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Geschichte DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG 1925 20 1 5

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Geschichte DEUTSCHES INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG

19252015

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90 Jahre

Meilensteineaus 90 Jahren DIW Berlin

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1925

1929Die sich anbahnende Weltwirtschaftskrise wird zunächst vom »Institut für Konjunktur­forschung« nicht klar erkannt. Erst im August erscheint eine Konjunktur analyse, die auf eine schwere Depression der deutschen Wirtschaft hinweist.

1928Wochenbericht: Der erste »Wochen­bericht« erscheint. Die Publikation spielt seitdem in der wirtschaftspoliti­schen Diskussion in Deutschland eine wichtige Rolle.

1932Entdeckung der »Stillen Reserve« am Arbeitsmarkt: das Phänomen beschreibt eine Situation, in der es mehr erwerbs­orientierte Personen gibt, als arbeitslos gemeldet sind.

1948Nach sechs Jahren Unterbrechung erscheint im September das erste Vier­teljahrsheft zur Wirtschaftsforschung der Nachkriegszeit.

1949Im Februar entsteht auf Anregung von

Ludwig Erhard die »Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher

Forschungsinstitute e.V.« (ARGE). Im  April nimmt die Arbeits gruppe »Sowjetische

Besatzungszone« im DIW ihre Arbeit auf.

1950Ausbau der Forschungsinfrastruktur: Das DIW beginnt mit der Ausarbei­tung der Vierteljährlichen Volkswirt­schaftlichen Gesamtrechnung (VGR)

für West­Berlin.

1927Mit der Dissertation »Die Prognose der Schweinepreise« von Arthur Hanau prägt das IfK den heute noch verwen­deten Begriff »Schweinezyklus« als Beispiel für das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.

1941Im Juni wird das »Institut für

Konjunkturforschung« in »Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung«

umbenannt.

1942Wagemann wird während des Kriegs mehrmals von der Gestapo verhört und 1942 für kurze Zeit festgenommen. Ihm wird eine »jüdisch­marxistische Personalpolitik« vorgeworfen.

1933Ernst Wagemann wird Anfang des Jahres als Direktor des »Instituts für Konjunktur­forschung« entlassen. Nach seinem Eintritt in die NSDAP und Bittbriefen an Hitler wird Wagemann erneut in das Amt des Institutsdirektors eingesetzt.

1925Im Juli gründet Ernst Wagemann, Präsident des Statistischen Reichsamtes, das »Institut für Konjunktur forschung« (IfK) am Lützowufer 6/8 in Berlin­ Charlottenburg und wird dessen erster Direktor.

1945Ferdinand Friedensburg übernimmt das Amt des Präsidenten des DIW. Im September zieht das Institut in die Cecilienallee 6 in Berlin­Dahlem.

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1966Das DIW konstatiert im Wochenbericht 25/1966 die erste Rezession in der Bundesrepublik Deutschland.

1957Im Zuge der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wird am DIW eine eigene Abteilung »Auslands­wirtschaft West« eingerichtet. Die »Ver­einigung europäischer Konjunktur­forschungsinstitute« (AIECE) wird unter Beteiligung des DIW gegründet.

1951Auf Anregung von Ferdinand Friedensburg wird im Juni die »Vereinigung der Freunde des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor­schung e. V.« (VdF) gegründet. Der Verein unterstützt das Institut seither in seiner Arbeit ideel und finanziell.

1962In der Abteilung »Industrie« wird das neue Referat »Input­Output­ Rechnung« gegründet.

1972Die Abteilungen »Verkehr«, »Öffentliche Finanzen« sowie »Geld und Kredit« wer­den gegründet.

1983Das Infrastrukturprojekt »Sozio­

oekonomisches Panel (SOEP)« kommt  an das DIW.

Anfang 90erDas DIW berät die Regierungen Russlands und der Ukraine; für

Kasachstan hilft das Institut mit, ein amtliches statistisches Berichtssystem

aufzubauen.

1956Das Institutsgebäude in der Königin­ Luise­Straße wird im Mai eingeweiht.

1968Klaus Dieter Arndt übernimmt

im  Januar das Präsidentenamt von Ferdinand Friedensburg.

1974Im November wird Karl König vom Kura­torium als Nachfolger des verstorbenen Klaus Dieter Arndt zum neuen Präsiden­ten des DIW gewählt.

1979Im März stirbt Karl König.

Hans-Jürgen Krupp, bisher Präsident der Johann­Wolfgang­Goethe­Univer­sität Frankfurt am Main, wird neuer

Präsident des DIW.

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2015

1989/90Das DIW warnt für den Fall der Wiedervereini-gung vor Betriebsschließungen und Massen­entlassungen in den neuen Bundesländern. Bis zur Jahrtausendwende gibt es im DIW einen Forschungsschwerpunkt zur ökonomischen Bewäl­tigung der deutschen Einheit.

2000Nachwehen der Wiedervereinigung: Die Ergebnisse einer DIW­ Studie zum Nachholbedarf der ost deutschen Infrastruktur werden Grundlage des Solidarpakts II.

2004Klimawandel: Das DIW Berlin erforscht die ökonomischen Kosten. Erstmalig wird der Schaden durch den Klimawandel beziffert.

2005Die Abschätzungen des DIW Berlin zu den volkswirtschaftlichen Wirkungen einer EU-Dienstleistungsrichtlinie beeinflussen die Diskussionen im Europaparlament und die Ausgestaltung der Richtlinie im Bundestag.

2009Das SOEP wird vom Wissen­schaftsrat positiv evaluiert und weiter ausgebaut.

2006Mit Gründung des DIW Graduate Center setzt das Institut auf systematische Förderung des

wissenschaftlichen Nachwuchses.

2002Auf Basis einer DIW­Studie für das Bundes­

ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) beginnt ein ökono­misch begründeter Ausbau der Bildungs­ und Betreuungsinfrastruktur für Kinder.

2003Das DIW Berlin veröffentlicht erstmalig

das DIW­Konjunkturbarometer, einen Indikator der aktuellen Konjunktur­

tendenz in Deutschland.

2010Mit dem Führungskräfte monitor wird das DIW Berlin Meinungs­führer in der Diskussion um die Einführung von Frauenquoten.

2013Marcel Fratzscher wird Präsident des

DIW Berlin. Die europäischen und glo­balen Perspektiven des Instituts werden

ausgebaut und die Bedeutung der Politikberatung gestärkt.

2015Das DIW Berlin

begeht den 90. Jahrestag

seiner Gründung.

2007Das DIW Berlin zieht in die Mohren straße. Durch den Umzug von Berlin­Dahlem nach Berlin­Mitte befindet sich das Institut nun wieder unmittelbar am Regierungsviertel.

1999Klaus F. Zimmermann wird zum

Präsidenten des DIW gewählt, sein Amt tritt er zu Beginn des Jahres

2000 an.

2011Präsident Zimmermann beendet seine Tätig­

keit für das DIW Berlin. Nach der Übernahme der wissenschaftlichen Leitung durch Gert G. Wagner und Georg Weizsäcker besteht

das Institut erfolgreich die Evaluierung durch die Leibniz­Gemeinschaft im April 2012.

1989Am 1. März tritt Lutz Hoffmann als DIW­Präsident die Nachfolge von Hans­Jürgen Krupp an, der als Senator nach Hamburg geht.

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HerausgeberDIW Berlin – Deutsches Institut

für Wirtschaftsforschung e.V.

Mohrenstraße 58, 10117 Berlin

Telefon +49 30 897 89 ­0

Telefax +49 30 897 89 ­200

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www.diw.de

Konzept, text und bildredaKtion:Vergangenheitsagentur, Berlin

Dr. Alexander Schug (verantwortlich),

Dr. Hilmar Sack unter Mitarbeit von

Steffi Kühnel und Dr. Jennifer Schevardo

www.vergangenheitsagentur.de

redaKtion diW berlinDr. Kurt Geppert (verantwortlich)

Prof. Dr. Reiner Stäglin

Dr. Joachim Volz

Prof. Dr. Gert G. Wagner

leKtoratDr. Per Brodersen, DIW Berlin

Prof. Dr. Gert G. Wagner, DIW Berlin

Christiane Zschech, DIW Berlin

Katharina Zschuppe, DIW Berlin

gestaltungInnen: Anja Knust

www.anjaknust.net

Umschlag: Atelier Hauer + Dörfler, Berlin

www.hauer-doerfler.de

satzUlrike Meyer

www.umkd.com

drucK USE, Union Sozialer Einrichtungen gemeinnützige GmbH

© DIW Berlin 2015

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Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 1925–2015

Gelehrtenrepublik und Denkfabrik

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Hoffmann und Klaus F. Zimmermann haben die wissenschaftliche Fokussierung konse-quent gestärkt, nicht zuletzt mit der erfolgrei-chen Einrichtung eines eigenen Doktoranden-programms.

Mit dem Zusatz »Berlin« will das DIW Berlin seinen Standort(vorteil) deutlich machen und seine Verbundenheit mit dieser Stadt unter-streichen. In den kommenden Jahren will das Institut seine europäischen und globalen Per-spektiven stärken, die gerade für ein offenes Land wie Deutschland von immenser Bedeu-tung sind und immer wichtiger werden. Auch die Analysen der Nachhaltigkeit wirtschaftli-chen Handelns und der Wohlfahrtsperspektive von Wirtschaft und Gesellschaft, die weit über eine enge monetäre Dimension hinausgeht, sollen die Grundlagen der Arbeit des Instituts bilden.

Wissenschaftlichkeit und Unabhängigkeit der Arbeit sind die zwei Hauptsäulen des DIW Berlin. Auf Grundlage wissenschaft-lich exzellenter und innovativer Forschung, unterstützt durch Nachwuchsförderung und Forschungsinfrastruktur, will das DIW Berlin seine Stimme in den wirtschafts- und gesell-schaftspolitischen Debatten unserer Zeit weiter stärken – dass dies gelingt, ist zentrales Motiv unserer gemeinsamen Arbeit.

Der Vorstand des DIW Berlin

Vorwort

Die Geschichte des DIW Berlin ist – wie die Geschichte aller Institutionen – von Menschen geprägt. Am Anfang stand Ernst Wagemann, 1923 bis 1933 hauptberuf lich Präsident des Statistischen Reichsamtes. Um grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge besser zu verstehen, wollte er mehr forschen, als dies in einem Reichsamt möglich war – und gründete 1925 das »Institut für Konjunkturforschung« (IfK), dessen Direktor er wurde.

Es ist allenfalls ein wenig übertrieben, wenn man sagt: In Deutschland wurde die systemati-sche und empirische Konjunkturforschung im IfK erfunden – und das Institut hat heute noch gebräuchliche Begriffe wie »Schweinezyklus« und »stille Reserve« geprägt.

Ein anderer großer Schritt des Instituts war indes kein persönlicher, sondern ein instituti-oneller: Da die Nazi-Ideologie behauptete, das kapitalistische Phänomen des Auf und Ab der Konjunktur überwunden zu haben, konnte das IfK nicht länger seinen Namen tragen und wurde im Juni 1941 in »Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung« umbenannt – an der Spitze stand weiterhin Wagemann, mittlerwei-le als Präsident. So unklar die Hintergründe der Umbenennung bislang sind, trifft der neue Name die deutlich breiter angelegten Aufgaben des Instituts besser.

Das DIW arrangierte sich zu sehr mit dem NS-Staat: Dem Institut kam der hohe Bedarf der NS-Wirtschaftspolitik nach Planzahlen und statistischem Material zugute, die das Regime für die Umsetzung des Konzepts der »gelenkten Wirtschaft« brauchte. Im Zweiten Weltkrieg ließ sich das Institut zum Unterstüt-zer des nationalsozialistischen Vernichtungs-

Nur weitgehende Mitbestimmung und Forschungsfreiheit können in einem For-schungsinstitut leistungsfähige – und damit intellektuell unabhängige – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren. Seit den Fünfzi-gerjahren nahm das Institut langsam seine heute bekannte Gestalt an, etwa mit der Ein-führung regelmäßiger Konjunkturprognosen. Forschungsinfrastruktur – wie man das heute nennt – wird mit der vierteljährlichen Volks-wirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) und mit der Input-Output-Rechnung in Deutsch-land bereits in den Fünfziger- und Sechziger-jahren geschaffen. Anfang der Achtzigerjahre kam auf Initiative von Präsident Hans-Jürgen Krupp die Längsschnittsstudie »Sozio-oekono-misches Panel« (SOEP) hinzu, die inzwischen zu einer weltweit genutzten Forschungsinfra-struktureinrichtung gewachsen ist.

Immer wieder musste das Institut für seine Ar-beit auch Kritik einstecken: Etwa, als es ganz selbstverständlich auch die DDR-Wirtschaft untersuchte – ein politisches Tabu, selbst kurz vor der Wiedervereinigung. Oder als das Insti-tut Ende der Neunzigerjahre laut Zweifel daran äußerte, dass Deutschland die Stabilitätskri-terien zur Euro-Einführung einhalten würde: Seine berechtigte Skepsis gegenüber Zustan-dekommen und Aussagekraft der für eine Mit-gliedschaft in der Euro-Zone entscheidenden Zahl zur staatlichen Netto-Neuverschuldung machte das Institut 1998 zum Gegenstand teilweiser heftiger Angriffe seitens der Politik.

Das DIW hat seit den Sechzigerjahren immer die große Bedeutung der Nachfrage – als wich-tige Ergänzung zur Angebotsseite – betont, um Schwankungen der Konjunkturentwicklung zu verringern. Mit dieser international üblichen Ausrichtung gewann das DIW wirtschafts-politisch weiter an Bedeutung und distan-zierte sich vom akademischen Mainstream in Deutschland, der sich mehr und mehr ange-botstheoretisch orientierte.

Heute ist das DIW Berlin unbestritten ein anderes Institut als in seinen Anfängen. Poli-tikberatung beruht mehr denn je auf exzellen-ter Forschung, Forschungsinfrastruktur und Nachwuchsförderung. Die Präsidenten Lutz

krieges machen: Das DIW berechnete in den Kriegsjahren unter anderem den wirtschaft-lichen Ertrag der besetzten Gebiete im Osten und untersuchte die »Blockadefestigkeit« Deutschlands.

Es muss aber betont werden, dass Ernst Wage-mann kein willfähriger Anhänger des Natio-nalsozialismus war. Jüdische Mitarbeiter arbei-teten – solange Wagemann seine schützende Hand über sie halten konnte – im Institut. Auch sein späterer Nachfolger, der regimekri-tische Ferdinand Friedensburg, konnte ab 1939 im Institut arbeiten, musste allerdings nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 auf politischen Druck hin entlassen werden. Im Zuge der Ermittlungen nach dem missglück-ten Attentat wurden zahlreiche Mitarbeiter des Instituts verdächtigt, so auch Werner von Stauffenberg, ein Vetter des Hitler-Attentäters, und Ulrich von Hassell, der verhaftet und hin-gerichtet wurde.

Ferdinand Friedensburg, der erste Präsi-dent des DIW nach dem Zweiten Weltkrieg, war eine ähnlich prägende Figur wie vorher Wagemann. Friedensburg plante, nur vor-übergehend im Amt zu bleiben. Es wurden schließlich 22 Jahre – eine Zeit, in der sich das Institut in der Nähe der Freien Universität Ber-lin neu etablierte und dort wuchs und gedieh.

Im Mittelpunkt standen die einzelnen Ab-teilungen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen Friedensburg mehr Mitspra-chemöglichkeiten gab. Insofern war der Begriff der »Gelehrtenrepublik«, den er gern benutzte, durchaus gerechtfertigt. Heute gilt diese Idee mehr denn je.

Marcel Fratzscher Cornelius Richter Gert G. Wagner

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Hoffmann und Klaus F. Zimmermann haben die wissenschaftliche Fokussierung konse-quent gestärkt, nicht zuletzt mit der erfolgrei-chen Einrichtung eines eigenen Doktoranden-programms.

Mit dem Zusatz »Berlin« will das DIW Berlin seinen Standort(vorteil) deutlich machen und seine Verbundenheit mit dieser Stadt unter-streichen. In den kommenden Jahren will das Institut seine europäischen und globalen Per-spektiven stärken, die gerade für ein offenes Land wie Deutschland von immenser Bedeu-tung sind und immer wichtiger werden. Auch die Analysen der Nachhaltigkeit wirtschaftli-chen Handelns und der Wohlfahrtsperspektive von Wirtschaft und Gesellschaft, die weit über eine enge monetäre Dimension hinausgeht, sollen die Grundlagen der Arbeit des Instituts bilden.

Wissenschaftlichkeit und Unabhängigkeit der Arbeit sind die zwei Hauptsäulen des DIW Berlin. Auf Grundlage wissenschaft-lich exzellenter und innovativer Forschung, unterstützt durch Nachwuchsförderung und Forschungsinfrastruktur, will das DIW Berlin seine Stimme in den wirtschafts- und gesell-schaftspolitischen Debatten unserer Zeit weiter stärken – dass dies gelingt, ist zentrales Motiv unserer gemeinsamen Arbeit.

Der Vorstand des DIW Berlin

Vorwort

Die Geschichte des DIW Berlin ist – wie die Geschichte aller Institutionen – von Menschen geprägt. Am Anfang stand Ernst Wagemann, 1923 bis 1933 hauptberuf lich Präsident des Statistischen Reichsamtes. Um grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge besser zu verstehen, wollte er mehr forschen, als dies in einem Reichsamt möglich war – und gründete 1925 das »Institut für Konjunkturforschung« (IfK), dessen Direktor er wurde.

Es ist allenfalls ein wenig übertrieben, wenn man sagt: In Deutschland wurde die systemati-sche und empirische Konjunkturforschung im IfK erfunden – und das Institut hat heute noch gebräuchliche Begriffe wie »Schweinezyklus« und »stille Reserve« geprägt.

Ein anderer großer Schritt des Instituts war indes kein persönlicher, sondern ein instituti-oneller: Da die Nazi-Ideologie behauptete, das kapitalistische Phänomen des Auf und Ab der Konjunktur überwunden zu haben, konnte das IfK nicht länger seinen Namen tragen und wurde im Juni 1941 in »Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung« umbenannt – an der Spitze stand weiterhin Wagemann, mittlerwei-le als Präsident. So unklar die Hintergründe der Umbenennung bislang sind, trifft der neue Name die deutlich breiter angelegten Aufgaben des Instituts besser.

Das DIW arrangierte sich zu sehr mit dem NS-Staat: Dem Institut kam der hohe Bedarf der NS-Wirtschaftspolitik nach Planzahlen und statistischem Material zugute, die das Regime für die Umsetzung des Konzepts der »gelenkten Wirtschaft« brauchte. Im Zweiten Weltkrieg ließ sich das Institut zum Unterstüt-zer des nationalsozialistischen Vernichtungs-

Nur weitgehende Mitbestimmung und Forschungsfreiheit können in einem For-schungsinstitut leistungsfähige – und damit intellektuell unabhängige – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren. Seit den Fünfzi-gerjahren nahm das Institut langsam seine heute bekannte Gestalt an, etwa mit der Ein-führung regelmäßiger Konjunkturprognosen. Forschungsinfrastruktur – wie man das heute nennt – wird mit der vierteljährlichen Volks-wirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) und mit der Input-Output-Rechnung in Deutsch-land bereits in den Fünfziger- und Sechziger-jahren geschaffen. Anfang der Achtzigerjahre kam auf Initiative von Präsident Hans-Jürgen Krupp die Längsschnittsstudie »Sozio-oekono-misches Panel« (SOEP) hinzu, die inzwischen zu einer weltweit genutzten Forschungsinfra-struktureinrichtung gewachsen ist.

Immer wieder musste das Institut für seine Ar-beit auch Kritik einstecken: Etwa, als es ganz selbstverständlich auch die DDR-Wirtschaft untersuchte – ein politisches Tabu, selbst kurz vor der Wiedervereinigung. Oder als das Insti-tut Ende der Neunzigerjahre laut Zweifel daran äußerte, dass Deutschland die Stabilitätskri-terien zur Euro-Einführung einhalten würde: Seine berechtigte Skepsis gegenüber Zustan-dekommen und Aussagekraft der für eine Mit-gliedschaft in der Euro-Zone entscheidenden Zahl zur staatlichen Netto-Neuverschuldung machte das Institut 1998 zum Gegenstand teilweiser heftiger Angriffe seitens der Politik.

Das DIW hat seit den Sechzigerjahren immer die große Bedeutung der Nachfrage – als wich-tige Ergänzung zur Angebotsseite – betont, um Schwankungen der Konjunkturentwicklung zu verringern. Mit dieser international üblichen Ausrichtung gewann das DIW wirtschafts-politisch weiter an Bedeutung und distan-zierte sich vom akademischen Mainstream in Deutschland, der sich mehr und mehr ange-botstheoretisch orientierte.

Heute ist das DIW Berlin unbestritten ein anderes Institut als in seinen Anfängen. Poli-tikberatung beruht mehr denn je auf exzellen-ter Forschung, Forschungsinfrastruktur und Nachwuchsförderung. Die Präsidenten Lutz

krieges machen: Das DIW berechnete in den Kriegsjahren unter anderem den wirtschaft-lichen Ertrag der besetzten Gebiete im Osten und untersuchte die »Blockadefestigkeit« Deutschlands.

Es muss aber betont werden, dass Ernst Wage-mann kein willfähriger Anhänger des Natio-nalsozialismus war. Jüdische Mitarbeiter arbei-teten – solange Wagemann seine schützende Hand über sie halten konnte – im Institut. Auch sein späterer Nachfolger, der regimekri-tische Ferdinand Friedensburg, konnte ab 1939 im Institut arbeiten, musste allerdings nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 auf politischen Druck hin entlassen werden. Im Zuge der Ermittlungen nach dem missglück-ten Attentat wurden zahlreiche Mitarbeiter des Instituts verdächtigt, so auch Werner von Stauffenberg, ein Vetter des Hitler-Attentäters, und Ulrich von Hassell, der verhaftet und hin-gerichtet wurde.

Ferdinand Friedensburg, der erste Präsi-dent des DIW nach dem Zweiten Weltkrieg, war eine ähnlich prägende Figur wie vorher Wagemann. Friedensburg plante, nur vor-übergehend im Amt zu bleiben. Es wurden schließlich 22 Jahre – eine Zeit, in der sich das Institut in der Nähe der Freien Universität Ber-lin neu etablierte und dort wuchs und gedieh.

Im Mittelpunkt standen die einzelnen Ab-teilungen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen Friedensburg mehr Mitspra-chemöglichkeiten gab. Insofern war der Begriff der »Gelehrtenrepublik«, den er gern benutzte, durchaus gerechtfertigt. Heute gilt diese Idee mehr denn je.

Marcel Fratzscher Cornelius Richter Gert G. Wagner

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Etappen der DIW-Geschichte – von den Anfängen bis in das 21. Jahrhundert

Weimarer Republik und Weltwirtschaftskrise: Die Anfänge des DIW Berlin als »Institut für Konjunkturforschung« — 8

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg: Forschung unterm Hakenkreuz — 18

Die Nachkriegsjahre: Neubeginn im Trümmerland — 24

Wirtschaftswunderjahre: Die frühe Bundesrepublik und das DIW — 30

Eine Hochkonjunktur verliert an Glanz – Die 60er Jahre — 36

Grenzen des Wachstums? Die Ölpreiskrise und die 70er Jahre — 40

Vom Industrie- zum Informationszeitalter – Die 80er Jahre — 46

Nach der Revolution von 1989 – Neue Perspektiven in der Wendezeit — 50

Auf dem Weg nach Mitte: Neuausrichtung des DIW — 54

Schlaglichter der DIW-Forschung

Der Schweinezyklus — 60

Die Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute (ARGE) — 64

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung — 68

Das SOEP — 70

Am Puls der Zeit: Das DIW Berlin und politisch-gesellschaftliche Schlüsselthemen

Forschen im Kreuzfeuer des Kalten Kriegs — 74

Umwelt und Energie — 78

Der europäische Einigungsprozess — 82

Globalisierung — 86

Anhang

Finanzierung des DIW Berlin — 92

Leiter des Instituts — 94

Anmerkungen — 98

Leseempfehlungen zur vertiefenden Information — 102

Abbildungsnachweis — 103

EtappenSchlaglichterSchlüsselthemenChronikInhAltSvErZEIchnIS

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Etappen der DIW-Geschichte – von den Anfängen bis in das 21. Jahrhundert

Weimarer Republik und Weltwirtschaftskrise: Die Anfänge des DIW Berlin als »Institut für Konjunkturforschung« — 8

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg: Forschung unterm Hakenkreuz — 18

Die Nachkriegsjahre: Neubeginn im Trümmerland — 24

Wirtschaftswunderjahre: Die frühe Bundesrepublik und das DIW — 30

Eine Hochkonjunktur verliert an Glanz – Die 60er Jahre — 36

Grenzen des Wachstums? Die Ölpreiskrise und die 70er Jahre — 40

Vom Industrie- zum Informationszeitalter – Die 80er Jahre — 46

Nach der Revolution von 1989 – Neue Perspektiven in der Wendezeit — 50

Auf dem Weg nach Mitte: Neuausrichtung des DIW — 54

Schlaglichter der DIW-Forschung

Der Schweinezyklus — 60

Die Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute (ARGE) — 64

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung — 68

Das SOEP — 70

Am Puls der Zeit: Das DIW Berlin und politisch-gesellschaftliche Schlüsselthemen

Forschen im Kreuzfeuer des Kalten Kriegs — 74

Umwelt und Energie — 78

Der europäische Einigungsprozess — 82

Globalisierung — 86

Anhang

Finanzierung des DIW Berlin — 92

Leiter des Instituts — 94

Anmerkungen — 98

Leseempfehlungen zur vertiefenden Information — 102

Abbildungsnachweis — 103

EtappenSchlaglichterSchlüsselthemenChronikInhAltSvErZEIchnIS

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der DIW-Geschichte – von den Anfängen bis in das 21. Jahrhundert

Etappen

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der DIW-Geschichte – von den Anfängen bis in das 21. Jahrhundert

Etappen

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Im Juli 1925 gründet Ernst Wagemann als Präsident des Statistischen Reichsamts das Institut für Konjunk-turforschung (IfK), das 1941 in Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung umbenannt wird.1 Es hat seinen Sitz zunächst am Lützowufer in Berlin-Tiergarten. Hier arbeiten zwölf Wissenschaftler daran, systema-tisch Materialien zur Wirtschaftsentwicklung zu sam-meln und zu veröffentlichen. Bereits im Gründungs-jahr erscheint die viel diskutierte Denkschrift »Die weltwirt schaftliche Lage Ende 1925«.2 Sie markiert den Beginn der Konjunkturberichterstattung des DIW. Die unabhängige Beurteilung des Konjunkturverlaufs, die man 1925 am IfK erstmals in Deutschland wagt, steht auch heute noch im Fokus der Tätigkeit der mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts.

Weimarer Republik und Weltwirtschaftskrise: Die Anfänge des DIW Berlin als »Institut für Konjunkturforschung«

6.000.000Arbeitslose sind auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 1929 in Deutschland registriert.

12Mitarbeiter sind 1925 am DIW tätig.

Seiten stark ist der erste Wochenbericht des DIW vom April 1928.

DIE MAGIE DEr ZAhlEn

Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte; die Vor-geschichte des DIW handelt von der Magie der Zahlen.

Die Theorie der Konjunkturforschung folgt ideenge-schichtlich einer Zeitenwende. Im Verständnis des frühen »christlichen Abendlands« hatte sich die Welt allein über die Vorsehung Gottes erklärt. Erst die Neuzeit, und mit ihr: Rationalität und Logik, markiert einen Paradigmenwechsel im Denken der Menschen. Dieser führt im beginnenden Industriezeitalter zur wissenschaftlichen Revolu-tion. Mythen und Schicksalhaftigkeit gelten fortan als überholt. Hochindustrialisierung, der Auf- und Ausbau von Akademien und Universitäten sowie die Begründung neuer Wissenschaften ebnen den Weg in die Moderne.

Die »Entzauberung der Welt« (Max Weber) be-deutet den Eintritt in ein auf Wissen, Zahlen und Logik aufbauendes Leben. Wagemann und sein Forschungsinstitut sind prototypische Agenten dieses modernen Denkens in Deutschland.

ErnSt WAGEMAnn unD SEInE KonJunKturlEhrE

Umstellung auf Friedenswirtschaft, Hyperin-f la tion, Deflation, Währungsreform und hohe Reparationen: Die Jahre der Weimarer Republik (1919–1933) bieten zahlreiche wirtschaftspolitische Herausforderungen. Selten zuvor war »Wirtschaft« erklärungsbedürftiger. Ernst Wagemann erkennt, dass alte Rezepte allein nicht weiterhelfen. Es bedarf wissenschaftlich fundierter Antworten auf die drängenden Zeitfragen.

Wer ist dieser Mann, der mit seinem Buch »Konjunkturlehre«3 die deutschen Wirtschafts-wissenschaften aufmischt? Ernst Wagemann wird am 18. Februar 1884 als Sohn deutscher Eltern in Chañarcillo (Chile) geboren, sein Vater arbeitet als Kaufmann. Nach dem Studium der Staatswissen-schaften in Göttingen, Berlin und Heidelberg fol-gen 1907 die Promotion und eine kurze Dozenten-tätigkeit am Hamburgischen Kolonialinstitut, aus dem später unter anderem das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv hervorgeht. 1914 habili-tiert sich Wagemann an der Berliner Universität. Im späten Kaiserreich erscheinen bereits erste empirisch-ökonomische Arbeiten über Westindien, Chile (1913) und Brasilien (1915).

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Im Juli 1925 gründet Ernst Wagemann als Präsident des Statistischen Reichsamts das Institut für Konjunk-turforschung (IfK), das 1941 in Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung umbenannt wird.1 Es hat seinen Sitz zunächst am Lützowufer in Berlin-Tiergarten. Hier arbeiten zwölf Wissenschaftler daran, systema-tisch Materialien zur Wirtschaftsentwicklung zu sam-meln und zu veröffentlichen. Bereits im Gründungs-jahr erscheint die viel diskutierte Denkschrift »Die weltwirt schaftliche Lage Ende 1925«.2 Sie markiert den Beginn der Konjunkturberichterstattung des DIW. Die unabhängige Beurteilung des Konjunkturverlaufs, die man 1925 am IfK erstmals in Deutschland wagt, steht auch heute noch im Fokus der Tätigkeit der mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts.

Weimarer Republik und Weltwirtschaftskrise: Die Anfänge des DIW Berlin als »Institut für Konjunkturforschung«

6.000.000Arbeitslose sind auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 1929 in Deutschland registriert.

12Mitarbeiter sind 1925 am DIW tätig.

Seiten stark ist der erste Wochenbericht des DIW vom April 1928.

DIE MAGIE DEr ZAhlEn

Jede Geschichte hat eine Vorgeschichte; die Vor-geschichte des DIW handelt von der Magie der Zahlen.

Die Theorie der Konjunkturforschung folgt ideenge-schichtlich einer Zeitenwende. Im Verständnis des frühen »christlichen Abendlands« hatte sich die Welt allein über die Vorsehung Gottes erklärt. Erst die Neuzeit, und mit ihr: Rationalität und Logik, markiert einen Paradigmenwechsel im Denken der Menschen. Dieser führt im beginnenden Industriezeitalter zur wissenschaftlichen Revolu-tion. Mythen und Schicksalhaftigkeit gelten fortan als überholt. Hochindustrialisierung, der Auf- und Ausbau von Akademien und Universitäten sowie die Begründung neuer Wissenschaften ebnen den Weg in die Moderne.

Die »Entzauberung der Welt« (Max Weber) be-deutet den Eintritt in ein auf Wissen, Zahlen und Logik aufbauendes Leben. Wagemann und sein Forschungsinstitut sind prototypische Agenten dieses modernen Denkens in Deutschland.

ErnSt WAGEMAnn unD SEInE KonJunKturlEhrE

Umstellung auf Friedenswirtschaft, Hyperin-f la tion, Deflation, Währungsreform und hohe Reparationen: Die Jahre der Weimarer Republik (1919–1933) bieten zahlreiche wirtschaftspolitische Herausforderungen. Selten zuvor war »Wirtschaft« erklärungsbedürftiger. Ernst Wagemann erkennt, dass alte Rezepte allein nicht weiterhelfen. Es bedarf wissenschaftlich fundierter Antworten auf die drängenden Zeitfragen.

Wer ist dieser Mann, der mit seinem Buch »Konjunkturlehre«3 die deutschen Wirtschafts-wissenschaften aufmischt? Ernst Wagemann wird am 18. Februar 1884 als Sohn deutscher Eltern in Chañarcillo (Chile) geboren, sein Vater arbeitet als Kaufmann. Nach dem Studium der Staatswissen-schaften in Göttingen, Berlin und Heidelberg fol-gen 1907 die Promotion und eine kurze Dozenten-tätigkeit am Hamburgischen Kolonialinstitut, aus dem später unter anderem das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv hervorgeht. 1914 habili-tiert sich Wagemann an der Berliner Universität. Im späten Kaiserreich erscheinen bereits erste empirisch-ökonomische Arbeiten über Westindien, Chile (1913) und Brasilien (1915).

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zu den USA nur eine Tendenz fort, die bereits zur Jahreswende 1928/29 begonnen hat. Noch bis Anfang 1930 beschreibt das IfK die wirtschaftli-che Entwicklung in Deutschland positiv. Dass der Börsencrash nicht prognostiziert wird, machen Kritiker dem Institut vielfach zum Vorwurf. Wa-gemanns »Konjunkturforschung« steht auf dem Prüfstand. Tatsächlich ist der Crash auch ein psychologisches Problem. Denn er macht in aller Schärfe deutlich, dass schwer zu prognostizierende psychologische Momente und Verhaltenserwartungen den Wirt-schaftsverlauf entscheidend prägen können. Dies ist ein Phänomen, das auch in der Wirtschafts- und Finanzkrise acht Jahrzehnte später wieder eine zentrale Rolle spielen wird.

Das IfK, das die Mechanismen, die 1930 in die Depression führen, immer wieder beschreibt, erkennt länger wirkende, harte ökonomische Faktoren. Es hebt die Grundtendenz fallender Preise hervor, die seit mehreren Jahren in fast allen Ländern zu beobachten ist. Mit Verweis auf Ernst Wagemanns Konjunkturlehre wird diese Ent-wicklung zunächst noch sehr vorsichtig mit den »langen Wellen« der Konjunktur erklärt. Wage-mann bringt dieses Erklärungsmuster Anfang 1931 jedoch ausdrücklich mit Strukturdefiziten zusammen. Er macht die Politik darauf aufmerk-sam, dass einem Aufschwung durch strukturelle Abwärtstendenzen Grenzen gesetzt sind. Bereits im August 1930 warnt er: »Die Ausbalancierung des öffentlichen Haushalts durch Ausgabensen-kung und Einnahmensteige rung wird zu – übri-gens unvermeidlichen – Beein trächtigungen der Wirtschaft führen.«7

• AllgemeineKonjunkturbeobachtung • KonjunkturdesAuslands • Geld-undKreditwirtschaft • Landwirtschaft • Montanwirtschaft(bis1938) • Industriewirtschaft (ab 1938 einschließlich Montanwirtschaft) • VerkehrswirtschaftundNachrichtenwesen (ab 1942)6 BEWährunGSProBE – DIE WEltWIrtSchAFtSKrISE 1929

25. Oktober 1929 – ein Datum, das Legende ist. Der »Schwarze Freitag« hat sich als Synonym für das plötzliche Ende einer Illusion ins historische Gedächtnis eingebrannt. Der folgenreichste Börsencrash des 20. Jahrhunderts markiert den Beginn der Weltwirtschaftskrise. Diese wird für das IfK zur ersten Bewährungsprobe.

Der wirtschaftliche Aufwärtstrend der 20er Jahre schien lange Zeit grenzenlos. 1924 durchbricht der Dow-Jones-Index zum ersten Mal die zuvor unüber-windbar scheinende Marke von 110 Punkten. Ohne Unterbrechung steigen die Aktien kurse bis zum Oktober 1929 um 300 Prozent. Die USA befinden sich in einem ökonomischen Rauschzustand. Ökonomen aus aller Welt zeigen sich optimistisch. Als jedoch an der Wall Street eine gewaltige Spe-kulationsblase platzt, verlieren Millionen Anleger ihr Vermögen. Verzweifelte Banker nehmen sich das Leben. Bis 1932 lösen sich fast 90 Prozent des US-Aktienvermögens in nichts auf. Millionen Menschen in den USA und Europa werden arbeits-los. Die Industrieproduktion und eine Reihe von Banken liegen am Boden. Es dauert Jahre, bis sich die Volkswirtschaften von den Folgen erholt haben. Der Dow-Jones-Index erreicht – auch kriegsbedingt – erst 1954 wieder seinen Höchststand von 1929. lEhrEn AuS DEr KrISE 1929

Der Kurssturz an der New Yorker Börse im Oktober 1929 drängt sich den Forschern am IfK zunächst nicht als epochal auf. Zwar sinken im Herbst auch in Deutschland, damals immerhin zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, die Aktien-kurse stark. Hier setzt sich jedoch im Gegensatz

Während des Ersten Weltkriegs (1914–1918) ist Wagemann im Reichswirtschaftsministerium (Kriegsernährungsamt) tätig und beschäftigt sich mit statistischen Fragen der Rohstoffversorgung, ehe er 1919 zum Regierungs- und Landesökono-mierat im Preußischen Ministerium ernannt und zum außerordentlichen Professor an der Universi-tät Berlin berufen wird. 1923 folgt der große Kar-rieresprung: Er steht als Präsident an der Spitze des Statistischen Reichsamts.

Das DIW gründet Wagemann als »Institut für Konjunkturforschung« in einer Zeit, die auf vielen gesellschaftspolitischen Feldern mit überkommenen Vorstellungen bricht. Alte Werte wurden mit der Abschaffung der Monarchie über Bord geworfen. Das Wirtschaftsleben erweist sich nach dem Krieg, wie viele meinen, als unbere-chenbar. Wagemann sieht das anders: Er erkennt auch in der Krisenzeit Strukturen und regelhafte Dynamiken. Die von ihm entwickelte Konjunktur-forschung soll sie sichtbar machen. Der Begriff »Konjunktur« bedeutet dabei in der Weimarer Republik selbst für die Wirtschaftswissenschaften noch weitgehend Neuland.

Von Konjunktur spricht die Volkswirtschaftslehre, wenn Nachfrage- und Produktionsschwankun-gen zu Veränderungen des Auslastungsgrads der Produktionskapazitäten führen und wenn diese Veränderungen eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen. Konjunkturprognosen als ein eigenes Forschungsfeld setzen sich zunächst nur langsam durch. Das IfK leistet hier erfolgreich Pionierar-beit.4 Mit seiner Konjunkturforschung versucht das Institut erstmals in Deutschland, die Dyna-mik der Wirtschaft empirisch zu beobachten und zu erforschen. Auf Grundlage dieser Expertise werden bis heute Politik und Wirtschaft beraten. vorBIlD uSA

Starke Impulse für Wagemanns Forschungs-ansatz gehen von den USA aus, die zum Modell einer modernen, durchrationalisierten Wirtschaft avanciert sind, gekennzeichnet von effizienter Produktion, hohen Löhnen und kräftigem Kon-sum. Konkrete Vorbilder für sein Institut findet Wagemann in amerikanischen Forschungsein-

richtungen. Dazu zählt das Harvard-Institut, das aufbauend auf den Theorien von W. C. Mitchell (»Business Cycles«, 1913) eine Synthese aus wirtschaftstheoretisch-historischen und mathe-matisch-statistischen Arbeiten anstrebt. Indem Wagemann diese Ansätze übernimmt, tritt er in Konkurrenz zur Tradition der deutschen Krisen-theorie. Denn die möchte möglichst schnell einen »Krankheitserreger« als Ursache der Konjunk-turschwankungen finden, läuft jedoch dabei mit monokausalen Schlüssen immer in die Irre. Im Unterschied dazu legt Wagemann seinen Forschungsansatz offener an. Er zeichnet auf der Grundlage systematischer Empirie ein allge-meines Konjunkturbild, indem er bestimmte Symptome identifiziert (»Symptomatologie«). Diese werden mit dem Wirtschaftskreislauf in Zusammenhang gebracht. Die Analyse erfolgt dabei immer – so lautet ein bedeutender Grund-satz Wagemanns – im Zusammenhang mit dem weltwirtschaftlichen Gesamtgeschehen. DIE ArBEItSorGAnISAtIon In DEn AnFAnGSJAhrEn

Das Institut kommt 1925 zunächst im Gebäude des Statistischen Reichsamts unter. 1928 folgt es dem Reichsamt in das ehemalige Hotel Cumberland am Kurfürstendamm, wo es bis 1933 bleibt. Die enge personelle und räumliche Verbindung beider Einrichtungen erweist sich als überaus fruchtbar. Denn das IfK erhält so auf kurzen und unbürokra-tischen Wegen, was bis heute zu seinem Lebens-elixier gehört: statistisches Datenmaterial. Das Institut wächst rasch. Bereits nach zwei Jahren sind dort 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig.5 Allein von 1933 bis 1939 verdreifacht das IfK sein Personal. Neben dem Direktorenbüro gibt es ein Zentralbüro, in dem sämtliches Schreibpersonal arbeitet.

Wagemann stehen drei Direktoren für Verwal-tung, Personal und Finanzen zur Seite. 1933 gibt es bereits mehrere Fachabteilungen, die über eine jeweils eigene Statistikergruppe unter Führung eines Gruppenleiters verfügen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bestehen verschiedene Fachab teilungen:

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zu den USA nur eine Tendenz fort, die bereits zur Jahreswende 1928/29 begonnen hat. Noch bis Anfang 1930 beschreibt das IfK die wirtschaftli-che Entwicklung in Deutschland positiv. Dass der Börsencrash nicht prognostiziert wird, machen Kritiker dem Institut vielfach zum Vorwurf. Wa-gemanns »Konjunkturforschung« steht auf dem Prüfstand. Tatsächlich ist der Crash auch ein psychologisches Problem. Denn er macht in aller Schärfe deutlich, dass schwer zu prognostizierende psychologische Momente und Verhaltenserwartungen den Wirt-schaftsverlauf entscheidend prägen können. Dies ist ein Phänomen, das auch in der Wirtschafts- und Finanzkrise acht Jahrzehnte später wieder eine zentrale Rolle spielen wird.

Das IfK, das die Mechanismen, die 1930 in die Depression führen, immer wieder beschreibt, erkennt länger wirkende, harte ökonomische Faktoren. Es hebt die Grundtendenz fallender Preise hervor, die seit mehreren Jahren in fast allen Ländern zu beobachten ist. Mit Verweis auf Ernst Wagemanns Konjunkturlehre wird diese Ent-wicklung zunächst noch sehr vorsichtig mit den »langen Wellen« der Konjunktur erklärt. Wage-mann bringt dieses Erklärungsmuster Anfang 1931 jedoch ausdrücklich mit Strukturdefiziten zusammen. Er macht die Politik darauf aufmerk-sam, dass einem Aufschwung durch strukturelle Abwärtstendenzen Grenzen gesetzt sind. Bereits im August 1930 warnt er: »Die Ausbalancierung des öffentlichen Haushalts durch Ausgabensen-kung und Einnahmensteige rung wird zu – übri-gens unvermeidlichen – Beein trächtigungen der Wirtschaft führen.«7

• AllgemeineKonjunkturbeobachtung • KonjunkturdesAuslands • Geld-undKreditwirtschaft • Landwirtschaft • Montanwirtschaft(bis1938) • Industriewirtschaft (ab 1938 einschließlich Montanwirtschaft) • VerkehrswirtschaftundNachrichtenwesen (ab 1942)6 BEWährunGSProBE – DIE WEltWIrtSchAFtSKrISE 1929

25. Oktober 1929 – ein Datum, das Legende ist. Der »Schwarze Freitag« hat sich als Synonym für das plötzliche Ende einer Illusion ins historische Gedächtnis eingebrannt. Der folgenreichste Börsencrash des 20. Jahrhunderts markiert den Beginn der Weltwirtschaftskrise. Diese wird für das IfK zur ersten Bewährungsprobe.

Der wirtschaftliche Aufwärtstrend der 20er Jahre schien lange Zeit grenzenlos. 1924 durchbricht der Dow-Jones-Index zum ersten Mal die zuvor unüber-windbar scheinende Marke von 110 Punkten. Ohne Unterbrechung steigen die Aktien kurse bis zum Oktober 1929 um 300 Prozent. Die USA befinden sich in einem ökonomischen Rauschzustand. Ökonomen aus aller Welt zeigen sich optimistisch. Als jedoch an der Wall Street eine gewaltige Spe-kulationsblase platzt, verlieren Millionen Anleger ihr Vermögen. Verzweifelte Banker nehmen sich das Leben. Bis 1932 lösen sich fast 90 Prozent des US-Aktienvermögens in nichts auf. Millionen Menschen in den USA und Europa werden arbeits-los. Die Industrieproduktion und eine Reihe von Banken liegen am Boden. Es dauert Jahre, bis sich die Volkswirtschaften von den Folgen erholt haben. Der Dow-Jones-Index erreicht – auch kriegsbedingt – erst 1954 wieder seinen Höchststand von 1929. lEhrEn AuS DEr KrISE 1929

Der Kurssturz an der New Yorker Börse im Oktober 1929 drängt sich den Forschern am IfK zunächst nicht als epochal auf. Zwar sinken im Herbst auch in Deutschland, damals immerhin zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, die Aktien-kurse stark. Hier setzt sich jedoch im Gegensatz

Während des Ersten Weltkriegs (1914–1918) ist Wagemann im Reichswirtschaftsministerium (Kriegsernährungsamt) tätig und beschäftigt sich mit statistischen Fragen der Rohstoffversorgung, ehe er 1919 zum Regierungs- und Landesökono-mierat im Preußischen Ministerium ernannt und zum außerordentlichen Professor an der Universi-tät Berlin berufen wird. 1923 folgt der große Kar-rieresprung: Er steht als Präsident an der Spitze des Statistischen Reichsamts.

Das DIW gründet Wagemann als »Institut für Konjunkturforschung« in einer Zeit, die auf vielen gesellschaftspolitischen Feldern mit überkommenen Vorstellungen bricht. Alte Werte wurden mit der Abschaffung der Monarchie über Bord geworfen. Das Wirtschaftsleben erweist sich nach dem Krieg, wie viele meinen, als unbere-chenbar. Wagemann sieht das anders: Er erkennt auch in der Krisenzeit Strukturen und regelhafte Dynamiken. Die von ihm entwickelte Konjunktur-forschung soll sie sichtbar machen. Der Begriff »Konjunktur« bedeutet dabei in der Weimarer Republik selbst für die Wirtschaftswissenschaften noch weitgehend Neuland.

Von Konjunktur spricht die Volkswirtschaftslehre, wenn Nachfrage- und Produktionsschwankun-gen zu Veränderungen des Auslastungsgrads der Produktionskapazitäten führen und wenn diese Veränderungen eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen. Konjunkturprognosen als ein eigenes Forschungsfeld setzen sich zunächst nur langsam durch. Das IfK leistet hier erfolgreich Pionierar-beit.4 Mit seiner Konjunkturforschung versucht das Institut erstmals in Deutschland, die Dyna-mik der Wirtschaft empirisch zu beobachten und zu erforschen. Auf Grundlage dieser Expertise werden bis heute Politik und Wirtschaft beraten. vorBIlD uSA

Starke Impulse für Wagemanns Forschungs-ansatz gehen von den USA aus, die zum Modell einer modernen, durchrationalisierten Wirtschaft avanciert sind, gekennzeichnet von effizienter Produktion, hohen Löhnen und kräftigem Kon-sum. Konkrete Vorbilder für sein Institut findet Wagemann in amerikanischen Forschungsein-

richtungen. Dazu zählt das Harvard-Institut, das aufbauend auf den Theorien von W. C. Mitchell (»Business Cycles«, 1913) eine Synthese aus wirtschaftstheoretisch-historischen und mathe-matisch-statistischen Arbeiten anstrebt. Indem Wagemann diese Ansätze übernimmt, tritt er in Konkurrenz zur Tradition der deutschen Krisen-theorie. Denn die möchte möglichst schnell einen »Krankheitserreger« als Ursache der Konjunk-turschwankungen finden, läuft jedoch dabei mit monokausalen Schlüssen immer in die Irre. Im Unterschied dazu legt Wagemann seinen Forschungsansatz offener an. Er zeichnet auf der Grundlage systematischer Empirie ein allge-meines Konjunkturbild, indem er bestimmte Symptome identifiziert (»Symptomatologie«). Diese werden mit dem Wirtschaftskreislauf in Zusammenhang gebracht. Die Analyse erfolgt dabei immer – so lautet ein bedeutender Grund-satz Wagemanns – im Zusammenhang mit dem weltwirtschaftlichen Gesamtgeschehen. DIE ArBEItSorGAnISAtIon In DEn AnFAnGSJAhrEn

Das Institut kommt 1925 zunächst im Gebäude des Statistischen Reichsamts unter. 1928 folgt es dem Reichsamt in das ehemalige Hotel Cumberland am Kurfürstendamm, wo es bis 1933 bleibt. Die enge personelle und räumliche Verbindung beider Einrichtungen erweist sich als überaus fruchtbar. Denn das IfK erhält so auf kurzen und unbürokra-tischen Wegen, was bis heute zu seinem Lebens-elixier gehört: statistisches Datenmaterial. Das Institut wächst rasch. Bereits nach zwei Jahren sind dort 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig.5 Allein von 1933 bis 1939 verdreifacht das IfK sein Personal. Neben dem Direktorenbüro gibt es ein Zentralbüro, in dem sämtliches Schreibpersonal arbeitet.

Wagemann stehen drei Direktoren für Verwal-tung, Personal und Finanzen zur Seite. 1933 gibt es bereits mehrere Fachabteilungen, die über eine jeweils eigene Statistikergruppe unter Führung eines Gruppenleiters verfügen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bestehen verschiedene Fachab teilungen:

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Grundlage der wissenschaftlichen Arbeiten des Instituts ist in seiner Anfangszeit Ernst

Wagemanns Bestseller »Konjunkturlehre«.

Ernst Wagemann – Gründer des Instituts für Konjunkturforschung und

Leiter des DIW bis 1945.

Berliner Wahrzeichen: das Brandenburger Tor um 1925.

Im ehemaligen Hotel Cumberland ist von 1928 bis

1935 neben dem Statistischen Reichsamt auch das IfK

untergebracht.

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Grundlage der wissenschaftlichen Arbeiten des Instituts ist in seiner Anfangszeit Ernst

Wagemanns Bestseller »Konjunkturlehre«.

Ernst Wagemann – Gründer des Instituts für Konjunkturforschung und

Leiter des DIW bis 1945.

Berliner Wahrzeichen: das Brandenburger Tor um 1925.

Im ehemaligen Hotel Cumberland ist von 1928 bis

1935 neben dem Statistischen Reichsamt auch das IfK

untergebracht.

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DEr »WAGEMAnn-PlAn« – DAS rISIKo DEr PolItIKBErAtunG

Mit der Wirtschaftskrise tritt Ernst Wagemann erstmals als Berater der Politik in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. 1931 veröffentlicht er ein brisantes Papier, das auf harsche Kritik stößt, den »Wagemann-Plan«.9 Zu diesem Zeitpunkt ist der Glaube verschwunden, man habe es bei dem Börsencrash lediglich mit einer der üblichen »Rei-nigungskrisen« zu tun. Die Krise, so formuliert es ein Beobachter, ist »zu einem Vorgang mörde-rischer und blindwütiger Zerstörung entartet«.10 Stabilisierung wird deshalb ein Kernziel der Poli-tik, doch die Strategie hierfür ist umstritten.

Während die Reichsregierung unter Heinrich Brüning zur Krisenbekämpfung eine Defla-tionspolitik verfolgt, schlägt Wagemann die Ausweitung der Geldmenge vor. Er will mit einer aktiven Konjunkturpolitik die Handlungs-fähigkeit der Politik in der Krise erhalten. Die Golddeckungspflicht der Reichsbank soll auf den internationalen Zahlungsverkehr beschränkt und das »Konsumentengeld« des Inlands nur noch durch staatliche Anleihen gedeckt werden. Der – laut Wagemanns Theorie – dadurch frei werdende Devisenbetrag von drei Milliarden Reichsmark soll zur Ankurbelung der Konjunktur eingesetzt werden.

Dieser Vorschlag ist zwar nur einer unter Hunder-ten, die zu dieser Zeit kursieren, wegen der Pro-minenz seines Verfassers wird er aber landesweit heftig diskutiert. Die Reichs regierung beschäftigt sich ausführlich mit Wagemanns Plan, gibt ihm aber schließlich strikte Anweisung, öffentlich zu machen, dass er nur als Privatperson spreche. Denn der Plan hätte – im Widerspruch zu Brü-nings Politik des »knappen Geldes« – eine erhöhte Inf lation zur Folge gehabt.

Wagemanns erster Eingriff in die »große Politik« scheitert. Dennoch profiliert er sich in dieser Situation als ein unabhängiger und unbequemer Berater für Politik und Öffentlichkeit.

IM KrEuZFEuEr DEr KrItIK

Eine Bewährungsprobe für das IfK sind die Jahre 1929/30 vor allem wegen öffentlicher Kritik: Dem Vorwurf, die Tragweite der Krise nicht prognosti-ziert zu haben, stehen zeitgleich konträre Vorbe-halte der Politik gegenüber. Der Reichs regierung beispielsweise sind die Publikationen des IfK zu kritisch – ihr erscheinen die Schlussfolgerun-gen des Instituts als kontraproduktiv und nicht geeignet, um angesichts zahlreicher Streiks und Unruhen Hoffnung auf Besserung zu verbreiten. Insbesondere das Reichsfinanzministerium ver-öffentlicht mehrere kritische Stellungnahmen.

Die Medien wiederum werfen dem IfK – dem Sta-tistischen Reichsamt und damit dem Ministerium untergeordnet – vor, die Öffentlichkeit durch seine tendenziell widersprüchlichen Prognosen »völlig verwirrt« zu haben.

Auch die Personalunion aus Präsident des Sta-tistischen Reichsamts und Leiter des IfK, von Wagemann verkörpert, steht in der Kritik. Man fürchtet, die Konjunkturforschung könne regie-rungsamtlich instrumentalisiert werden.8

Spiegel der Wirtschaftsforschung – die Publikationen des DIW Berlin

Zu den Hauptaufgaben des DIW Berlin gehört die Vermittlung aktueller wirtschaftspolitischer Informati-onen. Die vierteljährliche Konjunkturberichterstattung begründete die regelmäßigen Publikationsaktivitäten. Das Flaggschiff des Instituts, der »Wochenbericht«, er-scheint erstmalig am 4. April 1928. In der Erstausgabe finden sich Beiträge über den Grad der Beschäftigung im Deutschen Reich, zu den Märkten, zum Bankkredit und zur Auslandskonjunktur. Heute wird der Wochenbe-richt bis zu 48 mal pro Jahr publiziert.

Der Zweite Weltkrieg bedeutet eine Zäsur, denn im Februar 1943 erscheint die vorerst letzte Ausgabe – mit einem Artikel über den »Aufstieg des deutschen Films«. 1950 kann die wöchentliche Tradition wieder aufge-nommen werden. Seit 1960 erscheinen die Wochen-berichte teilweise auf Englisch (»Economic Bulletin«). In den 70ern gibt es kurzzeitig auch eine französische Ausgabe.11

Älter als der Wochenbericht sind die »Vierteljahrshefte«. Die erste Ausgabe erscheint bereits Mitte 1926 unter dem Titel »Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung« und ist gekennzeichnet von einer bis dahin einzigartigen Mischung aus Text, Grafik und statistischen Übersichten. Expertenwissen und der Blick auf das Ganze stehen bei den heutigen »Vierteljahrsheften zur Wirtschaftsfor-schung« im Vordergrund, die sich vor allem wechseln-den Schwerpunktthemen widmen.

Heute stellt das DIW Berlin Analysen, Prognosen und Perspektiven in vielen verschiedenen Publikationsreihen öffentlich zur Verfügung: Diskussions papiere, »SOEPpa-pers«, die Reihe »DIW Berlin Politikberatung kompakt« sowie seit 2014 das DIW Roundup. Im Wochenbericht ermöglichen Interviews und Kommentare den Lesern einen kompakteren inhaltlichen Zugang und erleichtern die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Einordnung der Forschungsergebnisse. Auf der Webseite des DIW Berlin stehen alle Publikationen online zum Download bereit, die meisten von ihnen kostenlos. Der Wochenbe-richt wird zudem als E-Publikation angeboten.

Der Wochenbericht im Wandel der Zeit: Ausgaben von 1928, 1943, 1968, 1981, 2003, 2008 und 2015

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DEr »WAGEMAnn-PlAn« – DAS rISIKo DEr PolItIKBErAtunG

Mit der Wirtschaftskrise tritt Ernst Wagemann erstmals als Berater der Politik in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. 1931 veröffentlicht er ein brisantes Papier, das auf harsche Kritik stößt, den »Wagemann-Plan«.9 Zu diesem Zeitpunkt ist der Glaube verschwunden, man habe es bei dem Börsencrash lediglich mit einer der üblichen »Rei-nigungskrisen« zu tun. Die Krise, so formuliert es ein Beobachter, ist »zu einem Vorgang mörde-rischer und blindwütiger Zerstörung entartet«.10 Stabilisierung wird deshalb ein Kernziel der Poli-tik, doch die Strategie hierfür ist umstritten.

Während die Reichsregierung unter Heinrich Brüning zur Krisenbekämpfung eine Defla-tionspolitik verfolgt, schlägt Wagemann die Ausweitung der Geldmenge vor. Er will mit einer aktiven Konjunkturpolitik die Handlungs-fähigkeit der Politik in der Krise erhalten. Die Golddeckungspflicht der Reichsbank soll auf den internationalen Zahlungsverkehr beschränkt und das »Konsumentengeld« des Inlands nur noch durch staatliche Anleihen gedeckt werden. Der – laut Wagemanns Theorie – dadurch frei werdende Devisenbetrag von drei Milliarden Reichsmark soll zur Ankurbelung der Konjunktur eingesetzt werden.

Dieser Vorschlag ist zwar nur einer unter Hunder-ten, die zu dieser Zeit kursieren, wegen der Pro-minenz seines Verfassers wird er aber landesweit heftig diskutiert. Die Reichs regierung beschäftigt sich ausführlich mit Wagemanns Plan, gibt ihm aber schließlich strikte Anweisung, öffentlich zu machen, dass er nur als Privatperson spreche. Denn der Plan hätte – im Widerspruch zu Brü-nings Politik des »knappen Geldes« – eine erhöhte Inf lation zur Folge gehabt.

Wagemanns erster Eingriff in die »große Politik« scheitert. Dennoch profiliert er sich in dieser Situation als ein unabhängiger und unbequemer Berater für Politik und Öffentlichkeit.

IM KrEuZFEuEr DEr KrItIK

Eine Bewährungsprobe für das IfK sind die Jahre 1929/30 vor allem wegen öffentlicher Kritik: Dem Vorwurf, die Tragweite der Krise nicht prognosti-ziert zu haben, stehen zeitgleich konträre Vorbe-halte der Politik gegenüber. Der Reichs regierung beispielsweise sind die Publikationen des IfK zu kritisch – ihr erscheinen die Schlussfolgerun-gen des Instituts als kontraproduktiv und nicht geeignet, um angesichts zahlreicher Streiks und Unruhen Hoffnung auf Besserung zu verbreiten. Insbesondere das Reichsfinanzministerium ver-öffentlicht mehrere kritische Stellungnahmen.

Die Medien wiederum werfen dem IfK – dem Sta-tistischen Reichsamt und damit dem Ministerium untergeordnet – vor, die Öffentlichkeit durch seine tendenziell widersprüchlichen Prognosen »völlig verwirrt« zu haben.

Auch die Personalunion aus Präsident des Sta-tistischen Reichsamts und Leiter des IfK, von Wagemann verkörpert, steht in der Kritik. Man fürchtet, die Konjunkturforschung könne regie-rungsamtlich instrumentalisiert werden.8

Spiegel der Wirtschaftsforschung – die Publikationen des DIW Berlin

Zu den Hauptaufgaben des DIW Berlin gehört die Vermittlung aktueller wirtschaftspolitischer Informati-onen. Die vierteljährliche Konjunkturberichterstattung begründete die regelmäßigen Publikationsaktivitäten. Das Flaggschiff des Instituts, der »Wochenbericht«, er-scheint erstmalig am 4. April 1928. In der Erstausgabe finden sich Beiträge über den Grad der Beschäftigung im Deutschen Reich, zu den Märkten, zum Bankkredit und zur Auslandskonjunktur. Heute wird der Wochenbe-richt bis zu 48 mal pro Jahr publiziert.

Der Zweite Weltkrieg bedeutet eine Zäsur, denn im Februar 1943 erscheint die vorerst letzte Ausgabe – mit einem Artikel über den »Aufstieg des deutschen Films«. 1950 kann die wöchentliche Tradition wieder aufge-nommen werden. Seit 1960 erscheinen die Wochen-berichte teilweise auf Englisch (»Economic Bulletin«). In den 70ern gibt es kurzzeitig auch eine französische Ausgabe.11

Älter als der Wochenbericht sind die »Vierteljahrshefte«. Die erste Ausgabe erscheint bereits Mitte 1926 unter dem Titel »Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung« und ist gekennzeichnet von einer bis dahin einzigartigen Mischung aus Text, Grafik und statistischen Übersichten. Expertenwissen und der Blick auf das Ganze stehen bei den heutigen »Vierteljahrsheften zur Wirtschaftsfor-schung« im Vordergrund, die sich vor allem wechseln-den Schwerpunktthemen widmen.

Heute stellt das DIW Berlin Analysen, Prognosen und Perspektiven in vielen verschiedenen Publikationsreihen öffentlich zur Verfügung: Diskussions papiere, »SOEPpa-pers«, die Reihe »DIW Berlin Politikberatung kompakt« sowie seit 2014 das DIW Roundup. Im Wochenbericht ermöglichen Interviews und Kommentare den Lesern einen kompakteren inhaltlichen Zugang und erleichtern die wirtschafts- und gesellschaftspolitische Einordnung der Forschungsergebnisse. Auf der Webseite des DIW Berlin stehen alle Publikationen online zum Download bereit, die meisten von ihnen kostenlos. Der Wochenbe-richt wird zudem als E-Publikation angeboten.

Der Wochenbericht im Wandel der Zeit: Ausgaben von 1928, 1943, 1968, 1981, 2003, 2008 und 2015

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Page 22: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

1931 bricht die Danat-Bank, das zweitgrößte Kreditinstitut in

Deutschland, zusammen.

Schlange von Arbeitssuchenden vor dem Arbeitsamt in Berlin-Neukölln, 1932.

Feldarbeiterin in Kalifornien, 1936.

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1931 bricht die Danat-Bank, das zweitgrößte Kreditinstitut in

Deutschland, zusammen.

Schlange von Arbeitssuchenden vor dem Arbeitsamt in Berlin-Neukölln, 1932.

Feldarbeiterin in Kalifornien, 1936.

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Die Machtübertragung an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 führt zu einer frühen Zäsur in der Ge-schichte des Instituts für Konjunkturforschung (IfK). Ernst Wage mann wird im März 1933 seiner Funktio-nen als Präsident des Statistischen Reichsamts und als Direktor des Instituts enthoben. Die Zukunft des IfK bleibt monatelang ungewiss.12 Verantwortlich für den Schwebezustand ist Alfred Hugenberg, nationalkon-servativer Reichswirtschaftsminister im Kabinett Hit-ler. Wagemann ist kein politisches Opfer – vielmehr liegen die Gründe für seine Entlassung in persönlich motivierten Machtkämpfen innerhalb konservativer Wirtschaftskreise, in Teilen der Wirtschaftspresse und unter orthodoxen Wirtschafts wissenschaftlern.13 Die Entlassung sorgt in der Presse für Verwirrung. Denn Wagemann traut man eigentlich eine große Karriere unter den neuen Machthabern zu. Der Präsident des IfK hat bereits vor 1933 einen politischen Schwenk nach rechts begonnen und gilt einigen Medienver-tretern sogar als Anwärter auf die Präsidentschaft der Reichsbank.14

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg: Forschung unterm Hakenkreuz 13

Außenstellen des DIW Berlin werden zwischen 1938 und 1943 eingerichtet.

Monate nach der Machtübernahme Hitlers tritt Ernst Wagemann in die NSDAP ein.

WIDErStAnD trotZ AnPASSunG?

Nachdem sich Wagemann in Bittbriefen an Hitler als »getreuer Vertreter nationalsozialistischer Ideen« empfohlen hat und im Mai 1933 in die NSDAP eingetreten ist, wird er Anfang Juni wie-der als Leiter des IfK eingesetzt.15 Er ist jedoch kein bruchloser Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie: Jüdische Mitarbeiter arbeiten – solange Wagemann seine schützende Hand über sie halten kann – im Institut. Auch sein Nachfolger Ferdinand Friedensburg, als prominenter demokratischer Anhänger der Weimarer Republik von den Natio-nalsozialisten verfolgt, kommt 1939 im IfK unter. Er muss allerdings nach dem Attentatsversuch auf Hitler vom 20. Juli 1944 auf politischen Druck hin entlassen werden. Im Zuge der Ermittlungen wer-den zahlreiche Mitarbeiter des Instituts verdäch-tigt. So auch Werner von Stauffenberg, ein Vetter des Hitler-Attentäters, und Ulrich von Hassell, der 1944 hingerichtet wird.16 Auch Wagemann äußert sich zumindest einmal kritisch gegenüber der

Politik. Er empfiehlt 1943, Frieden zu schließen, um das annektierte Polen, Teile Italiens und den Balkan für das Deutsche Reich zu sichern. Auf die Ukraine soll verzichtet werden. Damit provoziert Wagemann einen Eklat – ihm droht die Inhaf-tierung im KZ, vor der er sich jedoch schützen kann.17

DAS EnDE DEr KonJunKturEn?

Schwierig gestalten sich auch die fachwissen- schaftlichen Debatten unter den neuen Macht-habern. Wagemanns empirische Konjunkturfor-schung gerät ab 1933 unter Druck. Den National- sozialisten gilt sie als Kind »liberalistischer Aus-wüchse«. Sie erklären mit ihrem Machtantritt Liberalismus, Wettbewerb und Konjunkturen unterm Hakenkreuz für abgeschafft. Die Kon-junkturforschung beruht aber auf der Annahme, dass der Markt in ständiger Bewegung und durch widerstrebende Interessen geprägt ist. Dagegen wird die NS-Wirtschaftspolitik von Erfahrungen

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Die Machtübertragung an die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 führt zu einer frühen Zäsur in der Ge-schichte des Instituts für Konjunkturforschung (IfK). Ernst Wage mann wird im März 1933 seiner Funktio-nen als Präsident des Statistischen Reichsamts und als Direktor des Instituts enthoben. Die Zukunft des IfK bleibt monatelang ungewiss.12 Verantwortlich für den Schwebezustand ist Alfred Hugenberg, nationalkon-servativer Reichswirtschaftsminister im Kabinett Hit-ler. Wagemann ist kein politisches Opfer – vielmehr liegen die Gründe für seine Entlassung in persönlich motivierten Machtkämpfen innerhalb konservativer Wirtschaftskreise, in Teilen der Wirtschaftspresse und unter orthodoxen Wirtschafts wissenschaftlern.13 Die Entlassung sorgt in der Presse für Verwirrung. Denn Wagemann traut man eigentlich eine große Karriere unter den neuen Machthabern zu. Der Präsident des IfK hat bereits vor 1933 einen politischen Schwenk nach rechts begonnen und gilt einigen Medienver-tretern sogar als Anwärter auf die Präsidentschaft der Reichsbank.14

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg: Forschung unterm Hakenkreuz 13

Außenstellen des DIW Berlin werden zwischen 1938 und 1943 eingerichtet.

Monate nach der Machtübernahme Hitlers tritt Ernst Wagemann in die NSDAP ein.

WIDErStAnD trotZ AnPASSunG?

Nachdem sich Wagemann in Bittbriefen an Hitler als »getreuer Vertreter nationalsozialistischer Ideen« empfohlen hat und im Mai 1933 in die NSDAP eingetreten ist, wird er Anfang Juni wie-der als Leiter des IfK eingesetzt.15 Er ist jedoch kein bruchloser Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie: Jüdische Mitarbeiter arbeiten – solange Wagemann seine schützende Hand über sie halten kann – im Institut. Auch sein Nachfolger Ferdinand Friedensburg, als prominenter demokratischer Anhänger der Weimarer Republik von den Natio-nalsozialisten verfolgt, kommt 1939 im IfK unter. Er muss allerdings nach dem Attentatsversuch auf Hitler vom 20. Juli 1944 auf politischen Druck hin entlassen werden. Im Zuge der Ermittlungen wer-den zahlreiche Mitarbeiter des Instituts verdäch-tigt. So auch Werner von Stauffenberg, ein Vetter des Hitler-Attentäters, und Ulrich von Hassell, der 1944 hingerichtet wird.16 Auch Wagemann äußert sich zumindest einmal kritisch gegenüber der

Politik. Er empfiehlt 1943, Frieden zu schließen, um das annektierte Polen, Teile Italiens und den Balkan für das Deutsche Reich zu sichern. Auf die Ukraine soll verzichtet werden. Damit provoziert Wagemann einen Eklat – ihm droht die Inhaf-tierung im KZ, vor der er sich jedoch schützen kann.17

DAS EnDE DEr KonJunKturEn?

Schwierig gestalten sich auch die fachwissen- schaftlichen Debatten unter den neuen Macht-habern. Wagemanns empirische Konjunkturfor-schung gerät ab 1933 unter Druck. Den National- sozialisten gilt sie als Kind »liberalistischer Aus-wüchse«. Sie erklären mit ihrem Machtantritt Liberalismus, Wettbewerb und Konjunkturen unterm Hakenkreuz für abgeschafft. Die Kon-junkturforschung beruht aber auf der Annahme, dass der Markt in ständiger Bewegung und durch widerstrebende Interessen geprägt ist. Dagegen wird die NS-Wirtschaftspolitik von Erfahrungen

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mit seinem Institut die Bewegungsvorgänge in der Volkswirtschaft und in der Weltwirtschaft weiterhin »aufs getreueste« widerspiegeln zu wollen. Doch finden sich ebenso bemerkenswerte Eingeständnisse gegenüber dem NS-Wirtschafts-verständnis. Wagemann lehnt »Liberalismus« und »Ellenbogenfreiheit für den Einzelnen« ab und plädiert für die Ausrichtung des »Einzel-interesses auf das Gesamtwohl«.18

Die ideologische Besetzung des Begriffs »Kon-junktur« hinterlässt sichtbare Spuren im Namen des Instituts: Im Juni 1941, auf dem Höhepunkt der deutschen Kriegserfolge, wird aus dem »Insti-

der Weltwirtschaftskrise 1929 getrieben. Viele Deutsche fühlen sich dem Markt ausgeliefert, ohne über nationale Steuerungsmechanismen innerhalb einer sich globalisierenden Wirtschaft zu verfügen. Hitlers Erfolg basiert auch auf dem Versprechen, Konjunkturverläufe abzuschaffen, die wirtschaftliche Autarkie zu stärken und damit ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen. Mit dem »neuen Geist« der Nationalsozialisten ist eine an die Regeln der Marktwirtschaft geknüpfte Kon-junkturforschung, wie sie Wagemann entworfen hat, konzeptionell nicht vereinbar.

Die NS-Politik zwingt das IfK zum Umdenken. Der Wochenbericht vom 2. August 1933 ist dafür symptomatisch. Wagemann behauptet darin zwar,

1938: Niederschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung, Breslau

Übernahme des 1926 gegründeten Österreichischen Instituts für Konjunktur- forschung, Wien

1940: Institut für Wirtschafts- und Konjunkturforschung, München

1941: Institut für Wirtschaftsforschung, Braunschweig

Ostsee-Institut für Wirtschaftsforschung, Danzig

1942: Oberschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung, Kattowitz

Institut für Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspraxis, Halle/Saale

Mitteldeutsches Institut für Wirtschafts forschung, Magdeburg

Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg

Abteilung Paris des DIW

Institut für Wirtschaftsforschung, Prag

1943: Niederländisches Institut für Wirtschaftsforschung, Amsterdam

Institut für Wirtschaftsforschung, Reichenberg/Sudetenland

tut für Konjunkturforschung« das »Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung« (DIW) – angepasst an die Interessen der NS-Bürokratie. Die Umbenennung hat allerdings auch mit einem geweite ten Forschungsfokus und einer zunehmend beratenden Tätigkeit zu tun.

oPPortunISMuS IM ZWEItEn WEltKrIEG

Mit dem deutschen Überfall auf Polen beginnt am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Das NS-Regime hat planmäßig darauf hin-gearbeitet. Verstärkter Konsumverzicht und expandierende Rüstungsproduktion, staatliche Reglementierung von Preisen und Löhnen, Steuererhöhungen, Zwangssparen, Waren-kontingentierung und Dienstverpflichtung von Arbeitskräften: Das gesamte deutsche Wirt-schaftssystem ist auf die kriegerische Expan-sionspolitik ausgerichtet. Die dirigistischen Eingriffe des Staats in Güter-, Kapital- und Devisenmärkte haben zu planwirtschaftlichen Verhältnissen geführt.19 Das IfK stellt sich – gelinde gesagt – pragmatisch auf die neuen Verhältnisse ein.

Dem Institut kommt der hohe Bedarf der NS-Wirtschaftspolitik nach Planzahlen und statistischem Material zugute, um die Politik der gelenkten Wirtschaft umzusetzen. Deren Bezugsrahmen muss mit der kriegerischen Expansion Deutschlands immer wieder neu errechnet und gedeutet werden. Behörden und staatliche Stellen beauftragen im Zweiten Weltkrieg beim DIW zahllose Sonderuntersu-chungen über die annektierten Gebiete. Dazu gehören Studien über die polnische Schwer-industrie, den Bergbau in der Tschecho s lowakei, die nordafrikanische Energiewirtschaft und Arbeiten über die Wirtschaft der Sowjetunion. Die »ernährungswirtschaftliche Blockadefes-tigkeit Deutschlands und Kontinentaleuropas« entwickelt sich zu einem der wichtigsten Untersuchungsgegenstände des DIW. Die Mitarbeiter berechnen, wie viele Tonnen Getreide sowie Rinder und Schweine durch die Expansion im Osten vereinnahmt werden könnten, um den Krieg auch bei wirtschaftli-cher Blockade durch die Kriegsgegner erfolg-

reich weiterzuführen.20 Das Institut liefert vielfach die statistischen und wirtschaftsstra-tegischen Grundlagen für die Kriegsplanung.

trEnnunG voM StAtIStISchEn rEIchSAMt

Mit Auftragsarbeiten gelingt es dem Insti-tut ab 1933 eine für die unmittelbare Arbeit folgenschwere Entwicklung zu verkraften: die institutionelle Trennung vom Statisti-schen Reichsamt. Mit der zwischenzeitlichen Entlassung Wagemanns als Präsident des Reichsamts 1933 ist das IfK vom direkten Zugang zu Datenmaterial und der staatlichen Finanzierung losgelöst. Das Institut muss beim Statistischen Reichsamt vielfach um Daten betteln – und wird nicht immer großzügig be-handelt. Zudem muss es seinen Haushalt nun durch Auftragsforschung bestreiten. Dennoch: Das IfK bleibt auch nach 1933 der wichtigste Anlaufpunkt für empirische Wirtschaftsfor-schung in Deutschland und kann vor allem im Rahmen der Kriegswirtschaft seine Bedeu-tung ausbauen.21 Personell sind die Jahre der NS-Diktatur eine Phase der Expansion. Die Mitarbeiterzahl steigt bis Anfang der 40er Jahre um das Vierfache auf rund 200 an.22

Bis zum Frühsommer 1937 ist das Institut im Gebäude der Bleichröderbank, Unter den Lin-den, untergebracht. Die Nähe zu den Ministe-rien im Zentrum der Stadt gilt als Maßstab der Standortentscheidung.

1937 ziehen die Mitarbeiter dann in die Fasa-nenstraße 6 um, die offizielle Institutsadresse bis zum Frühjahr 1945. Am Ende des Kriegs werden jedoch Ausweichquartiere bezogen, zunächst in Feldberg (Mecklenburg), später in Clausthal-Zellerfeld (Harz).

Die Außenstellen des Instituts

Bereits 1926 gründet das IfK eine Außenstelle in Essen, um eine regionale Konjunkturstatistik zu entwickeln. Daraus geht 1943 das eigenständige Rheinisch-West fälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hervor.

Zwischen 1938 und 1943 werden 13 weitere Außenstellen mit durchschnittlich zwei bis acht Mitarbeitern eingerichtet, die sich mit regionaler Wirtschaftsforschung, Studien über die effiziente Anpassung an die Kriegs-wirtschaft sowie der ökonomischen Integration besetzter Gebiete befassen:

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mit seinem Institut die Bewegungsvorgänge in der Volkswirtschaft und in der Weltwirtschaft weiterhin »aufs getreueste« widerspiegeln zu wollen. Doch finden sich ebenso bemerkenswerte Eingeständnisse gegenüber dem NS-Wirtschafts-verständnis. Wagemann lehnt »Liberalismus« und »Ellenbogenfreiheit für den Einzelnen« ab und plädiert für die Ausrichtung des »Einzel-interesses auf das Gesamtwohl«.18

Die ideologische Besetzung des Begriffs »Kon-junktur« hinterlässt sichtbare Spuren im Namen des Instituts: Im Juni 1941, auf dem Höhepunkt der deutschen Kriegserfolge, wird aus dem »Insti-

der Weltwirtschaftskrise 1929 getrieben. Viele Deutsche fühlen sich dem Markt ausgeliefert, ohne über nationale Steuerungsmechanismen innerhalb einer sich globalisierenden Wirtschaft zu verfügen. Hitlers Erfolg basiert auch auf dem Versprechen, Konjunkturverläufe abzuschaffen, die wirtschaftliche Autarkie zu stärken und damit ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen. Mit dem »neuen Geist« der Nationalsozialisten ist eine an die Regeln der Marktwirtschaft geknüpfte Kon-junkturforschung, wie sie Wagemann entworfen hat, konzeptionell nicht vereinbar.

Die NS-Politik zwingt das IfK zum Umdenken. Der Wochenbericht vom 2. August 1933 ist dafür symptomatisch. Wagemann behauptet darin zwar,

1938: Niederschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung, Breslau

Übernahme des 1926 gegründeten Österreichischen Instituts für Konjunktur- forschung, Wien

1940: Institut für Wirtschafts- und Konjunkturforschung, München

1941: Institut für Wirtschaftsforschung, Braunschweig

Ostsee-Institut für Wirtschaftsforschung, Danzig

1942: Oberschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung, Kattowitz

Institut für Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspraxis, Halle/Saale

Mitteldeutsches Institut für Wirtschafts forschung, Magdeburg

Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg

Abteilung Paris des DIW

Institut für Wirtschaftsforschung, Prag

1943: Niederländisches Institut für Wirtschaftsforschung, Amsterdam

Institut für Wirtschaftsforschung, Reichenberg/Sudetenland

tut für Konjunkturforschung« das »Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung« (DIW) – angepasst an die Interessen der NS-Bürokratie. Die Umbenennung hat allerdings auch mit einem geweite ten Forschungsfokus und einer zunehmend beratenden Tätigkeit zu tun.

oPPortunISMuS IM ZWEItEn WEltKrIEG

Mit dem deutschen Überfall auf Polen beginnt am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Das NS-Regime hat planmäßig darauf hin-gearbeitet. Verstärkter Konsumverzicht und expandierende Rüstungsproduktion, staatliche Reglementierung von Preisen und Löhnen, Steuererhöhungen, Zwangssparen, Waren-kontingentierung und Dienstverpflichtung von Arbeitskräften: Das gesamte deutsche Wirt-schaftssystem ist auf die kriegerische Expan-sionspolitik ausgerichtet. Die dirigistischen Eingriffe des Staats in Güter-, Kapital- und Devisenmärkte haben zu planwirtschaftlichen Verhältnissen geführt.19 Das IfK stellt sich – gelinde gesagt – pragmatisch auf die neuen Verhältnisse ein.

Dem Institut kommt der hohe Bedarf der NS-Wirtschaftspolitik nach Planzahlen und statistischem Material zugute, um die Politik der gelenkten Wirtschaft umzusetzen. Deren Bezugsrahmen muss mit der kriegerischen Expansion Deutschlands immer wieder neu errechnet und gedeutet werden. Behörden und staatliche Stellen beauftragen im Zweiten Weltkrieg beim DIW zahllose Sonderuntersu-chungen über die annektierten Gebiete. Dazu gehören Studien über die polnische Schwer-industrie, den Bergbau in der Tschecho s lowakei, die nordafrikanische Energiewirtschaft und Arbeiten über die Wirtschaft der Sowjetunion. Die »ernährungswirtschaftliche Blockadefes-tigkeit Deutschlands und Kontinentaleuropas« entwickelt sich zu einem der wichtigsten Untersuchungsgegenstände des DIW. Die Mitarbeiter berechnen, wie viele Tonnen Getreide sowie Rinder und Schweine durch die Expansion im Osten vereinnahmt werden könnten, um den Krieg auch bei wirtschaftli-cher Blockade durch die Kriegsgegner erfolg-

reich weiterzuführen.20 Das Institut liefert vielfach die statistischen und wirtschaftsstra-tegischen Grundlagen für die Kriegsplanung.

trEnnunG voM StAtIStISchEn rEIchSAMt

Mit Auftragsarbeiten gelingt es dem Insti-tut ab 1933 eine für die unmittelbare Arbeit folgenschwere Entwicklung zu verkraften: die institutionelle Trennung vom Statisti-schen Reichsamt. Mit der zwischenzeitlichen Entlassung Wagemanns als Präsident des Reichsamts 1933 ist das IfK vom direkten Zugang zu Datenmaterial und der staatlichen Finanzierung losgelöst. Das Institut muss beim Statistischen Reichsamt vielfach um Daten betteln – und wird nicht immer großzügig be-handelt. Zudem muss es seinen Haushalt nun durch Auftragsforschung bestreiten. Dennoch: Das IfK bleibt auch nach 1933 der wichtigste Anlaufpunkt für empirische Wirtschaftsfor-schung in Deutschland und kann vor allem im Rahmen der Kriegswirtschaft seine Bedeu-tung ausbauen.21 Personell sind die Jahre der NS-Diktatur eine Phase der Expansion. Die Mitarbeiterzahl steigt bis Anfang der 40er Jahre um das Vierfache auf rund 200 an.22

Bis zum Frühsommer 1937 ist das Institut im Gebäude der Bleichröderbank, Unter den Lin-den, untergebracht. Die Nähe zu den Ministe-rien im Zentrum der Stadt gilt als Maßstab der Standortentscheidung.

1937 ziehen die Mitarbeiter dann in die Fasa-nenstraße 6 um, die offizielle Institutsadresse bis zum Frühjahr 1945. Am Ende des Kriegs werden jedoch Ausweichquartiere bezogen, zunächst in Feldberg (Mecklenburg), später in Clausthal-Zellerfeld (Harz).

Die Außenstellen des Instituts

Bereits 1926 gründet das IfK eine Außenstelle in Essen, um eine regionale Konjunkturstatistik zu entwickeln. Daraus geht 1943 das eigenständige Rheinisch-West fälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hervor.

Zwischen 1938 und 1943 werden 13 weitere Außenstellen mit durchschnittlich zwei bis acht Mitarbeitern eingerichtet, die sich mit regionaler Wirtschaftsforschung, Studien über die effiziente Anpassung an die Kriegs-wirtschaft sowie der ökonomischen Integration besetzter Gebiete befassen:

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Kammergericht an der Elßholzstraße in Berlin, Ulrich von Hassell während der Verhandlung,

7./8. September 1944.

Nach der Ernennung zum Reichskanzler wird Hitler stürmisch von seinen Anhängern

gefeiert, 30. Januar 1933.

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Kammergericht an der Elßholzstraße in Berlin, Ulrich von Hassell während der Verhandlung,

7./8. September 1944.

Nach der Ernennung zum Reichskanzler wird Hitler stürmisch von seinen Anhängern

gefeiert, 30. Januar 1933.

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Page 30: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Deutschland in der »Stunde Null«: Die verbliebenen Mitarbeiter des DIW wagen bereits wenige Tage nach der Kapitulation den Neuanfang. Die Bestandsauf-nahme ist ernüchternd: Das Institutsgebäude ist durch Bombentreffer zerstört, die Archive und die Bibliothek sind nach Mecklenburg ausgelagert und von den ehe-dem knapp 200 Beschäftigten befinden sich nur noch etwa 100 in Berlin.23 Zudem stellt sich die Frage nach dem Nutzen der Konjunkturforschung für eine brach-liegende deutsche Wirtschaft. Auch fehlt es zunächst an einem strategischen Kopf: Ernst Wagemann, der sich zunächst in den westlichen Besatzungszonen

aufhält, verlässt das Land und folgt einem Ruf an die Universität von Santiago de Chile. »Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zu Berlin fühlt sich dem Manne verbunden und verpflichtet, dem es sein Entstehen, seine entscheidende Anfangsleistung und ein Gutteil seines weltweiten Rufes verdankt«, würdigt ihn später dessen Nachfolger im Amt des DIW-Präsidenten.24 Es ist Ferdinand Friedensburg, mit dem ein neues Kapitel der Institutsgeschichte aufgeschlagen wird. Friedensburg möchte nur für eine begrenzte Zeit amtieren – doch die »Übergangs-periode« dauert 22 Jahre.25

Die Nachkriegsjahre: Neubeginn im Trümmerland

2.300.000

100

Tonnen lebenswichtiger Güter werden während der Luftbrücke nach Berlin eingeflogen.

Mitarbeiter sind von ehedem 200 nach dem Krieg noch in Berlin.

Stunden gibt die US-amerikanische Militärregierung den Mitarbeitern des DIW zur Räumung des beschlagnahmten Insti-tutsgebäudes in der Goßlerstraße 20.

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Deutschland in der »Stunde Null«: Die verbliebenen Mitarbeiter des DIW wagen bereits wenige Tage nach der Kapitulation den Neuanfang. Die Bestandsauf-nahme ist ernüchternd: Das Institutsgebäude ist durch Bombentreffer zerstört, die Archive und die Bibliothek sind nach Mecklenburg ausgelagert und von den ehe-dem knapp 200 Beschäftigten befinden sich nur noch etwa 100 in Berlin.23 Zudem stellt sich die Frage nach dem Nutzen der Konjunkturforschung für eine brach-liegende deutsche Wirtschaft. Auch fehlt es zunächst an einem strategischen Kopf: Ernst Wagemann, der sich zunächst in den westlichen Besatzungszonen

aufhält, verlässt das Land und folgt einem Ruf an die Universität von Santiago de Chile. »Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zu Berlin fühlt sich dem Manne verbunden und verpflichtet, dem es sein Entstehen, seine entscheidende Anfangsleistung und ein Gutteil seines weltweiten Rufes verdankt«, würdigt ihn später dessen Nachfolger im Amt des DIW-Präsidenten.24 Es ist Ferdinand Friedensburg, mit dem ein neues Kapitel der Institutsgeschichte aufgeschlagen wird. Friedensburg möchte nur für eine begrenzte Zeit amtieren – doch die »Übergangs-periode« dauert 22 Jahre.25

Die Nachkriegsjahre: Neubeginn im Trümmerland

2.300.000

100

Tonnen lebenswichtiger Güter werden während der Luftbrücke nach Berlin eingeflogen.

Mitarbeiter sind von ehedem 200 nach dem Krieg noch in Berlin.

Stunden gibt die US-amerikanische Militärregierung den Mitarbeitern des DIW zur Räumung des beschlagnahmten Insti-tutsgebäudes in der Goßlerstraße 20.

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Er wird gemeinsam mit Ferdinand Grüning 1950 Mitglied eines Enquete-Ausschusses, der die Auf-nahme West-Berlins in das European Recovery Program (»Marshallplan«) begleitet.

DIE »GElEhrtEnrEPuBlIK«

Ferdinand Friedensburg gelingt es, eine besonde-re Atmosphäre der Freiheit im Institut zu schaf-fen. Unter den Wissen schaftlern kennzeichnen nicht Hierar chien, sondern der wissenschaftliche Diskurs das gemeinsame Arbeiten. »Am Institut gibt es keine Vorgesetzten, am Institut gibt es nur Kollegen«, sagt Friedensburg 1945. Er prägt den Be-griff der »Gelehrtenrepublik« für das DIW, in dem die wissenschaftlichen Mitarbeiter ein besonderes Vertrauensverhältnis verbindet und den Abtei-lungsleitern Mitspracherechte bei der Leitung des Instituts eingeräumt werden.33 Das Institutsgebäu-de im ruhigen, grünen Berlin-Dahlem trägt dazu bei, ein familiäres Gefühl zu verstärken.

Nachdem in der zweiten Jahreshälfte 1947 die erste Institutsarbeit der Nachkriegszeit in gedruckter Form erscheint («Die deutsche Wirtschaft zwei Jahre nach dem Zusammenbruch«), folgt im September 1948 nach sechs Jahren kriegsbedingter Unterbrechung das erste Vierteljahrsheft. Mit Jahresbeginn 1950 wird auch die Tradition des Wochenberichts wieder aufgenommen. »Die Re-organisation des Instituts in der Nachkriegszeit ist zu einem gewissen Abschluss gekommen«, notiert der Jahresbericht 1950, dem Jahr des 25-jährigen Institutsjubiläums.

BErlIn-BlocKADE unD luFtBrücKE

1948 spitzt sich die politische Lage in Berlin dramatisch zu: »Der Kalte Krieg ist heiß gewor-den«, titelt am 28. Juni 1948 der »Münchner Merkur«.31 In der Nacht zum 24. Juni haben sowjetische Truppen die Zufahrtswege nach West-Berlin gesperrt, die Gas- und Stromversor-gung der Westsektoren drastisch eingeschränkt. Auslöser der Maßnahme ist die Einführung der D-Mark in den westlichen Stadtsektoren. Die Berlin-Blockade durch die sowjetische Besat-zungsmacht wird zur Bewährungsprobe für die westlichen Alliierten, denn es geht um die Existenz Berlins. In einer beispiellosen Hilfs-aktion werden etwa zwei Millionen West-Berliner aus der Luft versorgt. Als »Rosinenbomber« gehören die alliierten Flugzeuge zum prägenden Motiv deutscher Nachkriegserzählungen. In fast 300.000 Flügen transportieren sie durch drei freie Luftkorridore rund 2,3 Millionen Tonnen lebenswichtiger Güter nach Berlin – eine logisti-sche Glanzleistung und ein waghalsiges Unter-nehmen, das auch vom DIW mit vielen Daten gestützt wird. Einer der wichtigsten politischen Machtkämpfe, die die neuzeitliche Geschichte kennt, wird auf wirtschaftlichem Gebiet ausgetra-gen«, schreibt Ferdinand Friedensburg Ende April 1949, kurz vor dem Ende der Blockade.32

Während der Blockade untersuchen Mitarbeiter des Instituts den Mindesttransportbedarf der drei West sektoren. Ein »Sonderheft«, das im Frühjahr 1949 veröffentlicht wird, beschreibt und analysiert alle Aspekte der Berliner Wirtschaft, von der Luft brücke, der Ernährung der Stadtbevöl-kerung, Finanz- und Kreditproblemen über die Stromversorgung bis hin zur Versorgung mit Schuhwerk. Am Ende siegt der Durchhaltewille der West-Berliner. Im Mai 1949 wird die Blockade aufgehoben.

Auch wenn die zentrale Bedeutung Berlins für die Forschungsarbeiten des DIW später nach-lässt, wird zur besseren Koordination der Berlin-Forschung am 1. April 1949 ein eigenes Referat gebildet, dessen Leitung Rolf Krengel übernimmt.

nEuAnFAnG In BErlIn-DAhlEM

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gestaltet sich die Suche nach einer neuen Bleibe schwierig. Ein Institutsgebäude wird nach wenigen Wochen beschlagnahmt; eine Notunterkunft erweist sich als nicht regenfest. »Ich sehe noch einen unserer leitenden Mitarbeiter, wie er mit aufgespanntem Regenschirm am Schreibtisch saß und seine Arbeitspapiere vor dem aus der lecken Decke herabträufelnden Regen schützte«, erinnert sich Friedensburg in der Nachkriegszeit.26 Rechenmaschinen, während der Bombenangriffe in Privatwohnungen gesichert, werden vor der Konfiszierung durch die Alliierten bewahrt. Junge Mitarbeiterinnen lenken alliierte Posten ab, während die Belegschaft alles Brauchbare und Transportfähige auf Nachbargrundstücke beför-dert. Die Bibliothek bleibt jedoch in der sowjeti-schen Besatzungszone verloren. Bücher mit der Signatur des Instituts liegen später in Ost-Berliner Antiquariaten zum Verkauf aus.27

EInE nEuE InStItutSIDEE

Ab September 1945 können die Mitarbeiter zwar in der Dahlemer Cecilienallee 6 endlich wieder regulär ihrer Arbeit nachgehen. Doch es dauert noch, bis das DIW in wirklich ruhigere Fahrwas-ser kommt. Denn das Institut gerät 1946 in den politischen Konflikt der geteilten Stadt: Ministe-rien und öffentliche Institutionen im sowjetisch besetzten Teil haben Interesse daran, das Institut zu übernehmen. Dem Taktiker Ferdinand Friedensburg gelingt es aber, den kommunistischen Zugriff auf die Ins-

titutsleitung abzuwehren. Zuvor hat er bereits die Verlagerung des DIW in den sowjetischen Sektor abgelehnt.

Die von Friedensburg erkämpfte Unabhängigkeit bleibt gewahrt und das von ihm geprägte Motto des DIW lautet fortan: »Jedermann dienstbar, niemandem untertan«. Die verhärteten politischen Fronten machen allerdings für die Verwaltungen und Handelskammern in der sowjetischen Besat-zungszone eine weitere Zusammenarbeit mit dem DIW unmöglich.28

vErEnGunG DEr ForSchunG AuF BErlIn

Nach dem Krieg ist an geregelte Arbeit kaum zu denken. Überregionale Post- und Verkehrsverbin-dungen sind unterbrochen. Der Schwerpunkt der Forschungstätigkeit des DIW verlagert sich auch deshalb zunächst auf regionale Themen.29

In Einzelschriften suchen Mitarbeiter des Insti-tuts nach Antworten auf die speziellen Probleme Berlins. Es geht vorrangig um Versorgungsfragen in der kriegszerstörten Stadt, aber auch um Geld- und Kreditprobleme, den Aufbau der verarbeiten-den Industrie und um die Bauwirtschaft. Über die Schwierigkeiten bei dieser wissenschaftlichen Arbeit berichtet das Vorwort zur ersten gedruck-ten Nachkriegsveröffentlichung 1947: »Dass die Sammlung des erforderlichen Tatsachenmaterials heute Hemmnissen begegnet, wie sie sich der Wissenschaftler noch vor wenigen Jahren nicht hat vorstellen können, bedarf keines Beweises, ebenso wenig wie die Tatsache, dass auch die Gewinnung eines ruhigen unbeeinflussten Urteils heute selbst bei ehrlichstem Streben sehr be-trächtlichen Schwierigkeiten ausgesetzt ist.«30

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Page 33: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Er wird gemeinsam mit Ferdinand Grüning 1950 Mitglied eines Enquete-Ausschusses, der die Auf-nahme West-Berlins in das European Recovery Program (»Marshallplan«) begleitet.

DIE »GElEhrtEnrEPuBlIK«

Ferdinand Friedensburg gelingt es, eine besonde-re Atmosphäre der Freiheit im Institut zu schaf-fen. Unter den Wissen schaftlern kennzeichnen nicht Hierar chien, sondern der wissenschaftliche Diskurs das gemeinsame Arbeiten. »Am Institut gibt es keine Vorgesetzten, am Institut gibt es nur Kollegen«, sagt Friedensburg 1945. Er prägt den Be-griff der »Gelehrtenrepublik« für das DIW, in dem die wissenschaftlichen Mitarbeiter ein besonderes Vertrauensverhältnis verbindet und den Abtei-lungsleitern Mitspracherechte bei der Leitung des Instituts eingeräumt werden.33 Das Institutsgebäu-de im ruhigen, grünen Berlin-Dahlem trägt dazu bei, ein familiäres Gefühl zu verstärken.

Nachdem in der zweiten Jahreshälfte 1947 die erste Institutsarbeit der Nachkriegszeit in gedruckter Form erscheint («Die deutsche Wirtschaft zwei Jahre nach dem Zusammenbruch«), folgt im September 1948 nach sechs Jahren kriegsbedingter Unterbrechung das erste Vierteljahrsheft. Mit Jahresbeginn 1950 wird auch die Tradition des Wochenberichts wieder aufgenommen. »Die Re-organisation des Instituts in der Nachkriegszeit ist zu einem gewissen Abschluss gekommen«, notiert der Jahresbericht 1950, dem Jahr des 25-jährigen Institutsjubiläums.

BErlIn-BlocKADE unD luFtBrücKE

1948 spitzt sich die politische Lage in Berlin dramatisch zu: »Der Kalte Krieg ist heiß gewor-den«, titelt am 28. Juni 1948 der »Münchner Merkur«.31 In der Nacht zum 24. Juni haben sowjetische Truppen die Zufahrtswege nach West-Berlin gesperrt, die Gas- und Stromversor-gung der Westsektoren drastisch eingeschränkt. Auslöser der Maßnahme ist die Einführung der D-Mark in den westlichen Stadtsektoren. Die Berlin-Blockade durch die sowjetische Besat-zungsmacht wird zur Bewährungsprobe für die westlichen Alliierten, denn es geht um die Existenz Berlins. In einer beispiellosen Hilfs-aktion werden etwa zwei Millionen West-Berliner aus der Luft versorgt. Als »Rosinenbomber« gehören die alliierten Flugzeuge zum prägenden Motiv deutscher Nachkriegserzählungen. In fast 300.000 Flügen transportieren sie durch drei freie Luftkorridore rund 2,3 Millionen Tonnen lebenswichtiger Güter nach Berlin – eine logisti-sche Glanzleistung und ein waghalsiges Unter-nehmen, das auch vom DIW mit vielen Daten gestützt wird. Einer der wichtigsten politischen Machtkämpfe, die die neuzeitliche Geschichte kennt, wird auf wirtschaftlichem Gebiet ausgetra-gen«, schreibt Ferdinand Friedensburg Ende April 1949, kurz vor dem Ende der Blockade.32

Während der Blockade untersuchen Mitarbeiter des Instituts den Mindesttransportbedarf der drei West sektoren. Ein »Sonderheft«, das im Frühjahr 1949 veröffentlicht wird, beschreibt und analysiert alle Aspekte der Berliner Wirtschaft, von der Luft brücke, der Ernährung der Stadtbevöl-kerung, Finanz- und Kreditproblemen über die Stromversorgung bis hin zur Versorgung mit Schuhwerk. Am Ende siegt der Durchhaltewille der West-Berliner. Im Mai 1949 wird die Blockade aufgehoben.

Auch wenn die zentrale Bedeutung Berlins für die Forschungsarbeiten des DIW später nach-lässt, wird zur besseren Koordination der Berlin-Forschung am 1. April 1949 ein eigenes Referat gebildet, dessen Leitung Rolf Krengel übernimmt.

nEuAnFAnG In BErlIn-DAhlEM

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gestaltet sich die Suche nach einer neuen Bleibe schwierig. Ein Institutsgebäude wird nach wenigen Wochen beschlagnahmt; eine Notunterkunft erweist sich als nicht regenfest. »Ich sehe noch einen unserer leitenden Mitarbeiter, wie er mit aufgespanntem Regenschirm am Schreibtisch saß und seine Arbeitspapiere vor dem aus der lecken Decke herabträufelnden Regen schützte«, erinnert sich Friedensburg in der Nachkriegszeit.26 Rechenmaschinen, während der Bombenangriffe in Privatwohnungen gesichert, werden vor der Konfiszierung durch die Alliierten bewahrt. Junge Mitarbeiterinnen lenken alliierte Posten ab, während die Belegschaft alles Brauchbare und Transportfähige auf Nachbargrundstücke beför-dert. Die Bibliothek bleibt jedoch in der sowjeti-schen Besatzungszone verloren. Bücher mit der Signatur des Instituts liegen später in Ost-Berliner Antiquariaten zum Verkauf aus.27

EInE nEuE InStItutSIDEE

Ab September 1945 können die Mitarbeiter zwar in der Dahlemer Cecilienallee 6 endlich wieder regulär ihrer Arbeit nachgehen. Doch es dauert noch, bis das DIW in wirklich ruhigere Fahrwas-ser kommt. Denn das Institut gerät 1946 in den politischen Konflikt der geteilten Stadt: Ministe-rien und öffentliche Institutionen im sowjetisch besetzten Teil haben Interesse daran, das Institut zu übernehmen. Dem Taktiker Ferdinand Friedensburg gelingt es aber, den kommunistischen Zugriff auf die Ins-

titutsleitung abzuwehren. Zuvor hat er bereits die Verlagerung des DIW in den sowjetischen Sektor abgelehnt.

Die von Friedensburg erkämpfte Unabhängigkeit bleibt gewahrt und das von ihm geprägte Motto des DIW lautet fortan: »Jedermann dienstbar, niemandem untertan«. Die verhärteten politischen Fronten machen allerdings für die Verwaltungen und Handelskammern in der sowjetischen Besat-zungszone eine weitere Zusammenarbeit mit dem DIW unmöglich.28

vErEnGunG DEr ForSchunG AuF BErlIn

Nach dem Krieg ist an geregelte Arbeit kaum zu denken. Überregionale Post- und Verkehrsverbin-dungen sind unterbrochen. Der Schwerpunkt der Forschungstätigkeit des DIW verlagert sich auch deshalb zunächst auf regionale Themen.29

In Einzelschriften suchen Mitarbeiter des Insti-tuts nach Antworten auf die speziellen Probleme Berlins. Es geht vorrangig um Versorgungsfragen in der kriegszerstörten Stadt, aber auch um Geld- und Kreditprobleme, den Aufbau der verarbeiten-den Industrie und um die Bauwirtschaft. Über die Schwierigkeiten bei dieser wissenschaftlichen Arbeit berichtet das Vorwort zur ersten gedruck-ten Nachkriegsveröffentlichung 1947: »Dass die Sammlung des erforderlichen Tatsachenmaterials heute Hemmnissen begegnet, wie sie sich der Wissenschaftler noch vor wenigen Jahren nicht hat vorstellen können, bedarf keines Beweises, ebenso wenig wie die Tatsache, dass auch die Gewinnung eines ruhigen unbeeinflussten Urteils heute selbst bei ehrlichstem Streben sehr be-trächtlichen Schwierigkeiten ausgesetzt ist.«30

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Page 34: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Das DIW veröffentlicht 1949 zur Berlin-Blockade ein Sonderheft.

Rechenmaschinen des DIW, während der Bombenangriffe in Privatwohnungen gesichert, werden vor der Konfission durch die Allierten bewahrt. Junge Mitarbeiterinnen lenken alliierte Posten ab, während die Belegschaft alles Brauchbare und Transportfähige auf Nachbargrundstücke befördert.

Das neue Institutsgebäude, Cecilienallee 6 (seit 1949

in Pacelliallee umbenannt). Die Bibliothek bleibt in der

sowjetischen Besatzungszone verloren. Bücher mit der Signa-tur des Instituts liegen später in Ost-Berliner Antiquariaten

zum Verkauf aus.

Ferdinand Friedensburg will nur für eine kurze Zeit amtieren – doch das »Provisorium« dauert 22 Jahre.

Wegen der Blockade versorgen alliierte Flugzeuge die Bevölkerung West-Berlins aus der Luft. Als »Rosinenbomber« gehören sie zum festen

Zitatenschatz deutscher Nachkriegserzählungen.

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Das DIW veröffentlicht 1949 zur Berlin-Blockade ein Sonderheft.

Rechenmaschinen des DIW, während der Bombenangriffe in Privatwohnungen gesichert, werden vor der Konfission durch die Allierten bewahrt. Junge Mitarbeiterinnen lenken alliierte Posten ab, während die Belegschaft alles Brauchbare und Transportfähige auf Nachbargrundstücke befördert.

Das neue Institutsgebäude, Cecilienallee 6 (seit 1949

in Pacelliallee umbenannt). Die Bibliothek bleibt in der

sowjetischen Besatzungszone verloren. Bücher mit der Signa-tur des Instituts liegen später in Ost-Berliner Antiquariaten

zum Verkauf aus.

Ferdinand Friedensburg will nur für eine kurze Zeit amtieren – doch das »Provisorium« dauert 22 Jahre.

Wegen der Blockade versorgen alliierte Flugzeuge die Bevölkerung West-Berlins aus der Luft. Als »Rosinenbomber« gehören sie zum festen

Zitatenschatz deutscher Nachkriegserzählungen.

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1949 entstehen zwei Staaten auf deutschem Boden. Der Bundesrepublik Deutschland als einer repräsen-tativen Demokratie mit Mehrparteiensystem, freien Wahlen und Gewaltenteilung steht die Einparteien-herrschaft der SED in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gegenüber. Während die Bürger des »Arbeiter- und Bauernstaats« unter den Folgen mas-siver Reparationen und der Demontage wichtiger Industrieanlagen durch die sowjetische Besatzungs-macht sowie den Missständen der sozialistischen Planwirtschaft leiden, erlebt die Bundesrepublik mit Unterstützung ihrer westlichen Verbündeten einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg.

Wirtschaftswunderjahre: Die frühe Bundesrepublik und das DIW

100 : 6,5 beträgt der Wechselkurs bei der Währungsreform 1948.

12,1Prozent beträgt das Wirtschaftswachstum 1955, das höchste in der Geschichte der Bundesrepublik.

DAS »WIrtSchAFtSWunDEr« IM SPIEGEl DEr WochEnBErIchtE

Die Wochenberichte des DIW spiegeln das »außerordentliche Wachstum« des Bruttosozial-produkts im ersten Jahrzehnt nach Gründung der Bundesrepublik.35 Im April 1950 gibt der Wochen-bericht des DIW als Ziel des bundesdeutschen Wiederaufbaus an, »sämtliche Arbeitsfähige und Arbeitswillige wieder in den Wirtschafts-prozess einzugliedern und dabei die Produktivität je Arbeitskraft zum Mindesten wieder auf den Vorkriegsstand zu erhöhen«.36 Dies ist eine am-bitionierte Vorgabe angesichts eines Ausfalls der Arbeitsleistung von 30 Prozent im Vergleich zur Vorkriegszeit. Fünf Jahre später wartet das Institut mit der Meldung auf: »Im Laufe des Jahres 1954 ist in der Bundesrepublik die Vollbeschäftigung annähernd erreicht worden.«37 Produktions-steigerung, Preisstabilität, eine ausgeglichene Handelsbilanz und Vollbeschäftigung bilden eine beispiellose Erfolgs story. Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich die junge Bundesrepublik zu einer

führenden Industrienation. Den Bundesdeutschen geht es wieder gut: Schon 1952 melden die Zeitun-gen erstmals Übergewicht beim Durchschnitts-deutschen. »Jetzt schmeckt das Eisbein wieder in Aspik, ist ja kein Wunder nach dem verlorenen Krieg«, singt der Kabarettist Wolfgang Neuss spöttisch im »Lied vom Wirtschaftswunder«.

EIn MythoS unD SEInE öKonoMISchEn hIntErGrünDE

Wirtschaftshistoriker streiten heute darüber, ob sich der rasante Aufschwung nur einer glückli-chen Kombination historischer Umstände und Entwicklungen verdankt.38 Handelte es sich nur um ein »normales« Aufholwachstum nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch im Krieg? Oder brauchte es die Ordnungspolitik des mythisch verklärten »Genies« Ludwig Erhard? Die Verbin-dung aus freiem Wettbewerb auf offenen Märkten mit zweckvoller staatlicher Intervention findet im Begriff der »sozialen Marktwirtschaft« ihre ein-gängige Formel. Sie stammt vom Nationalökono-

Prozent der Bundesbürger wissen 1955, was eine Konjunktur ist.

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1949 entstehen zwei Staaten auf deutschem Boden. Der Bundesrepublik Deutschland als einer repräsen-tativen Demokratie mit Mehrparteiensystem, freien Wahlen und Gewaltenteilung steht die Einparteien-herrschaft der SED in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) gegenüber. Während die Bürger des »Arbeiter- und Bauernstaats« unter den Folgen mas-siver Reparationen und der Demontage wichtiger Industrieanlagen durch die sowjetische Besatzungs-macht sowie den Missständen der sozialistischen Planwirtschaft leiden, erlebt die Bundesrepublik mit Unterstützung ihrer westlichen Verbündeten einen rasanten wirtschaftlichen Aufstieg.

Wirtschaftswunderjahre: Die frühe Bundesrepublik und das DIW

100 : 6,5 beträgt der Wechselkurs bei der Währungsreform 1948.

12,1Prozent beträgt das Wirtschaftswachstum 1955, das höchste in der Geschichte der Bundesrepublik.

DAS »WIrtSchAFtSWunDEr« IM SPIEGEl DEr WochEnBErIchtE

Die Wochenberichte des DIW spiegeln das »außerordentliche Wachstum« des Bruttosozial-produkts im ersten Jahrzehnt nach Gründung der Bundesrepublik.35 Im April 1950 gibt der Wochen-bericht des DIW als Ziel des bundesdeutschen Wiederaufbaus an, »sämtliche Arbeitsfähige und Arbeitswillige wieder in den Wirtschafts-prozess einzugliedern und dabei die Produktivität je Arbeitskraft zum Mindesten wieder auf den Vorkriegsstand zu erhöhen«.36 Dies ist eine am-bitionierte Vorgabe angesichts eines Ausfalls der Arbeitsleistung von 30 Prozent im Vergleich zur Vorkriegszeit. Fünf Jahre später wartet das Institut mit der Meldung auf: »Im Laufe des Jahres 1954 ist in der Bundesrepublik die Vollbeschäftigung annähernd erreicht worden.«37 Produktions-steigerung, Preisstabilität, eine ausgeglichene Handelsbilanz und Vollbeschäftigung bilden eine beispiellose Erfolgs story. Innerhalb kurzer Zeit entwickelt sich die junge Bundesrepublik zu einer

führenden Industrienation. Den Bundesdeutschen geht es wieder gut: Schon 1952 melden die Zeitun-gen erstmals Übergewicht beim Durchschnitts-deutschen. »Jetzt schmeckt das Eisbein wieder in Aspik, ist ja kein Wunder nach dem verlorenen Krieg«, singt der Kabarettist Wolfgang Neuss spöttisch im »Lied vom Wirtschaftswunder«.

EIn MythoS unD SEInE öKonoMISchEn hIntErGrünDE

Wirtschaftshistoriker streiten heute darüber, ob sich der rasante Aufschwung nur einer glückli-chen Kombination historischer Umstände und Entwicklungen verdankt.38 Handelte es sich nur um ein »normales« Aufholwachstum nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch im Krieg? Oder brauchte es die Ordnungspolitik des mythisch verklärten »Genies« Ludwig Erhard? Die Verbin-dung aus freiem Wettbewerb auf offenen Märkten mit zweckvoller staatlicher Intervention findet im Begriff der »sozialen Marktwirtschaft« ihre ein-gängige Formel. Sie stammt vom Nationalökono-

Prozent der Bundesbürger wissen 1955, was eine Konjunktur ist.

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nEuES InStItutSGEBäuDE AlS SIGnAl

Das DIW sieht sich bei den zentralen Fragen der Wirtschaftspolitik selbstbewusst an »vorderster Front«.44 Die Wissenschaftler stützen sich auf die Ergebnisse der volkswirtschaftlichen Gesamt-rechnung für das Bundesgebiet. Diese wird – zunächst mit großem zeitlichem Vorsprung vor dem Statistischen Bundesamt – in den Viertel-jahrsheften veröffentlicht. Die Wochenberichte setzen zeitgleich immer stärker auf Politikbera-tung und die Entwicklung wirtschaftspolitischer Instrumentarien.45

Die »äußere Krönung des Aufbauwerkes« am DIW, wie es 1956 stolz heißt, ist die Errichtung eines neuen Institutsgebäudes in der Königin-Luise-Straße 5.46 Es wird am 28. Mai 1956 in Anwesenheit des Bundespräsidenten eingeweiht. Theodor Heuss würdigt insbesondere das Engage-ment der in der Vereinigung der Freunde des DIW Berlin (VdF) zusammengeschlossenen Unterneh-men und Verbände, das den Neubau ermöglicht hat. Auf drei Geschossen stehen der verjüngten Mitarbeiterschaft in den neun Forschungsabtei-lungen 60 Arbeitsräume, ein Vortragssaal, die Bibliothek und das Archiv zur Verfügung. Otto Suhr, der Regierende Bürgermeister von Berlin, sagt bei der Einweihung: »Das Institut ist […] über Berlin hinausgewachsen und hat […] das Ansehen der Wirtschaftsforschung für die praktische Politik neu gestärkt.«47

len oder ob wir den untauglichen Versuch machen sollen, die Armut mit bürokratischen Maßnah-men gerecht zu verwalten.« 40

Ferdinand Friedensburg empfängt Erhard »als einen der Unsrigen in der wissenschaftlichen Zielrichtung«, dem das Glück zuteil geworden sei, praktisch zu verwirklichen, was er theoretisch denke.

AuFSchWunG MIt KurvEn

Die Analysen der Wochenberichte machen eins sehr deutlich: Der wirtschaftliche Aufschwung in der Transformation von der zentral geleiteten Kriegs- und Besatzungswirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft vollzieht sich keineswegs linear. Einem kurzzeitigen rasanten Produktionsanstieg nach der Reform folgen bis 1950 der Einbruch beim wirtschaftlichen Wachstum und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit. Zweifel an Ludwig Erhard werden laut, er ist überaus unpopulär.

Ab 1950 setzt ein nachhaltig kräftiges wirtschaft-liches Wachstum ein, begünstigt durch den Marshallplan und die Nachfrage nach deutschen Produkten und Rohstoffen im Koreakrieg.

Um das Wachstum des Sozialprodukts durch eine beständige Nachfrage zu sichern, drängt das DIW darauf, dass die Verbrauchereinkommen mit der Entwicklung des Nettosozialprodukts Schritt halten. Die Studien des Instituts zeigen überdies, dass der Aufschwung des Sozialprodukts auch innerhalb eines Jahres einem eigenen Rhythmus aus Frühjahrsabnahme, Belebung und kräftigem Anstieg zum Weihnachtsgeschäft hin folgt.41

men Alfred Müller-Armack. Ludwig Erhard macht sie erfolgreich zum politischen Schlagwort für einen Mittelweg zwischen staatlicher Wirtschafts-lenkung und bloßem Laisser-faire-Kapitalismus.

Die ökonomischen Fakten zum »Wunder«: Neben dem geringen Güterangebot hemmt zunächst insbesondere die zerrüttete Reichsmark den Aufschwung der am Boden liegenden deutschen Wirtschaft. Der Schwarzmarkt blüht, Zigaretten dienen als Ersatzwährung.

Die Währungsreform bringt 1948 den Befreiungs-schlag. Die Geldbestände werden im Verhältnis 6,50 Deutsche Mark (DM) für 100 Reichsmark reduziert. Mit der DM wird ein Gründungsmythos der Bundesrepublik geschaffen, der auch über die Umstellung auf den Euro 2002 hinausträgt. Zum zehnjährigen Jubiläum der Währungsreform heißt es 1958 im Wochenbericht des DIW Berlin: »Rückblickend wird man mit einigem Stolz fest-stellen können, dass diese Reform, die zunächst als ein ebenso kühnes wie vielleicht brutales Experiment erschien, sich als ein nicht nur notwendiger, sondern auch erfolgreicher Schritt im Wiederaufbau der westdeutschen Wirtschaft erwiesen hat.«39

Die Freigabe der Preise bedeutete den Weg zur Marktwirtschaft nach Jahren staatlicher Lenkung. Die Aufhebung der Zwangswirtschaft wird dabei von der währungsstabilisierenden Einrichtung der Bundesbank und einem Kartelle verbietenden Wettbewerbsgesetz flankiert, beides Erbe alliierter Wirtschaftspolitik.

luDWIG ErhArD AlS GASt IM DIW

Der Ruhm Ludwig Erhards (1897–1977) beruht auf seiner politischen Karriere. Das Wirtschaftswun-der begründet den Mythos des erfolgreichen Wirt-schaftsministers und Wegbereiters der sozialen Marktwirtschaft. Am 17. Juni 1949 hält Erhard vor den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des DIW einen nicht öffentlichen, viel diskutier-ten Vortrag. Erhard spricht über die zwischen-zeitlichen Probleme nach der Währungsreform: »Wir sind vor die Entscheidung gestellt, ob wir uns durch den gegebenen Notstand durchhungern sol-

voM WIrtSchAFtSWunDEr ZuM KonJunKturProBlEM?

Die jahrelange Phase der Hochkonjunktur birgt Risiken. Steigende Lebenshaltungskosten führen 1955 zu Versuchen, die überschäumende Konjunk-tur zu dämpfen. Über die geeigneten Instrumente kommt es innerhalb der Bundesregierung zu einem heftigen Streit. Die Verwunderung über den Aufschwung weicht in der Bevölkerung dem Wunsch, den gewonnenen Lebensstandard zu sichern. »Die westdeutsche Bevölkerung neigt heute dazu«, stellt das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« Mitte des Jahrzehnts fest, »den großartigen Aufschwung der westdeutschen Wirt-schaft nicht mehr als ein Wunder zu betrachten, sondern als eine Selbstverständlichkeit.«

»Vom Wirtschaftswunder zum Konjunktur-problem«, lautet der bezeichnende Titel einer »Spiegel«-Umfrage des einfachen »Manns auf der Straße«. Der Durchschnittsbürger zeigt sich überfordert. Konjunktur? Nur zwei Prozent der befragten Bundesbürger können sachlich richtig sagen, wovon die Rede ist.42 Das DIW leistet hier Aufklärungsarbeit, unter anderem mit einer regelmäßigen Rubrik in der Wochenzeitung »Die Zeit«. Dort gibt man im August 1955 Entwarnung, eine »akute Gefahr der Überhitzung« sei nicht vorhanden.43

Kleines Wirtschaftswunder DDr?

Auch die DDR erlebt nach den Entbehrungen des Kriegs und der Nachkriegszeit ein beschleunigtes Wirt-schaftswachstum und einen beachtlichen Anstieg des Bruttosozialprodukts. Als Negativfaktoren wirken jedoch hohe Reparationszahlungen, die Demontage von Indus-trieanlagen durch die sowjetische Besatzungsmacht und Kapitalmangel im Zuge der Verstaatlichungs- und Kollektivierungspolitik, schließlich die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in den Westen bis zum Mau-erbau 1961.

In den späten 50er Jahren kommt es zunächst zu einer merklichen Verbesserung der Lage, und 1958 findet die fast völlige Aufhebung der Rationierung statt – man spricht kurzzeitig sogar vom »roten Wirtschaftswunder«. Die sozialistische Planwirtschaft kann aber langfristig nicht mit der Wachstumsdynamik der sozialen Markt-wirtschaft mithalten. Gegenüber den Wohlstandsver-sprechungen der SED werden Versorgungsmängel immer offensichtlicher. Auch wenn sich die DDR selbst bis zu ihrem Ende zu den »zehn größten Industrienationen der Welt« rechnet, bleibt sie im Produktivitätsniveau und im Lebensstandard der Bevölkerung zunehmend hinter der Bundesrepublik zurück.48

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nEuES InStItutSGEBäuDE AlS SIGnAl

Das DIW sieht sich bei den zentralen Fragen der Wirtschaftspolitik selbstbewusst an »vorderster Front«.44 Die Wissenschaftler stützen sich auf die Ergebnisse der volkswirtschaftlichen Gesamt-rechnung für das Bundesgebiet. Diese wird – zunächst mit großem zeitlichem Vorsprung vor dem Statistischen Bundesamt – in den Viertel-jahrsheften veröffentlicht. Die Wochenberichte setzen zeitgleich immer stärker auf Politikbera-tung und die Entwicklung wirtschaftspolitischer Instrumentarien.45

Die »äußere Krönung des Aufbauwerkes« am DIW, wie es 1956 stolz heißt, ist die Errichtung eines neuen Institutsgebäudes in der Königin-Luise-Straße 5.46 Es wird am 28. Mai 1956 in Anwesenheit des Bundespräsidenten eingeweiht. Theodor Heuss würdigt insbesondere das Engage-ment der in der Vereinigung der Freunde des DIW Berlin (VdF) zusammengeschlossenen Unterneh-men und Verbände, das den Neubau ermöglicht hat. Auf drei Geschossen stehen der verjüngten Mitarbeiterschaft in den neun Forschungsabtei-lungen 60 Arbeitsräume, ein Vortragssaal, die Bibliothek und das Archiv zur Verfügung. Otto Suhr, der Regierende Bürgermeister von Berlin, sagt bei der Einweihung: »Das Institut ist […] über Berlin hinausgewachsen und hat […] das Ansehen der Wirtschaftsforschung für die praktische Politik neu gestärkt.«47

len oder ob wir den untauglichen Versuch machen sollen, die Armut mit bürokratischen Maßnah-men gerecht zu verwalten.« 40

Ferdinand Friedensburg empfängt Erhard »als einen der Unsrigen in der wissenschaftlichen Zielrichtung«, dem das Glück zuteil geworden sei, praktisch zu verwirklichen, was er theoretisch denke.

AuFSchWunG MIt KurvEn

Die Analysen der Wochenberichte machen eins sehr deutlich: Der wirtschaftliche Aufschwung in der Transformation von der zentral geleiteten Kriegs- und Besatzungswirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft vollzieht sich keineswegs linear. Einem kurzzeitigen rasanten Produktionsanstieg nach der Reform folgen bis 1950 der Einbruch beim wirtschaftlichen Wachstum und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit. Zweifel an Ludwig Erhard werden laut, er ist überaus unpopulär.

Ab 1950 setzt ein nachhaltig kräftiges wirtschaft-liches Wachstum ein, begünstigt durch den Marshallplan und die Nachfrage nach deutschen Produkten und Rohstoffen im Koreakrieg.

Um das Wachstum des Sozialprodukts durch eine beständige Nachfrage zu sichern, drängt das DIW darauf, dass die Verbrauchereinkommen mit der Entwicklung des Nettosozialprodukts Schritt halten. Die Studien des Instituts zeigen überdies, dass der Aufschwung des Sozialprodukts auch innerhalb eines Jahres einem eigenen Rhythmus aus Frühjahrsabnahme, Belebung und kräftigem Anstieg zum Weihnachtsgeschäft hin folgt.41

men Alfred Müller-Armack. Ludwig Erhard macht sie erfolgreich zum politischen Schlagwort für einen Mittelweg zwischen staatlicher Wirtschafts-lenkung und bloßem Laisser-faire-Kapitalismus.

Die ökonomischen Fakten zum »Wunder«: Neben dem geringen Güterangebot hemmt zunächst insbesondere die zerrüttete Reichsmark den Aufschwung der am Boden liegenden deutschen Wirtschaft. Der Schwarzmarkt blüht, Zigaretten dienen als Ersatzwährung.

Die Währungsreform bringt 1948 den Befreiungs-schlag. Die Geldbestände werden im Verhältnis 6,50 Deutsche Mark (DM) für 100 Reichsmark reduziert. Mit der DM wird ein Gründungsmythos der Bundesrepublik geschaffen, der auch über die Umstellung auf den Euro 2002 hinausträgt. Zum zehnjährigen Jubiläum der Währungsreform heißt es 1958 im Wochenbericht des DIW Berlin: »Rückblickend wird man mit einigem Stolz fest-stellen können, dass diese Reform, die zunächst als ein ebenso kühnes wie vielleicht brutales Experiment erschien, sich als ein nicht nur notwendiger, sondern auch erfolgreicher Schritt im Wiederaufbau der westdeutschen Wirtschaft erwiesen hat.«39

Die Freigabe der Preise bedeutete den Weg zur Marktwirtschaft nach Jahren staatlicher Lenkung. Die Aufhebung der Zwangswirtschaft wird dabei von der währungsstabilisierenden Einrichtung der Bundesbank und einem Kartelle verbietenden Wettbewerbsgesetz flankiert, beides Erbe alliierter Wirtschaftspolitik.

luDWIG ErhArD AlS GASt IM DIW

Der Ruhm Ludwig Erhards (1897–1977) beruht auf seiner politischen Karriere. Das Wirtschaftswun-der begründet den Mythos des erfolgreichen Wirt-schaftsministers und Wegbereiters der sozialen Marktwirtschaft. Am 17. Juni 1949 hält Erhard vor den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des DIW einen nicht öffentlichen, viel diskutier-ten Vortrag. Erhard spricht über die zwischen-zeitlichen Probleme nach der Währungsreform: »Wir sind vor die Entscheidung gestellt, ob wir uns durch den gegebenen Notstand durchhungern sol-

voM WIrtSchAFtSWunDEr ZuM KonJunKturProBlEM?

Die jahrelange Phase der Hochkonjunktur birgt Risiken. Steigende Lebenshaltungskosten führen 1955 zu Versuchen, die überschäumende Konjunk-tur zu dämpfen. Über die geeigneten Instrumente kommt es innerhalb der Bundesregierung zu einem heftigen Streit. Die Verwunderung über den Aufschwung weicht in der Bevölkerung dem Wunsch, den gewonnenen Lebensstandard zu sichern. »Die westdeutsche Bevölkerung neigt heute dazu«, stellt das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« Mitte des Jahrzehnts fest, »den großartigen Aufschwung der westdeutschen Wirt-schaft nicht mehr als ein Wunder zu betrachten, sondern als eine Selbstverständlichkeit.«

»Vom Wirtschaftswunder zum Konjunktur-problem«, lautet der bezeichnende Titel einer »Spiegel«-Umfrage des einfachen »Manns auf der Straße«. Der Durchschnittsbürger zeigt sich überfordert. Konjunktur? Nur zwei Prozent der befragten Bundesbürger können sachlich richtig sagen, wovon die Rede ist.42 Das DIW leistet hier Aufklärungsarbeit, unter anderem mit einer regelmäßigen Rubrik in der Wochenzeitung »Die Zeit«. Dort gibt man im August 1955 Entwarnung, eine »akute Gefahr der Überhitzung« sei nicht vorhanden.43

Kleines Wirtschaftswunder DDr?

Auch die DDR erlebt nach den Entbehrungen des Kriegs und der Nachkriegszeit ein beschleunigtes Wirt-schaftswachstum und einen beachtlichen Anstieg des Bruttosozialprodukts. Als Negativfaktoren wirken jedoch hohe Reparationszahlungen, die Demontage von Indus-trieanlagen durch die sowjetische Besatzungsmacht und Kapitalmangel im Zuge der Verstaatlichungs- und Kollektivierungspolitik, schließlich die Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in den Westen bis zum Mau-erbau 1961.

In den späten 50er Jahren kommt es zunächst zu einer merklichen Verbesserung der Lage, und 1958 findet die fast völlige Aufhebung der Rationierung statt – man spricht kurzzeitig sogar vom »roten Wirtschaftswunder«. Die sozialistische Planwirtschaft kann aber langfristig nicht mit der Wachstumsdynamik der sozialen Markt-wirtschaft mithalten. Gegenüber den Wohlstandsver-sprechungen der SED werden Versorgungsmängel immer offensichtlicher. Auch wenn sich die DDR selbst bis zu ihrem Ende zu den »zehn größten Industrienationen der Welt« rechnet, bleibt sie im Produktivitätsniveau und im Lebensstandard der Bevölkerung zunehmend hinter der Bundesrepublik zurück.48

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Page 40: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Die Kurven zeigen nach oben – aus dem Wochenbericht Nr. 25, 1958: zehn Jahre Deutsche Mark.

Der damalige Bundeswirtschafts- minister Ludwig Erhard mit seinem Buch »Wohlstand für Alle«, 1957.

Bundespräsident Theodor Heuss würdigt bei der Einweihung des neuen Institutsgebäudes in der Königin-Luise-Straße 5 am 28. Mai 1956 das private Engagement, das den Bau erst möglich machte.

Nach Jahren der Entbehrungen üben sich die Westdeutschen wieder eifrig im Konsum.

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Page 41: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Die Kurven zeigen nach oben – aus dem Wochenbericht Nr. 25, 1958: zehn Jahre Deutsche Mark.

Der damalige Bundeswirtschafts- minister Ludwig Erhard mit seinem Buch »Wohlstand für Alle«, 1957.

Bundespräsident Theodor Heuss würdigt bei der Einweihung des neuen Institutsgebäudes in der Königin-Luise-Straße 5 am 28. Mai 1956 das private Engagement, das den Bau erst möglich machte.

Nach Jahren der Entbehrungen üben sich die Westdeutschen wieder eifrig im Konsum.

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»Geh’n Sie mit der Konjunktur, / dreh’n Sie mit an die-ser Uhr, / laufen Sie, wenn’s sein muss, / raufen Sie und dann verkaufen Sie mit Konjunkturgewinn.« Der fortschrittsgläubige Bundesbürger pfeift zu Beginn des neuen Jahrzehnts die Melodie des »Konjunktur-Cha-Cha-Cha«. Die gesellschaftlichen Zeichen stehen auf Massenkonsum, dem Bau der Berliner Mauer 1961 zum Trotz.

Eine Hochkonjunktur verliert an Glanz – die 60er Jahre 459.000

Arbeitslose sind in der Talsohle des Rezessionsjahres 1967 registriert.81

Jahre ist Ferdinand Friedensburg alt, als er Ende 1967 sein Amt als DIW-Präsident aufgibt.

DIE InDuStrIEtAGunGEn DES DIW

Am 19. Oktober 1960 findet die erste Industrie-tagung des DIW statt. Sie fördert den Aus tausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft – und begründet eine lang andauernde Tradition. Die wissenschaftliche Betreuung durch das DIW und die aktive Mitarbeit von Teilnehmern aus der Praxis sind das Qualitätssiegel der Industrieta-gung. Sie wird unterstützt von der Vereinigung der Freunde des DIW Berlin e.V. (VdF). Neben der umfassenden und detaillierten Darstellung der aktuellen konjunkturellen Situation widmen sich diese Tagungen strukturellen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft durch ein jeweils wech-selndes Schwerpunktthema.

DIE rEZESSIon In DEn DIW-ProGnoSEn unD DIE GroSSE KoAlItIon

Ökonomisch wendet sich Mitte der 60er Jahre das Blatt. »Ist das Wirtschaftswunder zu Ende?«, titelt am 3. Januar 1966 das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«.49 Konjunkturabschwächung und die Preisentwicklung sind auch den Forschern am DIW untrügliche Indizien dafür, dass Deutsch-land in die erste Rezession nach dem Krieg rutscht. 1966 weist der Wochenbericht Nr. 25 erstmals auf die konjunkturelle Schwäche hin. Zum Jahresende spricht das Institut bereits von einer »besorgniserregenden Unterkühlung« der Konjunktur.50 Die Arbeitslosigkeit wächst jetzt im Land der Vollbeschäftigung schnell an.

Im November 1966 zerbricht die christlich-liberale Koalition unter Ludwig Erhard über der Suche eines Wegs aus wachsendem Haushalts-defizit und steigender Staatsverschuldung. Unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger wird die erste Große Koalition, aus CDU/CSU und SPD, gebildet. Willy Brandt wird Außenminister und Vizekanzler. Die wirtschaftspolitische Agenda

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»Geh’n Sie mit der Konjunktur, / dreh’n Sie mit an die-ser Uhr, / laufen Sie, wenn’s sein muss, / raufen Sie und dann verkaufen Sie mit Konjunkturgewinn.« Der fortschrittsgläubige Bundesbürger pfeift zu Beginn des neuen Jahrzehnts die Melodie des »Konjunktur-Cha-Cha-Cha«. Die gesellschaftlichen Zeichen stehen auf Massenkonsum, dem Bau der Berliner Mauer 1961 zum Trotz.

Eine Hochkonjunktur verliert an Glanz – die 60er Jahre 459.000

Arbeitslose sind in der Talsohle des Rezessionsjahres 1967 registriert.81

Jahre ist Ferdinand Friedensburg alt, als er Ende 1967 sein Amt als DIW-Präsident aufgibt.

DIE InDuStrIEtAGunGEn DES DIW

Am 19. Oktober 1960 findet die erste Industrie-tagung des DIW statt. Sie fördert den Aus tausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft – und begründet eine lang andauernde Tradition. Die wissenschaftliche Betreuung durch das DIW und die aktive Mitarbeit von Teilnehmern aus der Praxis sind das Qualitätssiegel der Industrieta-gung. Sie wird unterstützt von der Vereinigung der Freunde des DIW Berlin e.V. (VdF). Neben der umfassenden und detaillierten Darstellung der aktuellen konjunkturellen Situation widmen sich diese Tagungen strukturellen Herausforderungen der deutschen Wirtschaft durch ein jeweils wech-selndes Schwerpunktthema.

DIE rEZESSIon In DEn DIW-ProGnoSEn unD DIE GroSSE KoAlItIon

Ökonomisch wendet sich Mitte der 60er Jahre das Blatt. »Ist das Wirtschaftswunder zu Ende?«, titelt am 3. Januar 1966 das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«.49 Konjunkturabschwächung und die Preisentwicklung sind auch den Forschern am DIW untrügliche Indizien dafür, dass Deutsch-land in die erste Rezession nach dem Krieg rutscht. 1966 weist der Wochenbericht Nr. 25 erstmals auf die konjunkturelle Schwäche hin. Zum Jahresende spricht das Institut bereits von einer »besorgniserregenden Unterkühlung« der Konjunktur.50 Die Arbeitslosigkeit wächst jetzt im Land der Vollbeschäftigung schnell an.

Im November 1966 zerbricht die christlich-liberale Koalition unter Ludwig Erhard über der Suche eines Wegs aus wachsendem Haushalts-defizit und steigender Staatsverschuldung. Unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger wird die erste Große Koalition, aus CDU/CSU und SPD, gebildet. Willy Brandt wird Außenminister und Vizekanzler. Die wirtschaftspolitische Agenda

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Rezession Aufgabe des Staats, die Wirtschaft mit konjunkturfördernden Maßnahmen wie Steuer-senkungen oder öffentlichen Aufträgen wieder anzukurbeln.

Die »Konzertierte Aktion« führt in einem rechtlich zwar unverbindlichen, aber politisch prominent besetzten Gesprächskreis Arbeitgeber, Gewerk-schaften, Wirtschaftswissenschaftler, Bundesbank und Politiker zusammen. Mit einer von Finanzmi-nister Franz Josef Strauß (CSU) und Wirtschafts-minister Karl Schiller (SPD) getragenen keynesia-nischen Wirtschaftspolitik gelingt die Sanierung des Haushalts.52 Trotz des entschieden zum Aus-druck gebrachten Willens der Regierung, die vom DIW diagnostizierte Unterkühlungsphase durch aktive Konjunkturpolitik rasch zu beenden, zeigt sich das DIW in seinen Berechnungen überaus skeptisch.53 Reichen die Regierungsmaßnahmen für einen dauerhaften Aufschwung? Es zeigt sich, dass die Konjunkturprogramme 1968 immerhin zu erneutem Wirtschaftswachstum führen und für einen starken Rückgang der Arbeitslosigkeit sorgen. Der Haushalt 1969 weist bereits einen Überschuss aus.

AutoSchlüSSEl unD ZIGArrE vErSuS MAo-BIBEl

Im Ausland, so zeigt das Ergebnis einer Allens-bach-Umfrage Ende des Jahrzehnts, wird der Deutsche wieder mehr als je zuvor als »ein dicker Mann mit Zigarre und Autoschlüssel« wahrge-nommen. Doch in diesen Jahren formiert sich in der Bundesrepublik auch gesellschaftlicher Protest. Insbesondere Studenten üben in einer »antiautoritären Revolte« fundamentale Kritik am Staat und seinen Institutionen. Die 68er glauben an Marx und Marcuse. Die sogenannte Frankfur-ter Schule bietet den wissenschaftlichen Überbau für die Kritik der politischen Ökonomie. Die Entfremdung des Individuums in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft steht im Zentrum der »Kritischen Theorie«. Das DIW bleibt jedoch weitestgehend unbeeindruckt von die-ser Bewegung. Zeitgeistige Darlegungen finden sich nicht unter den Publikationen des Instituts.

dieser »Vernunftehe« wird vom Kampf gegen die schwere Rezession geprägt. Die Regierung antwortet mit dem Konzept der »Globalsteuerung der Wirtschaft«. Sie ist orientiert am britischen Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes.

DAS EnDE EInEr ärA

Das DIW erlebt zeitgleich das Ende einer Ära. Mit 81 Jahren tritt Ferdinand Friedensburg Ende 1967 als Präsident zurück. Einstimmig wird der lang-jährige – und zugleich junge – DIW-Mitarbeiter Klaus Dieter Arndt vom Kuratorium zu seinem Nachfolger gewählt. Arndt ist Bundestagsabgeord-neter der SPD und von 1967 bis 1970 Parlamen-tarischer Staatssekretär unter Bundeswirtschafts-minister Karl Schiller.

Die Wirtschaftskrise stellt die Konjunkturfor-scher des Instituts vor neue Herausforderungen. Die Wochenberichte in den Rezessionsjahren belegen die Bedeutung der Politikberatung für das Institut.51 Die Mitarbeiter stellen der Politik ihre wirtschaftswissenschaftliche Expertise zur Verfügung. Die wirtschaftspolitische Neuausrich-tung der Großen Koalition wird aktiv begleitet. Das DIW fordert den raschen und wiederholten Einsatz eines Eventualhaushalts zur Wirtschafts-förderung. Im Sinne einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik sollen neben verstärkten öffentlichen Investitionen auch Steuersenkungen weitere Nachfrage-Impulse auslösen.

StABIlItätSGESEtZ unD »KonZErtIErtE AKtIon«

Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, kurz Stabilitäts-gesetz, macht 1967 das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zum Staatsziel mit Verfassungs-rang (Art. 109 Abs. 2 GG). Das so genannte magische Viereck der Wirtschaftspolitik umfasst Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität, Wirt-schaftswachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Das Stabilitätsgesetz beschreibt verschiedene Elemente staatlicher Einnahmen- und Ausgabenpolitik, um die genannten Ziele im Sinne einer antizyklischen Wirtschaftspolitik zu erreichen. Diesem Prinzip folgend, ist es in einer

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland nimmt Mitte der 1960er Jahre erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg

wieder prägnant zu.

Zweifel am Wirtschaftswunder, wie hier im Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«, werden laut, Ausgabe vom 3. Januar 1966.

Die bundesdeutsche Rezession in einer Grafik des DIW, 1967.

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Page 45: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Rezession Aufgabe des Staats, die Wirtschaft mit konjunkturfördernden Maßnahmen wie Steuer-senkungen oder öffentlichen Aufträgen wieder anzukurbeln.

Die »Konzertierte Aktion« führt in einem rechtlich zwar unverbindlichen, aber politisch prominent besetzten Gesprächskreis Arbeitgeber, Gewerk-schaften, Wirtschaftswissenschaftler, Bundesbank und Politiker zusammen. Mit einer von Finanzmi-nister Franz Josef Strauß (CSU) und Wirtschafts-minister Karl Schiller (SPD) getragenen keynesia-nischen Wirtschaftspolitik gelingt die Sanierung des Haushalts.52 Trotz des entschieden zum Aus-druck gebrachten Willens der Regierung, die vom DIW diagnostizierte Unterkühlungsphase durch aktive Konjunkturpolitik rasch zu beenden, zeigt sich das DIW in seinen Berechnungen überaus skeptisch.53 Reichen die Regierungsmaßnahmen für einen dauerhaften Aufschwung? Es zeigt sich, dass die Konjunkturprogramme 1968 immerhin zu erneutem Wirtschaftswachstum führen und für einen starken Rückgang der Arbeitslosigkeit sorgen. Der Haushalt 1969 weist bereits einen Überschuss aus.

AutoSchlüSSEl unD ZIGArrE vErSuS MAo-BIBEl

Im Ausland, so zeigt das Ergebnis einer Allens-bach-Umfrage Ende des Jahrzehnts, wird der Deutsche wieder mehr als je zuvor als »ein dicker Mann mit Zigarre und Autoschlüssel« wahrge-nommen. Doch in diesen Jahren formiert sich in der Bundesrepublik auch gesellschaftlicher Protest. Insbesondere Studenten üben in einer »antiautoritären Revolte« fundamentale Kritik am Staat und seinen Institutionen. Die 68er glauben an Marx und Marcuse. Die sogenannte Frankfur-ter Schule bietet den wissenschaftlichen Überbau für die Kritik der politischen Ökonomie. Die Entfremdung des Individuums in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft steht im Zentrum der »Kritischen Theorie«. Das DIW bleibt jedoch weitestgehend unbeeindruckt von die-ser Bewegung. Zeitgeistige Darlegungen finden sich nicht unter den Publikationen des Instituts.

dieser »Vernunftehe« wird vom Kampf gegen die schwere Rezession geprägt. Die Regierung antwortet mit dem Konzept der »Globalsteuerung der Wirtschaft«. Sie ist orientiert am britischen Wirtschaftswissenschaftler John Maynard Keynes.

DAS EnDE EInEr ärA

Das DIW erlebt zeitgleich das Ende einer Ära. Mit 81 Jahren tritt Ferdinand Friedensburg Ende 1967 als Präsident zurück. Einstimmig wird der lang-jährige – und zugleich junge – DIW-Mitarbeiter Klaus Dieter Arndt vom Kuratorium zu seinem Nachfolger gewählt. Arndt ist Bundestagsabgeord-neter der SPD und von 1967 bis 1970 Parlamen-tarischer Staatssekretär unter Bundeswirtschafts-minister Karl Schiller.

Die Wirtschaftskrise stellt die Konjunkturfor-scher des Instituts vor neue Herausforderungen. Die Wochenberichte in den Rezessionsjahren belegen die Bedeutung der Politikberatung für das Institut.51 Die Mitarbeiter stellen der Politik ihre wirtschaftswissenschaftliche Expertise zur Verfügung. Die wirtschaftspolitische Neuausrich-tung der Großen Koalition wird aktiv begleitet. Das DIW fordert den raschen und wiederholten Einsatz eines Eventualhaushalts zur Wirtschafts-förderung. Im Sinne einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik sollen neben verstärkten öffentlichen Investitionen auch Steuersenkungen weitere Nachfrage-Impulse auslösen.

StABIlItätSGESEtZ unD »KonZErtIErtE AKtIon«

Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft, kurz Stabilitäts-gesetz, macht 1967 das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zum Staatsziel mit Verfassungs-rang (Art. 109 Abs. 2 GG). Das so genannte magische Viereck der Wirtschaftspolitik umfasst Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität, Wirt-schaftswachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Das Stabilitätsgesetz beschreibt verschiedene Elemente staatlicher Einnahmen- und Ausgabenpolitik, um die genannten Ziele im Sinne einer antizyklischen Wirtschaftspolitik zu erreichen. Diesem Prinzip folgend, ist es in einer

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland nimmt Mitte der 1960er Jahre erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg

wieder prägnant zu.

Zweifel am Wirtschaftswunder, wie hier im Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«, werden laut, Ausgabe vom 3. Januar 1966.

Die bundesdeutsche Rezession in einer Grafik des DIW, 1967.

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In der Erinnerung trägt das Bild der 70er Jahre ambi-valente Züge. Einerseits das bunte Aussteiger-Lebens-gefühl des Flower Power, das sich im psychodelischen Werbebild der Afri-Cola tradiert, der deutsche Schlager und die »Dancing Queen«, die auf Plateausohlen und mit weitem Schlag die Tanzflächen der Diskotheken erobert. Andererseits artikulieren sich Rebellentum und Nonkonformismus in der Punkbewegung Ende der 70er Jahre und vermischen sich mit Bildern des europa weiten Terrorismus, dem Auftreten neuer sozi-aler Bewegungen und einer wachsenden Furcht, dass es so, wie bisher, nicht einfach weitergehen könne. In-ternationale Bekanntheit erringt in diesen Jahren die heftig umstrittene Auftragsstudie des Club of Rome »The Limits of Growth«. Sie prognostiziert, dass innerhalb der nächsten 100 Jahre die ökologischen Grenzen des Wachstums erreicht seien, wenn nicht entschieden umgelenkt werde.

Grenzen des Wachstums? Die Ölpreiskrise und die 70er Jahre 313,7

Milliarden DM beträgt die Staatsverschuldung der Bundesrepublik 1982. 1969 lag sie noch bei 49,1 Milliarden DM.

Prozent Steigerung der Verschuldung des Bundes nach 1974 im Jahresdurchschnitt.

autofreie Sonntage werden während der ersten Ölkrise angeordnet.

MultIDISZIPlInärE DEnKFABrIK

In den späten 1960er Jahren beginnt das DIW, sich stärker an internationalen Standards auszu-richten. DIW-Präsident Klaus Dieter Arndt ver-folgt die Vision vom Think Tank, in Anlehnung an die zum Ende des Zweiten Weltkriegs in den USA gegründete gemeinnützige Rand Corpora-tion, neben der Brookings Institution eine der ältesten »Denkfabriken« der USA. In den 70er Jahren wird die Funktion des DIW als Politikbe-ratungsinstitut immer wichtiger. Das DIW weitet seine Forschungsfelder über die Wirtschaftswis-senschaften hinaus aus, Energie- und Verkehrsfra-gen spielen eine immer größere Rolle.

DEr ölPrEISSchocK

In der Bundesrepublik stehen die Zeichen zunächst auf Wachstum: »Die westdeutsche Wirtschaft befindet sich in einem kräftigen Kon-junkturaufschwung; er vollzieht sich weitgehend im Gleichschritt mit der konjunkturellen Entwick-lung in anderen Industrieländern.« Die Prognose der fünf großen Wirtschaftsforschungsinstitute vom April 1973 ist optimistisch. Doch schon im Herbst stellt das DIW fest, dass die expansive Wirtschaftsentwicklung in Europa nachlässt.55 Der konjunkturelle Einbruch wird durch ein Ereignis dramatisch verstärkt, das unter dem Stichwort »Ölpreisschock« bis heute das Bild der wirtschaft-lichen Entwicklung in den 70er Jahren prägt.

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In der Erinnerung trägt das Bild der 70er Jahre ambi-valente Züge. Einerseits das bunte Aussteiger-Lebens-gefühl des Flower Power, das sich im psychodelischen Werbebild der Afri-Cola tradiert, der deutsche Schlager und die »Dancing Queen«, die auf Plateausohlen und mit weitem Schlag die Tanzflächen der Diskotheken erobert. Andererseits artikulieren sich Rebellentum und Nonkonformismus in der Punkbewegung Ende der 70er Jahre und vermischen sich mit Bildern des europa weiten Terrorismus, dem Auftreten neuer sozi-aler Bewegungen und einer wachsenden Furcht, dass es so, wie bisher, nicht einfach weitergehen könne. In-ternationale Bekanntheit erringt in diesen Jahren die heftig umstrittene Auftragsstudie des Club of Rome »The Limits of Growth«. Sie prognostiziert, dass innerhalb der nächsten 100 Jahre die ökologischen Grenzen des Wachstums erreicht seien, wenn nicht entschieden umgelenkt werde.

Grenzen des Wachstums? Die Ölpreiskrise und die 70er Jahre 313,7

Milliarden DM beträgt die Staatsverschuldung der Bundesrepublik 1982. 1969 lag sie noch bei 49,1 Milliarden DM.

Prozent Steigerung der Verschuldung des Bundes nach 1974 im Jahresdurchschnitt.

autofreie Sonntage werden während der ersten Ölkrise angeordnet.

MultIDISZIPlInärE DEnKFABrIK

In den späten 1960er Jahren beginnt das DIW, sich stärker an internationalen Standards auszu-richten. DIW-Präsident Klaus Dieter Arndt ver-folgt die Vision vom Think Tank, in Anlehnung an die zum Ende des Zweiten Weltkriegs in den USA gegründete gemeinnützige Rand Corpora-tion, neben der Brookings Institution eine der ältesten »Denkfabriken« der USA. In den 70er Jahren wird die Funktion des DIW als Politikbe-ratungsinstitut immer wichtiger. Das DIW weitet seine Forschungsfelder über die Wirtschaftswis-senschaften hinaus aus, Energie- und Verkehrsfra-gen spielen eine immer größere Rolle.

DEr ölPrEISSchocK

In der Bundesrepublik stehen die Zeichen zunächst auf Wachstum: »Die westdeutsche Wirtschaft befindet sich in einem kräftigen Kon-junkturaufschwung; er vollzieht sich weitgehend im Gleichschritt mit der konjunkturellen Entwick-lung in anderen Industrieländern.« Die Prognose der fünf großen Wirtschaftsforschungsinstitute vom April 1973 ist optimistisch. Doch schon im Herbst stellt das DIW fest, dass die expansive Wirtschaftsentwicklung in Europa nachlässt.55 Der konjunkturelle Einbruch wird durch ein Ereignis dramatisch verstärkt, das unter dem Stichwort »Ölpreisschock« bis heute das Bild der wirtschaft-lichen Entwicklung in den 70er Jahren prägt.

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Der »Ölpreisschock« trifft die Bundesrepublik in einer Phase des konjunkturellen Abschwungs und gibt diesem eine unerwartete Dynamik. Der vom Weltmarkt kommende Preisanstieg führt zur In-f lation. Die Wirtschaft stagniert und von 1974 auf 1975 steigt die Arbeitslosenzahl in der Bundesre-publik sprunghaft an. Die Krise zeigt, wie unvor-hersehbar die Entwicklung der Wirtschaft unter globalen Bedingungen sein kann.58 Das DIW sagt in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von 53 Milliarden DM voraus, das dann auch tatsächlich eintritt. Die Prognose sorgt für großen Wirbel in der Öffentlichkeit, weil eine derartig hohe Summe öffentlich - auch von der Bundesregierung - bis dahin noch nie genannt worden war.

Das DIW verweist bei seinen Prognosen auf die zahlreichen Unwägbarkeiten, die den realen Ver-lauf beeinf lussen können. Hatte die Bundesregie-rung die kurze Rezession 1967/68 schnell wieder in den Griff bekommen, muss sie nun – und mit ihr die bundesdeutsche Gesellschaft – lernen: Ihr Wohl hängt schon lange nicht mehr nur von dem ab, was sich im nationalen Rahmen abspielt und beeinf lussen lässt.

»Gehen in Europa die Lichter aus?«, fragt am 9. November 1973 die Wochenzeitung »Die Zeit«. Was ist geschehen? Der schwelende Konflikt zwischen Israel und seinen arabischen Nachbar-staaten ist im Jom-Kippur-Krieg erneut entbrannt. Die arabischen Mitglieder der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) wollen die USA und Europa zum Eingreifen bewegen. Dazu nut-zen sie ihre mächtigste Waffe, das Öl. Sie setzen die Preise herauf und kürzen die Liefermengen. Die Aktion wirkt, an den internationalen Märk-ten bricht Panik aus. Zwar nimmt die OPEC die Mengenbeschränkung bald zurück, doch der Rohölpreis ist Ende 1973 viermal höher als zu Jahresanfang.56

EIn lAnD AlS FuSSGänGErZonE: DIE AutoFrEIEn SonntAGE

Auf den rasanten Anstieg des Ölpreises reagiert die Bundesregierung noch im November 1973 mit dem »Energiesicherungsgesetz«. Es soll den privaten Verbrauch von Mineralöl einschränken. Damit trifft der »Ölpreisschock« des Deutschen liebstes Kind: Die »heilige Kuh«, das Auto, muss in der Garage bleiben. Vier autofreie Sonntage werden angeordnet.

»Zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges wird sich morgen und an den folgenden Sonntagen vor Weihnachten unser Land in eine Fußgängerzone verwandeln«, erklärt Bundeskanzler Willy Brandt. »Die Energiekrise kann auch zu einer Chance werden.«57 Die Bevölkerung nimmt es zunächst mit Humor und spannt Pferde vor die PKW. Später halten sich von Woche zu Woche weniger Bürger an das Verbot.

hErAuSForDErunG ArBEItSloSIGKEIt

Die Arbeitslosigkeit liegt auch in den Jahren nach der Ölkrise bei über einer Million Menschen. Das DIW macht auch auf strukturelle Probleme aufmerksam. In seiner Studie »Eine mittelfristige Strategie zur Wiedergewinnung der Vollbeschäfti-gung« prognostiziert das Institut, dass aufgrund der demografischen Entwicklung in der Bundes-republik bis in die 80er Jahre hinein zu viele Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um für den Bedarf einer schrumpfenden Bevölkerung zu pro-duzieren.62 Als Gegenmittel empfiehlt das Institut im April 1978 ein umfassendes Investitionspro-gramm, das neue Nachfrage schaffen soll. Mit der Auswahl der zu fördernden Bereiche beweist das Institut dabei Gespür für zukunftsweisende Trends: Umweltschutz, innovative Techniken der Energiewirtschaft und Integration benachteiligter sozialer Gruppen.

1979 führt das DIW im Auftrag der Bundesregie-rung die erste Strukturberichterstattung durch. Für viele Jahre wird der Strukturwandel ein For-schungsschwerpunkt des Instituts sein.

ErnEutE ölKrISE unD DAS EnDE DEr SoZIAllIBErAlEn KoAlItIon

Die Schritte der Bundesregierung scheinen Ende der 70er Jahre zum Erfolg zu führen, als die Zahl der Arbeitslosen wieder unter die Millionengren-ze sinkt. Doch die Revolution 1979 im Iran führt zu neuen Unruhen am Weltmarkt und einem heftigen Anstieg der Ölpreise. Die Konjunktur in Europa bricht ein.

Die sozialliberale Koalition streitet über mögliche Reaktionen. Otto Graf Lambsdorff, der FDP-Wirtschaftsminister, moniert, die Politik der SPD führe »in die Rumpelkammer des Investitionsdi-rigismus«. Im Oktober 1982 wird die Regierung Schmidt durch ein Misstrauensvotum von FDP und CDU/CSU gestürzt.

BErAtunG unD ProGnoSE IM ZEIchEn DEr KrISE

Die sozialliberale Koalition bekämpft die Krise zunächst nur zögerlich und reagiert mit einer restriktiven Finanzpolitik. Die inf lationären Impulse des Weltmarkts sollen sich nicht auf die heimische Wirtschaft auswirken. Das DIW bestärkt anfangs diesen Kurs. Mitte 1975 sieht es jedoch einen neuen Konjunkturaufschwung und appelliert deshalb, diesen zu unterstützen. Es for-dert einen Kurswechsel in der Finanzpolitik, weg von einer rein an Stabilitätszielen orientierten, sparsamen Haushaltsführung, hin zu einer muti-gen Steigerung der öffentlichen Ausgaben. Diese sollen den »Selbstheilungskräften« der Industrie auf die Sprünge helfen.59

Im September 1977, als die Arbeitslosigkeit weiter ansteigt, beschließt die Bundesregierung den finanz politischen Kurswechsel und greift zu teu-ren Konjunkturprogrammen – nach Meinung des DIW fast zu spät.

Um die vom DIW vorgeschlagenen Investitions-programme umzusetzen, muss die bis dahin erfolgte Konsolidierung des Haushalts wieder aufgegeben werden.60 Neben der Belebung der Produktion durch die öffentliche Hand will die Regierung den privaten Konsum durch niedri-gere Steuern anregen. Die Ausgaben steigen, die Einnahmen sinken, aber der Kurswechsel wird teuer für den Staatshaushalt. Seit 1974 steigt die Verschuldung des Bundes im Jahresdurchschnitt um 21 Prozent.61

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Der »Ölpreisschock« trifft die Bundesrepublik in einer Phase des konjunkturellen Abschwungs und gibt diesem eine unerwartete Dynamik. Der vom Weltmarkt kommende Preisanstieg führt zur In-f lation. Die Wirtschaft stagniert und von 1974 auf 1975 steigt die Arbeitslosenzahl in der Bundesre-publik sprunghaft an. Die Krise zeigt, wie unvor-hersehbar die Entwicklung der Wirtschaft unter globalen Bedingungen sein kann.58 Das DIW sagt in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von 53 Milliarden DM voraus, das dann auch tatsächlich eintritt. Die Prognose sorgt für großen Wirbel in der Öffentlichkeit, weil eine derartig hohe Summe öffentlich - auch von der Bundesregierung - bis dahin noch nie genannt worden war.

Das DIW verweist bei seinen Prognosen auf die zahlreichen Unwägbarkeiten, die den realen Ver-lauf beeinf lussen können. Hatte die Bundesregie-rung die kurze Rezession 1967/68 schnell wieder in den Griff bekommen, muss sie nun – und mit ihr die bundesdeutsche Gesellschaft – lernen: Ihr Wohl hängt schon lange nicht mehr nur von dem ab, was sich im nationalen Rahmen abspielt und beeinf lussen lässt.

»Gehen in Europa die Lichter aus?«, fragt am 9. November 1973 die Wochenzeitung »Die Zeit«. Was ist geschehen? Der schwelende Konflikt zwischen Israel und seinen arabischen Nachbar-staaten ist im Jom-Kippur-Krieg erneut entbrannt. Die arabischen Mitglieder der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) wollen die USA und Europa zum Eingreifen bewegen. Dazu nut-zen sie ihre mächtigste Waffe, das Öl. Sie setzen die Preise herauf und kürzen die Liefermengen. Die Aktion wirkt, an den internationalen Märk-ten bricht Panik aus. Zwar nimmt die OPEC die Mengenbeschränkung bald zurück, doch der Rohölpreis ist Ende 1973 viermal höher als zu Jahresanfang.56

EIn lAnD AlS FuSSGänGErZonE: DIE AutoFrEIEn SonntAGE

Auf den rasanten Anstieg des Ölpreises reagiert die Bundesregierung noch im November 1973 mit dem »Energiesicherungsgesetz«. Es soll den privaten Verbrauch von Mineralöl einschränken. Damit trifft der »Ölpreisschock« des Deutschen liebstes Kind: Die »heilige Kuh«, das Auto, muss in der Garage bleiben. Vier autofreie Sonntage werden angeordnet.

»Zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges wird sich morgen und an den folgenden Sonntagen vor Weihnachten unser Land in eine Fußgängerzone verwandeln«, erklärt Bundeskanzler Willy Brandt. »Die Energiekrise kann auch zu einer Chance werden.«57 Die Bevölkerung nimmt es zunächst mit Humor und spannt Pferde vor die PKW. Später halten sich von Woche zu Woche weniger Bürger an das Verbot.

hErAuSForDErunG ArBEItSloSIGKEIt

Die Arbeitslosigkeit liegt auch in den Jahren nach der Ölkrise bei über einer Million Menschen. Das DIW macht auch auf strukturelle Probleme aufmerksam. In seiner Studie »Eine mittelfristige Strategie zur Wiedergewinnung der Vollbeschäfti-gung« prognostiziert das Institut, dass aufgrund der demografischen Entwicklung in der Bundes-republik bis in die 80er Jahre hinein zu viele Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, um für den Bedarf einer schrumpfenden Bevölkerung zu pro-duzieren.62 Als Gegenmittel empfiehlt das Institut im April 1978 ein umfassendes Investitionspro-gramm, das neue Nachfrage schaffen soll. Mit der Auswahl der zu fördernden Bereiche beweist das Institut dabei Gespür für zukunftsweisende Trends: Umweltschutz, innovative Techniken der Energiewirtschaft und Integration benachteiligter sozialer Gruppen.

1979 führt das DIW im Auftrag der Bundesregie-rung die erste Strukturberichterstattung durch. Für viele Jahre wird der Strukturwandel ein For-schungsschwerpunkt des Instituts sein.

ErnEutE ölKrISE unD DAS EnDE DEr SoZIAllIBErAlEn KoAlItIon

Die Schritte der Bundesregierung scheinen Ende der 70er Jahre zum Erfolg zu führen, als die Zahl der Arbeitslosen wieder unter die Millionengren-ze sinkt. Doch die Revolution 1979 im Iran führt zu neuen Unruhen am Weltmarkt und einem heftigen Anstieg der Ölpreise. Die Konjunktur in Europa bricht ein.

Die sozialliberale Koalition streitet über mögliche Reaktionen. Otto Graf Lambsdorff, der FDP-Wirtschaftsminister, moniert, die Politik der SPD führe »in die Rumpelkammer des Investitionsdi-rigismus«. Im Oktober 1982 wird die Regierung Schmidt durch ein Misstrauensvotum von FDP und CDU/CSU gestürzt.

BErAtunG unD ProGnoSE IM ZEIchEn DEr KrISE

Die sozialliberale Koalition bekämpft die Krise zunächst nur zögerlich und reagiert mit einer restriktiven Finanzpolitik. Die inf lationären Impulse des Weltmarkts sollen sich nicht auf die heimische Wirtschaft auswirken. Das DIW bestärkt anfangs diesen Kurs. Mitte 1975 sieht es jedoch einen neuen Konjunkturaufschwung und appelliert deshalb, diesen zu unterstützen. Es for-dert einen Kurswechsel in der Finanzpolitik, weg von einer rein an Stabilitätszielen orientierten, sparsamen Haushaltsführung, hin zu einer muti-gen Steigerung der öffentlichen Ausgaben. Diese sollen den »Selbstheilungskräften« der Industrie auf die Sprünge helfen.59

Im September 1977, als die Arbeitslosigkeit weiter ansteigt, beschließt die Bundesregierung den finanz politischen Kurswechsel und greift zu teu-ren Konjunkturprogrammen – nach Meinung des DIW fast zu spät.

Um die vom DIW vorgeschlagenen Investitions-programme umzusetzen, muss die bis dahin erfolgte Konsolidierung des Haushalts wieder aufgegeben werden.60 Neben der Belebung der Produktion durch die öffentliche Hand will die Regierung den privaten Konsum durch niedri-gere Steuern anregen. Die Ausgaben steigen, die Einnahmen sinken, aber der Kurswechsel wird teuer für den Staatshaushalt. Seit 1974 steigt die Verschuldung des Bundes im Jahresdurchschnitt um 21 Prozent.61

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Ölkrise: Hamsterkauf an einer Tankstelle in Berlin, 1973.

SPD/FDP-Koalition in der Krise: Bundes-außenminister Hans-Dietrich Genscher (li.)

und Bundeskanzler Helmut Schmidt kurz vor dem Regierungswechsel.

Autofreier Sonntag in Deutschland, 1973.

Verleihung des Friedenspreises des Deut-schen Buchhandels für 1973 an den Club of

Rome in der Paulskirche Frankfurt. V. l. n. r.: Dr. Ernst Klett, Dr. Aurelio Peccei,

Prof. Dr. Eduard Pestel (beide Mitglieder des Exekutivkomitees des Club of Rome).

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Ölkrise: Hamsterkauf an einer Tankstelle in Berlin, 1973.

SPD/FDP-Koalition in der Krise: Bundes-außenminister Hans-Dietrich Genscher (li.)

und Bundeskanzler Helmut Schmidt kurz vor dem Regierungswechsel.

Autofreier Sonntag in Deutschland, 1973.

Verleihung des Friedenspreises des Deut-schen Buchhandels für 1973 an den Club of

Rome in der Paulskirche Frankfurt. V. l. n. r.: Dr. Ernst Klett, Dr. Aurelio Peccei,

Prof. Dr. Eduard Pestel (beide Mitglieder des Exekutivkomitees des Club of Rome).

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Page 52: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Im April 1979 wird mit Hans-Jürgen Krupp erstmals ein Universitätsprofessor Präsident des DIW. Wenig später ist der großzügige Neu- und Erweiterungsbau an der Englerallee in Dahlem bezugsfertig. Das Ge-bäude verbessert die Arbeitsbedingungen des expan-dierenden Instituts entscheidend. Der Beginn der Amtszeit des neuen Präsidenten steht zunächst im Zeichen einer erneuten weltweiten Konjunkturkrise. Die Rohstoffpreise verfallen, die Zinssätze steigen da-gegen stark an. Die wirtschaftliche Lage bessert sich zwar in den darauffolgenden Jahren, die Situation am Arbeitsmarkt bleibt aber angespannt. Nachrichten über Massenarbeitslosig keit in der Bundesrepublik werden in den 80er Jahren zum täglichen Begleiter. Das DIW benennt deshalb den Kampf gegen Arbeitslosigkeit als zentrale Aufgabe zukünftiger Wirtschaftspolitik.63

Vom Industrie- zum Informationszeitalter – die 80er Jahre 500.000.000

Euro kostet 1987 die Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland.

40Prozent der Erwerbstätigen in der Bun-desrepublik sind in den 1980er Jahren weiblich.

Stunden Arbeit pro Woche – so lautet die Forderung der Gewerkschaften in den 1980er Jahren.

ArBEItSZEItvErKürZunG – DIE 35-StunDEn-WochE

1984 stehen die Zeichen in der Druck- und Metall-industrie auf Streik. Das Ziel der Gewerkschaften ist die 35-Stunden-Woche. Die Arbeitszeitverkür-zung wird zu einem umstrittenen Leitmotiv der beschäftigungspolitischen Debatte in der Bun-desrepublik der 1980er Jahre. Das DIW zeigt sich skeptisch bezüglich der Wirkung einer Arbeits-zeitverkürzung.

Eine reine Arbeitszeitkürzung, argumentiert das Institut, sei eine wirkungsvolle Maßnahme, reiche aber für die Bekämpfung der Massenarbeitslosig-keit nicht aus. In Bezug auf Lohnausgleich seien Arbeitnehmer vom guten Willen und vom abge-stimmten Verhalten aller Beteiligten abhängig.64 Ein politischer Kompromiss führt schrittweise zur 38,5-Stunden-Woche, die 1988 auch vom öffentli-chen Dienst in der Bundesrepublik übernommen wird.

WISSEnSchAFtlIchES nEulAnD ErSchlIESSEn

Neue Chancen für den Arbeitsmarkt sieht DIW-Chef Hans-Jürgen Krupp Mitte der 1980er Jahre im Dienstleistungssektor und in der fortschreiten-den Computer technologie. Das Institut prog-nostiziert den Übergang vom Industrie- zum Informationszeitalter und konzentriert sich neben der Wirtschaftsforschung nunmehr auf die Rolle der technologischen Innovationen im Wachstums-prozess.65

Wissenschaftliches Neuland betritt das Institut 1983 auch mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). In dieser Wiederholungsbefragung werden, erstmals und bis heute einmalig in Deutschland, mehrere Tausend Privathaushalte und -personen zu ihren persönlichen Lebensum-ständen befragt. Das SOEP etabliert sich binnen weniger Jahre als einmalige Informationsquelle

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Im April 1979 wird mit Hans-Jürgen Krupp erstmals ein Universitätsprofessor Präsident des DIW. Wenig später ist der großzügige Neu- und Erweiterungsbau an der Englerallee in Dahlem bezugsfertig. Das Ge-bäude verbessert die Arbeitsbedingungen des expan-dierenden Instituts entscheidend. Der Beginn der Amtszeit des neuen Präsidenten steht zunächst im Zeichen einer erneuten weltweiten Konjunkturkrise. Die Rohstoffpreise verfallen, die Zinssätze steigen da-gegen stark an. Die wirtschaftliche Lage bessert sich zwar in den darauffolgenden Jahren, die Situation am Arbeitsmarkt bleibt aber angespannt. Nachrichten über Massenarbeitslosig keit in der Bundesrepublik werden in den 80er Jahren zum täglichen Begleiter. Das DIW benennt deshalb den Kampf gegen Arbeitslosigkeit als zentrale Aufgabe zukünftiger Wirtschaftspolitik.63

Vom Industrie- zum Informationszeitalter – die 80er Jahre 500.000.000

Euro kostet 1987 die Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland.

40Prozent der Erwerbstätigen in der Bun-desrepublik sind in den 1980er Jahren weiblich.

Stunden Arbeit pro Woche – so lautet die Forderung der Gewerkschaften in den 1980er Jahren.

ArBEItSZEItvErKürZunG – DIE 35-StunDEn-WochE

1984 stehen die Zeichen in der Druck- und Metall-industrie auf Streik. Das Ziel der Gewerkschaften ist die 35-Stunden-Woche. Die Arbeitszeitverkür-zung wird zu einem umstrittenen Leitmotiv der beschäftigungspolitischen Debatte in der Bun-desrepublik der 1980er Jahre. Das DIW zeigt sich skeptisch bezüglich der Wirkung einer Arbeits-zeitverkürzung.

Eine reine Arbeitszeitkürzung, argumentiert das Institut, sei eine wirkungsvolle Maßnahme, reiche aber für die Bekämpfung der Massenarbeitslosig-keit nicht aus. In Bezug auf Lohnausgleich seien Arbeitnehmer vom guten Willen und vom abge-stimmten Verhalten aller Beteiligten abhängig.64 Ein politischer Kompromiss führt schrittweise zur 38,5-Stunden-Woche, die 1988 auch vom öffentli-chen Dienst in der Bundesrepublik übernommen wird.

WISSEnSchAFtlIchES nEulAnD ErSchlIESSEn

Neue Chancen für den Arbeitsmarkt sieht DIW-Chef Hans-Jürgen Krupp Mitte der 1980er Jahre im Dienstleistungssektor und in der fortschreiten-den Computer technologie. Das Institut prog-nostiziert den Übergang vom Industrie- zum Informationszeitalter und konzentriert sich neben der Wirtschaftsforschung nunmehr auf die Rolle der technologischen Innovationen im Wachstums-prozess.65

Wissenschaftliches Neuland betritt das Institut 1983 auch mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP). In dieser Wiederholungsbefragung werden, erstmals und bis heute einmalig in Deutschland, mehrere Tausend Privathaushalte und -personen zu ihren persönlichen Lebensum-ständen befragt. Das SOEP etabliert sich binnen weniger Jahre als einmalige Informationsquelle

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die Zahl der Ledigen, Geschiedenen und Allein-erziehenden. Frauen fungieren zunehmend als Ernährerinnen und sind gleichzeitig für Kinder-erziehung und -betreuung zuständig. Die höhere Zahl an Teilzeitbeschäftigungen sorgt für sinken-de Erwerbsunterbrechungen nach der Geburt. Das DIW prognostiziert, dass sich die Erwerbsbeteili-gung der Frauen noch weiter erhöhen wird.

AuSBlIcK: GEnDEr MAInStrEAMInG von DEr WIEDErvErEInIGunG BIS hEutE

Nach der Wiedervereinigung stehen den »Fa-milienfrauen« im Westen die »Berufsfrauen« im Osten gegenüber, schreibt das DIW im Jahr 1990.67 In der DDR ist zum damaligen Zeitpunkt die Berufstätigkeit von Frauen selbstverständlich. Mehr als 80 Prozent üben dort einen Beruf aus, während in der Bundesrepublik nur jede zweite Frau berufstätig ist.68 Seit den 1990er Jahren, bedingt sowohl durch die Wiedervereinigung als auch durch die Veränderung der Geschlechterrol-len, sind Frauen stärker im Beruf vertreten und ökonomisch unabhängiger.

Doch Barrieren bestehen weiter: Den Belastungen im Beruf stehen zu Hause kaum zeitliche Entlas-tungen gegenüber. Frauen müssen bei einer Rück-kehr in die Arbeitswelt mit Einkommenseinbußen und generell mit geringeren Aufstiegschancen rechnen, zeigt das DIW.69 Das Institut empfiehlt: Verbesserung von Aufstiegschancen für Frauen, gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit und eine bessere Unterstützung berufstätiger Eltern mit mehr Kindergärten, höherem Kindergeld und f lexibleren Arbeitszeitregelungen.70 Heute steht das Thema – zunehmend verknüpft mit Aspekten wie Zuwanderung, Bildungsgrad oder kulturellen Ressourcen – mehr denn je im Mittel-punkt der Agenda des DIW Berlin.71 So gibt es seit 2014 den Forschungsbereich »Gender Studies« am Institut, der von Forschungsdirektorin Elke Holst geführt wird.

zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland.

ArBEItSSchWErPunKt »FrAuEn unD BEruF«

Mit dem Arbeitsmarkt rückt ein neues Themen-feld in den Fokus der wissenschaftlichen For-schung am DIW: die Gleichstellung von Mann und Frau in der Berufswelt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

In den 1950er Jahren ist an Gleichstellung nicht zu denken. Frauen sind im Beruf in der Regel auf »weibliche« Tätigkeitsbereiche beschränkt, ins-besondere in der Pf lege, im Büro und im Handel. In technischen Berufen sind sie fast gar nicht vertreten; gebildete Frauen arbeiten meist als Leh-rerin. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erwerbstä-tigkeit nach einer Heirat endet, ist groß.66 Frauen dürfen ohne die Zustimmung des Mannes nicht erwerbstätig sein. Die 68er-Revolution rüttelt an diesen Beschränkungen, bis zum Ende der 70er Jahre wird endlich auch die gesetzliche Grund-lage für die Gleichstellung der Frau in der Familie geschaffen.

AltE rollEnKlISchEES In DEn 80Er JAhrEn

Gleichwohl ist auch Ende der 1980er Jahre noch vieles beim Alten. Zwar hat sich der Anteil von Frauen im Berufsleben erhöht, sie stellen nun etwa 40 Prozent aller Erwerbstätigen. Die vom DIW 1987 berechneten Erwerbsquoten zeigen aber, dass ab dem 22. Lebensjahr die Erwerbsbe-teiligung der weiblichen, verheirateten Bevölke-rung noch immer stark fällt und erst später wie-der ansteigt – meist dann, wenn die Kinder das Elternhaus verlassen. Grund dafür sind altherge-brachte Rollenklischees: Mit der Geburt der Kinder tritt die Frau aus dem Arbeitsleben in die Familie zurück, während der Mann für das Haushaltsein-kommen zuständig ist. Die wirtschaftlichen Fol-gen dieser traditionellen Rollenverteilung lassen sich messen: Die Löhne weiblicher Arbeitskräfte sind niedriger, die Arbeitslosenquoten höher, ihre Position hängt stärker vom Ausbildungsniveau ab. Gleichzeitig steigt in den 1980er Jahren aber auch

Ein Arbeiter fordert in Dortmund die Einführung der 35-Stunden-Woche,

Dortmund 1983

Titelblatt der Zeitschrift »Emma«, des politischen Magazins für Frauen, Februar 1981.

Die einsetzende Computertechnologie markiert den Übergang zum Informationszeitalter.

48

Page 55: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

die Zahl der Ledigen, Geschiedenen und Allein-erziehenden. Frauen fungieren zunehmend als Ernährerinnen und sind gleichzeitig für Kinder-erziehung und -betreuung zuständig. Die höhere Zahl an Teilzeitbeschäftigungen sorgt für sinken-de Erwerbsunterbrechungen nach der Geburt. Das DIW prognostiziert, dass sich die Erwerbsbeteili-gung der Frauen noch weiter erhöhen wird.

AuSBlIcK: GEnDEr MAInStrEAMInG von DEr WIEDErvErEInIGunG BIS hEutE

Nach der Wiedervereinigung stehen den »Fa-milienfrauen« im Westen die »Berufsfrauen« im Osten gegenüber, schreibt das DIW im Jahr 1990.67 In der DDR ist zum damaligen Zeitpunkt die Berufstätigkeit von Frauen selbstverständlich. Mehr als 80 Prozent üben dort einen Beruf aus, während in der Bundesrepublik nur jede zweite Frau berufstätig ist.68 Seit den 1990er Jahren, bedingt sowohl durch die Wiedervereinigung als auch durch die Veränderung der Geschlechterrol-len, sind Frauen stärker im Beruf vertreten und ökonomisch unabhängiger.

Doch Barrieren bestehen weiter: Den Belastungen im Beruf stehen zu Hause kaum zeitliche Entlas-tungen gegenüber. Frauen müssen bei einer Rück-kehr in die Arbeitswelt mit Einkommenseinbußen und generell mit geringeren Aufstiegschancen rechnen, zeigt das DIW.69 Das Institut empfiehlt: Verbesserung von Aufstiegschancen für Frauen, gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit und eine bessere Unterstützung berufstätiger Eltern mit mehr Kindergärten, höherem Kindergeld und f lexibleren Arbeitszeitregelungen.70 Heute steht das Thema – zunehmend verknüpft mit Aspekten wie Zuwanderung, Bildungsgrad oder kulturellen Ressourcen – mehr denn je im Mittel-punkt der Agenda des DIW Berlin.71 So gibt es seit 2014 den Forschungsbereich »Gender Studies« am Institut, der von Forschungsdirektorin Elke Holst geführt wird.

zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik Deutschland.

ArBEItSSchWErPunKt »FrAuEn unD BEruF«

Mit dem Arbeitsmarkt rückt ein neues Themen-feld in den Fokus der wissenschaftlichen For-schung am DIW: die Gleichstellung von Mann und Frau in der Berufswelt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

In den 1950er Jahren ist an Gleichstellung nicht zu denken. Frauen sind im Beruf in der Regel auf »weibliche« Tätigkeitsbereiche beschränkt, ins-besondere in der Pf lege, im Büro und im Handel. In technischen Berufen sind sie fast gar nicht vertreten; gebildete Frauen arbeiten meist als Leh-rerin. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erwerbstä-tigkeit nach einer Heirat endet, ist groß.66 Frauen dürfen ohne die Zustimmung des Mannes nicht erwerbstätig sein. Die 68er-Revolution rüttelt an diesen Beschränkungen, bis zum Ende der 70er Jahre wird endlich auch die gesetzliche Grund-lage für die Gleichstellung der Frau in der Familie geschaffen.

AltE rollEnKlISchEES In DEn 80Er JAhrEn

Gleichwohl ist auch Ende der 1980er Jahre noch vieles beim Alten. Zwar hat sich der Anteil von Frauen im Berufsleben erhöht, sie stellen nun etwa 40 Prozent aller Erwerbstätigen. Die vom DIW 1987 berechneten Erwerbsquoten zeigen aber, dass ab dem 22. Lebensjahr die Erwerbsbe-teiligung der weiblichen, verheirateten Bevölke-rung noch immer stark fällt und erst später wie-der ansteigt – meist dann, wenn die Kinder das Elternhaus verlassen. Grund dafür sind altherge-brachte Rollenklischees: Mit der Geburt der Kinder tritt die Frau aus dem Arbeitsleben in die Familie zurück, während der Mann für das Haushaltsein-kommen zuständig ist. Die wirtschaftlichen Fol-gen dieser traditionellen Rollenverteilung lassen sich messen: Die Löhne weiblicher Arbeitskräfte sind niedriger, die Arbeitslosenquoten höher, ihre Position hängt stärker vom Ausbildungsniveau ab. Gleichzeitig steigt in den 1980er Jahren aber auch

Ein Arbeiter fordert in Dortmund die Einführung der 35-Stunden-Woche,

Dortmund 1983

Titelblatt der Zeitschrift »Emma«, des politischen Magazins für Frauen, Februar 1981.

Die einsetzende Computertechnologie markiert den Übergang zum Informationszeitalter.

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Page 56: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 ist im kollektiven Gedächtnis Deutschlands fest verankert. Für die meisten Menschen kommt dieses Weltereignis, die politische »Wende« und die damit einhergehen-den strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft des »Ostblocks«, völlig überraschend. Auch das DIW sieht in seinen Studien keine politischen Unruhen oder das Ende der DDR voraus.72 Immerhin erscheint bereits 1983 eine Mittelfristprognose des Instituts zur wirtschaftlichen Entwicklung der DDR, die in einem aufwändigen Berechnungsmodell feststellt, dass sich die wirtschaftliche Dynamik in der DDR bis 1990 in fast allen Bereichen verlangsamen wird. Für die DDR-Führung ist das Papier »feindliche Propaganda«. Die DDR-Staatssicherheit hält in ihren Akten aber überrascht fest, wie genau die Aussagen dieser Unter-suchung mit nicht veröffentlichten Quellen der DDR-Administration übereinstimmen.73 Den nahezu völligen Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft nach 1990 kann die zuständige DIW-Abteilung indes nicht voraussagen.

Nach der Revolution von 1989 – Neue Perspektiven in der Wendezeit

1.000.000 Menschen wandern von 1989 bis zum Sommer 2008 aus Ostdeutschland ab.

EInE FrIEDlIchE rEvolutIon

Der Zusammenbruch der DDR bahnt sich zwar über Jahre an. Doch 1989 beschleunigt sich der Umbruch dramatisch und wird unübersehbar. Im Sommer und Herbst dieses Jahres überschla-gen sich die Ereignisse: Nach den offensichtlich manipulierten Kommunalwahlen vom 7. Mai verschlechtert sich das innenpolitische Klima rapide. Die »Abstimmung mit den Füßen« führt im Sommer zu einer seit dem Mauerbau 1961 nicht gekannten Fluchtwelle über das sozialisti-sche Ausland und bundesdeutsche Botschaften in den Westen. Im kirchlichen Umfeld finden sich zudem ab September 1989 Menschen zu öffent-lichen Protesten zusammen, denen sich bei den Montagsdemonstrationen im Herbst Hundert-tausende anschließen. »Wir sind das Volk«: Diese Parole und der enorme Druck durch die fortdau-ernde Fluchtbewegung erzwingen am 9. Novem-ber 1989 die Öffnung der DDR-Grenzen. Dem Fall der Berliner Mauer folgen am 18. März 1990 die ersten freien und demokratischen Wahlen in der DDR.

AuF DEM WEG Zur EInhEIt

Ersten Forderungen der DDR-Bürger nach Freiheit folgt bald der Ruf nach staatlicher Einheit. Die Macht der DDR-Regierung verfällt zusehends: Bis Ende 1989 verlassen 300.000 Menschen die DDR, danach sind es täglich fast 2.000. Aus Sorge über die zunehmende Zahl von Übersied-lern und einer damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Destabilisierung der DDR bietet Bundeskanzler Helmut Kohl am 7. Februar 1990 die Einführung der D-Mark in der DDR an. Im April 1990 beginnen zwischen der Bundesre-gierung und der ersten und letzten demokratisch gewählten DDR-Regierung die Verhandlungen über eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozial-union zum 1. Juli 1990. Der Einigungsvertrag und der Zwei-plus-Vier-Vertrag ebnen schließlich den Weg zur Wiedervereinigung. Nach Beschluss der DDR-Volkskammer am 23. August 1990 über den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland kann die deutsche Einheit am 3. Oktober 1990 in Kraft treten.

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Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 ist im kollektiven Gedächtnis Deutschlands fest verankert. Für die meisten Menschen kommt dieses Weltereignis, die politische »Wende« und die damit einhergehen-den strukturellen Veränderungen in der Wirtschaft des »Ostblocks«, völlig überraschend. Auch das DIW sieht in seinen Studien keine politischen Unruhen oder das Ende der DDR voraus.72 Immerhin erscheint bereits 1983 eine Mittelfristprognose des Instituts zur wirtschaftlichen Entwicklung der DDR, die in einem aufwändigen Berechnungsmodell feststellt, dass sich die wirtschaftliche Dynamik in der DDR bis 1990 in fast allen Bereichen verlangsamen wird. Für die DDR-Führung ist das Papier »feindliche Propaganda«. Die DDR-Staatssicherheit hält in ihren Akten aber überrascht fest, wie genau die Aussagen dieser Unter-suchung mit nicht veröffentlichten Quellen der DDR-Administration übereinstimmen.73 Den nahezu völligen Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft nach 1990 kann die zuständige DIW-Abteilung indes nicht voraussagen.

Nach der Revolution von 1989 – Neue Perspektiven in der Wendezeit

1.000.000 Menschen wandern von 1989 bis zum Sommer 2008 aus Ostdeutschland ab.

EInE FrIEDlIchE rEvolutIon

Der Zusammenbruch der DDR bahnt sich zwar über Jahre an. Doch 1989 beschleunigt sich der Umbruch dramatisch und wird unübersehbar. Im Sommer und Herbst dieses Jahres überschla-gen sich die Ereignisse: Nach den offensichtlich manipulierten Kommunalwahlen vom 7. Mai verschlechtert sich das innenpolitische Klima rapide. Die »Abstimmung mit den Füßen« führt im Sommer zu einer seit dem Mauerbau 1961 nicht gekannten Fluchtwelle über das sozialisti-sche Ausland und bundesdeutsche Botschaften in den Westen. Im kirchlichen Umfeld finden sich zudem ab September 1989 Menschen zu öffent-lichen Protesten zusammen, denen sich bei den Montagsdemonstrationen im Herbst Hundert-tausende anschließen. »Wir sind das Volk«: Diese Parole und der enorme Druck durch die fortdau-ernde Fluchtbewegung erzwingen am 9. Novem-ber 1989 die Öffnung der DDR-Grenzen. Dem Fall der Berliner Mauer folgen am 18. März 1990 die ersten freien und demokratischen Wahlen in der DDR.

AuF DEM WEG Zur EInhEIt

Ersten Forderungen der DDR-Bürger nach Freiheit folgt bald der Ruf nach staatlicher Einheit. Die Macht der DDR-Regierung verfällt zusehends: Bis Ende 1989 verlassen 300.000 Menschen die DDR, danach sind es täglich fast 2.000. Aus Sorge über die zunehmende Zahl von Übersied-lern und einer damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Destabilisierung der DDR bietet Bundeskanzler Helmut Kohl am 7. Februar 1990 die Einführung der D-Mark in der DDR an. Im April 1990 beginnen zwischen der Bundesre-gierung und der ersten und letzten demokratisch gewählten DDR-Regierung die Verhandlungen über eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozial-union zum 1. Juli 1990. Der Einigungsvertrag und der Zwei-plus-Vier-Vertrag ebnen schließlich den Weg zur Wiedervereinigung. Nach Beschluss der DDR-Volkskammer am 23. August 1990 über den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland kann die deutsche Einheit am 3. Oktober 1990 in Kraft treten.

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geringe Produktivität, eine kleinteilige Wirt-schaftsstruktur und der Mangel an Zentralen von großen, international agierenden Unternehmen. Bis heute beschäftigt sich das DIW Berlin intensiv mit der Bewältigung der Teilungsfolgen und mehr und mehr mit den Perspektiven angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung.

GlEIchhEIt DEr lEBEnSvErhältnISSE?

Die Wissenschaftler am DIW verweisen auf Ein-f lussfaktoren, die quer zur gängigen Forderung nach Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West stehen. Dazu zählen sie die im Vergleich zum Westen geringere Bevölkerungsdichte und die Siedlungsstruktur ostdeutscher Länder. Denn, so die Einschätzung, eine überdurchschnittliche Wirtschaftsleistung hängt in erheblichem Maße mit hoher Besiedlungs dichte zusammen. Es sei illusionär zu glauben, solche Strukturunterschie-de mittelfristig ausgleichen zu können. Lange historische Prägungen würden hier nachwirken. Das DIW warnt deshalb 2009 vor zu simplen Ost-West-Vergleichen und fordert in der öffent-lichen Debatte einen »neuen Realismus«.76 Im Vordergrund müsse die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation stehen.77

Auch EIn AuFBAu oSt: DAS DIW In DEr uKrAInE

Die Umwälzungen von 1989 beeinflussen nicht nur die Forschungsagenda, sie führen auch zu neuen internationalen Aufgaben. Denn der Auf-bruch zu politischer Freiheit und Marktwirtschaft hat nach 1989 alle Staaten des zusammenbrechen-den »Ostblocks« erfasst. Ein prominentes Beispiel ist die »Deutsche Beratergruppe Wirtschaft bei der ukrainischen Regierung«.78 Unter Führung des DIW berät sie ab 1994 ukrainische Partner in Parlament, Präsidialverwaltung, Zentralbank und anderen Institutionen. Das Ziel ist, ein eigen-ständiges Institut für Wirtschaftsforschung und Politikberatung in Kiew aufzubauen. 1999 kann die Einrichtung in Kiew die Arbeit aufnehmen. Mittlerweile hat sie sich eine Spitzenposition in der Ukraine erarbeitet. Inhaltlicher Schwerpunkt ist die nachfrageorientierte, makroökonomische Beratung bei der Umsetzung von Wirtschaftsre-formen.

DAS WIrtSchAFtlIchE DESAStEr DEr DDr – SchlEIchEnDEr nIEDErGAnG unD SchocKthErAPIE

Der Wiedervereinigungseuphorie folgt bald die Ernüchterung: Die DDR ist 1989/90 zwar nicht bankrott wie vielfach behauptet, sie ist jedoch nicht weit davon entfernt.74 Das DIW begleitet den schwierigen Transformations prozess in den neuen Bundesländern von Beginn an kritisch. Die Wissenschaftler des Instituts legen in ihren Forschungsberichten und Expertisen die gravie-renden strukturellen Schwächen der DDR-Wirt-schaft offen. Wie viele andere bewerten jedoch auch sie die Produktivität im Osten noch zu hoch. Die Dramatik der wirtschaftlichen Entwicklung mit Wegbrechen des vom Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) koordinierten Marktes der »Ostblockstaaten«, mit dem Produktionseinbruch und der hohen Arbeitslosigkeit wird auch im DIW nicht vorausgesehen. Die zu optimistische Einschätzung fast aller Institute trägt wesentlich zu den Illusionen der Wendezeit bei.

Die »blühenden Landschaften«, mit denen die Politik ein griffiges Bild für das Ziel der Trans-formation findet, werden zur schweren Hypothek für den Einigungsprozess. DIW-Präsident Lutz Hoffmann kritisiert 1990 öffentlich, die ökono-mische Vernunft sei bei der Wiedervereinigung auf der Strecke geblieben.75 So warnt das DIW vor Betriebsschließungen und Massenentlassungen in den neuen Bundesländern bei einem tatsäch-lichen Wechselkurs von 1:1. Bis zur Jahrtau-sendwende gibt es im DIW einen Forschungs-schwerpunkt zur ökonomischen Bewältigung der deutschen Einheit. Bereits im Juni 1990 weitet das DIW die Langzeiterhebung Sozio-oekonimisches Panel (SOEP) auf Haushalte in der ehemaligen DDR aus.

AnhAltEnDEr AuFBAu oSt

Die neuen Bundesländer sind auch heute noch deutlich davon entfernt, wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen. Ausdruck der wirt-schaftlichen Schwäche sind – trotz der sichtbaren Erneuerung der Infrastruktur und der gelunge-nen Re-Industrialisierung – die vergleichsweise

Öffnung der österreichisch- ungarischen Grenze 1989:

Massenflucht von DDR-Bürgern.

Menschen erklimmen die Berliner Mauer vor dem Brandenburger Tor, 10. November 1989.

Industrielandschaft Bitterfeld, 1991.

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Page 59: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

geringe Produktivität, eine kleinteilige Wirt-schaftsstruktur und der Mangel an Zentralen von großen, international agierenden Unternehmen. Bis heute beschäftigt sich das DIW Berlin intensiv mit der Bewältigung der Teilungsfolgen und mehr und mehr mit den Perspektiven angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung.

GlEIchhEIt DEr lEBEnSvErhältnISSE?

Die Wissenschaftler am DIW verweisen auf Ein-f lussfaktoren, die quer zur gängigen Forderung nach Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West stehen. Dazu zählen sie die im Vergleich zum Westen geringere Bevölkerungsdichte und die Siedlungsstruktur ostdeutscher Länder. Denn, so die Einschätzung, eine überdurchschnittliche Wirtschaftsleistung hängt in erheblichem Maße mit hoher Besiedlungs dichte zusammen. Es sei illusionär zu glauben, solche Strukturunterschie-de mittelfristig ausgleichen zu können. Lange historische Prägungen würden hier nachwirken. Das DIW warnt deshalb 2009 vor zu simplen Ost-West-Vergleichen und fordert in der öffent-lichen Debatte einen »neuen Realismus«.76 Im Vordergrund müsse die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation stehen.77

Auch EIn AuFBAu oSt: DAS DIW In DEr uKrAInE

Die Umwälzungen von 1989 beeinflussen nicht nur die Forschungsagenda, sie führen auch zu neuen internationalen Aufgaben. Denn der Auf-bruch zu politischer Freiheit und Marktwirtschaft hat nach 1989 alle Staaten des zusammenbrechen-den »Ostblocks« erfasst. Ein prominentes Beispiel ist die »Deutsche Beratergruppe Wirtschaft bei der ukrainischen Regierung«.78 Unter Führung des DIW berät sie ab 1994 ukrainische Partner in Parlament, Präsidialverwaltung, Zentralbank und anderen Institutionen. Das Ziel ist, ein eigen-ständiges Institut für Wirtschaftsforschung und Politikberatung in Kiew aufzubauen. 1999 kann die Einrichtung in Kiew die Arbeit aufnehmen. Mittlerweile hat sie sich eine Spitzenposition in der Ukraine erarbeitet. Inhaltlicher Schwerpunkt ist die nachfrageorientierte, makroökonomische Beratung bei der Umsetzung von Wirtschaftsre-formen.

DAS WIrtSchAFtlIchE DESAStEr DEr DDr – SchlEIchEnDEr nIEDErGAnG unD SchocKthErAPIE

Der Wiedervereinigungseuphorie folgt bald die Ernüchterung: Die DDR ist 1989/90 zwar nicht bankrott wie vielfach behauptet, sie ist jedoch nicht weit davon entfernt.74 Das DIW begleitet den schwierigen Transformations prozess in den neuen Bundesländern von Beginn an kritisch. Die Wissenschaftler des Instituts legen in ihren Forschungsberichten und Expertisen die gravie-renden strukturellen Schwächen der DDR-Wirt-schaft offen. Wie viele andere bewerten jedoch auch sie die Produktivität im Osten noch zu hoch. Die Dramatik der wirtschaftlichen Entwicklung mit Wegbrechen des vom Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) koordinierten Marktes der »Ostblockstaaten«, mit dem Produktionseinbruch und der hohen Arbeitslosigkeit wird auch im DIW nicht vorausgesehen. Die zu optimistische Einschätzung fast aller Institute trägt wesentlich zu den Illusionen der Wendezeit bei.

Die »blühenden Landschaften«, mit denen die Politik ein griffiges Bild für das Ziel der Trans-formation findet, werden zur schweren Hypothek für den Einigungsprozess. DIW-Präsident Lutz Hoffmann kritisiert 1990 öffentlich, die ökono-mische Vernunft sei bei der Wiedervereinigung auf der Strecke geblieben.75 So warnt das DIW vor Betriebsschließungen und Massenentlassungen in den neuen Bundesländern bei einem tatsäch-lichen Wechselkurs von 1:1. Bis zur Jahrtau-sendwende gibt es im DIW einen Forschungs-schwerpunkt zur ökonomischen Bewältigung der deutschen Einheit. Bereits im Juni 1990 weitet das DIW die Langzeiterhebung Sozio-oekonimisches Panel (SOEP) auf Haushalte in der ehemaligen DDR aus.

AnhAltEnDEr AuFBAu oSt

Die neuen Bundesländer sind auch heute noch deutlich davon entfernt, wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen. Ausdruck der wirt-schaftlichen Schwäche sind – trotz der sichtbaren Erneuerung der Infrastruktur und der gelunge-nen Re-Industrialisierung – die vergleichsweise

Öffnung der österreichisch- ungarischen Grenze 1989:

Massenflucht von DDR-Bürgern.

Menschen erklimmen die Berliner Mauer vor dem Brandenburger Tor, 10. November 1989.

Industrielandschaft Bitterfeld, 1991.

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Page 60: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Die 90er Jahre verändern die deutsche Wissenschafts-landschaft erheblich. Globalisierung und der sich beschleunigende Übergang zur Wissensgesellschaft bedeuten große Herausforderungen. Auch das DIW in Berlin entwickelt sich weiter und stärkt die Grundla-genforschung – auch um dadurch die wissenschaftli-che Qualität der Politikberatung zu verbessern.

Auf dem Weg nach Mitte: Neuausrichtung des DIW 12.000

Meter Bücher und Zeitschriften treten 2007 beim Umzug des DIW Berlin die Reise von Berlin-Dahlem nach Berlin-Mitte an – ins Zentrum der Hauptstadt.

uMStruKturIErunG ZuM GloBAlEn ForSchunGS- unD BErAtunGS DIEnStlEIStEr

1997 evaluiert der Wissenschaftsrat das DIW.79 Er beurteilt die Forschungsleistung des Insti-tuts zwar überwiegend positiv. Die Prüfungs-kommission empfiehlt gleichwohl inhaltliche, personelle und strukturelle Veränderungen, um auch zukünftig strategische, themenorientierte Forschung mit gesellschaftlicher Relevanz und dem Anspruch auf wissenschaftliche Exzellenz zu gewährleisten.

DIW-Präsident Lutz Hoffmann und die Gremien reagieren unmittelbar auf die Evaluationsergeb-nisse. Die Zahl der Abteilungen wird von neun auf sechs reduziert und die Kooperation mit den Universitäten verstärkt. Hoffmanns Nachfolger Klaus F. Zimmermann führt den Umstrukturie-rungsprozess fort. Als Ziel benennt er bei seinem Amtsantritt im Jahr 2000, das DIW fest in die Berliner und die nationale Forschungslandschaft zu integrieren.80 Gleichzeitig will er das Bekennt-nis zum Standort durch eine Ergänzung des Ins-titutsnamens deutlich machen: Aus dem »DIW« wird das »DIW Berlin«.

uMZuG In DAS hErZ DEr hAuPtStADt

Im Juli 2007 zieht das Institut in die Mohrenstra-ße 58 in Berlin-Mitte – ein wichtiger Schritt in der Entwicklung zum modernen Wissenschafts-dienstleister. Mit seinem neuen Standort in der Mitte befindet sich das Institut nun räumlich unweit von Regierung, Medien und Verbänden.

Die Nähe zur Humboldt-Universität, zur Techni-schen Universität Berlin sowie die unmittelbare Nachbarschaft zur Hertie School of Governance ermöglichen es, Wissen intelligent zu vernetzen. Mit der nun geografisch etwas entfernteren Freien Universität Berlin bleibt das DIW Berlin durch zahlreiche Kooperationen wissenschaftlich eng verzahnt.

turBulEnZEn unD ProFIlSchärFunG Ende 2009 gerät das DIW Berlin in heftige Turbu-lenzen. Prüfer des Berliner Landesrechnungshofs werfen der Institutsleitung schwere Fehler in der Verwendung öffentlicher Mittel vor. Im Februar 2011 stellt Präsident Klaus F. Zimmermann sein Amt zur Verfügung. Gert G. Wagner und Georg Weizsäcker übernehmen die wissenschaftliche Leitung des Instituts und führen es erfolgreich durch die Evaluierung durch die Leibniz-Gemein-schaft im Frühjahr 2012. Zur Schärfung des For-schungsprofils entsteht eine Clusterstruktur mit vier übergeordneten Arbeitsbereichen, in denen neun Forschungsabteilungen und die forschungs-basierte Infrastruktureinrichtung Sozio-oekono-misches Panel angesiedelt sind.

Im Jahr 2013 wird der Makroökonom Marcel Fratzscher Präsident des DIW Berlin. Die euro-päischen und globalen Perspektiven des Instituts werden ausgebaut und die Bedeutung der Politik-beratung gestärkt.

54

Page 61: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Die 90er Jahre verändern die deutsche Wissenschafts-landschaft erheblich. Globalisierung und der sich beschleunigende Übergang zur Wissensgesellschaft bedeuten große Herausforderungen. Auch das DIW in Berlin entwickelt sich weiter und stärkt die Grundla-genforschung – auch um dadurch die wissenschaftli-che Qualität der Politikberatung zu verbessern.

Auf dem Weg nach Mitte: Neuausrichtung des DIW 12.000

Meter Bücher und Zeitschriften treten 2007 beim Umzug des DIW Berlin die Reise von Berlin-Dahlem nach Berlin-Mitte an – ins Zentrum der Hauptstadt.

uMStruKturIErunG ZuM GloBAlEn ForSchunGS- unD BErAtunGS DIEnStlEIStEr

1997 evaluiert der Wissenschaftsrat das DIW.79 Er beurteilt die Forschungsleistung des Insti-tuts zwar überwiegend positiv. Die Prüfungs-kommission empfiehlt gleichwohl inhaltliche, personelle und strukturelle Veränderungen, um auch zukünftig strategische, themenorientierte Forschung mit gesellschaftlicher Relevanz und dem Anspruch auf wissenschaftliche Exzellenz zu gewährleisten.

DIW-Präsident Lutz Hoffmann und die Gremien reagieren unmittelbar auf die Evaluationsergeb-nisse. Die Zahl der Abteilungen wird von neun auf sechs reduziert und die Kooperation mit den Universitäten verstärkt. Hoffmanns Nachfolger Klaus F. Zimmermann führt den Umstrukturie-rungsprozess fort. Als Ziel benennt er bei seinem Amtsantritt im Jahr 2000, das DIW fest in die Berliner und die nationale Forschungslandschaft zu integrieren.80 Gleichzeitig will er das Bekennt-nis zum Standort durch eine Ergänzung des Ins-titutsnamens deutlich machen: Aus dem »DIW« wird das »DIW Berlin«.

uMZuG In DAS hErZ DEr hAuPtStADt

Im Juli 2007 zieht das Institut in die Mohrenstra-ße 58 in Berlin-Mitte – ein wichtiger Schritt in der Entwicklung zum modernen Wissenschafts-dienstleister. Mit seinem neuen Standort in der Mitte befindet sich das Institut nun räumlich unweit von Regierung, Medien und Verbänden.

Die Nähe zur Humboldt-Universität, zur Techni-schen Universität Berlin sowie die unmittelbare Nachbarschaft zur Hertie School of Governance ermöglichen es, Wissen intelligent zu vernetzen. Mit der nun geografisch etwas entfernteren Freien Universität Berlin bleibt das DIW Berlin durch zahlreiche Kooperationen wissenschaftlich eng verzahnt.

turBulEnZEn unD ProFIlSchärFunG Ende 2009 gerät das DIW Berlin in heftige Turbu-lenzen. Prüfer des Berliner Landesrechnungshofs werfen der Institutsleitung schwere Fehler in der Verwendung öffentlicher Mittel vor. Im Februar 2011 stellt Präsident Klaus F. Zimmermann sein Amt zur Verfügung. Gert G. Wagner und Georg Weizsäcker übernehmen die wissenschaftliche Leitung des Instituts und führen es erfolgreich durch die Evaluierung durch die Leibniz-Gemein-schaft im Frühjahr 2012. Zur Schärfung des For-schungsprofils entsteht eine Clusterstruktur mit vier übergeordneten Arbeitsbereichen, in denen neun Forschungsabteilungen und die forschungs-basierte Infrastruktureinrichtung Sozio-oekono-misches Panel angesiedelt sind.

Im Jahr 2013 wird der Makroökonom Marcel Fratzscher Präsident des DIW Berlin. Die euro-päischen und globalen Perspektiven des Instituts werden ausgebaut und die Bedeutung der Politik-beratung gestärkt.

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DAS DIW GrADuAtE cEntEr

Im Jahr 2006 startet das DIW Berlin ein ambitio-niertes Doktorandenpro-

gramm: das DIW Graduate Center. Das Programm fördert in Zusammenarbeit mit den Berliner und Brandenburger Universitäten junge, exzellente Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler aus aller Welt. Ein besonderes Merkmal ist die internationa-le und empirische Ausrichtung des Programms. Im ersten Jahr stehen ein intensives Kurspro-gramm sowie Praktika im In- und Ausland auf dem Plan. Im zweiten Teil der Ausbildung bereiten On-the-Job-Training in den Abteilungen des Ins-tituts und vertiefende Forschung auf die Promo-tion vor. 2010 wurde die systematische Aus- und Weiterbildung fest in der Satzung des Instituts verankert. Das DUW Graduate Center kooperiert mit Doktorandenprogrammen der Berliner Uni-versitäten und der Max-Planck-Gesellschaft.

DIE »BErAtunGStochtEr«: DIW Econ

Im Juli 2007 geht die DIW ECON GmbH an den Start. Die Toch-

tergesellschaft des DIW Berlin ist ein eigen-ständiges Unternehmen für kundenorientierte wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Beratung. Der Schwerpunkt der DIW ECON liegt in der empirischen Analyse, der Rückgriff auf die wissenschaftliche Kompetenz des DIW Berlin ist naheliegend. Die DIW ECON bietet als Schnittstel-le zwischen Wissenschaft und Markt maßgeschnei-derte, kundenorientierte Projektlösungen auf Grundlage neuester ökonomischer Erkenntnisse und fundierter Analysen.

Kurz gefragt: Marcel Fratzscher

Was macht das DIW Berlin aus?Das DIW Berlin hat eine große Tradition, ist eines der ältesten und renommiertesten Wirtschaftsforschungs- institute in Deutschland. Hinzu kommt das in seiner Breite einzigartige Themenspektrum: Die vier For-schungsbereiche decken von der makroökonomischen Analyse über Themen der Nachhaltigkeit und Indus-trieökonomie bis hin zu den öffentlichen Finanzen und Lebenslagen vieles ab, was ökonomisch und gesellschaftspolitisch von Bedeutung ist. Etwa 250 Mitarbeiter, neben Ökonomen auch Soziologen und Politologen, arbeiten fächerübergreifend und betrach-ten beispielsweise Finanzkrisen aus verschiedenen Perspektiven. Das ermöglicht einen Blick auf das große Ganze, was nicht zuletzt für die Politikberatung sehr wertvoll ist.

Welche Rolle spielt die Politikberatung?Die Beratung politischer Entscheidungsträger ist Kern unseres öffentlichen Auftrags. Sie ist die Brücke von der Wissenschaft in die Politik. Niemandem ist geholfen,

wenn Wissenschaftler nur für sich oder andere Wis-senschaftler forschen. Das Ziel ist, aus der Forschung relevante Erkenntnisse zu gewinnen, die in die Realität übertragbar sind und dem Menschen von Nutzen sind.Wir leben in einer immer komplexeren Welt, in der die Nachfrage nach ökonomischen Expertisen steigt. Unsere Arbeit hat den Anspruch, als Grundlage für wichtige, zukunftsweisende Entscheidungen zu dienen.

Wofür steht das DIW Berlin? Wir sind ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitutund eine innovative und kritisch urteilende Denkfabrik. Wir stehen für Objektivität und Neutralität und einen interdisziplinären Ansatz, der empirisch und theoretisch geleitet ist. Die weiter zunehmende Globalisierung und internationale Verflechtung verlangt europäische und globale Perspektiven, denn: Herausforderungen wie Finanzkrisen oder Klimaprobleme enden nicht an natio-nalen Grenzen, sie lassen sich nur auf internationaler Bühne verstehen und lösen. Und die Zukunft Deutsch-lands und die Europas sind unzertrennlich miteinander verbunden.

Sitz des DIW Berlin ab 2007: Mohrenstraße 58, Berlin-Mitte.

Königin-Luise-Straße 5, Berlin-Dahlem: Sitz des DIW Berlin von 1956 bis 2007.

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Page 63: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

DAS DIW GrADuAtE cEntEr

Im Jahr 2006 startet das DIW Berlin ein ambitio-niertes Doktorandenpro-

gramm: das DIW Graduate Center. Das Programm fördert in Zusammenarbeit mit den Berliner und Brandenburger Universitäten junge, exzellente Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler aus aller Welt. Ein besonderes Merkmal ist die internationa-le und empirische Ausrichtung des Programms. Im ersten Jahr stehen ein intensives Kurspro-gramm sowie Praktika im In- und Ausland auf dem Plan. Im zweiten Teil der Ausbildung bereiten On-the-Job-Training in den Abteilungen des Ins-tituts und vertiefende Forschung auf die Promo-tion vor. 2010 wurde die systematische Aus- und Weiterbildung fest in der Satzung des Instituts verankert. Das DUW Graduate Center kooperiert mit Doktorandenprogrammen der Berliner Uni-versitäten und der Max-Planck-Gesellschaft.

DIE »BErAtunGStochtEr«: DIW Econ

Im Juli 2007 geht die DIW ECON GmbH an den Start. Die Toch-

tergesellschaft des DIW Berlin ist ein eigen-ständiges Unternehmen für kundenorientierte wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Beratung. Der Schwerpunkt der DIW ECON liegt in der empirischen Analyse, der Rückgriff auf die wissenschaftliche Kompetenz des DIW Berlin ist naheliegend. Die DIW ECON bietet als Schnittstel-le zwischen Wissenschaft und Markt maßgeschnei-derte, kundenorientierte Projektlösungen auf Grundlage neuester ökonomischer Erkenntnisse und fundierter Analysen.

Kurz gefragt: Marcel Fratzscher

Was macht das DIW Berlin aus?Das DIW Berlin hat eine große Tradition, ist eines der ältesten und renommiertesten Wirtschaftsforschungs- institute in Deutschland. Hinzu kommt das in seiner Breite einzigartige Themenspektrum: Die vier For-schungsbereiche decken von der makroökonomischen Analyse über Themen der Nachhaltigkeit und Indus-trieökonomie bis hin zu den öffentlichen Finanzen und Lebenslagen vieles ab, was ökonomisch und gesellschaftspolitisch von Bedeutung ist. Etwa 250 Mitarbeiter, neben Ökonomen auch Soziologen und Politologen, arbeiten fächerübergreifend und betrach-ten beispielsweise Finanzkrisen aus verschiedenen Perspektiven. Das ermöglicht einen Blick auf das große Ganze, was nicht zuletzt für die Politikberatung sehr wertvoll ist.

Welche Rolle spielt die Politikberatung?Die Beratung politischer Entscheidungsträger ist Kern unseres öffentlichen Auftrags. Sie ist die Brücke von der Wissenschaft in die Politik. Niemandem ist geholfen,

wenn Wissenschaftler nur für sich oder andere Wis-senschaftler forschen. Das Ziel ist, aus der Forschung relevante Erkenntnisse zu gewinnen, die in die Realität übertragbar sind und dem Menschen von Nutzen sind.Wir leben in einer immer komplexeren Welt, in der die Nachfrage nach ökonomischen Expertisen steigt. Unsere Arbeit hat den Anspruch, als Grundlage für wichtige, zukunftsweisende Entscheidungen zu dienen.

Wofür steht das DIW Berlin? Wir sind ein unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitutund eine innovative und kritisch urteilende Denkfabrik. Wir stehen für Objektivität und Neutralität und einen interdisziplinären Ansatz, der empirisch und theoretisch geleitet ist. Die weiter zunehmende Globalisierung und internationale Verflechtung verlangt europäische und globale Perspektiven, denn: Herausforderungen wie Finanzkrisen oder Klimaprobleme enden nicht an natio-nalen Grenzen, sie lassen sich nur auf internationaler Bühne verstehen und lösen. Und die Zukunft Deutsch-lands und die Europas sind unzertrennlich miteinander verbunden.

Sitz des DIW Berlin ab 2007: Mohrenstraße 58, Berlin-Mitte.

Königin-Luise-Straße 5, Berlin-Dahlem: Sitz des DIW Berlin von 1956 bis 2007.

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Schlaglichterder DIW-Forschung

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Schlaglichterder DIW-Forschung

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In den Anfangsjahren des Instituts erscheint eine seiner bis heute einf lussreichsten Studien. Ihr Autor ist der IfK-Mitarbeiter Arthur Hanau. Er weist darin die zyklische Bewegung agrarischer Märkte anhand der Produktion von Schweine-f leisch nach. Am IfK erscheint als Sonderheft der Vierteljahrshefte seine Dissertation über »Die Prognose der Schweinepreise«.81

öKonoMEtrISchE MEthoDE

Das Arbeitsumfeld am IfK erweist sich als ein Glücksfall. Hanau lernt moderne statistische Methoden kennen und kann den Blick von seinem begrenzten Forschungsgebiet auf die gesamt-wirtschaftliche Entwicklung weiten. Er wendet in seiner Studie zum »Schweinezyklus« wirtschafts-wissenschaftliche Methoden an, die in das später so genannte Feld der Ökonometrie fallen. Diese verbindet ökonomische Theorien mit statisti-schen und mathematischen Ansätzen. Sie wird vorwiegend in der Volkswirtschaft benutzt, um modellhaft Zusammenhänge zwischen Variablen zu formulieren und empirisch zu prüfen – wie beispielsweise den Zusammenhang zwischen der Aufzuchtzeit von Schweinen und dem Investi-tionsverhalten von Landwirten.

WAS ISt DEr SchWEInEZyKluS?

Wie kommt es zur instabilen Marktsituation mit heftigen Preisschwankungen? Hohe Preise moti-vieren die Landwirte zu verstärkten Investitionen. Wegen der Aufzuchtzeit wirken sie sich jedoch verzögert auf das Angebot aus. Dies führt zu einem sprunghaft ansteigenden Überangebot mit Preisverfall. Die Folge: Die Landwirte reduzieren wieder die Produktion – was sich ebenfalls zeitver-zögert auswirkt. Der so entstandene Überschuss der Nachfrage lässt die Preise wieder steigen. Ha-naus Studie zeigt die Wirksamkeit eines Verzöge-rungseffekts (time lag) im Anbieterverhalten und erlaubt neue wirtschaftstheoretische Einsichten.

Der Schweinezyklus EIn MEIlEnStEIn

Das IfK setzt mit dieser Veröffentlichung einen Meilenstein in der Entwicklung der modernen landwirtschaftlichen Marktforschung – und weit über diese hinaus. Die empirisch nachgewiesene Erklärung der zyklischen, sich selbsttätig fortset-zenden Preis-Mengen-Schwankungen geht als ein Musterbeispiel der dynamischen Analyse in die Wirtschaftswissenschaften ein. Der Begriff »Schweinezyklus« wird noch heute im übertra-genen Sinne für ähnliche Vorgänge in Wirtschaft und Gesellschaft gebraucht.82

DIE SchWEInEFIBEl

Hanaus Ergebnisse haben vor allem aber ganz praktische Folgen. Landwirte können ihre Erträge sehr viel besser planen. Fritz Baade, der später Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (1948–1961) wird und von 1949 bis 1965 für die SPD im Deutschen Bundestag sitzt, verfasst dazu 1929/30 eine populäre »Schweinefibel«, die auf Hanaus Forschungsergebnissen basiert. Die Darstellung der »Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen« ist für die bäu-erliche Leserschaft in Versform gehalten und zum

besseren Verständnis bebildert. Die Zeichnungen stammen von Hermann Abeking.83 Die »Schwei-nefibel« sorgt für großes Aufsehen und findet sogar Eingang in die Plenardebatten des Reichs-tags. In den Verhandlungen am 2. Dezember 1929 erwähnt der kommunistische Abgeordnete Johan-nes Schröter die »ominöse Schweinefibel«.84

DAS lEBEn hIntEr DEn ZAhlEn

Über seine Profession hat Arthur Hanau einmal gesagt: »Bei aller Statistik und Mathematik müs-sen wir aber Ökonomen oder besser Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler bleiben.«85 Eine Würdigung fasste dieses Selbstverständnis, das auch für den Forschungsansatz des DIW Berlin Geltung beanspruchen kann, so: »Arthur Hanau gehörte zu den Menschen, für die statistische Da-ten Leben haben, weil sie ein Instrument sind, das ihnen Einblick in bestehende Verhältnisse, ihre Entwicklung und deren Triebkräfte gewährt.«86 Heute ist die Bibliothek des DIW Berlin nach Arthur Hanau benannt.

Arthur Hanau wird 1902 im bürgerlich-städtischen Milieu Hannovers geboren. Eher unüblich wählt er den Beruf des Landwirts. Hanau wendet sich später der theo-retischen Landwirtschaft zu und ist von 1927 bis 1930 Mitarbeiter des Instituts.

Nach dieser Zeit ist Hanau am Institut für landwirt-schaftliche Marktforschung an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin tätig, wo er sich habilitiert. 1933 wird dieses Institut von den Nationalsozialisten geschlos-sen, Hanau selbst erleidet Diskriminierungen in der NS-Diktatur, vom Lehrentzug bis zur Einweisung in Zwangsarbeiterlager Ende 1944.87 Nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt ihn die US-Militärregierung in Deutschland als Sachverständigen. Später leitet er das Institut für landwirtschaftliche Marktforschung an der 1947 ge gründeten Bundesforschungsanstalt für Land-wirtschaft (FAL) in Braunschweig. Von 1953 bis 1955 ist er in Rom als Berater für die Ernährungs- und Landwirt-

schaftsorganisation der UNO (FAO) tätig und gehört dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an. 1955 folgt er schließlich dem Ruf auf den in der Bundesrepu-blik ersten Lehrstuhl für landwirtschaftliche Marktlehre an der Georg-August-Universität Göttingen. Hanau stirbt 1985 in Göttingen an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

Auflagen binnen weniger Jahre erlebt die Dissertation von Arthur Hanau zum »Schweinezyklus«.

»Stille reserve«Das DIW Berlin prägt über die Jahrzehnte immer wieder neue Begriffe und macht so Phänomene der Wirtschaft fassbar. Neben dem »Schweinezyklus« geht auch der in der Arbeitsmarktforschung populäre Begriff der »stillen Reserve« auf das DIW bzw. das IfK zurück. Als »stille Reserve« bezeichnet man Personen, die arbeitssuchend sind und unter bestimmten Bedingungen auch bereit wären, eine Arbeit aufzunehmen, sich aber nicht ar-beitslos melden und damit aus den üblichen Statistiken herausfallen.

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In den Anfangsjahren des Instituts erscheint eine seiner bis heute einf lussreichsten Studien. Ihr Autor ist der IfK-Mitarbeiter Arthur Hanau. Er weist darin die zyklische Bewegung agrarischer Märkte anhand der Produktion von Schweine-f leisch nach. Am IfK erscheint als Sonderheft der Vierteljahrshefte seine Dissertation über »Die Prognose der Schweinepreise«.81

öKonoMEtrISchE MEthoDE

Das Arbeitsumfeld am IfK erweist sich als ein Glücksfall. Hanau lernt moderne statistische Methoden kennen und kann den Blick von seinem begrenzten Forschungsgebiet auf die gesamt-wirtschaftliche Entwicklung weiten. Er wendet in seiner Studie zum »Schweinezyklus« wirtschafts-wissenschaftliche Methoden an, die in das später so genannte Feld der Ökonometrie fallen. Diese verbindet ökonomische Theorien mit statisti-schen und mathematischen Ansätzen. Sie wird vorwiegend in der Volkswirtschaft benutzt, um modellhaft Zusammenhänge zwischen Variablen zu formulieren und empirisch zu prüfen – wie beispielsweise den Zusammenhang zwischen der Aufzuchtzeit von Schweinen und dem Investi-tionsverhalten von Landwirten.

WAS ISt DEr SchWEInEZyKluS?

Wie kommt es zur instabilen Marktsituation mit heftigen Preisschwankungen? Hohe Preise moti-vieren die Landwirte zu verstärkten Investitionen. Wegen der Aufzuchtzeit wirken sie sich jedoch verzögert auf das Angebot aus. Dies führt zu einem sprunghaft ansteigenden Überangebot mit Preisverfall. Die Folge: Die Landwirte reduzieren wieder die Produktion – was sich ebenfalls zeitver-zögert auswirkt. Der so entstandene Überschuss der Nachfrage lässt die Preise wieder steigen. Ha-naus Studie zeigt die Wirksamkeit eines Verzöge-rungseffekts (time lag) im Anbieterverhalten und erlaubt neue wirtschaftstheoretische Einsichten.

Der Schweinezyklus EIn MEIlEnStEIn

Das IfK setzt mit dieser Veröffentlichung einen Meilenstein in der Entwicklung der modernen landwirtschaftlichen Marktforschung – und weit über diese hinaus. Die empirisch nachgewiesene Erklärung der zyklischen, sich selbsttätig fortset-zenden Preis-Mengen-Schwankungen geht als ein Musterbeispiel der dynamischen Analyse in die Wirtschaftswissenschaften ein. Der Begriff »Schweinezyklus« wird noch heute im übertra-genen Sinne für ähnliche Vorgänge in Wirtschaft und Gesellschaft gebraucht.82

DIE SchWEInEFIBEl

Hanaus Ergebnisse haben vor allem aber ganz praktische Folgen. Landwirte können ihre Erträge sehr viel besser planen. Fritz Baade, der später Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (1948–1961) wird und von 1949 bis 1965 für die SPD im Deutschen Bundestag sitzt, verfasst dazu 1929/30 eine populäre »Schweinefibel«, die auf Hanaus Forschungsergebnissen basiert. Die Darstellung der »Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen« ist für die bäu-erliche Leserschaft in Versform gehalten und zum

besseren Verständnis bebildert. Die Zeichnungen stammen von Hermann Abeking.83 Die »Schwei-nefibel« sorgt für großes Aufsehen und findet sogar Eingang in die Plenardebatten des Reichs-tags. In den Verhandlungen am 2. Dezember 1929 erwähnt der kommunistische Abgeordnete Johan-nes Schröter die »ominöse Schweinefibel«.84

DAS lEBEn hIntEr DEn ZAhlEn

Über seine Profession hat Arthur Hanau einmal gesagt: »Bei aller Statistik und Mathematik müs-sen wir aber Ökonomen oder besser Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler bleiben.«85 Eine Würdigung fasste dieses Selbstverständnis, das auch für den Forschungsansatz des DIW Berlin Geltung beanspruchen kann, so: »Arthur Hanau gehörte zu den Menschen, für die statistische Da-ten Leben haben, weil sie ein Instrument sind, das ihnen Einblick in bestehende Verhältnisse, ihre Entwicklung und deren Triebkräfte gewährt.«86 Heute ist die Bibliothek des DIW Berlin nach Arthur Hanau benannt.

Arthur Hanau wird 1902 im bürgerlich-städtischen Milieu Hannovers geboren. Eher unüblich wählt er den Beruf des Landwirts. Hanau wendet sich später der theo-retischen Landwirtschaft zu und ist von 1927 bis 1930 Mitarbeiter des Instituts.

Nach dieser Zeit ist Hanau am Institut für landwirt-schaftliche Marktforschung an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin tätig, wo er sich habilitiert. 1933 wird dieses Institut von den Nationalsozialisten geschlos-sen, Hanau selbst erleidet Diskriminierungen in der NS-Diktatur, vom Lehrentzug bis zur Einweisung in Zwangsarbeiterlager Ende 1944.87 Nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigt ihn die US-Militärregierung in Deutschland als Sachverständigen. Später leitet er das Institut für landwirtschaftliche Marktforschung an der 1947 ge gründeten Bundesforschungsanstalt für Land-wirtschaft (FAL) in Braunschweig. Von 1953 bis 1955 ist er in Rom als Berater für die Ernährungs- und Landwirt-

schaftsorganisation der UNO (FAO) tätig und gehört dem Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an. 1955 folgt er schließlich dem Ruf auf den in der Bundesrepu-blik ersten Lehrstuhl für landwirtschaftliche Marktlehre an der Georg-August-Universität Göttingen. Hanau stirbt 1985 in Göttingen an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

Auflagen binnen weniger Jahre erlebt die Dissertation von Arthur Hanau zum »Schweinezyklus«.

»Stille reserve«Das DIW Berlin prägt über die Jahrzehnte immer wieder neue Begriffe und macht so Phänomene der Wirtschaft fassbar. Neben dem »Schweinezyklus« geht auch der in der Arbeitsmarktforschung populäre Begriff der »stillen Reserve« auf das DIW bzw. das IfK zurück. Als »stille Reserve« bezeichnet man Personen, die arbeitssuchend sind und unter bestimmten Bedingungen auch bereit wären, eine Arbeit aufzunehmen, sich aber nicht ar-beitslos melden und damit aus den üblichen Statistiken herausfallen.

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Page 68: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Bildliche Darstellung des Schweinezyklus, in: Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen (Hsg.), Schweinefibel. Was man vor dem Decken seiner Säue beachten muss, 1930. Zeichnung: Hermann Abeking.

Die »Schweinefibel« findet auch Eingang in die Plenardebat-ten des Reichstags. In den Verhandlungen am 2. Dezember 1929 erwähnt der kommunistische Abgeordnete Schröter die »ominöse Schweinefibel« kritisch.

Kaufabschluss per Handschlag: Ein Ferkel wechselt den Besitzer, 1929.

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Page 69: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Bildliche Darstellung des Schweinezyklus, in: Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen (Hsg.), Schweinefibel. Was man vor dem Decken seiner Säue beachten muss, 1930. Zeichnung: Hermann Abeking.

Die »Schweinefibel« findet auch Eingang in die Plenardebat-ten des Reichstags. In den Verhandlungen am 2. Dezember 1929 erwähnt der kommunistische Abgeordnete Schröter die »ominöse Schweinefibel« kritisch.

Kaufabschluss per Handschlag: Ein Ferkel wechselt den Besitzer, 1929.

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Page 70: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Institute und andere Ein-richtungen sind heute in der ARGE zusammengeschlossen.

EFFIZIEnZ In DEr WIrtSchAFtS-WISSEnSchAFtlIchEn ForSchunG

Die in der »Arbeitsgemeinschaft deutscher wirt-schaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute« (ARGE) zusammengeschlossenen Institute und andere Einrichtungen tauschen sich in wirt-schaftspolitischen und wirtschaftswissenschaft-lichen Fragen aus. Sie beraten in einer langfristig und planmäßig koordinierten Zusammenarbeit die Bundesregierung. »Hier ist nicht nur ein neues Forschungsinstrument, sondern eine völ-lig neue Forschungsmethode geschaffen worden: die Anwendung des Prinzips der Teamarbeit auf dem Gebiet der praktischen Wirtschaftsfor-schung«, schreiben die Verantwortlichen.89 Für die Wochenzeitung »Die Zeit« bedeutet Anfang der 50er Jahre die Arbeits- und Aufgabenteilung durch Abstimmung der Programme »eine Art Planwirtschaft in der Forschung«.90

Die Arbeitsgemeinschaft bewährt sich als Organi-sator institutsübergreifender Forschungsarbeiten. Dazu gehört über Jahrzehnte auch die so genannte Gemeinschaftsdiagnose, das ist die jeweils im Frühjahr und im Herbst eines Jahres erstellte Konjunkturprognose der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. Nach der Ände-rung des Ausschreibungsverfahrens durch das zuständige Bundesministerium ist die ARGE seit Herbst 2007 nicht mehr für die Gemeinschaftsdia-gnose zuständig.

Die Präsidenten Lutz Hoffmann und Klaus F. Zimmermann waren jeweils etwa zehn Jahre als Vorsitzende der ARGE tätig, seit 2013 ist DIW-Präsident Marcel Fratzscher ihr Vorsitzender. Die Geschäftsstelle der ARGE ist seit knapp zwei Dekaden am DIW Berlin verankert.

DIE ZuKunFt BlEIBt unSIchEr – trotZ DEr GEMEInSchAFtSDIAGnoSE

1950 will Wirtschaftsminister Ludwig Erhard ein »bundesnahes« Institut schaffen, das viermal jährlich Konjunkturprognosen für die Regierung erstellt. Die Wirtschaftsforschungsinstitute fürch-ten Bedeutungsverlust und weisen auf mögliche politische Einflussnahme hin. Sie schlagen ihrer-

seits vor, eine gemeinsame Prognose zu erstellen. Eine wissenschaftlich fundierte Konjunkturprog-nose: Das ist eine echte Innovation.

Die erste Gemeinschaftsdiagnose Mitte 1950 umfasst vier Seiten. Heute ist sie 20-mal so lang.91

»Vor diesen Anlässen halten der zuständige Minister und seine leitenden Beamten jedes Mal den Atem an.« So spitzt die Wochenzei-tung »Die Zeit« 1972 zu, was sich alljährlich im Frühjahr und Herbst vollzieht. Denn dann wird die Gemeinschaftsdiagnose veröffentlicht. Auftraggeber der Konjunkturprognose ist zwar die Bundesregierung. Aber was die Wissen-schaftler zu sagen hätten, so »Die Zeit« über die »unbequemen Ratgeber«, sei für die politischen Akteure nicht immer schmeichelhaft – und was sie für die Zukunft anböten, oft nur schwer durchzusetzen.92

Inzwischen konkurriert die Gemeinschaftsdia-gnose, die einen weltwirtschaftlichen und einen binnenwirtschaftlichen Teil beinhaltet, längst mit einer Reihe anderer Prognosen: mit den eigen-ständigen Vorhersagen der beteiligten Institute, denen der Wirtschaftsverbände und Banken, des Sachverständigenrats (der so genannten Fünf Weisen) und der Bundesregierung, schließlich mit den Prognosen des IWF, der OECD, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank.

WIE KoMMt ES Zur GEMEInSchAFtS DIAGnoSE?

Zu Beginn der halbjährlichen Beratungen steht ein gewaltiger Datenberg93. Die Statistiken und Analysen der verschiedenen Institute laufen hier zusammen. In einem zweiwöchigen Konklave versuchen bis zu 50 Mitarbeiter aus den beteilig-ten Instituten, darin die Richtung zu erkennen: Wohin und mit welchem Tempo bewegen sich die deutsche und die internationale Wirtschaft? Konjunkturelle Schwankungen werden an der vierteljährlichen gesamtwirtschaftlichen Pro-duktion festgemacht. Die Prognosen stehen am Ende einer gründlichen Analyse sowie intensiver Diskussionen und sind das Ergebnis langjähriger Erfahrungen. Und wenn man keine gemeinsame Linie findet? Dann bleibt das Minderheitsvotum.

Die Arbeitsgemeinschaft wirtschaftswissenschaft-licher Forschungsinstitute (ARGE)

25Im Februar 1949 entsteht – auf Anregung Ludwig Er-hards und Mitinitiative des DIW-Präsidenten Ferdinand Friedensburg – die »Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V.« (ARGE).88 Friedensburg wird ihr erster Vorsitzender. Das DIW Berlin engagiert sich seither aktiv für die ARGE.

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Institute und andere Ein-richtungen sind heute in der ARGE zusammengeschlossen.

EFFIZIEnZ In DEr WIrtSchAFtS-WISSEnSchAFtlIchEn ForSchunG

Die in der »Arbeitsgemeinschaft deutscher wirt-schaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute« (ARGE) zusammengeschlossenen Institute und andere Einrichtungen tauschen sich in wirt-schaftspolitischen und wirtschaftswissenschaft-lichen Fragen aus. Sie beraten in einer langfristig und planmäßig koordinierten Zusammenarbeit die Bundesregierung. »Hier ist nicht nur ein neues Forschungsinstrument, sondern eine völ-lig neue Forschungsmethode geschaffen worden: die Anwendung des Prinzips der Teamarbeit auf dem Gebiet der praktischen Wirtschaftsfor-schung«, schreiben die Verantwortlichen.89 Für die Wochenzeitung »Die Zeit« bedeutet Anfang der 50er Jahre die Arbeits- und Aufgabenteilung durch Abstimmung der Programme »eine Art Planwirtschaft in der Forschung«.90

Die Arbeitsgemeinschaft bewährt sich als Organi-sator institutsübergreifender Forschungsarbeiten. Dazu gehört über Jahrzehnte auch die so genannte Gemeinschaftsdiagnose, das ist die jeweils im Frühjahr und im Herbst eines Jahres erstellte Konjunkturprognose der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute. Nach der Ände-rung des Ausschreibungsverfahrens durch das zuständige Bundesministerium ist die ARGE seit Herbst 2007 nicht mehr für die Gemeinschaftsdia-gnose zuständig.

Die Präsidenten Lutz Hoffmann und Klaus F. Zimmermann waren jeweils etwa zehn Jahre als Vorsitzende der ARGE tätig, seit 2013 ist DIW-Präsident Marcel Fratzscher ihr Vorsitzender. Die Geschäftsstelle der ARGE ist seit knapp zwei Dekaden am DIW Berlin verankert.

DIE ZuKunFt BlEIBt unSIchEr – trotZ DEr GEMEInSchAFtSDIAGnoSE

1950 will Wirtschaftsminister Ludwig Erhard ein »bundesnahes« Institut schaffen, das viermal jährlich Konjunkturprognosen für die Regierung erstellt. Die Wirtschaftsforschungsinstitute fürch-ten Bedeutungsverlust und weisen auf mögliche politische Einflussnahme hin. Sie schlagen ihrer-

seits vor, eine gemeinsame Prognose zu erstellen. Eine wissenschaftlich fundierte Konjunkturprog-nose: Das ist eine echte Innovation.

Die erste Gemeinschaftsdiagnose Mitte 1950 umfasst vier Seiten. Heute ist sie 20-mal so lang.91

»Vor diesen Anlässen halten der zuständige Minister und seine leitenden Beamten jedes Mal den Atem an.« So spitzt die Wochenzei-tung »Die Zeit« 1972 zu, was sich alljährlich im Frühjahr und Herbst vollzieht. Denn dann wird die Gemeinschaftsdiagnose veröffentlicht. Auftraggeber der Konjunkturprognose ist zwar die Bundesregierung. Aber was die Wissen-schaftler zu sagen hätten, so »Die Zeit« über die »unbequemen Ratgeber«, sei für die politischen Akteure nicht immer schmeichelhaft – und was sie für die Zukunft anböten, oft nur schwer durchzusetzen.92

Inzwischen konkurriert die Gemeinschaftsdia-gnose, die einen weltwirtschaftlichen und einen binnenwirtschaftlichen Teil beinhaltet, längst mit einer Reihe anderer Prognosen: mit den eigen-ständigen Vorhersagen der beteiligten Institute, denen der Wirtschaftsverbände und Banken, des Sachverständigenrats (der so genannten Fünf Weisen) und der Bundesregierung, schließlich mit den Prognosen des IWF, der OECD, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank.

WIE KoMMt ES Zur GEMEInSchAFtS DIAGnoSE?

Zu Beginn der halbjährlichen Beratungen steht ein gewaltiger Datenberg93. Die Statistiken und Analysen der verschiedenen Institute laufen hier zusammen. In einem zweiwöchigen Konklave versuchen bis zu 50 Mitarbeiter aus den beteilig-ten Instituten, darin die Richtung zu erkennen: Wohin und mit welchem Tempo bewegen sich die deutsche und die internationale Wirtschaft? Konjunkturelle Schwankungen werden an der vierteljährlichen gesamtwirtschaftlichen Pro-duktion festgemacht. Die Prognosen stehen am Ende einer gründlichen Analyse sowie intensiver Diskussionen und sind das Ergebnis langjähriger Erfahrungen. Und wenn man keine gemeinsame Linie findet? Dann bleibt das Minderheitsvotum.

Die Arbeitsgemeinschaft wirtschaftswissenschaft-licher Forschungsinstitute (ARGE)

25Im Februar 1949 entsteht – auf Anregung Ludwig Er-hards und Mitinitiative des DIW-Präsidenten Ferdinand Friedensburg – die »Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V.« (ARGE).88 Friedensburg wird ihr erster Vorsitzender. Das DIW Berlin engagiert sich seither aktiv für die ARGE.

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Page 72: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Das Institut für Weltwirtschaft (IfW), 1914 in Kiel noch im Kaiserreich gegründet, ist das älteste Wirtschaftsforschungsinstitut in Deutschland. Heute ist es der Kieler Universität angegliedert, ohne ein Teil von ihr zu sein. Es widmet sich vor allem weltwirtschaftlichen Fragestellungen wie der Globalisierung. Dabei gilt es – geprägt von den beiden ehemaligen Präsidenten Herbert Giersch und Horst Siebert – als angebotsorientiert und sucht nach Lösungen, die Anreize für eigenverantwortliches Handeln setzen.

Das leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) wurde 1949 gegründet und sitzt in München. Der breiten Öffentlichkeit ist das ifo durch den monatlich ermittelten Geschäftsklimaindex bekannt. Es befasst sich vor allem mit der Analyse der Wirt-schaftspolitik in Deutschland, aber auch mit den Gebieten Sozial politik, Arbeitsmarkt, Strukturwandel und Finanzmärkte.

Das rheinisch-Westfälische Institut für Wirt-schaftsforschung (RWI) wurde bereits 1926 als Außenstelle des DIW-Vorläufers IfK gegründet. Zu den Schwerpunkten des seit 1943 rechtlich selbständigen Instituts gehört neben Arbeitsmarkt, Gesundheit, Umwelt und Bildung auch die Analyse der Wirtschaft Nordrhein-Westfalens und der Bereiche Energie und Stahl.

Das leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung halle (IWH) wurde 1992 gegründet und ist das wichtigste Institut für die ostdeutsche Wirt schaft. Anfangs befass-te es sich vor allem mit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft. Das IWH versteht sich jedoch ausdrücklich nicht als ostdeutsches Regionalinstitut. Zentrale Forschungsgebiete sind auch allgemeine The-men wie Wettbewerb und Bildung, der Arbeitsmarkt im Umbruch, kommunale Wirtschaft und föderativer Staat unter Anpassungsdruck.

Das Zentrum für Europäische Wirtschafts-forschung (ZEW) wurde 1990 auf Initiative der baden-württembergischen Landesregierung, der Wirtschaft des Landes und der Universität Mann-heim gegründet und nahm im April 1991 die Arbeit auf. Übergreifender For schungsgedanke am ZEW ist die ökonomische Analyse funktionstüchtiger Märkte und Institutionen in Europa.

Das Institut für Makro ökonomie und Konjunk-turforschung (IMK) wurde 2005 in Düsseldorf gegründet und ist Teil der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Das IMK arbeitet besonders bei Fragen des Arbeitsmarkts und der Lohn- und Sozialpolitik eng mit dem Wirtschafts- und Sozial-wissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung zusammen. Der Leiter des Instituts, Gustav A. Horn, und eine Reihe seiner Mitarbeiter waren zuvor - teils langjährig - am DIW tätig.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), 1951 als Deutsches Industrie-Institut gegrün-det, versteht sich als Wissenschaftsdienstleister. Von Verbänden und Unternehmen der privaten Wirtschaft finanziert, vertritt es eine klare marktwirt-schaftliche Position und möchte das Verständnis wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse in Politik und Öffentlichkeit verbessern und Diskussi-onen anstoßen.

ARGE-Institute.de

DEutSchE WIrtSchAFtSForSchunGSInStItutE Mit dem DIW Berlin kooperieren insbesondere folgende der leibniz-Gemein-schaft angehörigen Wirtschaftsforschungsinstitute u.a. unter dem Dach der ArGE.

Auch die folgenden Einrichtungen zählen zu den ARGE -Instituten, gehören jedoch – anders als das DIW Berlin – nicht der Leibniz-Gemeinschaft an.

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Das Institut für Weltwirtschaft (IfW), 1914 in Kiel noch im Kaiserreich gegründet, ist das älteste Wirtschaftsforschungsinstitut in Deutschland. Heute ist es der Kieler Universität angegliedert, ohne ein Teil von ihr zu sein. Es widmet sich vor allem weltwirtschaftlichen Fragestellungen wie der Globalisierung. Dabei gilt es – geprägt von den beiden ehemaligen Präsidenten Herbert Giersch und Horst Siebert – als angebotsorientiert und sucht nach Lösungen, die Anreize für eigenverantwortliches Handeln setzen.

Das leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) wurde 1949 gegründet und sitzt in München. Der breiten Öffentlichkeit ist das ifo durch den monatlich ermittelten Geschäftsklimaindex bekannt. Es befasst sich vor allem mit der Analyse der Wirt-schaftspolitik in Deutschland, aber auch mit den Gebieten Sozial politik, Arbeitsmarkt, Strukturwandel und Finanzmärkte.

Das rheinisch-Westfälische Institut für Wirt-schaftsforschung (RWI) wurde bereits 1926 als Außenstelle des DIW-Vorläufers IfK gegründet. Zu den Schwerpunkten des seit 1943 rechtlich selbständigen Instituts gehört neben Arbeitsmarkt, Gesundheit, Umwelt und Bildung auch die Analyse der Wirtschaft Nordrhein-Westfalens und der Bereiche Energie und Stahl.

Das leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung halle (IWH) wurde 1992 gegründet und ist das wichtigste Institut für die ostdeutsche Wirt schaft. Anfangs befass-te es sich vor allem mit dem Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft. Das IWH versteht sich jedoch ausdrücklich nicht als ostdeutsches Regionalinstitut. Zentrale Forschungsgebiete sind auch allgemeine The-men wie Wettbewerb und Bildung, der Arbeitsmarkt im Umbruch, kommunale Wirtschaft und föderativer Staat unter Anpassungsdruck.

Das Zentrum für Europäische Wirtschafts-forschung (ZEW) wurde 1990 auf Initiative der baden-württembergischen Landesregierung, der Wirtschaft des Landes und der Universität Mann-heim gegründet und nahm im April 1991 die Arbeit auf. Übergreifender For schungsgedanke am ZEW ist die ökonomische Analyse funktionstüchtiger Märkte und Institutionen in Europa.

Das Institut für Makro ökonomie und Konjunk-turforschung (IMK) wurde 2005 in Düsseldorf gegründet und ist Teil der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Das IMK arbeitet besonders bei Fragen des Arbeitsmarkts und der Lohn- und Sozialpolitik eng mit dem Wirtschafts- und Sozial-wissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung zusammen. Der Leiter des Instituts, Gustav A. Horn, und eine Reihe seiner Mitarbeiter waren zuvor - teils langjährig - am DIW tätig.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), 1951 als Deutsches Industrie-Institut gegrün-det, versteht sich als Wissenschaftsdienstleister. Von Verbänden und Unternehmen der privaten Wirtschaft finanziert, vertritt es eine klare marktwirt-schaftliche Position und möchte das Verständnis wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse in Politik und Öffentlichkeit verbessern und Diskussi-onen anstoßen.

ARGE-Institute.de

DEutSchE WIrtSchAFtSForSchunGSInStItutE Mit dem DIW Berlin kooperieren insbesondere folgende der leibniz-Gemein-schaft angehörigen Wirtschaftsforschungsinstitute u.a. unter dem Dach der ArGE.

Auch die folgenden Einrichtungen zählen zu den ARGE -Instituten, gehören jedoch – anders als das DIW Berlin – nicht der Leibniz-Gemeinschaft an.

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WIE unD WoZu WIrD DIE lEIStunG EInEr volKSWIrtSchAFt BErEchnEt?

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, kurz VGR, gibt Auskunft über die Entstehung, Vertei-lung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts. Alle ökonomischen Transaktionen einer Volks-wirtschaft werden quantitativ erfasst und tabella-risch dargestellt. Die Ergebnisse erlauben es, den Wirtschaftsablauf eines Landes in seiner Gesamt-verf lechtung ständig zu verfolgen.94 Damit dient die VGR der Politik als Informationsgrundlage für konjunkturelle und wirtschaftspolitische Ent-scheidungen.

DIE GESchIchtE DEr vGr AM DIW

Vor dem Zweiten Weltkrieg versuchen die For-scher des DIW in Anlehnung an amerikani-sche Vorbilder, das wirtschaftliche Geschehen anhand einzelner Indikatoren zu erfassen. Eine Zusammenfassung dieser Teil ergebnisse, etwa zur landwirtschaftlichen Produktion, zu Einzelhandels- umsätzen und zur Wohnungswirtschaft, erfolgt nur zögerlich. Es fehlt die Grundlage, um eine quantitative Analyse der Gesamtwirtschaft durch-führen zu können.95

Doch Ernst Wagemann möchte die Wirtschaft als Gesamtprozess verstanden wissen. Bereits seine 1928 erschienene »Konjunkturlehre« stellt den Versuch dar, das Volkseinkommen für das Beispieljahr 1913 sowohl von der Einkommens- als

auch von der Ausgabenseite her zu erfassen.96 Diese Ansätze kommen während des Zweiten Weltkriegs jedoch zum Erliegen, weil statistische Quellen versiegen. Zudem dürfen die meisten Daten nicht veröffentlicht werden.

1947 gelingt es dem DIW, mit den Mitarbeitern Ferdinand Grünig und Rolf Krengel, die erste deutsche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu veröffentlichen.97

InPut-outPut-rEchnunG – DIE »BuchhAltunG« DEr volKSWIrtSchAFt

Die Input-Output-Rechnung ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Bestand-teil der VGR.98 Sie zerlegt die Volkswirtschaft in einzelne Wirtschaftsbereiche und beschreibt deren wechselseitige Abhängigkeiten. Eine Input-Output-Rechnung gibt an, welchen »Input« (Einsatzstoffe, Arbeit, Kapital, Maschinen) es braucht, um eine Einheit eines bestimmten Produkts (»Output«) herzustellen. Damit erlaubt dieses Rechenmodell Analysen der Auswirkungen wirtschaftspolitischer Eingriffe auf die Produktions- und Preisentwick-lung. So kann das DIW mithilfe der Input-Output-Rechnung in den 70er Jahren beispielsweise die Wirkung des »Ölpreisschocks« auf die Preisent-wicklung quantifizieren.

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

2.903.800.000Euro beträgt das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands 2014.

EIn InStruMEnt DEr PlAnWIrtSchAFt?

Schon 1962 hatte das Institut eine Input-Output-Rechnung für das Gesamtgebiet der Bundes-republik Deutschland erstellt. In politischen Kreisen ist dies teils heftig umstritten. Denn die Input-Output-Rechnung gilt als »Instrument der Planwirtschaft«. Nur wo man planen will und nicht die »unsichtbare Hand des Markts« walten lassen möchte, heißt es, bedürfe es der genauen statistischen Erhebung.

Trotz dieser Kritik wird im DIW ein entsprechen-des Referat in der Abteilung »Industrie« gegrün-det. Der Berliner Senat beteiligt sich an der Finan-zierung des Projekts. Bis Mitte der 80er Jahre, als das Statistische Bundesamt die Input-Output-Rechnung übernimmt, ist die Input-Output-Tabelle des DIW die einzige kontinuierlich bereitgestellte Quelle zur Wirtschaftsverf lechtung in Deutsch-land.

verfechter der Input-output-rechnung

Wassily Leontief, geboren 1905 in München, studiert Philosophie und Soziologie, schließlich Wirtschafts-wissenschaften in Leningrad. Er wird 1929 in Berlin von Werner Sombart promoviert, bevor er in Chi-na die Regierung Chiang

Kai-sheks in Fragen des Eisenbahnbaus berät. Nach seiner Übersiedlung in die USA lehrt Leontief an der Harvard University. Hier entwickelt er die Input-Output-Analyse. Sein 1941 veröffentlichtes Buch »The Structure of the American Economy 1919–1929« macht die neue Form der Darstellung ökonomischer Zusammenhänge weltweit bekannt. 1973 erhält er den Wirtschaftsnobel-preis. Leontief stirbt 1999 in New York.

Reiner Stäglin (*1938) ist als Experte für die Analyse von Input-Output-Daten von 1962 bis zu seiner Pensio-nierung am DIW Berlin tä-tig. Er ist Honorarprofessor für Wirtschaftsstatistik an der Freien Universität Berlin und seit 2004 Lehrbeauf-

tragter an der Universität Potsdam.

Stäglin ist von 1992 bis 2000 Präsident und Vizeprä-sident der International Input-Output Association und Vorsitzender der Deutschen Statistischen Gesellschaft (2000–2004). Sein Engagement für die amtliche Statis-tik wird 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse gewürdigt.

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WIE unD WoZu WIrD DIE lEIStunG EInEr volKSWIrtSchAFt BErEchnEt?

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, kurz VGR, gibt Auskunft über die Entstehung, Vertei-lung und Verwendung des Bruttoinlandsprodukts. Alle ökonomischen Transaktionen einer Volks-wirtschaft werden quantitativ erfasst und tabella-risch dargestellt. Die Ergebnisse erlauben es, den Wirtschaftsablauf eines Landes in seiner Gesamt-verf lechtung ständig zu verfolgen.94 Damit dient die VGR der Politik als Informationsgrundlage für konjunkturelle und wirtschaftspolitische Ent-scheidungen.

DIE GESchIchtE DEr vGr AM DIW

Vor dem Zweiten Weltkrieg versuchen die For-scher des DIW in Anlehnung an amerikani-sche Vorbilder, das wirtschaftliche Geschehen anhand einzelner Indikatoren zu erfassen. Eine Zusammenfassung dieser Teil ergebnisse, etwa zur landwirtschaftlichen Produktion, zu Einzelhandels- umsätzen und zur Wohnungswirtschaft, erfolgt nur zögerlich. Es fehlt die Grundlage, um eine quantitative Analyse der Gesamtwirtschaft durch-führen zu können.95

Doch Ernst Wagemann möchte die Wirtschaft als Gesamtprozess verstanden wissen. Bereits seine 1928 erschienene »Konjunkturlehre« stellt den Versuch dar, das Volkseinkommen für das Beispieljahr 1913 sowohl von der Einkommens- als

auch von der Ausgabenseite her zu erfassen.96 Diese Ansätze kommen während des Zweiten Weltkriegs jedoch zum Erliegen, weil statistische Quellen versiegen. Zudem dürfen die meisten Daten nicht veröffentlicht werden.

1947 gelingt es dem DIW, mit den Mitarbeitern Ferdinand Grünig und Rolf Krengel, die erste deutsche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu veröffentlichen.97

InPut-outPut-rEchnunG – DIE »BuchhAltunG« DEr volKSWIrtSchAFt

Die Input-Output-Rechnung ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Bestand-teil der VGR.98 Sie zerlegt die Volkswirtschaft in einzelne Wirtschaftsbereiche und beschreibt deren wechselseitige Abhängigkeiten. Eine Input-Output-Rechnung gibt an, welchen »Input« (Einsatzstoffe, Arbeit, Kapital, Maschinen) es braucht, um eine Einheit eines bestimmten Produkts (»Output«) herzustellen. Damit erlaubt dieses Rechenmodell Analysen der Auswirkungen wirtschaftspolitischer Eingriffe auf die Produktions- und Preisentwick-lung. So kann das DIW mithilfe der Input-Output-Rechnung in den 70er Jahren beispielsweise die Wirkung des »Ölpreisschocks« auf die Preisent-wicklung quantifizieren.

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

2.903.800.000Euro beträgt das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands 2014.

EIn InStruMEnt DEr PlAnWIrtSchAFt?

Schon 1962 hatte das Institut eine Input-Output-Rechnung für das Gesamtgebiet der Bundes-republik Deutschland erstellt. In politischen Kreisen ist dies teils heftig umstritten. Denn die Input-Output-Rechnung gilt als »Instrument der Planwirtschaft«. Nur wo man planen will und nicht die »unsichtbare Hand des Markts« walten lassen möchte, heißt es, bedürfe es der genauen statistischen Erhebung.

Trotz dieser Kritik wird im DIW ein entsprechen-des Referat in der Abteilung »Industrie« gegrün-det. Der Berliner Senat beteiligt sich an der Finan-zierung des Projekts. Bis Mitte der 80er Jahre, als das Statistische Bundesamt die Input-Output-Rechnung übernimmt, ist die Input-Output-Tabelle des DIW die einzige kontinuierlich bereitgestellte Quelle zur Wirtschaftsverf lechtung in Deutsch-land.

verfechter der Input-output-rechnung

Wassily Leontief, geboren 1905 in München, studiert Philosophie und Soziologie, schließlich Wirtschafts-wissenschaften in Leningrad. Er wird 1929 in Berlin von Werner Sombart promoviert, bevor er in Chi-na die Regierung Chiang

Kai-sheks in Fragen des Eisenbahnbaus berät. Nach seiner Übersiedlung in die USA lehrt Leontief an der Harvard University. Hier entwickelt er die Input-Output-Analyse. Sein 1941 veröffentlichtes Buch »The Structure of the American Economy 1919–1929« macht die neue Form der Darstellung ökonomischer Zusammenhänge weltweit bekannt. 1973 erhält er den Wirtschaftsnobel-preis. Leontief stirbt 1999 in New York.

Reiner Stäglin (*1938) ist als Experte für die Analyse von Input-Output-Daten von 1962 bis zu seiner Pensio-nierung am DIW Berlin tä-tig. Er ist Honorarprofessor für Wirtschaftsstatistik an der Freien Universität Berlin und seit 2004 Lehrbeauf-

tragter an der Universität Potsdam.

Stäglin ist von 1992 bis 2000 Präsident und Vizeprä-sident der International Input-Output Association und Vorsitzender der Deutschen Statistischen Gesellschaft (2000–2004). Sein Engagement für die amtliche Statis-tik wird 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse gewürdigt.

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lAnGZEItStuDIE »lEBEn In DEutSchlAnD« – DAS SoEP

Politikberatung braucht eine fundierte empiri-sche Basis und sollte sich an den besten verfüg-baren Daten und Indikatoren orientieren. Das DIW Berlin verfügt mit der Langzeitstudie »So-zio-oekonomisches Panel« (SOEP), auch »Leben in Deutschland« genannt, über eine der weltweit führenden Datenquellen. Bei der Erhebung steht nicht die Politikberatung im Vordergrund, son-dern primär die Grundlagenforschung. Gerade deswegen ist das SOEP auch für die Politikbera-tung so wertvoll.

Das im Jahr 1983 vom damaligen Präsidenten Hans-Jürgen Krupp am DIW angesiedelte SOEP ist eine jährlich wiederkehrende Befragung in der Bundesrepublik Deutschland.

Seit über 30 Jahren erhebt diese Längsschnittstu-die Daten von immer denselben, zuvor zufällig ausgewählten Personen in mittlerweile rund 15.000 Privathaushalten. Die dabei erhobenen Mikrodaten geben Auskunft über Persönlich-keitsmerkmale, Wertvorstellungen, Gesundheit, die familiäre Situation, Bildung, Einkommen, Wohnsituation sowie der Lebenszufriedenheit der Befragten.99

Mit der im Jahr 2012 begonnen Innovationsstu-die (SOEP-IS) bietet das SOEP darüber hinaus eine einzigartige, für neue Forschungsideen von nationalen und internationalen Forscherinnen und Forschern offene Infrastruktur für die Realisie-rung von »state-of-the-art« -Surveyforschung in Deutschland.

Die in den Befragungen des Kooperationspartners TNS Infratest Sozialforschung (München) gewon-nenen Daten bilden die Grundlage für wissen-schaftliche Forschungsarbeiten und Sozialbericht-erstattungen in aller Welt. Mittlerweile existieren

über 7.000 nationale und internationale Publikati-onen, die auf Daten des SOEP basieren.100 Debatten wie die über das angebliche »Verschwinden der Mittelschicht« oder die Frage, wovon eigentlich et-was so Entscheidendes wie die Lebenszufriedenheit der Menschen abhängt, werden durch Daten des SOEP erheblich beeinflusst – kaum ein Zweig der Gesellschaftswissenschaften, der nicht auf SOEP-Daten zurückgreift. Zunehmend analysieren auch international ausgewiesene Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologen die Daten des SOEP.

Die Kombination aus Forschung, Politikberatung und Bereitstellung von Forschungsinfrastruktur hat Modellcharakter für andere wissenschaftlich fundierte Erhebungen in aller Welt. Die britischen, australischen und schweizerischen Haushaltspa-nels basieren auf dem deutschen Vorbild.101

Das SOEP hat sich in seiner Geschichte im DIW Berlin immer wieder veränderten gesellschaftli-chen Bedingungen angepasst. Als die Mauer 1989 fällt, wird die Studie bereits im Juni 1990 auf Haushalte in der DDR ausgeweitet.102 Seit 1994/95 gibt es mit der »Zuwanderer-Stichprobe« eine ei-gene Erhebung über die Lebensbedingungen von Zuwanderern, die im Jahr 2013 aktualisiert und wesentlich verbessert wurde.103

SOEP-Daten zur Einkommensverteilung sind Grundlage für die seit 1998 regelmäßige Berichter-stattung des Sachverständigenrats für die Beur-teilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Auch in die 2001 begonnenen Armuts- und Reich-tumsberichte der Bundesregierung fließen SOEP-basierte Berechnungen regelmäßig ein. Auch im Rahmen der in den Jahren 2010 bis 2013 erfolgten Evaluierung familienpolitischer Leistungen stellt das SOEP sowie entsprechende Stichprobenauswei-tungen die zentrale Datenbasis dar. Die auf Basis des SOEP international und national durchgeführ-ten Arbeiten zur Lebenszufriedenheit prägen die

Das SOEP * Kurz gefragt: Prof. Dr. Jürgen Schupp, Direktor des SoEP im DIW Berlin106

Wie würden Sie das SOEP kurz beschreiben? Die Langzeitstudie SOEP ist eine der großen Erfolgs-geschichten der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften weltweit. Wir sind eine forschungsbasierte Infrastruktur-einrichtung, die Daten nicht nur für Sozialwissenschaften und Ökonomie, sondern seit einigen Jahren in wachsen-dem Umfang auch für die Psychologie zur Verfügung stellt. Fragen physischer wie mentaler Gesundheit gewin-nen ebenfalls an Bedeutung. Wir erheben Informationen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für so unterschiedliche Themen wie Arbeitsmarktbeteiligung, Erwerbseinkommen, schulische und berufliche Bildung, Lebenszufriedenheit oder Sozialpolitik interessieren. Die Daten der 30. Erhebungswelle gingen an rund 500 Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland, die diese Daten intensiv analysieren.

Welche einschneidenden Erlebnisse hat es in der Geschichte des SOEP gegeben? Für eine seinerzeit in Berlin-Dahlem angesiedelte Studie war der Fall der Mauer natürlich der historische Meilenstein überhaupt. Einen besseren Impuls für eine Längsschnittstudie zur Beobachtung und Analyse individueller Lebensverläufe in privaten Haushalten gibt es praktisch nicht. Wir haben sofort begonnen und bereits im Juni 1990 die erste Erhe-bungswelle durchgeführt – als es die DDR noch gab. Für diese rasche Umsetzung der Langzeitstudie ernten wir bis heute weltweiten Respekt. Die Einführung des Mindestlohns ab 2015 ist kein Ereig-nis, dass mit der deutschen Vereinigung vergleichbar ist. Aber auch bei diesem wirtschaftspolitischen Experiment wird das SOEP wichtige Daten zur evidenzbasierten Politikberatung liefern. Erstmals werden die standardisier-ten Befragungen auch mit qualitativen Erhebungen bei ausgewählten Befragten kombiniert.

Das SOEP wurde 2008 vom Wissenschaftsrat als eines der drei besten soziologischen Institute bewertet. Wie geht es seitdem weiter? Unser Ehrgeiz ist es, die Exzellenz unserer nicht nur in der Ökonomie und der Soziologie, sondern auch in der Politikwissenschaft, Psy-chologie und Gesundheitswissenschaften angesiedelten Arbeiten immer wieder aufs Neue zu bestätigen, unsere internationale Vernetzung beständig auszubauen und mit unserem Innovationssample SOEP-IS herausragende Pionierarbeit zu leisten.

(* Sozio-oekonomisches Panel)

gesellschaftliche Debatte zur Ergänzung des BIP um soziale Indikatoren zur Lebensqualität.

»EIn MESSInStruMEnt Für DIE SoZIAl-, WIrtSchAFtS- unD vErhAltEnSWISSEn-SchAFt«: DAS SoEP In DEr BEWErtunG DES WISSEnSchAFtSrAtS

2008 untersucht der Wissenschaftsrat als zentrales wissenschaftspolitisches Beratungs-gremium in Deutschland in einem »For-schungsrating« erstmals in Deutschland die Forschungsleistung in den Fächern Chemie und Soziologie.104 Nur drei der 57 bewerteten soziologischen Forschungseinrichtungen werden als »exzellent« eingestuft – darunter das SOEP.105

Auch die wenig später erfolgte Evaluation durch den Wissenschaftsrat würdigt Ende 2009 das SOEP als eine der wichtigsten Forschungsinfrastrukturen im Bereich der Sozial-, Wirtschafts- und Verhaltenswissen-schaften. Schließlich bescheinigt 2012 die Leibniz-Evaluierung des DIW Berlin dem SOEP, erfolgreich in eines der sehr gut be-werteten Cluster integriert zu sein und selbst seit vielen Jahren kontinuierlich exzellente Leistungen zu erarbeiten.

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lAnGZEItStuDIE »lEBEn In DEutSchlAnD« – DAS SoEP

Politikberatung braucht eine fundierte empiri-sche Basis und sollte sich an den besten verfüg-baren Daten und Indikatoren orientieren. Das DIW Berlin verfügt mit der Langzeitstudie »So-zio-oekonomisches Panel« (SOEP), auch »Leben in Deutschland« genannt, über eine der weltweit führenden Datenquellen. Bei der Erhebung steht nicht die Politikberatung im Vordergrund, son-dern primär die Grundlagenforschung. Gerade deswegen ist das SOEP auch für die Politikbera-tung so wertvoll.

Das im Jahr 1983 vom damaligen Präsidenten Hans-Jürgen Krupp am DIW angesiedelte SOEP ist eine jährlich wiederkehrende Befragung in der Bundesrepublik Deutschland.

Seit über 30 Jahren erhebt diese Längsschnittstu-die Daten von immer denselben, zuvor zufällig ausgewählten Personen in mittlerweile rund 15.000 Privathaushalten. Die dabei erhobenen Mikrodaten geben Auskunft über Persönlich-keitsmerkmale, Wertvorstellungen, Gesundheit, die familiäre Situation, Bildung, Einkommen, Wohnsituation sowie der Lebenszufriedenheit der Befragten.99

Mit der im Jahr 2012 begonnen Innovationsstu-die (SOEP-IS) bietet das SOEP darüber hinaus eine einzigartige, für neue Forschungsideen von nationalen und internationalen Forscherinnen und Forschern offene Infrastruktur für die Realisie-rung von »state-of-the-art« -Surveyforschung in Deutschland.

Die in den Befragungen des Kooperationspartners TNS Infratest Sozialforschung (München) gewon-nenen Daten bilden die Grundlage für wissen-schaftliche Forschungsarbeiten und Sozialbericht-erstattungen in aller Welt. Mittlerweile existieren

über 7.000 nationale und internationale Publikati-onen, die auf Daten des SOEP basieren.100 Debatten wie die über das angebliche »Verschwinden der Mittelschicht« oder die Frage, wovon eigentlich et-was so Entscheidendes wie die Lebenszufriedenheit der Menschen abhängt, werden durch Daten des SOEP erheblich beeinflusst – kaum ein Zweig der Gesellschaftswissenschaften, der nicht auf SOEP-Daten zurückgreift. Zunehmend analysieren auch international ausgewiesene Entwicklungs- und Persönlichkeitspsychologen die Daten des SOEP.

Die Kombination aus Forschung, Politikberatung und Bereitstellung von Forschungsinfrastruktur hat Modellcharakter für andere wissenschaftlich fundierte Erhebungen in aller Welt. Die britischen, australischen und schweizerischen Haushaltspa-nels basieren auf dem deutschen Vorbild.101

Das SOEP hat sich in seiner Geschichte im DIW Berlin immer wieder veränderten gesellschaftli-chen Bedingungen angepasst. Als die Mauer 1989 fällt, wird die Studie bereits im Juni 1990 auf Haushalte in der DDR ausgeweitet.102 Seit 1994/95 gibt es mit der »Zuwanderer-Stichprobe« eine ei-gene Erhebung über die Lebensbedingungen von Zuwanderern, die im Jahr 2013 aktualisiert und wesentlich verbessert wurde.103

SOEP-Daten zur Einkommensverteilung sind Grundlage für die seit 1998 regelmäßige Berichter-stattung des Sachverständigenrats für die Beur-teilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Auch in die 2001 begonnenen Armuts- und Reich-tumsberichte der Bundesregierung fließen SOEP-basierte Berechnungen regelmäßig ein. Auch im Rahmen der in den Jahren 2010 bis 2013 erfolgten Evaluierung familienpolitischer Leistungen stellt das SOEP sowie entsprechende Stichprobenauswei-tungen die zentrale Datenbasis dar. Die auf Basis des SOEP international und national durchgeführ-ten Arbeiten zur Lebenszufriedenheit prägen die

Das SOEP * Kurz gefragt: Prof. Dr. Jürgen Schupp, Direktor des SoEP im DIW Berlin106

Wie würden Sie das SOEP kurz beschreiben? Die Langzeitstudie SOEP ist eine der großen Erfolgs-geschichten der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften weltweit. Wir sind eine forschungsbasierte Infrastruktur-einrichtung, die Daten nicht nur für Sozialwissenschaften und Ökonomie, sondern seit einigen Jahren in wachsen-dem Umfang auch für die Psychologie zur Verfügung stellt. Fragen physischer wie mentaler Gesundheit gewin-nen ebenfalls an Bedeutung. Wir erheben Informationen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich für so unterschiedliche Themen wie Arbeitsmarktbeteiligung, Erwerbseinkommen, schulische und berufliche Bildung, Lebenszufriedenheit oder Sozialpolitik interessieren. Die Daten der 30. Erhebungswelle gingen an rund 500 Forscherinnen und Forscher im In- und Ausland, die diese Daten intensiv analysieren.

Welche einschneidenden Erlebnisse hat es in der Geschichte des SOEP gegeben? Für eine seinerzeit in Berlin-Dahlem angesiedelte Studie war der Fall der Mauer natürlich der historische Meilenstein überhaupt. Einen besseren Impuls für eine Längsschnittstudie zur Beobachtung und Analyse individueller Lebensverläufe in privaten Haushalten gibt es praktisch nicht. Wir haben sofort begonnen und bereits im Juni 1990 die erste Erhe-bungswelle durchgeführt – als es die DDR noch gab. Für diese rasche Umsetzung der Langzeitstudie ernten wir bis heute weltweiten Respekt. Die Einführung des Mindestlohns ab 2015 ist kein Ereig-nis, dass mit der deutschen Vereinigung vergleichbar ist. Aber auch bei diesem wirtschaftspolitischen Experiment wird das SOEP wichtige Daten zur evidenzbasierten Politikberatung liefern. Erstmals werden die standardisier-ten Befragungen auch mit qualitativen Erhebungen bei ausgewählten Befragten kombiniert.

Das SOEP wurde 2008 vom Wissenschaftsrat als eines der drei besten soziologischen Institute bewertet. Wie geht es seitdem weiter? Unser Ehrgeiz ist es, die Exzellenz unserer nicht nur in der Ökonomie und der Soziologie, sondern auch in der Politikwissenschaft, Psy-chologie und Gesundheitswissenschaften angesiedelten Arbeiten immer wieder aufs Neue zu bestätigen, unsere internationale Vernetzung beständig auszubauen und mit unserem Innovationssample SOEP-IS herausragende Pionierarbeit zu leisten.

(* Sozio-oekonomisches Panel)

gesellschaftliche Debatte zur Ergänzung des BIP um soziale Indikatoren zur Lebensqualität.

»EIn MESSInStruMEnt Für DIE SoZIAl-, WIrtSchAFtS- unD vErhAltEnSWISSEn-SchAFt«: DAS SoEP In DEr BEWErtunG DES WISSEnSchAFtSrAtS

2008 untersucht der Wissenschaftsrat als zentrales wissenschaftspolitisches Beratungs-gremium in Deutschland in einem »For-schungsrating« erstmals in Deutschland die Forschungsleistung in den Fächern Chemie und Soziologie.104 Nur drei der 57 bewerteten soziologischen Forschungseinrichtungen werden als »exzellent« eingestuft – darunter das SOEP.105

Auch die wenig später erfolgte Evaluation durch den Wissenschaftsrat würdigt Ende 2009 das SOEP als eine der wichtigsten Forschungsinfrastrukturen im Bereich der Sozial-, Wirtschafts- und Verhaltenswissen-schaften. Schließlich bescheinigt 2012 die Leibniz-Evaluierung des DIW Berlin dem SOEP, erfolgreich in eines der sehr gut be-werteten Cluster integriert zu sein und selbst seit vielen Jahren kontinuierlich exzellente Leistungen zu erarbeiten.

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SchlüsselthemenAm Puls der Zeit: Das DIW Berlin und politisch-gesellschaftliche Schlüsselthemen

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SchlüsselthemenAm Puls der Zeit: Das DIW Berlin und politisch-gesellschaftliche Schlüsselthemen

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DIE ABtEIlunG »MIttElDEutSchlAnD-ForSchunG«

»Die wissenschaftliche Erhellung politischer (oder politisch bestimmter) Sachverhalte ist immer politisch bedingt. Für ein heikles Feld wie die Deutschlandpolitik gilt das besonders«, schreibt 1971 das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«.107 Wie heikel das Forschen über die DDR lange Zeit ist, zeigt sich an der Arbeit des DIW.

Das Institut versteht sich von seinem Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg an als gesamtdeut-sche Einrichtung, die sich mit der Wirtschafts-entwicklung beider deutscher Staaten befasst. In der jungen Bundesrepublik gilt jedoch der »Alleinvertretungsanspruch«. Die Bundesregie-rung sieht sich als Vertreterin aller Deutschen und erkennt die DDR als Staat nicht an. »Das marktwirtschaftliche System ist überlegen!« – »Die DDR wird nicht lange bestehen!«: Dies sind in der Bundesrepublik der 50er Jahre unumstößliche Pfeiler der Beschäftigung mit dem zweiten deut-schen Staat.108 Das DIW lässt sich in seiner Arbeit allerdings nicht einschränken. Seine bereits vor Gründung der Bundesrepublik im April 1949 eingerichtete Arbeitsgruppe/Abteilung »Sowje-tische Besatzungszone« (ab 1954 »Abteilung für Mitteldeutschlandforschung«) sammelt Daten zur wirtschaftlichen Situation der späteren DDR, zum Produktionspotenzial, zur Bevölkerung und zur Versorgung sowie zum Ost-West-Handel.109

nEuE oStPolItIK – nEuE DDr-ForSchunGEn – AltE KrItIK

Mitteldeutschland, Ostzone, sowjetisch besetzte Zone (SBZ), DDR – im Laufe der Zeit wechseln zwar die Bezeichnungen, das Forschungsobjekt bleibt jedoch dasselbe. Das DIW erringt auf diesem Feld eine führende Position. Mitte der 60er Jahre rückt das DIW als eine der ersten Einrichtun-gen von der rein »systemkritischen« DDR- und Osteuropa-Forschung ab. Stattdessen versucht das Institut, die Planwirtschaft aus sich selbst heraus

zu analysieren. Anhand wirtschaftlicher Kenn-ziffern wie Kaufkraft, Sozialprodukt oder Au-ßenhandelsbilanz werden Bundesrepublik und DDR verglichen. Dieser Forschungsansatz lässt politische Akteure misstrauisch werden, etwa den »Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereini-gung Deutschlands«. Mit diesem Gremium aus hochrangigen Politikern und Wissenschaftlern, das 1952 vom Bundesministerium für gesamtdeut-sche Fragen gegründet wird, arbeitet das Institut zeitweise eng zusammen. Ab Mitte der 60er Jahre verschlechtert sich das Verhältnis jedoch merklich: Der Forschungsbeirat moniert, das DIW beurteile die DDR zu wohlwollend.110

Derartige Konflikte verschärfen sich mit der »neuen Ostpolitik« Willy Brandts. Im Grundla-genvertrag erkennt die Bundesrepublik 1972 die DDR staatsrechtlich an. Zuvor hat das DIW die Ost-Abteilungen »Mitteldeutsche Wirtschaft« und »Auslandswirtschaft (Ost)« zusammenge-legt (1967) und zwei Jahre später die Abteilung »Mitteldeutsche Wirtschaft« in »DDR und östliche Industrieländer« umbenannt. 111

DAS hAnDBuch »DDr-WIrtSchAFt«

Das DIW will über Fachkreise hinaus auch die breite (westliche) Öffentlichkeit erreichen. 1971 publiziert es unter der Federführung des dama-ligen Abteilungsleiters Peter Mitzscherling das Handbuch »DDR-Wirtschaft«. Es liefert auf 400 Seiten detaillierte Informationen zu einzelnen Wirtschaftsbereichen. Der »Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands« lässt gleichzeitig ein ähnliches Handbuch vorbe-reiten. Das »Bundesministerium für innerdeut-sche Beziehungen«, das das Werk herausgeben soll, lehnt die Vorlage der Forschungsstelle jedoch als theoretisch veraltet ab und gibt der DIW-Studie den Vorzug.112 Das erfolgreiche Buch füllt eine Forschungslücke, wird mehrfach neu aufgelegt und ins Englische übersetzt. Das DIW ist aber auch maßgeblich an der Konzeption und Erstel-lung der »Materialien zum Bericht zur Lage der

Forschen im Kreuzfeuer des Kalten Kriegs

12,5 Jahre wartet man 1989 in der DDR im Schnitt auf einen Neuwagen.

Nation« beteiligt, die die deutsche Bundesregie-rung 1971 und 1974 herausgibt.113

AltE KontrovErSEn, nEu vErPAcKt

Die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition wird nach 1982 im Grundsatz von der christlich-libe-ralen Koalition fortgeführt. Politisch motivierte Kritik wird nunmehr verstärkt mit methodischen Zweifeln an der Arbeit der Abteilung »DDR und östliche Industrieländer« begründet.114 Kann man wirtschaftliche Kennziffern so unterschiedli-cher Wirtschaftssysteme überhaupt miteinander vergleichen? Und woher kommen die Informati-onen über die DDR, mit denen das DIW arbeitet? Sind die offiziellen Statistiken der DDR nicht weitgehend gefälscht? Diese Kritik kann das DIW entkräften. Denn DDR-Statistiken werden vom Institut grundsätzlich nicht ungeprüft übernom-men. Ein Hauptteil seiner Arbeit besteht gerade darin, die methodischen Abweichungen der Sta-tistik in Ost und West zu berücksichtigen, so etwa bei Kaufkraft- und Sozialproduktvergleichen. Zu-dem stützt das DIW seine Arbeit nicht allein auf staatliche Quellen. Intensiv wird die Bezirkspresse ausgewertet. Die Mitarbeiter führen Gespräche in der DDR und notieren sich bei Reisen dorthin die Preise in den Geschäften.

BEStAnDSAuFnAhME: DIE MAtErIAlIEn Zur lAGE DEr nAtIon 1987

Wenn das DIW die Entwicklung in der DDR positiv kommentiert, verbreitet das die SED über ihre Staatsmedien.115 Die häufigeren negativen Einschätzungen werden indes verschwiegen. In der Bundesrepublik wird das DIW zur wichtig-sten Informationsquelle über die DDR-Wirtschaft. Seine Daten sind hilfreich bei den Verhandlungen mit der DDR über Wirtschafts- und Umweltproble-me. 1985 erteilt der damalige Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Heinrich Windelen (CDU), dem DIW den Auftrag, den gesamten empirischen Teil zum »Bericht zur Lage der Na-tion im geteilten Deutschland 1987« zu erstellen. Auf mehr als 560 Seiten entsteht hier unter der Leitung von Doris Cornelsen das letzte umfassen-de Zahlenbild zur wirtschaftlichen und sozialen Situation der beiden deutschen Staaten. Es wird zugleich Grundlage vieler wirtschaftspolitischer Überlegungen nach 1989, auch wenn man im Nachhinhein bedauern mag, dass viele der vorhan-denen Informationen in der Hektik des Vereini-gungsprozesses nicht zur Kenntnis genommen werden. Allerdings kennen auch die Fähigkeiten des DIW Grenzen. Es unterschätzt zwar nicht die wirtschaftlichen Probleme des Landes, wohl aber die politischen Veränderungskräfte, die 1989 zum Zusammenbruch des Systems führen.

Mit dem Ende der DDR wird die entsprechende Abteilung zunächst in »Ostdeutschland und Osteuropa« umbenannt. Nach der deutschen Wiedervereinigung heißt sie schließlich »Ost-europa-Abteilung«, später geht diese in der Ab-teilung »Weltwirtschaft« auf.

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DIE ABtEIlunG »MIttElDEutSchlAnD-ForSchunG«

»Die wissenschaftliche Erhellung politischer (oder politisch bestimmter) Sachverhalte ist immer politisch bedingt. Für ein heikles Feld wie die Deutschlandpolitik gilt das besonders«, schreibt 1971 das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«.107 Wie heikel das Forschen über die DDR lange Zeit ist, zeigt sich an der Arbeit des DIW.

Das Institut versteht sich von seinem Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg an als gesamtdeut-sche Einrichtung, die sich mit der Wirtschafts-entwicklung beider deutscher Staaten befasst. In der jungen Bundesrepublik gilt jedoch der »Alleinvertretungsanspruch«. Die Bundesregie-rung sieht sich als Vertreterin aller Deutschen und erkennt die DDR als Staat nicht an. »Das marktwirtschaftliche System ist überlegen!« – »Die DDR wird nicht lange bestehen!«: Dies sind in der Bundesrepublik der 50er Jahre unumstößliche Pfeiler der Beschäftigung mit dem zweiten deut-schen Staat.108 Das DIW lässt sich in seiner Arbeit allerdings nicht einschränken. Seine bereits vor Gründung der Bundesrepublik im April 1949 eingerichtete Arbeitsgruppe/Abteilung »Sowje-tische Besatzungszone« (ab 1954 »Abteilung für Mitteldeutschlandforschung«) sammelt Daten zur wirtschaftlichen Situation der späteren DDR, zum Produktionspotenzial, zur Bevölkerung und zur Versorgung sowie zum Ost-West-Handel.109

nEuE oStPolItIK – nEuE DDr-ForSchunGEn – AltE KrItIK

Mitteldeutschland, Ostzone, sowjetisch besetzte Zone (SBZ), DDR – im Laufe der Zeit wechseln zwar die Bezeichnungen, das Forschungsobjekt bleibt jedoch dasselbe. Das DIW erringt auf diesem Feld eine führende Position. Mitte der 60er Jahre rückt das DIW als eine der ersten Einrichtun-gen von der rein »systemkritischen« DDR- und Osteuropa-Forschung ab. Stattdessen versucht das Institut, die Planwirtschaft aus sich selbst heraus

zu analysieren. Anhand wirtschaftlicher Kenn-ziffern wie Kaufkraft, Sozialprodukt oder Au-ßenhandelsbilanz werden Bundesrepublik und DDR verglichen. Dieser Forschungsansatz lässt politische Akteure misstrauisch werden, etwa den »Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereini-gung Deutschlands«. Mit diesem Gremium aus hochrangigen Politikern und Wissenschaftlern, das 1952 vom Bundesministerium für gesamtdeut-sche Fragen gegründet wird, arbeitet das Institut zeitweise eng zusammen. Ab Mitte der 60er Jahre verschlechtert sich das Verhältnis jedoch merklich: Der Forschungsbeirat moniert, das DIW beurteile die DDR zu wohlwollend.110

Derartige Konflikte verschärfen sich mit der »neuen Ostpolitik« Willy Brandts. Im Grundla-genvertrag erkennt die Bundesrepublik 1972 die DDR staatsrechtlich an. Zuvor hat das DIW die Ost-Abteilungen »Mitteldeutsche Wirtschaft« und »Auslandswirtschaft (Ost)« zusammenge-legt (1967) und zwei Jahre später die Abteilung »Mitteldeutsche Wirtschaft« in »DDR und östliche Industrieländer« umbenannt. 111

DAS hAnDBuch »DDr-WIrtSchAFt«

Das DIW will über Fachkreise hinaus auch die breite (westliche) Öffentlichkeit erreichen. 1971 publiziert es unter der Federführung des dama-ligen Abteilungsleiters Peter Mitzscherling das Handbuch »DDR-Wirtschaft«. Es liefert auf 400 Seiten detaillierte Informationen zu einzelnen Wirtschaftsbereichen. Der »Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands« lässt gleichzeitig ein ähnliches Handbuch vorbe-reiten. Das »Bundesministerium für innerdeut-sche Beziehungen«, das das Werk herausgeben soll, lehnt die Vorlage der Forschungsstelle jedoch als theoretisch veraltet ab und gibt der DIW-Studie den Vorzug.112 Das erfolgreiche Buch füllt eine Forschungslücke, wird mehrfach neu aufgelegt und ins Englische übersetzt. Das DIW ist aber auch maßgeblich an der Konzeption und Erstel-lung der »Materialien zum Bericht zur Lage der

Forschen im Kreuzfeuer des Kalten Kriegs

12,5 Jahre wartet man 1989 in der DDR im Schnitt auf einen Neuwagen.

Nation« beteiligt, die die deutsche Bundesregie-rung 1971 und 1974 herausgibt.113

AltE KontrovErSEn, nEu vErPAcKt

Die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition wird nach 1982 im Grundsatz von der christlich-libe-ralen Koalition fortgeführt. Politisch motivierte Kritik wird nunmehr verstärkt mit methodischen Zweifeln an der Arbeit der Abteilung »DDR und östliche Industrieländer« begründet.114 Kann man wirtschaftliche Kennziffern so unterschiedli-cher Wirtschaftssysteme überhaupt miteinander vergleichen? Und woher kommen die Informati-onen über die DDR, mit denen das DIW arbeitet? Sind die offiziellen Statistiken der DDR nicht weitgehend gefälscht? Diese Kritik kann das DIW entkräften. Denn DDR-Statistiken werden vom Institut grundsätzlich nicht ungeprüft übernom-men. Ein Hauptteil seiner Arbeit besteht gerade darin, die methodischen Abweichungen der Sta-tistik in Ost und West zu berücksichtigen, so etwa bei Kaufkraft- und Sozialproduktvergleichen. Zu-dem stützt das DIW seine Arbeit nicht allein auf staatliche Quellen. Intensiv wird die Bezirkspresse ausgewertet. Die Mitarbeiter führen Gespräche in der DDR und notieren sich bei Reisen dorthin die Preise in den Geschäften.

BEStAnDSAuFnAhME: DIE MAtErIAlIEn Zur lAGE DEr nAtIon 1987

Wenn das DIW die Entwicklung in der DDR positiv kommentiert, verbreitet das die SED über ihre Staatsmedien.115 Die häufigeren negativen Einschätzungen werden indes verschwiegen. In der Bundesrepublik wird das DIW zur wichtig-sten Informationsquelle über die DDR-Wirtschaft. Seine Daten sind hilfreich bei den Verhandlungen mit der DDR über Wirtschafts- und Umweltproble-me. 1985 erteilt der damalige Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen, Heinrich Windelen (CDU), dem DIW den Auftrag, den gesamten empirischen Teil zum »Bericht zur Lage der Na-tion im geteilten Deutschland 1987« zu erstellen. Auf mehr als 560 Seiten entsteht hier unter der Leitung von Doris Cornelsen das letzte umfassen-de Zahlenbild zur wirtschaftlichen und sozialen Situation der beiden deutschen Staaten. Es wird zugleich Grundlage vieler wirtschaftspolitischer Überlegungen nach 1989, auch wenn man im Nachhinhein bedauern mag, dass viele der vorhan-denen Informationen in der Hektik des Vereini-gungsprozesses nicht zur Kenntnis genommen werden. Allerdings kennen auch die Fähigkeiten des DIW Grenzen. Es unterschätzt zwar nicht die wirtschaftlichen Probleme des Landes, wohl aber die politischen Veränderungskräfte, die 1989 zum Zusammenbruch des Systems führen.

Mit dem Ende der DDR wird die entsprechende Abteilung zunächst in »Ostdeutschland und Osteuropa« umbenannt. Nach der deutschen Wiedervereinigung heißt sie schließlich »Ost-europa-Abteilung«, später geht diese in der Ab-teilung »Weltwirtschaft« auf.

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Page 82: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR im Palais Schaumburg, 8. November 1972. Im Bild: Der Staatssekretär beim Bundes-kanzler und Bundesbevollmächtigte für Berlin, Egon Bahr (r.) und DDR-Staats-sekretär Michael Kohl.

In der Bundesrepublik werden ab den 1950er Jahren Plattenbausiedlungen im Akkord aus dem Boden gestampft.

Bundeskanzler Willy Brandt 1971 bei einem Bootsausflug mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew auf dem Schwarzen Meer. Zentraler Gegenstand des informellen Treffens: die Ostpolitik der Bundesregierung.

August 1961: Berliner versuchen, Verwandte und Freunde auf der anderen Seite der Mauer zu sehen.

Cover des Handbuchs »DDR-Wirtschaft«, Juni 1971.

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Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR im Palais Schaumburg, 8. November 1972. Im Bild: Der Staatssekretär beim Bundes-kanzler und Bundesbevollmächtigte für Berlin, Egon Bahr (r.) und DDR-Staats-sekretär Michael Kohl.

In der Bundesrepublik werden ab den 1950er Jahren Plattenbausiedlungen im Akkord aus dem Boden gestampft.

Bundeskanzler Willy Brandt 1971 bei einem Bootsausflug mit dem sowjetischen Staats- und Parteichef Leonid Breschnew auf dem Schwarzen Meer. Zentraler Gegenstand des informellen Treffens: die Ostpolitik der Bundesregierung.

August 1961: Berliner versuchen, Verwandte und Freunde auf der anderen Seite der Mauer zu sehen.

Cover des Handbuchs »DDR-Wirtschaft«, Juni 1971.

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voM trEIBStoFF …

Als rohstoffarmes, aber hoch industrialisiertes Land ist Deutschland von importierten Ener-gieträgern abhängig. Energie und Rohstoffe sind deshalb schon seit den 30er Jahren ein Forschungsschwerpunkt des DIW.116 Mit dem Wirtschaftsaufschwung seit Mitte der 50er Jahre steigt der Energiebedarf in der Bundesrepublik dramatisch an. Das Institut beobachtet die Effekte der internationalen Preisentwicklung bei Energie-trägern auf die Kosten der deutschen Industrie-produktion. Zu teuer, zu energieintensiv, schluss-folgert das Institut und mahnt zur Sparsamkeit.117 Doch erst der »Ölpreisschock« 1973 macht den westlichen Industrieländern deutlich, wie sehr sie von Rohstoffen und Energien abhängen, und lässt in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein entstehen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.

… unD trEIBhAuS

Seit den 70er Jahren stellt sich nicht nur vermehrt die Frage, was aus der heimischen Industrie wird, wenn die Reserven an Kohle und Öl verbraucht sind. Auch die Verschmutzung der Umwelt durch fossile Brennstoffe wird zunehmend thematisiert, der »Treibhauseffekt« zum allgegenwärtigen Schlagwort. Einen Ausweg aus der bedrohlichen Situation aufgrund begrenzter Vorkommen scheint zunächst die Kernenergie zu bieten. Spätestens seit dem schweren Unfall im Kern-kraftwerk Three Mile Island nahe Harrisburg/USA 1979 formiert sich dagegen jedoch weltweit Widerstand. Das DIW befasst sich bereits seit den späten 70er Jahren mit den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten alternativer Energien.118 Dabei ergreift es deutlich Position und appelliert an die Politik, mit entschiedenen Maßnahmen Umweltschäden und Klimawandel zu bekämpfen.119

öKonoMISchE BEGrünDunG Für GloBAlEn uMWEltSchutZ

Das Thema Umweltschutz ist zwar verstärkt auf der Tagesordnung und erhält in den 80er Jahren neue Dynamik, dennoch herrscht in Deutschland

Umwelt und Energie lange die Ansicht, Umwelt- und Klimaschutz sei eine Angelegenheit für Idealisten.

Das DIW erkennt früh, dass erst ökonomische Argumente einen entscheidenden Wandel zugunsten des Umweltschutzes einleiten kön-nen. Es arbeitet eng mit dem Bundestag und der Bundesregierung zusammen und erstellt energiepolitische Studien.120 Einen Schritt in Richtung einer grundlegenden Änderung stellt die Idee einer »Ökosteuer« dar. Ein sparsamerer Energieverbrauch soll mit ökonomischen Mitteln gelenkt werden. Hierzu erarbeitet das Institut im Auftrag von Greenpeace 1994 ein viel beachte tes Konzept.121

Das DIW argumentiert in zahlreichen weiteren Studien gegen das verbreitete Vorurteil, Um-weltschutz schädige den Wirtschaftsstandort Deutschland. Statt Panikmache liefern die Wissenschaftler nüchterne Berechnungen. Wirtschaftlichkeitsargumente sollen die um-weltpolitischen Zauderer überzeugen. Seit 2004 schätzt das DIW Berlin die Kosten des Klimawan-dels. Mithilfe eines globalen Simulationsmodells werden die durch Umweltkatastrophen, Hitze, Regen, Gesundheitsschäden und andere Faktoren entstehenden Schäden be rechnet: 2007 sind dies alleine für Deutschland bis ins Jahr 2050 Kosten in Höhe von 800 Milliarden Euro.122

DIE KrISE AlS chAncE

In der Finanzkrise 2008 erkennt das DIW Berlin die Möglichkeit, Grundlegendes neu zu disku-tieren. »Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist auch eine Chance auf eine nachhaltige, klima-verträgliche Wirtschaft«, sagt Karsten Neuhoff, Leiter der DIW-Abteilung »Klimapolitik«, die 2012 geschaffen wurde. In Umwelttechnologien sehen die Wissenschaftler einen neuen Wachstumsfak-tor, von dem Deutschland als technikstarkes Land besonders profitieren könnte.

Grad Celsius – so lautet die Gefahrengrenze für die globale Erwärmung im 21 Jahrhundert.

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voM trEIBStoFF …

Als rohstoffarmes, aber hoch industrialisiertes Land ist Deutschland von importierten Ener-gieträgern abhängig. Energie und Rohstoffe sind deshalb schon seit den 30er Jahren ein Forschungsschwerpunkt des DIW.116 Mit dem Wirtschaftsaufschwung seit Mitte der 50er Jahre steigt der Energiebedarf in der Bundesrepublik dramatisch an. Das Institut beobachtet die Effekte der internationalen Preisentwicklung bei Energie-trägern auf die Kosten der deutschen Industrie-produktion. Zu teuer, zu energieintensiv, schluss-folgert das Institut und mahnt zur Sparsamkeit.117 Doch erst der »Ölpreisschock« 1973 macht den westlichen Industrieländern deutlich, wie sehr sie von Rohstoffen und Energien abhängen, und lässt in der breiten Öffentlichkeit das Bewusstsein entstehen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.

… unD trEIBhAuS

Seit den 70er Jahren stellt sich nicht nur vermehrt die Frage, was aus der heimischen Industrie wird, wenn die Reserven an Kohle und Öl verbraucht sind. Auch die Verschmutzung der Umwelt durch fossile Brennstoffe wird zunehmend thematisiert, der »Treibhauseffekt« zum allgegenwärtigen Schlagwort. Einen Ausweg aus der bedrohlichen Situation aufgrund begrenzter Vorkommen scheint zunächst die Kernenergie zu bieten. Spätestens seit dem schweren Unfall im Kern-kraftwerk Three Mile Island nahe Harrisburg/USA 1979 formiert sich dagegen jedoch weltweit Widerstand. Das DIW befasst sich bereits seit den späten 70er Jahren mit den technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten alternativer Energien.118 Dabei ergreift es deutlich Position und appelliert an die Politik, mit entschiedenen Maßnahmen Umweltschäden und Klimawandel zu bekämpfen.119

öKonoMISchE BEGrünDunG Für GloBAlEn uMWEltSchutZ

Das Thema Umweltschutz ist zwar verstärkt auf der Tagesordnung und erhält in den 80er Jahren neue Dynamik, dennoch herrscht in Deutschland

Umwelt und Energie lange die Ansicht, Umwelt- und Klimaschutz sei eine Angelegenheit für Idealisten.

Das DIW erkennt früh, dass erst ökonomische Argumente einen entscheidenden Wandel zugunsten des Umweltschutzes einleiten kön-nen. Es arbeitet eng mit dem Bundestag und der Bundesregierung zusammen und erstellt energiepolitische Studien.120 Einen Schritt in Richtung einer grundlegenden Änderung stellt die Idee einer »Ökosteuer« dar. Ein sparsamerer Energieverbrauch soll mit ökonomischen Mitteln gelenkt werden. Hierzu erarbeitet das Institut im Auftrag von Greenpeace 1994 ein viel beachte tes Konzept.121

Das DIW argumentiert in zahlreichen weiteren Studien gegen das verbreitete Vorurteil, Um-weltschutz schädige den Wirtschaftsstandort Deutschland. Statt Panikmache liefern die Wissenschaftler nüchterne Berechnungen. Wirtschaftlichkeitsargumente sollen die um-weltpolitischen Zauderer überzeugen. Seit 2004 schätzt das DIW Berlin die Kosten des Klimawan-dels. Mithilfe eines globalen Simulationsmodells werden die durch Umweltkatastrophen, Hitze, Regen, Gesundheitsschäden und andere Faktoren entstehenden Schäden be rechnet: 2007 sind dies alleine für Deutschland bis ins Jahr 2050 Kosten in Höhe von 800 Milliarden Euro.122

DIE KrISE AlS chAncE

In der Finanzkrise 2008 erkennt das DIW Berlin die Möglichkeit, Grundlegendes neu zu disku-tieren. »Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist auch eine Chance auf eine nachhaltige, klima-verträgliche Wirtschaft«, sagt Karsten Neuhoff, Leiter der DIW-Abteilung »Klimapolitik«, die 2012 geschaffen wurde. In Umwelttechnologien sehen die Wissenschaftler einen neuen Wachstumsfak-tor, von dem Deutschland als technikstarkes Land besonders profitieren könnte.

Grad Celsius – so lautet die Gefahrengrenze für die globale Erwärmung im 21 Jahrhundert.

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Das DIW Berlin erkennt früh, dass ökonomische Argumente einen entscheidenden Wandel zugunsten des Umweltschutzes einleiten können. In neuen Umwelttechnologien sehen die

Wissenschaftler darüber hinaus einen Wachstumsfaktor für Deutschland.

In der Ausgabe des »Spiegel« vom 16. November 1981 wird das Wald-

sterben zum Titelthema.

Braunkohlekraftwerk im April 1991.

Protestdemonstration gegen das Waldsterben, München 1984.

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Page 87: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Das DIW Berlin erkennt früh, dass ökonomische Argumente einen entscheidenden Wandel zugunsten des Umweltschutzes einleiten können. In neuen Umwelttechnologien sehen die

Wissenschaftler darüber hinaus einen Wachstumsfaktor für Deutschland.

In der Ausgabe des »Spiegel« vom 16. November 1981 wird das Wald-

sterben zum Titelthema.

Braunkohlekraftwerk im April 1991.

Protestdemonstration gegen das Waldsterben, München 1984.

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507»In dem festen Willen, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europä-ischen Völker zu schaffen, entschlossen, durch gemeinsames Handeln den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer Länder zu sichern, indem sie die Europa trennenden Schranken beseiti-gen«124 – in diesem Geist von Frieden und Freiheit unterzeichnen im März 1957 Frankreich, Italien, die Benelux-Länder und die Bundesrepublik die Römischen Verträge. Die westeuropäische Wirt-schaftsgemeinschaft von damals sechs Staaten hat sich bis heute zu einer politischen Union von 28 Staaten fortentwickelt.

DIE ABtEIlunG »AuSlAnDSWIrtSchAFt WESt«

Das DIW widmet dem Prozess der europäischen Einigung von Beginn an hohe Aufmerksamkeit. Der Stellenwert zeigt sich in der Bildung einer neuen Abteilung »Auslandswirtschaft West« 1957.

Der europäische Einigungsprozess

Diese sammelt Datenmaterial aus den EG-Mit-gliedsstaaten und baut Kontakte zu europäischen Wirtschaftsforschungsinstituten auf.125 Das Insti-tut befürwortet die wirtschaftliche Integration und fordert darum die Mitgliedsstaaten immer wieder auf, Protektionismus abzubauen, Ungleichge-wichte untereinander zu beseitigen und zu einer gemeinsamen Politik zu finden.126

vErEIntE KonJunKturForSchunG

Ein Kind der Römischen Verträge ist auch die Gründung der Association d’Instituts Européens de Conjoncture économique (AIECE, Vereinigung der europäischen Konjunkturforschungsinstitute). 1957 finden sich dazu Vertreter des DIW und der Wirtschaftsinstitute IRES in Belgien und INSEE in Frankreich zusammen. Von Anfang an – und ungewöhnlich für die damalige Zeit – sind mittel- und osteuropäische Institute mit von der Partie. Diese Zusammenarbeit im Bereich der Konjunk-

turforschung greift der europäischen Einigung voraus. Heute hat die AIECE mehr als 40 Mitglie-der aus 20 Ländern. Sie halten in zahlreichen Ar-beitsgruppen regelmäßige Treffen ab. Dabei geht es längst nicht mehr nur um europäische, sondern auch um globale Konjunkturfragen.

DAS DIW unD DIE Eu-oStErWEItErunG

Nach dem Zusammenbruch des »Ostblocks« setzt sich das DIW konsequent für die EU-Oster-weiterung ein. Das Institut kann sich auf einen beträchtlichen Wissensvorsprung stützen: Denn es hat sich schon über vier Jahrzehnte mit der Welt hinter dem »Eisernen Vorhang« befasst. Als dieser sich hebt, berät das Institut die Länder Mit-tel- und Osteuropas im Transformationsprozess zu Demokratie und Marktwirtschaft. Zum Jahres-wechsel 1992/93 nimmt dazu das »Kooperations-büro Osteuropa-Wirtschaftsforschung« seine Arbeit auf.127 Bei der EU wirbt das DIW zudem um finan-zielle Hilfe für die Staaten und auch dafür, diese schrittweise in den gemeinsamen Markt einzubin-den.128 Mit dem Ende des Kalten Kriegs rückt auch die Welt außerhalb Europas stärker in den Blick der Wirtschaftsforscher. Die zuständige Abteilung mit dem Referat »Europäische Gemeinschaft« heißt ab 1991 »Weltwirtschaftliche Strukturen«. Seit 1997 trägt sie (mit kurzer Unterbrechung von 2012 bis 2015 »Entwicklung und Sicherheit«) den Namen »Weltwirtschaft«.

WAnDErn nAch WEStEn

»Wer hat Angst vor dem polnischen Klempner?«, fragt im Juli 2005 provozierend die »Süddeutsche Zeitung« ihre Leser.129 Trotz der Freude über den Zusammenbruch des Kommunismus wird mit dem Drängen der ostmitteleuropäischen Staaten in die EU die Zuwanderung billiger Arbeitskräfte in den westlichen EU-Staaten zum Schreckge-spenst. Der Kopenhagener EU-Gipfel hat 1993 die Weichen für die Osterweiterung gestellt und

die von den Kandidatenländern zu erfüllenden Kriterien festgelegt.

Welche Folgen wird die Osterweiterung vor allem für den europäischen Arbeitsmarkt haben? Zum gemeinsamen Markt gehört neben der Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie des Kapitals die freie Mobilität der Arbeitskräfte. Das Lohngefälle und die Unterschiede im Lebensstan-dard lassen die Altmitglieder eine massenhafte Ost-West-Wanderung fürchten. Das DIW Berlin, das sich seit 1998 verstärkt mit den Perspektiven der Arbeitsmigration befasst, gibt Entwarnung.130 Es prognostiziert, dass die Zuwanderung sich nach der EU-Erweiterung in Grenzen halten und die westlichen Arbeitsmärkte nicht stark belasten werde. Im Gegenteil: Sie werde sich positiv auf Einkommen, Konsum und Beschäftigung in den Einwanderungsregionen auswirken.131

Die Westwanderung fällt tatsächlich geringer aus als vorab geschätzt.132 Die Integration führt zu einer Angleichung des Lebensstandards, weshalb mögliche Migrationsmotive schwinden. Dennoch wird die Osterweiterung in Deutschland weiterhin überwiegend mit Skepsis aufgenommen. Von den meisten Ländern der EU wird den ostmitteleu-ropäischen Staaten bei ihrem Beitritt 2004 die Freizügigkeit gewährt, nicht jedoch von Deutsch-land. Arbeitnehmer aus den Neu-Mitgliedsstaaten dürfen nur in wenigen Ausnahmefällen in Deutschland arbeiten. Auch die Niederlassungs-freiheit, die in der EU allgemein gilt, wird von der Bundesregierung für mehrere Branchen außer Kraft gesetzt. Zahlreiche Wirtschaftsexperten, nicht nur am DIW Berlin, beklagen die negativen Wirkungen dieser Maßnahme auf die Know-how-Entwicklung im Land und warnen vor zuneh-mender illegaler Tätigkeit.133 Die Regelung zur eingeschränkten Freizügigkeit, die eigentlich nur bis 2006 gelten sollte, wird jedoch nochmals bis 2009 und schließlich bis 2011 verlängert.

Millionen Menschen leben nach der Osterweiterung in der EU.123

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507»In dem festen Willen, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europä-ischen Völker zu schaffen, entschlossen, durch gemeinsames Handeln den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt ihrer Länder zu sichern, indem sie die Europa trennenden Schranken beseiti-gen«124 – in diesem Geist von Frieden und Freiheit unterzeichnen im März 1957 Frankreich, Italien, die Benelux-Länder und die Bundesrepublik die Römischen Verträge. Die westeuropäische Wirt-schaftsgemeinschaft von damals sechs Staaten hat sich bis heute zu einer politischen Union von 28 Staaten fortentwickelt.

DIE ABtEIlunG »AuSlAnDSWIrtSchAFt WESt«

Das DIW widmet dem Prozess der europäischen Einigung von Beginn an hohe Aufmerksamkeit. Der Stellenwert zeigt sich in der Bildung einer neuen Abteilung »Auslandswirtschaft West« 1957.

Der europäische Einigungsprozess

Diese sammelt Datenmaterial aus den EG-Mit-gliedsstaaten und baut Kontakte zu europäischen Wirtschaftsforschungsinstituten auf.125 Das Insti-tut befürwortet die wirtschaftliche Integration und fordert darum die Mitgliedsstaaten immer wieder auf, Protektionismus abzubauen, Ungleichge-wichte untereinander zu beseitigen und zu einer gemeinsamen Politik zu finden.126

vErEIntE KonJunKturForSchunG

Ein Kind der Römischen Verträge ist auch die Gründung der Association d’Instituts Européens de Conjoncture économique (AIECE, Vereinigung der europäischen Konjunkturforschungsinstitute). 1957 finden sich dazu Vertreter des DIW und der Wirtschaftsinstitute IRES in Belgien und INSEE in Frankreich zusammen. Von Anfang an – und ungewöhnlich für die damalige Zeit – sind mittel- und osteuropäische Institute mit von der Partie. Diese Zusammenarbeit im Bereich der Konjunk-

turforschung greift der europäischen Einigung voraus. Heute hat die AIECE mehr als 40 Mitglie-der aus 20 Ländern. Sie halten in zahlreichen Ar-beitsgruppen regelmäßige Treffen ab. Dabei geht es längst nicht mehr nur um europäische, sondern auch um globale Konjunkturfragen.

DAS DIW unD DIE Eu-oStErWEItErunG

Nach dem Zusammenbruch des »Ostblocks« setzt sich das DIW konsequent für die EU-Oster-weiterung ein. Das Institut kann sich auf einen beträchtlichen Wissensvorsprung stützen: Denn es hat sich schon über vier Jahrzehnte mit der Welt hinter dem »Eisernen Vorhang« befasst. Als dieser sich hebt, berät das Institut die Länder Mit-tel- und Osteuropas im Transformationsprozess zu Demokratie und Marktwirtschaft. Zum Jahres-wechsel 1992/93 nimmt dazu das »Kooperations-büro Osteuropa-Wirtschaftsforschung« seine Arbeit auf.127 Bei der EU wirbt das DIW zudem um finan-zielle Hilfe für die Staaten und auch dafür, diese schrittweise in den gemeinsamen Markt einzubin-den.128 Mit dem Ende des Kalten Kriegs rückt auch die Welt außerhalb Europas stärker in den Blick der Wirtschaftsforscher. Die zuständige Abteilung mit dem Referat »Europäische Gemeinschaft« heißt ab 1991 »Weltwirtschaftliche Strukturen«. Seit 1997 trägt sie (mit kurzer Unterbrechung von 2012 bis 2015 »Entwicklung und Sicherheit«) den Namen »Weltwirtschaft«.

WAnDErn nAch WEStEn

»Wer hat Angst vor dem polnischen Klempner?«, fragt im Juli 2005 provozierend die »Süddeutsche Zeitung« ihre Leser.129 Trotz der Freude über den Zusammenbruch des Kommunismus wird mit dem Drängen der ostmitteleuropäischen Staaten in die EU die Zuwanderung billiger Arbeitskräfte in den westlichen EU-Staaten zum Schreckge-spenst. Der Kopenhagener EU-Gipfel hat 1993 die Weichen für die Osterweiterung gestellt und

die von den Kandidatenländern zu erfüllenden Kriterien festgelegt.

Welche Folgen wird die Osterweiterung vor allem für den europäischen Arbeitsmarkt haben? Zum gemeinsamen Markt gehört neben der Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs sowie des Kapitals die freie Mobilität der Arbeitskräfte. Das Lohngefälle und die Unterschiede im Lebensstan-dard lassen die Altmitglieder eine massenhafte Ost-West-Wanderung fürchten. Das DIW Berlin, das sich seit 1998 verstärkt mit den Perspektiven der Arbeitsmigration befasst, gibt Entwarnung.130 Es prognostiziert, dass die Zuwanderung sich nach der EU-Erweiterung in Grenzen halten und die westlichen Arbeitsmärkte nicht stark belasten werde. Im Gegenteil: Sie werde sich positiv auf Einkommen, Konsum und Beschäftigung in den Einwanderungsregionen auswirken.131

Die Westwanderung fällt tatsächlich geringer aus als vorab geschätzt.132 Die Integration führt zu einer Angleichung des Lebensstandards, weshalb mögliche Migrationsmotive schwinden. Dennoch wird die Osterweiterung in Deutschland weiterhin überwiegend mit Skepsis aufgenommen. Von den meisten Ländern der EU wird den ostmitteleu-ropäischen Staaten bei ihrem Beitritt 2004 die Freizügigkeit gewährt, nicht jedoch von Deutsch-land. Arbeitnehmer aus den Neu-Mitgliedsstaaten dürfen nur in wenigen Ausnahmefällen in Deutschland arbeiten. Auch die Niederlassungs-freiheit, die in der EU allgemein gilt, wird von der Bundesregierung für mehrere Branchen außer Kraft gesetzt. Zahlreiche Wirtschaftsexperten, nicht nur am DIW Berlin, beklagen die negativen Wirkungen dieser Maßnahme auf die Know-how-Entwicklung im Land und warnen vor zuneh-mender illegaler Tätigkeit.133 Die Regelung zur eingeschränkten Freizügigkeit, die eigentlich nur bis 2006 gelten sollte, wird jedoch nochmals bis 2009 und schließlich bis 2011 verlängert.

Millionen Menschen leben nach der Osterweiterung in der EU.123

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Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vor dem Gästehaus Farmleigh anlässlich der Feier zur Aufnahme von zehn neuen Ländern in die EU, 1. Mai 2004.

Unterzeichnung der Römischen Verträge über die Gründung der EWG und der EURATOM, 25. März 1957.

Tschechien wird EU-Mitglied, 1. Mai 2004.

Urlauber posieren vor einem Schlagbaum, 50er Jahre.

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Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union vor dem Gästehaus Farmleigh anlässlich der Feier zur Aufnahme von zehn neuen Ländern in die EU, 1. Mai 2004.

Unterzeichnung der Römischen Verträge über die Gründung der EWG und der EURATOM, 25. März 1957.

Tschechien wird EU-Mitglied, 1. Mai 2004.

Urlauber posieren vor einem Schlagbaum, 50er Jahre.

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DIE WElt ISt EIn DorF

Der globale Warenexport ist seit 1950 um mehr als 2.800 Prozent gestiegen.134 Neue Informations-technologien verbinden die Welt und beschleuni-gen die Kommunikation. Die Expansion auslän-discher Direktinvestitionen erfolgt über modulare Produktionsprozesse, die in transnationalen Unternehmensstrukturen organisiert und aus internationalen Kapitalströmen finanziert werden. Der fortschreitenden außenwirtschaftlichen De-regulierung und Liberalisierung liegt ein ausge-prägter Wachstumsgedanke zugrunde. Die west-lichen industrialisierten Staaten profitieren noch immer am stärksten von dieser Entwicklung. Die fünf führenden Wirtschaftsstaaten (USA, Japan, Deutschland, China und Großbritannien) haben zusammen einen Anteil von rund 60 Prozent am Welt-Bruttoinlandsprodukt.

hErAuSForDErunGEn DEr GloBAlISIErunG

Das DIW Berlin zeigt in seinen Studien, dass die Globalisierung gleichwohl zu mehr Wettbewerb führt und auch die bislang führenden Industrie-staaten unter Druck setzt. Innovationen zu entwi-ckeln und diese erfolgreich auf den Weltmärkten zu vertreiben, bestimmt heute mehr denn je über Wohlstand und wirtschaftliche Dynamik eines Landes. Deutschland verfügt zwar über wesent-liche Kompetenzen in Schlüsselbereichen wie der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Nano-, Bio- und Gentechnologie sowie in der Medizintechnik. Damit sich Deutschland aber als hoch entwickelter Industriestaat mit hohen Lohn-kosten gegen die billiger produzierende internatio-nale Konkurrenz weiterhin behaupten kann, fordert das DIW Berlin noch größere Anstrengungen in der Innovationspolitik.135

Globalisierung

2.600.000.000 Armen stehen weltweit 800 Milliardäre gegenüber.

AuSlAuFMoDEll SoZIAlE MArKtWIrtSchAFt?

Die Wissenschaftler am DIW Berlin beschäftigen sich seit Jahren auch mit den Herausforderungen der Globalisierung für den deutschen Sozialstaat. Billiglohnkonkurrenz, Steuerf lucht und neue Armut sind Schlagworte einer heftig geführten öffentlichen Debatte. Das bundesrepublikanische Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft steht auf dem Prüfstand. Investitionen in die Bildung sind für das DIW Berlin der Schlüssel zur Zu-kunftsfähigkeit Deutschlands. Nötig ist deshalb eine breite Qualifizierungsoffensive.136

hErAuSForDErunG FInAnZ- unD WIrtSchAFtSKrISE

Selten zuvor sind die globalen Strukturen der Wirtschaft so deutlich wahrgenommen worden wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise, die als eine der schwersten in der Geschichte in den Jah-ren 2008/2009 die Welt in Atem hält. Nach einer Phase starken Wachstums in weiten Teilen der Welt war zwar angesichts des normalen wellenför-migen Konjunkturverlaufs mit einer Abschwä-chung zu rechnen. Das DIW Berlin prognostiziert diesen Trend auch frühzeitig. Doch dass sich aus der tatsächlich eintretenden Abkühlung der Wirtschaftsentwicklung die größte Finanzkrise seit 1929 entwickelt, wird auch von den Berliner Konjunkturexperten nicht vorausgesehen. Die Krise in Zeiten der Globalisierung ist aufgrund ihrer Dynamik eine große Herausforderung für die Wirtschaftsforschungsinstitute.

hErAuSForDErunGEn Für DIE KonJunKtur-ProGnoSE

Im Herbst 2008 kommt es infolge der Börsen-crashs, Bankenpleiten und Unternehmensverlus-te zu drastischen Prognoserevisionen. Gegenüber der Öffentlichkeit müssen Konjunkturforscher erklären, was sie und ihre Prognosen zu leisten vermögen.

Prognostiker sind mit gleich zwei potentiellen Fehlerquellen konfrontiert: Die wohl wichtigs-te Bestimmungsgröße der konjunkturellen Entwicklung ist das menschliche Verhalten, und dieses lässt sich notorisch schlecht vorhersagen.

Hinzu kommt: Selbst wenn sich das mensch-liche Verhalten besser prognostizieren ließe, gäbe es eine Vielzahl von unerwarteten Einf lüs-sen, die zu einer veränderten wirtschaftlichen Entwicklung führen könnten – seien es Natur-katastrophen, plötzliche Änderungen bei den Rohstoffpreisen oder eben die Entscheidung der US-Regierung, die Investmentbank Lehman Brothers in den Konkurs gehen zu lassen. Solche Ereignisse zu prognostizieren ist selbst für den erfahrensten Prognostiker unmöglich – Kon-junkturforschung hat eben nichts mit Hellsehe-rei zu tun.

Allerdings lässt sich das Verständnis des Ver-haltens der Menschen in Reaktion auf solche Ereignisse verbessern – und damit können auch

die konjunkturellen Folgen eines wirtschaft-lichen »Schocks« besser abgeschätzt werden. Hierzu haben die Konjunkturforscher des DIW Berlin immer ein Auge auf die Entwicklungen in anderen Bereichen der wirtschaftswissenschaft-lichen Forschung und versuchen, die in diesen Disziplinen erarbeiteten Erkenntnisse in ihren Modellen zu berücksichtigen.

So wird im DIW Berlin während und nach der Finanzkrise die Analyse der Finanzmärkte und des Bankensystems vorangetrieben; die makro-ökonomischen Prognosemodelle berücksichtigen mittlerweile die Folgen von massiven Aktien-kurs- oder Immobilienpreisschwankungen auf die Konjunktur oder beziehen Mechanismen zur Simulation von Bankenkrisen ein.

Auch methodisch entwickelt sich die Prognose-arbeit weiter. Seit 2014 stützt sich das monatlich erscheinende DIW Konjunkturbarometer »unter der Haube« auf eine neue Technologie, die die zeitnahe Auswertung einer enormen Breite kon-junkturrelevanter Informationen zulässt.

86

Page 93: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

DIE WElt ISt EIn DorF

Der globale Warenexport ist seit 1950 um mehr als 2.800 Prozent gestiegen.134 Neue Informations-technologien verbinden die Welt und beschleuni-gen die Kommunikation. Die Expansion auslän-discher Direktinvestitionen erfolgt über modulare Produktionsprozesse, die in transnationalen Unternehmensstrukturen organisiert und aus internationalen Kapitalströmen finanziert werden. Der fortschreitenden außenwirtschaftlichen De-regulierung und Liberalisierung liegt ein ausge-prägter Wachstumsgedanke zugrunde. Die west-lichen industrialisierten Staaten profitieren noch immer am stärksten von dieser Entwicklung. Die fünf führenden Wirtschaftsstaaten (USA, Japan, Deutschland, China und Großbritannien) haben zusammen einen Anteil von rund 60 Prozent am Welt-Bruttoinlandsprodukt.

hErAuSForDErunGEn DEr GloBAlISIErunG

Das DIW Berlin zeigt in seinen Studien, dass die Globalisierung gleichwohl zu mehr Wettbewerb führt und auch die bislang führenden Industrie-staaten unter Druck setzt. Innovationen zu entwi-ckeln und diese erfolgreich auf den Weltmärkten zu vertreiben, bestimmt heute mehr denn je über Wohlstand und wirtschaftliche Dynamik eines Landes. Deutschland verfügt zwar über wesent-liche Kompetenzen in Schlüsselbereichen wie der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Nano-, Bio- und Gentechnologie sowie in der Medizintechnik. Damit sich Deutschland aber als hoch entwickelter Industriestaat mit hohen Lohn-kosten gegen die billiger produzierende internatio-nale Konkurrenz weiterhin behaupten kann, fordert das DIW Berlin noch größere Anstrengungen in der Innovationspolitik.135

Globalisierung

2.600.000.000 Armen stehen weltweit 800 Milliardäre gegenüber.

AuSlAuFMoDEll SoZIAlE MArKtWIrtSchAFt?

Die Wissenschaftler am DIW Berlin beschäftigen sich seit Jahren auch mit den Herausforderungen der Globalisierung für den deutschen Sozialstaat. Billiglohnkonkurrenz, Steuerf lucht und neue Armut sind Schlagworte einer heftig geführten öffentlichen Debatte. Das bundesrepublikanische Erfolgsmodell der sozialen Marktwirtschaft steht auf dem Prüfstand. Investitionen in die Bildung sind für das DIW Berlin der Schlüssel zur Zu-kunftsfähigkeit Deutschlands. Nötig ist deshalb eine breite Qualifizierungsoffensive.136

hErAuSForDErunG FInAnZ- unD WIrtSchAFtSKrISE

Selten zuvor sind die globalen Strukturen der Wirtschaft so deutlich wahrgenommen worden wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise, die als eine der schwersten in der Geschichte in den Jah-ren 2008/2009 die Welt in Atem hält. Nach einer Phase starken Wachstums in weiten Teilen der Welt war zwar angesichts des normalen wellenför-migen Konjunkturverlaufs mit einer Abschwä-chung zu rechnen. Das DIW Berlin prognostiziert diesen Trend auch frühzeitig. Doch dass sich aus der tatsächlich eintretenden Abkühlung der Wirtschaftsentwicklung die größte Finanzkrise seit 1929 entwickelt, wird auch von den Berliner Konjunkturexperten nicht vorausgesehen. Die Krise in Zeiten der Globalisierung ist aufgrund ihrer Dynamik eine große Herausforderung für die Wirtschaftsforschungsinstitute.

hErAuSForDErunGEn Für DIE KonJunKtur-ProGnoSE

Im Herbst 2008 kommt es infolge der Börsen-crashs, Bankenpleiten und Unternehmensverlus-te zu drastischen Prognoserevisionen. Gegenüber der Öffentlichkeit müssen Konjunkturforscher erklären, was sie und ihre Prognosen zu leisten vermögen.

Prognostiker sind mit gleich zwei potentiellen Fehlerquellen konfrontiert: Die wohl wichtigs-te Bestimmungsgröße der konjunkturellen Entwicklung ist das menschliche Verhalten, und dieses lässt sich notorisch schlecht vorhersagen.

Hinzu kommt: Selbst wenn sich das mensch-liche Verhalten besser prognostizieren ließe, gäbe es eine Vielzahl von unerwarteten Einf lüs-sen, die zu einer veränderten wirtschaftlichen Entwicklung führen könnten – seien es Natur-katastrophen, plötzliche Änderungen bei den Rohstoffpreisen oder eben die Entscheidung der US-Regierung, die Investmentbank Lehman Brothers in den Konkurs gehen zu lassen. Solche Ereignisse zu prognostizieren ist selbst für den erfahrensten Prognostiker unmöglich – Kon-junkturforschung hat eben nichts mit Hellsehe-rei zu tun.

Allerdings lässt sich das Verständnis des Ver-haltens der Menschen in Reaktion auf solche Ereignisse verbessern – und damit können auch

die konjunkturellen Folgen eines wirtschaft-lichen »Schocks« besser abgeschätzt werden. Hierzu haben die Konjunkturforscher des DIW Berlin immer ein Auge auf die Entwicklungen in anderen Bereichen der wirtschaftswissenschaft-lichen Forschung und versuchen, die in diesen Disziplinen erarbeiteten Erkenntnisse in ihren Modellen zu berücksichtigen.

So wird im DIW Berlin während und nach der Finanzkrise die Analyse der Finanzmärkte und des Bankensystems vorangetrieben; die makro-ökonomischen Prognosemodelle berücksichtigen mittlerweile die Folgen von massiven Aktien-kurs- oder Immobilienpreisschwankungen auf die Konjunktur oder beziehen Mechanismen zur Simulation von Bankenkrisen ein.

Auch methodisch entwickelt sich die Prognose-arbeit weiter. Seit 2014 stützt sich das monatlich erscheinende DIW Konjunkturbarometer »unter der Haube« auf eine neue Technologie, die die zeitnahe Auswertung einer enormen Breite kon-junkturrelevanter Informationen zulässt.

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Page 94: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Demonstration in Berlin zum Londoner G20-Gipfel zur globalen Wirtschafts- und Finanzkrise, 2009.

Frankfurter Börse, Kurssturz des Dax, 23. Januar 2008.

Pepsi in Bangkok.

Der Flugverkehr hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch erhöht.

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Demonstration in Berlin zum Londoner G20-Gipfel zur globalen Wirtschafts- und Finanzkrise, 2009.

Frankfurter Börse, Kurssturz des Dax, 23. Januar 2008.

Pepsi in Bangkok.

Der Flugverkehr hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch erhöht.

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Anhang

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Anhang

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Page 98: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Finanzierung des DIW Berlin

Das DIW Berlin ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein (e.V.). Für die Finanzierung des DIW Berlin aus öffentlichen Zuwendungen gilt seit dem 1. Januar 1977 die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern am 28. November 1975 abgeschlos-sene und für Berlin durch das Gesetz vom 8. Juli 1976 verabschiedete Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der For-schung nach Artikel 91b Grundgesetz.

DIE FInAnZEn DES InStItutS

Heutige Grundlage der Finanzierung ist das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Län-dern über die Errichtung einer Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK-Abkommen) vom 19. September 2007.

Zuständige Ressorts sind auf Seiten des Landes Berlin die für Forschung zuständige Senatsver-waltung (seit November 2011 Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung) und auf Bundesseite das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern zu je gleichen Anteilen (ohne SOEP) macht rund zwei Drittel des Instituts-haushalts aus. Hinzu kommen Einnahmen aus Projekten und Aufträgen Dritter, Mitgliedsbeiträ-ge sowie Spenden.

Das DIW Berlin ist das einzige Institut der Leibniz-Gemeinschaft, das auf Bundesseite zwei Zuwendungsgeber hat. Der Grund dafür liegt in der Integration des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) in die institutionelle Förderung im Jahr 2003. Als multidisziplinäre forschungsbasierte Infrastruktureinrichtung wird das SOEP auf Seiten des Bundes vom BMBF betreut, da der Auftrag des SOEP weit über den Aufgabenbe-reich des BMWi hinausgeht. Der Bund finanziert zwei Drittel der Förderung für die Forschungsin-frastruktureinrichtung SOEP, die Länder einen Anteil von einem Drittel.

Der Haushalt des DIW Berlin hatte im Jahr 2013 ein Volumen von knapp 26 Millionen Euro und im Jahr 2014 von mehr als 26 Millionen Euro.

1925 201a 45 47 8 - - - - -

1929 373a 59 35 6 - - - - -

1945/46 460a 68 16 5 5 - 6 - -

1950 547 76 15 k.A. 0 8 - - -

1960 1.286b 69 11 0 0 15 1 4 -

1970 5.446 56 3 0 0 1 32 8 0

1980 14.228 62 1 0 0 0 34 2 0

1990 23.337 56 1 0 0 0 30 11 2

1995 30.462 53 1 0 0 0 29 15 2

2000 33.640 46 Summe sonstiger Mittel: 54

2005 18.805c 63 Summe sonstiger Mittel: 37

2010 20.306c 67 Summe sonstiger Mittel: 33

2011 21.103c 72 Summe sonstiger Mittel: 28

2012 25.307c 65 Summe sonstiger Mittel: 35

2013 25.960c 68 Summe sonstiger Mittel: 32

2014 26.271 71 Summe sonstiger Mittel: 29

Finanzierungsstruktur des DIW Berlin 138

Zeile

nsum

me

in P

roze

nt; I

nsge

sam

t: 10

0

Summe

Part

eien

Gew

erks

chaf

ten

Arb

eitg

eber

Zuw

end-

un

gen

Min

iste

rien

inkl

. EU

Stif

tung

en

Indu

strie

Bund

eslä

nder

a in Tausend Reichsmark b 1. April – 31. Dezember 1960 c in TausendEuro

Jahr

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Finanzierung des DIW Berlin

Das DIW Berlin ist ein gemeinnütziger eingetragener Verein (e.V.). Für die Finanzierung des DIW Berlin aus öffentlichen Zuwendungen gilt seit dem 1. Januar 1977 die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern am 28. November 1975 abgeschlos-sene und für Berlin durch das Gesetz vom 8. Juli 1976 verabschiedete Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der For-schung nach Artikel 91b Grundgesetz.

DIE FInAnZEn DES InStItutS

Heutige Grundlage der Finanzierung ist das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Län-dern über die Errichtung einer Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK-Abkommen) vom 19. September 2007.

Zuständige Ressorts sind auf Seiten des Landes Berlin die für Forschung zuständige Senatsver-waltung (seit November 2011 Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung) und auf Bundesseite das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern zu je gleichen Anteilen (ohne SOEP) macht rund zwei Drittel des Instituts-haushalts aus. Hinzu kommen Einnahmen aus Projekten und Aufträgen Dritter, Mitgliedsbeiträ-ge sowie Spenden.

Das DIW Berlin ist das einzige Institut der Leibniz-Gemeinschaft, das auf Bundesseite zwei Zuwendungsgeber hat. Der Grund dafür liegt in der Integration des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) in die institutionelle Förderung im Jahr 2003. Als multidisziplinäre forschungsbasierte Infrastruktureinrichtung wird das SOEP auf Seiten des Bundes vom BMBF betreut, da der Auftrag des SOEP weit über den Aufgabenbe-reich des BMWi hinausgeht. Der Bund finanziert zwei Drittel der Förderung für die Forschungsin-frastruktureinrichtung SOEP, die Länder einen Anteil von einem Drittel.

Der Haushalt des DIW Berlin hatte im Jahr 2013 ein Volumen von knapp 26 Millionen Euro und im Jahr 2014 von mehr als 26 Millionen Euro.

1925 201a 45 47 8 - - - - -

1929 373a 59 35 6 - - - - -

1945/46 460a 68 16 5 5 - 6 - -

1950 547 76 15 k.A. 0 8 - - -

1960 1.286b 69 11 0 0 15 1 4 -

1970 5.446 56 3 0 0 1 32 8 0

1980 14.228 62 1 0 0 0 34 2 0

1990 23.337 56 1 0 0 0 30 11 2

1995 30.462 53 1 0 0 0 29 15 2

2000 33.640 46 Summe sonstiger Mittel: 54

2005 18.805c 63 Summe sonstiger Mittel: 37

2010 20.306c 67 Summe sonstiger Mittel: 33

2011 21.103c 72 Summe sonstiger Mittel: 28

2012 25.307c 65 Summe sonstiger Mittel: 35

2013 25.960c 68 Summe sonstiger Mittel: 32

2014 26.271 71 Summe sonstiger Mittel: 29

Finanzierungsstruktur des DIW Berlin 138

Zeile

nsum

me

in P

roze

nt; I

nsge

sam

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Summe

Part

eien

Gew

erks

chaf

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Arb

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eber

Zuw

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un

gen

Min

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rien

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. EU

Stif

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Indu

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Bund

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nder

a in Tausend Reichsmark b 1. April – 31. Dezember 1960 c in TausendEuro

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Leiter des Instituts

ErnSt WAGEMAnn (1884–1956) Direktor von 1925 bis 1941; Präsident von 1941 bis 1945

Nach seinem Studium wird Wagemann 1907 zum Doktor der Philosophie promoviert, 1914 folgt die Habilitation an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. 1919 wird er zum außerordentlichen Professor dort berufen. Ab 1923 ist Wagemann für zehn Jahre Präsident des Statistischen Reichsamts. 1925 gründet er das »Institut für Konjunkturforschung« (IfK), dessen Leiter er bis 1945 ist. Nach dem Krieg verlässt er Deutschland und wird ein weiteres Mal zum Gründervater, diesmal des »Instituto de Economía« diesmal an der Staatsuniversität Santiago de Chile in seinem Geburtsland Chile.

FErDInAnD FrIEDEnSBurG (1886–1972) Präsident von 1945 bis 1968

Friedensburg, promoviert im Fach Geologie, wird 1925 Polizeivize-präsident in Berlin und zwei Jahre später Regierungspräsident in Kassel. 1933 wird er aufgrund »liberaler Haltung« von den National-sozialisten entlassen. 1935 ist er mehrere Monate in Gestapo-Haft. Ab 1939 forscht er als »auswärtiger Mitarbeiter« am IfK bzw. am DIW. Ernst Wagemann setzt sich für ihn ein und unterstützt ihn finanziell. Friedensburg ist nach dem Krieg Mitbegründer der CDU in Berlin und wird 1948 für kurze Zeit amtierender Oberbürgermeister der Stadt. Er wird später Abgeordneter im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament. Ab 1953 lehrt er als Honorarprofessor für Bergwirtschaft an der Technischen Universität Berlin.

KlAuS DIEtEr ArnDt (1927–1974) Präsident von 1968 bis 1974

Arndt beginnt nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin als wissen schaftlicher Mitarbeiter am DIW. 1954 wird er promoviert und 1959 mit 32 Jahren zum damals jüngs-ten Abteilungsleiter im Bereich »Volkswirtschaftliche Gesamtrech-nung« ernannt. Ab den 60er Jahren verfolgt er auch eine politische Karriere. Er wird Abgeordneter in Berlin und im Bundestag, ab 1967 für drei Jahre unter Karl Schiller Parlamentarischer Staats sekretär im Bundesministerium für Wirtschaft. Von 1971 bis 1974 ist er Mitglied des Europäischen Parlaments.

KArl KönIG (1910–1979) Präsident von 1975 bis 1979

Als Student kommt König in der nationalsozialistischen Diktatur aufgrund seiner sozialdemokratischen Überzeugung ins Zuchthaus. Erst nach Jahren an der Front und anschließender sowjetischer Gefangenschaft, aus der er erst 1950 entlassen wird, kann er sein Studium der Volkswirtschaftslehre beenden. Danach arbeitet er bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), deren Vorstand und Direktor er ab 1960 ist. 1959 wird König Mitglied im Berliner Abgeordneten-haus. Er ist von 1965 an für zehn Jahre Wirtschaftssenator in Berlin. König stirbt 1979 – im Amt als DIW-Präsident – auf dem Rückweg von der Leipziger Messe nach Berlin an Herzversagen.

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Page 101: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Leiter des Instituts

ErnSt WAGEMAnn (1884–1956) Direktor von 1925 bis 1941; Präsident von 1941 bis 1945

Nach seinem Studium wird Wagemann 1907 zum Doktor der Philosophie promoviert, 1914 folgt die Habilitation an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. 1919 wird er zum außerordentlichen Professor dort berufen. Ab 1923 ist Wagemann für zehn Jahre Präsident des Statistischen Reichsamts. 1925 gründet er das »Institut für Konjunkturforschung« (IfK), dessen Leiter er bis 1945 ist. Nach dem Krieg verlässt er Deutschland und wird ein weiteres Mal zum Gründervater, diesmal des »Instituto de Economía« diesmal an der Staatsuniversität Santiago de Chile in seinem Geburtsland Chile.

FErDInAnD FrIEDEnSBurG (1886–1972) Präsident von 1945 bis 1968

Friedensburg, promoviert im Fach Geologie, wird 1925 Polizeivize-präsident in Berlin und zwei Jahre später Regierungspräsident in Kassel. 1933 wird er aufgrund »liberaler Haltung« von den National-sozialisten entlassen. 1935 ist er mehrere Monate in Gestapo-Haft. Ab 1939 forscht er als »auswärtiger Mitarbeiter« am IfK bzw. am DIW. Ernst Wagemann setzt sich für ihn ein und unterstützt ihn finanziell. Friedensburg ist nach dem Krieg Mitbegründer der CDU in Berlin und wird 1948 für kurze Zeit amtierender Oberbürgermeister der Stadt. Er wird später Abgeordneter im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament. Ab 1953 lehrt er als Honorarprofessor für Bergwirtschaft an der Technischen Universität Berlin.

KlAuS DIEtEr ArnDt (1927–1974) Präsident von 1968 bis 1974

Arndt beginnt nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin als wissen schaftlicher Mitarbeiter am DIW. 1954 wird er promoviert und 1959 mit 32 Jahren zum damals jüngs-ten Abteilungsleiter im Bereich »Volkswirtschaftliche Gesamtrech-nung« ernannt. Ab den 60er Jahren verfolgt er auch eine politische Karriere. Er wird Abgeordneter in Berlin und im Bundestag, ab 1967 für drei Jahre unter Karl Schiller Parlamentarischer Staats sekretär im Bundesministerium für Wirtschaft. Von 1971 bis 1974 ist er Mitglied des Europäischen Parlaments.

KArl KönIG (1910–1979) Präsident von 1975 bis 1979

Als Student kommt König in der nationalsozialistischen Diktatur aufgrund seiner sozialdemokratischen Überzeugung ins Zuchthaus. Erst nach Jahren an der Front und anschließender sowjetischer Gefangenschaft, aus der er erst 1950 entlassen wird, kann er sein Studium der Volkswirtschaftslehre beenden. Danach arbeitet er bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), deren Vorstand und Direktor er ab 1960 ist. 1959 wird König Mitglied im Berliner Abgeordneten-haus. Er ist von 1965 an für zehn Jahre Wirtschaftssenator in Berlin. König stirbt 1979 – im Amt als DIW-Präsident – auf dem Rückweg von der Leipziger Messe nach Berlin an Herzversagen.

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hAnS-JürGEn KruPP (*1933) Präsident von 1979 bis 1988

Krupp wird 1961 als Wirtschaftsingenieur an der Technischen Uni-versität Darmstadt zum Doktor promoviert, 1967 folgt die Habilita-tion. Zwei Jahre später ergeht der Ruf auf den Lehrstuhl für Wirt-schafts- und Sozialpolitik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, deren Präsident er von 1975 an für vier Jahre ist. 1979 wechselt er ins Präsidentenamt des DIW und übernimmt im selben Jahr die Ko-Leitung eines Sonderforschungsbereichs, aus dem 1983 das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) am DIW hervorgeht. 1987 erfolgt der Ruf auf den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre der Technischen Universität Berlin, den er bis 1993 innehat. 1988 wechselt Krupp in die Politik: Er wird Finanzsenator in Hamburg und 1991 Se-nator für Wirtschaft sowie Zweiter Bürgermeister. Von 1993 bis 2001 ist er Präsident der Landeszentralbank Hamburg.

lutZ hoFFMAnn (*1934) Präsident von 1988 bis 1999

1962 wird der Volkswirt an der Christian-Albrechts-Universität Kiel promoviert. Nach der Habilitation 1969 folgt er dem Ruf an die Uni-versität Regensburg als ordentlicher Professor für Volkswirtschafts-lehre. 1977/78 ist er Berater der Weltbank und von 1985 bis 1989 Direktor der United Nations Conference on Trade and Develop ment (UNCTAD). Im selben Jahr übernimmt er das Präsidentenamt des DIW und geht als Professor an die Freie Universität Berlin. Von 2001 bis 2007 leitet er als Direktor das Osteuropa-Institut München.

KlAuS F. ZIMMErMAnn (*1952) Präsident von 2000 bis 2011

Dem Studium der Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Universität Mannheim Zimmermanns folgen 1984 die Promotion, drei Jahre später die Habilitation. 1989 nimmt er den Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität München an. Nach verschiedenen Gastprofessuren wird er 1998 an die Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn berufen, wo er gleichzeitig das von der Deutschen Poststiftung gegründete »Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit« (IZA) über-nimmt. Er leitet das DIW von 2000 bis 2011 und wird Honorarprofes-sor für Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin.

GErt G. WAGnEr (*1953) Vorstandsvorsitzender von 2011 bis 2013

Nach dem Studium der Soziologie und Volkswirtschaftslehre an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main wird Wagner im Jahr 1984 an der Technischen Universität Berlin promo-viert, wo 1992 auch die Habilitation in Volkswirtschaftslehre erfolgt. Im Jahr 1989 übernimmt Wagner die Leitung des Sozio-oekonomi-schen Panels (SOEP) im DIW, die er seit 1992 mit Lehrstühlen an der Ruhr-Universität Bochum, der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder (1997-2002) und der TU Berlin (seit 2002) verbin-det. Anfang 2011 wird Wagner zum Vorsitzenden des Vorstands (Präsident) des DIW Berlin gewählt. Er bleibt weiterhin Max-Planck-Fellow am MPI für Bildungsforschung in Berlin und ist seit Februar 2013 als Vertreter des SOEP Mitglied im Vorstand des DIW Berlin.

MArcEl FrAtZSchEr (*1971) Präsident seit 2013

Auf ein Vordiplom Fratzschers in VWL an der Universität Kiel folgen ein B.A. in Philosophy, Politics, and Economics (PPE) der University of Oxford (UK), ein Master of Public Policy der Harvard University John F. Kennedy School of Government (USA) und ein Ph.D. in Economics vom European University Institute in Florenz (Italien). Während der Asienkrise 1996-98 arbeitet er als Makro-ökonom beim Harvard Institute for International Development (HIID) in Jakarta für die Regierung Indonesiens. Zudem ist er beim Peterson Institute for International Economics in Washington D.C. und für die Weltbank tätig. Von 2001 bis 2012 ist Fratzscher für die Europäische Zentralbank (EZB) tätig. Seit 2013 ist er Präsident des DIW Berlin und Professor für Makroökonomie und Finanzen an der Humboldt-Universität Berlin.

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Page 103: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

hAnS-JürGEn KruPP (*1933) Präsident von 1979 bis 1988

Krupp wird 1961 als Wirtschaftsingenieur an der Technischen Uni-versität Darmstadt zum Doktor promoviert, 1967 folgt die Habilita-tion. Zwei Jahre später ergeht der Ruf auf den Lehrstuhl für Wirt-schafts- und Sozialpolitik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, deren Präsident er von 1975 an für vier Jahre ist. 1979 wechselt er ins Präsidentenamt des DIW und übernimmt im selben Jahr die Ko-Leitung eines Sonderforschungsbereichs, aus dem 1983 das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) am DIW hervorgeht. 1987 erfolgt der Ruf auf den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre der Technischen Universität Berlin, den er bis 1993 innehat. 1988 wechselt Krupp in die Politik: Er wird Finanzsenator in Hamburg und 1991 Se-nator für Wirtschaft sowie Zweiter Bürgermeister. Von 1993 bis 2001 ist er Präsident der Landeszentralbank Hamburg.

lutZ hoFFMAnn (*1934) Präsident von 1988 bis 1999

1962 wird der Volkswirt an der Christian-Albrechts-Universität Kiel promoviert. Nach der Habilitation 1969 folgt er dem Ruf an die Uni-versität Regensburg als ordentlicher Professor für Volkswirtschafts-lehre. 1977/78 ist er Berater der Weltbank und von 1985 bis 1989 Direktor der United Nations Conference on Trade and Develop ment (UNCTAD). Im selben Jahr übernimmt er das Präsidentenamt des DIW und geht als Professor an die Freie Universität Berlin. Von 2001 bis 2007 leitet er als Direktor das Osteuropa-Institut München.

KlAuS F. ZIMMErMAnn (*1952) Präsident von 2000 bis 2011

Dem Studium der Volkswirtschaftslehre und Statistik an der Universität Mannheim Zimmermanns folgen 1984 die Promotion, drei Jahre später die Habilitation. 1989 nimmt er den Ruf an die Ludwig-Maximilians-Universität München an. Nach verschiedenen Gastprofessuren wird er 1998 an die Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn berufen, wo er gleichzeitig das von der Deutschen Poststiftung gegründete »Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit« (IZA) über-nimmt. Er leitet das DIW von 2000 bis 2011 und wird Honorarprofes-sor für Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin.

GErt G. WAGnEr (*1953) Vorstandsvorsitzender von 2011 bis 2013

Nach dem Studium der Soziologie und Volkswirtschaftslehre an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main wird Wagner im Jahr 1984 an der Technischen Universität Berlin promo-viert, wo 1992 auch die Habilitation in Volkswirtschaftslehre erfolgt. Im Jahr 1989 übernimmt Wagner die Leitung des Sozio-oekonomi-schen Panels (SOEP) im DIW, die er seit 1992 mit Lehrstühlen an der Ruhr-Universität Bochum, der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder (1997-2002) und der TU Berlin (seit 2002) verbin-det. Anfang 2011 wird Wagner zum Vorsitzenden des Vorstands (Präsident) des DIW Berlin gewählt. Er bleibt weiterhin Max-Planck-Fellow am MPI für Bildungsforschung in Berlin und ist seit Februar 2013 als Vertreter des SOEP Mitglied im Vorstand des DIW Berlin.

MArcEl FrAtZSchEr (*1971) Präsident seit 2013

Auf ein Vordiplom Fratzschers in VWL an der Universität Kiel folgen ein B.A. in Philosophy, Politics, and Economics (PPE) der University of Oxford (UK), ein Master of Public Policy der Harvard University John F. Kennedy School of Government (USA) und ein Ph.D. in Economics vom European University Institute in Florenz (Italien). Während der Asienkrise 1996-98 arbeitet er als Makro-ökonom beim Harvard Institute for International Development (HIID) in Jakarta für die Regierung Indonesiens. Zudem ist er beim Peterson Institute for International Economics in Washington D.C. und für die Weltbank tätig. Von 2001 bis 2012 ist Fratzscher für die Europäische Zentralbank (EZB) tätig. Seit 2013 ist er Präsident des DIW Berlin und Professor für Makroökonomie und Finanzen an der Humboldt-Universität Berlin.

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60 Vgl. Zur Wirtschaftslage. Konjunkturabschwächung erfordert neue Expansionsprogramme, in: DIW Wochenbericht, 39/1977, S. 343–348.

61 Vgl. Hinrichs: Verschuldung.

62 Vgl. Eine mittelfristige Strategie zur Wiedergewinnung der Voll-beschäftigung, in: DIW Wochenbericht, 15/1978, S. 147–157.

63 DIW-Jahresbericht 1983, S. 6.

64 Vgl. Was bringt der Einstieg in die 35-Stunden-Woche? Zu den ökonomischen Auswirkungen einer schrittweisen Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit, in: DIW Wochenbericht, 31/1983, S. 383.

65 Siehe dazu DIW Tätigkeitsberichte 1985, S. 7, 1986, S. 7, 1987, S. 7 und 1988, S. 6.

66 Münke, Stephanie: Blick in die Forschung. Frauenarbeit und Frauenlöhne, in: Viertelshefte zur Wirtschaftsforschung (Vjh) 29/1960, S. 191–201.

67 Vereintes Deutschland – geteilte Frauengesellschaft, in: DIW Wochenbericht, 41/1990, S. 575.

68 Erwerbstätigkeit und Einkommen von Frauen in der DDR, in: DIW Wochenbericht, 19/1990, S. 263.

69 Frauen in Familie und Beruf, in: DIW Wochenbericht, 29/1990, S. 408.

70 Vereintes Deutschland – geteilte ..., S. 582.

71 Aktuellere Studien zum Thema (v. a. auf Basis des SOEP) online unter http://www.diw.de/de/diw_01.c.359590.de/publikationen_veranstaltungen/publikationen/aktuelle_schwerpunkte/aktuelle_schwerpunkte.html?y[]=1995&y[]=2015&t=Frauen%20im%20Erwerbsleben&p=*&m=*&i=

72 Vgl. Die Lage der DDR-Wirtschaft zur Jahreswende, in: DIW Wochenbericht, 5/1989.

73 Siehe dazu: Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen, HA XVIII, 19330: »Stand und Entwicklung der DDR-Wirtschaft in den 80er Jahren«.

74 Vgl. DIW, IfH, IWH 1999, siehe dazu auch: Brenke, Karl: Die Jahre 1989 und 1990: das wirtschaftliche Desaster der DDR: schleichender Niedergang und Schocktherapie, in: VJH 2/2009, S. 20.

75 Bach, Stefan/Trabold, Harald: Zehn Jahre deutsche Wäh-rungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, in: Vjh 2/2000, S. 149-151, hier S. 149.

76 Vgl. Brenke, Karl/Zimmermann, Klaus F.: Ostdeutschland 20 Jahre nach dem Mauerfall: was war und was ist heute mit der Wirtschaft?, in: Vjh 2/2009, S. 32–62.

77 Eickelpasch, Alexander: Forschung, Entwicklung und Innovati-on in Ostdeutschland, in: Vjh 2/2009, S. 78–109.

78 Siehe dazu: http://www.ier.com.ua/en/ (20.04.2015).

79 Vgl. Stellungnahme zum Deutschen Institut für Wirtschafts-forschung (DIW), Berlin, Wissenschaftsrat, 1998. Online-Dokument: http://www.wissenschaftsrat.de/texte/3317-98.pdf (20.04.2015).

80 Vgl. DIW-Jahresbericht 2000, S. 18.

81 Hanau, Arthur: Die Prognose der Schweinepreise (= Sonder-heft 7 der Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung), Berlin 1927. Siehe als Online-Dokument die 2., erw. Auflage von 1928 unter http://www.diw.de/sixcms/detail.php/43353 (20.04.2015).

42 Vgl. Vom Wirtschaftswunder zum Konjunkturproblem. Wie denkt der Mann auf der Straße über aktuelle Fragen der deutschen Wirtschaft u. Industrie?, Hamburg 1956, S. 6.

43 Vgl. Konjunktur im Zeichen der Nachwehen, in: Die Zeit, Nr. 31, 4.8.1955.

44 DIW-Jahresbericht 1950, S. 4.

45 Vgl. dazu: Fremdling/Stäglin: Profund, präzise, pünktlich, S. 171 ff.

46 Friedensburg, Wirtschaftsforschung, S. IX.

47 Ebd., S. 15.

48 Steiner, André: Zwischen Wirtschaftswundern, Rezession und Stagnation. Deutsch-deutsche Wirtschaftsgeschichte, in: Kleßmann, Christoph/Lautzas, Peter (Hg.): Teilung und Integration. Die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte als wissenschaftliches und didaktisches Problem (= Reihe Politik und Bildung 41), Schwalbach 2006, S. 177–191; Schneider, Gernot: Wirtschaftswunder DDR. Anspruch und Realität, Köln 1990. Siehe dazu auch: Reichel, Richard: Neue Berechnungen zum deutschen Wirtschaftswunder, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 93 (3/2002), S. 55–60, und Heske, Gerhard: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung DDR 1950–1989. Daten, Methoden, Vergleiche, Köln 2009.

49 Der Spiegel, 3.1.1966.

50 Vgl. DIW Wochenbericht, 51 und 52/1966.

51 Vgl. dazu: Fremdling/Stäglin: Profund, präzise, pünktlich, S. 171 ff.

52 Siehe: Dittberner, Jürgen: Große Koalition: 1966 und 2005, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 35–36/2007). http://www1.bpb.de/publikationen/H0M2YN,0,Gro%DFe_Koalition: _1966_und_2005.html (20.04.2015).

53 Vgl. DIW Wochenbericht 39/1967.

54 Vgl. Hinrichs, Jutta: Die Verschuldung des Bundes 1962–2001. (Arbeitspapier, hg. von der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., Nr. 77) Sankt Augustin, Juni 2002. http://www.kas.de/wf/de/33.465/ (20.04.2015).

55 Vgl. Die Lage der Weltwirtschaft und der westdeutschen Wirt-schaft im Frühjahr 1973, in: DIW Wochenbericht, 16/1973, S. 125–138. Die Lage der Weltwirtschaft und der westdeut-schen Wirtschaft im Herbst 1973, in: DIW Wochenbericht, 43/1973, S. 383–396.

56 Vgl. Hohense, Jens, Und sonntags wieder laufen. Die erste »Ölkrise« 1973 und ihre Perzeption in der Bundesrepublik Deutschland, in: Salewski, Michael/Stölken-Fitschen, Ilona (Hg.): Moderne Zeiten. Technik und Zeitgeist im 19. und 20. Jahrhundert (= Historische Mitteilungen – Beihefte 8), Stutt-gart 1994, S. 175–196, hier S. 180.

57 Zit. nach: http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/147744/index.html (20.04.2015).

58 Siehe dazu: Zur Wirtschaftslage. Wirtschaftliche Situation in der westlichen Welt immer noch labil, in: DIW Wochenbericht, 26/1975, S. 205.

59 Siehe dazu: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung 1974, in: DIW Wochenbericht, 51 - 52/1973; Empfiehlt sich ein umfangreiches Konjunkturprogramm?, in: DIW Wochenbericht, 30/1975, S. 240 f.; Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung 1977, in: DIW-Wochenbericht, 3 - 4/1977, S. 15–34, hier S. 20; Öffentliche Haushalte 1977/78. Durchgreifender Kurs-wechsel in der Finanzpolitik erforderlich, in: DIW Wochenbe-richt, 36/1977, S. 311–319.

19 Vgl. zur Charakterisierung der Kriegswirtschaft: Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München 2008, S. 915 ff.

20 Vgl. dazu u. a.: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Das Deutsche Institut, S. 121.

21 Siehe dazu: Tooze, Adam: Thesen, S. 12–16; Tooze, Adam, Weimar s Statistical Economics, in: Economic History Review, Bd. 52, S. 523-543, hier S. 539 f.

22 Die Mitarbeiterzahl ergibt sich aus Angaben bei Krengel: Institut, S. 51 ff.; diese bestätigt auch: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Das Deutsche Institut, S. 8.

23 Krengel, Institut, S. 103.

24 Vgl. Ferdinand Friedensburgs Geleitwort zu: Wissler: Ernst Wagemann, S. 7 f.

25 Siehe zu Friedensburgs Erinnerungen an diese Zeit: Friedens-burg, Ferdinand: Wirtschaftsforschung und Wirtschafts-führung. Vorträge und Aufsätze, Festgabe für Ferdinand Friedensburg zum 70. Geburtstag, Berlin 1956, S. 4 f.; ders., Es ging um Deutschlands Einheit: Rückschau eines Berliners auf die Jahre nach 1945, Berlin 1971, S. 37 ff.

26 Friedensburg: Es ging um Deutschlands Einheit, S. 38 f.

27 Ebd., S. 40.

28 Siehe zu diesem Themenkomplex: ebd., S. 42 ff.; Krengel: Institut, S. 120 und 123.

29 Siehe dazu: Krengel: Institut, S. 111 ff.

30 Zit. nach: ebd., S. 124 f.

31 Zit. nach: http://www.verkehrswerkstatt.de/luftbruecke /?seite=archiv&jahr=1948&monat=6&article=gb0020 (20.04.2015).

32 Vgl. Berlins Wirtschaft in der Blockade (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft 19), Berlin 1949, S. 5.

33 Krengel: Institut, S. 120 und 136.

34 Zit. nach: Wildmann, Lothar: Einführung in die Volkswirt-schaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik, München 2007, S. 99.

35 DIW Wochenbericht, 36/1952.

36 Der wirtschaftliche Wiederaufbau in Westdeutschland, in: DIW Wochenbericht, 17 und 18/1950.

37 DIW Wochenbericht, 2/1955.

38 Vgl. dazu u. a. Reichel, Richard: Neue Berechnungen zum deutschen Wirtschaftswunder, in: Orientierungen zur Wirt-schafts- und Gesellschaftspolitik 93 (3/2002), S. 55 ff.

39 Zehn Jahre Deutsche Mark, in: DIW Wochenbericht, 25/1958.

40 Vgl. Erhard, Ludwig, Das Problem der freien Marktwirtschaft, in: Vjh 2/1949, S. 71.

41 Siehe dazu: DIW Wochenbericht, 36/1952.

AnMErKunGEn

1 Siehe zur Gründungsgeschichte und zu den ersten Jahrzehn-ten: Krengel, Rolf, Das Deutsche Institut für Wirtschaftsfor-schung (Institut für Konjunkturforschung) 1925 bis 1979, typografisches Manuskript im DIW Berlin, Berlin 1985.

Vgl. John Adam Tooze: Official Statistics and Economic Gover nance in Interwar Germany, Dissertation an der London School of Economics, 1996, Berechnungen des DIW Berlin.

2 Statistisches Reichsamt, Institut für Konjunkturforschung, Die weltwirtschaftliche Lage Ende 1925, Berlin 1925.

3 Wagemann, Ernst: Konjunkturlehre. Eine Grundlegung zur Lehre vom Rhythmus der Wirtschaft, Berlin 1928.

4 Vgl. dazu v. a.: Kulla, Bernd: Die Anfänge der empirischen Konjunkturforschung in Deutschland 1925–1933, Berlin 1996.

5 Krengel: Institut, S. 66.

6 Ebd., S. 57 ff.

7 Ebd.

8 Ebd.

9 Wagemann, Ernst: Geld- und Kreditreform (= Staatswissen-schaftliche Zeitfragen, Heft 1), Berlin 1932.

10 Zit. nach Kulla: Konjunkturforschung, S. 71.

11 Siehe zum Wochenbericht des DIW Berlin: Fremdling, Rainer/Stäglin, Reiner, Profund, präzise, pünktlich: 80 Jahre Wochen-bericht spiegeln die deutsche Wirtschaftsgeschichte, in: DIW Wochenbericht, 14/2008.

12 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 1925–1945 in der Erinnerung früherer Mitarbeiter, Berlin 1966, S. 2.

13 Zu diesem Schluss kommt auch Tooze: Tooze, Adam, Thesen zur Geschichte des IfK/DIW 1925–1945, DIW Discussion Paper Nr. 82, Berlin 1993, S. 7. Konträr dazu: Wissler, Albert, Ernst Wagemann: Begründer der empirischen Konjunkturfor-schung in Deutschland. Mit einem Geleitwort von Ferdinand Friedensburg (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft 26), Berlin 1954, S. 45–50.

14 Vgl. Tooze, Thesen, S. 7.

15 Rolf Krengel nennt den 16. Juni 1933, Rudolf Regul den 6. Juni 1933 als Datum der Wiedereinsetzung. Siehe dazu auch (insbesondere zu den Bittbriefen): Tooze, Thesen: S. 8; siehe außerdem zum Vorgang Wagemann: BArch R 43 II, 1157e. Zu berücksichtigen sind im Übrigen die Mitglied-schaften Wagemanns in diversen NS-Organisationen. Er war Mitglied der NSDAP (eingetreten im Mai 1933, Mitglieds-nummer 3078159), der SA (ab September 1933) und des BNSDJ (ab Oktober 1933).

16 Krengel, Institut, S. 58 ff.

17 Siehe dazu: BArch NS 19/2053, Bl. 2–29.

18 Vgl. DIW Wochenbericht, 31/1933.

Anmerkungen und Abbildungsnachweis

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Page 105: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

60 Vgl. Zur Wirtschaftslage. Konjunkturabschwächung erfordert neue Expansionsprogramme, in: DIW Wochenbericht, 39/1977, S. 343–348.

61 Vgl. Hinrichs: Verschuldung.

62 Vgl. Eine mittelfristige Strategie zur Wiedergewinnung der Voll-beschäftigung, in: DIW Wochenbericht, 15/1978, S. 147–157.

63 DIW-Jahresbericht 1983, S. 6.

64 Vgl. Was bringt der Einstieg in die 35-Stunden-Woche? Zu den ökonomischen Auswirkungen einer schrittweisen Verkürzung der tariflichen Arbeitszeit, in: DIW Wochenbericht, 31/1983, S. 383.

65 Siehe dazu DIW Tätigkeitsberichte 1985, S. 7, 1986, S. 7, 1987, S. 7 und 1988, S. 6.

66 Münke, Stephanie: Blick in die Forschung. Frauenarbeit und Frauenlöhne, in: Viertelshefte zur Wirtschaftsforschung (Vjh) 29/1960, S. 191–201.

67 Vereintes Deutschland – geteilte Frauengesellschaft, in: DIW Wochenbericht, 41/1990, S. 575.

68 Erwerbstätigkeit und Einkommen von Frauen in der DDR, in: DIW Wochenbericht, 19/1990, S. 263.

69 Frauen in Familie und Beruf, in: DIW Wochenbericht, 29/1990, S. 408.

70 Vereintes Deutschland – geteilte ..., S. 582.

71 Aktuellere Studien zum Thema (v. a. auf Basis des SOEP) online unter http://www.diw.de/de/diw_01.c.359590.de/publikationen_veranstaltungen/publikationen/aktuelle_schwerpunkte/aktuelle_schwerpunkte.html?y[]=1995&y[]=2015&t=Frauen%20im%20Erwerbsleben&p=*&m=*&i=

72 Vgl. Die Lage der DDR-Wirtschaft zur Jahreswende, in: DIW Wochenbericht, 5/1989.

73 Siehe dazu: Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen, HA XVIII, 19330: »Stand und Entwicklung der DDR-Wirtschaft in den 80er Jahren«.

74 Vgl. DIW, IfH, IWH 1999, siehe dazu auch: Brenke, Karl: Die Jahre 1989 und 1990: das wirtschaftliche Desaster der DDR: schleichender Niedergang und Schocktherapie, in: VJH 2/2009, S. 20.

75 Bach, Stefan/Trabold, Harald: Zehn Jahre deutsche Wäh-rungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, in: Vjh 2/2000, S. 149-151, hier S. 149.

76 Vgl. Brenke, Karl/Zimmermann, Klaus F.: Ostdeutschland 20 Jahre nach dem Mauerfall: was war und was ist heute mit der Wirtschaft?, in: Vjh 2/2009, S. 32–62.

77 Eickelpasch, Alexander: Forschung, Entwicklung und Innovati-on in Ostdeutschland, in: Vjh 2/2009, S. 78–109.

78 Siehe dazu: http://www.ier.com.ua/en/ (20.04.2015).

79 Vgl. Stellungnahme zum Deutschen Institut für Wirtschafts-forschung (DIW), Berlin, Wissenschaftsrat, 1998. Online-Dokument: http://www.wissenschaftsrat.de/texte/3317-98.pdf (20.04.2015).

80 Vgl. DIW-Jahresbericht 2000, S. 18.

81 Hanau, Arthur: Die Prognose der Schweinepreise (= Sonder-heft 7 der Vierteljahrshefte zur Konjunkturforschung), Berlin 1927. Siehe als Online-Dokument die 2., erw. Auflage von 1928 unter http://www.diw.de/sixcms/detail.php/43353 (20.04.2015).

42 Vgl. Vom Wirtschaftswunder zum Konjunkturproblem. Wie denkt der Mann auf der Straße über aktuelle Fragen der deutschen Wirtschaft u. Industrie?, Hamburg 1956, S. 6.

43 Vgl. Konjunktur im Zeichen der Nachwehen, in: Die Zeit, Nr. 31, 4.8.1955.

44 DIW-Jahresbericht 1950, S. 4.

45 Vgl. dazu: Fremdling/Stäglin: Profund, präzise, pünktlich, S. 171 ff.

46 Friedensburg, Wirtschaftsforschung, S. IX.

47 Ebd., S. 15.

48 Steiner, André: Zwischen Wirtschaftswundern, Rezession und Stagnation. Deutsch-deutsche Wirtschaftsgeschichte, in: Kleßmann, Christoph/Lautzas, Peter (Hg.): Teilung und Integration. Die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte als wissenschaftliches und didaktisches Problem (= Reihe Politik und Bildung 41), Schwalbach 2006, S. 177–191; Schneider, Gernot: Wirtschaftswunder DDR. Anspruch und Realität, Köln 1990. Siehe dazu auch: Reichel, Richard: Neue Berechnungen zum deutschen Wirtschaftswunder, in: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 93 (3/2002), S. 55–60, und Heske, Gerhard: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung DDR 1950–1989. Daten, Methoden, Vergleiche, Köln 2009.

49 Der Spiegel, 3.1.1966.

50 Vgl. DIW Wochenbericht, 51 und 52/1966.

51 Vgl. dazu: Fremdling/Stäglin: Profund, präzise, pünktlich, S. 171 ff.

52 Siehe: Dittberner, Jürgen: Große Koalition: 1966 und 2005, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 35–36/2007). http://www1.bpb.de/publikationen/H0M2YN,0,Gro%DFe_Koalition: _1966_und_2005.html (20.04.2015).

53 Vgl. DIW Wochenbericht 39/1967.

54 Vgl. Hinrichs, Jutta: Die Verschuldung des Bundes 1962–2001. (Arbeitspapier, hg. von der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., Nr. 77) Sankt Augustin, Juni 2002. http://www.kas.de/wf/de/33.465/ (20.04.2015).

55 Vgl. Die Lage der Weltwirtschaft und der westdeutschen Wirt-schaft im Frühjahr 1973, in: DIW Wochenbericht, 16/1973, S. 125–138. Die Lage der Weltwirtschaft und der westdeut-schen Wirtschaft im Herbst 1973, in: DIW Wochenbericht, 43/1973, S. 383–396.

56 Vgl. Hohense, Jens, Und sonntags wieder laufen. Die erste »Ölkrise« 1973 und ihre Perzeption in der Bundesrepublik Deutschland, in: Salewski, Michael/Stölken-Fitschen, Ilona (Hg.): Moderne Zeiten. Technik und Zeitgeist im 19. und 20. Jahrhundert (= Historische Mitteilungen – Beihefte 8), Stutt-gart 1994, S. 175–196, hier S. 180.

57 Zit. nach: http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/147744/index.html (20.04.2015).

58 Siehe dazu: Zur Wirtschaftslage. Wirtschaftliche Situation in der westlichen Welt immer noch labil, in: DIW Wochenbericht, 26/1975, S. 205.

59 Siehe dazu: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung 1974, in: DIW Wochenbericht, 51 - 52/1973; Empfiehlt sich ein umfangreiches Konjunkturprogramm?, in: DIW Wochenbericht, 30/1975, S. 240 f.; Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung 1977, in: DIW-Wochenbericht, 3 - 4/1977, S. 15–34, hier S. 20; Öffentliche Haushalte 1977/78. Durchgreifender Kurs-wechsel in der Finanzpolitik erforderlich, in: DIW Wochenbe-richt, 36/1977, S. 311–319.

19 Vgl. zur Charakterisierung der Kriegswirtschaft: Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München 2008, S. 915 ff.

20 Vgl. dazu u. a.: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Das Deutsche Institut, S. 121.

21 Siehe dazu: Tooze, Adam: Thesen, S. 12–16; Tooze, Adam, Weimar s Statistical Economics, in: Economic History Review, Bd. 52, S. 523-543, hier S. 539 f.

22 Die Mitarbeiterzahl ergibt sich aus Angaben bei Krengel: Institut, S. 51 ff.; diese bestätigt auch: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Das Deutsche Institut, S. 8.

23 Krengel, Institut, S. 103.

24 Vgl. Ferdinand Friedensburgs Geleitwort zu: Wissler: Ernst Wagemann, S. 7 f.

25 Siehe zu Friedensburgs Erinnerungen an diese Zeit: Friedens-burg, Ferdinand: Wirtschaftsforschung und Wirtschafts-führung. Vorträge und Aufsätze, Festgabe für Ferdinand Friedensburg zum 70. Geburtstag, Berlin 1956, S. 4 f.; ders., Es ging um Deutschlands Einheit: Rückschau eines Berliners auf die Jahre nach 1945, Berlin 1971, S. 37 ff.

26 Friedensburg: Es ging um Deutschlands Einheit, S. 38 f.

27 Ebd., S. 40.

28 Siehe zu diesem Themenkomplex: ebd., S. 42 ff.; Krengel: Institut, S. 120 und 123.

29 Siehe dazu: Krengel: Institut, S. 111 ff.

30 Zit. nach: ebd., S. 124 f.

31 Zit. nach: http://www.verkehrswerkstatt.de/luftbruecke /?seite=archiv&jahr=1948&monat=6&article=gb0020 (20.04.2015).

32 Vgl. Berlins Wirtschaft in der Blockade (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft 19), Berlin 1949, S. 5.

33 Krengel: Institut, S. 120 und 136.

34 Zit. nach: Wildmann, Lothar: Einführung in die Volkswirt-schaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik, München 2007, S. 99.

35 DIW Wochenbericht, 36/1952.

36 Der wirtschaftliche Wiederaufbau in Westdeutschland, in: DIW Wochenbericht, 17 und 18/1950.

37 DIW Wochenbericht, 2/1955.

38 Vgl. dazu u. a. Reichel, Richard: Neue Berechnungen zum deutschen Wirtschaftswunder, in: Orientierungen zur Wirt-schafts- und Gesellschaftspolitik 93 (3/2002), S. 55 ff.

39 Zehn Jahre Deutsche Mark, in: DIW Wochenbericht, 25/1958.

40 Vgl. Erhard, Ludwig, Das Problem der freien Marktwirtschaft, in: Vjh 2/1949, S. 71.

41 Siehe dazu: DIW Wochenbericht, 36/1952.

AnMErKunGEn

1 Siehe zur Gründungsgeschichte und zu den ersten Jahrzehn-ten: Krengel, Rolf, Das Deutsche Institut für Wirtschaftsfor-schung (Institut für Konjunkturforschung) 1925 bis 1979, typografisches Manuskript im DIW Berlin, Berlin 1985.

Vgl. John Adam Tooze: Official Statistics and Economic Gover nance in Interwar Germany, Dissertation an der London School of Economics, 1996, Berechnungen des DIW Berlin.

2 Statistisches Reichsamt, Institut für Konjunkturforschung, Die weltwirtschaftliche Lage Ende 1925, Berlin 1925.

3 Wagemann, Ernst: Konjunkturlehre. Eine Grundlegung zur Lehre vom Rhythmus der Wirtschaft, Berlin 1928.

4 Vgl. dazu v. a.: Kulla, Bernd: Die Anfänge der empirischen Konjunkturforschung in Deutschland 1925–1933, Berlin 1996.

5 Krengel: Institut, S. 66.

6 Ebd., S. 57 ff.

7 Ebd.

8 Ebd.

9 Wagemann, Ernst: Geld- und Kreditreform (= Staatswissen-schaftliche Zeitfragen, Heft 1), Berlin 1932.

10 Zit. nach Kulla: Konjunkturforschung, S. 71.

11 Siehe zum Wochenbericht des DIW Berlin: Fremdling, Rainer/Stäglin, Reiner, Profund, präzise, pünktlich: 80 Jahre Wochen-bericht spiegeln die deutsche Wirtschaftsgeschichte, in: DIW Wochenbericht, 14/2008.

12 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 1925–1945 in der Erinnerung früherer Mitarbeiter, Berlin 1966, S. 2.

13 Zu diesem Schluss kommt auch Tooze: Tooze, Adam, Thesen zur Geschichte des IfK/DIW 1925–1945, DIW Discussion Paper Nr. 82, Berlin 1993, S. 7. Konträr dazu: Wissler, Albert, Ernst Wagemann: Begründer der empirischen Konjunkturfor-schung in Deutschland. Mit einem Geleitwort von Ferdinand Friedensburg (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft 26), Berlin 1954, S. 45–50.

14 Vgl. Tooze, Thesen, S. 7.

15 Rolf Krengel nennt den 16. Juni 1933, Rudolf Regul den 6. Juni 1933 als Datum der Wiedereinsetzung. Siehe dazu auch (insbesondere zu den Bittbriefen): Tooze, Thesen: S. 8; siehe außerdem zum Vorgang Wagemann: BArch R 43 II, 1157e. Zu berücksichtigen sind im Übrigen die Mitglied-schaften Wagemanns in diversen NS-Organisationen. Er war Mitglied der NSDAP (eingetreten im Mai 1933, Mitglieds-nummer 3078159), der SA (ab September 1933) und des BNSDJ (ab Oktober 1933).

16 Krengel, Institut, S. 58 ff.

17 Siehe dazu: BArch NS 19/2053, Bl. 2–29.

18 Vgl. DIW Wochenbericht, 31/1933.

Anmerkungen und Abbildungsnachweis

99

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ten für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, in: DIW Wochenbericht, 31/2001, S. 477, 481.

132 Vgl. EU-Osterweiterung, Übergangsfristen führen zu Umlen-kung der Migration nach Großbritannien und Irland, in: DIW Wochenbericht, 22/2005, S. 353–359.

133 Siehe beispielhaft: Lemmen, Sarah: Eigentor für Deutschland? Die Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und ihre Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt (DGAP aktuell 5/2008); siehe auch: EU-Osterweiterung, Übergangsfristen, S. 353–359.

134 Vgl. dazu: Bundeszentrale für politische Bildung, Zahlen und Fakten: Globalisierung, http://www.bpb.de/wissen/Y6I2DP (20.04.2015).

135 Vgl. Innovationspolitik, in: DIW Wochenbericht, 16/2007; Belitz, Heike, Was bedeutet die Globalisierung der Industrie-forschung für den Standort Deutschland?, in: DIW Wochen-bericht, 18/2008.

136 Vgl. http://www.diw.de/de/diw_01.c.342317.de/the-men_nachrichten/innovationsindikator_2009_%20deutsch-land_hat_aufholbedarf.html (20.04.2015).

137 http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/warum-prognosen-die-krise-verschaerft-haben;2208930 (20.04.2015).

138 Vgl. John Adam Tooze: Official Statistics and Economic Governance in Interwar Germany, Dissertation an der London School of Economics, 1996, Berechnungen des DIW Berlin.

139 Vgl. http://www.diw.de/documents/publikationen/73/ diw_01.c.396795.de/diw_1925_1945_erinnerung.pdf

115 Siehe dazu: Klinkmüller, Erich: Strukturelle Schwächen und Stärken des Währungsgebietes der Mark, in: Fragen zur Re-form der DDR-Wirtschaft. Tagungsband zur Sondertagung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. in Bonn am 12. Februar 1990, Berlin 1990, S. 85–110, hier S. 94.

116 Vgl. beispielhaft: Zur Entwicklung der Energiewirtschaft im Jahre 1937, in: DIW Wochenbericht, 5/1938; Regul, Rudolf (unter Mitw. von Karl Georg Mahnke): Energiequellen der Welt. Betrachtungen und Statistiken zur Energiewirtschaft (= Sonderhefte des Instituts für Konjunkturforschung 44), Berlin 1937.

117 Vgl. Koch, Käthe/Krengel, Rolf: Der Kostenfaktor Energie in der westdeutschen Wirtschaft, Berlin 1962, S. 50 f.

118 Die Verknüpfung von Ölkrise und Umweltproblematik zeigt beispielhaft: Dolinski, Urs/Ziesing, Hans-Joachim (unter Mit-arbeit von Klaus-Dieter Labahn): Maßnahmen für eine sichere und umweltverträgliche Energieversorgung (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung – Sonderheft 125), Berlin 1978.

119 Als Beispiel für frühe Arbeiten des Instituts zu Möglichkeiten der steuerpolitischen Lenkung des Energieverbrauchs siehe: Energiepolitik und Klimaschutz in Deutschland, in: DIW Wochenbericht, 9/1994, S. 119–127.

120 Zu Möglichkeiten des Einsatzes erneuerbarer Energien siehe die Gemeinschaftsarbeit von DIW und Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung Karlsruhe: Erneuerbare Energiequellen. Abschätzung des Potenzials der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2000, München/Wien 1987.

121 Vgl. Ökosteuer – Sackgasse oder Königsweg. Wirtschaftliche Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform in Deutsch-land. Ein Gutachten des DIW Berlin für Greenpeace, Mai 1994. Online-Dokument unter https://www.diw.de/sixcms/detail.php/43359 (20.04.2015).

122 Vgl. Die ökonomischen Kosten des Klimawandels, in: DIW Wochenbericht, 42/2004; Klimawandel kostet die deutsche Volkswirtschaft Milliarden, in: DIW Wochenbericht, 11/2007.

123 http://europa.eu/abc/keyfigures/sizeandpopulation/ index_de.htm (10.2.2010).

124 Online-Dokument unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:11957E/TXT (20.04.2015).

125 Vgl. DIW-Jahresbericht 1958, S. 8.

126 Vgl. EG-Agrarpolitik – Zündstoff in einer erweiterten Gemein-schaft, in: DIW Wochenbericht, 24/1978, S. 238; Zur Frage des Einflusses von Strukturunterschieden auf den Integ-rationsprozess in der Europäischen Gemeinschaft, in: DIW Wochenbericht, 9/1973, S. 77–80; Stabilitätspolitik in der EG und ihre Bedeutung für die Wirtschafts- und Währungsunion, in: DIW Wochenbericht, 45/1973, S. 405–412, hier S. 411.

127 DIW-Jahresbericht 1993, S. 78.

128 Maastricht: Ausblendung Osteuropas ein Fehler, in: DIW Wochenbericht, 15/1992, S. 190–193.

129 Vgl. Süddeutsche Zeitung, 23./24.7.2005, http://www.sueddeutsche.de/kultur/681/407457/text/ (20.04.2015).

130 European Integration Consortium (DIW, CEPR, FIEF, IAS, IGIER): The Impact of Eastern Enlargement on Employment and Wages in the EU Member States, Berlin/Milano 2000.

131 Vgl. DIW-Jahresbericht 1999, S. 29, EU-Osterweiterung: Abschottung oder regulierte Öffnung? Zu den Übergangsfris-

99 Übersicht über das SOEP. Leben in Deutschland. http://www/de/diw_02.c.221178.de/ueber_uns.html (20.04.2015).

100 Bundesministerium für Bildung und Forschung: 25 Jahre Leben in Deutschland – 25 Jahre Sozio-oekonomisches Panel, Bonn/Berlin 2008, S. 26.

101 Trommsdorff, Gisela: 25 Wellen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP): Gewinn für interdisziplinäre Forschung, in: VJH 77/2008, S. 201.

102 Ebd., S. 40.

103 Wagner, Gert G.: Die Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) – Die Jahre von der Wende zur Jahrtausendwende, in: Vjh 77/2008, S. 47, 54–57.

104 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: 25 Jahre Leben in Deutschland S. 26; Trommsdorff: 25 Wellen des Sozio-oekonomischen Panels, S. 201.

105 Forschungsrating Soziologie, http://www.diw.de/de/diw_02.c.222515.de/25_wellen_soep_2008.html (20.04.2015). Datenbericht Soziologie, http://www.diw.de/documents/dokumentenarchiv/17/diw_01.c.82786.de/soep_forschungsrating2008.pdf (20.04.2015).

106 Interview mit Joachim R. Frick und Jürgen Schupp: Transkript, 28.09.2011.

107 Vgl. Der Spiegel, 8.2.1971.

108 Siehe dazu: Hüttmann, Jens: DDR-Geschichte und ihre Forscher. Akteure und Konjunkturen der bundesdeutschen DDR-Forschung, Berlin 2008.

109 Siehe dazu: Krengel: Institut, S. 131 f., 141.

110 Vgl. Gloe, Markus: Planung für die deutsche Einheit. Der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung 1952 bis 1975, Wiesbaden 2005, S. 107 und 291.

111 Krengel, Institut, S. 208.

112 Siehe dazu: Gloe, Markus, Planung für die deutsche Einheit, S. 152.

113 Vgl. Mitzscherling, Peter, Zweimal deutsche Sozialpolitik. (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft 123), Berlin 1978, S. 6. Siehe dazu: Weidenfeld, Werner/ Korte, Karl-Rudolf, Handbuch zur Deutschen Einheit 1949- 1989-1999, Frankfurt/New York 1999, S. 228.

114 Siehe beispielhaft die Kritik von Gernot Schneider im Deutschland-Archiv 1984, die besonders auf die unter-schiedlichen Funktionsmechanismen der Währung in beiden Systemen aufmerksam macht (Schneider, Gernot: Ermittlung innerdeutscher Verbrauchergeldparitäten, in: Deutschland-Archiv 18/1984, Bd. 9, S. 944–951, hier S. 946). Ausführlich zur Problematik der DDR-Statistik am Beispiel des Lebenshal-tungskostenindex: Schevardo, Jennifer: Vom Wert des Notwen-digen (= Beiheft VSWG 185), München 2006. Siehe dazu auch die scharfen Vorwürfe und bis ins Persönliche reichenden Spekulationen bei: Lippe, Peter von der: Die gesamtwirt-schaftlichen Leistungen der DDR-Wirtschaft in den offiziellen Darstellungen. Die amtliche Statistik der DDR als Instrument der Agitation und Propaganda der SED, in: Deutscher Bundes-tag (Hg.), Materialien der Enquete-Kommission »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«, Bd. II/3 (Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung), Baden-Baden, und (als Taschenbuchausgabe) Suhrkamp Verlag, Bd. II, Teilbd. 2, 1995, S. 1973–2193, 2048.

82 Vgl. dazu: Schmitt, Günther (Hg.): Landwirtschaftliche Marktforschung in Deutschland. Hanau zum 65. Geburtstag, München 1967 (darin v. a. die Würdigung Hanaus durch Emil Woermann); Plate, Roderich, Arthur Hanau, in: Buchholz, H. E., u.a. (Hg.), Landwirtschaft und Markt. Arthur Hanau zum 80. Geburtstag, Hannover 1982, S. 7–20; ders., Arthur Hanau zum Gedenken, in: Allg. Statist. Archiv 69 (1986), S. 411–413.

83 Vgl. Baade, Fritz: Schweinefibel, oder: Was jeder Bauer vor dem Decken seiner Sauen bedenken muss, hg. von der Reichs-forschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen, Berlin 1929.

84 Vgl. http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w4_bsb00000110_00282.html (20.04.2015).

85 Zit. nach: Woermann, Emil, Arthur Hanau, in: Schmitt, Günther (Hg.): Landwirtschaftliche Marktforschung in Deutschland. Hanau zum 65. Geburtstag, S. 12.

86 Vgl. Plate, Roderich: Arthur Hanau zum Gedenken, S. 411–413.

87 Vgl. dazu: Bruch, Rüdiger vom/Jahr, Christoph (Hg.): Die Berli-ner Universität in der NS-Zeit, Bd. I: Strukturen und Personen, Stuttgart 2005, S. 223.

88 Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft sind – laut »Die Zeit« – im Gründungsjahr neben dem DIW das Kieler Institut für Weltwirtschaft, das Hamburgische Welt-Wirtschaftsarchiv, der Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung, das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung, das Rheinisch-Westfälische Institut für praktische Wirtschaftsforschung (Essen), die Sozialforschungsstelle der Universität Münster mit Sitz in Dortmund, das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften (Köln), das Institut für landwirtschaftliche Marktforschung (Völkenrode), die Forschungsstelle für allge-meine und textile Marktwirtschaft (Vreden), weiter das Sta-tistische Amt des VWG (Wiesbaden) und die Bank Deutscher Länder, schließlich das Deutsche Büro für Friedensfragen (Stuttgart). Vgl. Die Zeit, Nr. 23, 9.6.1949.

89 Friedensburg: Wirtschaftsforschung, S. XIII.

90 Die Zeit, Nr. 23, 9.6.1949.

91 Vgl. dazu: Das Überraschungsei der Institute, in: Wiwo, 19.10.2004.

92 Die unbequemen Ratgeber, in: Die Zeit, Nr. 49, 8.12.1972.

93 Siehe dazu: Bünnagel, Doris: Frühjahrsgutachten. Prognose mit Tradition. Zweimal im Jahr wagen Wissenschaftler eine Vorhersage über das Wirtschaftswachstum, in: Leibniz-Journal 2/2001, www.diw.de/sixcms/detail.php/39151 (20.04.2015).

94 Siehe dazu: Krengel, Rolf: Volkswirtschaftliche Input-Output-Rechnung, Berlin 1953, S. 9.

95 Vgl. Grünig, Ferdinand: Die Anfänge der »Volkswirtschaftli-chen Gesamtrechnung« in Deutschland, Berlin 1951, S. 81.

96 Vgl. Wagemann, Ernst: Konjunkturlehre; siehe auch: Grünig, Anfänge, S. 80.

97 Vgl. dazu: Arndt, Klaus Dieter: Volkswirtschaftliche Gesamt-rechnungen als Instrument der Wirtschaftsbeobachtung durch die deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Institute, in: Konjunkturpolitik – Zeitschrift für Konjunkturforschung 7 (1961), S. 280 f.

98 Siehe dazu: Stäglin, Reiner: Zur Input-Output-Rechnung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bestandsaufnahme, in: Empirische Wirtschaftsforschung. Festschrift für Rolf Krengel aus Anlass seines 60. Geburtstages, Berlin 1980, S. 95.

100

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ten für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, in: DIW Wochenbericht, 31/2001, S. 477, 481.

132 Vgl. EU-Osterweiterung, Übergangsfristen führen zu Umlen-kung der Migration nach Großbritannien und Irland, in: DIW Wochenbericht, 22/2005, S. 353–359.

133 Siehe beispielhaft: Lemmen, Sarah: Eigentor für Deutschland? Die Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und ihre Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt (DGAP aktuell 5/2008); siehe auch: EU-Osterweiterung, Übergangsfristen, S. 353–359.

134 Vgl. dazu: Bundeszentrale für politische Bildung, Zahlen und Fakten: Globalisierung, http://www.bpb.de/wissen/Y6I2DP (20.04.2015).

135 Vgl. Innovationspolitik, in: DIW Wochenbericht, 16/2007; Belitz, Heike, Was bedeutet die Globalisierung der Industrie-forschung für den Standort Deutschland?, in: DIW Wochen-bericht, 18/2008.

136 Vgl. http://www.diw.de/de/diw_01.c.342317.de/the-men_nachrichten/innovationsindikator_2009_%20deutsch-land_hat_aufholbedarf.html (20.04.2015).

137 http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/warum-prognosen-die-krise-verschaerft-haben;2208930 (20.04.2015).

138 Vgl. John Adam Tooze: Official Statistics and Economic Governance in Interwar Germany, Dissertation an der London School of Economics, 1996, Berechnungen des DIW Berlin.

139 Vgl. http://www.diw.de/documents/publikationen/73/ diw_01.c.396795.de/diw_1925_1945_erinnerung.pdf

115 Siehe dazu: Klinkmüller, Erich: Strukturelle Schwächen und Stärken des Währungsgebietes der Mark, in: Fragen zur Re-form der DDR-Wirtschaft. Tagungsband zur Sondertagung der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e. V. in Bonn am 12. Februar 1990, Berlin 1990, S. 85–110, hier S. 94.

116 Vgl. beispielhaft: Zur Entwicklung der Energiewirtschaft im Jahre 1937, in: DIW Wochenbericht, 5/1938; Regul, Rudolf (unter Mitw. von Karl Georg Mahnke): Energiequellen der Welt. Betrachtungen und Statistiken zur Energiewirtschaft (= Sonderhefte des Instituts für Konjunkturforschung 44), Berlin 1937.

117 Vgl. Koch, Käthe/Krengel, Rolf: Der Kostenfaktor Energie in der westdeutschen Wirtschaft, Berlin 1962, S. 50 f.

118 Die Verknüpfung von Ölkrise und Umweltproblematik zeigt beispielhaft: Dolinski, Urs/Ziesing, Hans-Joachim (unter Mit-arbeit von Klaus-Dieter Labahn): Maßnahmen für eine sichere und umweltverträgliche Energieversorgung (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung – Sonderheft 125), Berlin 1978.

119 Als Beispiel für frühe Arbeiten des Instituts zu Möglichkeiten der steuerpolitischen Lenkung des Energieverbrauchs siehe: Energiepolitik und Klimaschutz in Deutschland, in: DIW Wochenbericht, 9/1994, S. 119–127.

120 Zu Möglichkeiten des Einsatzes erneuerbarer Energien siehe die Gemeinschaftsarbeit von DIW und Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung Karlsruhe: Erneuerbare Energiequellen. Abschätzung des Potenzials der Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 2000, München/Wien 1987.

121 Vgl. Ökosteuer – Sackgasse oder Königsweg. Wirtschaftliche Auswirkungen einer ökologischen Steuerreform in Deutsch-land. Ein Gutachten des DIW Berlin für Greenpeace, Mai 1994. Online-Dokument unter https://www.diw.de/sixcms/detail.php/43359 (20.04.2015).

122 Vgl. Die ökonomischen Kosten des Klimawandels, in: DIW Wochenbericht, 42/2004; Klimawandel kostet die deutsche Volkswirtschaft Milliarden, in: DIW Wochenbericht, 11/2007.

123 http://europa.eu/abc/keyfigures/sizeandpopulation/ index_de.htm (10.2.2010).

124 Online-Dokument unter http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:11957E/TXT (20.04.2015).

125 Vgl. DIW-Jahresbericht 1958, S. 8.

126 Vgl. EG-Agrarpolitik – Zündstoff in einer erweiterten Gemein-schaft, in: DIW Wochenbericht, 24/1978, S. 238; Zur Frage des Einflusses von Strukturunterschieden auf den Integ-rationsprozess in der Europäischen Gemeinschaft, in: DIW Wochenbericht, 9/1973, S. 77–80; Stabilitätspolitik in der EG und ihre Bedeutung für die Wirtschafts- und Währungsunion, in: DIW Wochenbericht, 45/1973, S. 405–412, hier S. 411.

127 DIW-Jahresbericht 1993, S. 78.

128 Maastricht: Ausblendung Osteuropas ein Fehler, in: DIW Wochenbericht, 15/1992, S. 190–193.

129 Vgl. Süddeutsche Zeitung, 23./24.7.2005, http://www.sueddeutsche.de/kultur/681/407457/text/ (20.04.2015).

130 European Integration Consortium (DIW, CEPR, FIEF, IAS, IGIER): The Impact of Eastern Enlargement on Employment and Wages in the EU Member States, Berlin/Milano 2000.

131 Vgl. DIW-Jahresbericht 1999, S. 29, EU-Osterweiterung: Abschottung oder regulierte Öffnung? Zu den Übergangsfris-

99 Übersicht über das SOEP. Leben in Deutschland. http://www/de/diw_02.c.221178.de/ueber_uns.html (20.04.2015).

100 Bundesministerium für Bildung und Forschung: 25 Jahre Leben in Deutschland – 25 Jahre Sozio-oekonomisches Panel, Bonn/Berlin 2008, S. 26.

101 Trommsdorff, Gisela: 25 Wellen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP): Gewinn für interdisziplinäre Forschung, in: VJH 77/2008, S. 201.

102 Ebd., S. 40.

103 Wagner, Gert G.: Die Längsschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) – Die Jahre von der Wende zur Jahrtausendwende, in: Vjh 77/2008, S. 47, 54–57.

104 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: 25 Jahre Leben in Deutschland S. 26; Trommsdorff: 25 Wellen des Sozio-oekonomischen Panels, S. 201.

105 Forschungsrating Soziologie, http://www.diw.de/de/diw_02.c.222515.de/25_wellen_soep_2008.html (20.04.2015). Datenbericht Soziologie, http://www.diw.de/documents/dokumentenarchiv/17/diw_01.c.82786.de/soep_forschungsrating2008.pdf (20.04.2015).

106 Interview mit Joachim R. Frick und Jürgen Schupp: Transkript, 28.09.2011.

107 Vgl. Der Spiegel, 8.2.1971.

108 Siehe dazu: Hüttmann, Jens: DDR-Geschichte und ihre Forscher. Akteure und Konjunkturen der bundesdeutschen DDR-Forschung, Berlin 2008.

109 Siehe dazu: Krengel: Institut, S. 131 f., 141.

110 Vgl. Gloe, Markus: Planung für die deutsche Einheit. Der Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung 1952 bis 1975, Wiesbaden 2005, S. 107 und 291.

111 Krengel, Institut, S. 208.

112 Siehe dazu: Gloe, Markus, Planung für die deutsche Einheit, S. 152.

113 Vgl. Mitzscherling, Peter, Zweimal deutsche Sozialpolitik. (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft 123), Berlin 1978, S. 6. Siehe dazu: Weidenfeld, Werner/ Korte, Karl-Rudolf, Handbuch zur Deutschen Einheit 1949- 1989-1999, Frankfurt/New York 1999, S. 228.

114 Siehe beispielhaft die Kritik von Gernot Schneider im Deutschland-Archiv 1984, die besonders auf die unter-schiedlichen Funktionsmechanismen der Währung in beiden Systemen aufmerksam macht (Schneider, Gernot: Ermittlung innerdeutscher Verbrauchergeldparitäten, in: Deutschland-Archiv 18/1984, Bd. 9, S. 944–951, hier S. 946). Ausführlich zur Problematik der DDR-Statistik am Beispiel des Lebenshal-tungskostenindex: Schevardo, Jennifer: Vom Wert des Notwen-digen (= Beiheft VSWG 185), München 2006. Siehe dazu auch die scharfen Vorwürfe und bis ins Persönliche reichenden Spekulationen bei: Lippe, Peter von der: Die gesamtwirt-schaftlichen Leistungen der DDR-Wirtschaft in den offiziellen Darstellungen. Die amtliche Statistik der DDR als Instrument der Agitation und Propaganda der SED, in: Deutscher Bundes-tag (Hg.), Materialien der Enquete-Kommission »Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland«, Bd. II/3 (Machtstrukturen und Entscheidungsmechanismen im SED-Staat und die Frage der Verantwortung), Baden-Baden, und (als Taschenbuchausgabe) Suhrkamp Verlag, Bd. II, Teilbd. 2, 1995, S. 1973–2193, 2048.

82 Vgl. dazu: Schmitt, Günther (Hg.): Landwirtschaftliche Marktforschung in Deutschland. Hanau zum 65. Geburtstag, München 1967 (darin v. a. die Würdigung Hanaus durch Emil Woermann); Plate, Roderich, Arthur Hanau, in: Buchholz, H. E., u.a. (Hg.), Landwirtschaft und Markt. Arthur Hanau zum 80. Geburtstag, Hannover 1982, S. 7–20; ders., Arthur Hanau zum Gedenken, in: Allg. Statist. Archiv 69 (1986), S. 411–413.

83 Vgl. Baade, Fritz: Schweinefibel, oder: Was jeder Bauer vor dem Decken seiner Sauen bedenken muss, hg. von der Reichs-forschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen, Berlin 1929.

84 Vgl. http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w4_bsb00000110_00282.html (20.04.2015).

85 Zit. nach: Woermann, Emil, Arthur Hanau, in: Schmitt, Günther (Hg.): Landwirtschaftliche Marktforschung in Deutschland. Hanau zum 65. Geburtstag, S. 12.

86 Vgl. Plate, Roderich: Arthur Hanau zum Gedenken, S. 411–413.

87 Vgl. dazu: Bruch, Rüdiger vom/Jahr, Christoph (Hg.): Die Berli-ner Universität in der NS-Zeit, Bd. I: Strukturen und Personen, Stuttgart 2005, S. 223.

88 Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft sind – laut »Die Zeit« – im Gründungsjahr neben dem DIW das Kieler Institut für Weltwirtschaft, das Hamburgische Welt-Wirtschaftsarchiv, der Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung, das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung, das Rheinisch-Westfälische Institut für praktische Wirtschaftsforschung (Essen), die Sozialforschungsstelle der Universität Münster mit Sitz in Dortmund, das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften (Köln), das Institut für landwirtschaftliche Marktforschung (Völkenrode), die Forschungsstelle für allge-meine und textile Marktwirtschaft (Vreden), weiter das Sta-tistische Amt des VWG (Wiesbaden) und die Bank Deutscher Länder, schließlich das Deutsche Büro für Friedensfragen (Stuttgart). Vgl. Die Zeit, Nr. 23, 9.6.1949.

89 Friedensburg: Wirtschaftsforschung, S. XIII.

90 Die Zeit, Nr. 23, 9.6.1949.

91 Vgl. dazu: Das Überraschungsei der Institute, in: Wiwo, 19.10.2004.

92 Die unbequemen Ratgeber, in: Die Zeit, Nr. 49, 8.12.1972.

93 Siehe dazu: Bünnagel, Doris: Frühjahrsgutachten. Prognose mit Tradition. Zweimal im Jahr wagen Wissenschaftler eine Vorhersage über das Wirtschaftswachstum, in: Leibniz-Journal 2/2001, www.diw.de/sixcms/detail.php/39151 (20.04.2015).

94 Siehe dazu: Krengel, Rolf: Volkswirtschaftliche Input-Output-Rechnung, Berlin 1953, S. 9.

95 Vgl. Grünig, Ferdinand: Die Anfänge der »Volkswirtschaftli-chen Gesamtrechnung« in Deutschland, Berlin 1951, S. 81.

96 Vgl. Wagemann, Ernst: Konjunkturlehre; siehe auch: Grünig, Anfänge, S. 80.

97 Vgl. dazu: Arndt, Klaus Dieter: Volkswirtschaftliche Gesamt-rechnungen als Instrument der Wirtschaftsbeobachtung durch die deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Institute, in: Konjunkturpolitik – Zeitschrift für Konjunkturforschung 7 (1961), S. 280 f.

98 Siehe dazu: Stäglin, Reiner: Zur Input-Output-Rechnung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bestandsaufnahme, in: Empirische Wirtschaftsforschung. Festschrift für Rolf Krengel aus Anlass seines 60. Geburtstages, Berlin 1980, S. 95.

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Page 108: 1925 · Indikator der aktuellen Konjunktur tendenz in Deutschland. 2010 Mit dem Führungskräftemonitor wird das DIW Berlin Meinungs führer in der Diskussion um die Einführung von

Leseempfehlungen zur vertiefenden Information

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 1925–1945 in der Erinnerung früherer Mitarbeiter, Berlin 1966 (Sonderdruck).12

Friedensburg, Ferdinand: Wirtschaftsforschung und Wirtschaftsführung. Vorträge und Aufsätze. Festgabe für Ferdinand Friedensburg zum 70. Geburtstag, Berlin 1956.

Krengel, Rolf: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin 1986.

Kulla, Bernd: Die Anfänge der empirischen Konjunkturforschung in Deutschland 1925–1933, Berlin 1996.

Messer, Ralf und Wagner, Gert G.: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung als Beispiel für öffentlich finanzierte sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Politikberatung, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Bd. 21, Heft 2, 1998, S. 220-231.

Tooze, Adam: Thesen zur Geschichte des IfK/DIW 1925-1945, hg. vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin 1993 (= DIW Discussion Paper, 82).

Tooze, Adam: Official Statistics and Economic Governance in: Interwar Germany (Dissertation an der London School of Economics), 1996.

Tooze, Adam: Weimar s Statistical Economics: Ernst Wagemann, the Reichs Statistical Office, and the Institute for Business-Cycle Research, 1925-1933, in Economic History Review, Volume 52, No. 3, 1999, S. 523-543.

Wagner, Gert G.: Die verschwiegene Revolution der Volkswirtschaft in den Neuen Bundesländern, in: Gröschner, R. und Reinhard, W. (Hsg.), Tage der Revolution – Tage der Feste, Tübingen 2010, S. 241-251.

Wagner, Gert G.: Quality Control for the “Leading Institutes” of Economic Research in Germany: Promoting Quality within and Competition between the Institutes, in: Weingart, P. und Lentsch, J. (Hsg.), Between Science and Politics: Quality Control and Scientific Policy Advice, Cambridge 2011., S. 215-228

Wissler, Albert, Ernst Wagemann: Begründer der empirischen Konjunkturforschung in Deutschland. Mit einem Geleitwort von Ferdinand Friedensburg (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft 26), Berlin 1954

ABBIlDunGSnAchWEIS

Bundesarchiv: S. 45, 96

Bundesbildstelle: S. 6, 76, 85

DIW-Archiv: S. 13, 15, 28, 35, 39, 56, 57, 59, 69, 71, 76, 81, 96, 97, Umschlag

Landesarchiv: S. 13

Nicholas Berggruen Holdings (Foto: Stefan Müller): S. 28

www.photocase.com: Umschlag

Picture Alliance: S. 69

Baade, Fritz: Schweinefibel, oder: Was jeder Bauer vor dem Decken seiner Sauen bedenken muss, hg. von der Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen, Berlin 1929, S. 11, 13, Zeich-nung: Hermann Abeking: S. 62

Schmitt, Günter (Hg.), Landwirtschaftliche Marktforschung in Deutschland. Arthur Hanau zum 65. Geburtstag, München 1967, S. 2: S. 61, 62

Spiegel-Archiv: S. 39, 80

Staatsbibliothek zu Berlin: S. 17, 49

Ullsteinbild: S. 7, 8, 12, 13, 17, 22, 23, 28, 29, 34, 35, 39, 44, 45, 49, 53, 58, 63, 72, 73, 76, 77, 80, 84, 85, 88, 89, 90, 91, 95, 96, 97, Umschlag

Wikipedia Commons: S. 16

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Leseempfehlungen zur vertiefenden Information

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung 1925–1945 in der Erinnerung früherer Mitarbeiter, Berlin 1966 (Sonderdruck).12

Friedensburg, Ferdinand: Wirtschaftsforschung und Wirtschaftsführung. Vorträge und Aufsätze. Festgabe für Ferdinand Friedensburg zum 70. Geburtstag, Berlin 1956.

Krengel, Rolf: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin 1986.

Kulla, Bernd: Die Anfänge der empirischen Konjunkturforschung in Deutschland 1925–1933, Berlin 1996.

Messer, Ralf und Wagner, Gert G.: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung als Beispiel für öffentlich finanzierte sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Politikberatung, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Bd. 21, Heft 2, 1998, S. 220-231.

Tooze, Adam: Thesen zur Geschichte des IfK/DIW 1925-1945, hg. vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin 1993 (= DIW Discussion Paper, 82).

Tooze, Adam: Official Statistics and Economic Governance in: Interwar Germany (Dissertation an der London School of Economics), 1996.

Tooze, Adam: Weimar s Statistical Economics: Ernst Wagemann, the Reichs Statistical Office, and the Institute for Business-Cycle Research, 1925-1933, in Economic History Review, Volume 52, No. 3, 1999, S. 523-543.

Wagner, Gert G.: Die verschwiegene Revolution der Volkswirtschaft in den Neuen Bundesländern, in: Gröschner, R. und Reinhard, W. (Hsg.), Tage der Revolution – Tage der Feste, Tübingen 2010, S. 241-251.

Wagner, Gert G.: Quality Control for the “Leading Institutes” of Economic Research in Germany: Promoting Quality within and Competition between the Institutes, in: Weingart, P. und Lentsch, J. (Hsg.), Between Science and Politics: Quality Control and Scientific Policy Advice, Cambridge 2011., S. 215-228

Wissler, Albert, Ernst Wagemann: Begründer der empirischen Konjunkturforschung in Deutschland. Mit einem Geleitwort von Ferdinand Friedensburg (= Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Sonderheft 26), Berlin 1954

ABBIlDunGSnAchWEIS

Bundesarchiv: S. 45, 96

Bundesbildstelle: S. 6, 76, 85

DIW-Archiv: S. 13, 15, 28, 35, 39, 56, 57, 59, 69, 71, 76, 81, 96, 97, Umschlag

Landesarchiv: S. 13

Nicholas Berggruen Holdings (Foto: Stefan Müller): S. 28

www.photocase.com: Umschlag

Picture Alliance: S. 69

Baade, Fritz: Schweinefibel, oder: Was jeder Bauer vor dem Decken seiner Sauen bedenken muss, hg. von der Reichsforschungsstelle für landwirtschaftliches Marktwesen, Berlin 1929, S. 11, 13, Zeich-nung: Hermann Abeking: S. 62

Schmitt, Günter (Hg.), Landwirtschaftliche Marktforschung in Deutschland. Arthur Hanau zum 65. Geburtstag, München 1967, S. 2: S. 61, 62

Spiegel-Archiv: S. 39, 80

Staatsbibliothek zu Berlin: S. 17, 49

Ullsteinbild: S. 7, 8, 12, 13, 17, 22, 23, 28, 29, 34, 35, 39, 44, 45, 49, 53, 58, 63, 72, 73, 76, 77, 80, 84, 85, 88, 89, 90, 91, 95, 96, 97, Umschlag

Wikipedia Commons: S. 16

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DIW Berlin — Deutsches Institut

für Wirtschaftsforschung e. V.

Mohrenstraße 58, 10117 Berlin

www.diw.de

Das DIW Berlin ist Mitglied der

»Bei aller Statistik und Mathematik müssen wir aber Ökonomen oder besser Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler bleiben.«

Arthur Hanau war von 1927–1930 Mitarbeiter des „Instituts für Konjunkturforschung” (IfK) und Begründer

der landwirtschaftlichen Marktforschung in Deutschland. Der von ihm geprägte Begriff „Schweinezyklus”

ist auch heute noch als Beispiel für das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage lebendig.