18 PFLANZENBAU | Kartoffeln Mit eiserner Ausdauer gegen ... · Frühlingssaat von mit Sma-ragd...

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PFLANZENBAU | Kartoffeln die grüne | Nr. 23/2013 18 «A ls wir vor 20 Jah- ren mit dem Kar- toffelbau anfin- gen, hatten wir kaum Draht- wurmschäden. Gemäss dem IP-Gedanken verzichteten wir deshalb auf drahtwurmge- beiztes Saatgut», erzählt Ruedi Bühler, 50-jähriger Landwirt aus dem Kanton Bern. Innert weniger Jahre hätten danach die Drahtwurm-Schäden mas- siv zugenommen. «Das ging bis zum Totalausfall.» Schliess- lich hat Bühler sich an die For- schungsanstalt gewandt. «Sie empfahlen mir, Fipronil-ge- beizten Hafer als Zwischen- kultur vor den Kartoffeln an- zubauen. Damit habe ich die Situation relativ schnell wie- der in den Griff bekommen.» Ihm graut vor dem Gedanken, dass es jetzt wieder von vorne losgeht. «Diesmal wird es schwieriger sein, eine griffige Massnahme zu finden», so Ruedi Bühler. Elegante Lösung: Mit Regent gegen den Drahtwurm In den letzten Jahren war eine mit Regent gebeizte Vor- oder Zwischenkultur denn auch die wirksamste und ele- ganteste Lösung gegen den Drahtwurm. Regent enthält den Wirkstoff Fipronil, an dem die Drahtwürmer zu- grunde gehen. Entsprechend drahtwurmarm war die Par- zelle für den nachfolgenden Kartoffelanbau. Letztes Jahr wurde Regent vom Hersteller Omya zurück- gezogen. In der Schweiz ist die Bewilligung beendet. Allfälli- ge Reste müssen bis am 11. April 2014 aufgebraucht werden. Irene Vonlanthen, Geschäftsführerin der Verei- nigung Schweizerischer Kar- toffelproduzenten, macht sich Sorgen: «Der Drahtwurm ist im Kartoffelanbau ein grosses Problem, das man bisher aber im konventionellen Anbau ziemlich gut lösen konnte. Jetzt liegt die Hoffnung auf Goldor Bait.» Hoffnungsschimmer am Horizont: Goldor Bait Goldor Bait enthält ebenfalls den Wirkstoff Fipronil. Das Gesuch zur Bewilligung in der Schweiz ist beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) im Moment noch hängig. Zum Stand des Bewilligungsverfah- rens darf Olivier Félix, Leiter der Fachstelle Pflanzenschutz des BLW, keine Aussage ma- chen. «Wir sind uns bewusst, dass die Drahtwurmsituation schwieriger geworden ist», sagt er. «Allerdings kann man nach wie vor im Herbst ge- beiztes Getreide säen. Noch unklar ist aber, wie gut die Wirkung im nachfolgenden Kartoffelbau ist.» Goldor Bait ist ein Granulat, das mit der Methode «Attract and kill» (anziehen und töten) arbeitet. Das Granulat besteht aus einer Mischung, in der un- ter anderem Maisstärke vor- handen ist. Nach der Ausbrin- gung wird CO 2 freigesetzt. Dies lockt die Drahtwürmer an, da sie Wurzeln vermuten. Das im Goldor Bait enthaltene Fipronil tötet die Drahtwür- mer schliesslich. Suspendierte Neonicotinoide Zwei Wirkstoffe, die bislang auch als Beizmittel gegen Drahtwürmer eingesetzt wer- den konnten, werden ab 1. Dezember 2013 suspen- Mit eiserner Ausdauer gegen den Drahtwurm Ab 2014 wird es schwierig mit dem Drahtwurm: Bis jetzt hatte eine mit Regent gebeizte Vorkultur gut gewirkt. Regent wird jedoch nicht mehr hergestellt. Für die Alternative Goldor Bait ist die Bewilligung beim BLW noch hängig. Für den Biolandbau ändert sich nichts: Drahtwurm-Probleme sind an der Tages- ordnung. Und am Agroscope forscht man mit entomopathogenen Pilzen. Als Drahtwürmer werden die Larven diverser Schnellkäferarten bezeichnet. Sie ernähren sich insbesondere von unterirdischen Pflanzenteilen. Bild: Christian Schweizer, Agroscope

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PFLANZENBAU | Kartoffeln die grüne | Nr. 23/201318

«Als wir vor 20 Jah-ren mit dem Kar-toffelbau anfin-

gen, hatten wir kaum Draht-wurmschäden. Gemäss demIP-Gedanken verzichteten wirdeshalb auf drahtwurmge-beiztes Saatgut», erzählt RuediBühler, 50-jähriger Landwirtaus dem Kanton Bern. Innertweniger Jahre hätten danachdie Drahtwurm-Schäden mas-siv zugenommen. «Das gingbis zum Totalausfall.» Schliess-lich hat Bühler sich an die For-schungsanstalt gewandt. «Sieempfahlen mir, Fipronil-ge-beizten Hafer als Zwischen-

kultur vor den Kartoffeln an-zubauen. Damit habe ich dieSituation relativ schnell wie-der in den Griff bekommen.»Ihm graut vor dem Gedanken,dass es jetzt wieder von vornelosgeht. «Diesmal wird esschwieriger sein, eine griffigeMassnahme zu finden», soRuedi Bühler.

Elegante Lösung: Mit Regentgegen den DrahtwurmIn den letzten Jahren wareine mit Regent gebeizte Vor-oder Zwischenkultur dennauch die wirksamste und ele-ganteste Lösung gegen den

Drahtwurm. Regent enthältden Wirkstoff Fipronil, andem die Drahtwürmer zu-grunde gehen. Entsprechenddrahtwurmarm war die Par-zelle für den nachfolgendenKartoffelanbau.Letztes Jahr wurde Regent

vom Hersteller Omya zurück-gezogen. In der Schweiz ist dieBewilligung beendet. Allfälli-ge Reste müssen bis am11. April 2014 aufgebrauchtwerden. Irene Vonlanthen,Geschäftsführerin der Verei-nigung Schweizerischer Kar-toffelproduzenten, macht sichSorgen: «Der Drahtwurm ist

im Kartoffelanbau ein grossesProblem, das man bisher aberim konventionellen Anbauziemlich gut lösen konnte.Jetzt liegt die Hoffnung aufGoldor Bait.»

Hoffnungsschimmer am Horizont: Goldor BaitGoldor Bait enthält ebenfallsden Wirkstoff Fipronil. DasGesuch zur Bewilligung in derSchweiz ist beim Bundesamtfür Landwirtschaft (BLW) imMoment noch hängig. ZumStand des Bewilligungsverfah-rens darf Olivier Félix, Leiterder Fachstelle Pflanzenschutzdes BLW, keine Aussage ma-chen. «Wir sind uns bewusst,dass die Drahtwurmsituationschwieriger geworden ist»,sagt er. «Allerdings kann mannach wie vor im Herbst ge-beiztes Getreide säen. Nochunklar ist aber, wie gut dieWirkung im nachfolgendenKartoffelbau ist.»Goldor Bait ist ein Granulat,

das mit der Methode «Attractand kill» (anziehen und töten)arbeitet. Das Granulat bestehtaus einer Mischung, in der un-ter anderem Maisstärke vor-handen ist. Nach der Ausbrin-gung wird CO2 freigesetzt.Dies lockt die Drahtwürmeran, da sie Wurzeln vermuten.Das im Goldor Bait enthalteneFipronil tötet die Drahtwür-mer schliesslich.

Suspendierte NeonicotinoideZwei Wirkstoffe, die bislangauch als Beizmittel gegenDrahtwürmer eingesetzt wer-den konnten, werden ab1. Dezember 2013 suspen-

Mit eiserner Ausdauergegen den DrahtwurmAb 2014 wird es schwierig mit dem Drahtwurm: Bis jetzt hatte eine mit Regent gebeizte Vorkultur gut gewirkt. Regent wird jedoch nicht mehr hergestellt. Für die Alternative Goldor Bait ist die Bewilligung beim BLW noch hängig. Für den Biolandbau ändert sich nichts: Drahtwurm-Probleme sind an der Tages -ordnung. Und am Agroscope forscht man mit entomopathogenen Pilzen.

Als Drahtwürmer werden die Larven diverser Schnellkäferarten bezeichnet. Sie ernähren sich insbesonderevon unterirdischen Pflanzenteilen.

Bild: C

hristian Schw

eizer, Ag

roscope

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diert. Clothiadinin (Poncho,Smaragd) und Thiamethoxam(Cruiser) sind Neonicotinoi-de. «Damit entfällt auch dieFrühlingssaat von mit Sma-ragd gebeiztem Getreide», be-dauert Irene Vonlanthen.Clothiadinin und Thiametho-xam sind zwei von drei Neoni-cotinoiden, die in der Schweizwie in der EU für zwei Jahreverboten werden. Der Grundist das Risiko für die Bienen-gesundheit. Während derzweijährigen Suspendierungsollen Möglichkeiten erarbei-tet werden, um diese Neonico-tinoide mit mehr Sicherheitfür die Bienengesundheit aus-zubringen. «Allerdings war die Wirkung

dieser Beizmittel oftmals ent-täuschend», hat Giselher Gra-benweger beobachtet. Er ar-beitet am Agroscope im Be-reich biologische Schädlings-bekämpfung. «Zum Beispielmit Neonicotinoiden gebeiz-tes Maissaatgut wird vonDrahtwürmern zwar währenddes Auflaufens gemieden undist somit in der heikelsten Zeitgeschützt. Der Grossteil derDrahtwürmer wird durch die-se Massnahme jedoch nichtgetötet. Daher kommt es zukeiner nennenswerten Dezi-mierung der Drahtwurmpo-pulation auf dem Maisacker.»

Drahtwurm-Probleme versusDiskussion um QualitätDie Aufregung in Produzen-tenkreisen ist daher nicht un-begründet. «Dass Kunstwiese

in der Fruchtfolge ein Pro-blem ist, weiss man», erklärtIrene Vonlanthen. «Aber auchBetriebe ohne Kunstwiese ha-ben Drahtwurmprobleme.Entweder aufgrund der heutegeforderten Immerbegrünungoder anderen noch unbekann-ten Faktoren.» «Der Kartoffelanbau hat

sich in den letzten Jahrenstark spezialisiert und ist sehrkostenintensiv. Die Beständesind während der Vegetations-periode zahlreichen Risikenausgesetzt. Die Rückweisungeines Postens wegen Draht-wurmschäden hat hohe finan-zielle Ausfälle zur Folge», be-schreibt Irene Vonlanthen dieSituation der Produzenten.

Schwierigkeiten sieht sie aus-serdem in der Diskussion umdie Kartoffelqualität. «In denletzten Jahren haben die Qualitätsanforderungen zuge-nommen. Gleichzeitig neh-men die Möglichkeiten ab, dieQualität zu sichern. Das istdem Detailhandel und denKonsumentinnen und Konsu-menten oft nicht bewusst.Eine Sensibilisierung ist nötig,auch im Zusammenhang mitdem Thema Food Waste.» Diemomentan letzte Hoffnungliege in der Bewilligung von

Goldor Bait. «Aber ob diese an-gesichts der Diskussionenrund um die Pflanzenschutz-mittel erfolgen wird, ist unge-wiss», so Vonlanthen.

«Goldor Bait eingeschränktbewilligen ergibt Sinn»Die Diskussion um GoldorBait wird auch von AndreasKeiser verfolgt. Er ist Dozentfür Acker bau und Forscher ander Hochschule für Agrar-,Forst- und Lebensmittelwis-senschaften (HAFL) in Zollik-ofen BE. Er verstehe sehr gut,dass sich die Kartoffelprodu-zenten Sorgen machten. Denneine gezielte Bekämpfungnach Schadschwellen sei nachheutigem Wissensstand kaum

möglich. Schäden könnenaber zu hohen finanziellenVerlusten führen. «Ich be-fürchte, dass unter demDruck der hohen Qualitätsan-forderungen zu viele Kartof-felproduzenten unnötig Gold-or Bait einsetzen würden.» Allerdings solle das Granulateingesetzt werden können,wenn auf einer Parzelle einProblem vorhanden sei.Ein Problem beim Draht-

wurm sei allerdings, dass sichdas Risiko mittels Fallenkaum abschätzen lasse, er-

klärt Keiser. «Darum ist eswichtig, bei einem Granula-teinsatz Kontrollfenster anzu-legen. So kann nachträglichdie Wirkung abgeschätzt wer-den.» Über die Jahre hinweglassen sich so auch gefährdeteParzellen ermitteln.

Für einen gezielten Einsatz die eigenen Parzellen kennen«Goldor Bait ist ein wirksamesMittel, mit dem bei gezieltemEinsatz grössere wirtschaftli-che Schäden verhindert wer-den können», so die Einschät-zung von Andreas Keiser. Füreinen gezielten Einsatz sei esaber wichtig, dass die Produ-zenten die Schadlöcher vonDrahtwürmern, Drycore undSchnecken unterscheidenkönnen. «Ein gezielter Einsatzbedeutet auch, dass der Land-wirt seine Parzellen kennenmuss. Nur so kann er das Risi-ko abschätzen.» Im Gesprächhabe er festgestellt, dass ei -nige Landwirte sehr wohlwüssten, auf welchen FlächenDrahtwürmer vorkommen.«In der Schweiz ist das nichtganz einfach. Unsere klein-räumigen Strukturen führenzu Flächenabtausch, und dieLandwirte kennen nicht mehralle Flächen gleich gut»,räumt Keiser ein. Dadurchsteige sofort das Risiko für denpräventiven Einsatz von Gold-or Bait. Aus Versuchen derHAFL mit Goldor Bait im Rah-men eines Projekts mit derKartoffelbranche in der Vor-derpfalz (D) habe sich deut-

Schneckenfrass: Unregelmässiggeformte Löcher von 2 bis 6 mmDurchmesser. Im Innern derKnolle sind die Löcher oft breiter.

Bild: G

iselher G

rabenw

eger, A

groscope

Drahtwurm: Die Frassgänge sindhäufig tief. Teilweise sind dieGänge mit braunen Exkrementenausgekleidet.

Bild: A

ndreas Keiser, HA

FL

Drycore: Von aussen ist häufignicht zu entscheiden, ob die Verletzung oberflächlich oder ein Frassgang ist (Drahtwurm).

Bild: Sonja Eckard, Agroscope

Drycore: Bei einem Schnitt istkein Frassgang (Drahtwurm), sondern eine «schüsselförmige»Verletzung vorhanden ist.

Bild: Sonja Eckard, Agroscope

«Für einen gezielten Einsatz von Goldor Bait ist es wichtig, dass die Landwirte ihre Parzellen kennen.

Und dass sie die Schadbilder von Drycore, Drahtwurm und Schnecken unterscheiden können.»

Andreas Keiser, HAFL

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lich gezeigt, dass auch in Ge-bieten mit grossen Problemenweniger als 50% der behan-delten Felder effektiv ein Pro-blem hatten. Die Behandlun-gen waren demnach sehr un-gezielt.

Wenig Daten zum Drahtwurmin der Schweiz vorhandenAndreas Keiser hat von 2001bis 2003 Anbaudaten und Pro-begrabungen auf 278 Kartof-felfeldern im Schweizer Mit-telland erhoben. «Wir habendie Zusammenhänge zwi-schen der Kartoffelqualitätund der Anbautechnik, derFruchtfolge sowie der Boden-art und Nährstoffversorgunguntersucht. Dies ist bislangdie einzige Untersuchung, diesich mit der Drahtwurm-Si-tuation in der Schweiz befasst.Denn bei der Annahme derKartoffeln im Handel werdendie äusseren Mängel nichtkonsequent nach Drahtwurm,Schnecken oder Drycore un-terschieden», so der Forscher.Dass die Fruchtfolge einen

Einfluss auf den Befall mitDrahtwurm hat, ist bekannt.Die Studie zeigt auf, wie rele-vant der Abstand zwischenKunstwiese und Kartoffelan-bau ist. Werden Kartoffeln un-mittelbar nach dem Umbruchangebaut, weist jede zweiteParzelle einen bedeutendenDrahtwurm-Befall von über4% auf. Liegen zwischen derKunstwiese und den Kartof-feln mindestens drei Jahre,hat noch jede zehnte Parzelleeinen Befall von über 4%. Ausdem Projekt zieht Keiser auchseine Schlussfolgerungen fürden Einsatz von Goldor Bait inder Schweiz. «Ein Einsatz auf5 bis 10% der Fläche wäre ver-tretbar.» Goldor Bait habe einesehr gute Wirkung gegenDrahtwurm und indirekt auchgegen Drycore gezeigt.

Kartoffeln auf gemischtem BetriebBeim Projekt in der Vorder-pfalz zeigte sich, dass Draht-wurmprobleme auch auf rei-

nen Ackerbau-Betrieben vor-kommen können. Dennoch:Betriebe mit Tierhaltung undAckerbau haben aufgrund derhohen Wiesen- und Weiden -anteile ein höheres Draht-wurmrisiko. Andreas Keiserist der Ansicht, dass gemisch-te Betriebe mit grossen Draht-wurmproblemen ihre Strate-gie überdenken sollten. Diepositiven Erfahrungen vonBetriebszweiggemeinschaftenmit optimalen überbetriebli-

chen Fruchtfolgen zeigen, wiedas Problem auch gelöst wer-den könnte. Ruedi Bühler führt einen

gemischten Betrieb. Er würdeden Kartoffelbau nur im äus-sersten Notfall aufgeben. Aufseinem Betrieb gebe es opti-male Kartoffelböden: «Leicht

und siebfähig. Die Kartoffelnsind ein wichtiges Standbeinunseres Betriebs. Aber ich ma-che mir Sorgen, wie es in Zu-kunft mit dem Drahtwurmweitergeht.» Falls keine wirk-samen Bekämpfungsmass-nahmen mehr zur Verfügungstehen, könnte er sich eineArt Fonds vorstellen, in densowohl die Bauern wie auchder Handel, die Grossverteilerund der Bund einzahlen wür-den. Daraus könnte ein draht-

wurmbedingter Ertragsausfallfinanziell abgegolten werden.

Auch Agroscopesitzt im BootAm Kampf gegen den Draht-wurm sind auch die For-schungsanstalten beteiligt. Gi-selher Grabenweger arbeitet

am Agroscope Reckenholz imRahmen eines EU-Projekts,das sich mit der Bekämpfungvon Bodenschädlingen be-schäftigt. Die Hoffnungsträ-ger: Pilze. «Wir suchen nachPilz-Stämmen, die man gezieltauf wichtige Drahtwurm-Ar-ten ansetzen kann», erklärtGiselher Grabenweger. An-ders als bei vielen bekanntenSchädlingen im Ackerbauhandelt es sich beim «Draht-wurm» nicht um eine, son-dern um mehrere verschiede-ne Arten: «In der Schweizrichten vor allem der Saat-,der Humus- und der Salat-Schnellkäfer grossen Schadenan. Aber natürlich gibt es wei-tere Arten, die in kleinerenMengen vorkommen.» Auf ei-nem einzelnen Feld könnenaber eine oder mehrere Artenin unterschiedlicher Häufig-keit anzutreffen sein. Wäh-rend die Käfer einfach zu un-terscheiden seien, brauche esfür die Bestimmung derDrahtwürmer Fachpersonal.Obwohl äusserlich sehr ähn-

Mit Ertragsausfällen aufgrundvon Drahtwurm-Schäden mussman im Biolandbau immer rech-nen. An dieser Produktionsformgeht die Diskussion um Regentund Goldor Bait schliesslich spur-los vorüber: Der Drahtwurm istauch im Biolandbau auf gewissenBetrieben ein ernsthaftes Pro-blem. «Meistens beschränkt essich aber auf einzelne Parzellenund Jahre», beurteilt HansueliDierauer die Lage. Er ist am For-schungsinstitut für biologischenLandbau (FiBL) in Frick AG für Beratung und Forschung imAcker bau zuständig. «Der Befallmit Drahtwurm hängt vor allemauch vom Witterungsverlauf ab.Nach der Krautvernichtung, wenndie Kartoffeln schalenfest wer-den, besteht das grösste Risiko.Wenn in dieser Zeit Trockenheitherrscht, suchen die Drahtwür-mer aus der unteren Boden-schicht die feuchten Kartoffelnauf und richten Schaden an.»

Dieses Jahr sei das Wetter in derZeit zwischen Krautvernichtungund Ernte eher feucht gewesen.«Daher waren auch die Schädennicht so bedeutend.»

Herausfordernd: 20% Kunst-wiese in der FruchtfolgeBiobetriebe, die mit dem Draht-wurm kämpfen, haben die Mög-lichkeit, anstelle von mehrjähri-gen Kunstwiesen nur noch ein-jährige anzubauen. Dadurch kön-nen sich die Larven weniger gutentwickeln. «Die meisten Schä-den richten die Larven im zwei-ten und dritten Entwicklungsjahran. Da es sich überschneidendeGenerationen gibt, können aberauch im vierten Jahr nach Kunst-wiese noch gewisse Schäden ent-stehen. Die Kartoffeln sollen inder Fruchtfolge möglichst weitnach mehrjährigen Kunstwiesenstehen, obwohl dies aus Sicht derNährstoffversorgung wenig sinn-voll ist», erklärt Dierauer. Im Bio-

landbau kommt noch eine er-schwerende Komponente dazu.Gemäss Bio-Suisse-Richtlinienmüssen 20% Kunstwiesen in derFruchtfolge sein. «Früher hatman nach Kunstwiese immer dieStarkzehrer Kartoffeln oder Maisangebaut. Davon ist man wegender Drahtwürmer abgekommen»,weiss Dierauer. «Bezüglich Vor-frucht ist noch wenig erforscht.Drahtwürmer scheinen auf Wur-zelausscheidungen von Kruzife-ren zu reagieren. Auch Körner-leguminosen gehören nicht zuden bevorzugten Kulturen. ImGetreide sind sie hingegen auchpräsent, nur werden sie wegender guten Bestockungskraft desGetreides meistens nicht wahr -genommen. Ein Trost bleibt: JedePopulation bricht nach einerÜbervermehrung wieder zusam-men. Das ist auch eine möglicheErklärung, dass Drahtwürmer aufeiner Parzelle plötzlich wiederverschwinden.»

Im Biolandbau gabs noch nie ein direktes Mittel gegen den Drahtwurm

«Der Kartoffelbau ist kostenintensiv: Die Rück -weisung eines Postens aufgrund von Drahtwurm-Schäden hat hohe finanzielle Ausfälle zur Folge.»

Irene Vonlanthen, Kartoffelproduzenten-Verband

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lich, seien die Arten biolo-gisch teilweise sehr verschie-den. «Daher wirken ein-zelne Pilz-Stämme häufigauch nur gegen einzelne Ar-ten oder jedenfalls nicht ge-gen alle.»

Mit einem Pilz gegen den DrahtwurmEin Pilz-Stamm wurde bereitsisoliert, der gegen zwei der

drei häufigsten Drahtwurm-Arten in der Schweiz wirkt.«Unter Laborbedingungen wa-ren die Ergebnisse sehr gut.Jetzt haben wir bereits auchTopfversuche im Freilanddurchgeführt, die diese Ergeb-nisse bestätigen», freut sichGrabenweger. Die Forschungsgruppe hat

aber noch eine weitere Strategie auf Lager. Die Idee

sei, Pilze mit anderen nütz -lichen Organismen zu kom -binieren. Zum Beispiel mitNematoden. «Unter Umstän-den ergibt sich daraus nichtnur eine Ergänzung, sondernsogar eine Sy nergie. Das Produkt wirkt effektiver unddadurch möglicherweise auchgegen mehr als zwei Ar-ten», hofft Giselher Graben-weger.

Das Projekt läuft bis 2015.Unter anderem finden bisdann auch Feldversuche statt.«Wir hoffen, dass wir die Wirk-samkeit des Pilzstammes, diewir in Labor und Topfversu-chen festgestellt haben, auchunter Feldbedingungen bestä-tigen können. Danach kämenatürlich das übliche Prozede-re: Ein Unternehmen müsstedie Entwicklung und Regi-strierung übernehmen», er-klärt der Forscher und gehtvon einem Zeithorizont vonfünf Jahren aus. Die Aus-gangslage ist keineswegs aus-sichtslos: So sind in derSchweiz zwei Pilz produkte imPraxiseinsatz, die an Agrosco-pe entwickelt wurden undjetzt erfolgreich gegen die En-gerlinge von Mai- und Junikä-fern eingesetzt werden.

Bodenbearbeitung nützt in beschränktem Mass«Natürlich nützt auch Boden-bearbeitung gegen den Draht-wurm, aber nur in beschränk-tem Mass», erwähnt AndreasKeiser. «Bei der Bodenbearbei-tung muss der Entwicklungs-zyklus des Drahtwurms be-rücksichtigt werden: Eier,frisch geschlüpfte Larvenoder schlüpfende Käfer befin-den sich nahe der Oberfläche.Zwischen diesen Stadien be-finden sich die Drahtwürmeroft in tiefen Bodenschichtenund werden durch die Bear-beitungsmassnahmen nichterreicht», erklärt GiselherGrabenweger. «Der Draht-wurm kann über lange Zeitunter ungünstigen Bedingun-gen ausharren. Sobald sich dieBedingungen bessern, schlägter wieder zu.» Beim Draht-wurm sei zudem vor allem ei-nes wichtig: «Da es keine di-rekten Massnahmen gibt,spielen vorbeugende Mass-nahmen eine wichtige Rolle.Die Bekämpfung erfolgt übereinen langen Zeitraum undumfasst mehrere Methoden.Gegen den Drahtwurmbraucht es eine eiserne Aus-dauer.» | Katharina Scheuner

Als Drahtwürmer werden die Larven von diversen Schnell-käfer-Arten bezeichnet. Sie sindbis zu 3 cm lang. An ihrem har-ten, gelben Chitinpanzer habensie drei Brustbeinpaare. Drahtwürmer verursachen

Schaden insbesondere an ab -reifenden Kartoffelknollen. Siebohren Löcher mit einem Durch-messer von 2-3 mm. Die Löcherreichen häufig bis tief in dieKnolle hinein und enthalten teilweise braune Exkremente. Schäden an Kartoffeln treten

häufig regional auf. FörderlicheBedingungen sind feuchte Bö denund mehr als 5% Humusgehalt.Auch ein hoher Anteil an Wies-land und Zwischenfutter in derFruchtfolge bieten dem Draht-wurm gute Bedingungen. Neben Kartoffeln schädigen

Drahtwürmer auch Mais, Ge-treide und Zuckerrüben. Ins -besondere im Getreide fallenSchäden aber aufgrund des

guten Bestockungsvermögenshäufig nicht auf.

Mehrjähriger LebenszyklusDie Käfer sind 8 bis 12 mm langund legen ihre Eier Anfang Som-mer bis etwa 6 cm tief in dieErde. Alle Entwicklungsstadiensind empfindlich auf Trockenheit.Daher bevorzugen die Insektendicht bewachsene Bestände wieGrasland und Wintergetreide.Insgesamt dauert die Entwick-lung vier bis fünf Jahre. Die In-sekten können bis zu 14 Larven-stadien durchleben. Die Verpup-pung findet zwischen Juni undAugust statt. Danach schlüpft derKäfer und überwintert im Boden.Drahtwürmer haben im Verlauf

eines Jahres zwei frassaktivePhasen, jeweils im Frühling undim Herbst. Im Winter und imSommer bewirken extreme Tem-peraturen und Trockenheit, dasssich die Drahtwürmer in tiefereSchichten zurückziehen.

Weitere Informationen� Drahtwürmer – Möglichkeitender Regulierung (Merkblatt vonAgroscope, März 2011)� Pflanzenschutz im nachhalti-gen Ackerbau, Edition LMZ 2008.� www.bioaktuell.ch unterPflanzenbau/Ackerbau/Kartoffeln

Drahtwürmer durchleben bis zu 14 Larvenstadien

Ein verpilzter Drahtwurm: An Agroscope wird nach Pilzstämmen gesucht, die spezifisch auf die wichtigstenDrahtwurmarten angesetzt werden können.

Bild: C

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