151021 BZ 015s1ebb216f513e640d.jimcontent.com/.../name/151021_BZ_callan5.pdf · ry Callan wurde im...

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Im Zuge des Projektes hatten sich die Schüler der Klasse 4a mit dem Schicksal von Harry Callan be- fasst, einem ehemaligen irischen Kriegsgefangenen, der unter an- derem in Sandbostel und Wester- timke interniert war. Die Kinder gestalteten nicht nur Plakate für eine Ausstellung, sondern schrieben Harry Callan persönliche Briefe. Der Ire ant- wortete auf jedes Schreiben und beantwortete auch die zehn auf Englisch gestellten Fragen der Klasse. Spürbares Interesse Michael Freitag-Parey ließ der Redaktion diesen Brief nun zu- kommen. Der 91-Jährige Harry Callan freut sich spürbar über das Interesse der jungen Menschen. Er dankt den Schülern für ihr Projekt, das ihm gewidmet ist. Er beschreibt, dass er als Seemann an Bord eines Handelsschiffes war, dass im Krieg angegriffen wurde und sank. Er sei einer der Seeleute gewesen, die als Gefan- gene nach Westertimke, Sandbos- tel und ins Arbeitserziehungslager in Bremen-Farge kamen. Letzte- res weil er sich weigerte zu unter- schreiben, freiwillig für das NS- Regime arbeiten zu wollen. Fünf seiner Kameraden starben dort am Bunker Valentin. Er sei heute der letzte Überlebende der iri- schen Gefangenen. Jedes Jahr komme er nun nach Deutschland, um mit Schülern über das Geschehen zu sprechen. Gerne beantwortete er die Fragen der Selsinger Grundschüler. Etwa die, wie er die Kooperation der Gedenkstätte Lager Sandbostel mit Schülern und Jugendlichen gerne sähe. Er würde sich freuen, so Callan, wenn viele andere Schulen die Gedenkstätte besu- chen und besichtigen. Vielleicht könnte ein solches Grundschul- projekt an jedem Ende der vier- ten Klassen stattfinden, regt er an. Was er heute über Deutschland denkt? „Es ist ein großartiges Land.“ Die Menschen seien sehr freundlich und es sei wundervoll, dass Schüler Fragen stellen und so mehr über die Geschichte ih- res Landes lernen. Welchen Rat er den zehn- und elfjährigen Schülern mit seiner großen Lebenserfahrung geben könne? „Seid immer nett zu an- deren. Behandle jeden Menschen so, wie du selbst behandelt wer- den möchtest. Lernt fleißig in der Schule und gebt euer Bestes. Ver- gebt euren Großeltern. Der Krieg war auch für sie sehr hart. Jeder lebte in Angst um sich und seine Familie.“ Wie das Essen als Kriegsgefan- gener schmeckte? „Erbärmlich.“ Das Sauerkraut sei nicht essbar, die Fischsuppe voller Knochen gewesen. „Aber wenn du hun- gerst, isst du alles.“ Zeitweilig ha- be er Rotkreuz-Pakete mit Wurst, Früchten und Obst in kleinen Büchsen erhalten. Das sei wun- dervoll gewesen – inmitten einer Zeit des Grauens. Den Schülern wünscht Harry Callan alles Gute für die weitere Schullaufbahn. Sollten sie bei der Gedenkveranstaltung zum Jahres- tag der Befreiung des Lagers Sandbostel am 29. April 2016 da- bei sein, dann sollten sie ihn bitte ansprechen. Er werde dann 92 Jahre alt sein und hofft, mit Got- tes Hilfe dort sein zu können. Sein Appell an die Schüler: „Ich hoffe, dass Ihr weiterhin Interesse an Geschichte habt.“ Früherer irischer Kriegsgefangener antwortet auf Briefe ehemaliger Viertklässler aus Selsingen VON LUTZ HILKEN SELSINGEN/SANDBOSTEL. Krieg, Frieden und Menschenrechte: Es war ein mutiges Projekt, das die ehemali- gen vierten Klassen der Grundschule Selsingen 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai in der Aula öffentlich präsentiert hatten. Die Aktion hat erfreuliche Folgen, wie Michael Freitag-Parey vom Kir- chenkreis Bremervörde-Zeven, frie- denspädagogischer Mitarbeiter der Gedenkstätte Lager Sandbostel, jetzt verdeutlichte. „Habt Interesse an Geschichte“ Ehemalige Selsinger Viertklässler schickten Briefe an den ehemaligen irischen Kriegsgefangenen Harry Callan, der unter anderem in Sandbostel und Westertimke interniert war. Die Briefe mit den Sonnenblumen sind die Antworten von Harry Callan. Foto: zz/Freitag-Parey Harry Callan aus Nordirland geriet 1941 in deutsche Kriegsgefangen- schaft und war vorübergehend un- ter anderem im Lager Sandbostel interniert. Foto: zz/Sarah Meyer Die Biografie von Harry Callan aus Irland Harry Callan ist 1923 in Nordirland geboren. Nach der Schulausbildung ver- diente er sein Geld in der Schifffahrt. Als 17-Jähriger geriet er 1941 in deut- sche Gefangenschaft. Er war Hilfskoch an Bord des britischen Fracht- und Pas- sagierschiffes „Afric Star“, das Öl zu den Kapverdischen Inseln transportierte. Der deutsche Hilfskreuzer „Kormoran“ griff das Schiff am 29. Januar 1941 im Südatlantik an. Die Kriegsmarine nahm die 72-köpfige Crew und sieben Passa- giere gefangen. Sie brachte alle nach Bordeaux, wo sie interniert wurden. Har- ry Callan wurde im Juli 1941 ins Kriegsgefangenenlager in Sandbostel trans- portiert. Im Februar 1942 verlegte ihn die Marine ins Marlag/Milag Nord nach Westertimke. Ab Februar 1943 war er lange Zeit als Zwangsarbeiter am entste- henden U-Boot-Bunker in Bremen-Farge eingesetzt. Callan wurde im März 1945 mit den anderen irischen und britischen Seeleuten nach Westertimke ge- bracht, wo er schließlich von alliierten Truppen befreit wurde. Mehr als 50 Jah- re vergingen, bis Harry Callan den Mut fand, über sein Schicksal zu sprechen. Quelle: Marc Buggeln, Bunker „Valentin“, Edition Temmen

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  • Im Zuge des Projektes hatten sichdie Schüler der Klasse 4a mit demSchicksal von Harry Callan be-fasst, einem ehemaligen irischenKriegsgefangenen, der unter an-derem in Sandbostel und Wester-timke interniert war.Die Kinder gestalteten nicht

    nur Plakate für eine Ausstellung,sondern schrieben Harry Callanpersönliche Briefe. Der Ire ant-wortete auf jedes Schreiben undbeantwortete auch die zehn aufEnglisch gestellten Fragen derKlasse.

    Spürbares InteresseMichael Freitag-Parey ließ derRedaktion diesen Brief nun zu-kommen. Der 91-Jährige HarryCallan freut sich spürbar über dasInteresse der jungen Menschen.Er dankt den Schülern für ihrProjekt, das ihm gewidmet ist. Erbeschreibt, dass er als Seemannan Bord eines Handelsschiffeswar, dass im Krieg angegriffenwurde und sank. Er sei einer derSeeleute gewesen, die als Gefan-

    gene nach Westertimke, Sandbos-tel und ins Arbeitserziehungslagerin Bremen-Farge kamen. Letzte-res weil er sich weigerte zu unter-schreiben, freiwillig für das NS-Regime arbeiten zu wollen. Fünfseiner Kameraden starben dortam Bunker Valentin. Er sei heuteder letzte Überlebende der iri-schen Gefangenen.Jedes Jahr komme er nun nach

    Deutschland, um mit Schülernüber das Geschehen zu sprechen.Gerne beantwortete er die Fragender Selsinger Grundschüler. Etwadie, wie er die Kooperation der

    Gedenkstätte Lager Sandbostelmit Schülern und Jugendlichengerne sähe. Er würde sich freuen,so Callan, wenn viele andereSchulen die Gedenkstätte besu-chen und besichtigen. Vielleichtkönnte ein solches Grundschul-projekt an jedem Ende der vier-ten Klassen stattfinden, regt er an.Was er heute über Deutschland

    denkt? „Es ist ein großartigesLand.“ Die Menschen seien sehrfreundlich und es sei wundervoll,dass Schüler Fragen stellen undso mehr über die Geschichte ih-res Landes lernen.Welchen Rat er den zehn- und

    elfjährigen Schülern mit seinergroßen Lebenserfahrung gebenkönne? „Seid immer nett zu an-deren. Behandle jeden Menschenso, wie du selbst behandelt wer-den möchtest. Lernt fleißig in derSchule und gebt euer Bestes. Ver-gebt euren Großeltern. Der Kriegwar auch für sie sehr hart. Jeder

    lebte in Angst um sich und seineFamilie.“Wie das Essen als Kriegsgefan-

    gener schmeckte? „Erbärmlich.“Das Sauerkraut sei nicht essbar,die Fischsuppe voller Knochengewesen. „Aber wenn du hun-gerst, isst du alles.“ Zeitweilig ha-be er Rotkreuz-Pakete mit Wurst,Früchten und Obst in kleinenBüchsen erhalten. Das sei wun-dervoll gewesen – inmitten einerZeit des Grauens.Den Schülern wünscht Harry

    Callan alles Gute für die weitereSchullaufbahn. Sollten sie bei derGedenkveranstaltung zum Jahres-tag der Befreiung des LagersSandbostel am 29. April 2016 da-bei sein, dann sollten sie ihn bitteansprechen. Er werde dann 92Jahre alt sein und hofft, mit Got-tes Hilfe dort sein zu können.Sein Appell an die Schüler: „Ichhoffe, dass Ihr weiterhin Interessean Geschichte habt.“

    Früherer irischer Kriegsgefangener antwortet auf Briefe ehemaliger Viertklässler aus SelsingenVON LUTZ HILKEN

    SELSINGEN/SANDBOSTEL. Krieg,Frieden und Menschenrechte: Es warein mutiges Projekt, das die ehemali-gen vierten Klassen der GrundschuleSelsingen 70 Jahre nach Ende desZweiten Weltkriegs am 8. Mai in derAula öffentlich präsentiert hatten.Die Aktion hat erfreuliche Folgen,wie Michael Freitag-Parey vom Kir-chenkreis Bremervörde-Zeven, frie-denspädagogischer Mitarbeiter derGedenkstätte Lager Sandbostel, jetztverdeutlichte.

    „Habt Interesse an Geschichte“Ehemalige Selsinger Viertklässler schickten Briefe an den ehemaligen irischen Kriegsgefangenen Harry Callan, der unter anderem in Sandbostelund Westertimke interniert war. Die Briefe mit den Sonnenblumen sind die Antworten von Harry Callan. Foto: zz/Freitag-Parey

    Harry Callan aus Nordirland geriet1941 in deutsche Kriegsgefangen-schaft und war vorübergehend un-ter anderem im Lager Sandbostelinterniert. Foto: zz/Sarah Meyer

    Die Biografie von Harry Callan aus IrlandHarry Callan ist 1923 in Nordirland geboren. Nach der Schulausbildung ver-diente er sein Geld in der Schifffahrt. Als 17-Jähriger geriet er 1941 in deut-sche Gefangenschaft. Er war Hilfskoch an Bord des britischen Fracht- und Pas-sagierschiffes „Afric Star“, das Öl zu den Kapverdischen Inseln transportierte.Der deutsche Hilfskreuzer „Kormoran“ griff das Schiff am 29. Januar 1941 imSüdatlantik an. Die Kriegsmarine nahm die 72-köpfige Crew und sieben Passa-giere gefangen. Sie brachte alle nach Bordeaux, wo sie interniert wurden. Har-ry Callan wurde im Juli 1941 ins Kriegsgefangenenlager in Sandbostel trans-portiert. Im Februar 1942 verlegte ihn die Marine ins Marlag/Milag Nord nachWestertimke. Ab Februar 1943 war er lange Zeit als Zwangsarbeiter am entste-henden U-Boot-Bunker in Bremen-Farge eingesetzt. Callan wurde im März1945 mit den anderen irischen und britischen Seeleuten nach Westertimke ge-bracht, wo er schließlich von alliierten Truppen befreit wurde. Mehr als 50 Jah-re vergingen, bis Harry Callan den Mut fand, über sein Schicksal zu sprechen.

    Quelle: Marc Buggeln, Bunker „Valentin“, Edition Temmen

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