17 - Biosynthese Von Kohlenhydraten

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17 17 Biosynthese von Kohlenhydraten Georg Löffler 17.1 Biosynthese und Stoffwechsel von Monosacchariden – 540 17.1.1 Bedeutung von Nucleosiddiphosphat-Monosacchariden – 540 17.1.2 Stoffwechsel des Glucuronats – 540 17.1.3 Stoffwechsel von Lactose und Galactose – 542 17.1.4 Pathobiochemie: Stoffwechsel einzelner Monosaccharide – 543 17.2 Biosynthese der Zuckerbausteine von Glycoproteinen und Glycosaminoglycanen – 543 17.2.1 Biosynthese von Galactose, Mannose und Fucose – 543 17.2.2 Biosynthese von Aminozuckern – 544 17.3 Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen – 546 17.3.1 Allgemeine Prinzipien – 546 17.3.2 Biosynthese N-glycosidisch verknüpfter Glycoproteine – 546 17.3.3 Biosynthese O-glycosidisch verknüpfter Glycoproteine – 547 17.3.4 Biologische Bedeutung der Proteinglycosylierung sowie der Glycoproteine – 548 17.3.5 Biosynthese der Proteoglycane – 549 17.3.6 Biosynthese der Hyaluronsäure – 550 17.3.7 Penicillin und die Glycopeptidbiosynthese der bakteriellen Zellwand – 550 17.3.8 Pathobiochemie: Defekte des Aufbaus von Zuckerstrukturen – 552 Literatur – 552

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17 Biosynthese von Kohlenhydraten Georg Löffler

17.1 Biosynthese und Stoffwechsel von Monosacchariden – 54017.1.1 Bedeutung von Nucleosiddiphosphat-Monosacchariden – 54017.1.2 Stoffwechsel des Glucuronats – 54017.1.3 Stoffwechsel von Lactose und Galactose – 54217.1.4 Pathobiochemie: Stoffwechsel einzelner Monosaccharide – 543

17.2 Biosynthese der Zuckerbausteine von Glycoproteinen und Glycosaminoglycanen – 543

17.2.1 Biosynthese von Galactose, Mannose und Fucose – 54317.2.2 Biosynthese von Aminozuckern – 544

17.3 Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen – 54617.3.1 Allgemeine Prinzipien – 54617.3.2 Biosynthese N-glycosidisch verknüpfter Glycoproteine – 54617.3.3 Biosynthese O-glycosidisch verknüpfter Glycoproteine – 54717.3.4 Biologische Bedeutung der Proteinglycosylierung sowie

der Glycoproteine – 54817.3.5 Biosynthese der Proteoglycane – 54917.3.6 Biosynthese der Hyaluronsäure – 55017.3.7 Penicillin und die Glycopeptidbiosynthese der bakteriellen

Zellwand – 55017.3.8 Pathobiochemie: Defekte des Aufbaus von Zuckerstrukturen – 552

Literatur – 552

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540 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten

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>> Einleitung

Glucose dient dem Aufbau von Glycogen als Energiespeicher sowie dem oxidativen Abbau zur Deckung des zellulären Energie-bedarfes. Weiterhin ist Glucose Baustein für die Biosynthese der verschiedensten Monosaccharide, da diese bis auf Fructose und Galactose nur in geringen Konzentrationen in der Nahrung vorkommen. Monosaccharide werden als solche – sowie nach Modifikation zu Uronsäuren, Aminozuckern sowie deren N-acetylierten Derivaten – für die Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen benötigt. Diese sind Bestandteile von Glycoproteinen, Proteoglycanen sowie der Hyaluronsäure. Fehler in der Biosynthese führen zu schweren Störungen, da sie essentielle Funktionen für Wachstum, Differenzierung und viele zelluläre Funktionen haben.

17.1 Biosynthese und Stoffwechsel von Monosacchariden

17.1.1 Bedeutung von Nucleosid-diphosphat-Monosacchariden

Glucose stellt die Ausgangssubstanz für die Biosynthese der verschiedenen in Disacchariden und Heteroglycanen vor-kommenden Monosaccharide bzw. deren Derivate dar. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um4 Galactose4 Mannose4 Fucose4 einige Uronsäuren sowie4 die verschiedenen Aminozucker

Die Strukturen dieser Verbindungen wurden bereits in 7 Kapitel 2 besprochen.

! Monosaccharide müssen zu Nucleosiddiphosphat-Derivaten aktiviert werden.

Sowohl die Biosynthese der obigen Zucker sowie deren weitere Reaktionen erfordern die vorherige Aktivierung der jeweiligen Monosaccharide. Sie erfolgt durch Reaktion eines Monosaccharid-1-phosphats mit einem Nucleosidtri-phosphat (NTP):

Ein Beispiel für eine derartige Reaktion ist die schon be-sprochene Bildung von UDP-Glucose aus Glucose-1-phos-phat und UTP, die für die Biosynthese von Glycogen und Glucuronsäure benötigt wird (7 Kap. 11.2.1). Die für solche Reaktionen verwendeten Enzyme werden allgemein als Glycosyl-1-phosphat-Nucleotid-Transferasen oder Gly-cosyl-Pyrophosphorylasen bezeichnet.

Die Bildung des NDP-Monosaccharids erfolgt in einer frei reversiblen Reaktion. Erst die Hydrolyse des dabei gebildeten Pyrophosphats zu zwei anorganischen Phos-phaten mit Hilfe der in jedem Gewebe vorkommenden Pyrophosphatasen verschiebt das Gleichgewicht der Re-aktion in Richtung der Biosynthese des aktivierten Zuckers.

In tierischen Zellen ist das bevorzugte Nucleosid-triphosphat zur Zuckeraktivierung das UTP. Daneben fin-den das GTP im Mannosestoffwechsel und das CTP im Acetyl-Neuraminsäurestoffwechsel Verwendung.

Auf diese Weise aktivierte Monosaccharide können vielfältige Reaktionen eingehen. Die wichtigsten sind4 Oxidationen4 Reduktionen4 Epimerisierungen sowie4 Übertragung auf andere Zucker oder Zuckerpolymere

17.1.2 Stoffwechsel des Glucuronats

! UDP-Glucuronat entsteht durch Oxidation von UDP-Glucose.

Biosynthese. Uronsäuren (oder besser Uronate) entstehen durch Oxidation der Hydroxylgruppe am C-Atom 6 von Hexosen. Die Biosynthese der aus Glucose abgeleiteten Glu-curonsäure (des Glucuronats) ist in . Abb. 17.1 dar gestellt:

. Abb. 17.1. Biosynthese von UDP-Glucuronsäure aus Glucose-6-phosphat

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17.1 · Biosynthese und Stoffwechsel von Monosacchariden17541

4 Glucose-6-phosphat wird nach Überführung in Glu-cose-1-phosphat mit UTP unter Bildung von UDP-Glu cose umgesetzt (7 Glycogenbiosynthese, Kap. 11.2.1)

4 Oxidation von UDP-Glucose am C-Atom 6 in zwei Schritten zu UDP-Glucuronat durch die NAD+-ab-hängige UDP-Glucose-Dehydrogenase

UDP-Glucuronat stellt die aktive Form des Glucuronats dar und wird für deren weitere Reaktionen benötigt.

! Viele Verbindungen werden durch Glucuronidierung ausscheidungsfähig gemacht.

Glucuronide. Viele körpereigene und körperfremde Verbindungen reagieren mit UDP-Glucuronat unter Bil-dung von Glucuroniden. Diese enthalten Glucuronat in -gly cosidischer Bindung mit den entsprechenden Aglykonen verknüpft (. Abb. 17.2). Als Substrate kom-men

4 Alkohole4 Phenole4 Thiole4 primäre Amine, aber auch4 Verbindungen mit Carboxylgruppen infrage

Dabei handelt es sich um körpereigene (Steroide, Bilirubin) Verbindungen, aber auch Nahrungsbestandteile, Arznei-mittel und viele Xenobiotica. Die Zahl der möglichen Sub -strate geht in die Tausende.

Glucuronat-Transferasen. Die für diese Reaktionen ver-antwortlichen Enzyme werden als UDP-Glucuronat-Trans-ferasen (UGT’s) bezeichnet. Sie bilden eine Groß familie mit beim Menschen insgesamt 16 Mitgliedern, die sich von zwei Vorläufern, dem UGT1 und dem UGT2 ableiten. Die einzelnen Mitglieder der Großfamilie weisen zwar un-terschiedliche Spezifitäten auf. Diese erstrecken sich aller-dings mehr auf chemische Gruppen als auf de finierte Moleküle, was das außerordentlich breite Substratspek-trum erklärt. UGT’s kommen im Intesti naltrakt und in be-sonders hoher Aktivität in der Leber vor, wo sie für die zweite Phase der Biotransformation von besonderer Be-deutung sind (7 Kap. 33.3.1).

! Aus Glucuronsäure werden andere Uronsäuren, Ascor-binsäure und Pentosen synthetisiert.

. Abb. 17.2. Biosynthese von Glucuroniden aus UDP-Glucuronat

. Abb. 17.3. Synthese von UDP-D-Galacturonat und L-Iduronat. Die Epimerisierung von Iduronat aus Galacturonat erfolgt erst nach Einbau in Heparan- bzw. Dermatansulfat

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Abkömmlinge des Glucuronats. Aus UDP-Glucuronat werden weitere Verbindungen gebildet (. Abb. 17.3):4 Durch Epimerisierung am C-Atom 4 entsteht aus UDP-

D-Glucuronat UDP-D-Galacturonat4 Nach Einbau von UDP-Glucuronat in Heparan- bzw.

Dermatansulfat (7 Kap. 17.3.5) kann dieses durch Epi-merisierung am C-Atom 5 in L-Iduronat umgewandelt werden

4 Durch hydrolytische Abspaltung von UDP bzw. unter Einwirkung von lysosomalen Glucuronidasen entsteht aus UDP-Glucuronat bzw. Glucuroniden das Glucu ronat

Aus diesem entsteht D-Xylitol, welches mit NAD+ zu D-Xylulose oxidiert und damit in den Pentosephosphatweg eingeschleust werden kann.

Außer bei Primaten und Meerschweinchen ist Glu-curonat auch der Ausgangspunkt für die Ascorbinsäure-Synthese (7 Kap. 23.3.1).

17.1.3 Stoffwechsel von Lactose und Galactose

! Galactose wird nach Aktivierung über UDP-Galactose zu UDP-Glucose epimerisiert.

Stoffwechsel von Lactose. Das Hauptkohlenhydrat der Milch ist das Disaccharid Lactose. Sein Stoffwechsel ist v.a. beim Säugling und Kleinkind von größter Bedeutung. Wie andere Disaccharide wird Lactose im Intestinaltrakt durch die dort anwesenden Disaccharidasen (7 Kap. 32.2.1) hydro-lytisch gespalten und die der Lactose zugrunde liegenden Monosaccharide Glucose und Galactose in die Pfortader resorbiert. Der Galactoseabbau findet im Wesentlichen in der Leber statt (. Abb. 17.4):

4 ATP-abhängige Phosphorylierung von Galactose durch eine spezifische Galactokinase zu Galactose-1-phos-phat

4 Reaktion von Galactose-1-Phosphat mit UDP-Glucose unter Bildung von UDP-Galactose und Glucose-1-phosphat. Diese durch das Enzym Galactose-1-phos-phat-Uridyltransferase vermittelte Reaktion besteht also in einem Austausch von Galactose und Glucose am Uridindiphosphat

4 Epimerisierung von UDP-Galactose am C-Atom 4. Das hierfür verantwortliche Enzym ist die UDP-Galac-tose-4-Epimerase. Ihr Produkt ist UDP-Glucose. Die entstandene UDP-Glucose kann in Glycogen eingebaut und auf dem Weg der Glycogenolyse in den Stoffwech-sel eingeschleust werden

! Für die Lactosesynthese in der Brustdrüse wird Lactal-bumin als Cofaktor benötigt.

Biosynthese von Lactose. Lactose ist das Hauptkohlen-hydrat der Milch aller Säuger. Ihre Biosynthese erfolgt durch Übertragung von UDP-Galactose auf Glucose unter Bildung von Lactose nach der Gleichung:

Das hierfür benötigte Enzym ist die Lactosesynthase.Sie ist ein heterodimeres Enzym aus den beiden Unter-einheiten A und B. Die Untereinheit A ist eine außer in den Epithelzellen der Brustdrüse in vielen anderen Zel-len vorkommende Galactosyltransferase, welche die Re-aktion:

. Abb. 17.4. Stoffwechsel der Galactose. (Einzelheiten 7 Text) Der rote Balken gibt den Stoffwechseldefekt bei der hereditären Galactos ämie wieder

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katalysiert. Diese Untereinheit gehört damit zu den für die Heteroglycansynthese (7 Kap. 17.3.2) verantwortlichen Enzymen.

Zur Biosynthese von Lactose ist sie alleine nicht im-stande, weil ihre KM für Glucose als Akzeptor außerordent-lich groß ist. Erst zusammen mit der Untereinheit B, dem α-Lactalbumin, wird die Spezifität der Untereinheit A der art modifiziert, dass Glucose als Akzeptor bevorzugt wird. Während der Schwangerschaft werden die Zellen der Milchdrüse durch die Hormone Insulin (7 Kap. 26.1),Cor tisol (7 Kap. 27.3.7) und Prolactin (7 Kap. 27.7.3) in sekre torische Zellen umgewandelt und dabei die Biosyn-these der Untereinheit A induziert. Im Gegensatz dazu wird die Biosyn these der Untereinheit B durch Progesteron ge-hemmt. Mit dem unmittelbar vor der Geburt einsetzenden Progesteron abfall erlischt diese Hemmung, sodass mit Be-ginn der Milchbildung Lactose in benötigtem Umfang syn-thetisiert werden kann.

17.1.4 Pathobiochemie: Stoffwechsel einzelner Monosaccharide

Hereditäre Störungen des Stoffwechsels einzelner Mono-saccharide haben interessante Einblicke in die regulatori-schen Mechanismen geliefert (7 Kap. 11):

Galactosämien. Es handelt sich um Erkrankungen, die sich durch erhöhte Serum-Galactosespiegel bereits unmit-telbar nach der Geburt auszeichnen. Sie kommen mit einer Häufigkeit von etwa 1:40000 vor.

Bei der leichten Form der Erkrankung ist die Galacto-kinase defekt. Die sich anhäufende Galactose wird mit

einer Aldosereduktase (7 Kap. 11.1.1) zu Galactitol redu-ziert, welches die Entstehung von frühkindlichen Linsen-katar akten auslöst.

Die schwere Form der Erkrankung wird auch als »klas-sische Galactosämie« bezeichnet. Ihr liegt ein Mangel der Galactose-1-phosphat-Uridyl-Transferase zugrunde. Da die Aktivität der Galactokinase normal ist, kommt es zu einem beträchtlichen Anstieg des Galactose-1-phosphats. Dieses hemmt die Phosphoglucomutase, Glucose-6-Phos-phatase und Glucose-6-phosphat-Dehydrogenase, führt also zu einer schweren Störung des Glucosestoffwechsels. Die hohe Galactose-1-phosphat-Konzentration bindet da-rüber hinaus einen großen Teil des zellulären Phosphats. Deswegen wird die mitochondriale ATP-Regenerierung aus ADP und Pi und damit der gesamte Energiestoffwechsel schwer beeinträchtigt.

Die Betroffenen erkranken unmittelbar nach der Ge-burt an Erbrechen, Durchfällen, Gewichtsabnahme und Ikterus. Bei Belastung mit Galactose kommt es zu schwe-ren, protrahierten Hypoglykämien, die auf eine Hemmung der Gluconeogenese zurückzuführen sind. Die Synthese von UDP-Galactose verläuft bei den Patienten ungestört, da die UDP-Gal-4-Epimerase ja in normaler Aktivität vorhanden ist. Die Betroffenen sind also auch bei galac-tosefreier Kost, die die einzig erfolgreiche Therapie des Leidens darstellt, zur Synthese der Galactose enthaltenden Glycoproteine und Ganglioside befähigt.

Gilbert Syndrom und Crigler-Najjar Syndrom. Bei diesen Erkrankungen handelt es sich um angeborene Störungen der Bilirubin-Glucuronidierung. Sie beruhen auf jeweils unterschiedlichen Defekten der Uridindiphosphat-Glucu-ronyltransferase 1A1. Weiteres 7 Kap. 20.4.2.

In Kürze

Die im Stoffwechsel benötigten Monosaccharide werden überwiegend aus Glucose synthetisiert:4 UDP-Glucose ist der Ausgangspunkt für die Bio-

synthese von Glucuronat, den Glucuroniden und, mit Ausnahme der Primaten und des Meerschweinchens, der Ascorbinsäure

4 UDP-Glucose wird zu UDP-Galactose epimerisiert und dient der Lactosesynthese

4 Aus Lactose stammende Galactose wird zu UDP-Galac-tose aktiviert und anschließend zu UDP-Glu cose epi-merisiert

17.2 Biosynthese der Zuckerbau-steine von Glycoproteinen und Glycosaminoglycanen

17.2.1 Biosynthese von Galactose, Mannose und Fucose

! Nucleosiddiphosphat-Derivate sind die Zwischenpro-dukte für die Synthese von Galactose, Mannose und Fucose.

Biosynthese von Galactose. Galactose ist Bestandteil einer Reihe von Heteroglycanen (7 Kap. 2.1.4). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, diesen Zucker auch dann zur Ver fügung zu haben, wenn die Nahrung galactosefrei ist. Da die UDP-Galactose-4-Epimerase (. Abb. 17.4) frei re versibel ist, kann die benötigte Galactose leicht aus UDP-Glucose hergestellt werden, wobei UDP-Galactose entsteht.

Biosynthese von Mannose und Fucose. Mannose und Fucose sind wichtige Bestandteile vieler Glycoproteine und

17.2 · Biosynthese der Zuckerbausteine von Glycoproteinen und Glycosaminoglycanen

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544 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten

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werden mit folgenden Reaktionen aus Glucose synthetisiert (. Abb. 17.5, 17.6):4 Isomerisierung von Glucose-6-Phosphat zu Fructose-

6-phosphat mit Hilfe des Glycolyseenzyms Phospho-hexose-Isomerase

4 Unter sterischer Umkehr am C-Atom 2 Bildung von Mannose-6-phosphat durch eine zweite Isomerase

4 Umwandlung zu Mannose-1-phosphat4 Aktivierung von Mannose-1-phosphat mit GTP zu

GDP-Mannose. Der Mechanismus gleicht demjeni-gen der Bildung von UDP-Glucose aus Glucose-1-Phosphat

GDP-Mannose ist nicht nur Substrat für die Biosynthese von mannosehaltigen Glycoproteinen, sondern auch für die des 6-Desoxyzuckers L-Fucose, der ebenfalls in Glyco-proteinen vorkommt (7 Kap. 2.1.4). Formal ist dieser kom-

plizierte, mehrstufige Prozess eine mit einer Wasserabspal-tung einhergehende Reduktion der CH2OH-Gruppe des C-Atoms 6 zu einer Methylgruppe (. Abb. 17.5):

17.2.2 Biosynthese von Aminozuckern

! Die NH2-Gruppe der Aminozucker wird durch Glutamin bereitgestellt.

Sowohl in den Oligosacchariden der Glycoproteine als auch in Glycosaminoglycanen kommen häufig Mono-saccharide mit Aminogruppen vor, die meist zusätzlich acetyliert sind. Diese befinden sich immer am C-Atom 2 des zugrunde liegenden Monosaccharides. Die Grundzüge der Biosynthese dieser Aminozucker sind in . Abb. 17.6zusammengestellt.

N-Acetyl-Glucosamin. Da es sich um eine Substitution am C-Atom 2 handelt, beginnt die Biosynthese mit der Isomerisierung von Glucose-6-phosphat zu Fructose-6-phosphat. Dieses reagiert anschließend mit dem Amid-Stickstoff des Glutamins unter Bildung von Glucosamin-6-phosphat (GlcN-6-P). Eine zweite Möglichkeit der Glu-cosamin-6-phosphat-Biosynthese besteht in der direkten Phosphorylierung von Glucosamin. Durch Acetylierung mit Acetyl-CoA entsteht aus Glucosamin-6-phosphat das N-Acetylglucosamin-6-phosphat (GlcNAc-6-P). Nach Ver-lagerung der Phosphatgruppe zum GlcNAc-1-P reagiert dieses mit UTP zum UDP-GlcNAc, das für die Glycopro-teinbiosynthese verwendet wird.

N-Acetyl-Galactosamin und N-Acetyl-Neuraminsäure.N-Acetyl-Galactosamin entsteht durch Epimerisierung von UDP-GlcNAc zu UDP-GalNAc in einer Reaktion, die der Epimerisierung von UDP-Glc zu UDP-Gal entspricht (. Abb. 17.4)

Die Biosynthese der N-Acetyl-Neuraminsäure (Sia lin-säure, 7 Kap. 17.1.1) beginnt mit der ATP-abhängigen Um-wandlung von UDP-GlcNAc zu N-Acetyl-Mannosamin-6-phosphat (ManNAc-6-P), das anschließend mit Phos-phoenolpyruvat reagiert. Dabei addiert sich das nach Phosphatabspaltung entstehende Enolat-Ion des Pyruvats an das Carbonyl-C-Atom des N-Acetylmannosamin-6-phosphats, sodass N-Acetylneuraminat-9-Phosphat ent-steht. Dieses wird analog zu schon geschilderten Reak tionen diesmal mit CTP zu CMP-N-Acetyl-Neuraminat aktiviert und steht damit der Glycoprotein-Biosynthese zur Ver-fügung (7 Kap. 17.3.2).

. Abb. 17.5. Biosynthese von GDP-Mannose und GDP-Fucose aus Glucose-6-phosphat. (Einzelheiten 7 Text)

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In Kürze

Die Biosynthese der Zuckerbausteine von Heteroglycanen und Glycosaminoglycanen geht von Glucose aus:4 Glucose-6-phosphat liefert UDP-Glucose und

UDP-Galactose,4 Fructose-6-phosphat liefert GDP-Mannose und GDP-

Fucose,

4 Fructose-6-phosphat ist Ausgangspunkt für die Bio-synthese der Aminozucker UDP-GlcNAc, UDP-GalNAc und CMP-N-Acetyl-Neuraminsäure.

. Abb. 17.6. Biosynthese wichtiger Zuckerbausteine in Glyco pro-teinen und Glycosaminoglycanen. Glc = Glucose, Fru = Fructose, Man = Mannose, Fuc = Fucose, Gal = Galactose, GlcN = Glucosamin, GlcNAc = N-Acetyl-Glucosamin, GalNAc = N-Acetyl-Galactosamin, ManNAc =

N-Acetyl-Mannosamin, NeuAc = N-Acetyl-Neuraminsäure (Sialinsäure) grüne Pfeile = Epimerisierungen; rote Pfeile = Aktivierungen; blauePfeile = Einbau in Heteroglycane; unmittelbare Substrate für die Heteroglycansynthese sind rot hervorgehoben (Einzelheiten 7 Text)

17.2 · Biosynthese der Zuckerbausteine von Glycoproteinen und Glycosaminoglycanen

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546 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten

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17.3 Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen

17.3.1 Allgemeine Prinzipien

Im Gegensatz zur Biosynthese von Nucleinsäuren (7 Kapi-tel 7, 8) oder Proteinen (7 Kapitel 9) erfolgt die Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen nicht nach ei-nem in einer Matrize (DNA für Nucleinsäuren oder mRNA für Proteine) codierten Plan. Sie beginnt vielmehr mit der Anheftung des ersten Glycosylrestes, der dazu in Nucleo-siddiphosphat-aktivierter Form vorliegen muss, an einen Akzeptor (. Abb. 17.7). Die hierfür nötige Glycosyltrans-ferase hat jeweils die erforderliche Spezifität hinsichtlich des Akzeptors sowie des Nucleosiddiphosphatzuckers. Weitere Glycosyltransferasen mit jeweils genau erforder-lichen Spezifitäten übernehmen danach die schrittweise Verlängerung der wachsenden Kohlenhydratkette. Häufig verzweigte Oligosaccharide kommen in Glycoproteinen, Heteroglycanen, Proteoglycanen und in der Hyaluronsäure vor, außerdem in den in Kapitel 18 besprochenen Glyco-lipiden.

17.3.2 Biosynthese N-glycosidisch verknüpfter Glycoproteine

In Glycoproteinen kommen zwei Typen von Sacchariden vor. Zum größeren Teil sind sie über N-glycosidische Bin-dungen mit einem Asparaginylrest des Glycoproteins ver-knüpft, zum kleineren Teil über O-glycosidische Bindun-gen mit Seryl- bzw. Threonyl-Resten.

! Die N-glycosidisch an Glycoproteine gebundenen Oligosaccharidketten werden an einem Lipidanker synthetisiert.

Ein großer Teil der in tierischen Organismen vorkommen-den, N-glycosidisch verknüpften Glycoproteine ist vom komplexen Typ und trägt damit verzweigte Oligosaccha-ride (7 Kap. 2.1.4). Die Fertigstellung derartiger Glycopro-teine ist ein mehrstufiger Vorgang:

Synthese der Oligosaccharide. Die Biosynthese der N-gly-cosidisch verknüpften Oligosaccharide von Glycoproteinen erfolgt in einem zweistufigen Prozess am endoplasma-tischen Retikulum sowie im Golgi-Apparat.

An den Membranen des endoplasmatischen Retiku-lums wird die innere Kernregion (Core-Region) der Sac-charidkette zusammengesetzt. Der Akzeptor für die schritt-weise Anheftung Nucleosiddiphosphat-aktivierter Zucker ist allerdings zunächst nicht das jeweilige Protein, sondern das Isoprenderivat Dolicholphosphat (7 Kap. 2.2.5), welches für eine Verankerung der wachsenden Saccharidkette in den Membranen des endoplasmatischen Retikulums sorgt

(. Abb. 17.8). Dolicholphosphat ist dabei so in die Mem-bran des endoplasmatischen Retikulums integriert, dass der Phosphatrest auf die cytosolische Seite ragt. An diese Phos phatgruppe wird zunächst ein aus UDP-GlcNAc stammendes N-Acetylglucosamin-1-phosphat geknüpft, so dass ein N-Acetyl-Glucosaminyl-Pyrophosphoryl-Doli-chol (Dol-PP-GlcNAc) entsteht. In den nächsten Schritten werden an dieses ein weiteres GlcNAc sowie fünf Mannose-reste geheftet. Anschließend erfolgt mit Hilfe einer »Flip-pase« eine Translokation des Dol-PP-Saccharides durch die Membran, sodass der Pyrophosphat-Rest mit der ange-hefteten Saccharidkette jetzt ins Lumen des endoplasmati-schen Retikulums ragt. Hier erfolgt die Anheftung weiterer Saccharidketten aus Mannose- bzw. Glucoseresten.

Übertragung des Oligosaccharids. Nachdem das Oligo-saccharid fertig gestellt ist, wird es in einem Schritt auf einen spezifischen Asparaginylrest der Polypeptidkette übertragen. Das hierfür verantwortliche membrange-bundene Enzym erkennt u.a. die Aminosäuresequenz Asn-X-Ser/Thr in Proteinen. Von dem während der Übertra-gungsreaktion entstehenden Dolicholpyrophosphat wird Phosphat abgespalten, der Dolichyl-Rest wird durch die Membran transloziert und steht damit dem nächsten Zy-klus zur Verfügung.

Trimmen des Glycoproteins. Noch in den Membranen des endoplasmatischen Retikulums, aber auch im Golgi-Ap parat, erfolgt nun das sog. Trimmen des noch unfer-tigen Glycoproteins (. Abb. 17.9). Es beginnt mit der schrittweisen Entfernung von Glucose- und Mannose-resten und der Anheftung eines N-Acetyl-Glucosamins,

. Abb. 17.7. Schema der Biosynthese von Heteroglycanen. An einen Akzeptor wird mit Hilfe der ersten Glycosyltransferase das in-nerste Monosaccharid der wachsenden Polysaccharidkette geheftet. Weitere Glycosyltransferasen mit jeweils verschiedener Spezifität über-nehmen die Verknüpfung mit den nächsten Monosaccharid resten

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sodass schließlich eine Kernregion übrig bleibt, die nur noch N-Acetylglu cosamin- und Mannosereste trägt. An diese werden nun, hauptsächlich im medialen und trans-Golgi-Apparat, mit Hilfe spezifischer Glycosyltransferasen die für das jewei lige Glycoprotein typischen peripheren Saccharidreste angeheftet. Im Einzelnen handelt es sich um N-Acetyl-Glu cosamin-, Galactose-, Fucose- und Si-alinsäurereste.

17.3.3 Biosynthese O-glycosidisch verknüpfter Glycoproteine

! O-glycosidisch an Glycoproteine geknüpfte Saccharid-ketten werden im Golgi-Apparat schrittweise aufgebaut.

Die Biosynthese O-glycosidisch verknüpfter Glycoproteine findet anders als bei den N-glycosidisch verknüpften Gly-coproteinen posttranslational in den Zisternen des Golgi-Apparates statt. Die Anheftung der Glycosylreste erfolgt mit Hilfe jeweils spezifischer Glycosyltransferasen zunächst auf den betreffenden Seryl- bzw. Threonylrest der Peptid-kette, danach auf das wachsende Saccharid. Substrate sind in jedem Fall die Nucleosiddiphosphat-Derivate der jewei-ligen Zucker.

. Abb. 17.8. Biosynthese N-glycosidisch verknüpfter Zucker-strukturen in Glycoproteinen. In den Membranen des endoplasma-tischen Retikulums wird an Dolicholphosphat als Lipidanker die dar-gestellte Oligosaccharidstruktur synthetisiert. Für jeden Verknüp-fungsschritt sind besondere Glycosyltransferasen notwendig. Der biologische Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, die wachsende Saccharidkette mit dem Dolicholphosphatrest in der Lipidphase der Membran zu verankern. (Einzelheiten 7 Text)

. Abb. 17.9. Prozessierung N-glycosidisch verknüpfter Zucker-strukturen von Glycoproteinen. Dieser auch als Trimmen bezeich-nete Schritt findet während der Passage des Glycoproteins vom endo-plasmatischen Retikulum durch die Zisternen des Golgi-Apparates statt. Schrittweise werden Glucose- und Mannosereste entfernt, sodass schließlich eine Kernregion übrig bleibt, an die hauptsächlich im medialen und trans-Golgi-Apparat die für das jeweilige Glycopro-tein typischen peripheren Saccharidreste angeheftet werden

17.3 · Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen

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548 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten

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17.3.4 Biologische Bedeutung der Proteinglycosylierung sowie der Glycoproteine

Die Glycosylierung von Proteinen ist die häufigste Protein-modifikation. Glycoproteine kommen besonders in eu-karyoten Zellen vor, finden sich aber auch in Archaebak-terien und Viren. Sie sind häufig sezernierte Proteine bzw. Membranproteine, wobei dann der Kohlenhydratanteil auf die extrazelluläre Seite gerichtet ist.

Die von Glycoproteinen ausgeübten Funktionen sind vielfältig und hängen ganz überwiegend vom jeweiligen Proteinanteil ab.

Sezernierte Proteine. Mit Ausnahme des Albumins sind alle im Blutplasma vorkommenden Proteine Glycopro-teine. Sie dienen im Blutplasma4 als Immunglobuline der körpereigenen Abwehr4 als Bindeproteine für Vitamine, Lipide usw. dem Trans-

port im Plasma4 als Hormone der extrazellulären Signalübertragung

sowie4 als Plasmaenzyme dem Blutgerinnungs-, Fibrinolyse-

oder Komplementsystem

Extrazelluläre Matrix. Glycoproteine der extrazellulären Matrix sind Kollagen bzw. Elastin. In Form von Mucinenwirken Glycoproteine als Schmiermittel sowie wichtige Schutzfaktoren auf epithelialen Oberflächen.

Membranglycoproteine. Die Funktionen von Membran-glycoproteinen sind vielfältig. Sie bilden u.a.4 Rezeptoren für extrazelluläre Liganden, z.B. für Hor-

mone, Cytokine und Wachstumsfaktoren4 Adhäsionsmoleküle für Zell-Zell- bzw. Zell-Matrix-

Wechselwirkungen sowie4 Transportproteine

Obwohl die Biosynthese der Heteroglycan-Bestandteile von Glycoproteinen vom Organismus einen besonderen Auf-wand verlangt (für jede glycosidische Bindung wird ein spezifisches Enzym benötigt), weiß man über die eigentli-chen Funktionen des Saccharidanteils von Glycoproteinen relativ wenig. Folgende Tatsachen sind gesichert:4 Die vollständige Abtrennung der Glucosereste während

des Trimmens (7 o.) ist nur bei korrekt gefalteten Pro-teinen möglich. Einzelne Glucosylreste an fehlgefal teten Glycoproteinen dienen noch im rauen endoplasma-tischen Retikulum als Retentionssignale, die eine er-neute Wechselwirkung des Glycoproteins mit Chapero-nen auslösen, sodass sich die korrekte Faltung einstellen oder das fehlgefaltete Protein abgebaut werden kann (7 Kap. 9.2.1)

4 Von besonderer Bedeutung sind die terminalen Sialin-säurereste. Werden diese von im Blutplasma zirkulie-

renden Glycoproteinen abgespalten, so werden sie sehr rasch von der Leber aufgenommen und abgebaut, da Hepatozyten einen spezifischen Rezeptor für Oligo-saccharidketten mit einem terminalen Galactoserest besitzen, den sog. Asialoglycoprotein-Rezeptor. Somit erkennen Hepatozyten sialinsäurefreie Glycoproteine. Auch intakte Zellen, z.B. Erythrozyten werden nach Verlust der terminalen Sialinsäurereste ihrer Zellober-flächenkomponenten von Kupfferzellen der Leber oder Milzmakrophagen phagozytiert

4 Einige Mikroorganismen und Viren benutzen sialin-säurehaltige Membrankomponenten der Wirtszellen als Eintrittspforte. Das Hämagglutinin des Influenza-Virus verwendet derartige Komponenten zum An-docken an die Epithelzellen des Respirationstraktes. Diese Viren verfügen als weiteres Protein über eine Neura minidase. Diese entfernt Sialinsäuren, die wäh-rend der Infektion auch an Virusproteine angehängt werden. Damit wird die Autoagglutinierung der Nach-kommenviren über das Hämagglutinin verhindert. Hemmstoffe dieser Neuraminidase sind potente Arznei-mittel für die Therapie der Influenza

4 Der Oligosaccharidanteil beeinflusst häufig die bio-logische Aktivität von Glycoproteinhormonen. Entfernt man z.B. die Kohlenhydratketten des Choriongona do-tropins (7 Kap. 27.6.9), so verhält sich das deglycosylierte Hormon noch gegenüber den entsprechenden Antikör-pern wie ein natives Hormon und bindet mit dersel-ben Kinetik und Affinität an die spezifischen Rezep-toren der Zielzellen. Es zeigt jedoch keine biologische Wirkung mehr. Ähnliche Untersuchungen sind mit dem thyreotropen Hormon (7 Kap. 27.2) durchgeführt worden

4 Oligosaccharidketten dienen als Erkennungsregionen und sind für die Verteilung synthetisierter Proteine auf intrazelluläre Organellen (7 Kap. 9.2) wichtig. Glyco-proteine, die am äußersten Ende des Kohlehydrat-restes Mannose-6-phosphat tragen, werden in Lyso-somen aufgenommen (7 Kap. 6.2.7). Bei Fehlen dieses Mannose-6-phosphat-Restes infolge eines hereditären Enzym defektes wird dieses Protein nicht in Lysosomen auf genommen, sondern in großem Umfang von den entsprechenden Zellen sezerniert (I-Zellenkrankheit, 7 Kap. 6)

4 Lectine sind zelluläre Proteine, die spezifische Kohlen-hydratstrukturen erkennen und binden können. Dies trifft auch für die sog. Selectine zu, die auf Endothelien vorkommen, Saccharidketten auf Leukozyten bzw. Lymphozyten erkennen und diese Zellen an Endothe-lien binden

4 Bei einer Reihe von Proteinen des Zellkerns, aber auch des Cytosols ist eine Glycosylierung mit nur einemN-Acetyl-Glucosaminrest an Seryl- oder Threonyl-Resten beschrieben worden. Da diese Modifikation rasch reversibel ist und häufig an den Stellen erfolgt, die

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auch phosphoryliert werden können, hat sie mit großer Wahrscheinlichkeit eine regulatorische Bedeutung

17.3.5 Biosynthese der Proteoglycane

Proteoglycane sind essentielle Bestandteile der extrazellu-lären Matrix. Ihre im Einzelnen spezifischen Funktionen werden in 7 Kapitel 24 besprochen.

! In Proteoglycanen sind Ketten aus repetitiven Disaccha-riden mit einem Core-Protein verknüpft.

Aufbau und Einteilung. Proteoglycane bestehen aus einem sog. Core-Protein, an das lange unverzweigte Polysaccha-ridketten aus repetitiven Disaccharideinheiten (7 Kap. 2.1.3, 2.1.4) geheftet sind. Sie werden in4 Chondroitinsulfat4 Dermatansulfat4 Keratansulfat4 Heparin und4 Heparansulfat

unterteilt.

Die Variabilität der zugehörigen Proteine ist außer-ordentlich groß. Bis heute sind mehr als 100 Gene für die in Proteoglycanen vorkommenden sog. Core-Proteine be-schrieben worden (7 Kap. 2.1.4).

Biosynthese. Das Prinzip der Proteoglycansynthese ist in . Abb. 17.10 dargestellt:4 An eine Serylgruppe innerhalb einer spezifischen Se-

quenz des Core-Proteins wird ein aus vier Monosac-chariden bestehendes Oligosaccharid geknüpft. Die Struktur Xyl – Gal – Gal – GlcUA ist allen Proteogly-canen gemeinsam

4 Dieses Tetrasaccharid wird nun durch alternierende Addition von zwei Monosacchariden verlängert, einem Aminozucker und Glucuronat, jeweils als UDP-akti-vierte Verbindung (7 Kap. 17.1.1)

4 Im Heparin und Heparansulfat kommt der Amino-zucker N-Acetylglucosamin, im Chondroitin- und Dermatansulfat N-Acetyl-Galactosamin vor

Durch jeweils unterschiedliche Epimerisierung von Glucuronat zu Iduronat (7 Kap. 17.1.2; 2.1.4) und unter-schiedliche Sulfatierung kommen Unterschiede zwischen

. Abb. 17.10. Biosynthese von Proteoglycanen. Xyl = Xylose; Gal = Galactose; GlcUA = Glucuronat; GalNAc = N-Acetyl-Galactosamin; GlcNAc = N-Acetyl-Glucosamin. (Einzelheiten 7 Text)

17.3 · Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen

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550 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten

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den einzelnen Saccharidketten zustande. Substrat für die Sul fatierungsreaktionen, die durch gesonderte Enzymak-tivitäten katalysiert werden, ist 3�-Phosphoadenosyl-5�-Phosphosulfat (PAPS, 7 Kap. 28.7.2). Zusammen mit der großen Zahl unterschiedlicher Core-Proteine entsteht da-durch eine nahezu unüberschaubare Vielzahl von Proteo-glycanen.

Die Proteoglycan-synthetisierenden Enzyme sind im endoplasmatischen Retikulum oder Golgi-Apparat lokali-siert.

17.3.6 Biosynthese der Hyaluronsäure

! Hyaluronsäure ist ein proteinfreies Glycosaminoglycan besonderer Größe.

Aufbau und Vorkommen. Hyaluronsäure ist ein Hetero-glycan, in dem Glucuronat und N-Acetylglucosamin al-ternierend vorkommen und eine lineare Struktur bilden (7 Kap. 2.1.4).

Die Zahl der repetitiven Disaccharide kann bei über 30000 liegen, woraus sich eine Molekülmasse von mehr als 107 Da ergibt.

Hyaluronat kommt in tierischen Geweben ubiquitär vor und bildet einen wichtigen Bestandteil der extrazellu-lären Matrix, wird jedoch auch von verschiedenen Bakte-rien als Bestandteil ihrer Zellwand gebildet. Seine Funk-tionen sind vielfältig:4 Es moduliert die Zellwanderung und Differenzierung

während der Embryogenese4 reguliert die Organisation der extrazellulären Matrix

und4 nimmt an der Metastasierung, der Wundheilung und

der Entzündung teil

In verschiedenen Geweben variiert die Halbwertszeit von Hyaluronsäure von weniger als einem Tag in der Epidermis bis zu 1–3 Wochen im Knorpel.

Biosynthese. Hyaluronsäure enthält kein Protein und ihre Biosynthese unterscheidet sich grundsätzlich von der der Proteoglycane. Die repetitiven Disaccharideinheiten wer-den Schritt für Schritt in Form ihrer Nucleosiddiphos-phat aktivierten Monosaccharide an die wachsende Zucker-kette angeheftet. Die hierfür verantwortliche Hyaluronat-Synthase verfügt über zwei Bindungsstellen für die bei-den UDP-Monosaccharide. Beim Menschen kommen drei unterschiedliche Hyaluronat-Synthasen vor, die un-tereinander beträchtliche Ähnlichkeiten aufweisen. Sie sind mit sieben Transmembranhelices in der Plasmamem-bran verankert, das aktive Zentrum ist zum Cytosol ge-richtet.

Über die Funktion von Proteoglycanen 7 auch Kapitel 2 und 24.

17.3.7 Penicillin und die Glycopeptidbio-synthese der bakteriellen Zellwand

Penicillin (. Abb. 17.11) ist das erste Antibiotikum, welches zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten eingesetzt wer-den konnte. Der bakteriostatische Effekt des Penicillins beruht auf einer Hemmung der Biosynthese der bakteriel-len Zellwand.

Diese auch als Murein (7 Kap. 2.1.4) bezeichnete Struk-tur stellt ein netz- oder käfigartiges Makromolekül mit Glycopeptidstruktur dar. Es besteht aus einer linearen Kette eines repetitiven Disaccharids aus N-Acetyl-Glucosamin und N-Acetyl-Muraminsäure. Die N-Acteyl-Muraminsäu-re reste sind covalent mit je einem Tetrapeptid der Struktur Ala – D-Gln – Lys – D-Ala verknüpft. Pentaglycinbrücken zwischen dem Lysylrest in Position 3 des einen Tetrapep-tides und dem Alanylrest in Position 4 des nächstfolgenden sind für die Quervernetzung zwischen den Zuckerketten verantwortlich (. Abb. 17.12a). Wie Jack Strominger zeigen konnte, hemmt Penicillin die letzte Reaktion der Murein-Biosynthese, nämlich die Quervernetzung. Diese Reaktion wird durch das Enzym Glycopeptid-Transpeptidase, das einen für die Reaktion essentiellen Serylrest besitzt, kata-lysiert und läuft in folgenden Teilschritten ab (. Abb. 17.12a):4 An die N-Acetyl-Muraminsäurereste wird zunächst

nicht das spätere Tetrapeptid, sondern ein um ein D-Alanin verlängertes Peptid aus insgesamt 5 Amino-säuren synthetisiert. Es hat die Struktur Ala – D-Gln – Lys – D-Ala – D-Ala (in . Abb. 17.12a hervorgehoben)

4 Das Enzym Glycopeptid-Transpeptidase greift die Peptidbindung zwischen den zwei D-Alaninresten des an die Zuckerkette geknüpften Peptids an. Unter Ab-spaltung des terminalen D-Alanins wird ein Acyl-Enzym-Zwischenprodukt gebildet. (. Abb. 17.12b)

4 Die so entstandene Esterbindung zwischen Alanin und Enzym wird durch die terminale Aminogruppe des Pentaglycins gespalten. Dabei wird das Enzym regene-riert und die für die Quervernetzung verantwortliche Peptidbindung gebildet

Penicillin ist ein außerordentlich wirksamer Inhibitor der Glycopeptid-Transpeptidase. Der für alle Penicillin-Anti-biotika typische, sehr reaktive β-Lactamring ähnelt in seiner Raumstruktur der terminalen D-Ala-D-Ala-Ein-heit. Aus diesem Grund ist das Penicillin ein gutes Sub-strat der Glycopeptid-Transpeptidase. Mit Hilfe ihrer re-aktiven OH-Gruppe spaltet sie den -Lactamring und bildet einen Penicilloyl-Enzym-Komplex, der die Gly-copeptid-Trans peptidase irreversibel inaktiviert und da-mit die Biosynthese der bakteriellen Zellwand verhindert (. Abb. 17.13).

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. Abb. 17.12a,b. Mechanismus der Biosynthese des Mureinmole-küls. a Das Mureinmolekül ist ein Glycopeptid und besteht aus einer linearen Sequenz eines repetitiven Disaccharids. An jeden zweiten Zucker ist ein Tetrapeptid geknüpft. Die Tetrapeptide sind über Penta-glycinketten quervernetzt. Diese Quervernetzung stellt den letzten Schritt der Mureinbiosynthese dar. b Für die Quervernetzung ist die Glycopeptid-Transpeptidase verantwortlich. Das Enzym reagiert zunächst mit den an die Zuckerreste geknüpften Peptiden, die te-minal zunächst mit einen Dialanylrest synthetisiert werden. Die die beiden Alaninreste verknüpfende Peptidbindung wird durch das Enzym unter Bildung eines Acyl-Enzym-Zwischenproduktes ge-spalten, das anschließend durch die Aminogruppe des Pentagly-cinpep tides unter Bildung der Quervernetzung angegriffen wird. G = N-Acetyl-Glucosamin; M = N-Acetyl-Muraminsäure (Einzelheiten 7 Text)

. Abb. 17.13. Struktur des enzymatisch inaktiven Penicilloyl-Enzym-Komplexes. Dieser Komplex kann nicht mehr gespalten werden, sodass das Enzym irreversibel inaktiviert wird

InfoboxPenicillin: »That is funny!«Der englische Mikrobiologe Alexander Fleming(1881–1955) hatte 1922 das Lysozym entdeckt. Danach arbeitete er weiter auf der Suche nach einer Bakterien tötenden Substanz. 1928 erhielt er den Auftrag, einen Handbuchartikel über Staphylokokken zu schreiben. Dazu untersuchte er im Auflichtmikroskop Staphylo-kokkenkolonien, die er in Petrischalen auf Gallertnähr-böden gezüchtet hatte. Die Petrischalen lagen dabei längere Zeit unbedeckt unter dem Mikroskop, öfters wurden durch den Luftzug Schimmelpilze auf die Nähr-böden verfrachtet. Das war bekannt. Er klagte seinem Kollegen Melvin Pryce »Immer fällt etwas aus der Luft herein«, ergriff eine solche Schale und wollte sie her-zeigen. Plötzlich hielt er inne, blickte lange auf die Bak-te rienkolonie und sagte dann die historischen Worte »That is funny!« In dieser Schale war der Nährboden ebenso mit Schimmel bedeckt wie in den anderen, aber hier waren rings um den Schimmelpilz die Staphylokokkenkolo-nien zugrunde gegangen. Fleming versuchte den Pilz zu bestimmen und kam zu dem Schluss, es sei Penicil-lium chrysogenum. Erst zwei Jahre später wurde dieser Schimmelpilz in den USA als Penicillium notatum iden-tifiziert. Er wurde zum Ausgangspunkt für die Penicil-linproduktion. 1945 erhielt Sir Alexander Fleming den Nobelpreis für Medizin, gemeinsam mit dem Biochemi-ker Ernst Boris Chain und dem Pathologen Sir Howard Walter Florey.

. Abb. 17.11. Das Antibiotikum Penicillin. Penicillin besteht aus einem Thiazolidinring, an den ein viergliedriger -Lactamring geknüpft ist. Dieser trägt zusätzlich eine variable Gruppe, z.B. eine Benzylgruppe beim Benzyl-Penicillin

17.3 · Biosynthese von Oligosacchariden und Heteroglycanen

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552 Kapitel 17 · Biosynthese von Kohlenhydraten

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17.3.8 Pathobiochemie: Defekte des Aufbaus von Zuckerstrukturen

Glycoproteine, Proteoglycane und Hyaluronsäure gehören zu den am vielfältigsten modifizierten Makromolekülen vielzelliger Organismen. Sie haben für das Leben essentielle Funktionen. Im Prinzip kann jedes der vielen bei der Bio-synthese der entsprechenden Moleküle beteiligte Enzym von einer Mutation betroffen sein und dann schwere Krankheitsbilder auslösen. Durch die Möglichkeiten der modernen Molekularbiologie ist die gezielte Ausschal-tung einzelner für die Biosynthese verantwortlicher Gene möglich geworden (7 Kap. 7.4.4). Sehr häufig ergeben sich dabei Missbildungen, die bereits in der Embryonalzeit tödlich sind.

. Tabelle 17.1 fasst einige beim Menschen vorkommen-de Erkrankungen zusammen, die auf Enzymdefekten der Heterosaccharidsynthese beruhen. Im Allgemeinen han-delt es sich um zwar seltene, aber äußerst schwer verlau-fende Krankheitsbilder, die mit schweren Entwicklungs-störungen der Betroffenen einhergehen und meist tödlich verlaufen.

. Tabelle 17.1. Kongenitale Defekte der Heterosaccharidsyn-these (Auswahl)

Name Betroffener Stoffwechselweg

Kapitel

Kongenitale Glycosylie-rungsdefekte (CGD´s)

Biosynthese der Mannose

17.2.1

Biosynthese von Dolichol phosphat -ge-bundenen Oligosacchariden

17.3.2

Fehlerhaftes Trimmen der N-glycosidisch verknüpften Oligosaccharide

17.3.2

Störung der Mannose-6-phosphat Bildung (I-Zellkrankheit)

6.2.7

Defekte der Glycosaminoglycan-Sul-fatierung (Chondrodystrophien)

Sulfattransport 28.7.2

Sulfataktivierung 28.7.2

Sulfatierung der Glycosaminoglycan-Ket-ten

17.3.5

Mucopolysaccha ridosen Defekte des Abbaus von Glycosaminoglycanen

6.2.5

In Kürze

Heteroglycane kommen vor in4 den Kohlenhydratketten der Glycoproteine4 den repetitiven Disaccharidsequenzen von Proteogly-

canen4 der Hyaluronsäure

Der Biosyntheseweg der Heteroglycane verläuft jeweils unterschiedlich:4 Für die Biosynthese von N-glycosidisch verknüpften

Oligosaccharidketten in Glycoproteinen werden Grundstrukturen der Saccharideinheiten an Dolichol-phosphat synthetisiert und dann in einem Stück auf die Peptidkette übertragen. O-glycosidisch ver-knüpfte Zuckerketten werden dagegen Schritt für

Schritt unter Verwendung der Nucleosiddiphosphat-aktivierten Zucker durch spezifische Enzyme auf das jeweilige Protein übertragen

4 Proteoglycane werden an sog. Core-Proteinen syn-thetisiert. Dieses erhält zunächst eine Tetrasaccha-rideinheit, an die dann die repetitiven Disaccharidein-heiten angefügt werden. Diese werden durch Epime-risierung und Sulfatierung noch modifiziert

4 Hyaluronsäure enthält kein Core-Protein und wird durch die Hyaluronat-Synthase direkt unter Verwen-dung der aktivierten Monosaccharide synthe tisiert

4 Für die genannten Biosynthesen ist die Aktivierung des jeweiligen Monosaccharides zu einem NDP-Mono-saccharid notwendig

Literatur

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Links im Netz7 www.lehrbuch-medizin.de/biochemie