18jugoslawischen Teil des Banats nach 1944 ermordet und die Überlebenden vertrie-ben wurden....

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Geschichte Franz Steiner Verlag Mariana Hausleitner Die Donauschwaben 1868 –1948 Ihre Rolle im rumänischen und serbischen Banat Schriftenreihe des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde

Transcript of 18jugoslawischen Teil des Banats nach 1944 ermordet und die Überlebenden vertrie-ben wurden....

  • ISBN 978-3-515-10686-3

    Im Zentrum der Studie stehen die Nachfah-ren deutscher Siedler des 18. Jahrhunderts in Südosteuropa – die Donauschwaben. Im Rahmen der Habsburgermonarchie prägte zunächst der ungarische Staat ihr Leben. Nach dem Ersten Weltkrieg durchlief ihre Geschichte unterschiedliche Entwicklun-gen: In dem Rumänien zugesprochenen Ostbanat wurde das deutsche Schulwesen ausgebaut. Dagegen konnten die Schwa-ben im kleineren Westbanat, das dem Kö-nigreich der Serben, Kroaten und Slowe-nen zugeschlagen worden war, ihre Institu-tionen nur mit Mühe aufrechterhalten. Seit den 30er Jahren vom Deutschen Reich zu-

    nehmend unterstützt, bestimmte schließ-lich die Volksdeutsche Mittelstelle von Berlin aus auch die Führungsebene der Do-nauschwaben. Der NS-Einfluss verschlech-terte die Beziehungen der Donauschwaben zu ihren nichtdeutschen Nachbarn. Sie dienten in der SS-Division „Prinz Eugen“, die auch Titos Partisanenbewegung be-kämpfte. Daher waren nach dessen Sieg 1944/45 die jugoslawischen Schwaben brutalen Vergeltungsmaßnahmen ausge-setzt. In Rumänien hingegen kam es zwar zu Deportationen, doch begann zügig die Integration aller Deutschen in das kommu-nistische System.

    Geschichte

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    Mariana Hausleitner

    Die Donauschwaben 1868 –1948Ihre Rolle im rumänischen und serbischen Banat

    Schriftenreihe des Instituts

    für donauschwäbische

    Geschichte und Landeskunde

  • Die Donauschwaben 1868–1948

  • Schriftenreihe des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde

    Band 18 Quellen und Forschungen – Bd. 2

  • Mariana Hausleitner

    Die Donauschwaben 1868–1948

    Ihre Rolle im rumänischen und serbischen Banat

    Franz Steiner Verlag

  • Bibliografische Information der Deutschen National-bibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

    Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.© Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2014Druck: Laupp & Göbel, NehrenGedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany.ISBN 978-3-515-10686-3 (Print)ISBN 978-3-515-10763-1 (E-Book)

    Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

  • VORWORT

    Die Vielfalt der Beziehungsgeflechte in multiethnischen Regionen hat mich so fas-ziniert, dass ich ihnen bereits meine Habilitationsschrift zur Rumänisierung der Bu-kowina widmete. Nachdem ich eine Monographie über die Deutschen und Juden in Bessarabien beendet hatte, begann ich über die ethnischen und politischen Struktu-ren im rumänischen und serbischen Banat zu forschen. Meine damalige Tätigkeit am Münchner Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas ermög-lichte mir die Organisation von vier Tagungen mit Historikern aus Deutschland, Großbritannien, Österreich, Rumänien, Serbien, Russland und Ungarn, die zur neu-eren Geschichte der Minderheiten arbeiteten. Von ihnen bekam ich wichtige Anre-gungen, die auch mein Bild des Banats erweiterten, das ich aus Erzählungen meiner Mutter hatte. Sie war in Temeswar mit der katholischen Jugendbewegung aufge-wachsen und hatte mir oft vom Wirken der Ordensschwester Hildegardis Wulff er-zählt.

    In den staatlichen Archiven in Bukarest und Temeswar fand ich viele noch nicht publizierte Quellen über die Tätigkeit der Nationalsozialisten im Banat und auch über Ansätze von Resistenz. Im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin suchte ich Belege dafür, bis wann die konservativen Führer der deutschen Minderheit im serbischen und rumänischen Banat unterstützt wurden. Zur Aneig-nung jüdischen Eigentums durch die Schwaben im besetzten Serbien sammelte ich umfangreiches Material. Über die Form, wie unmittelbar nach 1945 über die Mas-senmorde an den Donauschwaben in Jugoslawien in den deutschen Westzonen und Österreich informiert wurde, fand ich im Archiv des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen wichtige Quellen. Sie erschlossen mir die Gründe, warum die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen in Jugosla-wien erst vier Jahrzehnte später in Angriff genommen wurde. Allen Archivaren, die mich unterstützt haben, sei an dieser Stelle gedankt.

    Frau Professor Marie-Janine Calic von der Ludwig-Maximilians-Universität München stellte den Antrag beim Bundesbeauftragten für Medien und Kultur, da-mit ich diese Studie verfassen konnte. Besonders meine Freunde Hannelore Baier, Hildrun Glass, Brigitte Mihok, Smaranda Vultur und Richard Wagner haben sich meine Berichte über diese fernen Zeiten angehört und mir mit ihren Kommentaren weitergeholfen. Stephan Drube, Angelika Königseder und Olivia Spiridon danke ich für Verbesserungsvorschläge des Typoskripts.

    Den Kollegen vom Institut für donauschwäbische Geschichte und Landes-kunde, vor allem Mathias Beer, bin ich besonders dankbar, dass sie das Buch in die Schriftenreihe des Instituts aufgenommen haben. Ich hoffe, dass es dadurch jene Kreise erreicht, denen die Geschichte des Banats ein zentrales Anliegen ist.

  • INHALT

    1. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich ........... 9

    2. Die Donauschwaben und ihre Nachbarn vor 1918 ................................... 212.1 Die Entstehung der multiethnischen Gesellschaft im Banat ..................... 212.1.1 Grenzsicherung im österreichischen Banat durch Kolonisation ............... 212.1.2 Modernisierung und Magyarisierung ........................................................ 25

    2.2 Interethnische Beziehungen im Banat vor 1908 ....................................... 342.2.1 Beziehungen der Donauschwaben zu Serben ........................................... 352.2.2 Der Beitrag Banater Juden zur Modernisierung und deutschen Öffentlichkeit .................................................................... 372.2.3 Beziehungen der Donauschwaben zu Rumänen ....................................... 40

    2.3 Schwaben in politischen Organisationen des Banats 1908–1918 ............. 442.3.1 Deutsche in den Arbeiterverbänden und -parteien bis 1914 ..................... 442.3.2 Schwäbische nationale Organisationen und ihre Bündnispartner ............. 502.3.3 Soziale Mobilisierung infolge des Krieges ............................................... 60

    3. Banater Sozialisten und die Minderheitenprobleme 1918–1934 .............. 643.1 Optionen vor der Dreiteilung des Banats 1918/1919 ................................ 643.2 Die Lage im Banat während der Pariser Friedenskonferenz 1919 ............ 723.3 Linker Widerstand gegen die Staatspolitik 1920–1934 ............................ 80

    4. Nationalorientierte Donauschwaben und ihre Nachbarn 1918–1937 ....... 924.1. Der kulturelle Aufschwung der Schwaben im rumänischen Banat bis 1933 ........................................................................................... 924.2 Nationalsozialistische Angriffe auf deutsche Katholiken in Rumänien bis 1937 .............................................................................. 1094.3 Juden und Antisemiten im rumänischen Banat 1918–1937 .................... 1314.4 Aufbau deutscher Organisationen im serbischen Westbanat bis 1928 ................................................................................................... 1474.5 Konservative und Nationalsozialisten im serbischen Banat 1929–1937 .................................................................................... 1594.6 Juden, Antisemitismus und Bolschewismus im Westbanat bis 1940 ...... 173

    5. Nationalsozialismus im rumänischen und serbischen Banat 1938–1944 .................................................................................... 1785.1 Gleichschaltung und Resistenz im rumänischen Banat 1938–1940 ....... 1785.2 Der Kriegseinsatz der Schwaben im rumänischen Banat 1940–1944 .... 200

  • 8 Inhalt

    5.3 Die Verfolgung der Juden in Rumänien zwischen 1938 und 1944 ......... 2175.3.1 Maßnahmen gegen Juden bis 1942 und ihre Nutznießer ........................ 2175.3.2 Die Deportationen von 1942 und ihre Einstellung .................................. 2285.4 Jugoslawiens Neutralitätskurs und die Gleichschaltung im Westbanat 1938–1941 ........................................................................ 2405.5 Beteiligung von Donauschwaben an Kriegsverbrechen in Jugoslawien 1941–1944 ...................................................................... 2515.5.1 Der Jugoslawienkrieg 1941 und das Besatzungsregime im Westbanat ........................................................................................... 2515.5.2 Serbischer Widerstand und die Ermordung der Juden in Serbien ........... 2655.5.3 Kampf der Deutschen Volksgruppe um den Besitz von Juden und Serben ............................................................................. 2705.5.4 Die Einsätze der Waffen-SS-Division „Prinz Eugen“ ............................. 2775.5.5 Verhinderte und erfolgreiche Evakuierungen von Deutschen 1944 ........ 286

    6. Kollektive Bestrafung der Donauschwaben 1944–1948 ......................... 2926.1 Die Gewaltaktionen gegen Schwaben im serbischen Banat ................... 2926.2 Der Umsturz in Rumänien und die Folgen für die Schwaben ................ 3066.2.1 Kampfeinsatz der Nationalsozialisten im Banat 1944 ............................ 3066.2.2 Kollektive Bestrafung der Deutschen in Rumänien 1944/1945 .............. 3176.2.3 Die Agrarreform von 1945 und ihre Folgen ............................................ 3266.3 Verfolgung von Ostbanater Sozialdemokraten, Katholiken und Juden nach 1946 ............................................................................... 3346.3.1 Die schrittweise Entmachtung der Sozialdemokratie ............................. 3346.3.2 Tätigkeit und Verfolgung der Ostbanater Katholiken ............................. 3386.3.3 Die Entwicklung der jüdischen Gemeinden von 1944 bis 1948 ............. 3436.4 Rumäniens serbische Minderheit und Jugoslawiens Kominform-Ausschluss ........................................................................... 3466.5. Die Umdeutung der Kriegsjahre zu Beginn des Ost-West-Konflikts ...... 3536.5.1 Die Prozesse gegen Kriegsverbrecher in Rumänien ............................... 3536.5.2 Verhinderte Aufarbeitung im Westen Deutschlands und in Österreich ..................................................................................... 356

    7. Parallelen und Unterschiede im Entwicklungsweg der Schwaben beider Banater Regionen ................................................. 363

    Abkürzungen ........................................................................................... 375 Karten ...................................................................................................... 376 Archive .................................................................................................... 379 Presse ....................................................................................................... 380 Literatur ................................................................................................... 381 Personenregister ...................................................................................... 409 Ortsregister .............................................................................................. 415

  • 1. INTERETHNISCHE BEZIEHUNGEN UND MINDERHEITENPOLITIK IM VERGLEICH

    Ausgangspunkt dieser Studie war die Frage, warum so viele Donauschwaben im jugoslawischen Teil des Banats nach 1944 ermordet und die Überlebenden vertrie-ben wurden. Aufgrund welcher Bedingungen gestalten sich die Beziehungen der Schwaben zu den nichtdeutschen Nachbarn im rumänischen Teil des Banats bei Kriegsende anders? Wieso konnten sie in die kommunistische Gesellschaft integ-riert werden? Die Geschichte der beiden Teile des Banats wurde bisher nicht ver-gleichend, sondern lediglich im Kontext der beiden Nationalstaaten dargestellt. Dabei eignen sich die beiden schwäbischen Gruppen gut für einen Vergleich, weil sie eine lange gemeinsame Geschichte bis zur Aufteilung des Banats durch die Pa-riser Friedenskonferenz von 1919 hatten. In beiden Teilen stellten die Schwaben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung, womit sie die stärkste Minderheit in der Region bildeten. Die große Mehrheit der Schwa-ben waren Bauern katholischen Glaubens.

    Der Arbeitskreis Dokumentation der Donauschwäbischen Kulturstiftung hat intensiv über die deutschen Opfer in Jugoslawien unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg geforscht und einen großen Teil namentlich erfasst. Etwa 9500 Schwa-ben wurden zwischen 1944 und 1946 getötet, und etwa 51 000 starben in den Inter-nierungslagern infolge mangelhafter Ernährung sowie an Erschöpfung und Seu-chen. Damit kam fast ein Drittel der in Jugoslawien 1944 zurückgebliebenen Deut-schen ums Leben – zum großen Teil Kinder und nicht arbeitsfähige Alte.1 Diese erschütternde Bilanz wird nicht nur von den Autoren der Studie des Arbeitskreises, sondern auch von einigen Juristen als „Völkermord“ bezeichnet.2 Doch in neueren Debatten von Historikern über „ethnische Säuberungen“ spielt die Vertreibung der Deutschen aus Jugoslawien eine völlig untergeordnete Rolle, zumeist werden nur die umfangreicheren Prozesse in Polen und der Tschechoslowakei thematisiert.3 Mit den Massenverbrechen in Jugoslawien beschäftigen sich nur wenige, auf Süd-osteuropa spezialisierte Historiker.

    In der genannten Publikation der Donauschwäbischen Stiftung wird die Zeit vor den Katastrophenjahren seit 1944 in Jugoslawien nur summarisch aus dem Blickwinkel der Deutschen behandelt. Die Autoren behaupteten im Jahr 2005, dass

    1 Arbeitskreis DokumentAtion: Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den Deut-schen in Jugoslawien 1944–1948. Hg. v. VorstAnD Der DonAuschwäbischen kulturstiftung. München 2005, 32.

    2 Hier sei nur die ausführlichste Studie erwähnt: blumenwitz, Dieter: Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944–1948. München 2002, 49.

    3 nAimArk, Norman M.: Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert. Mün-chen 2004, 139–174; snyDer, Timothy: Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin. Mün-chen 2011, 356–359.

  • 10 1. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    nach der Besetzung des Banats durch die Wehrmacht im April 1941 „das Zusam-menleben der verschiedenen Volksgruppen weitgehend normal weiterlief“.4 Diese verblüffende Aussage wurde publiziert, als bereits mehrere fundierte Studien in Deutschland erschienen waren, in denen die Beteiligung von Donauschwaben an Gewalttaten gegenüber ihren Nachbarn zur Sprache kam. So hatte Akiko Shimizu dargestellt, wie sich 1941 Polizeiverbände der Deutschen Volksgruppe an der Ver-treibung aller Juden aus dem Westbanat in Konzentrationslager beteiligten; an-schließend wurden sie in Serbien ermordet.5 Die Bemühungen der Volksgruppen-führung, Bodenparzellen serbischer Flüchtlinge zu übernehmen, erwähnte Ekke-hard Völkl in einer Studie.6 Thomas Casagrande beschrieb die gewalttätigen Ein-sätze der SS-Division „Prinz Eugen“, zu der Männer aus beiden Teilen des Banats seit 1942 rekrutiert worden waren. Sie bekämpften die kommunistischen Partisanen und verübten auch Verbrechen an Zivilisten.7

    In den letzten Jahren erschienen über die Schwaben in Jugoslawien weitere Dissertationen, die viele neue Quellen erschlossen. Carl Bethke analysierte die Ent-wicklungen der Deutschen in Jugoslawien seit dem Ende des Ersten Weltkrieges bis 1941, und Michael Portmann widmete sich dem Zeitraum der kollektiven Bestra-fung der Schwaben zwischen 1944 und 1948.8 Hervorzuheben ist die Studie von Zoran Janetović über die Verfolgung der Deutschen in Jugoslawien. Der serbische Historiker setzt sich eingehend und objektiv mit den in Jugoslawien erschienenen Arbeiten auseinander.9 Kürzlich verfasste Johann Böhm zwei Bände über die Deut-schen in Jugoslawien zwischen 1918 und 1944.10

    Verglichen mit dieser Fülle von neuen Studien über das Westbanat ist über das rumänische Ostbanat im 20. Jahrhundert weitaus weniger geforscht worden. In den letzten Jahren publizierten Günter Schödl, Ingomar Senz und Josef Wolf Gesamt-darstellungen.11 Stephan Olaf Schüller untersuchte den wachsenden Einfluss des

    4 felDtänzer, Oskar / Prokle, Herbert: Die deutsche Volksgruppe in Jugoslawien und der April-krieg des Jahres 1941. In: Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen. Hg. v. VorstAnD Der DonAuschwäbischen kulturstiftung. München 2005, 191.

    5 shimizu, Akiko: Die deutsche Okkupation des serbischen Banats unter besonderer Berücksich-tigung der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien. Münster 2003, 245–252.

    6 Völkl, Ekkehard: Der Westbanat 1941–1944. Die deutsche, die ungarische und andere Volks-gruppen. München 1991. Der Historiker verwendete die in der Fachliteratur unübliche Be-zeichnung „der Banat“.

    7 cAsAgrAnDe, Thomas: Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen. Frankfurt a. M. 2003.

    8 bethke, Carl: Deutsche und ungarische Minderheiten in Kroatien und der Vojvodina 1918–1941. Wiesbaden 2009; PortmAnn, Michael: Die kommunistische Revolution in der Vojvodina 1944–1952. Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur. Wien 2008.

    9 Janetović, Zoran: Between Hitler and Tito. The disappearance of the Vojvodina Germans. Bel-grade 2005 (2. Auflage).

    10 böhm, Johann: Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918–1941. Frankfurt a. M. 2009; Ders.: Die deutschen Volksgruppen im Unabhängigen Staat Kroatien und im serbischen Banat. Ihr Verhältnis zum Dritten Reich. Frankfurt a. M. 2012.

    11 schöDl, Günter (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas. Land an der Donau. Berlin 1995; senz, Ingomar: Die Donauschwaben, München 1994; wolf, Josef: Das Banat als histo-rische Region. In: Rumänien. Hgg. v. Thede kAhl / Michael metzeltin / Mihai-Răzvan ungu-

  • 111. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    Nationalsozialismus bei der Jugend und Maria Werthan das deutsche Genossen-schaftswesen im Banat.12 Paul Milata verfasste eine Dissertation über die Einbin-dung von Rumäniendeutschen in die Waffen-SS, ohne jedoch die Lage im Banat speziell zu thematisieren.13 In einigen Arbeiten wurde der zunehmende Einfluss des Nationalsozialismus bei den Deutschen in Rumänien insgesamt behandelt.14 Da es keine umfassende Analyse der jüngeren Geschichte der Schwaben in Rumänien gibt, wurden für dieses Buch vor allem neue Archivquellen aus dem östlichen Teil des Banats erschlossen.

    Aufgrund der Vorarbeiten anderer Autoren konnte diese Studie breit angelegt werden: Es werden die Entwicklungen in beiden Teilen des Banats in einem Zeit-raum von achtzig Jahren analysiert. Die Ausgangsfragestellung wurde dahingehend erweitert, ob in der sozialen Struktur der beiden Teile des Banats Unterschiede fest-zustellen sind, die Einfluss auf die schnelle Radikalisierung der Schwaben seit 1933 hatten. Im jugoslawischen Banat konnte sich – anders als im rumänischen Teil – im Katastrophenjahr 1944 niemand für die Donauschwaben einsetzen. In Rumänien dagegen bauten deutsche Konservative seit Oktober 1944 wieder ihre Organisatio-nen auf. Als die Deportationen der Deutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion im Januar 1945 begannen, erlangte der katholische Bischof Pacha die Freistellung der Geistlichen. Diese kümmerten sich dann um die Kinder der deportierten Schwa-ben, sodass sie nicht wie in Jugoslawien in Waisenhäusern versorgt werden muss-ten. Deutsche Sozialisten kritisierten in ihrer Temeswarer Zeitung die kollektive Form der Bestrafung. Sie intervenierten für die Rückkehr von bewährten Antifa-schisten, die zur Zwangsarbeit in der Sowjetunion verschickt worden waren.

    Bereits diese Unterschiede zeigen, dass sich lange vor der Katastrophe von 1944 strukturelle Unterschiede zwischen den beiden Teilen des Banats herausgebil-det hatten. Nur im Ostbanat entstanden eine deutsche Arbeiterkultur und eine ka-tholische Jugendbewegung. Auch nachdem deutsche Nationalsozialisten diese bei-den Strömungen entmachtet hatten, pflegten deren Angehörige noch Kontakte zu Nichtdeutschen. Der entscheidende Unterschied war aber die Herrschaftsform wäh-rend der Kriegsjahre. Übergriffe gegen Rumänen waren im Ostbanat nicht möglich, weil die Staatsgewalt sonst eingeschritten wäre. Einige Schwaben versuchten seit 1940 bei der Verteilung des enteigneten Besitzes von Juden zu partizipieren. Sie

    reAnu. Berlin-Wien 2006, 903–932; wolf, Josef: Zur Genese der historischen Kulturlandschaft Banat. Ansiedlung, Siedlungsgestaltung und Landschaftswechsel im Banat vom frühen 18. bis Anfang des 20. Jahrhunderts. In: Kulturraum Banat. Deutsche Kultur einer europäischen Viel-völkerregion. Hg. v. Walter engel. Essen 2007, 13–70.

    12 schüller, Stephan Olaf: Für Glaube, Führer, Volk, Vater- oder Mutterland? Die Kämpfe um die deutsche Jugend im rumänischen Banat (1918–1944). Berlin-Münster 2009; werthAn, Maria: Deutsche Agrarverbände im Banat (1891–1940). Bonn 2004.

    13 milAtA, Paul: Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu. Rumäniendeutsche in der Waffen-SS. Köln u. a. 2007.

    14 Von den vielen Arbeiten Böhms zu den Deutschen in Rumänien, deren Inhalt sich oft über-schneidet, sei hier nur eine häufiger zitierte genannt: böhm, Johann: Hitlers Vasallen der Deut-schen Volksgruppe in Rumänien vor und nach 1945. Frankfurt a. M. 2006. Abschnitte zum Banat enthält auch die Dissertation: glAss, Hildrun: Zerbrochene Nachbarschaft. Das deutsch-jüdische Verhältnis in Rumänien (1918–1938). München 1996.

  • 12 1. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    hatten geringen Erfolg, weil das zuständige „Zentrum für Rumänisierung“ vor al-lem rumänische Flüchtlinge aus den an die Sowjetunion, Ungarn und Bulgarien abgetretenen Gebieten versorgen wollte. Da Rumänien ein Bündnispartner des Deutschen Reiches und kein besetztes Gebiet wie Serbien war, verübten die Schwa-ben im Ostbanat keine Gewalttaten innerhalb der Landesgrenzen. Die verheerenden Folgen der Einsätze volksdeutscher Rekruten bei der SS-Division „Prinz Eugen“ in Jugoslawien waren in Rumänien 1944/45 noch kaum bekannt. Dagegen gingen die deutschen Besatzer auf dem Territorium des zerstückelten Jugoslawien mit brutaler Gewalt gegen Aufständische vor. Besonders in Serbien hatte fast jede Familie Op-fer der umfangreichen Geiselerschießungen zu beklagen. Die Donauschwaben wur-den dort als willige Helfer der Besatzungsmacht wahrgenommen. Daher billigten viele ihre kollektive Bestrafung nach 1944.

    Die Geschichte der Donauschwaben wird im Folgenden in fünf Kapitel unter-gliedert. Dabei werden die Entwicklungen zwischen 1933 und 1944 ausführlich geschildert, um die Frage nach dem unterschiedlichen Verhalten der Nachbarn nach 1944 klären zu können. Eingangs werden die bereits durch die Ansiedlung gelegten Weichenstellungen überblicksartig skizziert: Für die zumeist aus deutschsprachi-gen Gebieten angeworbenen Kolonisten wurden im Banat zum großen Teil separate Ortschaften gegründet, während Bergarbeiter von Beginn an in multiethnischen Siedlungen lebten. Vertieft wird die Analyse der Entwicklung bis zum Ersten Welt-krieg erst für den Zeitraum nach 1868. In der Epoche der intensiven Industrialisie-rung im Banat und dem Bergland bildeten sich seit 1868 einerseits die ersten von deutschen Facharbeitern getragenen Arbeitervereine. Andererseits verstärkte sich trotz des Nationalitätengesetzes von 1868 kurz danach der Druck der ungarischen Regierung zur Magyarisierung der Banater Bevölkerung. Die meisten Kinder der Schwaben besuchten ungarische Volksschulen und sprachen daher nur den Dialekt. Die wenigen Schwaben, die studierten, orientierten sich nach den langen Jahren in ungarischen Bildungseinrichtungen an der ungarischen Kultur. Nur wenige Intel-lektuelle organisierten sich seit 1906 in national orientierten Kreisen.

    Im zweiten Kapitel stehen folgende Fragen im Vordergrund: Bestanden Unter-schiede in der Besitzstruktur der Bauern in den beiden Teilen des Banats, die noch auf die Ansiedlungszeit zurückgingen? Waren die Beziehungen zu den Nachbarn im Westen und Osten des Banats unterschiedlich geprägt? Verstärkte die katholi-sche Kirche die Tendenz der Magyarisierung? Außer der ländlichen Bevölkerung, der über 80% der Schwaben vor dem Ersten Weltkrieg angehörten, wurden auch deutsche Städter insbesondere aus Temeswar/Temesvár/Timişoara, Reschitz/Resi-cabánya/Reşiţa/Rešica, Hatzfeld/Zsombolya/Jimbolia/Žombolj und Werschetz/Versecz/Vršac in die Analyse einbezogen. Wie auch andernorts verdichteten sich in den Städten die Kontakte zu anderen Ethnien. Wie sahen die Beziehungen aus? Fanden gemeinsame Proteste von Schwaben und Rumänen gegen die Magyarisie-rung statt? Welche Haltung hatten die national eingestellten Deutschen gegenüber den Juden, von denen sich viele an der deutschen Kultur orientierten? In welchen Medien wurden gemeinsame Anliegen thematisiert? Wie sahen die Kontakte mit dem wilhelminischen Deutschland aus? Dieses Kapitel stützt sich vor allem auf die

  • 131. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    Fachliteratur, nur bei zentralen Fragen werden Artikel aus der zeitgenössischen deutschen und rumänischen Presse zitiert.15

    Im dritten Kapitel wird die Tätigkeit der Arbeitervereine im Banat im Zeitab-schnitt zwischen 1918 und 1937 dargestellt. Aufgrund der nach 1945 von den Landsmannschaften stark beeinflussten Forschung über die Donauschwaben wur-den die Arbeitervereine bisher ausgeklammert. Als Donauschwaben galten nur die Landbewohner und die national ausgerichteten Städter. Hier werden die Arbeiter-zirkel einbezogen, weil sie deutsche Kultur zu einem Zeitpunkt repräsentierten, als die meisten gebildeten Schwaben sich an der ungarischen Kultur orientierten. Die Sozialdemokraten brachten den aus schwäbischen Gemeinden in die Städte strö-menden Arbeitern in den Bildungsvereinen und durch ihre Presse die deutsche Kul-tur nahe. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg mobilisierte die Sozialdemokratie etwa doppelt so viele Personen wie die „Ungarländische Deutsche Volkspartei“ und der katholische „Südungarische Bauernverein“. Zwischen 1918 und 1920 waren die Gewerkschaften die stärkste politische Kraft im Banat, die sich erst gegen die ser-bischen Besatzer und dann gegen die rumänische Militärverwaltung wehrte. In den dreißiger Jahren entstand eine breite Arbeiterkultur, die auf ihre sozialdemokrati-schen Vorbilder in Deutschland und Österreich rekurrierte. Folgenden Fragen wird nachgegangen: Welche Rolle spielte die deutsche Presse der Sozialdemokratie, die seit 1893 kontinuierlich in Temeswar erschien? Warum entwickelten sich im West-banat weniger Arbeiterzirkel? Gab es Überschneidungen im Verständnis von deut-scher Kultur zwischen national orientierten Schwaben und deutschen Sozialdemo-kraten? Wer veranlasste die punktuellen Allianzen zwischen der Sozialdemokratie und der „Deutsch-Schwäbischen Volksgemeinschaft“? Wie bekämpften Sozialde-mokraten den zunehmenden Einfluss der Nationalsozialisten? Die umfangreiche Literatur aus der kommunistischen Ära wurde mit kritischer Distanz ausgewertet. Zu wichtigen Fragen werden auch Presseartikel zitiert.16

    Das vierte Kapitel ist den anwachsenden Organisationen der national orientier-ten Schwaben in den Jahren zwischen 1918 und 1937 gewidmet. In beiden Teilen des Banats betrieben die Regierungen eine Politik der „Nostrifizierung“, die jedoch Unterschiede aufwies. Es werden die Gründe herausgearbeitet, warum im rumäni-schen Teil ein breites Netz von deutschen Schulen entstehen konnte, wohingegen die Belgrader Regierung ihren Ausbau behinderte. Im Zentrum stehen folgende Fragen: Welche Rolle spielte die 1920 in Temeswar gegründete deutsche Lehrerbil-dungsanstalt? Weshalb entwickelte sich nur im rumänischen Banat eine deutsche katholische Jugendbewegung? Seit wann entstanden nationalsozialistisch orien-

    15 Zitiert werden die in Budapest publizierte sozialdemokratische Zeitung „Adevărul“ (Die Wahr-heit) und die Temeswarer Zeitung „Volkswillen“. Beide befinden sich im Bestand der Univer-sitätsbibliothek von Klausenburg/Koloszvár/Cluj in Rumänien.

    16 Ausgewertet wurden vor allem die Temeswarer Zeitung „Volkswillen“ der Jahrgänge 1918 bis 1919 und deren Nachfolger „Arbeiterzeitung“ aus den Jahren nach 1920. Durch ein nach 1991 verfasstes, unveröffentlichtes Manuskript von William Marin konnten offene Fragen geklärt werden. Vgl. mArin, William: Biographie Josef Mayer. o. A., Typoskript im Archiv des Insti-tuts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universi-tät München.

  • 14 1. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    tierte Vereine? Gab es Unterschiede in der sozialen Struktur der nationalen Ver-bände in den beiden Teilen des Banats? Seit wann nahmen Behörden des Deutschen Reiches Einfluss auf Organisationen im Banat? Wie verhielt sich der deutsche Bi-schof im Ostbanat gegenüber nationalsozialistischen Umtrieben? In welcher Form bekämpften deutsche Sozialdemokraten den Nationalsozialismus? Ging die Staats-gewalt gegen deutsche paramilitärische Jugendgruppen vor? Bestanden Kontakte zwischen Nationalsozialisten aus dem Ost- und dem Westbanat? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden vor allem Berichte des Deutschen Konsulats aus Temeswar an die Deutsche Gesandtschaft in Bukarest ausgewertet, die sich im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes befinden.17 Die Konsule referierten kontinuierlich über die Entwicklungen im „Volksrat“, wodurch die ersten Träger nationalsozialis-tischer Ideen genau bestimmt werden können. Josef Schwager, der zwischen 1932 und 1935 in Temeswar Konsul war, hatte bis 1934 eine distanzierte Haltung gegen-über den Nationalsozialisten, weil jene durch ihre Angriffe auf die konservativen Führer die Position der gesamten Minderheit schwächten. Viktor von Heeren, der deutsche Gesandte in Belgrad zwischen 1933 und 1941, unterstützte bis 1937 weit-gehend die Position der Konservativen.18 Beide Vertretungen sammelten viele Pres-seartikel der Nationalsozialisten, die sie als Belastungen der zwischenstaatlichen Beziehungen einschätzten. Diese Artikel sowie einige umfangreichere Schriften der deutschen Politiker aus den beiden Teilen des Banats wurden zur Bestimmung der Konflikte ausgewertet.19

    Im umfangreichen Kapitel fünf wird die Zeitspanne 1938 bis 1944 untersucht. Als Beginn der nationalsozialistischen Zeit wurde das Jahr 1938 gewählt, weil die in Berlin 1937 geschaffene „Volksdeutsche Mittelstelle“/VoMi von nun an alle wichtigen Vorgänge in den Verbänden der deutschen Minderheiten steuerte. Auf-grund des Drucks der VoMi wurden die konservativen Führer der Schwaben in beiden Teilen des Banats entmachtet. Für dieses Kapitel wurden in der Temeswarer Abteilung des rumänischen Nationalarchivs viele bisher nicht ausgewertete Quel-len der Präfekturen Temesch-Torontal und Karasch-Severin untersucht.20 In diesen Akten befinden sich Berichte der Gendarmerieposten aus dem ländlichen Bereich und der Polizeibehörden in den Städten. Diese hatten die Organisationen der Deut-schen ständig observiert und berichteten ausführlich über ihre Treffen. Die Präfek-turen fassten die Berichte zusammen und leiteten sie zumeist an das Innenministe-

    17 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA), Berlin, Fonds Deutsche Gesandtschaft Bu-karest, R 60182, R 60183, R 60184, R 60185, R 60186, R 60187, R 60188, R 60190, R 60193, R 60196, R 60197 und R 60199.

    18 Ausgewertete Bestände aus dem ehemaligen Jugoslawien im Politischen Archiv des Auswärti-gen Amtes vgl. PAAA, Berlin, R 60077, R 60080, R 100382, R 100537, R 100548, R 100566, R 100614, R 100615 und 100640.

    19 Außer den einzeln zitierten Schriften handelt es sich um Kopien der Neusatzer Tageszeitung „Deutsches Volksblatt“, die sich im Nachlass von Franz Hamm im Archiv des Instituts für do-nauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen befinden (AIDGL), NL Ha 0461–1 und 0461–2.

    20 Caraş-Severin war bis 1925 ein Bezirk, danach wurde die Region in zwei Bezirke gegliedert, im Archiv sind sie jedoch zusammengefasst.

  • 151. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    rium in Bukarest weiter.21 Anhand von Akten Bukarester Ministerien und des Mi-nisterrats wurde untersucht, wie Probleme aus dem Banat von den führenden Poli-tikern wahrgenommen wurden. Um die Beziehungen zwischen den Nationalsozia-listen in den beiden Teilen des Banats zu analysieren, wurden auch Artikel aus der „Banater Deutschen Zeitung“ und der Banater Ausgabe der „Südostdeutschen Ta-geszeitung“ herangezogen.22

    Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage nach den Motiven der Schwa-ben zur aktiven Mitarbeit in den NS-Organisationen. Gab es Resistenz und Verwei-gerung? Wie entwickelte sich das Verhältnis der Schwaben zu den nichtdeutschen Nachbarn? Im Fall des Westbanats wurden die Bemühungen der Deutschen Volks-gruppe zum Erwerb des Besitzes der ermordeten Juden sowie der landwirtschaftli-chen Flächen geflüchteter Serben anhand von Akten reichsdeutscher Behörden be-legt. Daran schloss sich die Frage an, ob sich Schwaben auch im rumänischen Ba-nat am enteigneten Besitz der Juden bereicherten. Wie verhielt sich die Deutsche Volksgruppe, als in Rumänien im Herbst 1942 die Deportation der Juden nach Bełżec vorbereitet wurde? Die Geschichte der vom Reichssicherheitshauptamt in Berlin vorbereiteten, aber in Bukarest gestoppten Deportation wird ausführlich ge-schildert, weil bei der Weigerung die Befürchtung der Rumänen eine Rolle spielte, dass sich vor allem Schwaben am jüdischen Eigentum bereichern könnten.

    Ein wichtiger Grund für die brutale Form der Ausschaltung der Schwaben als sozialer Faktor in Jugoslawien waren ihre Einsätze bei der Division der Waffen-SS „Prinz Eugen“. Daher wird der Frage nachgegangen, ob der Kampf gegen die Par-tisanen im Süden Jugoslawiens den Intentionen der Volksgruppenführung ent-sprach. Von welchem Zeitpunkt an wurden alle wichtigen Entscheidungen bezüg-lich des Wehrdienstes der Schwaben in Berlin getroffen? Wann zeigten sich Ansätze von Widerstand gegen die Kriegspolitik im Banat?

    Im sechsten Kapitel wird die kollektive Bestrafung der Schwaben in beiden Teilen des Banats dargestellt. In mehreren Studien sind die Strafmaßnahmen gegen Deutsche in den letzten Jahren für Jugoslawien und für Rumänien aufgearbeitet worden. Da die Eliminierung der Deutschen eine Voraussetzung für die geplante Umverteilung des Bodenbesitzes war, wird die Agrarreform ebenfalls mit einbezo-gen. Auch im östlichen Banat war die Neuverteilung des Landbesitzes der Schwa-ben ein zentraler Auslöser der Repression.23 Doch im Fall Rumänien erkannten ei-nige Parteiführer bald, dass die neuen rumänischen Kolonisten im Banat weniger Ertrag brachten. Schrittweise wurden Formen der Wiedereingliederung der Schwa-

    21 Arhivele Naţionale Direcţia Timişoara (ANDT), Prefectura judeţului Timiş-Torontal 7/1940, 8/1942, 10/1942, 19/1942, 55/1942, 64/1942, 13/1943, 20/1943, 52/1943, 55/1943, 75/1943, 85/1943, 3/1944, 7/1944, 8/1944 sowie Prefectura judeţului Caraş-Severin 21/1938, 24/1939, 27/1939, 28/1939, 29/1939, 1/1940, 23/1940, 32/1940, 34/1940, 35/1940, 36/1940, 2/1941, 10/1941, 23/1940, 25/1941, 58/1942, 3/1943 und 3/1943 sowie Legiunea Jandarmeriei Timiş-Torontal 75/1943.

    22 Mikrofilm im Archiv des Instituts für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig- Maximilians-Universität München.

    23 sterbling, Anton: Bedingungen und Probleme des interethnischen Zusammenlebens im Banat. In: Ders.: Kontinuität und Wandel in Rumänien und Südosteuropa. München 1997, 54.

  • 16 1. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    ben gesucht.24 Daher stellten sich die Fragen: Worin unterschied sich die politische Konstellation in beiden Teilen des Banats? Was bewirkten Interventionen der Sozi-aldemokraten für die Schwaben? Welche Rolle spielten katholische Geistliche bei der Aufrechterhaltung der deutschen Schulen? Wann begann die gezielte Verfol-gung katholischer Geistlicher? Bei der Behandlung dieser Fragen konnte auf zwei Studien zurückgegriffen werden, deren Autoren Dokumente aus den umfangrei-chen Beständen der rumänischen Sicherheitspolizei Securitate ausgewertet haben.25

    Für diese Studie wurden unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf die nachbarschaftlichen Beziehungen sehr unterschiedliche Quellen wie Behördenak-ten, Erinnerungen, Presseartikel und Fachliteratur ausgewertet. Durch den Ver-gleich sollen die Gemeinsamkeiten und die Besonderheiten im Beziehungsgeflecht der Schwaben mit ihren Nachbarn in beiden Teilen des Banats deutlich werden. Diese werden sowohl im Verhalten der Schwaben als auch in den seit 1919 anders gelagerten staatlichen Strukturen in den beiden Gebieten gesucht. Im Beziehungs-geflecht der Schwaben zu den nichtdeutschen Nachbarn soll untersucht werden, ob die in theoretischen Ausführungen beschworenen „multiplen Identitäten“ und „komplexen Beziehungen“ tatsächlich bestanden, die in einigen Musik-, Kultur- und Sportvereinen verortet werden.26 Diese Begriffe wurden aus Kulturen mit städ-tischem Charakter übernommen. Intensive Verflechtungen konnten in einem ande-ren Habsburger Gebiet, das nach 1918 Teil Rumäniens wurde, nachgewiesen wer-den. In der Bukowina war das Deutsche Amtssprache gewesen, und es hatte eine deutsche Universität in Czernowitz bestanden. Viele Gebildete aller Ethnien spra-chen daher noch in der Zwischenkriegszeit Deutsch. Besonders die Juden, die in Czernowitz bis zum Zweiten Weltkrieg die größte Bevölkerungsgruppe stellten, orientierten sich weiterhin an der deutschen Kultur. Doch im Banat erlangten die Juden in keiner Stadt die Bevölkerungsmehrheit, und viele orientierten sich an der ungarischen Kultur, weil der soziale Aufstieg dies voraussetzte. Nur in Temeswar lebten viele deutschsprachige Juden, weil in dieser Stadt bis in die 1920er-Jahre Deutsch gesprochen wurde. In der größten Stadt des Ostbanats blieb trotz der ins-gesamt schnell wachsenden Bevölkerung die Zahl der Deutschen mit 31 644 (1910), 28 807 (1930) und 30 940 (1941) relativ konstant. 1910 waren sie die größte Bevöl-kerungsgruppe, doch bereits 1930 hatten die Ungarn sie überholt.27 Warum hätten die 1930 auf 24 088 angewachsenen Rumänen sich für die deutsche oder ungari-sche Kultur interessieren sollen, nachdem der Kulturbetrieb weitgehend rumäni-siert worden war? In Czernowitz lasen bis 1940 alle Gebildeten eine der drei deutschsprachigen Tageszeitungen, nur ein rumänisches Wochenblatt erschien kon-

    24 Dazu Unterlagen in Akten von zwei Banater Präfekturen vgl. ANDT, Prefectura judeţului Timiş-Torontal 9/1944, 11/1944 und 18/1944 sowie Prefectura judeţului Caraş-Severin 11/1944 und 9/1945.

    25 rADu, Sorin: Ion Flueraş (1882–1953). Socialdemocraţie şi sindicalism. Bucureşti 2007; totok, William: Episcopul, Hitler şi Securitatea. Procesul stalinist împotriva „spionilor Vati-canului“ din România. Iaşi 2008.

    26 neumAnn, Victor: Identităţi multiple în Europa regiunilor. Interculturalitatea Banatului. Timişoara 1997.

    27 illyés, Elemér: Nationale Minderheiten in Rumänien. Siebenbürgen im Wandel. Wien 1981, 71.

  • 171. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    tinuierlich. Dagegen entfaltete sich im Banat neben den deutschen Zirkeln eine selbstbewusste rumänische und ungarische Kulturszene. Im Ostbanat stieg der An-teil der Rumänen von 1930 56,4% bis 1941 auf 58,8% an.28 In den vielen Ortschaf-ten mit mehreren Ethnien kann von einem friedlichen „Nebeneinander“ und punk-tuellen Kontakten ausgegangen werden. In Umbruchphasen wie 1918/1919 und 1944/1945 kam es jedoch zu Spannungen, die im Weiteren dargestellt werden.

    Es wird zu analysieren sein, welche Austauschbeziehungen die bäuerlichen Schwaben mit anderen Bevölkerungsgruppen pflegten. Wo waren die Kontakt-punkte? Inwieweit gingen sie über die Wahrnehmung der fremden Gendarmen, No-tare und Bürgermeister hinaus? Wie veränderten sich die Beziehungen der in die Städte gezogenen Schwaben, die Handwerker und Arbeiter wurden? Historiker ha-ben bisher vor allem die Entwicklungen innerhalb der deutschen Bevölkerungs-gruppe dargestellt und Außenkontakte nur am Rande erwähnt. Doch auch Ethnolo-gen, die mentale und materielle Strukturen untersuchten, fanden bislang relativ wenige Austauschbeziehungen.29 In einem Sammelband zur multiethnischen Ge-sellschaft des Banats wurden nur die gegenseitige Beeinflussung von Schriftstellern sowie die Übernahme von materiellen Elementen genannt, wenn etwa rumänische Bauern schwäbische Hausgiebel nachahmten.30 Zoran Janetović wertete viele Hei-matbücher aus und bezeichnete den Maisspeicher, den Anbau von Tabak sowie ei-nige Kleidungsstücke als Übernahmen der Schwaben von den Serben und Ungarn. Die Serben lernten von den Schwaben den Hanfanbau und die Stallfütterung, sie bauten auch viele Arbeitsgeräte sowie Dreschmaschinen nach.31 Solche gegensei-tige Beeinflussungen im Alltagsleben stehen nicht im Mittelpunkt der Studie, denn hier geht es vor allem um die Auswirkungen der sozialen und politischen Organisa-tionsformen auf die Kontakte mit den Nachbarn.

    Zur Vereinfachung wird der Begriff „Donauschwaben“ auch für eine Zeit ange-wandt, in der sie ihn noch nicht gebrauchten. In den Quellen des 18. und 19. Jahr-hunderts war die ungarische Bezeichnung „sváb“ noch synonym für „deutsch“ ohne Bezug auf ein bestimmtes Herkunftsgebiet. Auch die Serben verwendeten „švaba“ in diesem allgemeinen Sinn. Die Kolonisten, die im Banat im 18. Jahrhun-dert angesiedelt worden waren, kamen nur zum Teil aus Schwaben. Dennoch setzte sich bei ihnen die Selbstbezeichnung „Schwaben“ durch.32

    28 bAtt, Judy: Reinventing Banat. In: Region, State and Identity in Central and Eastern Europe. Hgg. v. Judy bAtt / Kataryna wolczuk. London-Portland 2002, 182.

    29 Erst seit den 1970er-Jahren untersuchten Ethnologen deutsche Minderheiten nicht mehr als „Sprachinseln“, sondern im Beziehungsgeflecht mit ihren Nachbarn. Vgl. weber-kellermAnn, Ingeborg: Zur Interethnik. Donauschwaben, Siebenbürger Sachsen und ihre Nachbarn. Frank-furt a. M. 1978.

    30 Auf die Beiträge des Sammelbandes wird noch eingegangen vgl. Kulturraum Banat, Hg. v. Walter engel. Essen 2007.

    31 Janetović, Zoran: Gegenseitige Kultureinflüsse zwischen Serben und Donauschwaben in der Vojvodina. In: Jahrbuch für deutsche und osteuropäische Volkskunde, 50 (2008/2009), 103–133.

    32 seewAnn, Gerhard: Siebenbürger Sachse, Ungarndeutscher, Donauschwabe? Überlegungen zur Identitätsproblematik des Deutschtums in Südosteuropa. In: Minderheitenfragen in Südosteu-

  • 18 1. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    Anfang der 1920er-Jahre nannten sich ihre Vereine Schwäbisch-Deutscher Kulturverein im serbischen Banat oder Deutsch-Schwäbische Volksgemeinschaft im rumänischen Banat. Der Bezug zu Deutschland war bis 1933 noch schwach, erst durch die Jugendbewegung kamen aus Deutschland Besucher in die schwäbischen Dörfer. Sie brachten Anfang der 1930er-Jahre die ersten Radios mit, wodurch eine Brücke zu Deutschland geschaffen werden sollte. Nach 1933 gelangten zunehmend auch Zeitungen und Wochenschauen aus dem Reich ins Banat.

    Zur Abgrenzung von den Schwaben in Deutschland und den nach Amerika Ausgewanderten prägte der Grazer Geograph Robert Sieger 1922 den Gruppenna-men „Donauschwaben“ für die deutschsprachigen Siedler in Ungarn, Rumänien und Jugoslawien.33 Zu seiner Verbreitung in Deutschland trug vor allem der Stutt-garter Geograph Hermann Rüdiger bei, der unter „Ostschwaben“ auch die Deut-schen in Bessarabien, in den Schwarzmeergebieten, dem Kaukasus und der Wolga-region fasste. Als ein Kennzeichen der Banater Schwaben nannte er, dass sie trotz Magyarisierungsdruck in ihren Dörfern die Eigenarten der Herkunftsgebiete be-wahrt hätten.34 Rüdiger verwendete den Begriff auch im „Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums“. Dieses im Auftrag des Deutschen Auslandsins-tituts/DAI in Stuttgart 1935 erstellte Werk war noch von völkischen Argumenten geprägt.35 Rüdiger betrieb erst später als Direktor des DAI eine nationalsozialisti-sche Politik.

    Aufgrund des Einflusses der VoMi war im Reich nach 1937 zumeist nicht mehr von Donauschwaben die Rede, sondern von den „deutschen Volksgruppen“ in Ru-mänien, Ungarn und Jugoslawien. Nun wurden die durch die Geschichte geprägten regionalen Besonderheiten der „Volksdeutschen“ als unbedeutend abgetan und die deutsche Abstammung betont. Seit Hitlers Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939 galten die kleineren Gruppen als „nicht haltbare Splitter des deutschen Volkstums“, die in den neuen Raumplänen beliebig hin und her geschoben werden konnten.36 Zwischen 1938 und 1941 war auch noch vom „Südostdeutschtum“ die Rede, des-sen Bezugsgebiet sich mit der Expansion des Deutschen Reiches immer stärker erweiterte: von Österreich über Jugoslawien bald bis nach Ungarn und Rumänien. Dieser Sammelbegriff wurde neu belebt, als ihn Flüchtlinge nach 1945 in die Hei-matforschung einbrachten. Dagegen griffen einige Sprecher der Flüchtlinge be-wusst auf den Begriff „Donauschwaben“ zurück, um bei Politikern in Süddeutsch-land ein Verantwortungsgefühl zu mobilisieren. Sie sprachen auch von „Schwaben-rückwanderern“, und 1946 entstand die „Hilfsstelle für Donauschwaben“, die sich

    ropa: Beiträge zur Internationalen Konferenz: The Minority Question in Historical Perspective 1900–1990. Hg. v. Gerhard seewAnn. München 1992, 139–153.

    33 günDisch, Konrad: Einleitung. In: Die Donauschwaben. Deutsche Siedlung in Südosteuropa. Sigmaringen 1987, 21; hAmm, Franz: Festschrift zum 80. Geburtstag. München 1981, 130.

    34 rüDiger, Hermann: Das Deutschtum an der mittleren Donau, München 1927, 2. Auflage, 9–11; Ders.: Die Donauschwaben in der südslawischen Batschka. Stuttgart 1931.

    35 Donauschwaben. In: Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums. Hgg. v. Carl Pe-tersen u. a., Bd. 2. Breslau 1935, 290–305.

    36 beer, Mathias: Flucht und Vertreibung der Deutschen. Voraussetzungen, Verlauf, Folgen. Mün-chen 2011, 40.

  • 191. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    für die Belange von Flüchtlingen und Evakuierten aus Jugoslawien, Ungarn und Rumänien einsetzte.37

    Durch die Vertreibung fast aller Schwaben aus Jugoslawien nach 1947 und der Weiterexistenz jener in Rumänien werden heute beim Begriff Banater Schwaben zumeist nur jene in Rumänien assoziiert, die auch eine eigenständige Landsmann-schaft in Deutschland bildeten. Die eingangs erwähnte Donauschwäbische Stiftung dagegen wird von Deutschen aus Jugoslawien getragen.

    In der Wissenschaft war der Begriff im anglophonen Sprachgebrauch als „Da-nube Swabians“ bereits in den 1960er-Jahren üblich.38 Auch in der jugoslawischen Publizistik war gelegentlich von „Podunavske Švabe“ die Rede.39 Dort gebrauchte man aber viel häufiger den Begriff der „Volksdeutschen“, um ihre Verbindung zum Deutschen Reich zu betonen und ihre Vertreibung zu rechtfertigen.40 Durch die kommunistische Geschichtsschreibung wurde dieser von den Nationalsozialisten geprägte Begriff noch fortgeführt, den diese erst seit der Unterordnung unter das Kommando der VoMi verwendet hatten. Vor 1937 hatte man in den Behörden des Reichs eher von „Auslandsdeutschen“ gesprochen. Bis dahin hatten die Schwaben in Jugoslawien und Rumänien ihre regionale Identität stärker betont als die Zuge-hörigkeit zu einem imaginären deutschen Volk.

    Der Sammelbegriff „Donauschwaben“ wird hier nicht nur für die bäuerlichen Nachkommen der im 18. Jahrhundert im Banat, in der Batschka, Baranja, teilweise auch Slawonien und Syrmien angesiedelten Kolonisten verwendet. Ich fasse darun-ter auch die Handwerker und Facharbeiter in den Städten des Banats, weil die meis-ten aus schwäbischen Landgemeinden stammten. Zwar wird im Bergland oft stolz auf die ursprüngliche Herkunft aus der Steiermark verwiesen. Doch prägend dürfte für diese Arbeiter seit Ende des 19. Jahrhunderts die deutsche Arbeiterkultur gewe-sen sein. Die Temeswarer und Reschitzer Arbeiterführer übernahmen vieles aus Deutschland sowie Österreich und schufen basierend auf den örtlichen Traditionen etwas Neues, das stark vom schwäbischen Umfeld geprägt war. Unter diesem Ge-sichtspunkt wird hier die Arbeiterkultur in die Geschichte der Donauschwaben in-tegriert.41

    37 beer, Mathias: Selbsthilfeinitiativen der Flüchtlinge und Vertriebenen. Die Entstehung des Hilfskomitees der Evangelischen Kirche aus Jugoslawien mit Sitz in Stuttgart. In: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, 55 (1996), 300–302; Ders.: Ulm. Schwaben und Do-nauschwaben. In: Baden-württembergische Erinnerungsorte. Hgg. v. Reinhold weber / Peter steinbAch / Hans-Georg wehling. Stuttgart 2012, 252–263.

    38 PAikert, Geza C: The Danube Swabians. German Population in Hungary, Rumania and Yugo-slavia and Hitler’s Impact on their Patterns. The Hague 1967.

    39 scherer, Anton: Felix Milleker (1858–1942). Persönlichkeit und Werk des Archäologen, Poly-histors und Schöpfers des Städtischen Museums zu Werschetz (Banat). München 1983, 29.

    40 Žiletić, Zoran: Die Geschichte der Donauschwaben in der Wojwodina. Zu ihrer Darstellung in Serbien und in Deutschland. In: Die Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa, Bd. 2. Hgg. v. Gerhard grimm / Krista zAch. München 1996, 223–236.

    41 Schüller geht bei der sehr umfangreichen Untersuchung der „Kämpfe um die deutsche Jugend“ zwischen 1918 und 1944 nicht auf die bis 1938 gut organisierte und mitgliederstarke Arbeiter-jugend ein. Auch Senz und Schödl erwähnten die Banater Sozialdemokraten nicht.

  • 20 1. Interethnische Beziehungen und Minderheitenpolitik im Vergleich

    Zur Vereinfachung werden deutsche Ortsbezeichnungen verwendet, das Regis-ter im Anhang enthält auch die Bezeichnungen in anderen Sprachen. Die Karten, die vom Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde erstellt wur-den, sollen die Orientierung erleichtern. Zur Entlastung werden Zeitungsartikel nicht mehr in der Bibliographie angeführt, eine Übersetzung der Titel zitierter Bü-cher befindet sich nur im Schriftenverzeichnis.

  • 2. DIE DONAUSCHWABEN UND IHRE NACHBARN VOR 1918

    2.1 DIE ENTSTEHUNG DER MULTIETHNISCHEN GESELLSCHAFT IM BANAT

    2.1.1 Grenzsicherung im österreichischen Banat durch Kolonisation

    Im Gegensatz zu den Siebenbürger Sachsen, deren Ansiedlung bereits im 13. Jahr-hundert begann, umfasst die Geschichte der Donauschwaben eine viel kürzere Zeit-spanne. In dieser Studie wird nur jenes Siedlungsgebiet der Donauschwaben unter-sucht, das heute in Rumänien und Serbien liegt. Das Gebiet des Banats (rum./serb. Banat, ung. Bánát) wird im Süden durch die Donau, im Westen durch die Theiß (rum./serb. Tisa, ung. Tisza), im Norden durch die Marosch (dt. auch Mieresch, rum. Mureş, serb. Mariš, ung. Maros) und im Osten durch das Randgebirge der Südkarpaten begrenzt. Teile der serbischen Wojwodina wie auch das Bergland um Reschitz gehörten meist zu dieser Verwaltungseinheit.1 Die Stadt Arad wird stel-lenweise auch in die Untersuchung einbezogen, weil von ihr wichtige Impulse für die Geschichte des Banats ausgingen.2

    Der Terminus Banat wurde schon vor dem 18. Jahrhundert verwendet, bezeich-nete aber erst seit der Einnahme des Gebietes durch die Habsburger 1717/ 1718 eine gesonderte Verwaltungseinheit.3 Er geht auf die Amtsbezeichnung des Banus zu-rück, der als Statthalter der ungarischen Könige ein begrenztes Territorium verwal-tete.4 Nachdem die Osmanen 1552 die Festung Temeswar (auch Temeschburg) erobert hatten, wurde das Banat tributpflichtig. Da es weiterhin kriegerische Ausei-nandersetzungen gab, wanderte ein großer Teil der Bevölkerung ab. Kaiserliche Truppen konnten erst 1717 unter der Führung von Prinz Eugen von Savoyen (1663–1736) die Festung Belgrad erobern. 1718 mussten die Osmanen durch den

    1 Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg betonten die Flüchtlinge aus dem Bergland um Re-schitz die Verschiedenartigkeit ihrer Herkunftsgebiete und Berufsstrukturen; so entstand der Heimatverband der Banater Berglanddeutschen. Vgl. gräf, Rudolf: Germanii din Banat sau istoria între două emigrari. In: Germanii din Banat prin povestirile lor. Hg. v. Smaranda Vultur. Bucureşti 2000, 15.

    2 Banater Bezirke waren unter ungarischer Verwaltung: Temes, Torontál und Krassó-Szörény, die unter rumänischer Verwaltung nach 1918 Timişoara, Torontal und Caraş-Severin hießen. Vgl. schmiDt-rösler, Andrea: Rumänien nach dem Ersten Weltkrieg. Die Grenzziehung in der Dobrudscha und im Banat und die Folgeprobleme. Frankfurt a. M. 1994, 6.

    3 rADy, Martyn: Controverse istorico-istoriografice privind toponimul „Banat“. In: Identitate şi cultură. Studii privind istoria Banatului. Hg. v. Victor neumAnn. Bucureşti 2009, 18–24.

    4 Die Stellung eines Banus entsprach etwa der eines Markgrafen in deutschen Gebieten. Vgl. DoceA, Vasile: A la recherche de Banat perdu. In: Cultures d’Europe Centrale, Hors série No. 4. Paris 2007, 58.

  • 22 2. Die Donauschwaben und ihre Nachbarn vor 1918

    Friedensvertrag von Passarowitz/Požarevac die Zugehörigkeit des Banats und wei-terer Gebiete zum Habsburger Reich anerkennen.5 Prinz Eugen wandte sich gegen die Reinkorporation des Banats in das Gefüge der ungarischen Verfassung. Er ver-wies darauf, dass die zurückeroberten Gebiete, die Ungarn angegliedert worden waren, keine Steuereinnahmen erbracht hatten. Da diese zum Unterhalt der Trup-pen unabdingbar waren, verhinderte er im Banat die Vergabe des Landes an adlige Großgrundbesitzer.6 Bis 1752 wurde das Banat gemeinsam vom Hofkriegsrat und der Hofkammer verwaltet. Nachdem die Kriegsgefahr gebannt war, etablierte sich eine Zivilverwaltung, und die Grundherrschaft unterstand der Domäne der Krone und Hofkammer. Der kaiserliche Statthalter Feldmarschall Claudius Florimund Graf de Mercy (1666–1734) organisierte die Besiedlung des durch den Krieg ver-ödeten Gebiets.7

    Der westliche Teil des Banats besteht aus einer Ebene, die zur Zeit der osmani-schen Herrschaft zum großen Teil Sumpfgebiet und daher spärlich besiedelt war. Die Militärverwaltung erfasste 1718 nicht die vorgefundenen Personen, sondern 21 089 Rauchfänge. Bei der Annahme, dass mindestens vier Personen in einem Haus lebten, zählt man eine Gesamtbevölkerung von etwa 85 000 Personen. So-wohl die mehrheitlich rumänische Bevölkerung im Osten als auch die Serben im Westen lebten zumeist von Weidewirtschaft, die geringe Erträge erbrachte.8 Auf-grund der jahrelangen Kriege war es für die Bauern am sichersten, ihre Herden weitab von den Ortschaften zu halten, damit sie bei Überfällen geschützt waren. Landwirtschaft wurde nur für den Eigenverbrauch betrieben.9

    Die kaiserlichen Behörden verboten den Serben und Rumänen das Herumzie-hen mit ihren Viehherden (Transhumanz) und verordneten ihnen Sesshaftigkeit. Da die Erträge der Bauern nicht zur Verpflegung der dort zu stationierenden Truppen reichten, begann die Kolonisierung.10 Anfangs wurde vor allem der Zuzug von Un-garn, Serben, Rumänen und Bulgaren aus der Umgebung gefördert. Seit 1722 such-ten besoldete Werber, Kolonisten aus weiter entfernten Gebieten zu gewinnen, in-dem sie Bauern fruchtbare Bodenparzellen, Saatgut und Unterstützung beim Haus-bau in Aussicht stellten. Die Transporte der Kolonisten auf der Donau wurden mit Flössen und Schiffen ab Ulm organisiert. Besonders viele Kolonisten kamen aus der Rheinpfalz, Franken, Württemberg, Hessen und Bayern.11

    5 Der Konflikt umfasste auch das angrenzende nördliche Serbien, Teile Bosniens und die soge-nannte Kleine Walachei (Oltenien). Vgl. roth, Harald / schmitt, Oliver Jens: Im Zeichen im-perialer Herrschaft: das christlich beherrschte Südosteuropa in der Frühen Neuzeit. In: Ge-schichte Südosteuropas. Hgg. v. Konrad clewing / Oliver Jens schmitt. Regensburg 2011, 317.

    6 JorDAn, Sonja: Die kaiserliche Wirtschaftspolitik im Banat im 18. Jahrhundert. München 1967, 18.

    7 gräf, Rudolf: Judeţul Caraş-Severin, o regiune industrială veche. In: Calea fierului din Banat. Resiţa 2000, 149.

    8 wolf, Johann: Siedlungsgeschichte der Banater Schwaben 1717–1778. In: Geschichte der Deutschen auf dem Gebiet Rumäniens, Bd. 1. Hg. v. Carl göllner. Bukarest 1979, 280.

    9 Petri, Anton Peter: Die Festung Temeschwar im 18. Jahrhundert. München 1966, 3. 10 fAtA, Márta: Einwanderung und Ansiedlung der Deutschen (1686–1790). In: Land an der Do-

    nau. Hg. v. Günter schöDl. Berlin 1995, 148.11 wolf, Johann: Banater deutsche Mundartenkunde. Bukarest 1987, 26.

  • 232.1 Die Entstehung der multiethnischen Gesellschaft im Banat

    Die Kolonisten gelangten in drei Migrationswellen ins Banat, für die sich spä-ter der Ausdruck „Schwabenzüge“ einbürgerte. Unter dem letzten römisch-deut-schen Kaiser Karl VI. von Habsburg (1685–1740) entstanden zwischen 1722 und 1726 bäuerliche Siedlungen entlang der Donau, Marosch und Theiß. Dieser erste „Schwabenzug“ wurde durch den Krieg gegen die Osmanen ab 1736 unterbrochen. Die osmanischen Truppen drangen 1738 ins Banat vor und eroberten auch die Fes-tung Belgrad. Viele der 1718 erworbenen Gebiete gingen verloren, nur ein Teil der Bevölkerung konnte fliehen.12 Nach der Rückeroberung prüfte eine Hofkommis-sion 1740 die Lage im Banat: Von 50 Siedlungen bestanden nur mehr 21. Auch viele Bergwerke und Manufakturen waren geplündert und zerstört worden. Die Pläne zur Erweiterung des Siedlungswerkes wurden durch den Siebenjährigen Krieg mit Preußen (1756–1763) aufgeschoben. Nach Kriegsende bestand durch den Verlust Schlesiens großer Bedarf an Getreide. 1766 wurde die Ansiedlungskommis-sion erneut aktiv, um Kolonisten für das Banat anzuwerben.13

    Die Kolonisten wurden zuerst in der „Militärgrenze“ angesiedelt. Das waren jene Gebietsstreifen entlang der Grenze zum Osmanischen Reich, die nun von der kroatischen Küste bis nach Siebenbürgen reichten und einen Schutzgürtel bilden sollten. Diese Gebiete unterstanden dem Wiener Hofkriegsrat und die Männer leis-teten Militärdienst in beweglichen Einheiten in der Region. Nach der Ausbildung erhielten sie Boden und konnten weiterhin für die Abwehr von Angriffen eingezo-gen werden. Im Banat wurden die Rumänen im Walachischen, die Serben im Illyri-schen und die zumeist deutschsprachigen Kolonistensöhne im Deutsch-Banater Regiment zusammengefasst. Als Stabsort des Rumänischen Regiments errang Ka-ransebesch, des Illyrischen Regiments Werschetz und des Deutschen Regiments Pantschowa/Pačevo Bedeutung. Innerhalb der Militärgrenze entstanden deutsche, rumänische und serbische Volksschulen, damit die späteren Soldaten Grundfertig-keiten erwarben.14

    Da es bei der ersten Ansiedlung im Banat vor allem um die Sicherung des Ge-bietes durch Peuplierung ging, wurde der Zuzug aller Ethnien akzeptiert. Bei der zweiten Migrationswelle spielten ökonomische Erwägungen eine zentrale Rolle; deshalb wurden gezielt deutschsprachige Kolonisten angeworben. In der Regie-rungszeit von Maria Theresia begann der planmäßige Ausbau von Kolonistendör-fern. Die Investitionen des Wiener Hofes sollten möglichst hohe Gewinne einbrin-gen, da der Siebenjährige Krieg die Staatskasse stark belastet hatte. Mit dem zwei-ten „Schwabenzug“ zwischen 1763 und 1772 kamen etwa 30 000 Kolonisten ins Banat. In diesen Jahren wurden die Siedlungen systematisch aufgebaut, und durch ihre schachbrettartige Anlage sind sie heute noch zu erkennen. Angestrebt wurden geschlossene katholische Ortschaften und die vorgefundenen Rumänen und Serben oft umgesiedelt.15 Die sogenannte Transferierung der Rumänen und Serben wurde auch damit legitimiert, dass die Halbnomaden den Ackerboden nicht effektiv nutz-

    12 heinisch, Reinhard Rudolf: Ungarns Weg in die Habsburgermonarchie (1526–1790). In: Land an der Donau. Hg. v. Günter schöDl. Berlin 1995, 215.

    13 JorDAn, Die kaiserliche Wirtschaftspolitik, 76, 79 und 99.14 wolf, Siedlungsgeschichte, 293; Wolf, Das Banat, 907–908.15 Bocşan, Nicolae: Populaţionismul în politica reformistă a Habsburgilor în Banat în secolul al

  • 24 2. Die Donauschwaben und ihre Nachbarn vor 1918

    ten. Die kaiserliche Ansiedlungsbehörde stellte ihnen in der Hügellandschaft neuen Grund zur Verfügung. Doch die Gründung vieler Kolonistendörfer schränkte den Raum ein, den ihre extensive Viehzucht benötigte. Einige Rumänen und Serben übernahmen die Anbaumethoden der Siedler, sie ersetzten als Zugtiere die Ochsen durch Pferde. Die Schwaben wiederum begannen nach der Art der Viehzüchter, Mais als Futter- und Nahrungspflanze anzubauen. Auch die Dreschmethode der Rumänen und Serben, bei der das Vieh das Getreide austrat, übernahmen sie. Kon-flikte entstanden, wenn etwa das frei herumlaufende Vieh der Serben die landwirt-schaftlichen Erträge der Kolonisten reduzierte. Die Kolonisten ersuchten in Petiti-onen an Kaiser Joseph II. um „Separation“, die aber erst nach mehreren Eingaben bewilligt wurde.16 Überliefert sind gelegentliche Erhebungen von Rumänen gegen die Kolonisten, woraufhin Strafaktionen erfolgten.17

    Um neue Ackerflächen für die Kolonisten zu gewinnen, wurden Sümpfe durch ein umfangreiches Kanalsystem trockengelegt. Besonders wichtig war die Kanali-sierung der Bega, weil sie auch die Wasserversorgung von Temeswar sicherte. Diese Stadt wuchs besonders schnell, der Schifffahrtskanal verband sie mit Groß-betschkerek / Nagy Becskerek / Veliki Bečkerek (Petrovgrad, seit 1946 Zrenjanin). Bei den Kanalarbeiten starben viele Kolonisten an Seuchen wie Malaria und Pest. Kolonisten, Rumänen und Serben wurden für Arbeiten an den Kanälen zwangsver-pflichtet.18 Nach der Trockenlegung der Sümpfe zwischen Bega und Temesch ging die Malaria zurück, und nordwestlich der Festung Temesvar entstand fruchtbares Heideland. Vor allem dort erhielten spätere Kolonisten Boden zur Bearbeitung, Ei-gentümer blieb der Staat. Die Siedler zahlten nach den abgabefreien Jahren Steuern in Naturalien oder Geld.19 Auf den kaiserlichen Domänen in der Heide sowie in der benachbarten Batschka wurden auch einige Kolonisten aus Lothringen und Luxem-burg angesiedelt. Die französisch sprechende Bevölkerung nahm bald deutsche Mundarten an, behielt aber ihre ursprünglichen Familiennamen.20

    Die Kolonisten versorgten vor allem die wichtige Festung Temeswar. Dorthin brachte die Ansiedlungsbehörde zum Bau von Befestigungen, Kasernen und öffent-lichen Gebäuden viele Handwerker. Bereits im 18. Jahrhundert entstanden einige Manufakturen. Die Militärverwaltung akzeptierte anfangs innerhalb der Festungs-mauern nur Katholiken. Die orthodoxen Rumänen und Serben sowie die wenigen Juden mussten in die Vororte umziehen. Später konnten Juden nach Zahlung einer

    XVIII-lea. In: Sabin Manuilă. Istorie şi demografie. Hgg. v. Sabrina boloVAn / Ioan boloVAn. Cluj-Napoca 1995, 80; wolf, Zur Genese der historischen Kulturlandschaft Banat, 34.

    16 cAsAgrAnDe, Die volksdeutsche SS-Division, 96–97; fAtA, Einwanderung, 160.17 leu, Valeriu: Imaginea germanului la românii din Banat. In: Germanii din Banat prin povesti-

    rile lor. Hg. v. Smaranda Vultur. Bucureşti 2000, 43–44.18 nArAi, Eusebiu-Marcel: Aspecte privind situaţia minorităţii germane din judeţele Caraş şi Se-

    verin în anii 1944–1948. In: Analele Banatului, SN., Arheologie-Istorie, XVI (2008), 309. 19 senz, Ingomar: Die Ansiedlungsgebiete der Deutschen im Königreich Ungarn während des 18.

    und 19. Jahrhunderts. In: Die Deutschen in Ostmittel- und Südosteuropa, Bd. 1. Hgg. v. Ger-hard grimm / Krista zAch. München 1995, 160–161.

    20 Etwa in Triebswetter/Tomnatic und Mercydorf/Merţişoara-Carani hielten sich lange die franzö-sischen Namen der Lothringer. Vgl. Vultur, Smaranda: Francezi în Banat, bănăţeni în Franţa. Timişoara 2012, 20.

  • 252.1 Die Entstehung der multiethnischen Gesellschaft im Banat

    Toleranzgebühr innerhalb der Festung ihren Berufen nachgehen. Die Gebühr wurde in der Judenordnung von 1776 verdoppelt, darum zogen erst nach ihrer Aufhebung mehr Juden zu.21 Das – verglichen mit den Kolonisten – ärmlichere Leben der Ru-mänen und Serben im Umland führte ein Zeitzeuge auf ihre vielen Fasttage zurück, an denen sie nicht arbeiteten. Außerdem beschrieb Johann Kaspar Steube (1747–1795) die Abneigung der Rumänen dem Handel gegenüber. Den Verkauf ihrer über-schüssigen Güter überließen sie zumeist Juden.22

    Die dritte Migrationswelle erfolgte in der Regierungszeit von Joseph II. zwi-schen 1782 und 1786. Nun wurden den Angesiedelten die Kosten der Reise nicht mehr ersetzt, es kamen nur ca. 30 000 Kolonisten vor allem aus der Pfalz. Während bei den ersten beiden Migrationswellen grundsätzlich Katholiken angesiedelt wur-den, befanden sich unter dem „dritten Schwabenzug“ auch Lutheraner, weil der Kaiser im Toleranzpatent von 1781 Religionsfreiheit gewährt hatte.23 Sie erreichten im Banat bis 1851 eine Anzahl von 50 911, während sich 614 577 Katholiken dort ansiedelten.24

    Die Nachkommen der Kolonisten glichen im Laufe von zwei bis drei Genera-tionen ihren Lebensstil und Sprechweise an. In zwei Drittel der Banater Schwaben-dörfer wurde eine rheinfränkische Mundart gesprochen. Die Bauern in den nördlich der Marosch gelegenen Dörfern sprachen die oberfränkische und im Bergland die nordbayerische Mundart. Aus den vielen deutschen Mundarten entwickelte sich bis zum 19. Jahrhundert ein regionalspezifischer Dialekt, der als „Schwäbisch“ be-zeichnet wurde. Auch bei der Kleidung waren Annäherungen festzustellen, wobei aber eine Vielfalt bestehen blieb.25 Im Nordosten dominierten geschlossene Dorf-anlagen, im gebirgigen Südosten dagegen locker strukturierte Dörfer und in höhe-ren Lagen Streusiedlungen. Insgesamt waren in den drei Migrationswellen etwa 100 000 bis 120 000 Menschen ins Banat eingewandert. Dadurch veränderte sich neben der ethnischen Struktur der gesamte ländliche Raum.26

    2.1.2 Modernisierung und Magyarisierung

    Von staatlicher Seite wurde aus strategischen Gründen bereits Ende des 18. Jahr-hunderts die Infrastruktur ausgebaut. Durch das verbesserte Straßensystem konnten

    21 JorDAn, Die kaiserliche Wirtschaftspolitik, 28; mArin, William: Kurze Geschichte der Banater Deutschen. Timişoara 1980, 23.

    22 Steube war als Söldner um 1780 im Banat stationiert und publizierte 1791 einen Bericht. Vgl. steube, Johann Kaspar: Von Amsterdam nach Temiswar. Wanderschaften und Schicksale. Ber-lin 1884 (2. Auflage), 164 und 177.

    23 Lutheraner wurden zumeist in der Batschka und Slawonien angesiedelt, nur wenige kamen ins Banat. Vgl. wilD, Georg: Die deutsche evangelische Kirche in Jugoslawien 1918–1941. Mün-chen 1980, 17–18.

    24 neumAnn, Identităţi, 56.25 senz, Ingomar: Donauschwäbische Geschichte, Bd. 2, Wirtschaftliche Autarkie und politische

    Entfremdung 1806 bis 1918. Wien 1997, 150; wolf, Siedlungsgeschichte, 307; wolf, Die Banater deutsche Mundartenkunde, 26.

    26 wolf, Das Banat, 911 und 913.

  • 26 2. Die Donauschwaben und ihre Nachbarn vor 1918

    auch Überschüsse der Kolonisten zum Verkauf in die Städte gebracht werden. Auf dem Kanal der Bega zwischen Temeswar und Großbetschkerek wurden flussauf-wärts mit Schleppschiffen Weizen und Mais transportiert.27 Mittels der von den Kolonisten eingeführten Dreifelderwirtschaft entwickelten sich das Banat und die Batschka im 19. Jahrhundert zur Kornkammer Mitteleuropas. Temeswar fungierte als Hauptstapelplatz des Handelsverkehrs nach Siebenbürgen und wurde so zu ei-nem Wirtschaftszentrum.

    Einer merkantilistischen Wirtschaftspolitik folgend forcierten die Zentralbe-hörden die Förderung von Bodenschätzen. Auf dem Gebiet des Banats befanden sich wichtige Vorkommen von Silber, Kohle, Eisenerz, Blei, Zink und Kupfer. Im Bergland wurden auch Kupfer- und Manganerze abgebaut. Zur Förderung dieser Bodenschätze wurden seit 1720 Bergleute aus Österreich (Steiermark, Tirol, Ober-österreich), Böhmen und der Zips angesiedelt. Die Steinkohlelager in Steierdorf und das Eisenerz aus Bokschan/Boksan/Bocşan ermöglichten die Metallverarbei-tung, für die man Facharbeiter anwarb.28 In Reschitz entstanden 1772 Hochöfen, mit deren Hilfe vor allem Kanonen und Kanonenkugeln, aber auch Öfen und Werk-zeuge hergestellt wurden. Die Qualifikation als Fachkraft für Bergbau, Forst- oder Hüttenwesen war entscheidende Voraussetzung für die Anwerbung. Daher siedel-ten sich nicht nur Deutschsprachige an, sondern auch Polen, Tschechen und Italie-ner aus vielen Teilen der Monarchie. Um Reschitz herum wurde ein Kanalsystem von 78 km Länge angelegt, um den großen Holzbedarf der Hüttenwerke zu decken. Die dafür nötigen Forstarbeiter warb man ebenfalls aus vielen Teilen der Monarchie an.29 Die gezielte Werbung von Facharbeitern legte die Grundlage für industriali-sierte Inseln im Bergland und in Temeswar. Durch die prosperierende Landwirt-schaft konnten sie versorgt werden. Die Aufhebung der Grundherrschaft ermög-lichte vielen Schwaben den Übergang zum Fruchtwechsel. Dagegen betrieben Ru-mänen und Serben aufgrund ihrer kleinen Parzellen zumeist weiterhin die Dreifel-derwirtschaft.

    Die Volkszählung von 1770 im Banat (ohne Gebiete der Militärgrenze) erfasste insgesamt 319 928 Einwohner, davon waren 181 639 Rumänen, 78 780 Serben, 43 201 neue Ansiedler aus dem Westen, 8683 Bulgaren und andere. Unter den Ko-lonisten sollen ungefähr 40 000 deutscher Herkunft gewesen sein, der Rest Italie-ner, Franzosen und andere.30

    1778 geriet der größte Teil des Banats unter ungarische Verwaltung, nur das Bergland blieb bis zur Auflösung der Militärgrenze 1873 unter österreichischer Ho-heit. Das Banat wurde in die drei Komitate Temes/Temesch, Torontál/Torontal und

    27 born, Peter: Bollwerk und merkantilistisches Laboratorium. Das Temeswarer Banat in der Planung der Wiener Zentralstellen 1716–1778. In: Grenzregionen der Habsburgermonarchie im 18. und 19. Jahrhundert. Ihre Bedeutung und Funktion aus der Perspektive Wiens. Hg. v. Hans-Christian mAner. Münster 2005, 37–49.

    28 creţiu, Ioan: Consideraţiuni istorice şi demografice privind evoluţia structurii etnice a popu-laţiei din Oraviţa în decursul sec. XVIII, XIX, XX. Oraviţa 2007, 46.

    29 hromADkA, Georg: Kleine Chronik des Banater Berglands. München 1993, 42 und 45.30 Wolf, Siedlungsgeschichte, 303.

  • 272.1 Die Entstehung der multiethnischen Gesellschaft im Banat

    Krassó/Karasch unterteilt.31 Ungarische Adlige beanspruchten nun jene Lände-reien, die ihren Familien vor der osmanischen Besetzung gehört hatten. Sie brach-ten ungarische und slowakische Landarbeiter mit, und auch einige ungarische, ru-mänische und ruthenische (ukrainische) Bauern aus kargeren Regionen wie der Maramuresch zogen zu.32 Da die Kolonisten den Boden zur Erbpacht und nicht als Eigentum erhalten hatten, wurden sie in einigen Orten Abhängige ungarischer Ad-liger, die fruchtbares Land vom Staat erwarben. Die nicht verkauften Dörfer unter-standen der ungarischen Hofkammer. Erst durch den kaiserlichen Erlass zur Grund-entlastung von 1853/1854 wurden alle Bauern rechtmäßige Besitzer von Haus und Hof. Danach konnten sie ihn vererben, teilen oder verkaufen. Einige Schwaben brachten es zu Wohlstand und erweiterten ihre Höfe durch einen Querbau. Manch-mal übernahmen reiche rumänische oder serbische Nachbarn die neue Struktur der Anwesen.33 Die Einsetzung von Arbeitsmaschinen konnten sich nur wohlhabende Schwaben leisten, die ihre Anbauflächen ausgeweitet hatten. Gute Erfolge erzielten die Nachfahren der Kolonisten durch Pferdezucht und die Stallhaltung aller Tiere.34

    Um das Getreide schnell und billig nach Österreich zu transportieren, wurde seit 1857 der Anschluss von Temeswar an die Eisenbahnlinie Szegedin-Pest-Wien ausgebaut. 1858 kam der Anschluss nach Arad hinzu. Besonders in Temeswar ent-standen kleine Fabriken, die Textilwaren, Wagenteile und Möbel herstellten. Auf den Jahrmärkten verkauften die Bauern Pferde, Rinder und Schweine und erwarben Fabrikwaren.35 Auch die Viehzucht gestaltete sich durch den Anbau von Futter-pflanzen immer effektiver. Einige Bauern wurden reich und konnten sich Maschi-nen leisten, wodurch die Produktivität zunahm. Gewinne investierten sie nun auch in den Anbau von Tabak und Hanf. Auf den sandigen Böden um Werschetz sowie in Weißkirchen/Fehértemplon/Bela Crkva, Franzfeld/Ferenchalom und Triebswet-ter/Nagyösz/Tomnatic bauten sie Wein an. Werschetz wurde 1858 an die Bahnlinie nach Temeswar angeschlossen. Dadurch erweiterten sich die Absatzmöglichkeiten für die Weinproduktion; kleine Unternehmen und Kreditinstitute entstanden.36

    31 Die faktische Integration wurde erst 1779 vollzogen, diese Einteilung bestand bis 1918. In den Sprachen der Region hießen sie: Komitat Temesch, ung. Temes vármegye, rum. comitatul Timiş, serb. Tamiška županija, Komitat Torontal, ung. Torontál vármegye, rum. comitatul To-rontal, serb. Torontalska županija und Karasch, ung. Krassó vármegye, rum. comitatul Caraş, serb. Krašovska županija. Nach der Auflösung der Militärgrenze entstand das vergrößerte Dop-pelkomitat Karasch-Severin, ung. Krassó-Szörény vármegye, rum. comitatul Caraş-Severin, serbokr. Krašo-Severinskavska županija. Vgl. wolf, Zur Genese, 17 und 19.

    32 bAtt, Reinventing Banat, 182.33 konschitzky, Walther: Interethnische Aspekte in der Banater Dorfarchitektur. In: Kulturraum,

    345 und 349.34 engelmAnn, Nikolaus: Die Banater Schwaben. Auf Vorposten des Abendlandes. Freilassing

    1966, 80; hePPner, Harald: Die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Siedlungsgebiete in Südosteuropa für das Habsburgerreich 1720–1918. In: Die Deutschen in Ostmittel- und Süd-osteuropa, Bd. 1. Hgg. v. Gerhard grimm / Krista zAch. München 1995, 98.

    35 geml, Josef: Alt-Temesvar im letzten Jahrhundert 1870–1920. Timişoara 1927, 260–261.36 gottAs, Friedrich: Die Deutschen in den Ländern der Ungarischen Krone (1790–1867). In:

    Land an der Donau. Hg. v. Günter schöDl. Berlin 1995, 285–289; senz, Die Ansiedlungsge-biete, 162 und 167.

  • 28 2. Die Donauschwaben und ihre Nachbarn vor 1918

    In Temeswar zeigte sich der Wohlstand durch viele neue Amtsgebäude und Kirchen. Der Dom wurde prunkvoll ausgestaltet, das Hauptaltarbild erstellte der Rektor der Wiener Akademie der Bildenden Künste. Viele Künstler fanden in Te-meswar Aufträge, und das Kunstgewerbe wurde systematisch unterrichtet.37 Te-meswar erlangte 1781 den Status einer königlichen Freistadt und war von zahlrei-chen Abgaben befreit. 1778 hatte die Stadt mitsamt den Vororten rings um die Fes-tung bereits etwa 6700 Einwohner. Viele Menschen arbeiteten in Textilmanufaktu-ren und Bierbrauereien. Temeswar und Großbetschkerek waren führend im Getrei-dehandel, Arad und Werschetz hingegen im Weinhandel. Der Handel konnte sich entfalten, weil viele Sparkassenfilialen entstanden. Auch eine Handelskammer wurde in Temeswar gegründet. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung kamen An-fang des 19. Jahrhunderts noch einige Zuwanderer ins Banat. Besonders durch den natürlichen Zuwachs der Kolonisten erreichte die Zahl der Deutschsprachigen 1840 bereits 207 720. Insgesamt hatte das Banat 1847 zusammen mit dem Komitat Arad 1 129 486 Einwohner.38 Nach 1867 wurden noch einige ungarische und slowaki-sche Bauern angesiedelt sowie Böhmen als Forstarbeiter angeworben. 1887 stellten die Behörden die Kolonisation im Banat ein. Die erste ungarische Volkszählung von 1870 ermittelte im Banat 1,33 Millionen Einwohner.39

    Durch die Eingliederung des Banats in ungarische Verwaltungsstrukturen war das Ungarische seit 1844 Amtssprache. Zuvor war im Schriftverkehr vor allem das Lateinische verwendet, aber die Verhandlungen in deutschen Ortschaften waren zumeist in deutscher Sprache abgewickelt worden. Nun sollten nur noch ungarisch sprechende Notare und Lehrer eingestellt werden. Das deutsche Schulwesen konnte sich noch eine Weile behaupten. Bei der Angliederung des Banats an Ungarn 1778 existierten 46 deutsche Schulen. Weitere zwölf bestanden innerhalb der Militär-grenze, jenes Gebietes, das weiterhin dem Wiener Hofrat unterstand. Besonders der Leiter der Lehrerbildungsanstalt (damals Normalschule genannt) in Temeswar wehrte sich gegen die Magyarisierung. 1823 gab es 135 deutsche Schulen in den Komitaten Temesch, Torontal und Karasch-Severin.40

    Während der ungarischen Revolution von 1848 forderten die Serben im Banat im Gegenzug für die Unterstützung Wiens eine eigenständige Wojwodschaft.41 Im Oktober 1849 wurde das ungarische Heer von den österreichisch-russischen Trup-pen besiegt. Die Vertreter der schwäbischen Gemeinden formulierten in einer Bitt-schrift an den Kaiser den Wunsch, dass sie ihre Muttersprache in den öffentlichen Geschäften verwenden durften. Sollten die Serben und Rumänen außerdem eigene Vertreter erhalten, wollten sie einen deutschen Grafen nach dem Vorbild der Sie-

    37 PoDliPny-hehn, Annemarie: Ein stetes Geben und Nehmen. Wechselwirkungen im Bereich der bildenden Kunst des multiethnischen Banats. In: Kulturraum, 358.

    38 wolf, Die Banater Schwaben, 315, 317 und 319.39 bAier, Hannelore u. a. Geschichte und Traditionen der deutschen Minderheit in Rumänien.

    Mediaş 2011 (4. Auflage), 27; wolf, Zur Genese, 49.40 nägler, Thomas / lessl, Erwin: Die Kultur der Banater Schwaben. In: Geschichte der Deut-

    schen auf dem Gebiet Rumäniens, Bd. 1. Hg. v. Carl göllner. Bukarest 1979, 359. 41 Sie stießen dabei auf rumänischen Widerstand. Vgl. roksandić, Drago: Austroslavistische Ten-

    denzen bei den Serben. In: Der Austroslavismus. Ein verfrühtes Konzept zur Neugestaltung Mitteleuropas. Hg. v. Andreas moritsch. Wien u. a. 1996, 145.

  • 292.1 Die Entstehung der multiethnischen Gesellschaft im Banat

    benbürger Sachsen. In dieser Petition bezeichneten sich die Schwaben erstmalig als eigenen „Volksstamm“. Ein gesonderter Schutz der Kolonisten war nicht erforder-lich, denn ein kaiserliches Handschreiben verfügte am 18. November 1849 die Bil-dung des eigenständigen Kronlandes „Serbische Wojwodschaft und Temes(ch)er Banat“, das auch Nordsyrmien und die Batschka umfasste. In Temeswar wirkten bis 1860 österreichische Beamte, die sich der deutschen Sprache im Amtsverkehr be-dienten.42 Das deutsche Schulwesen wurde belebt, und 1852 entstand die katho-lisch-deutsche Lehrerbildungsanstalt in Werschetz. Mit dem Oktoberdiplom von 1860 wurde das Kronland aufgehoben, die österreichischen Beamten zogen groß-teils ab. Nach dem Ausgleich von 1867 wurde schrittweise die ungarische Amts-sprache eingeführt.43

    Im Nationalitätengesetz von 1868 wurde die magyarische Staatsnation mit ei-ner Amtssprache festgeschrieben. Die Angehörigen der Nationalitäten erhielten nur eine Garantie ihrer individuellen Rechte und allgemeiner Rechtssicherheit. An kol-lektiven Rechten billigte man ihnen den Gebrauch ihrer Sprachen in Komitats- und Gemeindeversammlungen zu. Doch der gesamte öffentliche Raum war von einer raschen Magyarisierung geprägt. Gemäß der Volkszählung von 1880 stellten die Magyaren nur 44,9% der Gesamtbevölkerung. Daher versuchte die Regierung, möglichst viele Angehörige von Minderheiten zu assimilieren. Der gesellschaftli-che Umbruch durch die Industrialisierung sollte dazu genutzt werden, die alten kollektiven Identitäten der ethnischen Minderheiten aufzulösen und ihre Mobilisie-rung als politische Gruppen zu verhindern.44 Die Schwaben waren aufgrund ihrer katholischen Religion leichter als die orthodoxen Serben und Rumänen zu assimi-lieren. Um 1910 gab es im Banat und in der Batschka mehr serbische als deutsche Schulen.45 Die 1,8 Millionen Deutschen waren nach den Rumänen die zweitgrößte Minderheit in Ungarn; das entsprach 13,1% der Gesamtbevölkerung. Zwischen den Volkszählungen von 1880 und 1910 vollzog etwa eine halbe Million Deutscher die Magyarisierung. Der stärkste Rückgang der Deutschsprachigen war in Budapest zu verzeichnen.46

    Der Ausbau des Staatsapparates und die Zentralisierung setzten Impulse zur Industrialisierung. Zwar wirkte der ungarische Staat weniger durch direkte Förde-rung der Industrie, wie das von Wien aus geschehen war. Doch er schuf die Vorbe-dingungen für das Wirtschaftswachstum, indem er die Infrastruktur stark verbesser-

    42 Petri, Anton Peter: Josef Novak und die Bittschriften an den Kaiser. München 1963, 40; til-koVszky, Loránt: Zeitgeschichte der Ungarn-Deutschen seit 1919 mit einer Vorgeschichte. Bu-dapest 1991, 22.

    43 kessler, Karl: Rudolf Brandsch. München 1969, 26; Deutsch-serbisches schulisches Miteinan-der. Hg. v. Josef Volkmar senz. München 1979, 43.

    44 schöDl, Günter: Am Rande des Reichs, am Rande der Nation: Deutsche im Königreich Ungarn (1867–1914/18. In: Ders., Land an der Donau. Berlin 1995, 355 und 357.

    45 bethke, Carl: Die Ungarn in der Vojvodina. Historisches Erbe, Schulunterricht und Geschichts-bücher. Rückblicke und Perspektiven. In: Jahrbücher für Geschichte und Kultur Südosteuro-pas, 4 (2002), 248.

    46 fischer, Holger / günDisch, Konrad: Eine kleine Geschichte Ungarns. Frankfurt a. M. 1999, 138; schöDl, Am Rande, 370.