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6 Die Rollwegbrücken am Flughafen Leipzig–Halle Dr. sc. techn. Roland von Wölfel, Dr.-Ing. Otto Wurzer Köhler+Seitz, Beraten und Planen GmbH, Nürnberg/München 6.1 Allgemeines Der Bau einer neuen 3.600 m langen Start- und Landebahn nordöstlich des Autobahnkreuzes Schkeu- ditz gehört zu den wesentlichen Maßnahmen beim Ausbau des Flughafens Leipzig-Halle (Bild 6.1). Zum Anschluß dieser neuen Flugbetriebsflächen an die bestehenden, südlich der BAB A 14 liegenden Flughafenanlagen wurden zwei Rollwege im Westen und Osten angeordnet. Insgesamt drei Brücken- bauwerke – zwei im Zuge des westlichen und eine im Verlauf des östlichen Rollweges – überführen den Flugzeugverkehr unter anderem über die geplante ICE-Neubaustrecke Erfurt–Leipzig und über die 6-streifig auszubauende Autobahn BAB A 14 (siehe Bild 6.2). Ausgelegt wurden die Rollwegbrücken für die Fahrwerkslasten von Flugzeugen bis zu einem Gesamtgewicht von 750 t. Mit einer Gesamtlänge von 187,85 m zählt die östliche der drei Brücken, die als „E 1 Ost“ bezeichnet wird, zu den längsten Rollwegbrücken der Welt (Bild 6.3). Sie überspannt als durchlaufendes Achtfeld- bauwerk die BAB A 14, die ICE-Neubaustrecke, den Bahnseitenweg, die Norderschließungsstraße, die Westrandstraße sowie die nördliche und südliche Zaunstraße. In Richtung Westen trennen sich die Trassen der BABA14 und der ICE-Neubaustrecke, so daß im Verlauf des westlichen Rollweges zwei einzelne Brückenbauwerke mit einem dazwischen liegenden Damm erforderlich wurden. Wie Bild 6.3 zeigt, weist die dreifeldrige Rollbrücke West1 Nord eine Gesamtlänge von 81,75 m und die vierfeldrige Rollbrücke West 1Süd von 71,95 m auf. Die Einzel- stützweiten der Brücken ergeben sich aus den Lichtraumprofilen und dem Platzbedarf der unterführten Verkehrswege und betragen zwischen 14,15 m und 30,61 m. Alle drei Rollbrücken weisen identische Querschnitte mit einer Gesamtbreite von 64,0 m (siehe Bild 6.4 und Bild 6.5) auf. Auf beiden Seiten der 44 m breiten Rollwegbrücken sind jeweils zwei 10 m breite Nebenbrücken angeordnet, die durch Feuerwehr und sonstige Rettungsfahrzeuge in Notfällen befahren werden sollen. An den seitlichen Rändern der Rollwegbrücken werden die Versorgungsleitungen für die Rollwege in Kabeltrögen geführt. Das Querprofil verläuft unsymmetrisch dachförmig mit einer Neigung von 1,2 %. Die Querneigung im Bereich der Nebenbrücken beträgt konstant 2,5 %. Der Ausschreibungsentwurf sah für die Überbauten offene Stahlverbundkonstruktionen vor (Bild 6.4). Den Zuschlag für die Bauausführung erhielt im Rahmen des Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens ein Sonderentwurf in Spannbetonfertigteilbauweise (Bild 6.5). Über die Besonderheiten bei der Aus- führungsplanung und der Bauausführung dieses Sonderentwurfes wird im folgenden berichtet. 6.2 Zum Ausschreibungsentwurf Die im Ausschreibungsentwurf gewählten Stahlverbundüberbauten weisen offene Querschnitte auf, de- ren Bauhöhe je nach Einzelstützweite zwischen 1,35 m und 1,80 m variiert. Im Bereich der Rollwege 101

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6 Die Rollwegbrücken am Flughafen Leipzig–Halle

Dr. sc. techn. Roland von Wölfel, Dr.-Ing. Otto WurzerKöhler+Seitz, Beraten und Planen GmbH, Nürnberg/München

6.1 Allgemeines

Der Bau einer neuen 3.600 m langen Start- und Landebahn nordöstlich des Autobahnkreuzes Schkeu-ditz gehört zu den wesentlichen Maßnahmen beim Ausbau des Flughafens Leipzig-Halle (Bild 6.1).Zum Anschluß dieser neuen Flugbetriebsflächen an die bestehenden, südlich der BAB A 14 liegendenFlughafenanlagen wurden zwei Rollwege im Westen und Osten angeordnet. Insgesamt drei Brücken-bauwerke – zwei im Zuge des westlichen und eine im Verlauf des östlichen Rollweges – überführenden Flugzeugverkehr unter anderem über die geplante ICE-Neubaustrecke Erfurt–Leipzig und über die6-streifig auszubauende Autobahn BAB A 14 (siehe Bild 6.2). Ausgelegt wurden die Rollwegbrückenfür die Fahrwerkslasten von Flugzeugen bis zu einem Gesamtgewicht von 750 t.

Mit einer Gesamtlänge von 187,85 m zählt die östliche der drei Brücken, die als „E 1 Ost“ bezeichnetwird, zu den längsten Rollwegbrücken der Welt (Bild 6.3). Sie überspannt als durchlaufendes Achtfeld-bauwerk die BAB A 14, die ICE-Neubaustrecke, den Bahnseitenweg, die Norderschließungsstraße, dieWestrandstraße sowie die nördliche und südliche Zaunstraße.

In Richtung Westen trennen sich die Trassen der BAB A 14 und der ICE-Neubaustrecke, so daß imVerlauf des westlichen Rollweges zwei einzelne Brückenbauwerke mit einem dazwischen liegendenDamm erforderlich wurden. Wie Bild 6.3 zeigt, weist die dreifeldrige Rollbrücke West 1 Nord eineGesamtlänge von 81,75 m und die vierfeldrige Rollbrücke West 1 Süd von 71,95 m auf. Die Einzel-stützweiten der Brücken ergeben sich aus den Lichtraumprofilen und dem Platzbedarf der unterführtenVerkehrswege und betragen zwischen 14,15 m und 30,61 m.

Alle drei Rollbrücken weisen identische Querschnitte mit einer Gesamtbreite von 64,0 m (siehe Bild 6.4und Bild 6.5) auf. Auf beiden Seiten der 44 m breiten Rollwegbrücken sind jeweils zwei 10 m breiteNebenbrücken angeordnet, die durch Feuerwehr und sonstige Rettungsfahrzeuge in Notfällen befahrenwerden sollen. An den seitlichen Rändern der Rollwegbrücken werden die Versorgungsleitungen fürdie Rollwege in Kabeltrögen geführt. Das Querprofil verläuft unsymmetrisch dachförmig mit einerNeigung von 1,2 %. Die Querneigung im Bereich der Nebenbrücken beträgt konstant 2,5 %.

Der Ausschreibungsentwurf sah für die Überbauten offene Stahlverbundkonstruktionen vor (Bild 6.4).Den Zuschlag für die Bauausführung erhielt im Rahmen des Ausschreibungs- und Vergabeverfahrensein Sonderentwurf in Spannbetonfertigteilbauweise (Bild 6.5). Über die Besonderheiten bei der Aus-führungsplanung und der Bauausführung dieses Sonderentwurfes wird im folgenden berichtet.

6.2 Zum Ausschreibungsentwurf

Die im Ausschreibungsentwurf gewählten Stahlverbundüberbauten weisen offene Querschnitte auf, de-ren Bauhöhe je nach Einzelstützweite zwischen 1,35 m und 1,80 m variiert. Im Bereich der Rollwege

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Bild 6.1: Flughafenübersicht

Bild 6.2: Norderweiterung des Flughafens

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Bild 6.3: Längsschnitt Rollbrücken

sind über die Überbaubreite 13 und im Bereich der Betriebswege jeweils 2 geschweißte Stahlträger mitI-förmigem Querschnitt angeordnet. Der Längsträgerabstand beträgt an den Rollbrücken 3,52 m undan den Nebenbrücken 5,10 m. Während die Untergurtbreite der Stahllängsträger mit 70 cm konstantgehalten wird, werden die Blechdicken der Gurte und der Stege an den Schnittgrößenverlauf angepaßt.Unten liegende Querträger, die ebenfalls in St 52-3 hergestellt werden, unterstützen die Längsträger imBereich der Lagerachsen. Die Dicke der Fahrbahnplatte aus Beton B 35, die in Längsrichtung schlaffbewehrt und in Querrichtung beschränkt vorgespannt werden sollte, beträgt an den Rollwegbrückenkonstant 35 cm.

Die Lagerung der Überbauten erfolgt in den Auflagerachsen mittels Verformungs- und Verformungs-gleitlagern, die unter jedem Stahllängsträger angeordnet werden. Diesem Lagerschema folgend sind imBereich der inneren Auflagerachsen jeweils 17 Rundstützen mit einem Durchmesser d = 1,20 m vorge-sehen. Jeder Überbau erhält am Widerlager ein allseits festes Lager; am gegenüber liegenden Widerla-ger wird jeweils ein querfestes Lager ausgebildet. Das Widerlager, auf dem sich der Festpunkt befindet,hat große Bremskräfte aus dem Flugzeugverkehr aufzunehmen.

Sowohl die konventionell ausgebildeten Widerlager als auch die Rundstützen sind auf Streifenfunda-menten flach gegründet. Aufgrund des in große Tiefen anstehenden Geschiebemergels ist der Baugrund

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Bild 6.4: Regelquerschnitt Ausschreibungsentwurf

als setzungsempfindlich zu betrachten. Eine Pfahlgründung wurde aber wegen der mit den großmächti-gen Geschiebemergelschichten verbundenen geringen Pfahltragfähigkeit und den damit erforderlichengroßen Pfahllängen verworfen. Das relativ geringe Eigengewicht der Stahlverbundbrücken hätte sichgünstig auf die zu erwartenden Setzungen ausgewirkt.

6.3 Zum Sonderentwurf

Der ausgeführte Sonderentwurf sieht vor, die Überbauten der Rollweg- und der Nebenbrücken ausSpannbetonfertigteilen mit T-Querschnitt in Beton B 55 herzustellen. Bauseits waren bei den Roll-wegbrücken eine 30 cm dicke Fahrbahnplatte sowie die Stütz- und Endquerträger in Ortbeton B 45 zuergänzen (Bild 6.5).

Je Feld sind im Bereich der Rollwegbrücke 13 und im Bereich der Nebenbrücken je 3 Spannbetonfer-tigteile mit Stegbreiten von 70 bzw. 60 cm angeordnet. In Längsrichtung sind die Überbauten gemäßDIN 4227 Teil 1 beschränkt vorgespannt, in Querrichtung sind sie schlaff bewehrt.

Die Konstruktionshöhen der Überbauten können dem Bild 6.5 entnommen werden. Sie entsprechenweitgehend dem Ausschreibungsentwurf. Mit diesen Bauhöhen ergeben sich bei den RollwegbrückenSchlankheiten von 10 bis 15.

Über massive 1,60 m bzw. 1,20 m breite Stütz- und Endquerträger, die nach unten 20 cm über die Fertig-teilunterkanten überstehen, werden die Überbaulasten in die Lager und Unterbauten eingetragen. DerLager- und auch der Stützenabstand im Bereich der inneren Auflagerachsen wurde auf das Doppeltedes Fertigteilträgerabstandes festgelegt, wodurch die Stützenzahl auf 13 Stück je Lagerachse reduziert

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Bild 6.5: Regelquerschnitt Sonderentwurf mit Details

werden konnte (siehe Bild 6.5). Um die Pressenansatzpunkte am Stützenkopf unterbringen zu kön-nen, wurde ein 1,20 m breiter und 2,0 m langer Stützenquerschnitt mit kreisförmig abgerundeten Endengewählt (Bild 6.10).

Wie beim Ausschreibungsentwurf werden zur Lagerung der Überbauten Verformungs- und Verfor-mungsgleitlager verwendet. Auf den Festpunkt am Widerlager wird aber verzichtet; die horizontaleLagerung in Brückenlängsrichtung erfolgt elastisch. Bei dieser Lageranordnung stellt sich der Ruhe-punkt der Überbauten etwa in Brückenmitte ein, was die am Überbau auftretenden maximalen Län-genänderungen gleichmäßig auf beide Überbauenden verteilt. Bei den Rollbrücken West war es da-durch möglich, an beiden Widerlagern nur einschläuchige Fahrbahnübergänge – allerdings mit einerDichtprofilbreite von 100 mm – einzusetzen. Im Ausschreibungsentwurf vorgesehene Wartungsgängekonnten in den Widerlagern der Rollbrücken West dadurch entfallen.

Wegen der großen Bauwerkslänge wurden bei der Rollbrücke E 1 Ost dreischläuchige Übergangskon-struktionen erforderlich. Die dadurch an den Widerlagern notwendigen Besichtigungsgänge sind überAufstiegsschächte mit festen Leitern, die im Bereich der Nebenbrückenwiderlager liegen, erreichbar.

Zum Schutz der Fahrbahnübergänge gegen unverträgliche Querverschiebungen wird je Überbau und jeWiderlager ein querfestes Lager angeordnet.

Die Unterbauten sind auch im Sonderentwurf flach gegründet.

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Für den Sonderentwurf sprachen neben wirtschaftlichen Aspekten vor allem die größere Überbaustei-figkeit, wodurch die Durchbiegungen unter den hohen Flugzeuglasten reduziert werden können, undder bei Betonbrücken geringere Instandhaltungsaufwand.

6.4 Statische Berechnung und Konstruktion

Im Mittelpunkt der nachfolgenden Erläuterungen stehen die Rollwegbrücken. Da die Konstruktion unddie Bemessung der Nebenbrücken üblichen Straßenbrücken der Brückenklasse 60/30, die in Spannbe-tonfertigteilbauweise hergestellt werden, entspricht, wird im folgenden nicht weiter darauf eingegan-gen.

Für die Bemessung der Rollwegbrücken stellen die Fahrwerkslasten der überfahrenden Flugzeuge denmaßgebenden Lastfall dar. Die zugehörigen Lastansätze sind in [1] geregelt. Auf dieser Grundlage wargemäß den Ausschreibungsbedingungen (siehe [2]) ein Bemessungsflugzeug mit einem Gesamtgewichtvon 750 t zu betrachten. In Bild 6.6 ist das zugehörige Lastbild im Grundriß dargestellt. Es besteht ausden Lasten des Haupt- und des Bugfahrwerks; zwei Blocklasten p = 150 kN/m2 mit Grundrißabmessun-gen von 4,90× 4,90 m (Hauptfahrwerk) und 4 Einzellasten P = 190 kN (Bugfahrwerk). Die Blocklastenstellen dabei Ersatzlasten für die 2× 6 Einzelräder jeder Hauptfahrwerksseite dar.

In Flugzeuglängsrichtung beträgt der Achsabstand von Bug- und Hauptfahrwerk 30,0 m. Die beidenHauptfahrwerke weisen einen Achsabstand von 9,0 m auf. Nach [2] waren die Lasten des Hauptfahr-werks mit einem Schwingbeiwertϕ = 1,3 und die Lasten des Bugfahrwerks mitϕ = 1,8 zu belegen.

An den ebenfalls in Bild 6.6 dargestellten und mit einem Lastzuschlag von 10 % versehenen Last-bild MD-11 war nach [2] die lokale Auswirkung der einzelnen Fahrwerksräder auf die Überbauteilezu untersuchen. Wie die statischen Berechnungen ergaben, wurde dieses Lastbild allerdings für dieBemessung keines Bauteils des Überbaus maßgebend.

Die Stellung der angesetzten Lastbilder wurden in Rollweglängs- wie -querrichtung ungünstigst vari-iert.

Neben den in Bild 6.6 dargestellten Flugzeuglasten wurden noch folgende Lastfälle untersucht:

• Eigengewichtslasten nach DIN 1055, Teil 1

• Temperatur gemäß DIN 1072, Abs. 4.1 in Längs- und Querrichtung des Überbaus

• Setzungsdifferenzen∆s = 1,0 cm zwischen den Stützenachsen

• Setzungsdifferenzen∆s = 2,0 cm zwischen Widerlager und Stützenachsen

• Anheben zum Auswechseln der Lager∆v = 1,0 cm zwischen den Lagerachsen ohne Flugverkehr∆v = 0,5 cm für das Anheben eines einzelnen Lagers einer Auflagerachse ohne Flugzeugverkehr

• Wind gemäß DIN 1072, Abs. 4.2 Angriffsfläche am Bemessungsflugzeug: 8× 80 m

• Bremsen des Bemessungsflugzeuges: HB∼= 3000 kN∼= 0,4× statische Last des Hauptfahrwerks.

Bei der Schnittgrößenermittlung für die ständigen Lasten und bei der Bemessung des Überbaus wur-den sowohl System- als auch Querschnittsumlagerungen, die aus der abschnittsweisen Herstellung desÜberbaus resultieren, berücksichtigt.

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Bild 6.6: Lastbilder der Bemessungsflugzeuge

Wegen der geringen Lagerabstände a = 5,0 m in Brückenquerrichtung und der relativ großen Biege-steifigkeit der Querträger hat der Temperaturgradient∆T auch in Brückenquerrichtung einen nichtvernachlässigbaren Einfluß, insbesondere auf die Auflagerkräfte sowie auf die Schnittgrößen der Quer-träger.

Die Rollwege verlaufen im Anschluß an die Widerlager auf bis zu 10,0 m hohen Erddämmen. Diesegroße Auflast auf dem setzungsempfindlichen Baugrund ließen in den Widerlagerachsen Setzungen vonbis zu 8,0 cm und Schiefstellungen der Widerlager von ca. 6 % erwarten. Zur Gewährleistung der fürdie rechnerischen Differenzsetzungen∆s in den Endfeldern getroffenen Ansätze wurde der Überbau anden Widerlagern zunächst nur provisorisch gelagert. Nach Setzungsschritten von jeweils 20 mm wurdeder Überbau an den Endquerträgern angehoben und die Lager mit Stahlplatten unterfüttert. Erst nachAbklingen der Setzungen wurden die Lager an den Lagersockeln kraftschlüssig vergossen.

Für den Lastfall „Auswechseln der Lager“ wurde gleichzeitiger Flugzeugverkehr auf der Rollweg-brücke ausgeschlossen.

Als statisches System für die Berechnung der Schnittgrößen wurde ein elastisch gelagerter Trägerrostverwendet. Die an diesem Modell zugrunde gelegte Steifigkeitsverteilung berücksichtigt das unter-schiedliche Rißverhalten der Spannbetonfertigteilträger und der ausschließlich schlaff bewehrten Bau-teile, wie Fahrbahnplatte und Querträger. Aufgrund der Bauwerksabmessungen und der zahlreichenüber die Querschnittsbreite angeordneten Fertigteillängsträger ergibt sich eine große Anzahl von Stab-

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elementen am Trägerrostmodell. Bei der Schnittgrößenberechnung führte diese große Elementenzahlund die zahlreichen zu betrachtenden Flugzeugstellungen zu erheblichem Rechenaufwand.

Auf der Grundlage der ermittelten Schnittgrößen wurden die Spannbetonfertigteilträger in konstruktiverHinsicht in zwei Gruppen eingeteilt, die jeweils 3 höher beanspruchten Randfertigteile und die dazwi-schen verbleibenden 12 Innenfertigteile. Die Fertigteile jeder Gruppe weisen eine identische Beweh-rungs- und Spanngliedführung auf. Für die Vorspannung kam das Litzenspannverfahren VT 140/150der Firma VORSPANN-Technik (Zulassungs-Nr. Z-13.1-73) zur Anwendung. Der Überbau wurde inLängsrichtung gemäß DIN 4227, Teil 1 beschränkt vorgespannt.

Bild 6.7 zeigt exemplarisch die Spanngliedführung für einen Strang von Innenfertigteilen. Die großeAnzahl von Spanngliedern je Feld beruht im wesentlichen auf der hohen Verkehrsbelastung der Roll-brücken. Zusätzlich zu den feldweise verlaufenden und bereits im Fertigteilwerk vorgespannten Spann-gliedern wurden so genannte Kontinuitätsspannglieder vorgesehen, die sich bei den Rollbrücken Westüber die gesamte Überbaulänge erstrecken. Diese Kontinuitätsspannglieder wurden erst nach Herstel-lung der Fahrbahnplatte und der Querträger eingefädelt und vorgespannt. Bei der Rollbrücke E 1 Ostwurden die Kontinuitätsspannglieder an den Achsen 50 und 80 zwischenverankert und überlappend ge-stoßen (Bild 6.8). Für die Festlegung des Anteils der Kontinuitätsspannglieder an der Gesamtspannkrafteines Querschnittes erwiesen sich folgende Kriterien als maßgebend:

• Einhaltung der zulässigen Biegedruckspannungen in der vorgedrückten Zugzone (DIN 4227,Tab. 9, Z. 6) der Fertigteile.

• Einhaltung der zulässigen Biegezugspannungen des Gesamtquerschnitts im Stützbereich(DIN 4227, Tab. 9, Z. 37).

Unter den Berechnungsergebnissen sind vor allem die rechnerischen Durchbiegungen des Überbauserwähnenswert. Diese betragen z. B. unter der Last des 750-t-Bemessungsflugzeuges im längsten Feldder Rollbrücke E 1 Ost trotz des relativ schlanken Überbaus nur maximal 20 mm.

Besonderes Augenmerk erforderte die Einleitung der 3000 kN großen, rechnerischen Bremskräfte ausdem Bemessungsflugzeug. Die konstruktive Gestaltung des Rollbahnbelages war in dieser Hinsichtentscheidend. In Bild 6.9 ist der Aufbau des Rollbahnbelages dargestellt. Um die Zwangsbeanspru-chung des Rollbahnbelages infolge Abfließens der Hydratationswärme, Schwinden und Temperaturzu begrenzen, wurden im Rollbahnbelag Dehn- und Scheinfugen ausgebildet. Der Fugenabstand wardadurch festgelegt, daß über jede einzelne der zwischen den Fugen verbleibenden Stahlbetonplattendie volle Bremskraft eines Hauptfahrwerks (1500 kN) mit für die Abdichtung verträglichen Relativ-verschiebungen in den Überbau eingeleitet werden kann. Zulässige Schertragfähigkeitswerte für dasausgeführte Abdichtungssystem wurden in [3] ermittelt.

Neben den statischen Erfordernissen waren bei der Konstruktion des Rollbahnbelages auch Dauerhaf-tigkeitsaspekte und baubetriebliche Randbedingungen zu erfüllen. Wegen der sehr aggressiven Entei-sungsmittel, die im Bereich der Rollbahn angewendet werden, wurde die rechnerische Rißbreite beiden Stahlbetonplatten des Rollbahnbelages auf 0,15 mm begrenzt.

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Bild 6.7: Spanngliedführung

Bild 6.8: Koppelstelle

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Bild 6.9: Aufbau Rollbahnbelag

6.5 Bauausführung

6.5.1 Unterbauten

Die flach gegründeten Widerlagerfundamente wurden innerhalb offener Baugruben über die gesamteLänge von je 64,00 m in einem Abschnitt betoniert. Die aufgehenden Widerlagerwände wurden in je 5Abschnitten hergestellt, die durch eine verzahnte Raumfuge voneinander getrennt sind.

Die Streifenfundamente der Stützen wurden teilweise in geschlossenen Spundwandkästen ausgeführt.Offene Baugruben konnten im Bereich der Staatsstraße S 8 a und der BAB A 14 teilweise nicht rea-lisiert werden. Die Stützenfundamente der Rollweg- und der Nebenbrücken sind voneinander durcheine Dehnfuge getrennt. Die Herstellung der insgesamt 156 Stützen erfolgte mit je 8 Schalsätzen imWochentakt (Bild 6.10).

6.5.2 Überbauten

Für die Überbauten der drei Rollbrücken wurden insgesamt 360 Spannbetonfertigteile mit einem Ein-zelgewicht von bis zu 112 t und einer maximalen Länge von 30,41 m gefertigt und montiert. Davonentfielen 192 Fertigteile auf die Rollbrücke E 1 Ost, 72 auf West 1 Nord und 96 auf West 1 Süd. DieSpannbetonfertigteile wurden in den beiden Fertigteilwerken der Bauunternehmung Max Bögl in Geraund Neumarkt hergestellt.

Der Antransport der Fertigteile aus den Fertigteilwerken zur Baustelle erfolgte per LKW und Bahn.Die Träger aus dem Werk Gera wurden über ca. 100 km Autobahn mit Spezialtransportern im Konvoivon bis zu drei Trägern auf die Baustelle gefahren. Die Fertigteile aus dem bayerischen Neumarktwurden bis nach Leipzig-Wiederitzsch per Bahn transportiert. Dabei konnten mit einem Zugverbundmaximal 9 Träger gefahren werden. Von der Entladestelle in Wiederitzsch wurden die Träger ebenfallsmit Spezialtransportern über die BAB A 14 zur Baustelle gebracht.

Die Montage der Fertigteile erfolgte mit Teleskop-Autokränen, deren Hubkapazität 800 bzw. 400 t be-trug (Bild 6.11). Je nach Fertigteillänge und Gewicht der Träger mußten die Fertigteile mit einem oderzwei Hebezeugen verlegt werden. Alle Fertigteile wurden nach einem exakt festgelegten Verlegesche-ma montiert, in das als wesentliche Randbedingungen die zulässigen Sperrpausen auf der BAB A 14,die Nichtbefahrbarkeit einiger Baufeldbereiche wegen dort verlaufender Sparten und die maximalenBetonierkapazitäten einflossen.

Um die Beeinträchtigung des Verkehrs möglichst gering zu halten, erfolgte die Fertigteilmontage imBereich der bestehenden Autobahn BAB A 14 an Samstagen in der Zeit von 2.00 bis 16.00 Uhr. Aus

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Bild 6.10: Unterbauten Rollbrücken

Bild 6.11: Fertigteilmontage

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Sicherheitsgründen wurde beim Einheben jedes der 24 Spannbetonfertigteile eines solchen Feldes dieAutobahn für jeweils ca. 15 Minuten voll gesperrt. Eine enge Abstimmung mit der Autobahnpolizei undder Autobahnmeisterei ermöglichte den rechtzeitigen Antransport der Fertigteile über die BAB A 14trotz der Verkehrsbeeinträchtigung durch die kurzen Totalsperrungen. In den restlichen Feldern, in de-nen keine Zwangspunkte aus Sperrungen von Straßen bestanden, wurde eine Verlegeleistung von ca.15 bis 18 Fertigteilträgern pro Tag erreicht.

An den Stützenachsen wurden die Fertigteile auf Gerüstjochen aufgesetzt, die vor den Stützen überdie gesamte Brückenbreite verliefen und sich auf die vorhandenen Fundamente abstützten. Nach demBetonieren der Ortbetonplatte und der Querträger sowie dem (Teil-) Vorspannen der Kontinuitätsspann-glieder konnten die Gerüstjoche über Absenkkeile abgelassen und ausgebaut werden.

In den Widerlagerachsen entfielen die Gerüstjoche, da dort eine direkte Abstützung auf den Aufla-gerbänken vorgesehen war. Vor Montage der Fertigteile wurden die Endquerträger geschalt, teilweisebewehrt und über eine Höhe von 20 cm als so genanntes Querträgerbrett vorbetoniert, auf dem die Fer-tigteile abgesetzt wurden. Die Lasten aus den Fertigteilen wurden über 50-t-Kaiserpressen abgetragen,die paarweise unterhalb jedes Fertigteils aufgebaut waren. Um den Setzungsausgleich zu ermöglichen(siehe 6.4), wurden die Lager in diesen Achsen nach oben an die Endquerträger gehängt. Erst nachdem Abklingen der Setzungen wurden die Lager auf den Lagersockeln vergossen und die Fahrbahn-übergangskonstruktionen eingebaut.

An die Fertigteilmontage schloß sich die Herstellung der zu dem jeweiligen Bauabschnitt gehörenden30 cm dicken Ortbetonplatte und der Querträger an. Die Arbeiten umfaßten das Verlegen der Beweh-rung, den Einbau der Spanngliedhüllrohre für die Kontinuitätsspannglieder im Bereich der Querträgerund das abschließende Betonieren der Bauteile.

Die Herstellung der Fahrbahnplatte und der Querträger erfolgte sowohl bei den beiden kleineren Roll-wegbrücken der westlichen Rollbahn als auch bei der Rollwegbrücke E 1 Ost in 2 Bauabschnitten. DieArbeitsfuge zwischen erstem und zweitem Bauabschnitt verlief bei der Rollwegbrücke E 1 Ost oberhalbder Abspannlisene, die nördlich von Achse 50 für die Zwischenverankerung der Kontinuitätsspannglie-der vorgesehen war (Bild 6.12). So konnte nach der Herstellung des ersten Bauabschnittes ein Teil derKontinuitätsspannglieder eingefädelt und eine teilweise Vorspannung auf den ersten Überbauabschnittaufgebracht werden.

Nach Herstellung des zweiten Bauabschnittes wurden die restlichen Kontinuitätsspannglieder ergänzt,vorgespannt und verpreßt.

Die großen Überbauabmessungen und die damit einhergehenden beträchtlichen zu verarbeitenden Ma-terialmengen erforderten eine genaue Planung der Betonierarbeiten. Im 2. Bauabschnitt der Rollweg-brücke E 1 Ost wurden zum Beispiel 180 m3 Beton innerhalb eines Tages eingebaut. Aufgrund dergroßen Überbaubreite von 64,0 m mußten Betonpumpen beidseitig des Überbaus aufgestellt und derenStandort mehrmals während der Betonierarbeiten verlegt werden.

Nach Herstellung der Überbauten wurde die Abdichtung der Rollwegbrücken (Bild 6.9) im Spritz-verfahren aufgebracht. Für die Herstellung des Rollbahnbelages kam ein Betonfertiger zum Einsatz.Dadurch wurde bei Vorfertigung der Bewehrung und der Fugenkonstruktion (Fugenfüllung und Quer-kraftdübel) der Einbau eines 12,30 m breiten und 189 m langen Belagstreifens innerhalb einer Arbeits-woche möglich. Die trogförmigen Gesimse der Rollwegbrücken konnten erst nach Fertigstellung desRollbahnbelages ausgeführt werden, da bei der Herstellung des Randstreifens des Rollbahnbelages dasKettenfahrwerk des Betonfertigers entlang der späteren Gesimsflächen fuhr.

Aufgrund des im Rollbahnbereich eingesetzten aggressiven Enteisungsmittels wurden alle Einbauteilewie die Geländer und die Abdeckbleche der Kabeltröge in Edelstahl ausgeführt.

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Bild 6.12: Herstellung Überbau Rollbrücke E 1 Ost

Nach einer Bauzeit von insgesamt 25 Monaten wurden die drei neuen Rollbrücken am FlughafenLeipzig-Halle im März 2000 fertiggestellt. Am 24. März 2000 wurden die Brücken eingeweiht und fürden Flugzeugverkehr freigegeben. Das Bild 6.13 zeigt die erste Überfahrt eines Flugzeuges vom TypAirbus A 340 über die neue Rollbrücke West 1 Nord.

6.6 Daten

Bauwerksdaten:

• Rollbrücke West 1 / Nord:

Länge: 81,75 mStützweiten: 29,50; 29,50; 22,75 mBreite Rollbrücke: 44,00 mBreite Nebenbrücken: 10,00 mFläche Rollbrücke: 3597 m2

Fläche Nebenbrücken: 2× 817,50 m2

Konstruktionshöhe: 1,35 bis 1,80 mLichte Höhe: ca. 6,00 mÜberbauweise: 72 Stück Spannbetonfertigteile mit Ortbetonfahrbahnplatte und

-querträgern

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Bild 6.13: Flugzeugverkehr auf Rollwegbrücke

• Rollbrücke West 1 / Süd:

Länge: 71,95 mStützweiten: 22,35 m; 14,15 m; 20,75 m; 14,75 mBreite Rollbrücke: 44,00 mBreite Nebenbrücken: 10,00 mFläche Rollbrücke: 3165 m2

Fläche Nebenbrücken: 2× 719,50 m2

Konstruktionshöhe: 1,35 m bis 1,80 mLichte Höhe: ca. 9,00 m im Bereich der ICE-TrasseÜberbauweise: 96 Stück Spannbetonfertigteile mit Ortbetonfahrbahnplatte und

-querträgern

• Rollbrücke Ost E 1:

Länge: 187,85 mStützweiten: 14,30 m; 21,65 m; 14,75 m; 2× 28,12 m; 2× 25,15 m; 30,61 mBreite Rollbrücke: 44,00 mBreite Nebenbrücken: 10,00 mFläche Rollbrücke: 8.265 m2

Fläche Nebenbrücken: 2× 1878,50 m2

Konstruktionshöhe: 1,35 m bis 1,80 mLichte Höhe: ca. 8,00 m im Bereich der ICE-TrasseÜberbauweise: 192 Stück Spannbetonfertigteile mit Ortbetonfahrbahnplatte und

-querträgern

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• Beteiligte:

Bauherr: Flughafen Leipzig / Halle GmbHP.O.B 1

04029 Leipzig / Flughafen

Prüfingenieur: König und HeunischBeratende IngenieureSebastian-Bach-Straße 4 - 604109 Leipzig

Bauüberwachung: PGN BauüberwachungP.O.B 5704029 Leipzig / Flughafen

Entwurfsplanung: Spiekermann GmbH & Co.Beratende IngenieureRosentalgasse 1304105 Leipzig

Ausführungsplanung Köhler + Seitzund Sonderentwurf: Beraten und Planen GmbH

Waldaustraße 1390441 Nürnberg

Ausführende Firma: Max Bögl Bauunternehmung GmbH & Co. KG.NiederlassungErnst-Keil-Straße 1304179 Leipzig

6.7 Literaturverzeichnis

[1] ADV 70/85: Bemessungslasten für Flugbetriebsflächen.Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrs-flughafen (ADV), August 1985

[2] Flughafen Leipzig-Halle GmbH:Ausschreibungsunterlagen – Norderweiterung – Rollbrücken,Allgemeine Baubeschreibung.Januar 1998

[3] Bundesanstalt für Materialforschung BAM:Versuchsbericht zur Schertragfähigkeit der Abdich-tung.

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