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1.3 Arbeit und Beruf : Nietverbindung am Flugzeug 1.3.1 Allgemeines über die Niete „Durch Nieten entstehen unlösbare Verbindungen, die nach den an sie gestellten Anforderungen in feste, feste und dichte und dichte Verbindungen eingeteilt werden können. Feste Verbindungen können grosse Kräfte übertragen. Feste und dichte Verbindungen müssen gleichzeitig grosse Kräfte übertragen und die zu verbindenden Teile abdichten. Dichte Nietverbindungen müssen Bauteile verbinden und gegeneinander abdichten.“ 1 Um zwei Bauteile im Nietverfahren zu verbinden, müssen diese zuerst gebohrt und angesenkt werden. Nun kann ein Niet, mit einem etwas geringeren Durchmesser als derjenige der Bohrung, eingeführt werden. Hammernieten, wie man sie von Bauwerken wie dem Eiffelturm in Paris kennt, besitzen einen einseitig fertig geformten Setzkopf. Der vorstehende Schaft auf der Rückseite wird mit einem Hammer und zusätzlichem Sonderwerkzeug zum Schliesskopf geformt. Stahlniete bis 8 Millimeter Nietdurchmesser können im kalten Zustand umgeformt werden. Niete mit grösserem Durchmesser „werden bei etwa 1000° Celsius warm geformt“. 2 Nach vollständiger Abkühlung ist der Schaft so stark geschrumpft, dass die Werkstücke über die Nietköpfe aufeinandergepresst werden. In der Fachsprache spricht man in diesem Fall von kraftschlüssigen Verbindungen. „Die [...] zwischen den Werkstücken erzeugte Reibungskraft FR ist gross.“ 3 Durch Kaltnieten entstehen formschlüssige Verbindungen, welche auf Abscherung beansprucht sind, da der Nietquerschnitt die zu übertragenden Querkräfte FQ aufnehmen muss. Abbildung 1 Der vorstehende Schaft des Hammernietes ist durch senkrechte und seitliche Hammerschläge beinahe zum fertigen Schliesskopf geformt. 1 Ulrich Fischer: Fachkunde Metall, Verlag Europa Lehrmittel, 53. Auflage 1999, Seite 378 2 Ulrich Fischer: Fachkunde Metall, Verlag Europa Lehrmittel, 53. Auflage 1999, Seite 379 3 Ulrich Fischer: Fachkunde Metall, Verlag Europa Lehrmittel, 53. Auflage 1999, Seite 379

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1.3 Arbeit und Beruf : Nietverbindung am Flugzeug

1.3.1 Allgemeines über die Niete

„Durch Nieten entstehen unlösbare Verbindungen, die nach den an sie gestellten Anforderungen in feste, feste und dichte und dichte Verbindungen eingeteilt werden können.Feste Verbindungen können grosse Kräfte übertragen. Feste und dichte Verbindungen müssen gleichzeitig grosse Kräfte übertragen und die zu verbindenden Teile abdichten. Dichte Nietverbindungen müssen Bauteile verbinden und gegeneinander abdichten.“ 1Um zwei Bauteile im Nietverfahren zu verbinden, müssen diese zuerst gebohrt und angesenkt werden. Nun kann ein Niet, mit einem etwas geringeren Durchmesser als derjenige der Bohrung, eingeführt werden. Hammernieten, wie man sie von Bauwerken wie dem Eiffelturm in Paris kennt, besitzen einen einseitig fertig geformten Setzkopf. Der vorstehende Schaft auf der Rückseite wird mit einem Hammer und zusätzlichem Sonderwerkzeug zum Schliesskopf geformt. Stahlniete bis 8 Millimeter Nietdurchmesser können im kalten Zustand umgeformt werden. Niete mit grösserem Durchmesser „werden bei etwa 1000° Celsius warm geformt“. 2

Nach vollständiger Abkühlung ist der Schaft so stark geschrumpft, dass die Werkstücke über die Nietköpfe aufeinandergepresst werden. In der Fachsprache spricht man in diesem Fall von kraftschlüssigen Verbindungen. „Die [...] zwischen den Werkstücken erzeugte Reibungskraft FR ist gross.“ 3Durch Kaltnieten entstehen formschlüssige Verbindungen, welche auf Abscherung beansprucht sind, da der Nietquerschnitt die zu übertragenden Querkräfte FQ aufnehmen muss.

Abbildung 1 Der vorstehende Schaft des Hammernietes ist durch senkrechte und seitliche Hammerschläge beinahe zum fertigen Schliesskopf geformt.

1 Ulrich Fischer: Fachkunde Metall, Verlag Europa Lehrmittel, 53. Auflage 1999, Seite 3782 Ulrich Fischer: Fachkunde Metall, Verlag Europa Lehrmittel, 53. Auflage 1999, Seite 3793 Ulrich Fischer: Fachkunde Metall, Verlag Europa Lehrmittel, 53. Auflage 1999, Seite 379

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1.3.2 Niete und ihre historische Bedeutung

Gegen Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts waren genietete Stahlfachwerke die populäre Bauform und Zeichen des industriellen Fortschrittes.Aus dieser Epoche der Baugeschichte gibt es zahlreiche Werke zu bewundern.

Abbildung 2 Genietete Druckleitung in Kollbrunn im Tösstal.Das Aquädukt war wichtiger Bestandteil des 12 Kilometer langen Gewerbekanals, welcher 14 Fabriken mit Energie versorgte. Die Spinnereien sind heute stillgelegt. Einzelne Kraftanlagen dienen noch als Demonstrationsobjekte.

„Der Oberwasserkanal [... ] führt als Rohrbrücke über die Töss. Sie ersetzte im Jahr 1877 einen offenen Holzkanal, der durch das damalige Hochwasser zerstört worden war. Die genietete Stahlleitung von 1800 Millimetern Nennweite und 6 Millimetern Wandstärke ist die erste Druckleitung, welche die Gebrüder Sulzer, Winterthur, erstellten.“ 4

Abbildung 3 Genietetes Stahlfachwerk. Hochbahnbrücke beim Bahnhof Jungfernheide, Berlin, Deutschland.

Die Geschichte der Berliner Hochbahn begann 1838 mit dem ersten Bahnhof am Potsdamer Platz. Das Streckennetz wurde seitdem kontinuierlich ausgebaut. Unter den Folgen der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und anschliessend schwierigen politischen Verhältnissen während der Deutschen Teilung, litt die Infrastruktur. Erfreulicherweise befinden sich die zahlreichen historische Bauwerke heute wieder in einem sehr guten Zustand.

4 Töss 91 Wasserlehrpfad, 700 Jahre Eidgenossenschaft, Gemeinden Bauma, Turbenthal, Wila Wildberg, Winterthur, Zell und Kanton Zürich, Informationstafel 20

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1.3.3 Niete am Flugzeug

Im Leichtmetallbau, insbesondere in der Flugzeugindustrie, kann trotz grossen Fortschritten in der Schweiss- und Klebetechnik nach wie vor nicht vollständig auf das Nieten verzichtet werden. Gemäss Fachkundebuch Metall sind in einem Airbus herkömmlicher Bauart 3,5 Millionen Niete verbaut5. Die gesamte Rumpfstruktur eines Flugzeuges besteht aus einer dünnen Aussenhaut, welche durch eine komplexe Konstruktion aus Stringern und Spanten gegen das Ausbeulen versteift wird. Da der Zugang oftmals nur von einer Seite gewährleistet ist und die Schliessköpfe der feinen Niete nicht mit dem groben Hammer geformt werden können, wird das Blindnietverfahren angewandt. Durch die Materialstauchung im kalten Zustand wird die Festigkeit an der Nietstelle erhöht.

Abbildung 4 Nietzange mit eingesetztem Blindniet. Die Verformung des Nietkopfes ist bereits deutlich erkennbar.

1.3.4 Nieten, Schweissen oder Kleben

Um Flugzeuge in Zukunft leichter, effizienter und günstiger bauen zu können, wird intensiv auf dem Gebiet des Schweissens und Klebens geforscht. Die bisweilen im Flugzeugbau angewandten hochfesten Aluminium Legierungen sind sehr anfällig auf Heissrisse, die beim Schweissen entstehen. Kleinste Risse in den Schweissnähten können durch die Wechselbeanspruchung während des Fluges zu einer grossen Gefahr werden. Zudem wird das Gefüge durch den Wärmeeinfluss beim Schweissen geschwächt. „Die zerstörungsfreie Prüfung innerer Risse erweist sich als schwierig. Selbst bei einer erfolgreichen Detektion wären die mit der Ausbesserung verbundenen Kosten für die Serienfertigung nicht tragbar.“6 Hauptproblem ist die Kombinationen zwischen genieteten und geschweissten Sektionen.Es gibt Lösungsansätze für die Zukunft, jedoch fehlen bisweilen standardisierte Bewertungskriterien aus Versuchen und Erfahrungswerte aus der Praxis.Mit Kleben verzeichnete man bisweilen grössere Erfolge. So besteht die Aussenhaut des Airbus 380 aus Glare, einem Verbundswerkstoff aus 0,3 Millimeter Aluminiumblechen und Glasfaserfolien, welche Schichtenweise verklebt werden.

5 vgl. Ulrich Fischer: Fachkunde Metall, Verlag Europa Lehrmittel, 53. Auflage 1999, Seite 3786 Dr.-Ing. Holger Gruss, Dissertation: „Schweissgerechte Struktur- und Prozessstrategien im Flugzeugbau“http://diglib.uni-magdeburg.de/Dissertationen/2008/holgruss.pdf Seite 6, (Stand 13. Juli 2010)

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Boeing geht mit ihrem Projekt Dreamliner noch einen Schritt weiter. Dieses Flugzeug besteht aus 50 Prozent Verbundwerkstoff. Die Stringer und auch die einzelnen Rumpfsektionen werden zum grossen Teil zusammengeklebt. Jedoch kann nicht komplett auf das Nieten verzichtet werden. So bleiben 20 Prozent genietet, was einer ungefähren Anzahl von 360'000 Niete pro Flugzeug entspricht.

Abbildung 5 Ein Airbus A380 der Singapore Airlines hebt am Flughafen Zürich ab.