Der Blähbauch Was steckt dahinter, alles nur Luft? · Malabsorption von Kohlenhydraten Blähung...
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Prof. Dr. M. KarausEvangelisches Krankenhaus Göttingen-Weende gGmbH
Der BlähbauchWas steckt dahinter, alles nur Luft?
Weender Visite21.8.2018
Blähbauch ist nicht gleich Blähbauch:es gibt 3 Formen
• Gefühl des Aufgeblähtseins ohne Veränderung des Bauchumfangs
• Aufgetriebener Leib mit sichtbarer Umfangsvermehrung mit/ohne Blähgefühl
• Vermehrter Luftabgang = Flatulenz(wenn Luft zurückgehalten wird, dann wieder Auftreibung)
Wie kommt die Luft in den Darm ?• Gering: Schlucken von Luft
• Etwas mehr: Kohlensäurehaltige Getränke
• Überwiegend: Gasbildung durch bakteriellen Abbau von nicht resorbierbaren Nahrungsmitteln (vornehmlich Ballaststoffe)
• 70% der Luft befindet sich im Dickdarm, nur 23% wird ausgestoßen, der Rest wird resorbiert oder abgebaut
Normale Reaktion auf Luft
• Jeder Mensch empfindet Blähungen durch vermehrte Gasbildung nach großen sehr ballaststoffreichen Mahlzeiten
• Dauer: bis zu einige Stunden• Verschwindet von alleine mit/ohne vermehrtem Windabgang• Normal: man wartet das ab
• Krankhaft: unrealistische Erwartung• das darf nicht passieren • ich muss Gegenmaßnahmen/Medikamente einsetzen
• Oft werden aus Gesundheitsbewusstsein besonders viel Rohkost, Müsli etc. gegessen und die Blähungen dann als krankhaft eingeschätzt
Häufige Auslöser: Ballaststoffe, Laktose, Fruktose, Süßstoffe
Gibt es ernsthafte Erkrankungen, die sich durch Blähbeschwerden zeigen können?
• Akute Magen- und Darminfekte• Zöliakie (Glutenunverträglichkeit)• Durchblutungsstörungen des Darms• Bauchwasser• Tumore und andere Obstruktionen des Darmes
Fazit: immer ein Abklärung suchen, wenn die Beschwerden plötzlich auftreten und anders sind als bekannte Blähungen,wenn sie dauerhaft sind, wenn sie mit Gewichtsverlust einhergehen, wenn andere Alarmsymptome auftreten
Funktionelle Blähbeschwerden
1. Als Reizmagen mit Blähungen (seltener)
Blähgefühl im oberen bzw. mittleren Bauch, oft als „langsame Verdauung“, als schnelle Sattheit oder auch zusammen mit Übelkeit/Brechgefühl beschrieben.
2. Als Reizdarm vom Blähtyp (überwiegend)
hier klassische diffuse Blähbeschwerden („Kleidung zu eng“)oft verbunden mit Stuhlgangsunregelmäßigkeiten (kein Muss)Erleichterung nach dem Stuhlgang
1. Es bestehen chronische, d.h. länger als 3 Monate anhaltende Beschwerden (z.B. Bauchschmerzen, Blähungen), die von Patient und Arzt auf den Darm bezogen werden und in der Regel mit Stuhlgangs-Unregelmäßigkeiten einhergehen
2. Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und/oder sich sorgt und so stark sein, dass die Lebensqualität hierdurch relevant beeinträchtigt wird
3. Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristische Veränderungen vorliegen, welche wahrscheinlich für diese Symptome verantwortlich sind.
Definition Reizdarm
RDS/Blähungen Häufigkeit - Ausprägung
10%
20%
4-15%in Normal-bevölkerung
Chronisch persistierendeBeschwerden, Spezialist
Chronisch rezidivierendeSymptome, Hausarzt
Mäßige, jedoch wiederholt auftretende Beschwerden, die keiner Behandlungzugeführt werden
Krankheit
Befindlich-keitsstörung
nach Drossman & Thompson, 1992, Hungin et al, 2003, Frieling et al, 2011
in Deutschland: 16,6%, Althaus ZfG 2017
96% der RDS-Patienten haben Blähungen bzw. eine Bauchauftreibung
Luminale Faktoren(z.B. Nahrung, Gase)
Intestinale Hyper-
sensibilität
Motilitäts-störungen
Enterisches Nervensystem
Verar-beitung im ZNS
Psyche
BlähungenSchmerz
Blähungen,Stuhlgangs-störungen
REIZDARM-SYNDROM
Reizdarm: Multifaktorielles, heterogenes Syndrom
Eine Abnormalität nie bei allen Patienten, aber meist auch mehrereStörungen bei einem Patienten gleichzeitig
Ziel: Biomarker für Subgruppen mit gezielter TherapieoptionModfiziert nach Chey, JAMA 2015
Faktor Mensch:MotilitätsstörungenViszerale SensibilitätDarm-Hirn-AchseDarmdurchlässigkeitDarmimmunaktivierung
Luminale Faktoren:MikrobiomGallensäurenNeuroendokrine Med.
Umweltfaktoren:StressNahrungMedikamenteAntibiotikaDarminfekte
Psyche ???
Krankheits-verhalten
• Arztbesuche• Medikation• Lebensfunktion
Symptom-Perzeption
Physiologische Störungen
Psychosoziale Faktoren
NahrungDarmfloraInfektion
Genetische Faktoren
Kindheits-Einflüsse
Blähungen/RDS
Psychosoziales Modell
Entzündung
Stress
HypersensitivitätMotilitätsstörungenZNS Dysfunktion
Psychische Komorbiditäten
Problem: Blähbauch
1. Subjektives Gefühldes Aufgeblähtseins
2. objektive abdominelleDistension
3. vermehrtes Gasvolumenim Darm
4. Muskelaktivität der Bauch-wand
Pathophysiologische Faktoren
Aspiroz and Malagelada Gastroenterology 2005
Blähungen: Mechanismen
• Blähbeschwerden mit vermehrtem Gas im Darm
• Hemmung der Darmmotorik führt zur Bauchauftreibung ohne Schmerzen
• Stimulation der Darmmotorikführt zur Distension und Schmerz
• Symptom Blähungen immer ein Ungleichgewicht zwischen Darmtonus und Gasinhalt
Blähbauch mit mehr Gas
Caldarella et al, GE 2002
CT-Bild
Subjektives Blähgefühl mit/ohne Bauchauftreibung
• Viszerale Hypersensitivität: kleine Gasmengen werden bereits gespürt = Blähgefühl
• Dadurch werden Reflexe ausgelöst (ZNS-gesteuert, daher Einfluss von Stress)
• Dadurch Empfindlichkeit weiter erhöht (Problem: darauf fokussierte Aufmerksamkeit)
• Angst und Depression fördern dieses Verhalten
• Sog. viszero-somatische Reflexe verändern Bauchwand-/ Zwerchfellkontraktionen,dann auch aufgetriebener Leib
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0 100 200 300 400 500 600Barostat Ballonvolumen (ml)
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RDS RDS
Gesunde
Gesunde
Bradette et al., 1994
DICKDARM-SENSITIVITÄTRDS versus gesunde Menschen
Schwelle erste Beschwerden Schmerzschwelle
• Normal: Gasgehalt im Darm steigt an,Bauchmuskels werden angespanntZwerchfell entspannt, mehr Platz, keine Auftreibung
• Krankhaft:Gasgehalt steigt an,Zwerchfell kontrahiert sich,die unteren Bauchmuskeln relaxieren, es kommt zur Bauchauftreibung
Muskelfehlsteuerung
Ernährung und BlähungenAuslöser
• Ballaststoffe/Stärke• Kohlenhydrate (Laktose/Fruktose)• Süßstoffe/Sorbit• FODMAPS
Nicht resorbierbare Kohlenhydrate• Ballaststoffe• resistente Stärke• Laktose (bei Malabsorbern)• Fruktose (bei Malabsorbern)• Sorbit (Süßstoff!)• Laktulose
Kolonflora produziert kurzkettige Karbonsäuren
osmotisch aktiv
GasMotilität
Malabsorption von Kohlenhydraten
BlähungSchmerz
FlatulenzDurchfall
Reizdarm und Laktose-Intoleranz
Laktose-Malabsorption
Reizdarm-Syndrom
Blähungen, Schmerzen, Diarrhö
GesteigerteLaktose-Empfindlichkeit
Sorbit/Fruktose-Intoleranz
• 10 g Sorbit führt bereits beim Gesunden zu Symptomen der Malabsorption(1 Packung Vivil ohne Zucker = 50g Sorbit)
• Sorbit wird als Zuckerersatzstoff genutzt, ist aber auch enthalten in Pfirsichen, Apfelsaft, Pflaumen und Birnen
• Fruktose produziert Beschwerden bei ca. der Hälfte von Reizdarm-Patienten (ohne MAS)
• enthalten in vielen Obstsorten
Rumessen et al, Gastroenterology 1988,Nelis et al, Gastroenterology 1990
Wie unterscheide ich eine Nahrungsmittelallergie von einem RDS ?
• Pro Allergie• Begleitende Haut-/Schleimhautsymptome• Atopische Anamnese• Positiver Pricktest (bei typ. Anamnese)• Wiederholte Symptomauslösung durch das
gleiche Nahrungsmittel• Pro RDS/funktionelle Blähungen
• variable Verträglichkeit von Nahrungsmitteln• V.a. zahlreiche „Allergien“
Diagnostisches Vorgehen bei V.a. Nahrungsmittelallergie
Standardisierung von oralen Provokationstests beiVerdacht auf Nahrungsmittelallergie
„Wegen des hohen Placeboeffekts von Diätritualen und der eindrücklichenTechnologie mit farbigen Ausdrücken der Befunde wird man jedoch immer wieder Patienten antreffen, die von diesen Methoden überzeugt sind.“
Schweizerische Ärztezeitung / Bulletin des médecins suisses / Bollettino dei medici svizzeri •2005;86: Nr 26
Blähbauch: Welche Diagnostik ist nicht sinnvoll ?
• IgG-Antikörperdiagnostik auf Nahrungsmittelallergien
• DAO- und Histaminbestimmung in Plasma/Serum
• Stuhldiagnostik auf Pilze• Untersuchungen der Darmflora im Stuhl !!!• Messung der viszeralen Hypersensibilität
oder anderer Biomarker• Endokapsel (Dünndarm)
Blähbauch: Basistherapie
Ausführliche Information und positive Diagnosestellung
Glaube an die Echtheit der Beschwerden vermitteln
Information über normale Lebenserwartung undErläuterung des Krankheitsmodells
Maßvolle körperliche Aktivierung
‚Individuelle Trigger‘
Stärkung von Ressourcen (Hobbies, soziale Kontakte)
Formulierung realistischer Therapieziele
Es gibt keine Standardtherapie
Intensive und empathische Arzt-Patienten-Beziehung
• Layer et al, Z Gastroenterol 2011 (S3-Leitlinie) Häuser et al, Dtsch Arztebl 2012
Praktische Ernährungsempfehlungen bei RDS / Blähungen
• Natürliche Ballaststoffe reduzieren• Weniger CO2-haltige Getränke• Weniger Obst und Gemüse • Stark fetthaltige Speisen reduzieren• Evtl „Low-Fodmaps-Diet“
nach P. Whorwell 2012
Bei FODMAPs handelt sich somit um eine Gruppe von Kohlenhydraten und mehrwertigen Alkoholen, welche in vielen Nahrungsmitteln vorkommen
Ballaststoffe bei RDS/Blähungen
• Kleie nicht wirksamer als Plazebo, wird schlecht vertragen
• Quellstoffe (Psyllium, Flohsamenpräparate) moderat wirksam (NNT=6)
• Expertenmeinung:natürliche Ballaststoffe verursachen Blähungen, Bauchauftreibungen und Flatulenz, Flohsamen sind besser
Francis & Whorwell: Lancet 1994; 344: 39
ACG 2009
LOW-FODMAP-Diät:
Getreide
erlaubt
LOW-FODMAP-Diät:
Obst
Gut:
LOW-FODMAP-Diät:
Gemüse
erlaubt
LOW-FODMAP-Diät: Einfache Vorgehensweise
Halmos et al, Gastroenterology 2014
Low FODMAP:
Es wirkt
Yoga versus low-FODMAP Diät bei RDS Patienten
Schumann et al, Aliment Pharmacol Ther 2018
RDS-Therapie:Psychotherapeutische Verfahren
• Kognitive Verhaltenstherapie, Stressmanagement• Interpersonelle/psychodynamische Therapie• Darmbezogene Hypnotherapie („gut directed
hypnosis“)• Entspannungsverfahren (autogenes Training)• Biofeedback
Layer et al, Z Gastroenterol 2011 (S3-Leitlinie)Häuser et al, Dtsch Arztebl 2012
Zijdenbos et al, Cochrane Database Syst Rev 2009
Biofeedback bei Blähbauch durch Muskelfehlsteuerung
Problem Technik
Pratikabel: Krankengynmnastik/Atemtherapie, gezieltes Verhaltenstraining
Ford et al, Am J Gastroenterol 2014
Probiotika bei RDS: Meta-
Analyse
Probiotika wirken,aber nur bei wenigen,
mindestens 6-8 Wochen einnehmen
Laktobazillen/BifidobakterienBifidobacterium bifidum MIMBb75Bifidobacterium animalis subsp. lactis BB-12Bifidobacterium animalis subsp. lactis DN-173 = Danone Lactobacillus johnsonii La1 (= Lactobacillus LC1) NestleLactobacillus casei immunitas/defensis (= Actimel®)Lactobacillus casei Shirota (Yakult®)
Escheria coli (E.coli.Nissle =Mutaflor®)
Probiotika bei Blähungen
• Rifaximin 3x550 mg* für 14 Tage führt zu einer signifikanten Verbesserung von RDS-Symptomen.– Globale Symptomkontrolle, Blähbauch, Schmerz und
Stuhlkonsistenz
• Der Effekt hält für mindestens 3 Monate an.• Das Sicherheitsprofil von Rifaximin und Placebo
unterscheidet sich nicht.
Rifaximin zur Therapie des RDS= darmselektives Antibiotikum
*in Deutschland Tabletten á 200 mg zur Therapie der Reisediarrhoe im Handel
Blähbauch / RDS:alles ausprobieren!
Probiotika
BallaststoffarmeKost, low-Fodmap
Prokinetika:Prucaloprid ?
Sportliche Aktivität
AntidepressivaPsychotherapie
Phytopharmaka:Iberogast
Simethicon(hochdosiert)
Krankengymnastik/Atemtherapie
Villoria et al, 2006
Caldaralla et al, 2002
Kim et al, 2005
Spasmolytica
Hypnose
Rifaximin
= Lefaxsab simplex
=Buscopan, Duspatal
= Xifamin
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit
Probiotika bei RDS:was gibt man?
Bifidobacterium bifidum MIMb75
Randomised clinical trial: Bifidobacterium bifidum MIMBb75 significantly alleviates irritable bowel syndrome and improves quality of life--a double-blind, placebo-controlled study.Guglielmetti S1, Mora D, Gschwender M, Popp K.
Gasvolumen bei funktionellen Darmerkrankungen
Caldarella et al,GE 2002