-wer (Universität Bonn), das die BremerSenatorin in Auftrag gegeben hatte.2 Der

Gutachter hatte bemängelt, dass der Hu-manismus keinen Ausschließlichkeitsan-spruch kenne, und gefolgert, „das schwä-che seine Wahrnehmung als Weltan-schauung naturgemäß“. Dennoch sah Lö-wer im Humanismus eine Weltanschau-ungsgemeinschaft, wenn auch – gemes-sen an den Kirchen und Religionen – „mitgeringerer Prägekraft“. Aus dieser man-gelnden Prägekraft ergab sich für Löwerdie Frage, ob das Schulkonzept hinrei-chend vom Humanismus geformt wird,was Voraussetzung wäre, die Gründungeiner Privatschule zu rechtfertigen. So ist für den Gutachter z. B. das für denHVD konstituierende Moment des Areli-giösen nicht überzeugend, weil auch dieStaatsschule nicht religiös geprägt unter-richtet. Und weiter: „Das Problem der humanistischen Pädagogik, wie es imSchulkonzept ... dargelegt ist, kämpftnach meinem Dafürhalten mit derSchwierigkeit eine Prägung darzulegen,weil die meisten der humanistischenGrundüberzeugungen mit den normativenund ethischen Grundlagen einer vonwestlicher Verfassungsstaatlichkeit starkgeformten Gesellschaft übereinstim-men.“3 Mit anderen Worten: Der huma-nistischen Schule fehlt möglicherweiseein originelles Konzept. Trotz dieser Bedenken sah der Gutachteraber auch Ansätze für ein besonderes Pro-fil. So verweist er darauf, dass das Schul-konzept z. B. dem Philosophieren mitKindern, humanistischen Werten sowie ei-ner weltlichen Fest- und Feierkultur be-sonderen Raum einräumen möchte. Obdamit jedoch der Erwartung des Grundge-setzes nach Art. 7,5 Genüge getan wird,ließ der Gutachter offen. Alles in allem war das Urteil für den HVDerfreulich – schien doch der Weg zurSchulgründung frei. Ende Mai 2010 legtedie Landesregierung jedoch Berufung ein.Im Mittelpunkt der Argumentation stand

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erneut die Frage, ob der vom HVD vertre-tene Humanismus über eine hinreichendePrägekraft verfügt, die den Sondergeneh-migungsstatus für eine private Volksschulenach Art. 7 Abs. 5,2. Alt. GG rechtfertigenkönnte.

Positionierungen in der „Bekenntnisfrage“

Ende September 2010 hat nun Horst Gro-schopp, von 2003 bis 2009 Präsident desHVD, in Bremen und andernorts mit un-terschiedlichen Beiträgen zur Frage nachdem Bekenntnis des HVD Stellung bezo-gen. Das Thema ist nicht ohne Risiken, dader HVD in der Bekenntnisfrage bisherunterschiedliche Positionen eingenom-men hat.4 Im ersten Selbstverständnis von1993 hieß es recht unbefangen: „Mit sei-nem Bekenntnis zu einer weltlich huma-nistischen Lebensauffassung knüpft derHVD bewusst an Traditionen an, die inder europäischen Aufklärung, im Libera-lismus und in der Arbeiterbewegung des19. und frühen 20. Jahrhunderts wur-zeln.“ Ende der 1990er Jahre verschwanddas Wort „Bekenntnis“ aus den grundle-genden Texten. Im Selbstverständnis desHVD aus dem Jahre 2001 heißt es: „Das‚Selbstverständnis’ des HVD ist keine‚Doktrin’, keine ‚Theorie’, keine ‚ge-schlossene Weltanschauung’, kein ‚Be-kenntnis’.“ Als dieser Text später nachge-druckt wurde, entfielen die Anführungs-zeichen, sodass die Formulierung derzeitfaktisch lautet: Das „Selbstverständnis ...ist … kein Bekenntnis.“ Groschopp akzentuiert jetzt anders: „DieWahrheit aussprechen bedeutet, sich zubekennen ... Eine Weltanschauungsge-meinschaft Humanistischer Verband, dieden Anforderungen des Grundgesetzesgenügen und mit den Religionsgesell-schaften gleich gestellt sein will, ist ohneBekenntnis zum Humanismus nicht mög-

lich. Dabei ist es nebensächlich, ob dieseöffentlich abzulegende Gewissheitsbe-teuerung ‚Konfession’ genannt wird.Wenn aber christliche Religionen inDeutschland konfessionell und mit ‚hin-kender Trennung’ von Staat und Kirche or-ganisiert sind, kann dies dem HVD nichtgleichgültig sein, schon weil das Religi-ons- und Weltanschauungsrecht dadurchbestimmt wird.“5

Für Groschopp gibt es einen grundsätz-lichen Unterschied zwischen einem welt-anschaulichen Verein und einer Weltan-schauungsgemeinschaft. Er schreibt: „EineWeltanschauungsgemeinschaft ist keinweltanschaulicher Verein wie es ja vielein unserem Land gibt, von Jugendweihee.V. bis zu Greenpeace.“ Daher unter-scheidet Groschopp zwischen einem „all-gemeinen und gesellschaftlich gegebenenHumanismus“ und einem „speziellen undgemeinschaftlich organisierten Humanis-mus des HVD“.6 Er greift damit eine Un-terscheidung auf, die in dem bereits zitier-ten Gutachten ebenfalls angeklungen war:Eine Weltanschauung bleibt auch danneine Weltanschauung, wenn ihre Grund-sätze von einem Großteil der Bevölkerunggeteilt werden und zu den Grundlagendes Verfassungsstaates gehören. Auf Anfrage teilt Groschopp mit, dass esfür die Politik des HVD im Grunde uner-heblich sei, ob er sich selbst als „konfes-sionell“ bezeichne oder diesen Begriff ab-lehne. Faktisch trete er „konfessionell“ aufund werde so behandelt. Außenstehendewerden schnell den Verdacht äußern, derHVD wolle sich selbst doch nur zur Kon-fession erheben, damit er leichter an För-dergelder komme. Diesen Verdacht weistGroschopp zurück: Die Gleichbehand-lung von Religionen und Weltanschauun-gen (Grundgesetz Art. 4,1 und Art. 140i.V.m. Art. 137,1 WRV) sei in der Grund-gesetzinterpretation längst kein Problemmehr; alle wichtigen Kommentare sähen

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das so. Es gehe ihm in der Tat um ein Be-kenntnis zu einer humanistischen Weltan-schauung. In die Debatte über die Bekenntnishaftig-keit des HVD meldete sich inzwischenauch Frieder Otto Wolf, amtierender Prä-sident des HVD, mit einem Text unter demTitel „Bekenntnis und ‚Bekenntnis‘. Einesprachanalytische Übung“ zu Wort. Er un-terscheidet zwischen (mindestens) zweiBekenntnisbegriffen. In seinen Augenkann sich das Bekenntnis des HVD nichtan christlich-kirchlichen Traditionen orien-tieren. „Wenn es als ein ‚Glaubensbe-kenntnis’ im Sinne der etablierten christ-lichen Kirchen verstanden würde, wäredaher ein ‚humanistisches Bekenntnis’eine Absurdität.“ Das nimmt, so Wolf,„dem ganz realen humanistischen Be-kenntnis zu einer niemals abschließendformulierbaren Lebenshaltung und zu ei-ner damit verbundenen unvermeidlichunvollständigen Weltanschauung abernichts von seinem Ernst und seiner Ent-schlossenheit ...“7

Was aber bedeutet es, wenn der Huma-nismus ein Bekenntnis ist? Dazu teilt Gro-schopp mit: „Der organisierte Humanis-mus geht davon aus, dass es nicht genügt,aus den Kirchen auszutreten. Den Men-schen muss ein Angebot gemacht werden.Wir müssen uns der Aufgabe stellen, denMenschen etwas zu geben, das ihnen einePerspektive bietet und sie in ihrer Lebens-einstellung unterstützt. Das meine ichnicht nur theoretisch: Wer wie wir vonSterbehilfe redet, muss auch Hospize un-terstützen – und das machen wir. Allein inBerlin gibt es vier humanistische Hospize.Wer wie wir von Bildung redet, mussauch Kindertagesstätten betreiben. Und ermuss in die Schulen gehen: Weil das Ber-liner Schulfach Ethik den Humanismusnur am Rande behandelt, bieten wir auchweiterhin den Lebenskundeunterricht an –und erreichen in Berlin und Brandenburg

damit derzeit 55 000 Schüler pro Jahr. Ichgehe davon aus, dass wir dieses Schulfachüber kurz oder lang auch in anderen Bun-desländern anbieten werden.“8

Offene Fragen

Der Konflikt um die Schule in Bremen hatverschiedene Ebenen. Die juristische Aus-einandersetzung zeigt, dass der HVD aufDauer gute Chancen haben dürfte, dieGründung humanistisch-atheistischerSchulen bundesweit durchzusetzen. Da-von unberührt bleibt die Frage, ob derHVD die institutionelle und personelleKraft hat, zahlreiche solcher Projekte zuverfolgen. Spannungsreich bleibt, dass inder säkularen Szene Schulgründungendieser Art umstritten sind. Zwar zweifelthier niemand die weltanschauliche Quali-tät des religionsfreien Humanismus an,viele betonen aber den Grundsatz strikterSäkularität des Staates. Und mit diesemwären humanistische Schulen genausowenig vertretbar wie zahlreiche Schulenin kirchlicher Trägerschaft. (Im atheisti-schen Internetforum www.freigeister-haus.de wurde zeitweise heftig über dieseFrage gestritten.)9Nicht ganz risikolos dürfte für den HVDauch die Frage nach seinem pädagogi-schen Profil sein. Ursprünglich hatte derHVD die Nähe vieler Menschen zum„Humanismus“ unterstrichen, um so her-vorzuheben, wie unspektakulär sein An-sinnen auf Gründung einer dem HVD na-hestehenden Schule wäre. Daraufhin hat-ten die Bremer Richter gefragt, worindenn nun das besondere pädagogischeKonzept der Schule bestehe – Atheismusallein genüge nicht. Die Frage nach dempädagogischen Konzept dürfte an Rele-vanz gewinnen. Und schließlich: In der Szene der säkula-ren Organisationen werden die Bemühun-gen des HVD um Neupositionierung in

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der „Bekenntnisfrage“ kritisch gesehen.Hier macht derzeit das Gerücht dieRunde, der HVD wolle sich zu einer Art„Humanistischer Kirche“ wandeln. AufNachfrage teilt Groschopp (mit Verweisauf sein in diesen Tagen erscheinendesBuch „Konfessionsfreie und Grundge-setz“) mit, dass dies ein alter und unbe-gründeter Vorwurf sei. Aus seinem Artikelüber „Konfessionsfreie und Weltanschau-ungspflege“ zitierend, meint er, es sei klar,dass auch bei Muslimen keine „Kirche“Voraussetzung sei, um mit den anderenReligionsgemeinschaften gleichbehandeltzu werden. Dramatischer sei vielmehr, obes in der Gesellschaft ein „wachsendesBedürfnis konfessionsfreier Menschennach einem offenen ‚konfessionellen Hu-manismus’ gibt, wie er dem Konzept einerWeltanschauungsgemeinschaft nun ein-mal innewohnt“. Das jedoch, so räumt erein, wird erst die Geschichte zeigen.10

Anmerkungen

1 Verwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen,Urteil vom 25.2.2010 (Az: 1 K 1209/09), 10.

2 Wolfgang Löwer, Gutachtliche Stellungnahme zuRechtsfragen der Genehmigung einer Weltanschau-ungsgrundschule, November 2009.

3 Ebd.4 Vgl. genauer: Horst Groschopp, Bekenntnisge-

schichte des HVD. Eine Betrachtung der „Humanis-tischen Selbstverständnisse“ seit Gründung desHVD 1993, 5f, www.humanistische-akademie-deutschland.de.

5 Horst Groschopp, Humanismus – eine (gottlose)Konfession? Die Weltanschauung hinter der Huma-nistischen Schule Bremen, 4, www.humanistische-akademie-deutschland.de.

6 Ebd.7 Frieder Otto Wolf, Bekenntnis und „Bekenntnis“.

Eine sprachanalytische Übung, 3f, www.humanis-tische-akademie-deutschland.de.

8 Das ist ein Bekenntnis. Interview mit Horst Gro-schopp, in: Rheinischer Merkur vom 30.9. 2010.

9 Vgl. z. B. www.ibka.org/node/972.10 Horst Groschopp, Konfessionsfreie und Weltan-

schauungspflege, in: ders. (Hg.), Konfessionsfreieund Grundgesetz, Aschaffenburg 2010.

ESOTERIK / PSYCHOSZENE

Das 17. „Rainbow Spirit Festival“ hat inBerlin stattgefunden. Seit 16 Jahren wirdimmer zu Pfingsten in Baden-Baden dasRainbow Spirit Festival veranstaltet, dassich als Angebot zum Feiern und Austau-schen für spirituell Suchende versteht.Jetzt kam es erstmals vom 12. bis 14. No-vember 2010 nach Berlin. Initiiert wurdedas Festival von Teresa und Thomas Sura.Zusammen mit Heinrich Großmann be-treibt Thomas Sura, der als Sannyasin denNamen Mariam trägt, die „One SpiritGmbH“ in Baden-Baden, die das Festivalorganisiert.Zur Entstehung und Entwicklung des Festi-vals äußern sich Teresa und Thomas Suraausführlich auf „Jetzt-TV“, der Internet-plattform für Satsang und andere „spiritu-elle Lehrer und weise Menschen“(www.jetzt-tv.net). Zunächst waren sieselbst Aussteller mit einem Meditations-zentrum auf Esoterikmessen. Sie fandendiese allerdings zu anstrengend, zu kom-merziell orientiert und sie vermissten ei-nen inhaltlichen Anspruch und Austausch.Für ihr eigenes Festival unter dem Motto„Love – Live – Laughter – Now!“, das1994 zum ersten Mal im Kongresshaus inBaden-Baden stattfand, nennen sie dreiwichtige Anliegen: Sie suchten anspre-chende Räume und eine schöne Umge-bung. Außerdem wollten sie „der Spiritua-lität mehr Raum geben“. Hier bezieht sichThomas Sura auf seine Erfahrungen alsSannyasin in Poona im Ashram von Bhag-wan Shree Rajneesh (Osho). Ähnlich wiedort sollte das Festival Gelegenheit zumgemeinsamen Singen und Tanzen geben,zur Innenschau, zum Austausch und zurBegegnung. Wie ein „Familienfest“möchte das Festival ein Treffpunkt für

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Menschen sein, die sich schon lange ken-nen oder die in ähnlicher Weise spiritu-elle Entwicklung suchten. Allerdings woll-ten Teresa und Thomas Sura kein „Sat-sang-Festival“ oder „Sannyas-Festival“veranstalten. Als weiteren wichtigen in-haltlichen Aspekt für ihre Veranstaltungnennen die Initiatoren „Toleranz und Ak-zeptanz“ von „unterschiedlichen Wegen,die alle zum selben Ziel führen, wie im-mer du es dann nennst: Gott, das Eineoder was auch immer“. So kommt es, dassauf dem Festival ganz verschiedene Aus-steller und Veranstalter aus den BereichenPsychoszene, alternative Heilszene undEsoterik zu finden sind. Ein Schwerpunktliegt allerdings ganz deutlich auf Satsangund westlichen Transformationen fernöst-licher Spiritualität. Für die gewünschtespirituelle Offenheit und Vielfältigkeitsteht das Regenbogenmotiv im Titel desFestivals. Angeboten werden zahlreiche Vorträge,Workshops, Konzerte und eine weitläu-fige Ausstellung, auf der sich Anbieter ausden verschiedenen Szenen mit Ständenvorstellen können. Zur Auswahl der An-bieter sagen Teresa und Thomas Sura, dasssie sich in den ersten Jahren gezielt umbestimmte Lehrer und Künstler bemühthätten. Als sich das Festival etabliert hatte,meldeten sich verschiedene Anbieter vonsich aus an. Um ein „gutes spirituelles Niveau“ zu halten, lehnen die Initiatorenalles ab, was ihnen „zu jahrmarktmäßig“(z. B. „Computerhandlesen“) vorkommt,alles, bei dem „der kommerzielle Aspektim Vordergrund“ zu stehen scheine, sowieAnbieter, bei denen der Verdacht auf „sek-tenähnliche Strukturen“ und „Machtmiss-brauch“ bestehe. Über die Jahre seien sieaber bei der Zulassung toleranter gewor-den. Sie möchten niemandem die Teil-nahme verwehren, „der sich ernsthaft aufeinem Weg befindet“. Nicht toleriert wer-den „Übergriffe“ auf Teilnehmer. Wenn

ihnen grenzwertige Vorfälle gemeldetwerden, würde der entsprechende Anbie-ter zu weiteren Festivals nicht mehr zuge-lassen. Nach ihrer Beobachtung finde beiTeilnehmern, die über einen längerenZeitraum regelmäßig am Festival teilneh-men, eine Entwicklung statt. Wer zu-nächst eher etwas „Esoterisch-Jahrmarkt-mäßiges“ gesucht habe und mehr an„Phänomenen“ als an einer „Innenschau“interessiert gewesen sei, fange an, sich zuverändern. Persönliche Schwerpunkte des Festivalssehen die Veranstalter einerseits in derStille und andererseits im Feiern, in Musikund Tanz. Sie begründen dies selbst miteiner gewissen Sättigung an „spirituellerLehre“. Mit der Zeit habe man „allesschon einmal gehört“. In den letzten Jah-ren neu dazu gekommen seien kreativeAngebote für Erwachsene. „Lebendiger,fröhlicher, mehr Miteinander, wenigerKommerz“ – so umschreiben Teresa undThomas Sura ihre Vorstellung vom Festi-val. Im Vorfeld der Großveranstaltung er-scheint jeweils eine Sondernummer desMagazins „Visionen“ (Redaktion: „OneSpirit GmbH“). Es wird an etwa 40 000Interessenten verschickt. Darin finden sichInformationen über alle auftretenden „spi-rituellen Lehrer“ und über Themen-schwerpunkte sowie ein detailliertes Pro-gramm. Im Jahr 2009 sollen laut Veranstalter 5000Besucher an dem traditionellen Festival zuPfingsten teilgenommen haben. In Berlindürfte im Herbst 2010 die Besucherzahlweit darunter gelegen haben, nicht zu-letzt, weil dort das Festival weniger be-kannt ist. Auf dem Berliner Festival in der„STATION“ in Kreuzberg präsentiertensich laut Veranstalter über 100 Aussteller,und es fanden etwa 150 Einzelveranstal-tungen statt. Es waren zahlreiche Satsang-Lehrer vertre-ten, u. a. Sri Vast, Christian Meyer und

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Madhukar, sowie Tantra-, Yoga- und Tian-Gong-Anbieter. Unter den Ausstellern warz. B. das bereits in die Kritik geratene„Yoga Vidya“ anzutreffen. Einige Vertreter,die der Psychoszene zugerechnet werdenkönnen, traten auf, z. B. der „Mentaltrai-ner“ Ralf Bihlmaier sowie Veit Lindau undManfred Mohr mit ihren Coaching-Ange-boten für „mehr Erfolg“ bzw. „mehr Kon-takt mit dem eigenen Herzen“. Zu denAusstellern zählte auch das Avatar-Kurs-system von Harry Palmer. Bettina Hallifaxstellte „The Journey“ vor, eine „Selbsthei-lungspraxis“ von Brandon Bays. Der Be-reich alternative Heilung („Heilenerge-tik“, „Geistheilung“ etc.) und Therapiewar neben Satsang am stärksten präsent.Hier stellten z. B. Bettina und RamodaAustermann ihre Theorie und Therapie des„verlorenen Zwillings“ vor: Demnach las-sen sich viele psychische Probleme undBeziehungsschwierigkeiten darauf zu-rückführen, dass man im Mutterleib einenZwilling verloren habe, von dem manmeist nichts wisse. Mit Rainer Frankekonnte man sich „freiklopfen“. BeateBunzel-Dürlich sprach über „das Phäno-men systemischer Aufstellung“. Nicole Va-lentine referierte über „Lichtkinder“. Siehat zahlreiche neue Chakren entdecktund vertreibt Bettwäsche und T-Shirt-Sym-bole, die ihr als Medium angeblich ausder „geistigen Welt“ gechannelt wordensind. Antje und Edwin Eisele boten „Live-Channeling“ an und ließen ihren Engel„Lichtlord Metatron“ die aktuellen Welt-geschehnisse deuten. Mehrere Schama-nen, der Druide Philip Carr-Gomm, derseit 1988 den Druidenorden „Order ofBards, Ovates und Druids“ (OBOD) leitetund Wicca und Druidentum zum „Druid-craft“ verbindet, sowie eine Hexe mitTheologiestudium (Stefanie Glaschke) tra-ten mit eigenen Veranstaltungen auf. Außerdem fanden zahlreiche Konzertestatt: mit Mantragesängen, New-Age-Mu-

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sik und musikalischen Versatzstücken ausder Sufitradition, mit indischer und india-nischer Musik. Ein gewisser Schwerpunktim Programm lag auf dem Thema Ernäh-rung.2011 wird das jährliche Rainbow SpiritFestival nicht mehr in Baden-Baden, son-dern in München stattfinden. Als Gründefür den Ortswechsel geben Teresa undThomas Sura unter anderem wachsendeBesucherzahlen und steigende Kosten inBaden-Baden an. Die von Thomas Surageführte One Spirit GmbH richtet nebendem Festival seit 1996 unter dem Namen„Harmony World“ ebenfalls jährlich inBaden-Baden eine „Fachmesse für ganz-heitlichen Handel“ aus. Im Jahr 2010 fandaußerdem zum zweiten Mal ein „Music &Dance Festival“ statt.Das Rainbow Spirit Festival bietet dieMöglichkeit, verschiedene Angebote ausden Bereichen Esoterik und Psychoszenekennenzulernen und auszuprobieren. Esunterstützt damit den in diesen Kreisencharakteristischen Trend zur „spirituellenWanderschaft“. Wünschenswert wäreeine stärkere szeneinterne Auseinander-setzung mit problematischen Seiten be-stimmter Angebote und Praktiken, die sichnicht auf die Kritik am „Kommerz“ desEsoterikmarktes beschränkt.

Claudia Knepper

Tolle Zeiten: Eckhart Tolle in Hannover.Nach dreijähriger Pause war Eckhart Tollefür zwei Termine wieder in Deutschland.Am 26. Oktober 2010 fand ein „Event“mit ihm in Karlsruhe statt, am 28. Oktoberkam er nach Hannover. Tolle wird von Be-obachtern der Satsang-Szene zugerech-net, obwohl er sich selbst gegen diese Ein-ordnung sträubt (zur Satsang-Bewegungvgl. MD 10/2010, 389-392). Typisch fürdie vom hinduistischen Advaita-Vedantageprägte westliche Satsang-Bewegung ist

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die Einordnung in eine Lehrer-Schüler-Li-nie. Daneben gibt es aber auch die soge-nannten Spontanerwachten. Zu ihnenkönnte Tolle gezählt werden, der von ei-nem Erleuchtungserlebnis zu berichtenweiß, das ihm Ende der 1970er Jahre inCambridge widerfuhr. Wenn man ihmGlauben schenken kann, wurde er ohneAbsicht zum spirituellen Lehrer. Mittler-weile ist er zu einer Marke geworden, zueinem „Global Player“ auf dem esoteri-schen Markt. So kamen die Besucher inHannover – den Nummernschildern aufdem Parkplatz nach zu urteilen – aus allenHimmelsrichtungen: Potsdam war ge-nauso vertreten wie Freiburg, es waren so-gar Fahrzeuge aus Dänemark und Belgiendabei. Die meisten Besucher stammten al-lerdings aus dem nordwestdeutschenRaum.Der ungefähr 3000 Personen fassendeKuppelsaal in Hannover bietet eine be-sondere Atmosphäre, die auch schon vonanderen Anbietern aus dem esoterischenSpektrum genutzt wurde. Trotz Karten-preisen von 48 Euro konnten die Veran-stalter den größten Teil der Plätze füllen.Im Vorfeld der Abendveranstaltung mitTolle präsentierten sich in der Eingangs-halle und in den Wandelgängen verschie-dene regionale und überregionale Anbie-ter esoterisch-spiritueller Ausrichtung miteigenen Ständen. Einige traten auch alsSponsoren auf. So wurde für den „Bene-diktushof“ und für „ZEGG“ geworben,das „Humanity’s Team“ („inspiriert vonNeale Donald Walsch“) war vertreten,aber auch das „Rainbow Spirit Festival“vom 10. bis 13. Juni 2011 in Münchenwurde mit Flyern beworben. Ab 17 Uhrtrat der Musiker Devakant auf, der als„spannender Weltmusiker“ vorgestelltwurde, „der uns wirklich mit seiner Musik,verzaubern’ wird“.Bestand das Publikum am frühen Nach-mittag eher aus Personen jenseits der 50

Jahre, nahm der Anteil der jüngeren Besu-cherinnen und Besucher zum Abend hindeutlich zu. Vielfach waren Paare vonFrauen und Männern oder Frauen zu be-obachten. Die Besucher(innen) wirktengut situiert; es herrschte keine besondereKleiderordnung.Die Zeit zwischen dem Auftritt Devakantsund Tolles Erscheinen wurde mit einer Vi-deopräsentation überbrückt, die für Tollesneues TV-Angebot im Internet warb – un-ter der Frage: „What if Eckhart Tolle wereavailable 24/7 to support your spiritualawakening?“ (vgl. www.eckharttolletv.com). Gezeigt wurde Tolle mit Größenwie dem Dalai Lama oder wie er aus sei-nen bevorzugten Büchern zitiert: denWerken von Emerson und Marc Aurel,dem „Tao te-King“ oder „Ein Kurs in Wun-dern“. Ursprünglich sollten die Schau-spielerin Ursula Karven und der Rockmu-siker Rudolf Schenker als Prominente vonihren Erfahrungen mit Tolle berichten unddie Begrüßung übernehmen. Sie warenaber verhindert, sodass es dem Coach Mi-chael Fromm als Veranstalter und Tollesdeutschem Verleger Joachim Kamphausenüberlassen blieb, den Abend zu eröffnen.Beide freuten sich angesichts des großenZuspruchs über den Erfolg. Fromm wiesdarauf hin, dass die Events in Karlsruheund Hannover gewissermaßen Jubiläums-veranstaltungen anlässlich des Erschei-nens von Tolles Bestseller „Jetzt! Die Kraftder Gegenwart“ vor zehn Jahren inDeutschland seien. Kamphausen beju-belte „zehn Tolle Jahre“ und bedanktesich bei seiner Lektorin, die ihn seinerzeitauf diesen Autor aufmerksam gemachthatte.Dann erschien mit einiger VerspätungTolle selbst auf der Bühne. Angekündigtwaren zwei Stunden mit ihm. Tatsächlichwurden es ca. 90 Minuten. Gebotenwurde Monolog ohne Rückfragen, nur un-terbrochen durch Lacher aus dem Publi-

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strichen seine Worte. Tolle kann mühelosvon Alltagserfahrungen zu Einstein undKant springen; auch Jesus und Buddhadurften in seinem Vortrag nicht fehlen.Natürlich waren das – wie in seinen Wor-ten anklang – große Leute, die Bedeuten-des zu sagen hatten. Aber was bei ihnenschwierig erscheinen mag, das wird,wenn man Tolle folgt, ganz einfach. DieZuhörer bekamen den Eindruck vermit-telt, dass der esoterische Pfiffikus mit demerstaunten Blick da vorne die Welt wirk-lich durchschaut hat! „Wer bin ich?“,fragte er am Ende und schloss die Augen.Als er sie öffnete, breitete er gleichzeitigseine Hände aus und sagte nur ein Wort:„Das!“ Nachdem er das noch einmal wie-derholt hatte, war Schluss.Gewisse Längen sind bei einer so einfa-chen Botschaft wohl nicht zu vermeiden.90 Minuten schienen dem Publikum je-denfalls zu reichen. Es gab keinen Wider-spruch und nur kurzen Applaus, als Tolleaufstand und hinter der Bühne ver-schwand – so wie er 90 Minuten zuvoraufgetaucht war. Sofort leerte sich derRaum. Jetzt war die Zeit gekommen, zumAuto oder zur Straßenbahn zu gelangen!

Jürgen Schnare, Hannover

kum. Aus den Kulissen trat ein kleiner, un-scheinbar wirkender Mann, der sich lang-samen Schrittes und gebeugt zur Bühnen-mitte bewegte. Dort nahm er auf einemStuhl Platz. Die graublaue Farbe und derSchnitt seiner Kleidung ließen ihn biederund langweilig erscheinen. Einen Gurustellt man sich anders vor! Wie bei sol-chen Veranstaltungen üblich, wurde dasBild des Redners großflächig auf eineLeinwand im Bühnenhintergrund proji-ziert. Optisch dominierte deshalb im Fort-gang des Abends Tolles Gesicht, das oft zusehen war und immer wieder einen kind-lich-neugierigen Ausdruck zeigte.Tolle hat seine ersten Lebensjahre inDeutschland verbracht und soll eigentlichden Vornamen Ulrich tragen. Erst späterhätte er sich, heißt es, nach dem mittelal-terlichen Theologen und Mystiker MeisterEckhart genannt. Mittlerweile lebt er inKanada. Den Vortrag hielt er auf Deutsch.Er wirkte dabei, anders als bei früherenAuftritten, sprachlich größtenteils sicher.Selten einmal hatte er Schwierigkeiten beider Suche nach dem richtigen Begriff. Derleichte angelsächsische Akzent ließ seineWorte möglicherweise bedeutsamer er-scheinen, als sie waren. Die Botschaftselbst nämlich war altbekannt und vonder gleichen Schlichtheit, die eine Zeitungeinmal so wiedergab: „Der Mensch kannzu sich selbst finden, wenn er sein Ego ab-legt und im Augenblick aufgeht, statt anGestern oder Morgen zu denken“ (SergeDebrebant in der Frankfurter Rundschauvom 12.5.2009). Allerdings hat Tolle trotz aller SchlichtheitEntertainer-Qualitäten und weiß sein Pu-blikum immer wieder mitzunehmen undzum Lachen zu reizen. Schon sein Ein-stieg sorgte für große Heiterkeit. Dabeikündigte er an, er wolle mal „über etwasNeues“ reden, nämlich „über das Jetzt,denn neuer geht es nicht“. Pausen im Vor-trag und eine entsprechende Gestik unter-

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Meditation ohne Religion? Ein Kongresszur Bewusstseinsforschung. Eine säkulareKathedrale, der glasüberdachte Innenhofder Deutschen Bank an Berlins Pracht-straße „Unter den Linden“, bot den Rah-men für einen interdisziplinären Kongresszur Bewusstseinsforschung, der am26./27. November 2010 von der „Ober-berg Stiftung“ und der „Identity Founda-tion“ veranstaltet wurde. Etwa 400 Teil-nehmer lauschten Einsichten von Hirnfor-schern zum Tagungsthema „Meditationund Wissenschaft“. Intensiv wurde der Be-fund diskutiert, wonach regelmäßige Me-ditation die Gehirnstrukturen messbar ver-

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ändere (Zusammenfassung der Vorträgeunter www.meditation-wissenschaft.org).Der Kongress war von einer Aufbruchstim-mung geprägt, die in der Meditation eingesellschaftsveränderndes Potenzial fürMedizin, Psychotherapie und Wissen-schaft sieht. Das Konzept „Achtsamkeit“,derzeit in vielen psychotherapeutischenWeiterbildungen ein Renner, kam aus-führlich zur Sprache. Es wurden Studienvorgestellt, wonach durch achtsamkeits-basierte Meditation sogar chronischeSchmerzen gelindert werden können. DerVorschlag, religionsfreie Meditationsange-bote in allen Schulen einzuführen, stießauf breite Zustimmung.Aus weltanschaulicher Perspektive müs-sen jedoch drei Anfragen an die höchstprofessionell durchgeführte Tagung vorge-bracht werden.1. Religionsfreie Meditation übergeht dasSinndeutungsbedürfnis des Menschen.Bleiben existenzielle Fragen unbeantwor-tet, wird die Lücke oft durch esoterischesGedankengut gefüllt. Offiziell distanzier-ten sich die Veranstalter von jeglicherForm von Esoterik in Bezug auf den Kon-gress. Die wissenschaftliche Hirnfor-schung sei Grundlage aller Überlegungen.Dennoch war den Teilnehmerunterlagenumfangreiches esoterisches Schrifttum inForm von Zeitschriften und Prospektenbeigefügt. Die Informationstische in derEingangshalle waren mit einschlägigenProspekten übersät, und auch manche Re-ferenten gehörten eher zu den Esoterik-Sympathisanten als zur Fraktion der Hirn-forscher. 2. Vorurteile und Unkenntnis gegenüberdem Christentum und unkritische Sympa-thien für den Buddhismus prägten die Ta-gung. Trotz der offiziellen religiösen Neu-tralität waren buddhistische Konzepte undInhalte sehr präsent. Michael von Brückerläuterte bei der abschließenden Podi-umsdiskussion den Vorzug des Buddhis-

mus, da dort eine fortwährende Selbstver-besserung möglich sei. Weil das Christen-tum an seiner traditionellen Sündenlehrefesthalte und den Menschen auf seineFehlerhaftigkeit fixiere, sei diese Religionnicht zukunftsfähig. Noch schärfer pole-misierte Thomas Metzinger in einem Vor-trag über intellektuelle Redlichkeit gegenden christlichen Glauben. Es wurde einFoto gezeigt, auf dem Papst Pius XII. undHitler abgebildet waren. Beide seien Ver-treter „adaptiver Wahnsysteme“, die demZusammenhalt von Großgruppen dientenund interne Hierarchien stabilisieren woll-ten. 3. Angebote zur besseren Körper- undSelbstwahrnehmung, Entspannungs- undKonzentrationsübungen sind gefragt undhilfreich. Will man jedoch grundlegen-dere Sinnfragen beantworten, können diekulturellen Prägungen nicht übergangenwerden. Eine kulturfreie Meditationkommt über das Niveau von Gymnastik-übungen nicht hinaus (die natürlich wohl-tuend und nützlich sein können). Ohneeine reflektierte Einbeziehung von Men-schen- und Gottesbildern, ethischen Wer-ten und Zielvorstellungen für ein gelin-gendes Leben kann das Potenzial der Me-ditation nicht ausgelotet werden. Hoffent-lich wird das bei der Folgetagung berück-sichtigt, die für 2012 geplant ist.

Michael Utsch

FILM UND LITERATUR

Sünners kreatives Universum. In seinemneuesten Film „Das kreative Universum –Naturwissenschaft und Spiritualität imDialog“ konstatiert Rüdiger Sünner eineSpannung zwischen einem Weltbild derNaturwissenschaften, die als „die großeWissensautorität“ gelten, und spirituellenWeltbildern mit „umfassenderen Sinnho-rizonten“, zu denen sich immer mehr

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Menschen hingezogen fühlten (www.das-kreativeuniversum.de). Diese Spannungentlädt sich gleich in den ersten Bildernvon Sünners Film explosiv im Terroran-schlag auf das World Trade Center in NewYork 2001. Der Anschlag religiöser Fanati-ker habe auch den westlichen Naturwis-senschaften gegolten, so Sünner. Im Ge-genzug blies bekanntermaßen der Evoluti-onsbiologe Dawkins zum polemischenSturm auf die Religionen als solche. Diesevon ihm als unerträglich empfundeneFrontstellung von Wissenschaften und Re-ligion nahm Sünner zum Anlass, in einemFilm nach der Verbindung zwischen bei-den „Welten“ zu fragen. Es kommen zahl-reiche Biologen und Physiker zu Wort, dieeinen solchen Brückenschlag bereits voll-ziehen, sei es, dass sie der Anthroposo-phie nahestehen (Bernd Rosslenbroich,Wolfgang Schad, Wolfram Schwenk, Jo-hannes Wirz, Arthur Zajonc), die natur-wissenschaftliche mit einer theologischenExistenz in ihrer Person vereinen (GeorgeCoyne, John Polkinghorne) oder eigenekreative Wege in der Wissenschaft gehen(Rupert Sheldrake, Stuart Kauffman, Hans-Peter Dürr, Joachim Bauer, Thomas Gör-nitz, Stephan Harding, Simon ConwayMorris). Gezielt hat Sünner nach wissen-schaftlichen Vertretern gesucht, deren For-schungen „Raum für göttliche oder trans-zendente Kräfte lassen“. Somit versammelt der Film eher wissen-schaftliche Außenseiterpositionen. Da dieSichtweisen der „interessanten Querden-ker“ unwidersprochen bleiben und seriöseAussagen ununterschieden neben pseudo-wissenschaftlichen Theorien – zum Bei-spiel über das Strömungsverhalten vonWasser – präsentiert werden, ist es für denLaien schwer, sich ein Bild zu machen.Herkömmliche und auch alternative Erklä-rungsmodelle werden kritisiert und inFrage gestellt, ohne dass es zu einer nach-vollziehbaren Auseinandersetzung kommt.

Allerdings vermag es der Film, den Zu-schauer ins Staunen über das Wunder derNatur zu versetzen. Das wird nicht zuletztdurch die fast meditativ wirkende Ästhetikdes Films unterstützt. Wissenschaft prä-sentiert sich hier weniger als nüchtern be-rechnend, sondern als leidenschaftlichfragend. Ausgehend vom erreichten enor-men Wissensstand von Biologie und Phy-sik bewegt sich der Film an den Ränderndessen, was wir bisher erklären können.War das Universum auf die Entstehungdes Lebens hin angelegt? Strebte die Evo-lution auf die Entwicklung des Menschenzu? Woher kommen Ordnungsstrukturen?Wie ist der Überschuss an Schönheit undVielfalt von Kosmos und Natur zu erklä-ren? Mehrere befragte Wissenschaftlerstimmen im Film darin überein, dass nichtdie von den Wissenschaften gut unter-suchte Materie das Entscheidende sei,sondern die Beziehungen zwischen denTeilchen, die bisher kaum verstandenen„Informationen“, wie sich Materie ordnet,also etwas, das mit „Geist“ bzw. etwas„Geistigem“ vergleichbar sei.Diese und andere Fragen folgen einerLeitthese, die sich Sünner für den Film zueigen gemacht hat: Die „überwältigendeKreativität innerhalb der Evolution“ seidas Bindeglied zwischen Naturwissen-schaft und dem, was Sünner nicht Reli-gion, sondern Spiritualität nennt. Amdeutlichsten bringt der Biologe StuartKauffman diese Kreativität in die Nähe re-ligiöser Verehrung: „Ich möchte die natür-liche Kreativität Gott nennen, nichtSchöpfergott, nur Kreativität des Univer-sums.“ Der Film selbst sowie alle darin zuWort kommenden Wissenschaftler sindbemüht, sich von den „unwissenschaftli-chen“ Entwürfen des Kreationismus unddes Intelligent Design abzugrenzen. Deut-lich hingegen ist Rüdiger Sünners Nähezur Anthroposophie, der er bereits einenviel beachteten Film („Abenteuer Anthro-

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posophie“) gewidmet hat. Bei der Suchenach Sponsoren für „Das kreative Univer-sum“ wurde er von der Geschäftsführungdes Bundes der Freien Waldorfschulenunterstützt. Erhältlich ist die DVD zumFilm über „Waldorfbuch“. Die anthropo-sophisch ausgerichtete Zeitschrift „Info3“hat vorab eine Filmbesprechung gebracht,ebenso die „Medienstelle Anthroposo-phie“. Aber auch von wissenschaftlicher Seitewird der Film zur Kenntnis genommen.Am 6. Dezember 2010 lud die „Urania“in Berlin zur Premiere ein. Sie sieht ihrenAuftrag darin, allen Bürgern wissenschaft-liche Bildung zu vermitteln. Im Anschlussan die Vorführung moderierte Ingolf TollEbel (an der Urania zuständig für dieFachbereiche Philosophie, Religion undWeltanschauung, Biologie und Anthropo-logie, Grenzfragen aus Wissenschaft undForschung sowie für das Filmprogramm)ein Gespräch mit Sünner und dem Biolo-gen Johannes Wirz vom Goetheanum.Hinzu kam ungeplant der renommiertePhysiker Hans-Peter Dürr. Allerdings kames nicht zu kritischen Rückfragen etwa be-züglich der Vereinbarkeit von naturwis-senschaftlichen Standards und der Welt-anschauung der Anthroposophie.Die Stärke des Films liegt in seinem Stau-nen und Fragen. Eine Gefahr könnte darinbestehen, dass der Film den Eindruck er-weckt, Wissenschaft sei selbst vor allemeine kreative und weniger eine exakte An-gelegenheit. Im Kontext verengter undeinseitiger Sichtweisen mag es richtigsein, für Offenheit gegenüber alternativenDenkmodellen zu plädieren. Vor einemPublikum, das zum größten Teil aus Laienbesteht, die zudem möglicherweise derSpiritualität Vorrang vor der Wissenschafteinräumen, ist es kontraproduktiv, wennein hochrangiger Physiker wie Dürr aufder Bühne der Urania sagt, wer behaupte,etwas zu wissen, liege falsch und wer

nicht mehr weiterwisse, sei ganz nahdran. Diese Sicht kann sich derjenige leis-ten, der das Handwerk versteht, wenigerdas Publikum, das die Bemerkung aller-dings mit Applaus belohnte. In dieser Re-aktion zeigt sich der Konflikt zwischen ei-ner sich als nüchtern und rational verste-henden Wissenschaft und der Sehnsuchtnach dem unerklärlichen, geheimnisvol-len Wesen der Dinge. Der Film sucht dasGeheimnis in der Wissenschaft auf. Diesdarf als sein Verdienst gelten, insofern esdabei tatsächlich um wissenschaftlichePositionen geht. Kritisch zu beurteilen istdas Verwischen der Grenze zwischenernstzunehmender Wissenschaft und eso-terisch anmutenden Positionen im Film.

Claudia Knepper

NEUAPOSTOLISCHE KIRCHE

Mehr Verbindlichkeit im Dialog suchen.(Letzter Bericht: 11/2010, 421f) Vom 1. bis3. Dezember 2010 haben sich im BerlinerJohannesstift 40 Ökumene- und Weltan-schauungsbeauftragte der Kirchen mit denWandlungsprozessen in der Neuapostoli-schen Kirche (NAK) beschäftigt. Eingela-den zu der Studientagung hatten die Evan-gelische Zentralstelle für Weltanschau-ungsfragen (EZW), Berlin, und das Konfes-sionskundliche Institut, Bensheim. Eröff-net wurde der Austausch mit einem histo-rischen Vortrag des KonfessionskundlersHelmut Obst von der Universität Halle-Wittenberg sowie dem Besuch einesNAK-Gottesdienstes der Spandauer Ge-meinde. Bisherige Kontakte und Gesprä-che verschiedener lokaler und regionalerArbeitsgemeinschaften christlicher Kir-chen (ACK) sowie der Bundes-ACK wur-den ausgewertet. Hinzu kamen Einschät-zungen aus weltanschaulicher und kon-fessionskundlicher Sicht. In Arbeitsgrup-pen waren umstrittene Lehren, wie sie

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sich in neueren NAK-Veröffentlichungenfinden, Gegenstand der Diskussion (u. a.Versiegelung, Endzeit, Apostelamt, Ent-schlafenenwesen, Umgang mit der Ge-schichte). An einem Abend fand ein inten-sives Gespräch mit Vertretern der NAK ausder Projektgruppe Ökumene statt. DerVorsitzende der Bundes-ACK, Landesbi-schof Friedrich Weber, betonte in seinemReferat zum Abschluss der Tagung denUnterschied zwischen einem interreligiö-sen und einem innerchristlichen Dialog.Bei der NAK handele es sich um einen in-nerchristlichen Dialog, weil das Gemein-same größer sei als das Trennende. Als Er-gebnis der Tagung kann festgehalten wer-den:• Wenn vor 20 Jahren über die NAK inLexika zu lesen war, dass sie ihren Wegallein geht, ohne Kontakte mit anderenKirchen, treffen solche Sätze auf die heu-tige Situation nicht länger zu. Begegnun-gen mit Vertretern der NeuapostolischenKirche finden gegenwärtig auf verschie-densten Ebenen statt, und zwar in freund-licher und offener Atmosphäre. Auch diegeführten Gespräche im Rahmen der Stu-dientagung waren von Offenheit undwechselseitiger Hörbereitschaft geprägt.• Die NAK bemüht sich um weitere Klä-rungen bezüglich derjenigen lehrmäßigenOrientierungen, die aus ökumenischerPerspektive den grundlegenden Konsensim gemeinsamen Glauben in Frage stel-len. Dazu zählt u. a. das Verständnis desApostelamtes und der Versiegelung, aberauch die Identifikation der NAK mit derendzeitlichen Brautgemeinde. Initiativen,die darauf abzielen, Trennendes und Kon-troverses offen anzusprechen und Ge-meinsames wahrzunehmen und zu su-chen, sind zu fördern und gleichzeitig ver-bindlicher zu gestalten. • Weiterführende Kontakte und Begeg-nungen auf lokaler, regionaler und überre-gionaler Ebene zwischen der NAK und

anderen christlichen Kirchen sind wün-schenswert. Der Aufbau einer Dialog- undBegegnungskultur und die Suche nachrespektvollen Umgangsformen ist auchabgesehen von der Frage der ACK-Mit-gliedschaft ein wichtiges Anliegen. • Aus der Sicht der Weltanschauungs- undÖkumenebeauftragten sollte es in derNAK zu einer stärkeren Würdigung desDienstes der Theologie für kirchliches undgemeindliches Leben kommen. Derchristliche Glaube weicht der denkeri-schen Durchdringung seiner Erfahrungennicht aus. • Die NAK ist eine durch Laien geprägteKirche. Gleichwohl hat sie starke Hierar-chien und eine Vielzahl von Ämtern auf-gebaut. Mehr interne Debatten über denrechten Weg, mehr synodale Elemente,mehr Verantwortung für jeden Einzelnen:Das wären Erwartungen anderer Christin-nen und Christen an die NeuapostolischeKirche. Zur wahren Kirche gehören Parti-zipation, Aufgabenteilung und Gleichwer-tigkeit derer, die durch den Glauben anGottes heilvolle Nähe in Jesus Christusund im Heiligen Geist verbunden und zurFreiheit und zum Dienst der Liebe berufensind. • Wandlungsprozesse benötigen Zeit.Eine in ökumenischer Hinsicht zustim-mungsfähige Deutung und Neuinterpreta-tion der neuapostolischen Tradition bedarfgründlicher Reflexion, die sich in einemlängeren Prozess vollzieht. Wie der Weganderer apostolischer Gemeinschaftenzeigt, schließt die Bezugnahme auf diekatholisch-apostolische Tradition den Wegin die Ökumene keineswegs aus. • Manche NAK-Mitglieder erleben dieGruppenstruktur ihrer Kirche und dieapostolische Autorität immer noch als ein-engend und vereinnahmend. Hier sind of-fene Gespräche mit allen Beteiligten zuführen, um mehr Transparenz und Freiheitzu ermöglichen.

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• Für einen eigenständigen Zugang zumchristlichen Glauben ist das persönlicheund gemeinschaftliche Studium der Bibelein empfehlenswerter und hoffnungsvollerWeg. In der Geschichte ökumenischer Be-wegungen ist die zusammenführende undGemeinschaft stiftende Kraft der Bibel im-mer wieder erfahren worden. • Zu den Chancen und Grenzen einer Ver-ständigung zwischen ACK und NAK wirdsich auf Grundlage des neuen Katechis-mus, der für das Jahr 2012 erwartet wird,Weiteres sagen lassen. Christinnen undChristen aus anderen Kirchen werden mitAufmerksamkeit den weiteren Weg derneuapostolischen Gemeinden begleiten.

Reinhard Hempelmann, Michael Utsch

IN EIGENER SACHE

Wechsel in der Redaktionsverantwor-tung. Vier Jahre lang war Matthias Pöhl-mann verantwortlich für die Redaktiondes Materialdienstes der EZW, der monat-lich erscheinenden Zeitschrift für Religi-ons- und Weltanschauungsfragen. Erplante und gestaltete 48 Ausgaben, kom-munizierte verlässlich mit dem Kollegiumund mit externen Autorinnen und Auto-ren, machte wichtige Vorschläge zur Wei-terentwicklung des Profils der Zeitschriftund motivierte zahlreiche Personen imUmfeld kirchlicher Weltanschauungsar-beit und wissenschaftlicher Religionsfor-schung, sich an diesem speziellen Bereichevangelischer Publizistik zu beteiligen.Jede neue Ausgabe der Zeitschrift war da-rauf ausgerichtet, die religiös-weltan-schauliche Gegenwartskultur zu beschrei-ben, zu analysieren und aus der Perspek-tive eines christlichen Verständnisses vonMensch, Welt und Gott zu beurteilen. Un-ter seiner Verantwortung wurde nebenden Rubriken „Zeitgeschehen“, „Im Blick-punkt“, „Berichte“, „Informationen“, „Re-

zensionen“ die Rubrik „Stichwort“ neueingeführt. Gleichzeitig wurde ein Bogenzur Internetpräsenz gezogen. Denn nachihrem Erscheinen im Materialdienst wer-den alle „Stichworte“ auf die Internetseiteder EZW (www.ezw-berlin.de) gestelltund ergeben im Laufe von Jahren ein um-fangreiches und inhaltsreiches Lexikon.Matthias Pöhlmann hat die Redaktions-aufgabe neben zahlreichen anderen Tätig-keiten im ihm übertragenen Referatsbe-reich „Esoterik, Okkultismus, Spiritismus,Satanismus“ wahrgenommen. Ich dankeihm sehr herzlich für sein nachhaltigesEngagement.Ab Januar 2011 übernimmt FriedmannEißler, der in der EZW für den Themenbe-reich „Islam und andere nichtchristlicheReligionen“ zuständig ist, die Verantwor-tung für die Redaktion des Materialdiens-tes. Das Kollegium der EZW und UlrikeLiebau werden die Arbeit wie bisher tat-kräftig unterstützen. Möge die Monatszeit-schrift, die den etwas langweiligen Na-men „Materialdienst“ trägt, auch weiter-hin spannende Beiträge zur Wahrneh-mung heutiger Religionskultur leisten undzur Artikulation christlicher Identität imweltanschaulichen Pluralismus beitragen.

Reinhard Hempelmann

Beratertagung über den Umgang mit Magie-Erfahrungen. Gibt es jenseitigeMächte, die ungewöhnliche Erfahrungenhervorrufen? Sind „magische“ Phäno-mene reine Zufälle, gehören sie in denBereich der Phantasie, oder sind sie gargezielter Betrug? Zauberei und Aufklä-rung, klarer Verstand und Wundergläubig-keit, Angst vor übersinnlichen Kräften undFaszination – diese Widersprüche tauchenhäufig auf, wenn Menschen in weltan-schaulichen Konflikten beraten werden.Um den Ratsuchenden, die durch „magi-sche“ Phänomene verunsichert sind, an-

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gemessen begegnen zu können, sollen aufder EZW-Beratertagung 2011 (18.-20.Februar) Grundsatzfragen besprochen, ei-gene Standpunkte geklärt und Erfahrun-gen ausgetauscht werden. Nähere Infor-mationen dazu sind auf der Internetseiteder EZW zu finden (www.ezw-berlin.de,Rubrik „Veranstaltungen“).

Michael Utsch

Falun Gong / Falun Dafa

Falun Gong / Falun Dafa ist ein spiritueller„Weg zur Vollendung“, der von dem Chi-nesen Li Hongzhi begründet und 1992erstmals öffentlich präsentiert wurde. Esversteht sich als „traditionelle chinesischeLehre für Körper und Geist“ (Falun DafaNewsletter, Oktober 2010) und ist dembuddhistischen Qi Gong zuzurechnen.Mit einer volkstümlich-synkretistischenMischung aus buddhistischen, daoisti-schen, konfuzianischen und chinesisch-volksreligiösen Elementen sollen die Men-schen und das ganze Universum geläutertund durch hochenergetische Substanzenveredelt werden. Ziel ist die „Erlösung“aller Wesen. In China gilt die Falun-Gong-Bewegungals „illegale Organisation“, ihr „Meister“als Staatsfeind. Im Westen wurde sie be-kannt, als im Jahr 1999 rund 10 000 An-hänger für ihre Anerkennung und gegendie Unterdrückung durch die Kommunis-tische Partei Chinas demonstrierten.

Zur Geschichte

Li Hongzhi wurde nach eigenen Angabenam 13.5.1951 (und damit an Buddhas Ge-burtstag; regierungsamtlich am 7.7.1952)

in eine Akademikerfamilie im NordostenChinas geboren. Bereits im Kindesalterwurde er von einem buddhistischen Meis-ter unterwiesen und sah sich mit überna-türlichen Kräften ausgestattet. Dies nimmtebenso wie die weitere spirituelle Vervoll-kommnung bei über 20 buddhistischenund daoistischen Meistern in der legen-denhaft ausgeschmückten Biografie brei-ten Raum ein. Zunächst in einem staatli-chen Beruf tätig, trat Li 1992 mit FalunGong an die Öffentlichkeit und gründetedie „Falun Dafa Research Society“ in Pe-king. 1996 wurde er aus der offiziellenQi-Gong-Vereinigung ausgeschlossen,1998 erfolgte die Übersiedelung in dieUSA. Von den chinesischen Sicherheitsbe-hörden war die rasch wachsende Bewe-gung 1996 als „böse und gefährliche“Sekte eingestuft worden, was zumal nachdem Verbot im Juli 1999 mit massiven Re-pressalien inklusive Folter, Verurteilungen,psychiatrischen „Behandlungen“ und un-erklärten Todesfällen einherging. Den Ver-folgungen durch die Kommunistische Par-tei Chinas fielen nach Angaben von falun-gong.de bisher weit über 3000 Praktizie-rende zum Opfer. Mit den Themen „Bru-tale Verfolgung – Friedlicher Widerstand“gehen die Falun-Gong-Anhänger offensivan die Öffentlichkeit. Entsprechende Bil-der und Berichte von Einzelschicksalenmachen auf erlittenes Unrecht aufmerk-sam, erregen zugleich aber auch Betrof-fenheit, die für die Werbung für die Orga-nisation instrumentalisiert wird. InDeutschland ist der „Deutsche Falun DafaVerein e.V.“ (Gorxheimertal) seit 1998eingetragen.

Lehre und Praxis

Der Name Falun Gong setzt sich zusam-men aus falun „Rad des Dharma“ (d. h.der Lehre des Buddha) und (qi)gong„Kraft, Energie“. Nach Li Hongzhi ist Fa-

STICHWORT

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lun Gong, das gelegentlich mit „Gebots-rad-Kultivierungsweg“ übersetzt wird,„die Bezeichnung des kosmischen Geset-zes auf der Erde“ (Fa-Erklärung 2010). Fa-lun Dafa wird mit „Großes Gesetz desGesetzesrades“ wiedergegeben und na-hezu synonym gebraucht. (Li spricht seitseinem Wechsel in die USA bevorzugtvon Falun Dafa und bezeichnet seine An-hänger als Dafa-Jünger.) Zentrale Praxissind fünf genau festgelegte Steh- und Me-ditationsübungen, die mit ihren langsa-men, ruhig fließenden Bewegungen ähn-lich wie andere Qi-Gong-Übungen ablau-fen. Sie können im Selbststudium erlerntund geübt werden (Bücher, Online-Anlei-tungen), vorzugsweise jedoch gemein-schaftlich in örtlichen Übungsgruppen,die häufig auch im Freien praktizieren.Die konsequente tägliche Übungspraxis,zu der ausdrücklich auch die beständigeLektüre der Lehren Li Hongzhis gehört,die in seinem Grundlagenwerk „ZhuanFalun“ dargelegt sind, dient zur „Kultivie-rung“ nach den drei Prinzipien „Wahrhaf-tigkeit, Barmherzigkeit, Nachsicht“ (Zhen,Shan, Ren). Diese gelten als grundle-gendste Eigenschaften des Kosmos undmüssen in allen Dingen freigelegt undvervollkommnet werden. Li spricht des-halb von einer Kultivierungsmethode, diesich freilich von anderen (Qi Gong-)Kulti-vierungswegen dadurch unterscheidet,dass sie viel einfacher zu praktizieren istund dennoch ungleich effizienter seinsoll. Dass diese in kosmischen Dimensio-nen gedachte Kultivierung auf „sehr hoherEbene“ ansetzt, verdankt sich den über-menschlichen Fähigkeiten des „Meisters“,der das ursprüngliche Dafa vermittelt unddadurch eine Erlöserrolle einnimmt, ver-gleichbar dem im Buddhismus erwartetenendzeitlichen Buddha Maitreya. Eine spezifische Wirksamkeit wird dabeidem Falun zugeschrieben (das als Abbilddes Universums im farbigen Falun-Gong-

Emblem symbolisiert ist). Das Falun „istein sich drehendes intelligentes Wesenvon hoher energetischer Substanz“, dasunter bestimmten Voraussetzungen alleinvom „Meister“ im Unterbauchbereich desKultivierenden eingesetzt wird und ab so-fort in pausenloser Drehbewegung Ener-gie aus dem Kosmos sammelt. Bei Dre-hung nach innen gibt das Falun Energiezur Läuterung ab, die letztlich der eigenenErlösung dient. Bei Drehung nach außen„erlöst es die anderen Menschen“. Li gehtgrundsätzlich von der substanzhaften Be-schaffenheit von Energie, auch des guten(de) oder schlechten Karmas (yeli) aus,das man durch sein Handeln ansammelt.Die schlechte, schwarze Substanz mussabgebaut und in weiße Substanz umge-wandelt werden. Dämonen behindern al-lerdings die Kultivierung, sie werden mitKrankheiten und mit allerlei störendenEinflüssen (Sex-Dämon) in Verbindung ge-bracht. Gegen diese und andere Gefahren umgibtder Meister seine Jünger mit dem Fashen,dem „Gebotskörper“. Auch dieser wirdsubstanzhaft vorgestellt als eine Art leben-diger, intelligenter Schutzschirm, mit demder Meister den Praktizierenden „bis zurVollendung“ wirksam schützt. In diesemZusammenhang wird Schutz vor Krank-heit ebenso in Aussicht gestellt wie einglückliches Leben sowie letztlich die Ver-wirklichung irdischer Unsterblichkeit, in-dem man sich „zur Gottheit kultiviert“. Falun Gong bewirkt eine „Fa-Berichti-gung“ im Universum, die von einer hohenKultivierungsebene aus in ihren kosmi-schen Ausmaßen geschaut werden kann.Das Werden und Vergehen von Genera-tionen und ihren Zivilisationen und Reli-gionen kommt in den Blick, aber auch diegesamte Götter- und Dämonenwelt. DieMenschheit wurde bereits 81-mal ausge-löscht, hat Li festgestellt; nur wenige Er-leuchtete überlebten jeweils und haben

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immer wieder neue Welten hervorge-bracht. Auch jetzt geht es ums Überleben,insofern die Lebewesen auf den niederenEbenen, zu denen die meisten Menschengehören, „aussortiert“ werden und damitvor ihrer Vernichtung stehen. In einer ei-genwilligen, quasi-heilsgeschichtlichenDeutung kommt den Falun-Gong-Prakti-zierenden kraft der vom Meister ermög-lichten Dafa-Vermittlung eine wesentlicheRolle im kosmischen Erlösungsdrama zu.So kann Li behaupten, alle Menschenwarteten darauf, „von euch gerettet zuwerden“. „Ganz gleich, wie leidvoll esauch sein mag, die Dafa-Jünger sind da-bei, Menschen zu erretten. Alle Projektedienen diesem Zweck“ (Fa-Erklärung2010).Die Religionen gehören dabei wie bei-spielsweise auch die (bisher) bekanntenQi-Gong-Praktiken auf eine niedere Stufe,während Li Hongzhi die Kultivierungohne Umwege „direkt auf der hohenEbene“ propagiert und anbietet.

Zur Organisation

Zu Verbreitung und Mitgliederzahlen derFalun-Gong-Bewegung gibt es keine ver-lässlichen Angaben. Weltweit praktizierennach Auskunft von faluninfo.de über 100Millionen Menschen in mehr als 80 Län-dern Falun Gong. In China soll die Bewe-gung schon 1999 ca. 70 Millionen Anhän-ger – übrigens bis in höchste Partei- undRegierungsämter – gehabt haben, was in-dessen auf rund 2 Millionen herunterkor-rigiert worden ist. In Deutschland ist dieBewegung seit 1998 vereinsmäßig organi-siert. Der Verein gibt an, dass es nebenden ca. 30 eingetragenen Vereinsmitglie-dern rund 400 aktive Falun-Gong-Prakti-zierende in Deutschland gibt, die sichauch an gemeinsamen Aktivitäten beteili-gen, darüber hinaus ein Umfeld von un-gefähr 2000 Anhängern. In der Schweiz

bestehen an über 20 Orten Übungsgrup-pen, in Österreich dürfte die Zahl deutlichdarunter liegen.Gemeinsame Übungen sind grundsätzlichkostenlos, alle nötigen Informationen sindauch im Internet kostenlos zugänglich.Nur der „Meister“ Li darf für seine KurseGeld nehmen. Li Hongzhi steht mit derAutorität des Meisters an der Spitze derBewegung, die Anhänger folgen ihm mitHingabe und Opferbereitschaft. Er ver-langt die präzise Befolgung seiner Anwei-sungen in den Lehrvorträgen und warntvor Abweichungen bzw. vor Vermischungmit anderen Lehren und Methoden. Die Verbreitung der Falun-Gong-Idealegeschieht auf unterschiedliche Weise. DieKulturgala „Shen Yun“ verpackt sie in einefarbenfrohe Präsentation „traditionellerchinesischer Kultur“, Ausstellungen in öf-fentlichen Gebäuden (etwa durch denVerein „Ars Honesta – Deutscher Vereinfür Kunst und Menschenrechte e.V.“) ma-chen mit Kunstwerken oder zum ThemaMenschenrechte auf sich aufmerksam undverweisen immer wieder explizit oder im-plizit auf Falun Gong und seine Prinzi-pien. Bei Stadtfesten oder anderen öffent-lichkeitswirksamen Anlässen werdenStände aufgebaut und Handzettel verteilt.In Universitäten und Supermärkten wer-den Schriften ausgelegt. Der von Falun-Gong-Anhängern gegründete SenderNTDTV (New Tang Dynasty Television)gehört zu einer wachsenden Gruppe vonMedienorganisationen im Umfeld der Be-wegung. Dazu zählen auch Radiostatio-nen sowie die Zeitung „Epoch Times“, diein 17 Sprachen, darunter auch Deutsch,erscheint. Die Bewegung sieht sich weder als Reli-gion noch als politische Organisation. Dierasche und effektive Durchführung koor-dinierter Aktivitäten spricht jedoch dafür,dass zumindest ein gut organisierter harterKern besteht.

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Stellungnahme

Falun Gong ist eine synkretistische Heils-lehre und Praxis mit umfassendem undexklusivem Anspruch. Sie präsentiert sichals ein methodisierter Heilsweg unter derAutorität des Meisters Li Hongzhi. Dabeimischt sich auf der Grundlage chinesi-scher Religiosität und Kosmologie diebuddhistisch grundierte Vorstellung derErlösung durch (Selbst-)Kultivierung mitanimistischen Aspekten und modernennaturwissenschaftlichen Elementen.Schon die Rede vom Meister und seinenJüngern verweist auf ein religiöses Grund-verständnis. Der Anspruch, die Jünger an-ders als in anderen „Kultivierungsschu-len“ innerhalb kürzester Zeit auf einehohe Ebene und damit zu Glück und Er-folg zu bringen, wirkt attraktiv. Die in LisHauptwerk „Zhuan Falun“ propagierteelitäre und zugleich unkritische Grund-haltung kann je nach Konstellation in derFamilie oder im sozialen Umfeld zu Pro-blemen führen (so auch Li selbst im Blickauf die konsequente Kultivierung). DassFalun Gong mehr ist als eine (reine) spiri-tuelle Meditationsbewegung – so dasSelbstverständnis – zeigen ferner die poli-tischen Aktivitäten der Anhänger. Die offi-zielle chinesische Beurteilung als gefähr-liche Sekte ist politisch motiviert, sie istweder in China noch in Europa durchschwerwiegende Vorkommnisse gedeckt.Der Protest gegen – nicht nur für Falun-Gong-Anhänger prekäre! – Menschen-rechtsverletzungen in China sollte jedoch

von der Werbung für Falun Gong klar un-terscheidbar bleiben. Die propagandisti-sche Vermengung von Politik und „Spiri-tualität“ in konzertierten Aktionen der Be-wegung etwa in Rathäusern und Stadthal-len, teils über das Thema Kunst, teils überdas Thema Menschenrechte, ist kritischeinzuschätzen.

Quellen

Li Hongzhi, Zhuan Falun (deutsche Version), Bad Pyr-mont 1998

Li Hongzhi, Falun Gong – Der Weg zur Vollendung,München 1998

Li Hongzhi, Fa-Erklärung auf der Fa-Konferenz in NewYork 2010 vom 5. September 2010 (Änderung am27. Oktober 2010)

Falun Dafa Newsletter, Ausgabe Oktober 2010, hg.vom Falun Dafa Informationszentrum Deutschland,Gorxheimertal

www.falundafa.dewww.falungong.dewww.faluninfo.dewww.epochtimes.dehttp://english.ntdtv.com (German)

Literatur

Dehn, Ulrich, Ki-Bewegungen und ihr Hintergrund, in:MD 3/1998, 66-76

Dehn, Ulrich, Falun Gong – eine neue Dimension un-ter den Ki-Bewegungen?, in: MD 1/2000, 14-19

Dehn, Ulrich, Falun Gong, in: Reinhard Hempelmannu. a. (Hg.), Panorama der neuen Religiosität, Gü-tersloh 22005, 393-397

Lamprecht, Harald, Mission mit Märtyrern. FalunGong benutzt die Verfolgung in China exzessiv alsWerbeargument, in: Confessio 4/2007, 5

Friedmann Eißler

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Anselm Grün, Mystik. Den inneren Raumentdecken, Herder-Verlag, Freiburg i. Br.2009, 142 Seiten, 7,95 Euro.

Richard Rohr, Pure Präsenz. Sehen ler-nen wie die Mystiker, Claudius-Verlag,München 2010, 223 Seiten, 14,80 Euro.

Werner Thiede, Mystik im Christentum.30 Beispiele, wie Menschen Gott begeg-net sind, edition chrismon, Frankfurt a. M.2009, 256 Seiten, 19,90 Euro.

Mystik ist wieder im Gespräch, selbst imProtestantismus. Die christliche Analyseder Sehnsucht nach Gotteserfahrung fälltallerdings sehr unterschiedlich aus, wasauch bei den höchst produktiven AutorenAnselm Grün, Richard Rohr und WernerThiede festzustellen ist. Ihre drei aktuellenTaschenbücher zum Thema zeigen deut-lich, dass die menschliche Seite des Glau-bens maßgeblich von theologischen Prä-missen und der individuellen Prägung be-stimmt wird. Der Herder-Verlag hat kürzlich die Buch-reihe „Inspiration Christentum“ auf denMarkt gebracht. Darin sollen Grundfragendes christlichen Glaubens kurz und präg-nant dargestellt werden. Für das kom-plexe Thema Mystik hat der Verlag einender bekanntesten geistlichen Autoren un-serer Zeit gewinnen können, den Bene-diktiner Anselm Grün. Er leitet seine Aus-führungen mit der Beobachtung ein, dassviele Menschen nach einer ersten Faszina-tion durch die östliche Mystik den breitenmystischen Strom im Christentum ken-nenlernen wollen. In bewährter Weiseholt der Erfolgsautor den Leser mit kurzen,persönlichen Sätzen ab. Mystik ist nachGrün die Sehnsucht nach Gotteserfah-rung, die durch die vier Grundfragen des

Menschen nach dem Tod, der Freiheit, derEinheit und nach dem Sinn immer wiederneu auftauche (Kapitel 1). An den Bruch-stellen des Lebens entstehe immer wiederdie Sehnsucht nach Vergöttlichung. In denEvangelien und bei Paulus findet Grüneine Mystik des Neuen Testaments, dieauch für heutige Christen aktuell sei. Da-bei weist er der Bibel eine besondereFunktion zu. Sie sei in erster Linie keinLehrbuch über Jesus Christus, sonderneine „Einweisung in die Erfahrung JesuChristi“.In einem atemberaubenden Schnelldurch-gang stellt Grün dann in Kapitel 3 einigeVertreter des christlichen Ostens vor, diedas „Einswerden im Selbst“ in der Ausein-andersetzung mit der Gnosis und der pla-tonischen Philosophie beschreiben (Ori-genes, Gregor von Nyssa, Dionysius Are-opagita). Grün qualifiziert diese Zugängeals eine eher intellektuelle Mystik, dieAntworten für solche Menschen bereit-halte, die die Abgründe Gottes und desMenschen mit der Vernunft verstehenmöchten. Das folgende Kapitel stellt in ähnlichemTempo, aber ausführlicher und damit dif-ferenzierter das Programm der westlichenMystik unter dem Motto „Einswerden imDu“ vor (Augustinus, Bernhard von Clair-vaux, Meister Eckhart, Tauler und Seuse,Mystik der Frauen, Teresa von Ávila, Jo-hannes vom Kreuz, Quietismus, protes-tantische Mystik, Jakob Böhme, PierreTeilhard de Chardin, Karl Rahner). Nach diesem rasanten, aber durchaus tref-fenden Gang durch die Geschichte derchristlichen Mystik möchte Grün im Dia-log mit der Psychologie Wege aufzeigen,wie wir heute die mystische Dimension inunseren Glauben integrieren können (Ka-pitel 5). Mit Recht betont Grün die kriti-sche Funktion der Psychologie hinsicht-lich mystischer Erfahrungen. Mit ihrerHilfe könne man beurteilen, ob eine spiri-

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tuelle Erfahrung eine heilende oder einekrankmachende Wirkung auf die Psycheeines Menschen ausübe. Leider kennt sichder Autor in der Religionspsychologie beiWeitem nicht so gut aus wie in der Kir-chengeschichte. Sonst hätte er die psy-chologischen Erklärungsansätze der Ob-jektbeziehungstheorie und Bindungsfor-schung referiert, mit der heute mystischeErfahrungen besser verstanden werdenkönnen. Stattdessen greift er auf fragwür-dige Theorien der Transpersonalen Psy-chologie zurück. Hier soll die Spiritualitätzu einem psychologischen Mittel derSelbstheilung werden. Unter der Über-schrift „Einswerden heißt heilwerden“wird die Mystik überhöht und zu einemspirituellen Selbsterlösungsversuch instru-mentalisiert, durch den Menschen von ihren falschen Selbsteinschätzungen undIllusionen befreit werden sollen. Öffnetdie Transpersonale Psychologie Menschenwirklich für Gott? Stimmt es, dass man„aufhört, nur noch ichhafte Ziele zu ver-folgen“, und bereit wird zu dienen (94)?Grün verkennt, dass transpersonale Be-wusstseinstechniken häufig zu Selbstopti-mierungszwecken eingesetzt werden. Viel anregender sind hingegen seine Aus-führungen über die mystische Psychologiedes Wüstenvaters Evagrius Ponticus, derim Umgang mit den eigenen Leidenschaf-ten einen hilfreichen therapeutischen Wegbeschrieben hat, die eigene Seele zu hei-len. Das letzte Kapitel beschreibt konkreteWege zur mystischen Erfahrung (Medita-tion, Gebet, Natur, Eros, Einheitsübungen,Liturgie, Musik, Heilige Schrift, Leiden,Nacht, Pilgern). Es ist beachtlich, welche GedankenfülleGrün auf wenigen Seiten verständlich undanschaulich zusammengefasst hat. Einestrikte Elementarisierung bringt aber auchdie Gefahr unzulässiger Verallgemeine-rungen mit sich. Manche Wertungen sinddeshalb allzu plakativ und übertrieben

ausgefallen, etwa wenn Grün zur Uniomystica ausführt: „In ihr wird der Menschganz eins mit Gott und zugleich mit sichselbst. Der ewige Widerstreit zwischenGeist und Trieb hört auf. Alle Kräfte imMenschen werden mit Gott eins. Dasführt den Menschen zu einem tiefen inne-ren Frieden und zur Harmonie. In diesemZustand erlebt er letztlich das, was aucheine gute Therapie erreichen will“ (89).Hier wird Mystik zu einem unerreichba-ren Bewusstseinszustand hochstilisiert,was mit dem psychotherapeutischen Zieleiner realitätstauglichen Selbstregulationwenig zu tun hat, ja diesem Ziel wohl inden meisten Fällen entgegensteht. An an-derer Stelle heißt es zu knapp und des-halb missverständlich: „Wenn jemand zusehr von seiner Liebe zu Gott oder zu Je-sus Christus schwärmt, dann bin ich im-mer skeptisch. Die Erfahrung zeigt, dassdahinter oft eine abgespaltene Sexualitätsteckt“ (90). Darüber hinaus verwundert es, dass einBenediktiner nicht stärker seine eigeneTradition zu Wort kommen lässt. Auch diewichtige Unterscheidung der beidenWege christlicher Mystik (Seins- und Lie-besmystik) hat Grün unzulässigerweiseharmonisiert und damit die Gegensätzeim Menschen- und Gottesbild übergan-gen. Dennoch ist diese praktische Einfüh-rung anregend und lesenswert.Die deutschen Übersetzungen der Bücherdes Franziskaners Richard Rohr erschei-nen fast ausschließlich im evangelischenClaudius-Verlag. Rohr ist mit seinen Veröf-fentlichungen zum Enneagramm und zurMännerspiritualität bekannt geworden,die auch Kritik hervorgerufen haben. Seinneues Buch beginnt mit dem Wunsch, dasdualistische Denken und Wahrnehmenüberwinden zu können, weil in dieserHaltung die wirklichen Lebensfragennicht beantwortet werden könnten. DerAutor versteht sein Buch als eine Sehhilfe.

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Durch Kontemplation oder Gebet könneman auf „nichtdualistische Weise den ge-genwärtigen Augenblick sehen“ (13). DasAlles-oder-nichts-Denken hält Rohr fürdie Ursache seiner gröbsten Fehler undbezeichnet es heute als schlechteres Wis-sen. Er betrachtet die Fähigkeit, sich zu-rückzulehnen und die eigenen innerenDramen ruhig zu beobachten, ohne vor-schnell zu urteilen, als grundlegend fürspirituelles Sehen. Kontemplation undPräsenz eröffne einen Zugang zu umfas-senderem und damit besserem Wissen:„Kontemplation ist eine Einübung darin,die Räume des Herzens und des Verstan-des lang genug offen zu halten, damit derVerstand neues, bisher verborgenes Mate-rial sehen kann“ (39). Das kontemplativeDenken will nach Rohr die Dinge so se-hen, wie sie wirklich sind, jenseits vonWorten und Konzepten. Dies sei aber nurbei nichtdualem Denken möglich. DerAutor ist davon überzeugt, dass die meis-ten Glaubensaussagen der christlichenKirchen nur von Menschen mit nichtdua-lem Bewusstsein verstanden und gelebtwerden können – „von Kontemplativen,die vermögen, im nackten und umfassen-den Hier und Jetzt präsent zu sein (bei-spielsweise ist Jesus ganz menschlich undganz göttlich; Maria ist beides, Jungfrauund Mutter)“ (43). Das nichtpolare Denken gehört für Rohrzum Kern der drei größten Weltreligionen(Hinduismus, Buddhismus und Taoismus).Mit seinem Buch möchte er zeigen, dassdiese Idee auch im Christentum vorausge-setzt und gelehrt wurde. Das „DritteAuge“ erlaube uns, die unmittelbare Ge-genwart Gottes als „wirkliche Wirklich-keit“ unmittelbar zu erkennen. In immerneuen Anläufen beschreibt Rohr dieseneue Sicht- und Denkweise als die Mis-sion Jesu. Seine Ausführungen werdenvon zahlreichen Bibelzitaten begleitet, diedas nichtduale Denken und einen neuen,

erleuchteten Bewusstseinszustand bele-gen würden. Allerdings ist zu kritisieren,dass die Bibeltexte in der Regel Paraphra-sen des Übersetzers Andreas Ebert sind.Demnach heißt es in Röm 8,14-16: „DerGeist, den ihr empfangen habt, und euereigener Geist legen gemeinsam Zeugnisab, dass ihr sehen könnt, dass ihr ein TeilGottes seid und Gott ein Teil von euch ist“(167). Das geht jedoch weit über den Ur-text („Kinder Gottes“) hinaus und ist ehereine Deutung als eine Paraphrase. Das Hauptproblem an Rohrs Mystikbuchist das evolutionistische Bewusstseinskon-zept, das er von der Transpersonalen Psy-chologie übernommen hat. Dadurch wirdeine feste Rangfolge von Bewusstseinstu-fen zugrunde gelegt, die das dualistischeDenken als ich-verhaftetes Bewusstsein,als unreif charakterisiert und als Zustandohne echte Gottesbegegnung abqualifi-ziert: „Innerhalb eines dualistischen Be-wusstseins kann man andere weder auf-richtig lieben noch ihre Fehler wirklichvergeben“ (152). Dankbar bezieht Rohrsich auf den Satsang-Lehrer Eckhart Tolle,dessen „bahnbrechendem Konzept“ vonder Kraft der Gegenwart er aus ganzemHerzen zustimmt. Und „Ken Wilber isteindeutig der beste Lehrer unserer Zeit,der vielen von uns hilft, all das zu sehen... Er ist unser postmoderner Thomas vonAquin und einer der besten Freunde undkonstruktivsten Kritiker, den die Religionjemals hatte“ (183f).Der Untertitel des Buches lautet „Sehenlernen wie die Mystiker“. Rohr skizziertden inklusivistischen Weg interreligiöserMystik als eine zeitgemäße Alternative zurangeblich dogmatisch verkrusteten undim dualistischen Denken verhaftetenAmtskirche. Als Franziskanerpater hätte ermit den Mystikern sehen lernen können,dass es in der christlichen Gottesbegeg-nung nicht um einen besonderen Be-wusstseins- und Einheitszustand geht,

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sondern um die Entdeckung der Barmher-zigkeit und Liebe Gottes im Scheitern undin aller menschlichen Schwäche. Seindurchgängig evolutionistischer Deutungs-rahmen macht alle anregenden Impulse,die sein Buch durchaus zu bieten hat, lei-der zunichte.Der Systematische Theologe WernerThiede beschreitet in seinem Buch einenoriginellen Weg, die Vielfalt der mysti-schen Erfahrungen im Christentum darzu-stellen. Auf 40 Seiten diskutiert er knappdie Grundfragen der Mystik, um dann imHauptteil des Bandes mit 30 Beispielenaus Geschichte und Gegenwart einzelneMystiker vorzustellen. Der Autor geht da-von aus, dass alle Mystik von weltan-schaulichen Voraussetzungen geprägt ist.Damit widerspricht der streitbare fränki-sche Theologe wieder einmal dem Trend,eine allgemeinreligiöse, monistisch ver-standene Mystik als Kern aller Religionenanzusehen. Thiede grenzt Mystik von einem psycho-logisch überhöhten Erfahrungsbegriff, vonesoterisch-gnostischen Spekulationen undvon populistischen Spiritualitätskonzep-ten deutlich ab und definiert sie als denVersuch, ein unmittelbares Bewusstseinder Gegenwart Gottes zum Ausdruck zubringen. Damit unterstreicht er den Be-gegnungscharakter der mystischen Erfah-rung. In einem eigenen Abschnitt unter-scheidet er Substanz- und Liebesmystik,die sich oft zum Verwechseln ähneln wür-den, aber dennoch zu unterschiedlichenErgebnissen führten. Der in der monisti-schen Substanzmystik favorisierte Be-wusstseinszustand der Leere stehe in derGefahr, den lebendigen Gott der bib-lischen Offenbarung zu verfehlen. Christ-licher Mystik gehe es nicht um eine Ge-lassenheit, die aus der Versenkung intranspersonaler Leere resultiere, sondernum eine auf Liebe gründende, persönlicheGottesbeziehung. Die in der Einführung

vorgenommenen Abgrenzungen zumneuzeitlichen Spiritualismus und zu eso-terischen Konzepten sind auch in ihrerKürze kenntnis- und hilfreich und schla-gen einen Verstehenspfad in den Dschun-gel von Konzepten und Begriffen, demviele Leser dankbar folgen werden. Den Hauptteil des Buches machen 30 Por-träts christlicher Mystiker aus, die den Au-tor angesprochen und zu deutlicher Zu-stimmung oder auch Kritik herausgeforderthaben. Die Auswahl ist breit gestreut – vonKlassikern wie Origenes, Johannes vomKreuz oder Gerhard Tersteegen bis hin zuüberraschenden Personen wie WilhelmLöhe oder Karl May. Alle Portraits referie-ren nach einer biografischen Skizze einenKerngedanken der jeweiligen Person. Die kurzen Beispiele profitieren von derhohen Gelehrsamkeit sowie dem pädago-gischen und sprachlichen Geschick desAutors, der komplexe und hoch theologi-sche Zusammenhänge griffig und ver-ständlich auf den Punkt bringt. Die Aus-wahl der Beispiele ist originell, manchmalallerdings auch fragwürdig. Dass WilhelmLöhe, Gründervater der NeuendettelsauerDiakonie, als Mystiker dargestellt wird,mag als Lokalpatriotismus durchgehen.Aber dass der Schriftsteller Karl May in dieAuswahl aufgenommen wurde und seineNähe zum Spiritismus unerwähnt bleibt,verwundert dann doch. Schade, dasskeine treffenderen Beispiele evangelischerMystik gewählt wurden. Viele Porträt-Bei-spiele sind jedoch mit Genuss zu lesen,wobei auch mit einer klaren theologi-schen Beurteilung der Ansätze nicht hin-ter dem Berg gehalten wird. Der Autor äu-ßert etwa deutliche Kritik gegenüber Eck-harts, Böhmes, Steiners, Sölles und JägersEntwürfen, nachdem er sie fair referierthat. Im Anhang aufgeführte Endnoten er-möglichen ein weiterführendes Studiumder vorgestellten Gedankenimpulse.

Michael Utsch

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Linus Hauser, Scientology. Geburt einesImperiums, Ferdinand Schöningh Verlag,Paderborn 2010, 189 Seiten, 16,90 Euro.

Die öffentliche Diskussion um die Scien-tology-Organisation und ihre Praktikenbezieht sich meist auf tagesaktuelle Kon-flikte. Linus Hauser, katholischer Professorfür Systematische Theologie in Gießen,versucht in diesem Buch etwas anderes,nämlich eine Analyse von den Quellenher. Er nähert sich der Gestalt des Sciento-logy-Gründers L. Ron Hubbard (1911-1986) einerseits biografisch, andererseitsvon dessen literarischer Karriere als Sci-ence-Fiction-Autor her. Dabei wird deut-lich, dass die neomythische Welt der Sci-ence-Fiction das Denken Hubbards be-stimmt. Wäre er bei diesem schriftstelleri-schen Leisten geblieben, hätte er vermut-lich einen gewissen Erfolg errungen, ohnesonderlich aus dem Genre herauszuragen.Der Versuch jedoch, seine Science-Fiction-Phantasien erst in eine vermeintli-che Wissenschaft und dann in einen bi-zarren Kult zu transformieren, endete inder ebenso trivialen wie aggressiven Or-ganisation, die heute als Kirche Anerken-nung sucht und zugleich den Verfassungs-schutz beschäftigt.Hubbard, der weder als Marinesoldat Kar-riere machte noch ein begonnenes Inge-nieurstudium zu Ende bringen konnte,hatte bereits mit 22 Jahren als Autor in„Pulp Magazines“ (Groschenromanen)erste Erfolge und veröffentlichte später inZeitschriften, die sich im Grenzbereichvon Literatur und Naturwissenschaft be-wegten. Hubbards Themen, die in derFolge das Denkgebäude von Scientologyprägen, zeigen sich hier noch in mythi-scher Gestalt. Da gibt es den im Alltagschwachen Gelehrten, der plötzlich dieFormel zum Übermenschentum entdecktund selbst zum Astralreisenden und Über-menschen mutiert. Es gibt den kosmi-

schen Tyrannen, der die Lebewesen gan-zer Planeten einfängt und auf der Erde ingeheimen Bunkern gefangen hält, bis einStärkerer kommt, der die Erde therapeu-tisch reinigt („Clear the Planet“ – einscientologischer Schlachtruf bis heute)und selbst eine mythische Allmacht er-ringt. Hubbards zeitweiliger Ausflug in dieWelt des Satanismus wird solche All-machtsphantasien massiv befördert ha-ben. Im Zentrum der Psychophilosophiedieser (noch mythischen) Vorstellungensteht der Wille zum Überleben – auchdies ein in die Scientology-Lehre über-nommenes Axiom.Hauser stellt kenntnisreich und mit aus-führlichen Belegen dar, wie dann dieseMythen um 1950 herum in eine „neueWissenschaft“ einfließen, die „mit der Ge-sichertheit einer Naturwissenschaft“ denmenschlichen Geist zu analysieren undzu lenken beansprucht: die Dianetik.Während aber die „American Medical As-sociation“ und die „American PsychiatricAssociation“ die Publikation der Dianetikwegen mangelnder wissenschaftlicherFundierung ablehnen, erscheint sieschließlich im „Astounding ScienceFiction“, einer auch von grenzwissen-schaftlich interessierten Naturwissen-schaftlern gern gelesenen Zeitschrift. Po-pularpsychologisch kommt Hubbards Ver-such, den menschlichen Geist wie einenschadhaften Computer zu optimieren, gutan. Es bilden sich Dianetik-Gruppen, dieHubbard ab 1953 als Kirchen organisiert;eine davon heißt bezeichnenderweise„Church of Spiritual Engineering“. Wenigspäter werden diese unabhängigen Scien-tology-Kirchen in der „Hubbard Associa-tion of Scientologists“ zusammengefasst.Ob es die Lehre von der unbezwingbarenGeistseele, dem Thetan, ist oder der My-thos des bösen planetarischen HerrschersXenu: Hauser zeichnet die Übernahmedieser Elemente vom Mythos in Lehre und

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Praxis der Organisation nach und kommtfrüh zu dem Fazit: „Beim Betrachten derHubbardschen Biografie wird sich zeigen,wie neomythische Züge der wissenschaft-lich-technischen Moderne die erkenntnis-theoretische Frage nach der Differenz vonDichtung und Wahrheit durch die gelebtePraxis gleichsam zum Scheinproblem er-klären, um die eigene Endlichkeit zu ver-klären und in ihrer Radikalität nicht zurKenntnis zu nehmen. Religiöses Selbst-und Weltverständnis kann aus literarischerFiktion stammen und trotzdem zu demje-nigen werden, auf das man seine Existenzgründet“ (11).Freilich werden in späteren Jahren Hub-bards mythologische Ideen immer bizar-rer, die späten Romane („Kampf um dieErde“, „Mission Erde“) immer wirrer undunappetitlicher. Verstärkt wird aber auchdas zum Thema, was mit „Clear the Pla-net“ schon angedeutet war: der rück-sichtslose Kampf um die Weltherrschaft.Er liegt in der inneren Logik von Hub-bards Gedanken, so kraus sie im Detailauch daherkommen. Deshalb warnt Hau-ser am Schluss eindringlich: „DiesesThema ist nichts, über das man mildeschmunzeln könnte. Der scientologischeGlaube führt – politisch durchbuchstabiert– in einen totalitären Terrorstaat“ (162).Zu diesem Fazit sind außer Hauser auchschon andere gekommen, nicht zuletztMitarbeiter des Verfassungsschutzes. Neuist aber an Hausers Buch die stringenteHerleitung der skizzierten Ideen aus derWelt der Neomythen, denen der GießenerTheologe schon umfangreiche Werke ge-widmet hat. Diese geistesgeschichtlicheVerortung, äußerst gründlich dargestelltund belegt, macht das Neue an HausersUntersuchung von Scientology aus. Siedient damit nicht nur der Auseinanderset-zung mit der Scientology-Organisationselbst, sondern auch mit deren diversenAbspaltungen („Freie Zone“). Diese leh-

nen zwar den gegenwärtigen unterdrü-ckerischen Apparat der Organisation ab,folgen aber unverbrüchlich den vermeint-lich reinen ursprünglichen Ideen und Leh-ren L. Ron Hubbards. Die Lektüre desHauser’schen Werkes macht aber über-deutlich, dass Allmachtsphantasien undZwang von Anfang an in der scientologi-schen Lehre angelegt sind. Auch deshalbverdient das Buch die aufmerksame Lek-türe aller, die mit Scientology in irgend-einer Variante zu tun haben.

Lutz Lemhöfer, Frankfurt a. M.

AUTORENDr. theol. Friedmann Eißler, geb. 1964, Pfarrer,EZW-Referent für Islam und andere nichtchrist-liche Religionen, neue religiöse Bewegungen,östliche Spiritualität, interreligiösen Dialog.

Dr. theol. Andreas Fincke, geb. 1959, 1992-2007 EZW-Referent für christliche Sonderge-meinschaften, Pfarrer der Evang. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.

Dr. theol. Reinhard Hempelmann, geb. 1953,Pfarrer, Leiter der EZW, zuständig für Grund-satzfragen, Strömungen des säkularen und reli-giösen Zeitgeistes, pfingstlerische und charis-matische Gruppen.

Claudia Knepper, geb. 1973, evangelischeTheologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin derEZW.

Lutz Lemhöfer, geb. 1948, katholischer Theo-loge und Politologe, Referent für Weltanschau-ungsfragen im Bistum Limburg.

Jürgen Schnare, geb. 1956, Pastor, Beauftragterfür Weltanschauungsfragen der Evang.-Luth.Landeskirche Hannovers.

Prof. Dr. theol. Werner Thiede, geb. 1955, apl.Professor für Systematische Theologie an derUniversität Erlangen-Nürnberg, theologischerReferent beim Regionalbischof in Regensburg.

Dr. phil. Michael Utsch, geb. 1960, Psychologeund Psychotherapeut, EZW-Referent für christli-che Sondergemeinschaften, Psychoszene undScientology.

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Herausgegeben von der Evangelischen Zentralstellefür Weltanschauungsfragen (EZW), einer Einrichtungder Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),im EKD Verlag Hannover.

Anschrift: Auguststraße 80, 10117 Berlin Telefon (0 30) 2 83 95-2 11, Fax (0 30) 2 83 95-2 12Internet: www.ezw-berlin.deE-Mail: [email protected]

Redaktion: Friedmann Eißler, Ulrike LiebauE-Mail: [email protected]

Für den Inhalt der abgedruckten Artikel tragen die jeweiligen Autoren die Verantwortung. Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Heraus-geber wieder.

Verlag: EKD Verlag, Herrenhäuser Straße 12,30419 Hannover, Telefon (0511) 2796-0,EKK, Konto 660000, BLZ 25060701.

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Bezugspreis: jährlich € 30,– einschl. Zustellgebühr.Erscheint monatlich. Einzelnummer € 2,50 zuzügl.Bearbeitungsgebühr für Einzelversand. Abbestellungensind nur mit einer Frist von 6 Wochen zum Jahresendemöglich. – Alle Rechte vorbehalten.

Bei Abonnementwunsch, Adressenänderungen, Abbestellungen wenden Sie sich bitte an die EZW.

Druck: Maisch & Queck, Gerlingen/Stuttgart.

IMPRESSUM

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ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

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ISSN

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Wiederkehr der Religion in Westeuropa?

Ist der Humanismuseine (gottlose) Konfession?

Ein Blick auf drei spirituelle Events

Dialog mit der Neuapostolischen Kirche

Stichwort: Falun Gong

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

umschlag0111.qxp 22.12.2010 14:36 Seite 1