16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen...

11
156 156 blubber 16 Kalkaneusfrakturen R. Beickert, V. Bühren Die REHA-Statistik 1997 des Hauptverbands der Gewerbli- chen Berufsgenossenschaften weist fast 5 000 Fersenbein- frakturen pro Jahr allein bei Arbeitsunfällen aus. Die Kosten, die diese Verletzung verursacht, sind sehr hoch: 1990 be- trugen die durchschnittlichen Behandlungskosten 27 500 , die Rentenleistungen pro Fall zwischen 25000 und 75000 und in 33% der Fälle waren Berufshilfemaßnah- men erforderlich. Die funktionellen Ergebnisse der Behandlung von Fer- senbeinfrakturen können nur durch ein Überdenken der bisherigen Therapie verbessert werden. Die konservative Behandlung konnte dieses Ziel nicht erreichen, die opera- tive Therapie ist noch nicht standardisiert. Generell hat die operative Therapie die besseren Ergebnisse als die nicht- operative, den zahlreich vorliegenden klinischen Studien haftet jedoch an, dass sie nur selten miteinander verglichen werden können, zu unterschiedlich sind die Klassifikations- schemata und die Auswertungsscores (Bezes u. Mitarb. 1993, Buckley u. Meek 1992, Buckley u. Mitarb. 2001, Crosby u. Fitzgibbons 1996, Funk u. Mitarb. 1995, Kerr u. Mitarb. Abb. 16.1a u. b Entstehung der Fersenbeinimpressionsfraktur. a Die über den Talus fortgeleitete axiale Gewalt führt zu einer Ab- scherfraktur (Primärfraktur), die das Fersenbein in 2 Hauptfrag- mente zerteilt: das konstante oder Sustentakulumfragment und das tuberositäre Fragment. b Bei Fortwirken der axialen Gewalt wird das Fersenbein breiter und kürzer. Es entstehen das laterale Wandfragment und die Ge- lenkfragmente, die in Varuskippung drehen. 1996, Kundel u. Mitarb. 1996, Paley u. Hall 1993, Sanders u. Mitarb. 1993, Siegmeth u. Mitarb. 1996, Thordarson u. Krie- ger 1996, Zwipp u. Mitarb. 1993). Definition 20% der Fersenbeinfrakturen sind extraartikuläre Fraktu- ren, deren Entstehung sich von den intraartikulären Fraktu- ren unterscheidet. Frakturen des Tuber calcanei entstehen durch direkte Gewalt oder als Ausrissfraktur der Achilles- sehne („Entenschnabel“), Frakturen der Processus lateralis und anterior entstehen bei Supinationstraumata. Brüche des vorderen Fersenbeinfortsatzes sind Ausrissfrakturen des Lig. bifurcatum, mit oder ohne Beteiligung der Facies anterior des Subtalargelenks. Im Rahmen von Gelenkbrü- chen der Chopart-Gelenklinie kann es zu Frakturen der ku- boidalen Gelenkfläche des Kalkaneus kommen. Streng ge- nommen handelt es sich hierbei auch um intraartikuläre Fersenbeinfrakturen. 80% der Fersenbeinfrakturen sind intraartikuläre Frak- turen mit Beteiligung der Facies posterior des Subtalarge- lenks. Sie entstehen durch axiale Gewalteinwirkung. Die primäre Frakturlinie bzw. Frakturfläche verläuft bei seitli- cher Ansicht vom Winkel von Gissane schräg zur Kalka- neusunterfläche von vorne oben lateral nach hinten unten medial. Dadurch entstehen zwei Hauptfragmente: das me- diale vordere sustentakuläre und das laterale hintere tube- rale, das Subtalargelenk ist damit immer betroffen (Abb. 16.1). Abhängig von der Stellung des Fußes zum Zeit- punkt der Stauchung verläuft die Bruchlinie durch das Ge- lenk mehr lateral (bei Pronation) oder mehr medial (bei Su- pination), bei Dorsalflexion im OSG entstehen sekundäre Frakturen zwischen Gelenk und Processus anterior calcanei („tongue type“), bei plantarflektiertem Fuß wird die Ge- lenkfläche in den Tuber calcanei eingestaucht („joint de- pression type“; Brunner u. Mitarb. 1992, Eastwood u. Mit- arb. 1993a, Eastwood u. Mitarb. 1993b, Essex-Lopresti 1952, Haid 1979, Jiméno-Vidal 1935, Kuner u. Mitarb. 1995, Palmer 1948, Regazzoni u. Mitarb. 1993, Sanders 1992, San- ders 2000, Zwipp u. Mitarb. 1989, Zwipp 1994). Klassifikation Von den historischen Klassifikationen hat bis heute nur die von Essex-Lopresti (1952) überlebt. Sie folgt dem Fraktur- mechanismus und unterscheidet die beiden wesentlichen Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Transcript of 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen...

Page 1: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

156

156

blubber

16 KalkaneusfrakturenR. Beickert, V. Bühren

Die REHA-Statistik 1997 des Hauptverbands der Gewerbli-chen Berufsgenossenschaften weist fast 5000 Fersenbein-frakturen pro Jahr allein bei Arbeitsunfällen aus. Die Kosten,die diese Verletzung verursacht, sind sehr hoch: 1990 be-trugen die durchschnittlichen Behandlungskosten 27500 €,die Rentenleistungen pro Fall zwischen 25000 und75000 € und in 33% der Fälle waren Berufshilfemaßnah-men erforderlich.

Die funktionellen Ergebnisse der Behandlung von Fer-senbeinfrakturen können nur durch ein Überdenken derbisherigen Therapie verbessert werden. Die konservativeBehandlung konnte dieses Ziel nicht erreichen, die opera-tive Therapie ist noch nicht standardisiert. Generell hat dieoperative Therapie die besseren Ergebnisse als die nicht-operative, den zahlreich vorliegenden klinischen Studienhaftet jedoch an, dass sie nur selten miteinander verglichenwerden können, zu unterschiedlich sind die Klassifikations-schemata und die Auswertungsscores (Bezes u. Mitarb.1993, Buckley u. Meek 1992, Buckley u. Mitarb. 2001, Crosbyu. Fitzgibbons 1996, Funk u. Mitarb. 1995, Kerr u. Mitarb.

� �

Abb. 16.1a u. b Entstehung der Fersenbeinimpressionsfraktur.a Die über den Talus fortgeleitete axiale Gewalt führt zu einer Ab-

scherfraktur (Primärfraktur), die das Fersenbein in 2 Hauptfrag-mente zerteilt: das konstante oder Sustentakulumfragment unddas tuberositäre Fragment.

b Bei Fortwirken der axialen Gewalt wird das Fersenbein breiterund kürzer. Es entstehen das laterale Wandfragment und die Ge-lenkfragmente, die in Varuskippung drehen.

1996, Kundel u. Mitarb. 1996, Paley u. Hall 1993, Sanders u.Mitarb. 1993, Siegmeth u. Mitarb. 1996, Thordarson u. Krie-ger 1996, Zwipp u. Mitarb. 1993).

Definition

20% der Fersenbeinfrakturen sind extraartikuläre Fraktu-ren, deren Entstehung sich von den intraartikulären Fraktu-ren unterscheidet. Frakturen des Tuber calcanei entstehendurch direkte Gewalt oder als Ausrissfraktur der Achilles-sehne („Entenschnabel“), Frakturen der Processus lateralisund anterior entstehen bei Supinationstraumata. Brüchedes vorderen Fersenbeinfortsatzes sind Ausrissfrakturendes Lig. bifurcatum, mit oder ohne Beteiligung der Faciesanterior des Subtalargelenks. Im Rahmen von Gelenkbrü-chen der Chopart-Gelenklinie kann es zu Frakturen der ku-boidalen Gelenkfläche des Kalkaneus kommen. Streng ge-nommen handelt es sich hierbei auch um intraartikuläreFersenbeinfrakturen.

80% der Fersenbeinfrakturen sind intraartikuläre Frak-turen mit Beteiligung der Facies posterior des Subtalarge-lenks. Sie entstehen durch axiale Gewalteinwirkung. Dieprimäre Frakturlinie bzw. Frakturfläche verläuft bei seitli-cher Ansicht vom Winkel von Gissane schräg zur Kalka-neusunterfläche von vorne oben lateral nach hinten untenmedial. Dadurch entstehen zwei Hauptfragmente: das me-diale vordere sustentakuläre und das laterale hintere tube-rale, das Subtalargelenk ist damit immer betroffen(Abb. 16.1). Abhängig von der Stellung des Fußes zum Zeit-punkt der Stauchung verläuft die Bruchlinie durch das Ge-lenk mehr lateral (bei Pronation) oder mehr medial (bei Su-pination), bei Dorsalflexion im OSG entstehen sekundäreFrakturen zwischen Gelenk und Processus anterior calcanei(„tongue type“), bei plantarflektiertem Fuß wird die Ge-lenkfläche in den Tuber calcanei eingestaucht („joint de-pression type“; Brunner u. Mitarb. 1992, Eastwood u. Mit-arb. 1993a, Eastwood u. Mitarb. 1993b, Essex-Lopresti1952, Haid 1979, Jiméno-Vidal 1935, Kuner u. Mitarb. 1995,Palmer 1948, Regazzoni u. Mitarb. 1993, Sanders 1992, San-ders 2000, Zwipp u. Mitarb. 1989, Zwipp 1994).

Klassifikation

Von den historischen Klassifikationen hat bis heute nur dievon Essex-Lopresti (1952) überlebt. Sie folgt dem Fraktur-mechanismus und unterscheidet die beiden wesentlichen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 2: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

Neu

ereTe

chniken

157

blubber

Abb. 16.2 Klassifikation nach Zwipp. Die Prognose ist abhängig von der Anzahl der Hauptfragmente und der Anzahl der beteiligtenGelenke.1 Sustentakulumfragment2 tuberositäres Fragment

Frakturtypen „tongue type“ und „joint depression type“ −daneben die undislozierte Fraktur und die Trümmerfraktur.

Alle modernen Klassifikationsschemata beruhen auf derCT-Schichtung im koronaren und axialen Strahlengang.

Zwipp (u. Mitarb. 1989) berücksichtigt die Fragmentan-zahl (max. 5) und die Gelenkbeteiligung (max. 3x), aberauch den Weichteilschaden (max. 3 Punkte) und die Trüm-merzone (1 Punkt) als prognostisch ungünstigen Befund.Mittels Punkteskala kann eine Prognose abgegeben wer-den. Bei einer Gesamtpunktzahl von 8−12 sind nur noch be-friedigende bis schlechte Ergebnisse zu erwarten (Zwipp u.Mitarb. 1989, Zwipp u. Mitarb. 1993; Abb. 16.2).

Sanders (u. Mitarb. 1993) unterscheidet zwischen undis-lozierter Fraktur (Typ I) und dislozierten Frakturen (Typ II-IV). Typ II ist die Zweifragmentfraktur oder der Spaltbruch.Die Lokalisation der Bruchlinie in einer koronaren CT-Schicht mit Darstellung des Sustentakulumbereichs erlaubteine ABC-Einteilung: Je weiter die Bruchlinie zum Sustenta-kulum hin liegt, umso schwieriger ist die Rekonstruktionüber den lateralen Zugang. Typ III ist die Dreifragmentfrak-tur oder der Impressionsbruch. Im koronaren CT kann eineUntergruppierung in III AB, III AC und III BC erfolgen. Typ IVist der Vierfragmentbruch oder die Trümmerfraktur (San-ders 1992, Sanders u. Mitarb. 1993, Sanders 2000; Abb. 16.3und 16.4).

Klassifikationen dienen nicht nur der Typisierung derFrakturen in Schweregrade, sie sollen vor allem Entschei-dungshilfen für die Behandlung und die operative Strategiesein. Insofern sind die Klassifikationen von Sanders, Regaz-

���������

���� ���� ��������� �� ����

���������

�� ����

��

�� �

��������� ���������

�� ���� �� ����� �� ����� �� �����

� ��

� �

��

��

��

3 posteriores Facettenfragment4 Processus-anterior-Fragment

zoni, Brunner und Essex-Lopresti am praktikabelsten, fürwissenschaftliche Studien die von Zwipp und Sanders(Brunner u. Mitarb. 1992, Essex-Lopresti 1952, Regazzoni u.Mitarb. 1993, Sanders u. Mitarb. 1993, Zwipp u. Mitarb.1993).

Ätiologie

Extraartikuläre Fersenbeinfrakturen entstehen bei Um-knickverletzungen (Processus anterior calcanei) oder durchdirekte Gewalt (Tuber calcanei). Intraartikuläre Frakturensind Folge axialer Gewalteinwirkung beim Sprung oder Fallaus großer Höhe oder bei PKW-Frontalkollisionen, wennder Fuß gegen den Motorblock gestaucht wird. Die Stellungdes Fußes zum Zeitpunkt des An- oder Aufpralls, die Inten-sität der Gewalteinwirkung und die Knochenqualität be-stimmen Frakturtyp (s. o.) und Ausmaß des Weichteilscha-dens.

Klinik

Leitsymptome sind:� Verbreiterung und Schwellung des Rückfußes,� Abflachung des Fußgewölbes,� Hämatom an der Fußsohle,� Belastungsunfähigkeit,� aufgehobene Beweglichkeit im Subtalargelenk.

16 Kalkaneusfrakturen

5 anteriores Facettenfragment

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 3: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

158

158

blubber

�����������

������

����������

���

�� �!!� �� �!!�

�� �!!� �� �!!!��

� ��

�� �!!!�� �� �!!!��

�� �!"

� � ��

�� �

��

Abb. 16.3 Klassifikation nach Sanders. Schematische Darstellungder koronaren CT-Schichten des Subtalargelenks. Talus- und Kalka-neusgelenkflächen werden in 3 Säulen unterteilt, sodass je nachBruchlinienverlauf ein laterales, ein zentrales, ein mediales und dasSustentakulumfragment dargestellt werden können. Die Typ-II-Ver-letzung hat 1 Bruchlinie, die Typ-III-Verletzung 2 Bruchlinien, dieTyp-IV-Verletzung 3 und mehr Bruchlinien.

Abb. 16.4a u. b Typ-IV-Fraktur des Fersenbeins.a Das konventionelle seitliche Röntgenbild lässt eine Klassifizie-

rung und Prognose nicht zu.b Das koronare CT-Schnittbild zeigt eine Vierfragmentfraktur mit

Abscherung des Sustentakulumfragments, Verbreiterung desFersenbeins und 3 Gelenkfragmenten, die im Varussinn verkipptsind. Die Prognose ist schlecht.

Je nach Ausmaß der Gewalteinwirkung kann es zu erhebli-cher Weichteilschwellung mit Spannungsblasen und se-kundären Hautnekrosen kommen.

a

b

Mögliche Begleitverletzungen:� Talusfrakturen,� Zusatzfrakturen in der Chopart- oder Lisfranc-Gelenk-

linie,� geschlossener Weichteilschaden Grad I-III.

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 4: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

Neu

ereTe

chniken

159

blubber

Offene Frakturen sind eher selten, meist medial Grad I-II,Nerven- und Gefäßläsionen sind selten.

Bei einem Fall aus großer Höhe liegen häufig Begleitver-letzungen der Wirbelsäule vor.

Das Vorkommen eines Kompartmentsyndroms an derFußsohle wird bislang immer noch unterschätzt, vor allembei Polytraumatisierten. Leitsymptom ist eine ungewöhnli-che Schmerzhaftigkeit, besonders bei Druck auf die Fuß-sohle. Das zentrale Fußkompartment wird durch ein hori-zontales Septum unterteilt in ein oberflächliches Kompart-ment (enthält M. flexor digitorum brevis) und ein tiefes(enthält M. quadratus plantae und den N. plantaris latera-lis). Eine Fasziotomie ist indiziert, wenn der Kompartment-druck den diastolischen Blutdruck um 10−30 mmHg über-schreitet. Folgen des unbehandelten Kompartmentsyn-droms sindMuskelnekrosen, Muskelverkürzung, Krallenze-hen und Sensibilitätsdefizite (Sanders 2000).

Diagnostik

Konventionelle Röntgenuntersuchung

Fuß a.-p.: Darstellung des Processus anterior calcanei unddes Kalkanokuboidgelenks.

Oberes Sprunggelenk seitlich: Darstellung der subtalaren Ge-lenkfläche in ihrer Beziehung zum Processus lateralis tali,Böhler-Winkel, Winkel nach Gissane.

Fersenbein axial: Darstellung der vorderen Anteile des Subta-largelenks und des Sustentaculum tali.

Subtalargelenk nach Broden: Die Einstellung ist am Röntgen-tisch beim Frischverletzten schwierig. In Neutralstellungdes OSG und Innenrotation von 45° werden 4 Aufnahmengemacht, bei denen die Röntgenröhre um 10, 20, 30 und 40°nach kaudal gekippt wird. In der Praxis sind die Broden-Ein-stellungen vor allem für die intraoperative Durchleuchtungzur Beurteilung des Repositionsergebnisses und die post-operative Dokumentation von Bedeutung.

CT-Diagnostik

Ohne CT-Diagnostik kann der Schweregrad einer Verletzungdes Fersenbeins nicht beurteilt werden. Auch offenkundigextraartikuläre und undislozierte Frakturen sollten mittelsComputertomographie klassifiziert werden. Mitunter istdas Ausmaß der Verletzung wesentlich größer, als die kon-ventionellen Röntgenaufnahmen erwarten lassen. Deshalbist eine koronare und eine axiale Schichtung erforderlich.

Die CT-Schichtung erlaubt eine räumliche Vorstellungvon der Lage der Fragmente zueinander und damit eineexakte Op-Planung: Die laterale Fersenbeinwand ist meistsehr dünn abgesprengt, darunter liegt in der Regel das ein-fach oder mehrfach frakturierte Gelenkfragment in Varus-Positionund tief imprimiert,weitermedial danndas Susten-takulumfragment und darunter die primäre Frakturlinie an

der medialen Fersenbeinwand. Aus dem CT-Befund ergebensich somit die einzelnen operativen Schritte (s. u.; Abb. 16.4und 16.7).

Differenzialdiagnostik

Chopart-Luxation, Lisfranc-Luxation, Talusfrakturen. NachSupinationstraumata mit Frakturen des Processus anteriorcalcanei muss mit dem Vorkommen weiterer Verletzungender Helpap -Linie gerechnet werden (Außenknöchelfraktur,Außenbandriss amOSG, Bänderriss amUSG, Fraktur der Ba-sis Metatarsale V).

Therapie

Ziele der Therapie sind die Rekonstruktion der Gelenkflä-chen des Subtalargelenks und des Kalkanokuboidgelenks,Wiederherstellung der normalen Länge, Breite und Achsedes Fersenbeins sowie des Böhler-Winkels und damit desnormalen Fußgewölbes, außerdem störungsfreies Gleitender Peronealsehnen.

Konservative Behandlung

Kontraindikation zur operativen Therapie:Absolute Kontraindikation:� floride Weichteilinfektion,� arterielle Durchblutungsstörungen.

Relative Kontraindikation:� Alter,� mangelnde Compliance,� Alkoholabusus,� Diabetes mellitus,� Lähmungen des Beines,� periphere Neuropathien,� grenzwertige Weichteilverhältnisse (Hautnekrosen),� mangelnde Erfahrung des Operateurs,� zu langer Abstand zwischen Unfall und möglichem OP-

Termin,� schwere Begleitverletzungen.

Bestimmte Frakturtypen:� undislozierte Frakturen,� gering dislozierte Frakturen (Gelenkstufe � 2 mm),� ausgesprochene Trümmerfrakturen (Typ IV; Sanders).

Prinzipien:� Geschlossene Reposition und Retention im Gipsverband

(bei grober Varus-/Valgusverbiegung).� Keine Reposition und frühfunktionelle Therapie (ab-

schwellende/schmerzlindernde Maßnahmen, aktiveÜbungsbehandlung, Entlastung im Gehapparat für 6Wochen, danach dosierte Wiederbelastung.

� Je nach Fußdeformität Schuhzurichtung, Einlagen oderorthopädische Schuhe.

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 5: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

160

160

blubber

Operative Behandlung

Bei allen dislozierten Frakturen mit wenigen großen Frag-menten:� Tongue-type und Joint-depression-type nach Essex-Lo-

presti.� Dislozierte Mehrfragmentfrakturen:

− Typ II und III nach Sanders,− Typ B2 nach Regazzoni,− 3−8 Punkte nach Zwipp,− Typ II bis IV ABCD nach Brunner,− Typ III nach Crosby.

� Dislozierte extraartikuläre Frakturen (Entenschnabel-fraktur).

Prinzipien:� geschlossene Reposition und Spickdraht-Osteosynthese,� offene Reposition, Schrauben- und Platten-Osteosyn-

these, fakultativ Spongiosaplastik,� frühfunktionelle Weiterbehandlung unter Entlastung

für 6 Wochen.

Behandlungsgrundsätze

Bei allen dislozierten intra- und extraartikulären Fersen-beinfrakturen ist bei Fehlen einer Kontraindikation die ope-rative Therapie angezeigt, bei offener Fraktur Notfallindika-tion.

Operationstechnik

Geschlossene Reposition und Spickdraht-Osteosynthese

Indikation: Trümmerfrakturen mit ausgeprägter Varus-/Val-gusverbiegung, ältere Patienten mit Osteoporose, schlech-ter Allgemeinzustand.

Technik: Seitenlagerung, Unterschenkel und Fuß auf hartemPolster, Probedurchleuchtung mit Bildwandler in beidenRichtungen (seitlich und axial). Blutsperre am Oberschen-kel angelegt, aber nicht aktiviert. Hautdesinfektion, sterilesAbdecken.

Manuelle Kompression des Fersenbeins, Einbringenzweier 2-mm-Kirschner-Drähte oder eines 3-mm-Stein-mann-Nagels von der Hinter- bzw. Unterseite des Tuber cal-canei. Aufrichten des Tuber calcanei zum korrekten Böhler-Winkel und Vortreiben der Pins in den Talus zur temporä-ren Transfixation. Tief imprimierte Gelenkfragmente kön-nen nach Hautstichinzision von lateral angehoben und iso-liert fixiert werden. Zusätzliche Spickdraht-Transfixationdes Kalkanokuboidgelenks erhöht die Stabilität.

Vorteile: Bei erheblichem Weichteilschaden ist die Wundin-fektionsgefahr gering, auch bei schlechtem Allgemeinzu-stand möglich. Bei ausgedehnter Zertrümmerung des Rück-fußes mit Begleitfrakturen an Talus und Kuboid oft einzigmögliche Stabilisierung. Bei Wiederherstellung der Form

des Fersenbeins sind die Chancen einer erfolgreichen späte-ren Arthrodese größer als bei alleiniger konservativ-funk-tioneller Therapie.

Nachteile: Keine Wiederherstellung der Gelenkfläche bzw.deren Kongruenz zur talaren Gelenkfläche des unterenSprunggelenks, hohe Rate sekundärer Arthrose.

Offene Reposition und Schrauben- oder Zuggurtungs-Osteosynthese

Indikation: Abrissfrakturen, Entenschnabelfraktur, extraarti-kuläre Frakturen.

Technik: Vorbereitung und Lagerung wie oben.Je nach Lokalisation der Abrissfraktur (Processus anterior,Achillessehne) Hautinzision direkt über der Fraktur:

Entenschnabelfraktur: Hautlängsschnitt an der Fersenaußen-seite bis zum Ansatz der Achillessehne. Exposition der Frak-tur und Absaugen des Frakturhämatoms. Reposition mitspitzer Repozange, die mit einer Branche am Achillesseh-nenansatz, mit der anderen Branche am Unterrand des Tu-ber calcanei (Fersensporn) angelegt wird. Nach Repositionder Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen vonSpongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben richten sich nach der Größe des Abriss-fragments (Abb. 16.5). Empfehlenswert sind 2 Schrauben,die medial und lateral des Achillessehnenansatzes einge-bracht werden und im Fersenbein gekreuzt die jeweiligeGegenkortikalis erreichen.

Bei einer Zuggurtungs-Osteosynthese ohne Spickdrähtemuss der Zuggurtungsdraht durch Bohrlöcher im Abriss-fragment und im Tuber calcanei geführt werden, besser istdie Verwendung von 2 Spickdrähten, gegen deren umgebo-gene Enden der Draht geführt werden kann (bei kleinemFragment).

Die Nachbehandlung kann wie bei einer Achillessehnen-ruptur erfolgen.

Abrissfraktur Processus anterior calcanei: Hautlängsschnitt pa-rallel zur Fußsohle im oberen Drittel des Kalkanokuboidge-lenks, Eröffnen des Gelenks, Ausspülen des Frakturhäma-toms. Es handelt sich immer um eine intraartikuläre Frak-tur. Reposition und Fixierung mit Spickdraht. Dieser wirdzunächst in das Fragment von oben lateral nach unten me-dial eingebracht, damit das Fragment reponiert, und dannder Draht in das Fersenbein weitergeführt. Die definitive Fi-xierung erfolgt mit einer kleinen 2-mm-Titanschraube, de-ren Kopf subchondral versenkt wird. Die Gelenkkapselmuss nicht genäht werden. Redondrainage, Hautnaht.

Die Nachbehandlung erfolgt mit Luftkammer-Schienen-orthese, Belastung ab der 4. Woche.

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 6: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

Neu

ereTe

chniken

161

blubber

Abb. 16.5 Schrauben- und Zuggurtungsosteosynthese einer Ab-rissfraktur der Achillessehne.

Abb. 16.6 Erweiterter lateraler Zugang zum Fersenbein, Lage derspeziellen Fersenbeinplatte.

Offene Reposition und Platten-Osteosynthese

Indikation: Alle Impressionsfrakturen mit Beteiligung desSubtalargelenks (s. o.).

Technik: Vorbereitung und Lagerung wie oben. Auch wenneine Spongiosaplastik nicht obligat ist, sollte der ipsilateraleBeckenkamm zur möglichen Spongiosaentnahme vorberei-tet werden. Lateraler Zugang mit L-förmigem Hautschnitt,beginnend etwa 3 cm oberhalb des Achillessehnenansatzes,in der Mitte zwischen Achillessehne und Außenknöchelnach kaudal verlaufend und dann relativ scharf umbiegendnach distal parallel zur Fußsohle bis in Höhe des Kalkano-kuboidgelenks (Abb. 16.6). Der N. cutaneus dorsalis lateralisdes N. suralis liegt bei dieser Schnittführung immer ober-halb, und er wird mit dem Unterhautfettgewebe, ein-schließlich Peronealsehnenscheiden, scharf von der latera-len Kortikalis des Fersenbeins abpräpariert. Es sollte eineDissektion der Weichteile unbedingt vermieden werden,die Sehnenscheiden sollten nicht eröffnet werden − wasnicht immer gelingt. Das Fersenbein wird von unten nachoben bis zum Subtalargelenk freipräpariert. Das Lig. fibulo-calcaneare wird durchtrennt. Die laterale Gelenkkapsel desSubtalargelenks wird vollständig reseziert. Mit einem Ein-zinkerhaken wird der Tuber calcanei in Höhe des Achilles-sehnenansatzes nach unten gezogen. In den meisten Fällenist bei einer Impressionsfraktur des Fersenbeins die lateraleKortikalis erhalten, aber nach außen unter den Außenknö-chel verschoben. Mit einem Elevatorium wird die lateraleKortikalis nach unten oder vorne aufgeklappt. Man siehtdann auf das laterale Gelenkfragment, dasmeist nach untenin den Fersenbeinkörper eingestaucht ist, unabhängig da-von, ob es sich um einen reinen Impressionstyp oder einen„tongue type“ handelt.

Man muss vor dem Eingriff das koronare CT sehr genaustudieren, weil es exakt darstellt, was man bei der Präpara-tion von außen nach innen erwarten muss. Liegt nur eineBruchlinie in der Subtalargelenkfläche vor, wird nach Weg-halten des lateralen Gelenkfragments das Sustentakulum-fragment in der Tiefe aufgesucht und sorgfältig gereinigt.Das Sustentakulumfragment steht in fast allen Fällen in re-gelrechter Lagebeziehung zum Talus, wenn das Lig. talocal-caneare interosseum nicht gerissen ist (Cave: Luxations-fraktur!). Die Fraktur wird deshalb nach Identifizierung desSustentakulumfragments schrittweise daran reponiert undfixiert. Liegen mehrere Fragmente der Kalkaneusgelenkflä-che vor, so wird erst das zentrale Fragment reponiert undmit einem Spickdraht fixiert, dann das laterale daran ange-setzt. Liegt eine erhebliche Dislokation ad latus des Tubercalcanei nach lateral vor, muss die Fraktur an der medialenWand aufgesucht werden. Dazu wird vor der Reposition derGelenkfragmente ein Elevatorium durch die medialeWand-fraktur durchgeschoben und der Tuber calcanei unter dasSustentakulumfragment gehebelt (Abb. 16.7). Das so er-zielte Repositionsergebnis, das zu einem Aufrichten desBöhler-Winkels und zur Verschmälerung des Fersenbeinsführt, halten wir durch kontinuierlichen Zug mit dem Ein-

zinkerhaken am Achillessehnenansatz, ggf. kann auch be-reits ein medial liegender Spickdraht von der Fersenunter-seite über das Subtalargelenk in den Talus eingedreht wer-den.

Durch die Reposition und Aufrichtung des Tuber calcaneiwird die intraoperative Lage übersichtlicher. Die Gelenk-fragmente werden dann schrittweise von innen nach außenreponiert, wobei die Talusgelenkfläche als Schablone dient.Von lateral wird ein Kirschner-Draht in die Gelenkfrag-mente eingebracht und dann das Repositionsergebnis imBildwandler kontrolliert.

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 7: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

162

162

blubber

Abb. 16.7 Schematische Darstellung der Reposition der Haupt-fragmente (nach Eastwood). Koronare Sicht des Fersenbeins: Daslaterale Wandfragment (C) ist zur Seite oder nach unten geklappt,das laterale Gelenkfragment (A) ist ebenfalls aus dem Subtalarge-lenk gedreht, um an die mediale Fersenbeinwand zu gelangen,wobei darauf geachtet werden muss, dieses Fragment nicht voll-ständig aus dem Weichteilverbund zu lösen. Ein schmales Elevato-rium (B) wird durch die mediale Wandfraktur geschoben und da-mit das tuberositäre Fragment unter das Sustentakulumfragmentgehebelt.

legt werden können. Die Platte verbindet die anterolatera-len und tuberalen mit den Gelenkfragmenten. Die Schrau-benpositionierung überprüfen wir im Bildwandler, da sichdie Schraubenrichtung aus der Größe des Fersenbeins undder Anzahl und Lage der Fragmente ergibt. Liegt eine Enten-schnabelkomponente oder ein sog „tongue type“ vor, legenwir eine zusätzliche Zugschraube vom Achillessehnenan-satz zum Fersensporn. Abschließend erfolgt die Bildwand-lerdokumentation im seitlichen Strahlengang, im Broden-view und in axialer Sicht. Der Hautverschluss erfolgt mitEinzelnähten. Auf eine Subkutannaht sollte verzichtet wer-den, da zu enge Subkutannähte Wundrandnekrosen provo-zieren können.

Spongiosaplastik: Wenn alle Fragmente reponiert und Längesowie Breite des Fersenbeins wiederhergestellt sind, erüb-rigt sich meist eine Spongiosaplastik. Verbleibt allerdingsnach Hebung der Gelenkfragmente ein größerer Knochen-defekt, ist eine Spongiosaplastik empfehlenswert, insbe-sondere bei osteoporotischen Knochen und wenn eine aus-gesprochene Trümmerzone vorlag und die Osteosynthesenicht ausreichend stabil ist.

Primäre Arthrodese des Subtalargelenks

Indikation: Ausgesprochene Trümmerfrakturen mit Zerstö-rung der Gelenkfläche, Zusatzfrakturen am Talus, Knorpel-schäden am Talus (Abb. 16.9).

Technik: Ist aufgrund des intraoperativen Befunds eine Re-konstruktion der Fersenbeingelenkfläche nicht möglich,muss mit hoher Wahrscheinlichkeit eine schmerzhafte Wa-ckelsteife des Subtalargelenks erwartet werden. In diesenFällen ist eine primäre Arthrodese des Subtalargelenksempfehlenswert.

Der Zugang und die einzelnen Operationsschritte unter-scheiden sich zunächst nicht wesentlich von der oben be-schriebenen Verfahrensweise. Das Fersenbein wird aufge-richtet und das tuberale Fragment unter das Sustentakul-umfragment gestellt. Die multiplen Gelenkfragmente wer-den geborgen und entknorpelt. Die Talusgelenkfläche wirdentknorpelt und der subchondrale Knochen mehrfach an-gebohrt. Das ehemalige Gelenk wird mit den Gelenkfrag-menten und Eigenspongiosa verfüllt und nach Repositiondes lateralen Kortikalisfragments zunächst die Platten-Os-teosynthese wie oben beschrieben durchgeführt.

Die Arthrodese wird mit zwei 4,5-mm-Spongiosazug-schrauben hergestellt, die von plantar schräg nach vorneoben verlaufen und im Taluskörper und Talushals verankertwerden.

Es sollte angestrebt werden, die natürliche Fußgeome-trie wiederherzustellen, d. h. Länge, Breite, Achse und Böh-ler-Winkel zu rekonstruieren, weil nur so die unangeneh-men Folgeerscheinungen disloziert geheilter Fersenbein-frakturen (laterales Impingement, laterales Abutement,posttraumatischer Knick-Platt-Fuß, Bewegungseinschrän-kung im OSG) vermieden werden können.

Es empfiehlt sich eine exakt seitliche Aufnahme, die aufdas OSG zentriert ist. Hierbei wird die laterale Gelenkkon-tur des Subtalargelenks abgebildet und der Böhler-Winkelabgeschätzt.

Dann sollte der sog. Broden-View eingestellt werden. Dader Patient sich in Seitenlagerung befindet und der Fußnicht innenrotiert werden kann, muss der Bildwandler ein-sprechend eingestellt werden: Kippung um 45° und Dre-hung um 10−40°. Ist die Gelenkfläche stufenfrei, kann mitder Osteosynthese begonnen werden. Dazu wird der Bild-wandler wieder gerade gestellt und auf das OSG zentriert.Die laterale Fersenbeinkortikalis wird reponiert und auf dieGelenkfragmente gedrückt. Fakultativ kann nun zunächsteine isolierte Verschraubung der Gelenkfragmente von late-ral erfolgen. Meist findet diese Schraube im Sustentakul-umfragment sehr guten Halt. Wir empfehlen die Verwen-dung einer speziellen Fersenbeinplatte aus Titan (mehrereHersteller). Das Implantat ist sehr dünn („low-profile“), esist der Form des Fersenbeins angepasst (Abb. 16.6 und 16.8),die Schraubenoptionen, die nicht alle verwendet werdenmüssen, werden mit 3,5-mm-Spongiosaschrauben besetzt,wobei die frakturüberschreitenden als Zugschrauben ange-

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 8: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

Neu

ereTe

chniken

163

blubber

Abb. 16.8a−g Typ-IIA-Fraktur des Fersenbeins mit Einstauchung der Gelenkfläche.a,b Unfallbild. Die konventionelle Röntgenaufnahme zeigt die Einstauchung und Dre-

hung der Gelenkfläche.c Koronares CT-Schichtbild: Die Gelenkfläche ist nur am lateralen Rand tangiert.d, e Operative Versorgung: Anhebung des Gelenkfragments, Plattenosteosynthese, keine

Spongiosaplastik.f, g Ausheilungsbild nach Metallentfernung.g

a, b

d, e

c

f

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 9: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

164

164

blubber

Abb. 16.9a−d Typ-IV-Fraktur des Fersenbeins mit Hawkins-II-Frak-tur des Talus.a Ausgesprochen schwere Verletzung des Rückfußes.b Die notfallmäßige CT-Untersuchung ist wegen nicht exakter Ein-

stellung wenig aussagekräftig.

a

c

b

dc Notfallmäßige Verschraubung der Talusfraktur und primäre Ar-

throdese des Subtalargelenks.d Ausheilungsergebnis: Einstauchung des Talus in das Fersenbein,

Verbreiterung bis unter den Außenknöchel, Bewegungsein-schränkung im OSG.

Komplikationen

Allgemeine Komplikationen:� Wundrandnekrosen (bis 12%) − lokale trockene Wund-

behandlung.� Oberflächliche Infektion − wiederholte Wundrevisionen

bis zur Infektfreiheit, Sekundärnaht.� Tiefe Infektion − wiederholte Wundrevisionen, Implan-

tatentfernung, Sequesterektomie, bei InfektfreiheitSpongiosaplastik, Arthrodese.

� Thrombose, Embolie − Risikofaktoren beachten, Prophy-laxe.

Spezielle Komplikationen:� Kompartmentsyndrom: Krallenzehen, Sensibilitätsstö-

rungen.

� Nervenschäden: Neurome des N. cutaneus dorsalis late-ralis.

� Tarsaltunnelsyndrom.� Tendinitis der Peronealsehnen.� Pseudarthrose (Selten, je nach Lokalisation Revisions-

eingriff. Nach Entenschnabelfraktur Neuverschraubungoder Zuggurtung.).

� Reflexdystrophie (Oft Verlegenheitsdiagnose bei erheb-licher Skelettentkalkung und Zirkulationsstörung, ech-ter „Sudeck“ selten.).

� Posttraumatische Arthrose (Schweregradeinteilungnach Stephens u. Sanders 2000):− Typ I : laterale Arthrose mit Exostose,− Typ II: generelle Arthrose ohne Fehlstellung,− Typ III: generelle Arthrose mit Varus-/Valgus-Fehl-

stellung.

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 10: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

Neu

ereTe

chniken

165

blubber

Nachbehandlung

Die postoperative Behandlung ist abhängig vom Frakturtypund der Art der Osteosynthese. Die Entenschnabelfrakturkann wie eine Achillessehnenruptur weiterbehandelt wer-den (siehe dort).

Die Fraktur des Processus anterior calcanei wird mit ei-ner Sprunggelenkorthese versorgt und kann nach der 4.postoperativen Woche wieder belastet werden.

Alle mittels Schrauben- und Platten-Osteosynthese be-handelten Fersenbeinimpressionsfrakturen einschließlichder primären Arthrodese sollten nach einem einheitlichenSchema funktionell weiterbehandelt werden.

Abhängig von Patientencompliance und -alter wird derverletzte Fuß nach Abschwellung mittels Gehbügelapparatentlastet, Patienten mit doppelseitiger Fersenbeinfrakturerhalten immer Gehbügelapparate beidseits. Nach Entfer-nung der Redondrainagen wird der Verletzte an Gehstützenmobilisiert. Wiederaufnahme der präoperativ begonnenenBewegungsübungen, Muskelkrafttraining der ganzen ver-letzten Extremität, Kälte und Wärmebehandlung je nachAusmaß der Zirkulationsstörung.

Mit diesen Maßnahmen erreicht man den Erhalt der Be-weglichkeit des oberen Sprunggelenks, den Erhalt derGleitschichten der diversen Sehnen, die am Fersenbein aufder Außen- und Innenseite vorbeilaufen, man reduziert dieAtrophie der Muskulatur und vor allem des Knochens.Durch rasches Abschwellen und Orientierung aller Maß-nahmen an deren Schmerzhaftigkeit bzw. ihrem schmerz-lindernden Effekt wird das Risiko einer algodystrophenHeilentgleisung minimiert.

Eine völlige Entlastung ist nicht unbedingt notwendig.Aus diesem Grund ist nicht nur der Fußsohlen-Fußboden-Kontakt zum Erhalt der propriozeptiven Steuerung derBeinmuskulatur und zur Besserung des Gehens mit Geh-stützen nötig, eine schmerzorientierte Teilbelastung istdann auch schon nach 4 Wochen möglich, weil eine Im-pression der Gelenkfläche nicht mehr befürchtet werdenmuss.

6Wochen nach der Operationwird der Gehbügelapparatabgelegt, die Teilbelastung wird obligat. Jeder Patient erhälteinen gepufferten Absatz an das KonfektionsschuhwerkmitAbsatzerhöhung unter der Ferse von 1 cm. Bei allen Fersen-beinfrakturen kommt es zu einer Atrophie des Fettkörpersunter dem Kalkaneus. Ein Teil der posttraumatischenSchmerzen, die der Verletzte direkt unter die Ferse proji-ziert, ist Folge dieser „heel pad“-Atrophie, der andere Teilgeht zu Lasten der Knochenatrophie. Vollbelastung solltenach 8−12 Wochen erreicht sein. Dann ist über Einlagenoder orthopädisches Schuhwerk zu entscheiden.

Prognosekriterien

Anhand der Publikationen der letzten 15 Jahre kann mannur tendenziell Vorteile der operativen Behandlung erken-nen; vergleichbar sind die Studien leider nicht, da fast jeder

Autor seine eigene Klassifikation verwendet und auch dieNachuntersuchungsprotokolle erheblich differieren (Bezesu. Mitarb. 1993, Böhler 1957, Brunner u. Mitarb. 1992, Buck-ley u. Meek 1992, Buckley u. Mitarb. 2001, Crosby u. Fitzgib-bons 1993, Crosby u. Fitzgibbons 1996, Funk u. Mitarb.1995, Kerr u. Mitarb. 1996, Kundel u. Mitarb. 1996, Leung u.Mitarb. 1993, Mittlmeier u. Mitarb. 1993, Paley u. Hall 1993,Palmer 1948, Sanders 1992, Sanders u. Mitarb. 1993, San-ders 2000, Siegmeth u. Mitarb. 1996, Stephenson 1993,Thordarson u. Krieger 1996, Zwipp u. Mitarb. 1989, Zwipp u.Mitarb. 1993, Zwipp 1994):1. Je weniger Fragmente vorliegen, umso besser wird das

operative Ergebnis.2. Auch eine perfekte Rekonstruktion gewährleistet nicht

in jedem Fall ein gutes Ergebnis, vor allem was die Be-weglichkeit im Subtalargelenk betrifft.

3. Bei mehr als 3 Gelenkfragmenten, hohem Körperge-wicht, schwerer körperlicher Arbeit und erwartbarerEntschädigung wird das Ergebnis schlechter (Sanders2000, Zwipp u. Mitarb. 1993).

4. Trümmerfrakturen haben fast immer ein schlechtes Er-gebnis, sie sind also keine guten OP-Indikationen.

5. Die Infektionsrate (Osteomyelitis) liegt unter 3%.6. Die Wundrandnekrose ist häufig (5,8−27%).7. Sekundäre Arthrodesen (Indikation: Schmerz) sind sel-

ten (unter 5%).

Demgegenüber ergibt die Durchsicht der Publikationenüber die konservative Behandlung folgendes Bild (Buckleyu. Meek 1992, Buckley u. Mitarb. 2001, Crosby u. Fitzgib-bons 1993, Haid 1979, Kundel u. Mitarb. 1996, Mittlmeier u.Mitarb. 1993, Myerson u. Quill 1993, Paley u. Hall 1993,Siegmeth u. Mitarb. 1996, Thordarson u. Krieger 1996,Zwipp 1994):1. Je weniger Fragmente, desto besser das Ausheilungser-

gebnis der konservativen Behandlung.2. Die nichtreponierte Dislokation/Impression ist nicht in

jedem Fall mit einem schlechten Ergebnis verbunden.3. Eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit des

Subtalargelenks ist praktisch nicht auszuschließen.4. Bei Mehrfragment- und Impressionsbrüchen sowie bei

hohem Körpergewicht wird das Ergebnis schlechter.5. Trümmerfrakturen sind prognostisch ungünstig.6. Die posttraumatische Arthroserate ist hoch.7. Sekundäre Arthrodesen sind in 10−15% der Fälle not-

wendig.8. Schlechte Ausheilungsergebnisse sind in 24−37% zu er-

warten, gute in 37−84%.9. Zugangsbedingte Komplikationen entfallen.

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag

Page 11: 16 Kalkaneusfrakturen - Fachbücher kaufen bei … Fraktur in Plantarstellung des Fußes Einbringen von Spongiosaschrauben senkrecht zur Fraktur. Größe und An-zahl der Schrauben

166

166

blubber

Literatur

Bezes, H., P. Massart, D. Delvaux, J. P. Fourquet, F. Tazi (1993):The operative treatment of intraarticular calcaneal fractures:Indication, technique and results in 257 cases. Clin. Or-thop. 290, 55.

Böhler, L. (1957): Die Technik der Knochenbruchbehandlung.12. und 13. Auflage. Maudrich, Wien.

Brunner, U., R. W. Kenn, J. Slawik, L. Schweiberer (1992): Die in-traartikuläre Kalkaneusfraktur. Klassifikation im CT als Vo-raussetzung zur Therapieentscheidung und zum quantitati-ven Vergleich. Unfallchirug 95, 358.

Buckley, R. E., R. N. Meek (1992): Comparison of open versusclosed reduction of intraarticular calcaneal fractures: A mat-ches cohort in workmen. J. Orthop. Trauma (United States) 6,216.

Buckley, R. E., R. G. McCormack, R. K. Leighton, G. C. Pate, D. P.Petrie, R. D. Galpin (2001): Prospective Randomized ClinicalMulzi-Center Tial: Operative versus Nonoperative Treatmentof Displaced Intraarticular Calcaneal Fracture. Vortrag OTA2001, San Francisco.

Crosby, L. A., T. C. Fitzgibbons (1993): Intraarticular calcanealfractures. Results of closed treatment. Clin. Orthop. 290, 47.

Crosby, L. A., T. C. Fitzgibbons (1996): Open reduction and inter-nal fixation of type II intraarticular calcaneus fractures. FootAnkle Int. 17, 253.

Eastwood, D. M., P. J. Gregg, R. M. Atkins (1993a): Intraarticularfractures of the calcaneum. Part I: Pathological anatomy andclassification. J. Bone Jt. Surg. Br. 75, 183.

Eastwood, D. M., V. G. Langkamer, R. M. Atkins (1993b): Intraar-ticular fractures of the calcaneum. Part II: Open reduction andinternal fixation by the extended lateral transcalcaneal ap-proach. J. Bone Jt. Surg. Br. 75, 189.

Essex-Lopresti, P. (1952): Mechanism, reduction, technique andresults in fractures of the os calcis. Brit. J. Surg. 39, 395.

Funk, E. M., M. Wiedemann, R. Bickel, A. Rüter (1995): Dislo-zierte intraartikuläre Kalkaneusfrakturen. Langzeitnachun-tersuchung nach offener Reposition und Osteosynthese. Un-fallchirurg 98, 501.

Haid, D. (1979): Einteilung der Fersenbeinbrüche nach funktio-nellen Gesichtspunkten. Hefte Unfallheilkd. 133, 161.

Jiméno-Vidal, F. (1935): Classification des fractures du calca-néum et résultats du traitement orthopédique Congrès Fran-cais de Chirurgie, 44. Session. Alcan, Paris, 633−660.

Kerr, P. S., D. L. Prothero, R. M. Atkins (1996): Assessing outcomefollowing calcaneal fracture: A rational scoring system. Injury(England) 27, 35.

Kundel, K., E. Funk, M. Brutscher, R. Bickel (1996): Calcanealfractures: Operative versus nonoperative treatment. J.Trauma 41, 839.

Kuner, E. H., F. Bonnaire, B. Hierholzer (1995): Zur Klassifikationund Osteosynthesetechnik der Kalkaneusfrakturen. Der Fixa-teur externe als passagerer Distraktor. Unfallchirurg 98, 320.

Leung, K. S., K. M. Yuen, W. S. Chan (1993): Operative treatmentof displaced intraarticular fractures of the calcaneum. Me-dium term results. J. Bone Jt. Surg. 75 B, 196.

Mittlmeier, T., M. M. Morlock, H. Hertlein, M. Fässler, W.Mutschler, G. Bauer, G. Lob (1993): Analysis of Morphologyand gait function after intraarticular calcaneal fracture. J. Or-thop. Trauma 7, 303.

Myerson, M., G. E. Quill ( 1993): Late complications of fracturesof the calcaneus. J. Bone Jt. Surg. 75 A: 331.

Paley, D.,H. Hall (1993): Intraarticular fractures of the calca-neus: A critical analysis of results and prognostic factores J.Bone Jt. Surg. Am. 75, 342.

Palmer, I. (1948): The mechanism and treatment of fractures ofthe calcaneus. Open reduction with the use of cancellousgrafts. J. Bone Jt. Surg. 30 A, 2.

Regazzoni, P., P. Mosimann, D. Calthorpe (1993): Classificationand results of ORIF of calcaneal fractures. In: Tscherne. H..Schatzker. J. (eds): Major fractures of the pilon, the talus andthe calcaneus. Springer, Berlin.

Sanders, R. (1992): Intraarticular fractures of the calcaneus:present state of the art. J. Orthop. Trauma 6, 252.

Sanders, R., P. Fortin, T. Pasquale, A. Walling (1993): Operativetreatment in 120 displaced intraarticular calcaneal fractures.Results using a prognostic computed tomographic scan clas-sification. Clin. Orthop. 290, 87.

Sanders, R.(2000): Displaced Intraarticular Fractures of the cal-caneus. J.Bone Jt. Surg. 82 A, 225−250.

Siegmeth, A., G. Petje, T. Mittlmeier, V. Vécsei (1996): Gangana-lyse nach intraartikulären Fersenbeinfrakturen. Unfallchirurg99, 52.

Stephenson, J. R. (1993): Surgical treatment of displaced in-traarticular fractures of the calcaneus. Clin. Orthop. 290, 68.

Thordarson, D. B., L. E. Krieger (1996): Operative versus non-operative treatment of intraarticular fractures of the calca-neus: A prospective randomiced trial. Foot Ankle Int. 17, 2.

Zwipp, H., H. Tscherne, N.Wülker, R. Grote (1989): Der intraarti-kuläre Fersenbeinbruch. Klassifikation, Bewertung und Ope-rationstaktik. Unfallchirurg 92, 117.

Zwipp. H., H. Tscherne, H. Therman, T. Weber (1993): Osteosyn-thesis of displaced intraarticular fractures of the calcaneus:Results in 123 cases. Clin. Orthop. 290, 76.

Zwipp, H. (1994): Chirurgie des Fußes. Springer Verlag, Wien.

16 Kalkaneusfrakturen

Imhoff: Fußchirurgie (ISBN 3131238518) © 2003 Georg Thieme Verlag