17. Münchner Intensivpflegetag – 22. März 2013 Bernhard Müller · respiratorischen...

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17. Münchner Intensivpflegetag – 22. März 2013 Bernhard Müller

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17. Münchner Intensivpflegetag – 22. März 2013Bernhard Müller

„Je weniger man weiß, umso mehr muß man glauben.

Je mehr man weiß, umso eher darfman glauben.“

17. Münchner Intensivpflegetag – 22. März 2013 – Bernhard Müller

Wie ist eigentlich mein eigener Wissenstand?

• Krankenpflegeausbildung 1998/2001• Fachweiterbildung Anästhesie- und

Intensivpflege 2006/08• Fortbildungen, Kongresse• Weiterbildung zum Praxisanleiter• Fachzeitschriften, Onlineartikel• …

Reicht das aus?Wann ist dieses Wissen veraltet?

War dieses Wissen überhaupt evident?

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Wie gehe ich mit wissenschaftlichen Informationen um?

1. Reicht es, daß Fazit, die Kurzfassung oder die Abstracts zu lesen?

2. Verstehe ich die Ergebnisse richtig?

3. Darf ich diese in die Praxis umsetzen und als Praxisanleiter weitergeben?

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Beispiele aus der Praxis

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Orale Antiseptika bei der Mundpflege intubierter Patienten

1. Revision der S-2k Leitlinien der Deutschen Sepsis-Gesellschaft, 2010

„soll“

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So weit, so gut …

Die Umsetzung dieser Maßnahme erscheint sinnvoll und lässt sich auch ins Team transportieren.

• kaum „ja, aber…“, da kein wesentlicher Mehraufwand• kausaler Zusammenhang (Mikroaspiration) gut vermittelbar

und vorstellbar• Maßnahmen:

• Kurzfortbildungen• Schulungsmaßnahmen (z.B. „Beatmungsworkshop“ –

Modul Grundlagen der Beatmung)• Anleitung am Bett (Einarbeitung, Feedbacktage,

Praxisanleitungen)• Unterricht in der Fachweiterbildung

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Lagerung von intubierten PatientenLagerung von Beatmungspatienten zur Prophylaxe der Ventilator-assoziierten Pneumonie (S2-Leitlinie der Deutschen Sepsis Gesellschaft, Februar 2010)

„sollte“

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fragliches Fazit:45° ist gut, aber nicht ausreichend durchführbar (selbs t unter

Studienbedingungen)30° bewirkt genauso wenig wie 0 °-10°, auch nicht zusätzlich mit

subglottischer Absaugung ???17. Münchner Intensivpflegetag – 22. März 2013 – Bernhard Müller

Änderungen im IntensivpflegestandardBeginn, die entsprechenden Standards der Intensivstationen bzgl. der Prävention der VAP zu überarbeiten:

• Literatursuche

• Empfehlungen RKI/CDC ?

• Studien ?

• Fachartikel ?

• Diskussion …

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Realitäten?Jahr Beatmungstage Anzahl

PneumonieInfektionsrate

2008 2.883 2 0,692009 3.675 7 1,902010 4.711 5 1,062011 4.780 11 2,32012 3.936 4 1,02

Intensiv 133Schwerpunkt Neurochirurgie/Traumatologie

Jahr Beatmungstage AnzahlPneumonie

Infektionsrate

2008 1.611 0 02009 3.623 1 0,282010 4.333 1 0,232011 4.454 4 0,902012 3.985 3 0,75

Intensiv 123Schwerpunkt Rückenmarksverletzte/Brandverletzte

ITS-KISS 2007-2011 INV-assoz. Pneumonie median: 3,5 317. Münchner Intensivpflegetag – 22. März 2013 – Bernhard Müller

Auf der Suche nach der Wahrheit …

fotocommunity.de

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Leitlinien -Entwicklungm

ethodische Qualität

S1 von einer Expertengruppe im informellen Konsens erarbeitet

S2 eine formale Konsensfindung (S2k) oder eine systematische „Evidenz“-Recherche (S2e) hat stattgefunden

S3

Leitlinie mit zusätzlichen/allen Elementen einer systematischen Entwicklung (Logik-, Entscheidungs- und „Outcome“-Analyse, Bewertung der klinischen Relevanz wissenschaftlicher Studien

und regelmäßige Überprüfung)

Beispiele:• S3-Leitlinie Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten

respiratorischen Insuffizienz, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP)

• S2k-Leitlinie Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Se psis , Deutsche Sepsis Gesellschaft (DSG)

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Empfehlungsgrade

Grad A„Soll“-

Empfehlung

zumindest eine randomisierte kontrollierte Studie von insgesamt guter Qualität und Konsistenz, die sich direkt auf die jeweilige Empfehlung bezieht(Evidenzklasse Ia und Ib)

Grad B„Sollte“-

Empfehlung

gut durchgeführte klinische Studien, aber keine randomisierten klinischen Studien, mit direktem Bezug zur Empfehlung (Evidenzklasse II oder III)

Grad C„Kann“-

Empfehlung

Berichte von Expertenkreisen oder Expertenmeinung und/oder klinische Erfahrung anerkannter Autoritäten (Evidenzkategorie IV);diese Einstufung zeigt an, dass direkt anwendbare klinische Studien von guter Qualität nicht vorhanden oder nicht verfügbar waren

Good Clinical Practice

Behandlungsverfahren ist im allgemeinen üblich und es gibt innerhalb einer Konsensusgruppe eine Übereinkunft über das Verfahren

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EvidenzklassenStufe Evidenz-Typ

Ia wenigstens eine systematischer Übersichtsarbeit auf der Basis methodisch hochwertiger kontrollierter, randomisierter Studien (RCTs)

Ib wenigstens ein ausreichend großer, methodisch hochwertiger RCT

Ic

Alles-oder-nichts PrinzipLogisches Prinzip, das bei Vorliegen maximaler Effekte höherwertige Studien überflüssig macht. Sofern unter einer neuen Therapie ein Patient überlebt, obwohl die Erkrankung sonst immer tödlich verläuft, gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip als erfüllt.

IIa wenigstens eine hochwertige Studie ohne Randomisierung

IIbwenigstens eine hochwertige Studie eines anderen Typs quasi-experimenteller Studien

III mehr als eine methodisch hochwertige nichtexperimentelle Studie

IVMeinungen und Überzeugungen von angesehenen Autoritäten (aus klinischer Erfahrung); Expertenkommissionen; beschreibende Studien

Deutsches Cochrane Zentrum, Freiburg / Glossar Deut sches Netzwerk EbM

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Pfleg ´ ich noch, oder studier ´ ich schon?

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Evidence based nursing?

Evidence based nursing (EBN) (wörtlich "auf Tatsachenbasierende Pflege") ist die Integration von

1. Wissenschaft = Forschungsergebnissen2. klinischer Erfahrung der Pflegenden3. theoretischem Wissen4. Patientenvorstellungen und Ressourcen

in die tägliche Pflegepraxis.

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Wir wissen etwas, tun aber nichts?!

Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis:

Wie sehen es Pflegende in unterschiedlichen Ländern?

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nach M. Müller, 2012

Forschungsergebnisse aus AustralienBarrieren für die Umsetzung von

Forschungsergebnissen in die Praxis

Hutchinson AM, Johnston L. Bridging the divide: a survey of nurses' opinions regarding barriers to, and facilitators of, research utilization in the practice setting. J Clin Nurs. 2004 Mar;13(3):304-15.

• Fehlende Zeit • Fehlendes Wissen über verfügbare

Literatur• Fehlender Einfluss, Praxis zu ändern• Geringe Kenntnisse, Literatur zu

erschließen• Fehlende Unterstützung

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nach M. Müller, 2012

Forschungsergebnisse aus ÖsterreichBarrieren für die Umsetzung von

Forschungsergebnissen in die Praxis

• fehlende Zeit• fehlende Information und Wissen,

z.B. • Interpretation von Statistik

• Sprachkenntnisse

• Kenntnisse bzgl. Literatursuche

• fehlendes Interesse

Breimaier HE et al. Nurses' wishes, knowledge, attitudes and perceived barriers on implementing research findings into practice among graduate nurses in Austria. J Clin Nurs. 2011 Jun;20(11-12):1744-56.

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nach M. Müller, 2012

Forschungsergebnisse aus AustralienFörderfaktoren für die Umsetzung von

Forschungsergebnissen in die Praxis

• Verfügbarkeit von Zeit für Recherche

und Implementierung von

Forschungsergebnissen

• ausreichend vorhandene

Forschungsergebnisse

• Unterstützung durch Kollegen

Hutchinson AM, Johnston L. Bridging the divide: a survey of nurses' opinions regarding barriers to, and facilitators of, research utilization in the practice setting. J Clin Nurs. 2004 Mar;13(3):304-15.

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nach M. Müller, 2012

Forschungsergebnisse aus ÖsterreichFörderfaktoren für die Umsetzung von

Forschungsergebnissen in die Praxis

• Adäquate Information (Weiterbildung, einfach zu lesende Literatur)

• Ausreichend Zeit• Zugang zu Informationen

Breimaier HE et al. Nurses' wishes, knowledge, attitudes and perceived barriers on implementing research findings into practice among graduate nurses in Austria. J Clin Nurs. 2011 Jun;20(11-12):1744-56.

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nach M. Müller, 2012

Überwindung von BarrierenBarr iere Lösungsvorschlag

Strategisch Integration von EBN in Arbeitsplatz-beschreibung, Aufstiegsangebote für Personen mit EBN-Know-How

Kulturell Fördern und binden von EBN-Experten, EBN als Inhalt von Fort- und Weiterbildung

Technisch Training

Strukturell Zugangsmöglichkeiten zu Information, Workshops, Kontakt zu Pflegewissenschaftlern

Adaptiert nach Meyer G & Köpke S. Wie kann der beste pflegewissenschaftliche Kenntnisstand in die Pflegepraxis gelangen? Pflege & Gesellschaft 2011, 17(1):36-44.

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nach M. Müller, 2012

Was erwarte ich vom meiner Klinik?

Belegbares Wissen muss Eingang in die tägliche Pflege finden:

• vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse müssen nachweisbar in Pflegestandards abgebildet werden

• ein wissenschaftlicher Mitarbeiter (BScN/MScN) muss zur Verfügung stehen, um:

• bestehende Pflegemethoden kritisch zu hinterfragen

• aktuelle Entwicklungen zu bewerten und in die Praxis einfließen zu lassen

• als Partner (der Praxisanleiter) am Bett zur Verfügung zu stehen

• Fortbildungsangebote zu entwerfen und zu evaluieren17. Münchner Intensivpflegetag – 22. März 2013 – Bernhard Müller

Was erwarte ich vonder Pflegewissenschaft?

Die Pflegeforschung soll den Bedarf der Pflegenden am Bett für Erkenntnisse und neue Fragen decken.

• unsere Pflegemaßnahmen müssen durch Nachweise rechtssicherer werden (Leitlinien/Empfehlungen)

• die akademisierte Pflege soll zum Patienten hin gebildet werden, nicht vom Bett weg

• Ansprechpartner an den Fachhochschulen und Universitäten• Forschung an praxisrelevanten Themen durch bessere

Vernetzung von Forschenden und Praktizierenden• praxisnahe Forschung vor gesundheitspolitisch motivierten

Themen

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Und was erwarte ichmir in Zukunft?

Dass die Pflege durch wissenschaftlich fundiertes Arbeiten nachvollziehbarer, sicherer und autonomer ihrer Tätigkeit am

Patienten nachkommt:

• das pflegerische Fachgesellschaften Empfehlungen zur Intensivpflege erarbeiten

• daß eine zukünftige Pflegekammer die Legitimation dazu hat, eigenständig die Fachpflege am Patienten zu bestimmen

• das wir unsere hochqualifizierte und verantwortungsvolle Arbeit nicht durch andere Berufsgruppen verordnen oder bestimmen lassen müssen

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Aussichten

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Keine Angst vor der Wissenschaft, vielleicht aber vor Studien!

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Kontakt:

Bernhard MüllerPraxisanleiter Funktionsbereich AkutpflegeFachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege

BG-Unfallklinik MurnauProf.-Küntscher-Str. 882418 Murnau am Staffelsee

[email protected]

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