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MATERIALDIENST Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen 74. Jahrgang 4 / 11 ISSN 0721-2402 H 54226 Rudolf Steiner und die Religion Harmonie, Gehorsam und Strafe Ivo Sasek und die Kindererziehung Die Giordano Bruno Stiftung im kulturgeschichtlichen Kontext Aleviten In der deutschen Gesellschaft angekommen Stichwort: Engel Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen

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ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

74. Jahrgang 4/11IS

SN 0

721-

2402

H 5

4226

Rudolf Steiner und die Religion

Harmonie, Gehorsam und StrafeIvo Sasek und die Kindererziehung

Die Giordano Bruno Stiftung im kulturgeschichtlichen Kontext

AlevitenIn der deutschen Gesellschaft angekommen

Stichwort: Engel

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

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Werner ThiedeRudolf Steiner und die ReligionBetrachtungen anlässlich seines 150. Geburtstags 123

Claudia KnepperHarmonie, Gehorsam und StrafeIvo Saseks Lehre von der Kindererziehung 132

Linus HauserDie Giordano Bruno Stiftung im kulturgeschichtlichen Kontext 139

AlevitenZwei Veranstaltungen in Berlin signalisieren gelungene Integration 145

AnthroposophieKritische Bilanz zum 150. Geburtstag Rudolf Steiners 146

EsoterikGabriel Looser: Sterbebegleitung vor und nach dem Tod 148

Neuapostolische KircheHeftige interne Konflikte beim Öffnungsprozess 150

Jehovas ZeugenZwei Bundesländer verweigern Jehovas Zeugen den Körperschaftsstatus 152

Engel 153

INHALT MATERIALDIENST 4/2011

INFORMATIONENINFORMATIONEN

INFORMATIONENSTICHWORT

ZEITGESCHEHENIM BLICKPUNKT

INFORMATIONENBERICHTE

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Helmut ZanderRudolf Steiner. Die Biografie 157

Stellenausschreibung für EZW-Referat 159

INFORMATIONENBÜCHER

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123MATERIALDIENST DER EZW 4/2011

Rudolf Steiner hat sich nie als Gründer ei-ner Religion verstanden. Gleichwohl kannder Kirchengeschichtler Friedrich Heyersagen: „In der Gedankenwelt Rudolf Stei-ners waren die Umrisse einer Theologieerkennbar.“1 Und tatsächlich hat sich vielhiervon in der von Steiner inspirierten,1922 gegründeten „Christengemein-schaft“ niedergeschlagen. Einerseitstrennte Steiner scharf zwischen der vonihm entworfenen Anthroposophie, die erals Geisteswissenschaft verstand, und derWelt der Religion. Andererseits war nach-gerade das Christentum für ihn der Urgrund der Welt selbst, den es anthropo-sophisch als Wissen und Kultus gleicher-maßen auszuteilen gilt. Die komplexenBezüge Steiners zur Religion möchte ichsowohl im Blick auf seine Christosophieals auch hinsichtlich der „Christenge-meinschaft“ beleuchten.

Steiners Anfänge und die Theosophie

Der am 27. Februar 1861 geborene, rö-misch-katholisch getaufte Philosoph Ru-dolf Steiner war zweifelsohne ein religiö-ser und spirituell wirksamer Mensch –wenn auch gewiss nicht im kirchlichenSinn. Offenkundig hatten schon den Kna-ben katholischer Kultus und okkulte Erleb-nisse geprägt.2 Dazu waren – vom frei-geistigen Vater gefördert – technische Inte-ressen gekommen. All dies floss in derspäteren Jugend zu einem intensiven Fra-gen nach der erforschbaren Einheit von

sinnlicher und übersinnlicher Wirklichkeitzusammen. Dass nicht Immanuel Kant mitseinem Dualismus von „Ding an sich“und Erscheinung ihm hier weiterhelfenkonnte, sondern eher der entschiedenüber Kant hinausschreitende Johann Gott-lieb Fichte mit seinem idealistischen Mo-nismus, realisierte bereits der 18-Jährige.3Aber auch Fichtes Sohn Hermann Imma-nuel wurde für ihn wichtig, der die Auto-nomie der Subjektivität im spirituellenSinn herausgearbeitet hatte. Von daher er-gab sich bei Steiner die Pointe, dass er ge-rade als junger Naturwissenschaftler4 dermaterialistischen Weltbetrachtung abge-schworen und sich als Geisteswissen-schaftler verstehen gelernt hatte.5 Dabeifasste er „Geist“ nun freilich als eine an-dere Form von Materie auf, die ja bereitsin gnostischer Tradition als eine verfestigteGestalt von Geist gegolten hatte. Tatsäch-lich könnte man Steiner selbst im SinneGötz Harbsmeiers und Richard Geisens6

als einen modernen Gnostiker bezeich-nen. Sein spiritueller Monismus7 hatdurchaus Ähnlichkeit mit manchen spät-antiken gnostischen Systemen, die sichbei näherer Betrachtung keineswegs alleauf einen „Dualismus“ reduzieren lassen.Näherhin müsste man dann freilich beto-nen, dass Steiner ein christlicher Gnosti-ker war. Für ihn hat das Christentum alsReligion begonnen, doch ist es größer alsalle Religionen.8 Denn die Christus-Ge-stalt in ihrer göttlichen Abkunft bildetenach seiner visionären Überzeugung das

IM BLICKPUNKTWerner Thiede, Regensburg

Rudolf Steiner und die ReligionBetrachtungen anlässlich seines 150. Geburtstags

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innere Zentrum aller Religionen. Nichtnur die Mysterien sah er für den Christusin Dienst genommen, sondern auch sämt-liche nichtchristlichen Religionen. DieseSichtweise bildet nicht zuletzt die Pointeseiner Lehre von den zwei Jesus-Knaben. Doch zunächst hatte bei Steiner kaum et-was auf solch eine merkwürdig ausgestal-tete Christozentrik hingedeutet. Zwarhatte er schon als sehr junger Mann zuden ersten Käufern der von der Theoso-phischen Gesellschaft herausgebrachtenLiteratur gehört. Durch sie wurde seinChristus-Bild dahingehend umgeformt,dass sich gegen die kirchliche Traditionbei ihm eine Auseinanderdifferenzierungvon Jesus und Christus abzeichnete.9 Aberseine geistige Entwicklung drehte sichdann jahrelang eher um philosophischeFragen – insbesondere in der Beschäfti-gung mit Friedrich Nietzsche. So wurde ervor der Jahrhundertwende sogar zum aus-gesprochenen Christentumsgegner.10

Als Steiner nach dem Tod Nietzsches1900 mehrere Gedenkreden auf den Phi-losophen hielt, wurde er gebeten, einenentsprechenden Vortrag in einem theoso-phischen Kreis um Sophie Gräfin Brock-dorff zu wiederholen. Inhalt und Art sei-nes Vortrags in der Theosophischen Bi-bliothek zu Berlin empfand man als so an-regend, dass daraus eine regelmäßige Vor-tragsreihe wurde und die Gräfin be-schloss, das theosophische Leben, das inBerlin seit einiger Zeit geschlummerthatte, neu aufleben zu lassen. In einemersten Zyklus sprach Steiner über die neu-zeitliche Mystik des Abendlandes; die1901 publizierten Vorträge ließen aller-dings immer noch nichts spezifisch Christ-liches erkennen.11 Wie also kam es, dassdann der zweite Zyklus, 1902 unter demTitel „Das Christentum als mystische That-sache“ veröffentlicht, plötzlich einen Jesusals dem Christus und dem Kreuz von Gol-gatha zugewandten Steiner präsentierte?

Was führte zur Reaktivierung seiner theo-sophisch gefärbten Auffassung vom Chris-tentum? Die Erklärung, dass er nun aufesoterisch gesonnene Menschen getroffenwar, „die ihrerseits über den Christus re-den und denken“12, dürfte nicht genügen,zumal solches Reden noch kaum ein„christosophisch“ akzentuiertes war. Einesallerdings wird genau zu dem Zeitpunkt,als Steiner seinen zweiten Zyklus zu kon-zipieren begann, in der TheosophischenBibliothek sehr wohl thematisiert13 wor-den sein: Die damalige „First Lady“ derTheosophical Society, Annie Besant, hattegerade ihr neuestes Buch „Esoteric Chris-tianity or The Lesser Mysteries“ (1901) pu-bliziert. Esoterisches Christentum – dassSteiner sich von den neuen Gedanken dertheosophischen Führerin für seinen kom-menden, im Herbst beginnenden Zyklusinspirieren ließ, kann kaum verwundern! Rasch begann damit sein Aufstieg inner-halb der Theosophischen Gesellschaft. ImAnschluss an seine Vorträge über esoteri-sches Christentum wurde er im Frühjahr1902 gebeten, Mitglied der deutschenSektion der Theosophischen Gesellschaftzu werden. Deren offizielle Gründungwurde gleichzeitig überhaupt erst geplant,und schon hatte man Steiner ihre Leitungangetragen. Im Sommer 1902 entschiedsich Steiner, diesem Antrag zu entspre-chen. Gerade hatte er die Schlusskapitelseines „Christentum“-Buches druckfertigformuliert. Daraufhin machte er sich aufdie Reise nach London, wo er beim Theo-sophischen Kongress Annie Besant per-sönlich kennenlernte. Im Oktober schließ-lich wurde – in Anwesenheit Annie Be-sants – die deutsche Sektion der Theoso-phischen Gesellschaft gegründet. RudolfSteiner wurde als Generalsekretär ge-wählt. Der Philosoph war offiziell zumEsoteriker, ja binnen kürzester Zeit zu ei-ner führenden Gestalt der deutschenTheosophie geworden.

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Bereits wenige Tage später wurde er in dievon Besant geleitete „Esoterische Schule“aufgenommen. Hierbei handelte es sichum einen inneren Zirkel der Theosophi-schen Gesellschaft. Die Aufnahme warmit einem Eid verbunden, der in dieWorte mündete: „Ich anerkenne AnnieBesant ... als Chef dieser Schule ...“ Andiesen Eid wusste sich Steiner lange Zeitgebunden. Deshalb suchte er über Jahrehinweg Wege zu beschreiten, die seine ei-genen Gedanken und Pläne möglichst inlebendiger Einheit mit denen der Welt-zentrale erscheinen ließen. Seine Loyalitätwurde von Besant erwartet und erwidert.Freilich war auch sie, die 1907 zur Präsi-dentin der Theosophischen Gesellschaftgewählt wurde, auf die Dauer nicht blindgegenüber den eigenen Interessen Stei-ners. Es kristallisierten sich zwei unter-schiedliche Richtungen heraus, in die ei-nerseits die Weltzentrale und andererseitsdie deutsche Zentrale der TheosophischenGesellschaft strebten – im Sinne Steinersvereinfacht gesagt: abendländische contramorgenländische Esoterik. War die geis-tige Mutter der modernen Theosophie,Helena Petrovna Blavatsky, Buddhistin ge-worden und ihre Schülerin Annie BesantHinduistin, so war Steiner nun – freilichim esoterischen Sinn – Christ geworden.Das gab der von ihm erstrebten Theoso-phiegestalt eine andere Farbe. Die östlichdominierte Spiritualität Blavatskys und Be-sants ging kosmisch von einer spiralförmigfortschreitenden Folge entstehender undwieder vergehender Universen aus. Vondaher wurden alle Begriffe von „Ge-schichte“ in hohem Maße fragwürdig. Diewestlich geprägte Esoterik Steiners hinge-gen hatte – ohne damit die östliche Sichtausschließen zu wollen – vor allem eineneinzigen großen Zyklus von Involutionund Evolution im Blick, also das Herab-gleiten des ursprünglich geistig manifes-tierten Kosmos in zunehmende Materiali-

sierung, und dann wiederum seine letzt-endliche Vergeistigung. Dieses Konzepterlaubte in einem weiteren Sinn den Be-griff der „Geschichte“ durchaus. Hierinwirkte sich Steiners philosophische Prä-gung durch den deutschen Idealismusaus. Namentlich die Christusvorstellung warvon dieser Differenz betroffen. Annie Be-sant hatte Jesus in den okkulten Rahmeneiner ganzen Reihe von verschiedenenReligionsstifter eingezeichnet: Sie allemiteinander sah sie von der Gestalt des„kosmischen Christus“ geleitet und inspi-riert. Den Begriff des „kosmischen Chris-tus“ hatte sie selbst gerade erst geprägt.Für Steiner hingegen war es unmöglich,Jesus lediglich als eine von vielen Ausprä-gungen des „kosmischen Christus“ zu be-trachten. Er sah es geradezu als seine Auf-gabe an, die innere Einheit von Christusund Jesus auf esoterische Weise darzule-gen.So präsentierte sein 1902 veröffentlichtesBuch, „Das Christentum als mystischeThatsache“, einen Jesus, dessen geschicht-licher Weg bis ans Kreuz von Golgathaselbst als kosmisch relevant ausgegebenwurde. Das war insgeheim ein Gegenent-wurf zu Besants Buch „Esoterisches Chris-tentum“; doch die wenigsten merkten daszunächst. Beanspruchte doch Steiner,seine Anregungen nicht aus gedrucktenBüchern bezogen zu haben, sondern „ausder Geistwelt selbst unmittelbar“! In sei-nen Memoiren erklärt Steiner zur Entste-hung seines „Christentum“-Buches: „Ichhatte zum Ziel, die Entwickelung von denalten Mysterien zum Mysterium von Gol-gatha hin so darzustellen, daß in dieserEntwickelung nicht bloß die irdischen ge-schichtlichen Kräfte wirken, sondern geis-tige außerirdische Impulse. Und ichwollte zeigen, daß in den alten MysterienKultbilder kosmischer Vorgänge gegebenwaren, die dann in dem Mysterium von

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Golgatha als aus dem Kosmos auf die Erdeversetzte Tatsache auf dem Plane der Ge-schichte sich vollzogen. Das wurde in derTheosophischen Gesellschaft nirgends ge-lehrt.“14 Das aber stimmt nicht. Zum ei-nen taucht die bei Steiner später zur ste-henden Wendung werdende Rede vom„Mysterium von Golgatha“, die er hier an-führt, in der ersten Auflage von 1902 nochgar nicht auf; sie wird erst 1906 entwi-ckelt und kommt von daher ab der zwei-ten Auflage von 1910 in dem Buch vor.Zum anderen ist auch inhaltlich festzu-stellen, dass das „Kreuz auf Golgatha“1902 fast nur auf einer einzigen Seite imvorletzten Kapitel thematisiert wird. Dortliest man: „Das Kreuz auf Golgatha ist derin eine Thatsache zusammengezogeneMysterienkult des Altertums.“15 Geradeaber die Lehre, „daß in den alten Myste-rien Kultbilder kosmischer Vorgänge gege-ben waren, die dann in dem Mysteriumvon Golgatha als aus dem Kosmos auf dieErde versetzte Tatsache auf dem Plane derGeschichte sich vollzogen“, hatte bereitsAnnie Besant 1901 vertreten.

Steiners Weg zur Christosophie

Rudolf Steiner war dennoch nicht im Un-recht, wenn er einen Gegensatz zu Be-sants Theosophie behauptete. Dieser Ge-gensatz spiegelte sich in Besants letztlichungeschichtlicher Lehre vom „kosmi-schen Christus“. Bei Besant stand der„kosmische Christus“ mit seiner „makro-kosmischen Geschichte“ im Zentrum: Ihnbilden die Mysterienkulte und die diver-sen Christusfiguren der irdischen Weltge-schichte lediglich ab, um mystisch seinemikrokosmische Entsprechung immenschlichen Geist bewusst werden zulassen. Steiner griff zwar diese kosmischePerspektive erkennbar auf: Er lehrte sei-nerseits das Zusammenfließen der Chris-tus-Idee mit einer geschichtlichen Erschei-

nung. Doch das galt nun als exklusive Ver-bindung mit der Persönlichkeit Jesu! Undvon hier aus dachte Steiner den von Be-sant angestoßenen Gedankengang konse-quent zu Ende: Wird die kosmische Kreu-zigung als heilvolles Opfer verstanden,wie das bereits bei Besant entfaltet ist,dann muss auch die irdische Kreuzigungals geschichtliche Tatsache ein heilbrin-gendes Opfer darstellen! Das Kreuz desChristus ist „als einmaliges Ereignis, dasfür die ganze Menschheit gelten soll“16,zu verstehen! Zwar sah auch Besant, dassJesus durch sein Kreuzesopfer „ein Chris-tus in ‚voller Gestalt’ wurde“. Aber dieslehrte sie unter der Voraussetzung, dassderlei Aussagen für jeden „emporsteigen-den Christus“ gelten.17 Für sie gab es vieleHeilande, die alle gleichwertig waren.Aus den dargelegten Loyalitätsgründen tatSteiner nach außen hin bis auf Weiteresso, als stehe auch für ihn das Christentumgleichwertig in der Reihe der anderen reli-giösen Traditionen da. Aber es war nichtnur die Loyalität gegenüber Besant, son-dern auch der Wunsch nach der vollenWeihe, der Steiner zum Stillhalten be-wegte. Der Erfolg blieb nicht aus: 1904wurde er von Besant zum Erzlenker der„Esoterischen Schule“ im deutschsprachi-gen Raum ernannt. Nun endlich konnte ereine selbständigere Wirksamkeit begin-nen. So kam er 1905 dazu, die besondereHeilsrelevanz des Golgatha-Mysteriumswieder ins Blickfeld zu rücken.18

Den Seelenwanderungsgedanken der mo-dernen Theosophie hatte Steiner akzep-tiert, auch wenn er einräumen konnte,dass dieser Gedanke in der Bibel nichtvorkommt, sofern man sie nicht aus esote-rischem Blickwinkel liest. Nachdem alsoBlavatsky und Besant auf reinkarnatori-scher Basis die Selbsterlösungspflicht je-der Seele gelehrt hatten, versuchte Steinerden Gedanken der Erlösung durch Chris-tus mit dem Gedanken an Selbsterlösung

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zu verbinden. Er lehrte „auf der einenSeite eine Erlösung des Menschen durchsich selbst, durch sein eigenes Bemühen,durch seinen stufenweisen Aufstieg zurFreiheit im Laufe der Wiederverkörperun-gen“ und auf der anderen Seite „die Per-son und das Beispiel des Christus Jesus“als „die Christus-Kraft“ bzw. den erlösen-den „Grundimpuls“.19 Der Autonomie desMenschen korrespondiert die „Gnade“,die damit lediglich als Hilfe zur Selbsthilfeverstanden wird. Das Jahr 1907 begann in der Theosophi-schen Gesellschaft damit, dass Annie Be-sant als neue Präsidentin zur Wahl gestelltwurde. Steiner war klar, dass sich damitder Richtungskampf innerhalb der Theo-sophischen Gesellschaft zu seinen Un-gunsten entwickelte. So zeigte er unüber-sehbar Flagge. Am 17. Februar 1907machte er in einem Vortrag deutlich, dassChristus „der größte der Religionslehrer“sei – ein offener Affront gegen die über-kommene Toleranzdoktrin der Theosophi-schen Gesellschaft! Einige Wochen späternannte er den Christus den „höchsten in-karnierten Gott“, hielt Vorträge über die„weltgeschichtliche Bedeutung des amKreuze fließenden Blutes“ und betonte„die kosmische Bedeutung dessen, wassich auf Golgatha vollzogen hat“. Er er-gänzte, dass das Kreuzesereignis in seinenkosmischen Auswirkungen „noch heutenicht vollendet“ sei. Diese Vollendung –das war hier impliziert – werde durch Be-sant nicht eben gefördert, die das Myste-rium von Golgatha in seiner Einmaligkeitund Bedeutungsschwere verkannte. Stei-ner lehrte nun ausdrücklich: Das Christus-Wesen „war vorher noch niemals in ei-nem physischen Leibe inkarniert gewe-sen“. Besant indessen betonte weiterhin, dassder kosmische Christus sich zyklisch wie-derverkörpere. Und sie spitzte diese Lehrealsbald dahingehend zu, dass sie sie in ei-

ner akuten Wiederkunftserwartung ver-dichtete. Im August 1909 erklärte sie öf-fentlich, der kommende Weltenlehrer seidiesmal nicht wie vor 2000 Jahren im Os-ten, sondern im Westen zu erwarten. AlsSteiner hiervon erfuhr, konnte ihn dieserVorgang als Haupt der „westlichen“ Eso-terischen Schule mit ihrer eindeutigenAusrichtung schwerlich unberührt lassen.Ihm wurde nun klar, dass er in der Streit-frage des Christusverständnisses den Be-griff des „kosmischen Christus“ nicht län-ger der folgenreichen Deutungsmacht Be-sants überlassen durfte. Als Steiner sich in seinem nächsten Vor-tragszyklus im September 1909 dem Lu-kas-Evangelium widmete, präsentierte ererstmals seine Vorstellung von den zweiJesus-Knaben. Sie bildete die Antwort aufBesants Position. Knapp skizziert, lehrteSteiner Folgendes: Das salomonische Je-sus-Kind, so benannt nach der Abstam-mungslinie des Matthäusevangeliums,starb im Alter von zwölf Jahren. Sein ihminnewohnendes Zarathustra-Ich wechseltein den nathanischen Jesus über, mit demSteiner auf die anders lautende Abstam-mungsliste des Lukasevangeiums Bezugnimmt. Dort blieb dieses Ich bis zum 30.Jahr, um dann – sich opfernd – dem Chris-tus-Wesen Platz zu machen. So soll derkosmische Christus eine ideal vorbereiteteHülle in Besitz genommen haben.20 DieseGeschichte bot Steiner Raum, wichtigeFührergestalten und Traditionslinien derReligionen vor Jesus mittels des Seelen-wanderungsgedankens direkt in seineChristosophie einzubauen. Während Annie Besant Krishnamurti inihrem verriegelten Schlafzimmer in Adyarokkult einweihen ließ21, stellte Steiner inStockholm sein alternatives Verständnisder fürs 20. Jahrhundert erwarteten Wie-derkunft Christi vor: Diese sollte nicht imSichtbaren, sondern im „Ätherischen“ er-folgen. Im Januar 1911 gründeten Annie

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Besant und Charles W. Leadbeater am ers-ten Jahrestag der „Einweihung“ Krishna-murtis den „Orden der aufgehendenSonne“. Er sollte dem Zweck der Propa-ganda für den neuen „Weltenlehrer“ die-nen. Bald wurde er umbenannt in „Ordendes Sterns im Osten“. Umso entschiede-ner betonte Steiner nun demgegenüberdie Einmaligkeit des kosmischen Christus-Impulses in Jesus.22 Unmissverständlichpolemisierte der deutsche Generalsekretärgegen das folgenreiche Verständnis des„kosmischen Christus“ bei Besant: „Nurwenn man nicht weiß, daß der Christusder Repräsentant des ganzen Weltalls ist,... nur dann kann man behaupten, daß derChristus mehrmals auf Erden erscheinenkönne.“23

In der Folge entsprechender Streitigkeitenkam es 1912 zum endgültigen Bruch.Ende August fanden unter Hunderten vonSteiners versammelten Anhängern Diskus-sionen über ein eigenes Bündnis statt.Steiner schlug vor, den von der Theoso-phischen Gesellschaft unabhängigenBund „Anthroposophische Gesellschaft“zu nennen. Und diese wurde am 28. De-zember 1912 in Köln gegründet. Steinertrat selbst nicht bei, betonte aber: Erstdurch die Anthroposophie kommt man„zur Empfindung dessen ..., was Theoso-phie dem Menschen sein kann ... DieseAnthroposophie wird uns zu Göttlichemund zu Göttern führen.“24 Sage doch nie-mand, Steiner sei nicht religiös gewesen!

Steiner und die Christengemeinschaft

Es waren junge protestantische Theologengewesen, die sich – enttäuscht von der li-beralen und konservativen Theologie je-ner Zeit nach dem Ersten Weltkrieg – anRudolf Steiner gewandt hatten. Man trafsich, besprach sich, und Steiner formu-lierte die Kultustexte für die neu zu grün-dende Christengemeinschaft. Ausdrück-

lich formulierte er: „Die Christengemein-schaft ist auf geistigem Boden von geisti-gen Wesen gestiftet in Wirklichkeit“.25 MitBedacht hatte er bei der ersten „Men-schenweihehandlung“26 keine kultischeRolle übernommen und später ausgesagt,er habe die Christengemeinschaft quasials Privatmann gebildet. Als Religionsstif-ter hat er sich nicht sehen wollen. Des-halb hatte der junge Geistliche FriedrichRittelmeyer im September 1922 dieSelbstweihe vollzogen. Aber es war Stei-ners bloße Anwesenheit, die es nachÜberzeugung der Christengemeinschaftdazu kommen ließ, dass Christus als Ho-herpriester das Sakrament der Priester-weihe selber aus der göttlichen Welt he-raus gestiftet habe. Wie Erzoberlenker Rittelmeyer versi-cherte, wurde der neue religiöse Kultusdurch Steiners Dienst „aus der göttlichenWelt in die menschliche Welt getragen“27.Der Stuttgarter Oberlenker Hans-WernerSchroeder erläutert, Steiner habe gehol-fen, dass „das in der geistigen Welt Ge-schehene Erdenrealität gewann“; so habeer „die Grundlagen für ein erneuertes reli-giöses Wirken auf der Erde vermittelt“ und„an den Kreis der ersten Priester weiterge-reicht“.28 Der in der himmlischen Weltlängst vollzogene Kultus ist also dank Stei-ners gleichsam katalysatorischer Mittler-rolle endlich in die materielle Welt ge-kommen. Tatsächlich hat für die religiöseChristengemeinschaft der geistige Seher29

Steiner mindestens Apostelrang inne.Dementsprechend gilt seine Anthroposo-phie als „Geburtshelfer des erneuertenChristentums auf der Erde“. Dessen ein-zelne Rituale werden in der Christenge-meinschaft als eine zeitgemäße Selbstof-fenbarung Christi empfunden.Nicht zuletzt an der weitestgehenden Un-veränderlichkeit des Kultustextes sindwiederholt Religionsdialoge zwischen derevangelischen Kirche und der Christenge-

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meinschaft gescheitert; so ist es bis heutezu keiner Anerkennung der Taufe vonevangelischer Seite gekommen. Schondass die Taufe mit Wasser, Salz und Ascheerfolgen solle, ist neutestamentlich nichtbegründet; vielmehr steht zu vermuten,dass es sich hier um einen Rückgriff Stei-ners auf dieselben Elemente im okkultenI0-Ritual des „Ordo Templi Orientis“ han-delte, dessen deutschem Zweig „MysteriaMystica Aeterna“ er zwischen 1906 und1914 als Großmeister vorstand.30 Ent-scheidender aber ist: Es kommt im Vollzugdieser „erneuerten Taufe“ zwar die in al-len Kirchen verwendete trinitarische Tauf-formel vor, nicht jedoch bei gleichzeitigerdreifacher Begießung mit fließendemWasser bzw. während des Untertauchens!Man könnte versucht sein, dies als eine lediglich geringfügige Abweichung zu in-terpretieren; doch spiegelt sich in dermangelnden Bereitschaft der Christenge-meinschaft, sich dem althergebrachtenökumenischen Usus anzupassen, jenerunbedingte Glaube an den religiösen Of-fenbarungsmittler Rudolf Steiner, der inder Konsequenz den Verzicht auf die Ein-gliederung in die Ökumene der Kirchenjeder kultischen Änderung vorzieht.Offiziell herrscht in der Christengemein-schaft völlige Lehrfreiheit – mit der Ein-schränkung, dass die Lehre nicht dem Kul-tus widersprechen dürfe. Die Anthroposo-phie gilt für die Christengemeinschaft alseine Erkenntnishilfe, nicht als eine für dieGemeinschaft verbindliche theologischeWahrheit. Zugleich aber ist Steiners An-throposophie keineswegs ein beliebiger,sondern ein wesentlicher, wenn auchnicht ausschließlicher Verstehenshorizont.Theologisch geht man in dieser Gemein-schaft davon aus, dass durch die „innereGewißheit und die erkenntnismäßige Si-cherheit des urchristlichen Schauens undgeistigen Erlebens“ eine weitgehende Ein-heit der Lehre sozusagen automatisch zu-

stande kommt. „Wer über die Wahrheitstreitet, ist nicht mehr im Besitz der Wahr-heit“31, formuliert der Oberlenker Johan-nes Lenz. Er erklärt weiter: Die Lehrfrei-heit „baut darauf, daß durch die Anwen-dung des Breviers und durch das Studiumnach der Erkenntnismethode der Geistes-wissenschaft gerade dann eine Harmonieund Übereinstimmung erreicht wird,wenn jeder aus dem Innersten seiner Er-kenntnisbemühung heraus im Blick aufden Heiligen Geist lehrt“32. Auch regel-mäßige Meditationen und Gebete bildenzwecks „innerer Schulung des Geistesund der Seele“ die „Grundlage für die be-rufsspezifische Esoterik des Priesters“.33

Das von Lenz ebenfalls genannte „Stu-dium nach der Erkenntnismethode derGeisteswissenschaft“ hat natürlich nichtsanderes als die von Steiner propagierte Er-kenntnismethode der Anthroposophie imBlick. Das Gemeinte veranschaulichtLenz wie folgt: „Wer richtig denkt, trifftsich mit jedem anderen Menschen in derübersinnlichen Erkenntnisdisziplin derMathematik bei gleichem Inhalt.“34

Kommt in diesem Sachverhalt nicht un-weigerlich zur Geltung, dass Steiners An-throposophie die eigentliche Lehre derChristengemeinschaft deutlich prägt undinsofern für sie einen gewissen Rahmenfestlegt, innerhalb dessen sich die soge-nannte Lehrfreiheit bewegen darf? Tat-sächlich ist laut Lenz in der Christenge-meinschaft „die ‚Theosophie’ Lehrgegen-stand an den Ausbildungsstätten. Sie er-weitert die Theologie zu einer Theosophie– das Wissen zu einer Weisheit, die heutemit der Erkenntnis neu ergriffen und ent-wickelt werden kann ...“35 Steiner hat alsoden Grund zu einer esoterischen Religi-onsgemeinschaft christlicher Prägung ge-legt.Über ihren ersten Erzoberlenker FriedrichRittelmeyer36 schreibt Gerhard Wehr:„Die Christengemeinschaft, für die er zu

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den Beratungen hinzugezogen wurde,galt somit – trotz der erklärten Eigenstän-digkeit – als Bestandteil der anthroposo-phischen Bewegung. Sie wurde also nichtausschließlich als ‚Kirche’ betrachtet! IhrePriester nahm Steiner als Mitglieder derDornacher Hochschule auf.“37 Wie Wehrherausarbeitet, hat es neben Rittelmeyer„keinen zweiten Anthroposophen gege-ben, der mit gleichem Einsatz in der Öf-fentlichkeit für Person und Werk RudolfSteiners eingetreten ist ...“38 Tatsächlichwar Rittelmeyer davon überzeugt, dassSteiner mit seiner „Christuserkenntnis einEreignis in der Geschichte des Christen-tums selbst“39 bedeute. Die in den Grün-derjahren zu beobachtende Bindung derFührung an Steiners Anthroposophie hatsich selbstverständlich durchgehalten –mittels Wort und Sakrament! Was den insieben Sakramenten zentrierten Kultus40

betrifft, so war es namentlich die Sukzes-sion der von Rittelmeyer aus weiterge-reichten Priesterweihe, die auf ihre Weisefür die Tradierung des geistig Grundgeleg-ten sorgte. Und auf der Ebene des Wortes

bildete, wie Steiner es wollte, anhaltenddie gottesdienstliche Predigt das „Fens-ter“, durch das die Anthroposophie dieChristengemeinschaft mit dem notwendi-gen Erkennen und Wissen versorgensollte.41

Schluss

Steiner und die Religion – welch einThema! Es setzt sich fort im Betrachten dermodernen Esoterik-Szene, namentlich derNew-Age-Bewegung, in der nach wie voran Steiners Gedankengut angeknüpftwird.42 Und auch in der Theologie gibt eseinige Spezialisten, die sein Denken beialler Kritik gern monografisch gewürdigthaben – etwa Helmut Zander auf katholi-scher Seite und auf evangelischer Klausvon Stieglitz, Jan Badewien, FriedrichHeyer, Hellmut Haug und Klaus Bannach.Die Auseinandersetzung mit Steiner wirdsich gewiss auch nach seinem 150. Ge-burtstag fortsetzen. Seine Impulse für einereligiöse Erneuerung reichen deutlichüber die Anthroposophie hinaus.

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Anmerkungen

1 Friedrich Heyer, Anthroposophie – ein Stehen inHöheren Welten?, Konstanz 1993, 79.

2 Vgl. bes. Christoph Lindenberg, Rudolf Steiner. EineChronik, 1861-1925, Stuttgart 1988, 33.

3 Vgl. – auch zum Folgenden – Christoph Lindenberg,Rudolf Steiner. Eine Biographie, Bd. 1, Stuttgart1997, 80ff, sowie Helmut Zander, Rudolf Steiner.Die Biografie, München 2011. Vgl. dazu die Rezen-sion in dieser Ausgabe des MD, 157f.

4 Steiner hat sein Studium der Physik, Botanik, Zoo-logie und Chemie samt Mathematik nie abgeschlos-sen – schon deshalb sollte man seine geistigen Leis-tungen weniger dem „Naturwissenschaftler“ zu-schreiben; vielmehr ist daran zu erinnern, dass erTheosoph war als „Geisteswissenschaftler“!

5 Seine konstruktivistisch reflektierte „Erkenntnistheo-rie ... begründet die Überzeugung, dass im Denkendie Essenz der Welt vermittelt wird“ (Rudolf Steiner,GA 3, 85).

6 Vgl. Götz Harbsmeier, Anthroposophie – eine mo-derne Gnosis (Theologische Existenz heute 60),München 1957; Richard Geisen, Anthroposophie

und Gnostizismus. Darstellung, Vergleich und theo-logische Kritik, Paderborn u. a. 1992.

7 Vgl. Werner Thiede, Jenseits von Gut und Böse?Spiritueller Monismus als theologische und weltan-schauliche Herausforderung, in: Reinhard Hempel-mann (Hg.), Religionsdifferenzen und Religionsdia-loge, EZW-Texte 210, Berlin 2010, 259-268; Bern-hard Grom, Anthroposophie und Christentum,München 1989, 19ff und 86; Lothar Gassmann, Rudolf Steiner und die Anthroposophie, Berneck1994, 96.

8 Vgl. Adolf Baumann, Wörterbuch der Anthroposo-phie, München 1991, 211.

9 Dazu Klaus von Stieglitz, Die Christosophie RudolfSteiners. Voraussetzungen, Inhalt und Grenzen,Witten 1955, 20-22 und 253f; ferner Richard Gei-sen, Anthroposophie und Gnostizismus, a.a.O.,401f.

10 Vgl. Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche. Ein Kämp-fer gegen seine Zeit (1895), Dornach 31963 (GA 5).Siehe zu Nietzsches Spiritualität näherhin WernerThiede, „Wer aber kennt meinen Gott?“, in: ZThK

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4/2001, 462-500, bzw. das Nietzsche-Kapitel in:ders., Der gekreuzigte Sinn. Eine trinitarische Theo-dizee, Gütersloh 2007.

11 Vgl. Rudolf Steiner, Die Mystik im Aufgange desneuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zurmodernen Weltanschauung (1901), Dornach 61987(GA 7). Selbst die Ausführungen über den so chris-tosophisch orientierten Jakob Böhme kommen nichtauf Christus zu sprechen und schildern den Theoso-phen lediglich als „Organ des großen Allgeistes“(123).

12 So Klaus von Stieglitz, Christosophie, a.a.O., 31. 13 Steiner berichtet: „Das Studium von Blavatskys

‚Geheimlehre’ betrieben nur wenige; aber in dem-jenigen, was nun die Nachfolgerin der Blavatsky,Annie Besant, als die damalige Theosophie vortrug,waren diese Menschen bewandert ...“ (GA 258,34f).

14 Rudolf Steiner, Mein Lebensgang, hg. v. Marie Stei-ner (1925, GA 28), Stuttgart 1948, 354.

15 Rudolf Steiner, Das Christentum als mystische That-sache und die Mysterien des Altertums, Berlin1902, 134.

16 Ebd. „Als Thatsache, die für die ganze MenschheitGeltung hat, mußte es der Mensch gewordene Lo-gos durchmachen“ (ebd.).

17 Annie Besant, Esoterisches Christentum oder Diekleinen Mysterien (1903), Leipzig 21911 (autori-sierte Übersetzung), 147 und 153.

18 Vgl. hierzu und zum Folgenden näherhin meineHabilitationsschrift „Wer ist der kosmische Chris-tus? Karriere und Bedeutungswandel einer moder-nen Metapher“ (Göttingen 2001), bes. Kap. IV.

19 Vgl. näherhin Helmut Zander, Reinkarnation undChristentum. Rudolf Steiners Theorie der Wieder-verkörperung im Dialog mit der Theologie, Pader-born 1995.

20 Näheres zu Steiners Lehre von den beiden Jesus-Knaben bei Jan Badewien, Anthroposophie. Einekritische Darstellung, Konstanz 41990, 94ff.

21 Vgl. Pupul Jayakar, Krishnamurti. Leben und Lehre,Freiburg i. Br. 1988, 45f.

22 Vgl. Rudolf Steiner, Die geistige Führung des Men-schen und der Menschheit (1911), Dornach 91974(GA 15), 84.

23 Ebd.24 Rudolf Steiner, Die Bhagavad Gita und die Paulus-

briefe (1912/13), Dornach 41982 (GA 142), 128.

25 Rudolf Steiner, Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken V (1924), Dornach 1995 (GA346), 230.

26 So heißt bekanntlich der Gottesdienst der Christen-gemeinschaft (vgl. Engelbert Fischer, Die Men-schen-Weihehandlung. Was ist das?, Stuttgart2002).

27 Friedrich Rittelmeyer, Rudolf Steiner ✝, in: DieChristengemeinschaft 2 (1/1925), 1.

28 Hans-Werner Schroeder, Die Christengemeinschaft.Entstehung, Entwicklung, Zielsetzung, Stuttgart1990, 47 und 49.

29 Zu seinem Anspruch, in der „Akashachronik“, einerArt göttlichem Weltgedächtnis, lesen und von daherein „Fünftes Evangelium“ ausbreiten zu können,vgl. Friedrich Heyer, Anthroposophie, a.a.O., 52ff.

30 Vgl. Josef Dvorak, Satanismus, München 1989,312f.

31 Johannes Lenz, Priestertum im zwanzigsten Jahr-hundert, Stuttgart 1988, 91.

32 Ebd., 94.33 Ebd., 68f.34 Ebd., 96.35 Ebd., 95.36 Vgl. Helmut Zander, Friedrich Rittelmeyer. Eine

Konversion vom liberalen Protestantismus zur an-throposophischen Christengemeinschaft, in: Fried-rich Wilhelm Graf / Hans Martin Müller (Hg.), Derdeutsche Protestantismus um 1900, Gütersloh1996, 238-297; Christoph Führer, Aspekte eines„Christentums der Zukunft“. Zur Theologie und Spi-ritualität Friedrich Rittelmeyers, Stuttgart 1997; Ger-hard Wehr, Friedrich Rittelmeyer. Sein Leben – Re-ligiöse Erneuerung als Brückenschlag, Stuttgart1998.

37 Ebd., 203.38 Ebd., 106.39 Friedrich Rittelmeyer, Rudolf Steiner ✝, a.a.O., 1.40 „Daß der Kultus der CG nichts anderes ist als ritua-

lisierte Anthroposophie, wird niemand bestreitenkönnen, der sich näherhin damit befaßt hat – trotzanderslautender Beteuerungen der CG“ (ThomasHartmann, Anthroposophie als Kultus, in: DtPfrBl10/1990, 426-429, hier 429).

41 Vgl. die Äußerungen von 1923 in der Steiner-Ge-samtausgabe, Bd. 259, 173 und 257.

42 Vgl. näherhin Werner Thiede, Wer ist der kosmi-sche Christus?, a.a.O., Kap. V.

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BERICHTE

Ivo Sasek, der Begründer und Leiter der„Organischen Christus Generation“(OCG), vertritt ein perfektionistisches undrigoristisches Christentum. Seine Lehre istvon Endzeitvorstellungen geprägt. Er trittmit einem prophetischen Sendungsbe-wusstsein auf, von Gott berufen zu sein,das Christentum wiederzubeleben bzw.den christlichen Gemeinden eine Ge-richtsbotschaft zu bringen. Er ist die eineunangefochtene Autorität in der Bewe-gung der OCG. Im deutschsprachigenRaum gibt es schätzungsweise etwa 1000Anhänger, die sich verbindlich zur OCGhalten und regelmäßig an Veranstaltungenbei Ivo Sasek in Walzenhausen in derSchweiz teilnehmen. In den letzten fünfJahren scheint es kein Wachstum der Ge-meinschaft gegeben zu haben.1Die ernsthafte und kompromissloseWeise, in der Sasek seinen christlichenGlauben lebt und vertritt, spricht beson-ders Christen an, denen Lehre und Lebenin herkömmlichen Landes- und Freikir-chen zu lau erscheinen. Darüber hinauszeigten sich vor allem Familien beein-druckt von der Harmonie und dem Glau-bensleben in Saseks Familie mit elf Kin-dern. Andere christliche Großfamilien ha-ben sein Familienbild angenommen undvermögen offenbar ebenfalls ganz ähnlichwie Familie Sasek aufzutreten und durchein erstaunlich konfliktfreies Zusammen-leben und überzeugendes Glaubenslebenzu beeindrucken. Allerdings geriet Sasek

vor allem wegen seiner Äußerungen zurKindererziehung wiederholt in die Kritik.Im Folgenden soll seine Lehre zur Erzie-hung dargestellt werden; dabei werdenauch wesentliche Aussagen seiner Theolo-gie zur Sprache kommen.Ivo Saseks Lehre zur Kindererziehung liegtin seiner 200 Seiten umfassenden Schrift„Erziehe mit Vision!“ vor. Sie erschien zu-erst 2001 im Eigenverlag. Eine zweite, er-weiterte Auflage folgte 2006. Zudem hatIvo Sasek im Jahr 2000 ein Buch mit demTitel „Mama, bitte züchtige mich!“ he-rausgegeben. Es enthält Texte seiner dreiältesten Kinder. Simon (geb. 1984), David(geb. 1986) und Loisa (geb. 1988) warenbeim Erscheinen des Buches 16, 14 und12 Jahre alt. In den 1980er und 1990er Jahren verbrei-tete Sasek den Kassettenkurs „Die christli-che Familie“. Auf der 10. Kassette diesesKurses äußerte er sich zum „Züchtigenmit der Rute“. Diese Kassette wird heutenicht mehr verbreitet; allerdings hat sichSasek bisher nicht von den dort vertrete-nen Vorstellungen distanziert. In seinerSchrift „Erziehe mit Vision!“ entfaltet ersystematisch seine rein theologisch be-gründete Lehre der Kindererziehung.2Eine „menschliche“ – das heißt nach sei-ner Unterscheidung „nicht schöpfungsge-mäße“ – Erziehung lehnt er ab. Entspre-chend finden zum Beispiel psychologi-sche Erkenntnisse zur Entwicklung vonKindern keine Beachtung.

Claudia Knepper

Harmonie, Gehorsam und StrafeIvo Saseks Lehre von der Kindererziehung

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Erziehungskampf gegen die Sünde

Nach Saseks Lehre ist es die Bestimmungdes Menschen, „vollkommen mit Gott zu-sammengeleibt“ zu werden. Die Kehrseitedieser Bestimmung ist die Überwindungdes Bösen. Kindererziehung konzentriertund beschränkt sich bei Sasek deshalb aufzwei Ziele: Heiligung des Lebens undÜberwindung der Sünden. In der Erzie-hung der Kinder geht es dabei um nichtsweniger, als die Seelen der Kinder vordem Höllengericht zu retten.Die Kindererziehung steht bei Sasek in ei-nem großen heilsgeschichtlichen Rahmenund hat über das individuelle Leben derKinder hinaus Bedeutung. Nach Sasek istdie Erde seit Beginn einerseits von „gutenGeistern“ – dazu gehören Engel – und an-dererseits von „Heerscharen unreinerGeister, Teufel und Dämonen“ bevölkert.Der Mensch wurde als „Rivale Satans“ ge-schaffen, der seine Bestimmung als ersteSchöpfung Gottes verfehlt hatte. DerMensch soll als zweite Schöpfung nun derBestimmung gerecht werden, Gottes Leibzu sein. Da der Satan nichts anderes imSinn habe, als die Vereinigung des Men-schen mit Gott zu vereiteln, so Sasek, ge-höre zur Berufung des Menschen ent-scheidend „die totale Beherrschung undUntertretung aller teuflischen Mächte“.Heute, so Sasek, leben wir in der Zeit ei-nes unmittelbar bevorstehenden heilsge-schichtlichen Epochenwechsels. In dieserZeit intensiviere sich der Kampf zwischenhimmlischen und teuflischen Mächten.Zum einen erwartet Sasek die Geburtbzw. das Kommen einer „Erlöser-Genera-tion“. Mit dieser werde „Christus vollen-det“, der dann sein tausendjähriges Reichauf Erden errichten werde. Gleichzeitigversuche der Teufel die Geburt der Erlö-sergeneration zu verhindern. An dieserStelle denkt Sasek vor allem an Abtreibun-gen. Eine andere Taktik des Satans sei es,

die neue Generation durch „Kindesver-götterung“ zu verderben. „Fast sämtlichederzeitigen Angebote für Kinder“ wirkten„diametral dem Reich Gottes entgegen“.Ivo Sasek deutet die in der Tradition desVolkes Israel verankerten Feste Passah,Wochenfest und Laubhüttenfest heilsge-schichtlich. So wie sich das Passahfest inder Kreuzigung Jesu Christi erfüllt habeund das Wochenfest in der Ausgießungdes Heiligen Geistes zu Pfingsten, sostehe für unsere Zeit unmittelbar die Erfül-lung des Laubhüttenfestes bevor. Bei die-sem „Epochenwechsel“ „soll unser Leibvon der Versklavung an die Diesseitigkeiterlöst werden“. Die Metapher der Laub-hütte stehe für ein Haus, das nur nochkurze Zeit Bestand hat. Um auf den Epo-chenwechsel vorbereitet zu sein, gelte es,die eigene Familie in die engere Gemein-schaft einer solchen Hütte zu führen. Da-für hat Sasek das Bild und die Praxis des„Familienaltars“ und der „Ruhe ringsum“gefunden, was unten näher erläutert wer-den wird.Damit Eltern ihre Kinder das Erkennenund Überwinden der Sünde lehren kön-nen, müssen sie selbst ununterbrochen„im Strom des göttlichen Lebens stehen“und sich darin üben, frei von Sünde zu le-ben. Das Böse bzw. der Teufel müsse imKleinsten der Familie bekämpft werden,damit es auch im kosmisch Großen be-siegt werden kann. Schlüssel für das Trai-ning im „Überwinden der Sündenmacht“ist für Sasek der Wille des Kindes, denn imKern sei Sünde „Eigenwille“. „Das Bre-chen des Willens des Kindes ist daher diefundamentalste Grundlage und zugleichwichtigste Aufgabe einer gottgemässenKindererziehung und Bewältigung derSündenmacht.“ Der Erziehungskampf ge-gen die Sünde beginne unmittelbar nachder Geburt in den allerersten Lebenstageneines Kindes. Die Eltern sollen bereits die„Kleinsten das Widerstehen lehren. Dies

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tun wir, indem wir sie beständig den Un-terschied zwischen gut und böse, erlaubtund nicht erlaubt spüren lassen und in al-lem klare Grenzen setzen. Dies tun wir,indem wir ihren Willen von den ersten Le-benstagen an dem unseren und nicht un-seren Willen dem ihren anpassen.“ Aus ei-gener Erfahrung mit seinen Kindern be-richtet Sasek, dass es gleich am Anfangdarauf ankomme, dass die Eltern demKind sowohl den Stillrhythmus als auchden Schlafrhythmus vorgeben.

Vom Brechen des Eigenwillens

Hinter Saseks Rede vom „Brechen des Ei-genwillens“ steht seine Vorstellung derBeziehung zwischen Gott und Mensch,bei der es für den Menschen darauf an-komme, jeden Eigenwillen aufzugebenund ganz im Willen Gottes aufzugehen.Sasek unterscheidet dabei einen schlech-ten „Eigenwillen“ von einem guten „eige-nen Willen“. „Durch das Brechen des Ei-genwillens wird darum der naturgemässegute Wille freigesetzt, um an dem voll-kommenen Willen Gottes wieder funkti-onstüchtig angedockt zu werden.“ Dabeihelfe es in der Erziehung nicht, an den gu-ten Willen des Kindes zu appellieren. „So-bald wir nämlich das Böse gründlich ge-nug austreiben, fliesst das Gute von selbstnach.“ In diesem Zusammenhang deutetSasek körperliche Züchtigung an. Er er-zählt, wie ihn seine Mutter als Kind mitdem Teppichklopfer geschlagen habe.„War mein Herz zuvor auch noch soböse, verstockt oder närrisch, hinterherwar es jedes Mal wieder wie blank po-liert.“ Sasek weist darauf hin, dass dasBöse „fortlaufend beherrscht und draus-sen behalten“ werden müsse, weil essonst „in kürzester Zeit“ zurückkehre.Man muss hier wohl von einer ständigenDisziplinierung und Gehorsamsübungausgehen, die Sasek sowohl an sich selbst

und seiner Familie übt als auch von sei-nen Anhängern einfordert. Dabei tritt erkompromisslos auf: „Auch ein hundert-prozentiges, konsequentes Zurückstutzenund Anpassen an das Gesetz Gottes wirdnie ein Problem sein, wohl aber das kom-promissreiche Zurückstutzen.“ Lohn einersolchen Erziehung sei der „Segen des Ge-horsams“.Sasek vertritt die Vorstellung einer großen,auch sozial verstandenen Einheit in Gott,der alles Individuelle fremd ist. Gott ver-eine und umfasse alles. In diesem Zusam-menhang fällt einer der wenigen Sätze Sa-seks über die Liebe Gottes („Gott ist nichtnur eitel Liebe“), von der er nicht viel zuhalten scheint. „Der Geist des Herrn er-zieht uns hinein in ein Gesamtes, hineinin einen alle Äonen umfassenden Orga-nismus. Um dieses grossen Endzieles wil-len ist es von allergrösster Wichtigkeit,dass wir unseren Kindern beständig einorganisches Gesamtbewusstsein vermit-teln.“ Dazu gehöre auch das Wissen da-rum, dass, wenn ein Glied leide, alleGlieder des Organismus leiden. Als Bei-spiel für diese Wissensvermittlung nenntSasek „Kollektivstrafen“, die er „gelegent-lich“ über seine Kinder verhänge, „ob-gleich nur ein Einzelnes oder zwei, dreigesündigt haben“ (zum Beispiel den Ver-zicht auf einen gplanten Ausflug, gemein-sames Hausputzen statt gemeinsam zuspielen).

Durch Strafen und Enthaltsamkeit zur vollkommenen Harmonie

An der perfektionistisch verstandenenHarmonie im Familienorganismus bemisstsich das, was Sasek unter Sünde versteht.Sünde ist alles, was von Gott trennt. VonGott trennt nach Sasek alles, was „Un-ruhe“ macht. „Wir sind dazu berufen, un-ablässig in [Gottes, C.K.] Kraftstrom desLebens zu wandeln und es in zunehmen-

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dem Überfluss zu haben. Es [das Leben,C.K.] ist in allem und jedem zu finden, woGott drin ist; und es weicht auf der Stellevon allem und jedem, wo Gott nicht drinist.“ Für Sasek ist „das Leben Gottes“ das„Messorgan“ dafür, ob die eigene Lebens-führung heilig ist oder nicht, ob etwasnach Gottes Willen und in seiner Gemein-schaft getan oder gedacht wird oder nicht.Dieses Messorgan wendet Sasek aufbuchstäblich die gesamte alltägliche Le-benspraxis an. In seiner Familie wird re-gelmäßig die Frage gestellt, ob das Lebengerade „rauf“ oder „runter“ gehe. DiesePraxis lehrt Sasek auch seine Anhänger,und sie findet in den kollektiven „Bemes-sungen“ des rechten Glaubens Anwen-dung, die Sasek für Anhänger in Walzen-hausen anbietet. Liegt ein (auch persön-liches) Problem vor, wird die versammelteFamilie bzw. die versammelte Gemein-schaft gefragt, ob Gottes Leben in dieserSache sei oder nicht. Obwohl „schon beider kleinsten Abweichung von der Voll-kommenheit Gottes ... das Leben von unszu weichen“ beginne, sei es doch mög-lich, „vollkommen in diesen Gott hinein-verleibt zu werden, und zwar schon hierauf Erden“.Sasek spricht von der „formhaften“ undder „wesenhaften“ Erziehung. Unter derformhaften Erziehung versteht er Strafen,die die Kinder noch nicht verstehen müs-sen oder sollen. Hier geht es Sasek zumeinen darum, Kinder dazu anzuhalten,selbst darüber nachzudenken, warum sieeine Strafe bekommen haben. Zum ande-ren sollen Kinder lernen, „bereits bei derersten Anweisung zu gehorchen“. Saseksieht darin eine Übung im Gehorsam ge-genüber der „Stimme des Heiligen Geis-tes“. In der wesenhaften Erziehung be-müht sich Sasek um Strafen, die es denKindern ermöglichen, das Wesen der Wei-sung, die sie nicht befolgt haben, zu ver-stehen. Als Beispiele nennt er: bei Faulheit

den Fleiß, bei Gier den Verzicht, bei Un-dank, Unzufriedenheit oder Lustlosigkeitden Verzicht oder Arrest, bei Verschwen-dung den Mangel, bei Verantwortungslo-sigkeit die Pflicht. Er weist darauf hin, dassman Kinder, die dazu neigen, ihre Fehlerund Sünden zu verheimlichen, dazu an-halten soll, regelmäßig Verfehlungen zugestehen. „Verklagen“ sich dagegen Kin-der, rate ihnen Sasek, sich z. B. „jeden Tagmindestens einmal bewusst etwas Gutes[zu] tun“. „Sind sie aber widerspenstigund böse oder entgegen der Ermahnungwild, unbändig und übermütig, so schonedeine Rute nicht. Du gibst ihnen zwei,drei zünftige Streiche hinten drauf undschon ist der Wille wieder gereinigt, dieKammern des Leibes geputzt und dieNarrheit vom Herzen des Knaben entfernt(Sp 20,30 / 22,15).“ Zuvor spricht sich Sasek für das rechteMaß im Strafen aus: „Da ist nichts mit sturangewandtem Rutengebrauch.“ Damitknüpft er an seine frühere Lehre von derZüchtigung mit der Rute an und mildertsie zugleich ab. In der erwähnten Predigtauf Kassette 10 des Kurses „Die christlicheFamilie“ hatte Sasek das Strafen mit derRute biblisch (fragwürdig) begründet undmassiv vertreten. Nur der Gebrauch derRute – bis zu „blutigen Striemen“ – auchschon bei kleinen Kindern könne die Bos-heit aus ihnen austreiben und sie letztlichvor der Hölle bewahren. In der Schrift„Mama, bitte züchtige mich“ berichtet deretwa 15-jährige Simon vom Gebrauch derRute im Hause Sasek („ein Bambuszweigvon etwa 70-80 cm Länge und 0,5 cmDurchmesser“, „das gefürchtetste Objektdes Hauses“), die er zum ersten Mal alsVierjähriger zu spüren bekam.3 Ivo Sasekerwähnt selbst, dass er zweimal wegenKindesmisshandlung angezeigt wurde,1993 und 2001, was jeweils zu einer Un-tersuchung, nicht aber zur Strafverfolgungführte.4

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Im Kapitel „Berufungsgemäßes Erziehen“schreibt Sasek vom bevorstehenden heils-geschichtlichen Epochenwechsel, seinerErwartung einer Erlösergeneration undden Taktiken des Teufels gegen sie. In die-sem Zusammenhang erwähnt Sasek, dasser seine Kinder nach dem alttestament-lichen Vorbild Gott geweiht habe, was erauch seinen Anhängern nahelegt. Entspre-chend erziehe er seine Kinder nach den„Grundsätzen der Nasiräer“ im Alten Tes-tament. Die Weisung aus 4. Mose 6,1ff,nichts vom Gewächs des Weinstocks zusich zu nehmen, legt er radikal aus: „dembegehrlichen Wesen fernzubleiben, allerrivalisierenden Gaumen-, Ohren- oderFleischeslust sowie jeglicher Leidenschaftbereits in den Ansätzen zu wehren“. Diedort ebenfalls erwähnte Weisung, sichkeiner Leiche zu nähern, versteht Sasekso, dass die Gemeinschaft mit Menschenzu vermeiden sei, von denen „geistlicherTod“ ausgehe. Sasek schreibt, dass seineFamilie kein Weihnachten feiert und dieKinder enthaltsam auf den richtigen Part-ner warten sollen. In einem eigenen Kapi-tel betont er, es gehe ihm dabei nicht umAskese. Keineswegs meine er, dass denKindern „stur jegliche Gaumenfreude vor-enthalten, jeglicher Kontakt zu Ungläubi-gen“ untersagt werden solle. Festessen,ehelicher Verkehr und Alkoholgenussseien nach dem Grundsatz erlaubt, dasssie aufbauen, „Leben wirken“ müssen. Al-les habe seine Zeit, sein Maß und seinenRahmen. Grundsätzlich steht Sasek aberweltlichen „Lüsten“ kritisch gegenüber, dadiese aus seiner Sicht dem Reich Gottesim Wege stehen.Sasek äußert sich kritisch gegenüber der„Einmischung“ des Staates in die Erzie-hung „mittels gräulicher Philosophien“und gegenüber der Psychologie, die denMenschen als rein weltliches („fleisch-liches“) Wesen betrachte. Er wendet sichgegen Schulsport (Sport habe den ersten

Christen als „absoluter Götzendienst undAbfall“ gegolten), einen Religionsunter-richt, der nicht Christus als den einzigenWeg des Heils unterrichte, sondern auchandere Religionen zur Geltung kommenlasse, und besonders deutlich gegen sexu-elle Aufklärung in den Schulen.

Die Zurüstung der Familie

Angesichts des bevorstehenden Epochen-wechsels mahnt Sasek die Zurüstung deseigenen Hauses an. Er nennt diese Zurüs-tung „Familienaltar“. Nur wer sein Hausvon den Feinden Christi gereinigt habe,überstehe das bevorstehende Gericht. DasZentrum des „Familienaltars“, der nichtals Gegenstand, sondern eher als Zustandder Familie zu verstehen sei, ist für Sasekdie Gemeinschaft mit Christus. Entspre-chend sei die Hauptaufgabe des Familien-altars alles zu beseitigen, was dieser Ge-meinschaft im Wege stehe. Da es Erret-tung nur auf gemeinschaftlicher, organi-scher Ebene geben könne, sei der Famili-enaltar unter der Führung des Vaters alsHaupt der Familie Aufgabe der ganzen Fa-milie. Praktisch bedeute das unter ande-rem, dass die Familie die in der Gemeindegehörte Predigt „nachverdaue“. Bei Sa-seks würden zum Beispiel die Kinder beijedem Mittagessen berichten, wie derHeilige Geist in ihren Versammlungenbzw. in ihrem Leben wirke.Die Familie ist nach Sasek zwei Kraftfel-dern ausgesetzt, dem „Kraftfeld des To-des“ und dem „Kraftfeld des Lebens“. Ei-nes dieser Felder hat unausweichlichHerrschaft über das Haus. Zu den „bösenKräften“ zählt Sasek Streit, schlechteLaune, Eifersucht, Faulheit, Schwermut.Die „Kraft des Bösen“ ist die Kraft „derUnreinheit, der Spaltung, des Jähzornsund der Disharmonie“. Diese „Unruhe-herde“ gelten als die „Feinde“, die derGemeinschaft mit Christus entgegenste-

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hen und zu besiegen sind. Die „Kraft desHeiligen Geistes“ dagegen beschreibt Sa-sek als „Wesen des Friedens, des Lichtes,der Freude und der Vermögensmacht“. Für die christliche Familie gelte es, alleinin dieser Kraft zu leben.Da es für die Familien ihrer Bestimmunggemäß als Leib Gottes darauf ankomme,allein in Gottes Kraftstrom zu leben, istnach Sasek das Maß, nach dem das Fami-lienleben und alle Aktivitäten des Lebenszu bewerten seien, der Friede des ReichesGottes. Fehle der Friede, fehle das ReichGottes. Aus dem Alten Testament leitetSasek her, dass Gott schon immer für seinVolk „Ruhe ringsum“ von seinen Feindengewollt habe. Für die Familie gelte es ent-sprechend, „vollständige Oberhand übersämtliche Unruheherde“ zu gewinnen.Jede Sünde – alles was den göttlichen Le-bensstrom schwächt oder versiegen lässt– stellt im „Familienorganismus“ eine ge-meinschaftliche Belastung dar. Sie muss„fachgerecht nach der Ordnung Gottes“geahndet werden, weil sie sonst „zumtödlichen Geschwür“ auswächst. „Scho-ne daher nie den Sünder!“ Ein Zeichenfür die wahrhafte Bewältigung von Schuldsei das Zurückkehren des göttlichen Frie-dens.Sasek beschreibt ausführlich und prak-tisch zur Nachahmung, wie er mit seinerFamilie gegen die „Unruheherde“ an-kämpft. Dafür versammelt sich die Familieregelmäßig. Jeder schreibt alle persönli-chen Unruheherde auf; diese werdendann geordnet (erst eigene Sünden, danneheliche, dann familiäre Unruheherde,dann berufliche und außerfamiliäre, im-mer zuerst die „Sünde“, dann eher „tech-nische Probleme“). Alle Unruhepunktesollen gemeinsam angegangen werden.Sasek spricht hier von einem „Wandelnim Gleichschritt“ und dem „Einfügen ineine Gesamtordnung“. „Wie ein Mannsoll jede Lebenszelle, jede Familie oder

Wohngemeinschaft als Organismus zu-sammenwirken.“ Alles soll dem Gesam-ten dienen, nichts soll unter Druck ge-schehen. Kinder können, so schlägt Sasekvor, durch „Heldendienste“ motiviert wer-den. (Er nennt als Beispiel seinen zweijäh-rigen Sohn, der darauf achtete, dass alleGeschwister ihre Hausschuhe anzogen).Sasek bietet für das Bekämpfen der Unru-heherde einen eigenen Kurs an und prak-tiziert „Ruhe ringsum“ auch in seiner Ge-meinde und der OCG. Eine Beispiellistezeigt, dass für Sasek alle Dinge des alltäg-lichen Lebensvollzugs zum Unruheherdwerden können. Diese Arbeit der Familiean sich selbst nach innen und der darausfolgende Segen und die Ausstrahlungnach außen lassen jede erfolgreiche Fami-lie zu einer „Missionszentrale“ werden.Sasek sieht in seiner Familie ein Vorbild,in der der Friede Gottes „das ganze Jahrüber ein Normal- und nicht bloss ein Aus-nahmezustand ist“.

Einschätzung

Zu würdigen ist Saseks Wille, den christ-lichen Glauben ernst zu nehmen. SeineBereitschaft, an sich und vor allem an derGemeinschaft, in der er lebt, zu arbeitenund die Früchte des Glaubens im Alltagsichtbar werden zu lassen, erinnert in derTat an biblische Forderungen an die „Hei-ligen“, entsprechend „heilig“ zu leben.Sasek gelingt es dabei, ganz praktischeFormen zu finden, wie Familien Konfliktegemeinsam bearbeiten und lösen können. Auffällig in Saseks Lehre ist das Fehlen derRede von der Liebe Gottes, von Verge-bung und Versöhnung. Nicht Gott kommtauch gegen Widerstände heilsam in dasbrüchige Leben der Menschen, sondernder Mensch muss selbst Heil und Friedenherstellen und damit einen heiligen Raumbereiten, den „organischen“ Leib Christi,in den Gott bzw. Christus einziehen kann.

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Jede kleine Unruhe wird als Widerstandund Hindernis in der Gemeinschaft zwi-schen Mensch und Gott angesehen undmuss ausgeräumt werden. Die Lehre Sa-seks, dass ein sündenfreies Leben nichtnur möglich, sondern auch geboten ist,kann Menschen erheblich unter Drucksetzen, die mit ihren ganz normalen All-tagsproblemen, aber auch mit Krankhei-ten und Unglücksfällen konfrontiert sind.Verschärft wird der Druck durch SaseksDenken in Extremen, seine Kompromiss-losigkeit, seinen Perfektionismus (immer,überall, vollständig) und den Dualismus,der Saseks gesamte Wirklichkeitssichtprägt. Alltägliche Handlungen, Stimmun-gen und Geschehnisse erfahren in seinerDeutung eine religiöse Überhöhung. Sieführen entweder zur Verdammnis oderstehen unter dem Segen Gottes. DieStrenge im Umgang mit alltäglichen Kon-flikten, mit den Schwächen und „Sünden“seiner Anhänger kann als Härte und Lieb-losigkeit erfahren werden. Aussteiger be-richten von Depressionen, religiösenWahnvorstellungen („Verdammnisgedan-ken“) und Suizidalität, die in einigen Fäl-len aufgetreten sein sollen.5 Anmaßend istSaseks Anspruch, mittels regelmäßig an-gebotener „Bemessungen“ die Bußfertig-keit von Christen einzuschätzen und da-nach zu entscheiden, wer in die OCG auf-genommen werden kann oder wer ausge-schlossen werden muss.Problematisch kann sich in der Gemein-schaft um Ivo Sasek auch die starke Beto-nung des Gehorsams auswirken. So wiees für die Gläubigen darum geht, ihren Ei-genwillen aufzugeben und ganz im Wil-len Gottes aufzugehen, sieht Sasek auchden sozialen menschlichen „Organismus“streng hierarchisch geordnet: Kinder ge-horchen ihren Eltern, die Frau gehorchtdem Mann, der Mann gehorcht seinemVorgesetzten bzw. Leiter, alle gehorchenGott. In irgendeiner Weise einen eigenen

Willen zu haben oder zu behaupten, giltals Sünde. Die Lehre Saseks, den eigenenWillen vollständig aufzugeben und alleinGottes Willen zu folgen, kann dazu füh-ren, dass der eigene Wille mit dem WillenGottes verwechselt wird. Diese Gefahrwird in Saseks Immunität gegenüber Kritikund seinem Anspruch deutlich, mit gött-lich legitimierter Autorität aufzutreten.Saseks Lehre ist von Dualismus und Elite-denken geprägt. Er unterscheidet zwi-schen den wahren Gläubigen und denUngläubigen, zu denen er letztlich alleanderen Christen zählt, und ebenso zwi-schen der Welt, die er von Dämonen be-herrscht sieht, und dem wahren „LeibChristi“. Als weltlich und damit „gottlos“gelten auch psychologische Erkenntnissezur Entwicklung von Kindern und gesell-schaftlich anerkannte Werte des Kindes-wohls. Es ist damit zu rechnen, dass diesein der OCG abgelehnt und zugunsten der„geistlichen“ Lehre Saseks zur Kinderer-ziehung aufgegeben werden. Unter OCG-Mitgliedern scheint die Bereitschaft vor-handen zu sein, auch schon kleine Kinderkörperlich zu züchtigen. Interne Kritik anSasek oder der OCG wird einem rebelli-schen oder dämonischen Geist zuge-schrieben. Bedenklich ist dies geradeauch im Blick auf die Kindererziehung,wenn eigene Vorstellungen und Erfahrun-gen sowie die Vernunft zugunsten derLehre Saseks zurückgestellt werden. Alle genannten Punkte, die darauf hinwei-sen, dass die Bewegung der OCG kon-fliktträchtige Seiten aufweist, können sichauf die Entwicklung von Kindern proble-matisch auswirken. Zu nennen sind hiervor allem: die strikte Gehorsamsforde-rung, die Abwertung des eigenen Willensund der Individualität, die Entwicklung ei-nes ausgeprägten Sündenbewusstseins,die Nötigung zur Rechenschaft über dasGeistwirken im eigenen Leben, die Dro-hung der Verdammnis im bevorstehenden

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Gericht Gottes bei einem nicht sündenfreigeführten Leben und die damit einherge-henden Ängste sowie das systematischeund auch körperliche Abstrafen all des-sen, was als „Störung“ des „Friedens“bzw. als „Sünde“ empfunden wird. Inweiten Teilen ist die Lehre Saseks bib-

lischen Ursprungs und ihre Aussagen sindin der christlichen Tradition verankert undverbreitet. Was sie problematisch macht,ist die Einseitigkeit, in der sie bei Sasek bisins Extreme vertreten werden. Statt im Zu-spruch zu befreien, nimmt der Anspruchseiner Botschaft die Luft zum Atmen.

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Anmerkungen

1 Vgl. kritisch zu Sasek und der OCG: Harald Lam-precht, Organische Christusgeneration. Ivo Sasekund seine Bewegung, in: MD 4/2003,132-143;Georg Otto Schmid, Obadja, in: Informationsblatt,hg. von der Evangelischen Informationsstelle: Kir-chen – Sekten – Religionen in Zusammenarbeit mitder Ökumenischen Arbeitsgruppe „Neue religiöseBewegungen in der Schweiz“, 3/1998, 7-12.

2 Alle im Folgenden aufgeführten Zitate und Aussa-gen sind, wenn nicht anders angegeben, entnom-

men aus: Ivo Sasek, Erziehe mit Vision! Walzenhau-sen 22006 (abrufbar unter www.ivo-sasek.ch/buecher.html).

3 Simon, David und Loisa Sasek, Mama, bitte züch-tige mich!, Walzenhausen 2000, 27f.

4 Ivo Sasek, Herr der Wandlungen, Walzenhausen72009, 33f.

5 Vgl. OCG – ein kommentierter Erlebnisbericht,www.schlarb.biz/sonstiges/ocg_bericht.pdf, abgeru-fen am 8.3.2011.

Die „Giordano Bruno Stiftung – Stiftungzur Förderung des evolutionären Huma-nismus“ sammelt „neuste Erkenntnisseder Geistes-, Sozial- und Naturwissen-schaften, um ihre Bedeutung für das hu-manistische Anliegen eines ‚friedlichenund gleichberechtigten Zusammenlebensder Menschen im Diesseits’ herauszuar-beiten. Ziel der Stiftung ist es, die Grund-züge eines naturalistischen Weltbildes so-wie einer säkularen, evolutionär-humanis-tischen Ethik / Politik zu entwickeln und einer interessierten Öffentlichkeit zugäng-lich zu machen“1. Eine durch die Stiftungin Auftrag gegebene „pointierte Zusam-menfassung der zentralen Positionen“2

der Stiftung findet man im „Manifest desevolutionären Humanismus“, das MichaelSchmidt-Salomon verfasst hat.3

Michael Schmidt-Salomon (geb. 1967) istein deutscher Publizist, der in der Organi-sation von Atheismus- und Konfessionslo-senbewegungen eine wichtige Rollespielt. Er ist Vorstandssprecher der Gior-dano Bruno Stiftung. Im Beirat sitzen zumTeil namhafte Philosophen wie etwa derbekannte kritisch-rationalistische Wissen-schaftstheoretiker Hans Albert (geb.1921), der Rechtsphilosoph Norbert Hoerster (geb. 1937), der NaturphilosophBernulf Kanitscheider (geb. 1939), derPhysiker und Philosoph Gerhard Vollmer

Linus Hauser, Gießen

Die Giordano Bruno Stiftung im kulturgeschichtlichen Kontext

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(geb. 1943), der Soziobiologe und Biophi-losoph Eckart Voland (geb. 1949) undEvolutionstheoretiker wie Ulrich Kut-schera (geb. 1955) und Franz Wuketits(geb. 1955) sowie der berühmte Hirnfor-scher Wolf Singer (geb. 1943), Direktorder Abteilung für Neurophysiologie amMax-Planck-Institut für Hirnforschung inFrankfurt am Main. 2007 verlieh die Gior-dano Bruno Stiftung den von ihr einge-richteten Deschner-Preis4 an RichardDawkins.

Prolog in der Antike

Als die „Gottlosigkeit schlechthin“5 galtim Altertum der Euhemerismus. Begrün-det wurde dieser Denkstil durch Euheme-ros von Messene (um 300 v. Chr.). Hatteschon Hekataios von Abdera (ca. 350-290) von den Göttern Ägyptens geschrie-ben, dass sie vorzeitliche Könige waren,so radikalisiert Euhemeros – kritisch ge-gen die Herrscherverehrung gerichtet –diese Position. Er schreibt in „Hiera Ana-graphe“ auf der Basis einer romanartigenRahmenerzählung in der Rolle des Welt-reisenden von der am damaligen Endeder Welt im Indischen Ozean gelegenenInsel Panchaia. Dort habe er an einerSäule des Zeustempels eine Inschrift ge-funden, die Zeus selbst zitiere. DerMensch Zeus habe – in Anspielung aufAlexander den Großen – fünfmal denErdkreis umrundet und sei ein großer Kul-turstifter unter den Menschen gewesen.Durch Inthronisation von Freunden undVerwandten habe er den archaischenMenschen die Gesetze geschenkt.6 Er seigerühmt worden und habe ewige Kult-denkmale zum eigenen Ruhme hinterlas-sen. Als er alt geworden sei, habe er sichnach Kreta begeben, sei dort gestorbenund unter die Götter aufgenommen wor-den. Derartige ätiologische Geschichtenbietet Euhemeros auch für andere grie-

chische Göttinnen und Götter an, derenGroßtaten in den Mythen u. a. Erinnerun-gen an Hofintrigen und Nachfolgekämpfein Herrscherfamilien spiegelten.7Wichtig ist, dass Euhemeros nicht alsAtheist gelten kann. Er unterscheidet zweiArten von Göttern8, die ewigen und un-sterblichen Götter (etwa Sonne, Mondund andere Gestirne) und die irdischenGötter, mit denen er sich auseinander-setzt. Seine Dekonstruktion des Götter-glaubens geschieht in religionskritischer,aber nicht in atheistischer Absicht. SeineReligionskritik bewegt sich eher auf derEbene der Religionskritik eines Deuteroje-saja9. Euhemeros und der Euhemerismussind also zweierlei. Unter Euhemerismus soll hier – in denBahnen der populären Begriffsgeschichtefahrend – verstanden werden: eine Inter-pretation von Phänomenen einer/der Reli-gion gemäß 1. der Form der Reduktionderselben auf eine „Nichts-anderes-als...-Argumentation“, die 2. den Maßstab –„Nichts anderes als“ – aus dem Bezug aufvermeintlich empirische Informationenüber (genetische, neuronale, evolutive,soziale, psychische etc.) naturkausale Ur-sachen von Religion bezieht. Diese Re-duktion geschieht 3. unter Ausklamme-rung erkenntnistheoretischer Fragestellun-gen zur Metaphysik des transzendentenAbsoluten.

Das „Manifest des evolutionären Humanismus“

Das „Manifest des evolutionären Huma-nismus“ von Michael Schmidt-Salomonsetzt mit einer Bemerkung ein, in derschon viele Voraussetzungen stecken: Wirwürden in einer „Zeit der Ungleichzeitig-keit“10 leben. Während wir „technolo-gisch im 21. Jahrhundert“ stünden, seienunsere „Weltbilder noch von jahrtau-sende alten Legenden geprägt“ (7). Mit

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dieser Voraussetzung klingt schon ein mo-nistisches Erkenntnis- und Wirklichkeits-verständnis an. Religion gehe in ihrer„Theorie und Praxis ... von imaginärenGöttern oder Heilserzählungen“ (14) ausund nicht von den „real existierendenMenschen“ (14). Daher beruhe religiösesDenken auf einem „Etikettenschwindel,da es menschliche Wirklichkeitskonstruk-tionen mit anderen als menschlichen Gü-tekriterien (‚Gebot Gottes / der Götteroder Göttinnen’, ‚Schicksal / Karma’,,Vorsehung’) versieht“ (53). Aufgrund sei-ner jenseitigen Orientierung könne reli-giöses Denken sich gegen jede „rationale,menschliche Argumentation“ (53) immu-nisieren. Darüber hinaus sei es „gekop-pelt an eine zutiefst autoritäre Denkstruk-tur“ (54).Der evolutionäre Humanismus verzichtehingegen, wie jeder Humanismus, aufjenseitige Begründungen. Sein Ziel seieine „freie Persönlichkeitsentfaltung allerMenschen“ (14). Darüber hinaus verar-beite er die „zahlreichen neuen wissen-schaftlichen Erkenntnisse ... produktiv“(14). Er verstehe sich als „offenes System“(35) und wisse um die „Relativitätmenschlicher Erkenntnis“ (35), wiewohler trotzdem davon ausgehe, dass sich imVerlauf der „kulturellen Evolution sehrwohl brauchbare Maßstäbe entwickelt[haben], die uns in die Lage versetzen,hilfreiche von schädlichen kulturellen Ent-würfen zu unterscheiden“ (35).Gott wird psychologisiert – in spiegelver-kehrter Entsprechung zum kreationisti-schen Slogan vom „intelligenten Desig-ner“. Aus dem abgründigen Geheimnishinter aller Wirklichkeit wird eine zwarallmächtige, aber doch ganz nach unse-rem Schnittmuster denkende Person. Zu-stimmend zitiert Schmidt-Salomon Ri-chard Dawkins: „Das Universum, das wirbeobachten, hat genau die Eigenschaften,mit denen man rechnet, wenn dahinter

kein Plan, keine Absicht, kein Gut oderBöse steht, nichts außer blinder, erbar-mungsloser Gleichgültigkeit“ (25f). Einerationale Vorstellung von Gott definiereihn höchstens als für uns Menschen be-deutungsloses „metaphysisches, unper-sönliches Wesen, das jenseits unsererWahrnehmung den gesamten Kosmos er-füllt“ (55). Obwohl wir in einem Kosmoslebten, der sich durch „blinde, erbar-mungslose Gleichgültigkeit“ auszeichne,geht Schmidt-Salomon von der Möglich-keit einer Ethikbegründung jenseits vondogmatisch erstarrter Religion und relati-vistischer Postmoderne (35) aus. Er be-stimmt Ethik als den Versuch, „die unterMenschen unweigerlich auftretenden In-teressenkonflikte so zu lösen, dass alle Be-troffenen diese Lösung als möglichst fairerachten“ (101). Wieso sich Menschen alsnichts anderes als ein „zufälliges Produktder biologischen Evolution“ (15) betrach-ten können und zugleich die unbedingte –das heißt nicht naturbedingte – Geltungdieses Grundsatzes akzeptieren sollten,bleibt unbegründet. Wenn der Mensch„nicht in der Lage ist, Naturgesetze zuüberschreiten“ (15) und noch dazu keine„auch nur partiell unabhängige ‚Ver-nunft’“ (15) besitzt, dann gibt es keinenüberlebenswichtigen Grund dafür, dass erüber seine direkten Interessen hinaus anFairness denkt oder irgendwelchen Idea-len wie einem evolutionären Humanis-mus nachjagt. Es liegt auf der Hand, dass der evolutio-näre Humanismus gegen einen stand-punktbezogenen, konfessionellen Religi-onsunterricht eingestellt ist. „Wenn Klein-Erna mit Segen des Staates von Vertreternder katholischen Kirche, Klein-Mehmetvon Muslimen, Klein-Philipp von ZeugenJehovas etc. fürs Leben geschult werden,so entsteht darüber keine weltanschau-liche Vielfalt, sondern bloß potenzierteEinfalt“ (134). Schmidt-Salomon fordert

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alternativ dazu die „Einführung eines inte-grativen philosophisch-religionswissen-schaftlichen Werte-Unterrichts für alleSchüler in allen Bundesländern“ (140).Politisch bedenklich wird seine Position,wenn er darauf dringt, dass die „Beset-zung von Rundfunk-, Ethikräten etc. mitExperten, die sich tatsächlich der Leitkul-tur von Humanismus und Aufklärung ver-pflichtet fühlen“ zu erfolgen habe undnicht durch Personen die „irgendwelcheweltanschaulich-religiöse Partikularinte-ressen ... bedienen“ (140).

Ein Relikt des 19. Jahrhunderts

Die Zielsetzung der Giordano Bruno Stif-tung ist nicht neu. Die Gesellschaft spie-gelt den Geist der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wider. Als 1873 in Preußendas Kirchenaustrittsgesetz erlassen wird,entstehen in den meisten GroßstädtenFreidenkervereine.11 Darin finden zwi-schen 1878 und 1890, in der Zeit des So-zialistengesetzes, Arbeiter ihre Betäti-gungsmöglichkeiten. Der Deutsche Frei-denkerbund wird 1881 im Anschluss andie Gründung des internationalen Frei-denkerbundes ins Leben gerufen. 1909organisieren sich die „freiheitlichen Ver-bände“ im sogenannten Weimarer Kartell.Mit dem ersten Weltkrieg gibt es eine Zä-sur, die 1922 mit der Gründung derReichsarbeitsgemeinschaft der freigeisti-gen Verbände (RAG) beendet wird. In derRAG finden sich der Verein der Freidenkerfür Feuerbestattung (später Deutscher Frei-denker-Verband), der Zentralverband pro-letarischer Freidenker (später Gemein-schaft proletarischer Freidenker), derdurch Ernst Haeckel (1834-1919) 1906gegründete Deutsche Monistenbund, derBund freireligiöser Gemeinden und derDeutsche Freidenkerbund, der 1924 zu-sammen mit dem Bund der freireligiösenGemeinden den Volksbund für Geistes-

freiheit gründet.12 Bis auf die zitierten wissenschaftlichen Erkenntnisse und ver-änderten Leitwissenschaften ist die Argu-mentationsweise im Hinblick auf die Religion damals wie heute nahezu gleichgeblieben.

Erkenntnistheoretische Grenzen des Euhemerismus: nicht zurück hinter Kant

Schon der spätmittelalterliche TheologeNicolaus Cusanus (1401-1464) schreibt:„Außerhalb des Denkmöglichen wirdnichts gedacht. Alles Denkmögliche imDenken ist das Denken selber. Es wirdalso verbleiben nichts als das reine Den-ken selbst, das nicht denken kann, dassetwas außerhalb des Denkmöglichenwirklich ist.“13

Cusanus verweist auf einen Grundsatz,den spätestens seit Immanuel Kants(1724-1804) „Kritik der reinen Vernunft“(1781) kein ernsthafter Theologe mehrverletzen sollte und den die spätenSchichten des Alten Testaments mit demaufklärerischen Bilderverbot14 schon un-thematisch eingefordert haben. DieserGrundsatz lautet: Ontologische Verhält-nisse sind zugleich Begriffsverhältnisse.Alles was ist, ist – für uns Menschen – alsGedachtes, von dem vorausgesetzt wird,dass es prinzipiell nicht in seinem Ge-dachtsein aufgehen muss. Damit kann kein selbstverständlicher An-spruch erhoben werden, dass unsere Be-griffe außerhalb der Sphäre empirischermenschlicher Erfahrung einen Sinn besit-zen. Weder kann von der Existenz unsererWelt und ihrer – menschlich betrachteten– Ordnung auf einen Schöpfer und Ord-ner, noch aus der vermeintlichen Erfah-rung genetischer, neuronaler, evolutiver,sozialer, psychischer Dispositionen zurReligion auf deren Unsinnigkeit geschlos-sen werden. Metaphysisch orientierteprinzipielle Aussagen erfahrungswissen-

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schaftlicher Art pro und contra GottesExistenz sind unsinnig, weil sie innerwelt-liche Maßstäbe in den Bereich des meta-physisch transzendenten Absoluten proji-zieren. Erkenntnistheoretisch ausgerich-tete Theologie ist hier religionskritisch imHinblick auf den Standpunkt eines ratio-nalistisch (deus demonstrari potest) odermirakulös begründeten Theismus undatheismuskritisch im Hinblick auf einenunreflektierten, euhemeristischen Atheis-mus.

Weltbild und gnoseologische Konkupiszenz

Die wichtigste Zusammenfassung der er-kenntnistheoretischen Prämissen diesesevolutionären Humanismus findet sichgleich in der Einleitung des Buchs: Werheute ein „logisch konsistentes (= wider-spruchsfreies), mit empirischen Erkennt-nissen übereinstimmendes (= unseremsystematischen Erfahrungswissen entspre-chendes) und auch ethisch tragfähigesMenschen- und Weltbild entwickelnmöchte, muss notwendigerweise auf dieErgebnisse der wissenschaftlichen For-schung zurückgreifen. Die traditionellenReligionen ... können diese Aufgabe nichtmehr erfüllen. Sie sind nicht nur hinrei-chend theoretisch widerlegt, sie habensich auch in ihrer Praxis als schlechterRatgeber für die Menschheit erwiesen ...“(8).Schmidt-Salomon formuliert hier eine Be-dürfnislage, die dem entspricht, was KarlRahner (1904-1984) unter gnoseologi-scher Konkupiszenz versteht. Konkupis-zenz ist der Hang zur Sünde, der trotz al-ler Einbeziehung der Menschen in denHerrschaftsbereich Jesu Christi – als dassich schon vollziehende Reich Gottes –jeden unserer Selbstvollzüge begleitet.Philosophisch entspricht dieser Lebenssi-tuation die Anfälligkeit, Selbstkonsistenz

und Wertorientierung zugunsten andererOrientierungen aufzugeben. Es gibt zweiAusformungen der Konkupiszenz – mora-lische und gnoseologische Konkupiszenz.Der Hang zur Sünde im bösen Tun ist unsvertraut. Weniger selbstverständlich ist derHang zur Sünde im Erkennen-Wollen. Ih-ren anthropologischen Ausgangspunkt hatdie Theorie der gnoseologischen Konku-piszenz in der selbstverständlichen undmeist unthematischen Voraussetzung un-seres Alltags, dass das, was „ich“ be-haupte, wahr ist. Wenn „ich“ von dieserVoraussetzung ausgehe, liegt eine zweiteVoraussetzung nahe. Es ist die Vorausset-zung, dass alles, was „ich“ behaupte, ineinem großen Zusammenhang steht. Ge-rade in unserer unübersichtlichen Welt eines irreduziblen Pluralismus der Per-spektiven und der Zerklüftung aller Wis-senschaften in hoch spezialisierte Minia-turdisziplinen gibt es die Sehnsucht nacheiner alle Lebensaspekte in sich begrei-fenden Weltanschauung15, in der unsereOrdnungs- und Sinnsuche zur Ruhekommt.In dieser Hinsicht entspricht Schmidt-Sa-lomons Theorie ganz dem Modell des po-pulären Wissenschaftsglaubens, der in derzweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ent-stand. Dass diese Art unkritischer Meta-physik zurzeit wieder ins Gespräch ge-kommen ist, hängt wohl mit zwei Fakto-ren zusammen. Zum einen ist sie unkriti-scher Spiegel aktueller Technologieschübeund von Veränderungen im Bild paradig-matischer Leitwissenschaften. Die wissen-schaftlichen Paradigmen unserer Zeitscheinen einen idealen Zugang für dieVersuche eines grandiosen Verstehens zubieten. Was scheint näher zu liegen, alsden Weg zur Weltformel über die Physik,die Selbstorganisation der Neuronen undGene zu suchen? Empirisches und meta-physisch scheinendes Kosmisches bietenhier für viele Menschen eine ideale Ver-

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Anmerkungen

1 www.giordano-bruno-stiftung.de.2 Ebd.3 Michael Schmidt-Salomon, Manifest des evolutio-

nären Humanismus. Plädoyer für eine zeitgemäßeLeitkultur, Aschaffenburg 22006.

4 Karlheinz Deschner (geb. 1924) ist einer der promi-nentesten deutschsprachigen Christentumskritiker.Er wurde durch seine auf zehn Bände angelegte„Kriminalgeschichte des Christentums“ (ab 1986)bekannt.

5 Helmut Köster, Einführung in des Neue Testament,Berlin 1980, 159; vgl. auch Jan Dochhorn, Zur Ent-stehungsgeschichte der Religion bei Euhemeros –mit einem Ausblick auf Philo von Byblos, in: Zeit-schrift für Religions- und Geistesgeschichte 53(2001), 290, und das grundlegende Buch von Ma-rek Winiarczyk, Euhemeros von Messene. Leben,Werk und Wirkung, Leipzig 2002, bes.12 und 107f.

6 Vgl. ebd., 99.7 Vgl. Helmut Köster, Einführung in das Neue Testa-

ment, a.a.O., 160.8 Vgl. Marek Winiarczyk, Euhemeros von Messene,

a.a.O., 107f.9 Vgl. Jes 44,14-19.

10 Michael Schmidt-Salomon, Manifest, a.a.O., 7. DieZitate aus diesem Buch stehen im Folgenden inKlammern im Text. Zum philosophisch adäquatenFortschrittsbegriff vgl. Friedrich Rapp, Fortschritt.

Entwicklung und Sinngehalt einer philosophischenIdee, Darmstadt 1992, 20.

11 Vgl. dazu und zur Einordnung dieser Gruppierun-gen in eine neopagane Religiosität: Linus Hauser,Kritik der neomythischen Vernunft, Bd. 1: Men-schen als Götter der Erde. 1800–1945, Paderborn22005, 401-407. Dort kann auch nachgelesen wer-den, in welchen dunklen Gefilden dieses Freiden-kertum endet.

12 Vgl. Ulrich Nanko, Die Deutsche Glaubensbewe-gung. Eine historische und soziologische Untersu-chung, Marburg 1993, 36.

13 De filiatione dei (Über Gotteskindschaft, 1444/45),zugänglich auf Deutsch: Nikolaus von Kues, Text-auswahl in deutscher Übersetzung, Bd. 5: ÜberGotteskindschaft, Trier 2002.

14 Vgl. dazu Eckhard Nordhofen, Die Zukunft des Mo-notheismus, in: Merkur 53 (1999), 828-846, undseinen Religionslehrer-Roman: ders., Die Mädchen,der Lehrer und der liebe Gott, Stuttgart 1999 (dazuals Unterrichtshilfe: Thomas Menges / EckhardNordhofen: Die Mädchen, der Lehrer und der liebeGott. Lehrpraktische Analysen. Sekundarstufe II, 27.Folge, Stuttgart 2000).

15 Zum Begriff der Weltanschauung vgl. Helmut G.Meier, Weltanschauung. Studien zu einer Ge-schichte und Theorie des Begriffs (Dissertation),Münster 1967.

bindung. Zum anderen geht diese Art un-kritischer Metaphysik sozusagen unterumgekehrten Vorzeichen ein Bündnis mitdem religiösen Fundamentalismus ein. Ich bin in der Versuchung auszurufen:

Gott schenke uns wieder niveauvolleAtheisten, Zweifler und „Unselbstver-ständlich-Macher“ wie Ludwig Feuerbach(1804-1872), Jean-Paul Sartre (1905-1980) und Ernst Bloch (1885-1977).

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ALEVITEN

Zwei Veranstaltungen in Berlin signalisie-ren gelungene Integration. Die „Aleviti-sche Gemeinde Deutschland e.V.“ (AABF)und der alevitische Unternehmerverband„Almanya Ticaret ve Yatirim Birligi e.V.“(ATIYAB) luden in diesem Jahr zu ihremNeujahrsempfang erstmals nicht nachKöln, sondern nach Berlin ein. Der imgroßen Rahmen angelegte Empfang fandam 8. Februar 2011 im „Piazza Rossa“statt, einer Event Location nur wenige Me-ter vom Roten Rathaus entfernt, und botden Gästen ein stilvolles Ambiente imZentrum Berlins. Die Entscheidung, dendiesjährigen Neujahrsempfang von Köln,wo er traditionell ausgerichtet wordenwar, in die Hauptstadt zu verlegen, trägtdem „Angekommensein“ der Aleviten inder deutschen Gesellschaft symbolischRechnung. Die seit über 20 Jahren engagiert vorange-triebenen Integrationsbemühungen derAlevitischen Gemeinde in Deutschlandstoßen auf immer mehr Anerkennung inPolitik und Gesellschaft. Die Grußwortevon Bundestagspräsident Norbert Lam-mert (CDU), Sigmar Gabriel (SPD), Clau-dia Roth (Bündnis 90 / Die Grünen) sowievon Abgeordneten der FDP und der Partei„Die Linke“ hoben mit jeweils eigenenSchwerpunkten die Bedeutung des „Ale-vitischen Modells“ als Beispiel einer ge-lungenen Integration hervor. Zurückzu-führen ist dieser Erfolg auch auf den ho-hen Organisationsgrad der Aleviten, dievon mehr als 120 Vereinen in Deutsch-land vertreten werden. Der „Bund derAlevitischen Jugend“ (BDAJ) ist beispiels-weise die erste und größte Migrantenju-gendselbstorganisation Deutschlands. DerZusammenschluss der Vereine unter dem

Dachverband „AABF“ macht die Alevitenseit langem zu einem verlässlichen Ver-handlungspartner für die Politik. Im Ergeb-nis wurden die Aleviten als Religionsge-meinschaft nach dem Grundgesetz aner-kannt, und es wurde ein eigener bekennt-nisorientierter Religionsunterricht an einerwachsenden Anzahl von Schulen einge-führt. Die ebenfalls zum Neujahrsemp-fang eingeladene Staatsministerin für Mi-gration, Flüchtlinge und Integration, Ma-ria Böhmer (CDU), stellte im Verlauf ihrerRede sogar die Möglichkeit der Ausbil-dung alevitischer Theologen an deutschenUniversitäten in Aussicht.Als nicht unbedeutend ist die Teilnahmedes türkischen Botschafters an den Feier-lichkeiten hervorzuheben. In der einzigenauf Türkisch gehaltenen Rede des Abendsging der Botschafter auch auf die Situationder Aleviten in der Türkei ein, wobei erdie Religionsfreiheit in seinem Land alsgegeben darstellte – eine Auffassung, dienur von wenigen Besuchern so geteiltwurde. Eines zeigt sich aber deutlich: DieEmanzipation und die Integration der Ale-viten in Deutschland haben Auswirkun-gen auf das Selbstverständnis der Alevitenin der Türkei, und es findet eine nicht zuunterschätzende wechselseitige Beeinflus-sung statt. Mit ihrer reichhaltigen und aus verschie-denen Quellen schöpfenden religiösenTradition nehmen die Aleviten eine wich-tige und eigenständige Rolle im Dialogzwischen Christentum und Islam ein. Dieaus der alevitischen Tradition resultieren-den vielfältigen Anknüpfungspunkte füreinen Dialog mit dem Christentum schaf-fen im Vergleich zum sunnitischen undschiitischen Islam eine breitere Grundlagefür das interreligiöse Gespräch. Ob sichdie weit fortgeschrittene und erfolgreicheIntegration der Aleviten in Deutschlandauf diese Besonderheit zurückführen lässt,ist nur schwer zu beurteilen.

INFORMATIONEN

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Die mit mehr als hundert Teilnehmern gutbesuchte Veranstaltung griff das Themades jüngst von der EZW herausgegebenenTextes „Aleviten in Deutschland – Grund-lagen, Veränderungsprozesse, Perspekti-ven“ (EZW-Texte 211) auf und bot einigenAutoren die Möglichkeit zur Diskussionmit den Teilnehmern.

Rabih El-Dick, Hildesheim

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Diese Frage war auch ein Diskussions-punkt auf der Tagung „Beispielhafte Inte-gration? Aleviten in Deutschland“, dieebenfalls im Februar in Berlin stattfand(10.2.2011). Veranstalter waren die Evan-gelische Akademie zu Berlin und dieEvangelische Zentralstelle für Weltan-schauungsfragen (EZW). Als Referentenwirkten u. a. mit: Ehrhart Körting (BerlinerSenator für Inneres und Sport), Raoul Mo-tika (Direktor des Deutschen Orient-Insti-tuts Istanbul) und Ali Ertan Toprak (Gene-ralsekretär der Alevitischen Union Europaund zweiter Bundesvorsitzender der Ale-vitischen Gemeinde Deutschland). Motika bot den Teilnehmern in seinemVortrag zu Beginn der Tagung einen brei-ten Überblick über die Geschichte derAleviten von ihren Anfängen an. Im weite-ren Verlauf der Tagung informierte IsmailKaplan, Bildungsbeauftragter der Aleviti-schen Gemeinde Deutschland, über Ent-wicklung und aktuellen Stand des aleviti-schen Religionsunterrichts. Lehrplan undInhalte des Unterrichts wurden beschrie-ben und deren Bedeutung bei der Vermitt-lung des alevitischen Glaubens erläutert.Kaplan hob dabei die zentrale Rolle vonBildung hervor, die in seinen Augen alsein maßgeblicher Faktor für die erfolgrei-che Integration der Aleviten anzusehenist. In der nachfolgenden Podiumsdiskus-sion goss Ehrhart Körting etwas Wasser inden Wein der von Kaplan propagiertenBildungsnähe der Aleviten, indem er aufeinige Zahlen aus Bildungsstatistiken ver-wies. Die Ursachen für die Defizite aufdem Gebiet der Bildung seien freilichhauptsächlich in der Anwerbung von ale-vitischen „Gastarbeitern“ zu sehen, diemeist aus bildungsfernen Schichtenstammten. Die Ausführungen lösten ins-besondere unter den anwesenden Alevi-ten Diskussionen aus, in deren Selbstver-ständnis Bildung offensichtlich eine her-vorgehobene Rolle spielt.

ANTHROPOSOPHIE

Kritische Bilanz zum 150. Geburtstag Ru-dolf Steiners. In der Evangelischen Akade-mie Bad Herrenalb suchte die Tagung„Rudolf Steiners Erkenntnisse höhererWelten – Eine kritische Bilanz zum 150.Geburtstag“ vom 18. bis 20. Februar 2011einen Zugang zu einem der einfluss-reichsten esoterischen Lehrer im 20. Jahr-hundert. Wissenschaftler unterschiedli-cher Disziplinen deuteten die Rolle desam 27. Februar 1861 geborenen Steiner inder Gegenwartskultur oder loteten Mög-lichkeiten und Grenzen des Gesprächszwischen der Anthroposophie und denWissenschaften aus. Drei der Referenten(Gebhardt, Zander und Ullrich) habenkürzlich, pünktlich zum Jubiläum, Biogra-fien Steiners vorgelegt.Die Historikerin Miriam Gebhardt deuteteSteiners Lebenslauf als eine moderne„Bastelbiografie“ der Umbrüche, Wech-selhaftigkeit und Spontaneität. Steinerhabe sich nicht an einer damals gängigenbürgerlichen Vorstellung der Haushalts-führung orientiert, sondern mit einer mo-dernen Lebensführung und mehreren Part-nerschaften experimentiert. Der „flüchtigeProphet“ habe sich immer wieder gewan-delt und sei schwer zu fassen. Erst mit An-fang 40 habe er seine Berufung gefunden.Die Brüche vom „braven Goetheforscher“zum Nietzscheaner und weiter zum „Ok-kult-Propheten“ ließen sich nicht mit Kon-

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versionserfahrungen erklären, sondernmachten seine Biografie vergleichbar mitder anderer „sprunghafter Zeitgenossen“um 1900.Der Politikwissenschaftler und TheologeHelmut Zander (vgl. die Rezension zu sei-ner Steiner-Biografie in diesem Heft S.157f) skizzierte die Esoterische Schule Ru-dolf Steiners, die bisher kaum erforschtsei. In der Theosophie habe man sichnach einer Zeit, in der sich der Spiritismusauf äußere, sinnlich wahrnehmbare Be-weise des Jenseitigen konzentriert hatte,auf den inneren Menschen besonnen. Da-mit habe eine Suche nach Anknüpfungs-möglichkeiten an kaum mehr vorhandeneTraditionen der Kontemplation in Indienund Europa begonnen, um eine europäi-sche Meditationspraxis in indischem Ge-wand neu zu erfinden, so Zander. 1904wurde Steiner nach einer zweijährigenZeit als Schüler der Esoterischen Schuleder Theosophischen Gesellschaft Landes-leiter der Esoterischen Schulen inDeutschland. Zander zeigte VerbindungenSteiners zur Freimaurerei auf. Er wies da-rauf hin, dass der heutigen Anthroposo-phie die praktische Esoterik Steiners mitRiten und Zeremonien, zum Beispiel dasInitiationsritual, fehle und sie damit umeinen für Steiner wichtigen Teil verkürztsei. Die Attraktivität der EsoterischenSchule Steiners sieht Zander darin, dassSteiner mit der „höheren Erkenntnis“ eineAntwort auf die tiefsitzende Verunsiche-rung des 19. Jahrhunderts geben konnte,nachdem alle früheren Gewissheiten auchin der Religion in Frage gestellt waren.Der Erziehungswissenschaftler HeinerUllrich ging der Frage nach, inwieweit einGespräch zwischen der Waldorfpädago-gik, die die erfolgreichste Reformpädago-gik des 20. Jahrhunderts sei, und den uni-versitären Erziehungswissenschaften mög-lich ist. Als ein Merkmal der Waldorfpäda-gogik stellte Ulrich heraus, dass sie sich

nicht an Kindern orientiere, sondern amLehrer als Vorbild. Die Anthroposophiesolle nach der Idee der Waldorfpädagogiknicht als Inhalt gelehrt werden, sei aberfür das „Wie“ des Unterrichts entschei-dend. Aus der Sicht universitärer Erzie-hungswissenschaftler, für die Ullrich Bei-spiele nannte, stelle sich die Waldorfpä-dagogik als „beeindruckende Praxis“,aber „dubiose Theorie“ dar. Von einemDialog mit den Erziehungswissenschaftenhabe sie sich bis heute nicht beeinflussenlassen. Es zeigten sich deutliche Grenzeneines Gesprächs. Von Eltern wird die Wal-dorfschule aus Ullrichs Sicht gewählt,weil sie ein (milieuspezifisches) Gegen-programm zu den staatlichen Schulendarstelle.Der Theologe Werner Thiede untersuchtedie Rolle des kosmischen Christus in Stei-ners Anthroposophie und deutete mögli-che Verbindungslinien zur Rede vom kos-mischen Christus bei Teilhard de Chardinan. Mit der Christengemeinschaft habeSteiner den Grund für eine esoterische Re-ligion christlicher Prägung gelegt.Die Ärztin Barbara Burkhard stellte ausder Perspektive der Schulmedizin die an-throposophische Medizin vor. Dazu ge-hörten das anthroposophische Menschen-bild, das Krankheitsverständnis und Vor-stellungen über die Wirksamkeit spezifi-scher Präparate (z. B. Mistelpräparate)und Behandlungsmethoden (z. B. Heil-eurythmie). Die Referentin hob hervor,dass nach dem Selbstverständnis Präpa-rate nur innerhalb der anthroposo-phischen Medizin wirksam wären. Sie kritisierte unter anderem die Immunitätanthroposophischer Medizin gegenüberKritik von außen.Der Journalist Alexander Kissler sprachunter der Überschrift „Lektionen aus demBienenstock“ über die Anthroposophie inder Gegenwartskultur. Die Anthroposo-phie begegnet auch dem Nichtanthropo-

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sophen vielerorts im Alltagsleben. Kisslerbeobachtete einen gewissen Widerspruchzwischen sympathisch wirkenden Anthro-posophen im Privatleben und einer be-merkenswerten Aggressivität in der Öf-fentlichkeit gegenüber Kritikern. Er gingbeispielhaft auf das Befremden ein, das erals Nichtanthroposoph angesichts der De-meter-Landwirtschaft empfindet. Eine Er-klärung für die Attraktivität der Anthropo-sophie fand er in der Schilderung einerAusstellungsbesucherin im Goetheanumin Dornach, die sich von der begehbarenSkulptur eines Bienenstocks begeistertzeigte. Wie ein solcher Bienenstock seidie Anthroposophie ein geschlossenesSystem mit einem „duftenden, blühenden,akustischen“ Erlebnisraum für ein Ich, dasauf der Suche nach Spielräumen sei.Der in einer humorvollen Haltung vorge-tragene Beitrag Kisslers, der deutlich seinBefremden gegenüber den esoterischenVorstellungen der Anthroposophie zumAusdruck brachte, neigte am ehestendazu, das Tagungspublikum mit etwa 90überwiegend älteren Teilnehmern zu po-larisieren. Anhänger Steiners empfandendie Anthroposophie auf zynische Weiselächerlich gemacht. Nichtanthroposophenfanden den Vortrag „erfrischend“. Dieszeigt, mit welchen Emotionen und Ambi-valenzen die Anthroposophie in der Ge-genwartskultur einhergeht. Großer Ernstauf der einen und ein ebenso großes Be-fremden auf der anderen Seite stehen sichgegenüber und kommen nicht leicht insGespräch. Ihren festen Platz in der deutschen All-tagskultur hat die Anthroposophie vor al-lem durch ihre praktischen Zweige. Dieesoterischen Theorien Steiners sprechennur einen überschaubaren Kreis Interes-sierter an. Junge Menschen dürften sicheher von neuen Formen esoterischer An-gebote angezogen fühlen.

Claudia Knepper

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ESOTERIK

Gabriel Looser: Sterbebegleitung vor undnach dem Tod. Dank mehrerer Publika-tionen, besonders des bereits in fünfterAuflage erschienenen Longsellers „DieSeele ins Licht begleiten – Sterbebeglei-tung über den Tod des Körpers hinaus“,avancierte Gabriel Looser zu einem Vor-denker der Esoterik-Szene. Vor Beginn sei-nes Vortrags „Spirituelle Sterbehilfe –auch nach dem Tod“ am 5. Februar 2011in einem Münchner Hotel präsentierte ihndie Organisatorin Gudula Blau als „denFachmann überhaupt“. Die frühereSchauspielerin Blau, die als Bundesvorsit-zende der Partei „Die Violetten“ amtierte(vgl. MD 9/2009, 338ff), leitet heute dieSeminarorganisation mit Buchversand„Annapurna“ (www.annapurnasshop.de).Sein Werdegang macht Loosers Beschäfti-gung mit dem Thema Sterben nachvoll-ziehbar. Der 1948 geborene Schweizerstudierte katholische Theologie, promo-vierte in evangelischer Theologie undmachte eine Ausbildung als Psychologe.Von 1980 bis 1991 wurde er als Kranken-haus- und Telefonseelsorger mit der Hilf-losigkeit konfrontiert, „die in unserer Kul-tur dem Sterben gegenüber herrscht“. Erbefasste sich mit Sterbetraditionen aus al-ler Welt. 1992 gründete er das „InstitutDr. Gabriel Looser – Spirituelle Sterbebe-gleitung“ mit Sitz in Bern, das einen neun-monatigen Lehrgang anbietet (www.institutlooser.ch).Den ersten Teil des Münchner Vortragswidmete Looser der Sterbebegleitung inden letzten Lebenstagen. Wo der Tod alsdas Schlimmste gelte, mit dem zu rechnenist, sei es nötig, dem Sterbenden wie auchAngehörigen, Ärzten und Pflegepersonaldie Situation bewusst zu machen und jeneÄngste zu nehmen, die „missgeleitete Kir-chenlehren“ über Hölle, Tod und Teufelschürten. Looser will „unmissionarisch“

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vermitteln, dass der Sterbende keinemzürnenden Richter gegenübertritt, son-dern die Chance auf ungeschönte Lebens-bilanzierung erhält. Nach dem Tod er-warte ihn nichts als das „unbeschreiblichegöttliche Licht“, das „Urlicht der Buddhis-ten“, die „umfassende Liebe“. Der Sterbe-begleiter müsse die eigene Beziehungzum Tod klären, angstfrei eine Atmo-sphäre der Ruhe schaffen, Zwänge, Ge-rede und Hektik vermeiden und auf jedenFall ehrlich bleiben und Trauer und Mitge-fühl zeigen. Er solle dem Sterbenden „seinOhr leihen“, ohne zu verurteilen. Dochgeschehe unschätzbar Wertvolles auch innonverbaler Kommunikation. Solche Ratschläge, die ja in der Hospiztra-dition stehen, erscheinen sinnvoll. Men-schenwürdiges Sterben verlangt sicher,dass keine Indoktrination erfolgt, sonderndass der Sterbende liebevoll gepflegt wirdund in Ruhe die Schwelle überschreitenkann. Es ist zu hoffen, dass Looser undseine Schüler auch dann neutral bleiben,wenn der Begleitete nicht ein undefinier-bares Licht, sondern einen persönlichenGott ersehnt.Wo Looser über Sterbebegleitung nachdem Tod spricht, geht er über die Hospiz-arbeit hinaus. Zwar erklärt er, er sei „keinMedium“, das heißt, er führt keinen akti-ven Dialog mit den Geistern Verstorbener.Allerdings sucht er gelegentlich Medienauf und gibt außerdem an, seine Mutter,zu der Zeit seit Jahren tot, habe ihm beimVerfassen eines Buches zu „Geistesblit-zen“ verholfen.Zur Sterbebegleitung nach dem Tod ge-hört für Loosers dualistisches Konzept zu-nächst, der Seele das Ableben des Körpersklarzumachen. Diese nehme den Tod oftnicht wahr, sondern fühle sich lebendigerdenn je oder sei verwirrt. Die Angehöri-gen sollten sich nicht am Verstorbenenfestklammern und dessen Weg blockie-ren. Loslassen ist die Devise. Mit den Mit-

teln des guten Zuredens, des Gebets odermit einfachen Ritualen wie Kerzenanzün-den soll der Seele der Weg gewiesen wer-den, sich dem eigenen Leben samt allenFehlern zu stellen und „ins Licht zu ge-hen“. Looser erklärt, wenn er auch keineGespräche mit Toten führe, so habe esdoch deutliche Reaktionen auf seine Un-terstützung gegeben; so verändere sichetwa der Gesichtsausdruck des Verstorbe-nen von Trauer zu Heiterkeit und größterWürde. Das ist nur ein Beispiel, wie Loo-ser seine subjektive Interpretation einesVorgangs als Beweis dafür anführt, dasssich etwas so abspielt, wie er es annimmt.Eine große Rolle spielt für Looser die An-nahme einer Art „Silberschnur“ zwischenKörper und Seele, die sich innerhalb vondrei Tagen nach dem Tod auflöse. Da derTodesprozess so lange dauere, solle man„eine Leiche nicht ins Kühlfach schie-ben“, sondern drei Tage lang zu Hauseaufbahren. Auch Organentnahme oderFeuerbestattung hält Looser für fragwür-dig. So sicher er in Bezug auf diese Fragenauftritt, so sehr hält er sich bei anderenzurück, vermeidet zu „banale“ oder „kul-turspezifische“ Begriffe wie Gott oderSchutzengel, spricht lieber von „geistigenHelfern“. Diesen traut er aber wohl nichtallzu viel zu, sonst müsste nicht dermenschliche Begleiter eingreifen. WoLooser Quellen angibt wie das TibetischeTotenbuch, entnimmt er diesen nur, wasseinem Konzept dient. Die Reinkarnation,die im Tibetischen Totenbuch eine festeGröße darstellt, sieht Looser nicht als Ziel,schließt sie aber auch nicht aus. Fragendazu beantwortet der Fachmann mit „Sogenau weiß ich das nicht“.Zu Loosers Vortrag fanden sich etwa 50Personen ein, zur Hälfte unter 40 Jahren.Einige gaben sich in der Fragerunde alsMediziner oder Krankenschwestern zu er-kennen. Es bestand die Möglichkeit zurDiskussion, bei der das Publikum die Au-

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Selbstmord nicht zueinander in Bezie-hung. Es geht auch hier nicht um eineSchuldzuweisung, doch gilt es zu rekapi-tulieren, dass eine Selbstdiagnose, obman psychisch stabil genug für ein Semi-nar ist, schwierig sein kann. Aktive Todes-Meditationen sind ein Spiel mit demFeuer und können in der geschildertenForm kaum empfohlen werden.

Angelika Koller, München

torität des Referenten eher mit persön-lichen Erlebnissen bestätigte. Looser bietetweitere Vorträge und Workshops in ver-schiedenen Städten Deutschlands und derSchweiz an.In den Medien wird das Interesse an Nah-toderlebnissen immer wieder neu befeu-ert. Auch Loosers Sterbebegleitung undseine Seminare greifen auf die Berichtedarüber zurück. Bewusst vernachlässigt erallerdings Zeugnisse von Schreckenser-fahrungen und betont die schönen Seiteneines Spaziergangs ins Licht.In seinem Buch „Die Seele ins Licht be-gleiten“ und in Sterbe-Workshops geht esauch darum, sich selbst dem Licht hinzu-geben. Es ist eine Sache, sich intellektuellmit der menschlichen Sterblichkeit zukonfrontieren und zu fragen, was den Ver-storbenen nach dem Tod erwartet. Es isteine andere Sache, in einem Workshopoder gar allein mit einer CD (die zumBuch angeboten wird) Meditationendurchzuführen, die Sterben in Anlehnungan „wunderschöne“ Nahtoderlebnisse si-mulieren. So verlangt Looser vom Klien-ten, sich vom Körper zu lösen: „Duschwebst im weiten Raum dahin ... es istdas eingetreten, was wir Tod nennen“ (DieSeele ins Licht begleiten, 52009, 184).Man soll sich dem göttlichen Licht hinge-ben und nach einer Weile wieder in denKörper zurückkehren, denn: „Nur wersterben kann, kann wirklich leben“ (161).Zu Recht warnt Looser Schwangere oderlabile Personen vor solchen Exkursionen(163). Die Autorin rät generell davon ab.Oft wird die Macht der Suggestion unter-schätzt und die Konsequenz der Fantasie-reise ins Jenseits stellt sich als Balancever-lust erst später ein. Looser selbst be-schreibt den Fall eines 30-jährigen, dermit seiner Freundin einen Sterbe-Work-shop besucht hatte. Wochen später erlitter einen schizophrenen Schub und begingSuizid (203ff). Looser setzt Workshop und

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NEUAPOSTOLISCHE KIRCHE

Heftige interne Konflikte beim Öffnungs-prozess. (Letzter Bericht: 2/2011, 62ff)Kann man einen Katechismus modifizie-ren, ohne zentrale Glaubensüberzeugun-gen aufzugeben? Die NeuapostolischeKirche (NAK) versucht seit einigen Jahrendiesen Spagat und ist dabei bemüht, we-der die konservativen noch die progressi-ven Kräfte in ihrer Kirche zu verprellen.Die Neuerungen in ihrer Glaubenslehrewill die Kirchenleitung der NAK schritt-weise bekanntgeben. Zentrale Lehrinhaltedes für 2012 angekündigten Katechismus,in denen sich Änderungen ergeben ha-ben, werden deshalb vorab in kirchen-eigenen Medien wie etwa der Mitglieder-zeitschrift „Unsere Familie“ veröffentlicht.Dazu wurde ab Nr. 1/2011 eigens dieneue Rubrik „Glauben – Wissen – Verste-hen“ eingerichtet, und die dort abge-druckten Aufsätze sind auch im Internetabrufbar (www.bischoff-verlag.de/public_vfb/pages/de/family/lehre_und_erkenntnis).Als eine weitere Maßnahme wurde denNAK-Amtsträgern in der Februar-Ausgabeder internen Zeitschrift „Leitgedanken“das neue Kirchenverständnis der NAKmitgeteilt. Dieser Ausschnitt aus demneuen Katechismus rief heftige Reaktio-nen an der Kirchenbasis hervor. Nachdemein Hannoveraner Bezirksältester allenMitarbeitern seines Bezirks mitgeteilt

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hatte, dass er das neue Kirchenverständnisnicht vertreten könne, schlossen sich ihmviele andere an. In einer öffentlichen Listeim Internet haben sich mittlerweile fast700 Amtsträger aus allen deutschen Ge-bietskirchen vom neuen Kirchenverständ-nis distanziert, da es aus ihrer Sicht nichtoffen genug ist (www.glaubenskultur.de). Das Internet hat mit seiner ungefiltertenMeinungsvielfalt dazu beigetragen, Ent-wicklungsprozesse in der NAK zu be-schleunigen. Die autonomen Internetfo-ren sind jedoch kürzlich vom Stammapos-tel kritisiert worden, weil sie keine sach-gemäßen Diskussionen, sondern Polari-sierungen fördern würden. Bei Lehrfragensollen nach Wunsch des Stammapostelsdie Bezirksapostel, nicht jedoch Kirchen-mitglieder konsultiert werden, weil dieszu einer verwirrenden Meinungsvielfaltführe. Ob im Zeitalter der Internetforendiese Informationspolitik mit ihrem zen-tralistischen Denken und Steuern nochangemessen ist, erscheint mehr als frag-lich. Betreiber von kritisch-solidarischenNAK-Internetforen weisen hier zu Rechtauf die Pressefreiheit hin. Kritik rief bei den Lesern der „Leitgedan-ken“ besonders das exklusive Kirchenver-ständnis hervor, das die folgenden beidenZitate belegen (2/2011, 5f): „Die Kirchebedarf, um ihrer Aufgabe in allen Aspek-ten gerecht zu werden, des Apostelamtes.Wo das Apostelamt in der Einheit mit demStammapostel, der den Petrusdienst ver-sieht, vorhanden ist, gibt es das geistlicheAmt und die rechte Verwaltung der dreiSakramente ...“ – „In der neuapostoli-schen Kirche ... ist das möglich, was inden anderen Institutionen, die zur sicht-baren Kirche zählen, wegen der Ableh-nung der gegenwärtig wirkenden Apostelnicht ausgeführt werden kann, nämlichdie Wiedergeburt aus Wasser und Geistzu ermöglichen und Heiliges Abendmahlmit der wahren Gegenwart von Leib und

Blut Jesu zu feiern.“ Die Diskussionen ander Kirchenbasis gerade über diese Sätzenahmen eine aus der Sicht der Kirchenlei-tung offenbar bedrohliche Eigendynamikan. Deshalb ergriff Stammapostel WilhelmLeber in einer „Offiziellen Verlautbarung“am 28. Februar 2011 erneut das Wort.Darin verteidigte er das „sehr weit“ ange-legte neue Kirchenverständnis der NAK,in dem alle christlichen Kirchen Platz hät-ten. Er selbst sieht darin „eine bemerkens-werte Öffnung“ und eine klare Abkehrvon der ehemals streng exklusiven Hal-tung, was eine gute Basis für ökumenischeKontakte bedeute. Gleichzeitig wies er dieBefürchtung konservativer neuapostoli-scher Kreise zurück, dass damit das Apos-telamt nichts mehr wert sei. Das „gegen-wärtig wirksame Apostelamt“ stelle fürneuapostolische Christen einen Mehrwertdar, der auf keinen Fall aufgegebenwerde. Um aber auch der Kritik progressiv ge-sinnter Mitglieder der NAK zu begegnen,fasste das Kirchenoberhaupt noch einmaldie Fortschritte des neuen Kirchenver-ständnisses prägnant zusammen: „Ja, an-dere – nichtneuapostolische – Christensind nicht vom Heil ausgeschlossen. – Ja,der Geist Gottes kann auch außerhalb derNeuapostolischen Kirche wirksam sein. –Ja, es ist denkbar, dass auch nichtneu-apostolische Christen bei der WiederkunftChristi angenommen werden. – Ja, auchGeistliche anderer Konfessionen könnenWerkzeuge in der Hand Gottes sein undvielfältige segensreiche Dienste verrich-ten.“Die beschwichtigende Stellungnahme desStammapostels nahm sowohl den konser-vativen als auch den progressiven Kriti-kern am Kirchenverständnis den Wind ausden Segeln. Dennoch ist die Strategie, denneuen Katechismus auf Raten zu veröf-fentlichen, gefährlich. Denn würde diedeutsche Fassung komplett veröffentlicht,

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könnten die einzelnen Zitate im Gesamt-kontext des Katechismus gesehen werden.Vermutlich würde man neben dem Allein-stellungsmerkmal des Apostelamtes an-dere, ökumenisch verträgliche Akzentefinden. Das doppelte Heilsverständnis imneuen Katechismus der NAK schlägt sichbesonders im Amts- und Sakramentsver-ständnis nieder, es erschließt sich aber nurim Gesamtzusammenhang. Durch Teilpu-blikationen werden neue Fragen aufge-worfen, die nur mit Mutmaßungen beant-wortet werden können.Nachdem im letzten Jahr die Erläuterun-gen zu den neuen Glaubensartikeln ange-griffen wurden, geriet nun die Kirchenlei-tung der NAK wegen ihres Kirchenver-ständnisses unter Druck. Erneut kam dieKritik nicht aus dem konservativen, son-dern aus dem liberalen Lager. Dort schätztman die Lage inzwischen als dramatischein: Die Kirche befinde sich derzeit in dergrößten Krise seit dem Tod des Stamm-apostels Johann Gottfried Bischoff. DerÖffnungsprozess der NAK bleibt eineGratwanderung, für deren Gelingen dieKirchenleitung mehr Fingerspitzengefühlund Kommunikationstalent benötigt.

Michael Utsch

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JEHOVAS ZEUGEN

Zwei Bundesländer verweigern JehovasZeugen den Körperschaftsstatus. (LetzterBericht: 4/2010, 148f) Nach Baden-Würt-temberg hat im Februar 2011 auch dieLandesregierung in Rheinland-Pfalz denAntrag von Jehovas Zeugen abgelehnt, alsKörperschaft des öffentlichen Rechts aner-kannt zu werden. Nach umfassenden Prü-fungen, in denen erstmals auch Betroffenegehört wurden, konnten in den beiden zu-ständigen Kultusministerien die Zweifelan der Rechtstreue dieser Religionsge-meinschaft nicht ausgeräumt werden. Au-

ßerdem sehen die Verantwortlichen dasGrundrecht auf Achtung des Familienle-bens und der Ehe gefährdet. Durch dasVerbot von Bluttransfusionen werde darü-ber hinaus eine angemessene Krankenver-sorgung verhindert.Auch in Nordrhein-Westfalen und in Bre-men liegen Anträge von Jehovas Zeugenvor, als Körperschaft anerkannt zu wer-den. Wegen der anderen Rechtslage hathier der jeweilige Landtag zu entschei-den. Vor dem Rechtsausschuss in Bremenwurden deshalb im Februar 2011 nebenanderen Experten auch zwei landeskirch-liche Weltanschauungsbeauftragte undmehrere Aussteiger angehört, die über-zeugend von sozialer Kontrolle und le-bensfeindlicher Moral in der Religionsge-meinschaft berichteten. Vorgeworfen wer-den ihr unter anderem auch Bildungs-feindlichkeit und massive Indoktrination.In beiden Ländern stehen nun die zustän-digen Ausschüsse vor einer schwierigenEntscheidung. Die unerwartete Ableh-nung des Körperschafts-Antrags durch diebeiden südwestlichen Bundesländer er-höht zudem die Aufmerksamkeit für dieEntscheidungen in Bremen und Nord-rhein-Westfalen.Wie erwartet haben nun im März 2011die Zeugen Jehovas in Rheinland-PfalzWiderspruch gegen die Ablehnung einge-legt, Baden-Württemberg wird vermutlichfolgen. Eine juristische Entscheidungdürfte sich allerdings hinziehen, denn biszur Körperschafts-Anerkennung durch dasBerliner Oberverwaltungsgericht im Jahr2005 vergingen 15 Jahre, und fünf Instan-zen mussten durchkämpft werden. Im-merhin – 12 der 16 Bundesländer folgtendamals dieser Einschätzung und verliehenden Zeugen die Körperschaftsrechte. Ob bei den Zeugen Jehovas systematischRechtsbruch betrieben wird, müsste in ei-nem erneuten Verfahren von Aussteigerngerichtsfest belegt werden (vgl. die Be-

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richte auf www.zeugenjehovas-ausstieg.deoder www.sektenausstieg.net). Gelängeein solcher Nachweis in einem der vierBundesländer, die noch nicht entschiedenhaben, wären weitere Prozesse in ande-ren Bundesländern zu erwarten.

Michael Utsch

153MATERIALDIENST DER EZW 4/2011

Engel

Der Glaube an Engel erfährt in der Ge-genwart einen ungeahnten Zuspruch. En-gel sind nicht nur ein beliebtes Motiv inder Werbung, regelmäßig sind sie in Fil-men zu sehen, gern werden kleine Engel-figuren verschenkt, in zahlreichen Kinder-büchern tauchen Engel auf, und für Er-wachsene gibt es Engel-Ratgeberliteratur.Die esoterische Engelverehrung sieht inEngeln vor allem eine Quelle der Kraft,des persönlichen Schutzes und der ganz-heitlichen Heilung. Eine von der Zeit-schrift „Geo“ 2005 in Auftrag gegebeneUmfrage ergab, dass 66 Prozent der Deut-schen an Schutzengel glauben, jedochnur 64 Prozent an Gott. Diese Popularitätder Engel überrascht vor allem in den gro-ßen Kirchen, wo Engel in der Verkündi-gung kaum mehr eine Rolle spielen.

Ursprünge

Engel gehören religionswissenschaftlichgesehen zu Zwischenwesen, die wedermenschlich noch göttlich sind, wie auchDämonen, Geister und ähnliche Gestal-ten. Sie befinden sich gleichsam zwischenMensch und Gott und können eine ver-mittelnde Funktion übernehmen. Nachdem herkömmlichen Verständnis im jüdi-schen, christlichen und islamischen Mo-

STICHWORT

notheismus sind Engel immer auf Gott be-zogene, ihm dienende Wesen. Im AltenTestament lassen sich vor allem zweiGruppen unterscheiden. Eigentliche Engel(abgeleitet vom griechischen angelos,Bote; hebräisch mal’ak) treten meist in un-scheinbarer menschlicher Gestalt als Got-tes Boten auf. Als zweite Gruppe gottna-her Wesen sind Cherubim und Seraphimzu nennen. Cherubim bewachen den Gar-ten Eden, sie umgeben die Bundesladeund den Thron Gottes. Sie haben Men-schengestalt, vier Gesichter und vier Flü-gel. Seraphim sind mit sechs Flügeln aus-gestattet, sie gehören ebenfalls zumThronrat Gottes und beten Gott an. Vondaher haben Engel eine Bedeutung für diekirchliche Liturgie. Aus der biblischen Tradition bekannt bzw.aus ihr abgeleitet treten Engel in Juden-tum, Christentum und Islam auch als Deu-teengel, Schutzengel, Gerichts-, Straf-oder Todesengel auf. Namentlich bekanntsind einzelne Erzengel. Im Alten undNeuen Testament werden Gabriel und Mi-chael genannt, aus den alttestamentlichenApokryphen kennen wir außerdem Ra-phael und Uriel. In verschiedenen jüdi-schen und christlichen Engellehren (Ange-lologien) wurden zum Teil Engelhierar-chien gebildet. Engel konnten hier weitereFunktionen übernehmen, zum Beispiel alsNatur- und Elementarengel, in denen sichKräfte der Natur personalisierten. Nebender Vierzahl der Erzengel gibt es weiterejüdische Traditionen mit sieben oder sechsErzengeln, die unterschiedliche Namentragen können. Im Christentum waren un-ter anderem die Engellehren von Diony-sius Areopagita, Augustinus und Thomasvon Aquin einflussreich. Ebenfalls aus dem Alten Testament abge-leitet ist die Vorstellung eines Engelfalls,der zu einem Engeldualismus führt. Dem-nach stehen den Engeln, die Gott dienenund dem Menschen wohlwollend oder

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neutral gesinnt sind, gefallene Engel ge-genüber, die den Menschen zum Abfallvon Gott und zum Bösen verführen undden Menschen und Gott schaden wollen.Zeitweise konnte sich in der Tradition einherausragender Engel, zum Beispiel Sa-tan, zum fast gleichstarken GegenspielerGottes entwickeln.Sowohl im Judentum als auch in denchristlichen Großkirchen wurde der Ge-fahr „verwildernder“ Engellehren vorge-beugt, indem man die Geschöpflichkeitder Engel betonte, ihre Verehrung verbotund sie als „dienstbare Geister“ (Luther)Gottes Souveränität unterstellt sein ließ.

Engel in der gegenwärtigen Theologie

Bis zur Aufklärung gehörten Engel zumselbstverständlichen Bestand christlicherGlaubenspraxis und Theologie. Im 19.Jahrhundert verloren sie im Zuge einesnaturwissenschaftlich-rationalen Weltbil-des vor allem in der evangelischen Theo-logie massiv an Bedeutung. Im 20. Jahr-hundert gewann man hier neue Zugängezur Angelologie. Paul Althaus sah einewichtige Funktion der Engel darin, denMenschen an seine Begrenztheit zu erin-nern sowie daran, sich nicht als „höchstepersönliche Kreatur“ anzusehen. Auch seiGott mit der Anbetung durch die Engelnicht allein auf das Schöpfungslob derMenschen angewiesen. Paul Tillich boteine moderne Deutung der Engel als„konkret-poetische Symbole der Ideenoder Seinsmächte“. Karl Barth verstandEngel als Zeugen des Wortes Gottes. Auf katholischer Seite ließ Karl Rahner inder Schwebe, ob Engel existieren. Für ihnsind sie weder wesentlicher Glaubensge-genstand noch überflüssiges Beiwerk. Diejüngste eigenständige Engellehre stammtvon dem katholischen Theologen ThomasRuster. Er deutet Engel im Sinne vonMächten und Gewalten als funktionale

Systeme (gute Engel) oder autonomisierteSysteme (gefallene Engel) nach der Sys-temtheorie des Soziologen Niklas Luh-mann. Besondere Popularität haben dieEngelbücher des Benediktinerpaters An-selm Grün erlangt. Er greift Engel als Bil-der auf, um lebenspraktische Ratschlägezu geben. Grün ist auch in Esoterikkreisenangesehen und wird zum Beispiel in dereinschlägigen Zeitschrift „Engelmagazin“(Auflage 75 000) aufgegriffen, aber erweiß sich theologisch von einem esoteri-schen Engelverständnis abzugrenzen. Sokritisiert er die Weise, wie man in der Eso-terik glaubt, über Engel verfügen zu kön-nen. Dem hält er entgegen, dass Engel Bo-ten Gottes seien, über die der Menschkeine Macht habe.

Engel in der Esoterik

Von Ruster liegt eine interessante Interpre-tation zur Popularität der Engel in der Eso-terik vor. Er kann hier regelrecht von einer„neuen Engelreligion“ sprechen, die derLogik der Waren- und Konsumwelt ent-sprechend einer maßlos gesteigerten Be-dürfnisbefriedigung folgt (vgl. die Rezen-sion zu Thomas Rusters Buch in MD12/2010, 473ff). Was man nicht mit Geldkaufen kann, stellen die Engel als „himm-lische Dienstleister“ (Murken / Namini)auf Wunsch mit ihrem höheren Wissenund ihrer göttlichen Liebe zur Verfügung:Das reicht von einfachen alltagsprakti-schen Dingen wie Hilfe bei der Parkplatz-suche über Assistenz bei der Partnerwahl,wunderbare Bewahrung vor oder in Un-fällen und Lebenshilfe in allen Fragen biszur Entwicklung des eigenen Bewusst-seins und spirituellem Wachstum in Liebe,Vertrauen, Leichtigkeit, Hingabe und Zu-versicht. Mit der Hilfe der Engel gelangeman – so eine Überschrift im „Engelmaga-zin“ – „Von der Verzweiflung zu Freudeund Licht“.

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In der Esoterik kommt es zu einer Ver-schiebung im Vergleich zur Engelvorstel-lung der monotheistischen Hochreligio-nen. Zwar kann noch von Gott gespro-chen werden, aber tatsächlich führen dieEngel ein Eigenleben ohne direkten Got-tesbezug. Ähnlich wie frühere gnostischbeeinflusste Engellehren Engel nicht alsGeschöpfe Gottes verstanden, sondern alsEmanationen, die einer göttlichen Quelleentsprungen seien und am göttlichen We-sen Anteil hätten, versteht die Esoterik En-gel als Ausfaltungen eines unpersönlichvorgestellten Göttlichen, eines guten geis-tigen oder energetischen Grundprinzipsallen Seins. Engel werden in der Esoterikselbst als etwas Göttliches verehrt. Dabeiist bemerkenswert, dass ein wichtigesMerkmal des Heiligen fehlt, das RudolfOtto als „tremendum“ bezeichnet. Engelhaben heute nichts Furchteinflößendes,Ehrfurchtgebietendes mehr. Im Grundekann jeder Mensch unbefangen zu seinenEngeln Kontakt aufnehmen, so lehren esvor allem Frauen, die in Büchern und Kur-sen von ihren Engelerfahrungen berichtenund zu eigenen Engelerfahrungen anlei-ten. Nötig seien dazu meist nur eine „Öff-nung des Herzens“ und eine geschulteSensibilität; dann könne man leicht seineEngel spüren oder sogar mit dem innerenAuge sehen. Jeder Mensch, so die Vorstel-lung, ist immer von Engeln umgeben, dienur darauf warten, vom Menschen ange-sprochen zu werden, um ihm zu helfenoder Fragen zu beantworten. In Deutschland bekannt sind vor allemSabrina Fox, eine ehemalige Fernsehmo-deratorin und Künstlerin, die aus Russlandstammende Jana Haas sowie die als Talk-showgast bekannt gewordene „Engeldol-metscherin“ Alexa Kriele. Aus dem eng-lischsprachigen Raum sind unter anderemDoreen Virtue und Lorna Byrne mit erfolg-reichen Büchern in Deutschland auf demMarkt. Helga Schaub ist eine Ausnahme,

insofern sie nicht nur die lichte Seite vonEngeln bedenkt, sondern sich bewusst mitden „Mächten der Dunkelheit“ auseinan-dersetzt und eine weißmagische Befrei-ung von negativen Energien verspricht. Neben Büchern, Einzelberatungen undSeminaren werden auf dem Markt auchalternativmedizinisch-therapeutische undmagisch-esoterische Angebote gemacht.Dazu gehören zum Beispiel „Engelessen-zen“, die man auf die Haut aufträgt, umkörperliche und seelische Heilungspro-zesse zu unterstützen. Engelkarten sollenähnlich wie Tarotkarten zur Selbsterkennt-nis beitragen oder bei Entscheidungenhelfen. Einzelne Anbieter verstehen sichals Medium, die Botschaften von Engeln„channeln“ (von engl. channel – „Kanal“)und sich damit an Ratsuchende wenden,das Weltgeschehen deuten oder Prophe-zeiungen bekanntgeben. Als Großveran-staltung gibt es seit 2006 einmal jährlicheinen Engelkongress im deutschsprachi-gen Raum (Hamburg und Salzburg). Inden letzten Jahren taucht für herkömm-liche Esoterik-Messen die Bezeichnung„Engeltage“ auf, bei denen Devotionalienund Dienstleistungen angeboten werden.

Einschätzung

Vor allem der esoterische Engelglaube isteine Herausforderung für die Kirchen, ausderen Traditionsbestand die Engel gleich-sam in die säkulare Welt ausgewandertsind. In ihm kommt eine Sehnsucht nachGeborgenheit, nach bedingungsloserLiebe und Annahme sowie nach Heilungund Sinnstiftung zum Ausdruck. Ein Reizdes esoterischen Engelglaubens bestehtdarin, dass Engel von jedem wahrgenom-men werden können und sich ganz kon-kret im Alltag als wirksam erweisen. Diechristlichen Kirchen und die Theologiekann der populäre Engelglaube daran er-innern, dass nur ein Teil der geschaffenen

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Welt dem Menschen unmittelbar zugäng-lich ist, es darüber hinaus aber einen er-fahrbaren „Himmel“ gibt, „Mächte undGewalten“, die nicht mit Gott selbst zuverwechseln sind (vgl. Ruster). Eine Besin-nung auf Engel im christlichen Glaubens-leben kann das Augenmerk auf Phäno-mene unserer natürlichen Wirklichkeitlenken, die über sich hinausweisen. DerSoziologe Peter L. Berger spricht von sol-chen Zeichen der Transzendenz als von„Spuren der Engel“. Gegen die Tendenzder Instrumentalisierung der säkular ver-selbständigten Engel für die individuelleWunscherfüllung ist aus christlicher Per-spektive einzuwenden, dass Engel als„dienstbare Geister Gottes“ (Luther) demZugriff des Menschen entzogen sind.

Literatur

Quellen

Byrne, Lorna, Engel in meinem Haar. Die wahreGeschichte einer irischen Mystikerin, Mün-chen 2009

Fox, Sabrina, Auf der Suche nach Wahrheit,München 2001

Grün, Anselm, „Was soll ich tun?“ Antwortenauf Fragen, die das Leben stellt, Freiburg2008

Haas, Jana, Engel und die neue Zeit. Heilwer-den mit den lichten Helfern, Berlin 2008

Kriele, Alexa, Wie im Himmel so auf Erden.Einführung in die christliche Engelkunde, 4Bände, Berlin 2007

Schaub, Helga, Befreiung von Dunkel-Mäch-ten, Güllesheim 2005

Virtue, Doreen, Botschaft der Engel, Berlin2007

Zeitschrift

Engelmagazin (erscheint seit 2008 sechsmaljährlich)

Wissenschaftliche / kritische Literatur

Brandl, Marianne / Pöhlmann, Matthias „Sendme an angel!“, in: Katholische Blätter 135(2010), 394-399

Dürr, Oliver, Der Engel Mächte. Systematisch-theologische Untersuchung: Angelologie,Stuttgart 2009

Ebertz, Michael N. / Faber, Richard (Hg.), Engelunter uns. Soziologische und theologischeMiniaturen, Würzburg 2008

Hafner, Johann Ev., Angelologie, Paderborn2010

Mann, Ulrich / Seebaß, Horst / Grözinger, KarlErich u. a., Art. Engel, in: Theologische Real-enzyklopädie, Bd. 9, Berlin 1982, 580-615

Murken, Sebastian / Namini, Sussan, Himmli-sche Dienstleister. ReligionspsychologischeÜberlegungen zur Renaissance der Engel,EZW-Texte 196, Berlin 2007

Pöhlmann, Matthias, Energien aus höherenWelten? Zum Engel-Boom in der Esoterik, in:Weltanschauung (hg. vom BischöflichenSeelsorgeamt Augsburg) 3/2006

Ruster, Thomas, Die neue Engelreligion. Licht-gestalten – dunkle Mächte, Kevelaer 2010

Winter, Franz, Zwischenwesen. Engel, Dämo-nen, Geister, in: Figl, Johann (Hg.), Hand-buch Religionswissenschaft, Innsbruck u.a.2003, 651-662

Claudia Knepper

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Helmut Zander, Rudolf Steiner. Die Bio-grafie, Piper Verlag, München 2011, 536Seiten, 24,95 Euro.

Helmut Zanders umfangreiche BiografieRudolf Steiners (27.2.1861–30.3.1925) er-schien rechtzeitig zu dessen 150. Ge-burtstag. Sie stellt einen überaus kenntnis-reichen Beitrag zum Verstehen des Be-gründers der Anthroposophie und zur kri-tischen Auseinandersetzung mit seinemumfangreichen Werk dar. Die Nachzeich-nung des Lebensweges Steiners dürfte fürjeden, der die Hintergründe der Anthro-posophie kennenlernen will, eine span-nende Lektüre darstellen. Der Schreibstildes Autors ist eingängig. Seine Sprache istmeist wissenschaftlich geprägt, manchmalhat sie einen populären, umgangssprach-lichen Duktus. Als Historiker nimmt Zander eine distan-zierte und kritische Perspektive zum An-spruch Steiners ein, in höheren Welten zustehen und über ein absolutes Wissen zuverfügen, das sich keinen überliefertenkulturellen und religiösen Traditionen ver-dankt, sondern durch den Einblick in eineunsichtbare Weltchronik (Akasha-Chro-nik) gewonnen wurde. Ausdrücklichmerkt Zander an, dass seine Biografie vonanderen Interessen bestimmt ist als denen,die beispielsweise Christoph Lindenberg1997 in seinem zweibändigen Werk überSteiner zur Geltung brachte. Dieser rücktein seinen Darlegungen den Hellseher Stei-ner ins Zentrum und betonte die Kontinui-täten in Steiners Wirken. Zander geht esdarum, „den bis dato erarbeiteten Wis-sensstand über Rudolf Steiner zusammen-zutragen und in eine Deutung zu überfüh-ren, die den Anspruch Steiners, Hellseherzu sein, nicht aus der Perspektive ewigerWahrheiten erklärt, sondern aus der Le-

benswelt des 19. Jahrhunderts. Sie ver-sucht Steiners Leistungen anzuerkennen,ohne den Blick für ‚Versteinerungen’ zuverschließen“ (477). Zander ist es gelungen, ein eindrucksvol-les Bild der Welt des ausgehenden 19.und beginnenden 20. Jahrhunderts zuzeichnen und diejenigen geistigen undweltanschaulichen Bewegungen zu skiz-zieren, die das Leben Steiners bestimmthaben: die Technikfaszination im Kindes-alter, die intellektuelle Zuneigung zuGoethe, das geistige und philosophischeInteresse des Studenten, der sein Studiumnicht abschließt, aber durch eine Disserta-tion über Fichtes Wissenschaftslehre zumDr. Steiner wird, Begegnungen mit demOkkultismus, Berührungen mit sozialisti-schen und anarchistischen Milieus in den„wilden“ Berliner Jahren, mit freimaureri-schen Initiationsritualen, vor allem diebiografisch einschneidende Wendung zurTheosophie und einem esoterischenChristentum. Die historisch-kritische Ent-zauberung des für jeden Anthroposophenunangefochtenen Meisters geschieht beiZander ohne Polemik und mit dem Hin-weis auf die „Janusköpfigkeit seiner Welt-anschauung zwischen Freiheitssehnsuchtund Autoritätsanspruch“ (477). Die unterschiedlichen Lebensphasen unddie weltanschaulichen Suchbewegungendes in Kraljevec an der österreichisch-un-garischen Grenze geborenen Rudolf Stei-ner werden eindrücklich nachgezeichnet,ebenso sein persönlicher Weg, seine Be-ziehungen zu Frauen, mit denen er ver-bunden war und die seinen Weg begleite-ten. Im Blick auf Steiners eigenen medita-tiven Schulungsweg schreibt Zander, dassdarüber „so gut wie nichts bekannt“ (236)sei. Er „bleibt uns als esoterischer Schülerweithin verborgen“ (237). Überzeugendwird meines Erachtens aufgezeigt, inwelch hohem Maße das theosophischeErbe in der Anthroposophie präsent ist.

BÜCHER

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Anthroposophische Theorie und Praxisstanden seit ihren Anfängen in engem Zu-sammenhang, was Zander unter demStichwort „Praxis“ im dritten Teil seinerBiografie darlegt. Viele kennen Steinerheute allein durch seine Konzepte, die aufpraktische Weltgestaltung zielen: Wal-dorfpädagogik, Medizin, Pharmakologie,Landwirtschaft, Architektur, Theater, Kunstetc. Im Klappentext des Buches heißt es:„Man kann die vielen Praxisfelder der An-throposophie nutzen, aber man wird ih-ren Herzschlag nicht verstehen, wennman nicht ihren Vater und Ideengeberkennt“. Dem ist zuzustimmen. ZandersSteiner-Biografie stellt diesen Ideengebervor, in seiner Menschlichkeit und in sei-nem Verstricktsein in die Kulturgeschichtedes 19. und beginnenden 20. Jahrhun-derts.

Reinhard Hempelmann

AUTORENRabih El-Dick, geb. 1981, Diplom-Sozial-pädagoge, Student der Religionswissen-schaft und Politik an der Universität Han-nover, Praktikant der EZW im Februar undMärz 2011.

Prof. Dr. phil. Lic. theol. Linus Hauser,geb. 1950, Professor für SystematischeTheologie am Institut für KatholischeTheologie der Justus-Liebig-UniversitätGießen.

Dr. theol. Reinhard Hempelmann, geb.1953, Pfarrer, Leiter der EZW, zuständigfür Grundsatzfragen, Strömungen des sä-kularen und religiösen Zeitgeistes, pfingst-lerische und charismatische Gruppen.

Claudia Knepper, geb. 1973, evangeli-sche Theologin, wissenschaftliche Mitar-beiterin der EZW.

Dr. phil. Angelika Koller, geb. 1955,Schriftstellerin und Dozentin für Religi-onswissenschaften und Literatur in der Er-wachsenenbildung, München.

Prof. Dr. theol. Werner Thiede, geb.1955, apl. Professor für SystematischeTheologie an der Universität Erlangen-Nürnberg, theologischer Referent beimRegionalbischof in Regensburg.

Dr. phil. Michael Utsch, geb. 1960, Psy-chologe und Psychotherapeut, EZW-Refe-rent für christliche Sondergemeinschaften,Psychoszene und Scientology.

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Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Berlin, sucht zum 1. Juli 2011 eine/einen

theologische Referentin/theologischen Referenten.Die EZW ist eine Einrichtung der Evangelischen Kirche in Deutschland, in der mehrerewissenschaftliche Referentinnen/Referenten tätig sind. Sie hat den Auftrag, sich inkirchlicher Verantwortung mit religiösen und weltanschaulichen Zeitströmungen aus-einanderzusetzen. Ihre Arbeitsergebnisse vermittelt sie durch Publikationen, Vorträge,Tagungen und Beratung im kirchlichen und gesellschaftlichen Raum.

Zu dem Referatsbereich gehört der Aufgabenschwerpunkt • neue Religiosität und Religionsgemeinschaften christlicher Herkunft.

Gesucht wird eine Theologin/ein Theologe mit der Anstellungsfähigkeit für den pfarr-amtlichen Dienst in einer der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland mit– überdurchschnittlichen theologischen und religionswissenschaftlichen Fachkenntnis-

sen, die durch entsprechende Zeugnisse oder akademische Abschlüsse belegt sind,– Erfahrungen und Kenntnissen im Bereich neuer religiöser Strömungen/Gruppen,

die sich in themenbezogenen Publikationen widerspiegeln,– der Fähigkeit zur Vermittlung der Arbeitsergebnisse in Wort und Schrift gegenüber

Menschen und Institutionen der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit.

Wir bieten– ein interessantes, vielseitiges Aufgabengebiet innerhalb eines profilierten Teams,– die Übernahme in das Kirchenbeamtenverhältnis auf Zeit bei der EKD, zunächst

auf sechs Jahre,– eine Bezahlung je nach Vorliegen der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nach

Besoldungsgruppe A 13 bis A 14 nach den Besoldungsregeln des kirchlichen/öf-fentlichen Dienstes.

Über die Bewerbung von Frauen freuen wir uns besonders. Schwerbehinderte Bewer-berinnen/Bewerber werden bei gleicher Eignung bevorzugt behandelt.

Rückfragen sind möglich beim Vorsitzenden des Kuratoriums der EZW (Prof. Dr. Mat-thias Petzoldt, Tel. 0341 9735450) und bei der EZW (Dr. Reinhard Hempelmann, Lei-ter der EZW, Tel. 030 28395-126).

Die Berufung auf die Stelle erfolgt durch den Rat der EKD auf Vorschlag des Kuratori-ums der EZW. Ihre Bewerbung richten Sie bitte bis zum 13. Mai 2011 an die

Evangelische Kirche in Deutschland, PersonalabteilungHerrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover

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Herausgegeben von der Evangelischen Zentralstellefür Weltanschauungsfragen (EZW), einer Einrichtungder Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),im EKD Verlag Hannover.

Anschrift: Auguststraße 80, 10117 Berlin Telefon (0 30) 2 83 95-2 11, Fax (0 30) 2 83 95-2 12Internet: www.ezw-berlin.deE-Mail: [email protected]

Redaktion: Friedmann Eißler, Ulrike LiebauE-Mail: [email protected]

Für den Inhalt der abgedruckten Artikel tragen die jeweiligen Autoren die Verantwortung. Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Heraus-geber wieder.

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Bezugspreis: jährlich € 30,– einschl. Zustellgebühr.Erscheint monatlich. Einzelnummer € 2,50 zuzügl.Bearbeitungsgebühr für Einzelversand. Abbestellungensind nur mit einer Frist von 6 Wochen zum Jahresendemöglich. – Alle Rechte vorbehalten.

Bei Abonnementwunsch, Adressenänderungen, Abbestellungen wenden Sie sich bitte an die EZW.

Druck: Maisch & Queck, Gerlingen/Stuttgart.

IMPRESSUM

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MAT

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LDIEN

ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

74. Jahrgang 4/11

ISSN

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1-24

02 H

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Rudolf Steiner und die Religion

Harmonie, Gehorsam und StrafeIvo Sasek und die Kindererziehung

Die Giordano Bruno Stiftung im kulturgeschichtlichen Kontext

AlevitenIn der deutschen Gesellschaft angekommen

Stichwort: Engel

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

umschlag0411.qxp 17.03.2011 15:59 Seite 1