2/ 0&1-2 /4/555555 - Hessisches Wirtschaftsarchiv · nun im vergangenen Jahr Frau Ingrid Krüger...

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Vom 22. November 2012 bis zum 20.Januar 2013 war in der Universitätsbiblio-thek Marburg eine Ausstellung unter demTitel „Industriekultur an Lahn und Dill“ zusehen. Erarbeitet hatten sie Studierendeder Philipps-Universität gemeinsam mitProf. Dr. Otto Volk vom Hessischen Lan-desamt für geschichtliche Landeskundeund Prof. Dr. Christian Kleinschmidt vomInstitut für Wirtschafts- undSozialgeschichte im Rah-men verschiedener Lehrver-anstaltungen.

Die Ausstellung soll fürdie reiche industrielle Hin-terlassenschaft an Lahn undDill sensibilisieren und wei-tere Projekte anregen, diemöglicherweise einmal ineine „Route der Industrie-kultur Mittelhessen“ mün-den. Inzwischen hat sichdas HWA der Ausstellungangenommen. Die Tafelnbleiben inhaltlich unverän-dert, werden aber in Formund Beschaffenheit demStellsystem des HWA ange-passt, sodass sie auch ananderen Orten gezeigt wer-den können. Als Ausstel-lungsorte stehen bereitsLimburg, Weilburg, Dillen-burg, Wetzlar und Gießenfest. Erstmals in ihrer neuenForm wird die Ausstellungim November dieses Jahresin der Sparkasse Wetzlar zu sehen sein.

Bereits jetzt ist der Ausstellungskata-log erschienen, der auf 96 Seiten alle Bil-der und Texte der Ausstellung beinhaltet.In 21 Kapiteln wird der Leser über diebaulichen Reste der wichtigsten Bran-

chen Mittelhessens und ihrer Geschichteinformiert, z.B. über die Eisenindustrie, dieoptische Industrie, den Maschinenbau,die Mineralwasserindustrie und die Brau-ereien. Einen breiten Raum nimmt natür-lich der Bergbau ein. Dazu gibt es Kapitelüber die Zeugnisse des Verkehrs wie Brü-cken, Schleusen oder besonders markan-te Bahnhöfe.

Der Ausstellungskatalog wird ab Juli2013 im Buchhandel oder direkt beimHessischen Wirtschaftsarchiv zu bezie-hen sein und 12,80 € kosten.

Liebe Mitglieder und Freunde des HWA,

anders als Kammern unterliegenUnternehmen nicht den Bestimmun-gen des Hessischen Archivsgesetzes.Sofern es sich nicht um national wert-volles Kulturgut handelt – was gesetz-lich festgestellt werden muss – könnensie mit ihren historischen Unterlagenmachen, was sie wollen. Das ist gut so,denn Regulierungen gibt es schon ge-nug.

Weniger erfreulich ist, dass meist derbequemste Weg gewählt wird, nämlichder der Entsorgung. Bei allem Ver-ständnis für das stressgeplagte Ma-nagement: Ein verantwortlicher Um-gang mit der Unternehmensgeschichtesieht anders aus. Dabei gibt es auchfür kleine und mittelständige Unter-nehmen, die sich kein eigenes Firmen-archiv leisten können, Alternativen.Das Hessische Wirtschaftsarchiv sorgtdafür, dass unersetzliche Archivaliendauerhaft erhalten bleiben und nichtzuletzt auch für das Unternehmenwieder nutzbar gemacht werden. Den-ken Sie also bitte daran, wenn bei Ih-nen das nächste Mal eine Aktenaus-sonderung ansteht.

IhrGerhard Fenge

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Industriekultur in MittelhessenAusstellungskatalog erschienen

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1960er Jahren sogar rund 200 Personen. Sieproduzierten hauptsächlich Daunenköper,Bettbarchent, Matratzendrell und als ganzbesondere Spezialität Jacquarddrell, dane-ben zeitweise auch Markisendrell, Rouleau-stoff, Scheuertücher und Matratzenschoneraus Cellulose. Seit den 1960er Jahren ver-schob sich der Schwerpunkt immer mehrauf Bezugsstoffe für die Automobilindustrie.

Frau Krüger hatte sich wegen der Unter-bringung des Firmenarchivs von Ad. Weverzunächst an das Staatsarchiv Marburg ge-

Die deutsche Tuchindustrie gehörte zuden ersten Branchen, die der „Globalisie-rung“ zum Opfer fiel. Seit 1953 die Wollim-porte nach und nach von Importzöllen be-freit wurden, gestaltete sich die Lage für dieWebereien immer schwieriger. Den Beginndes großen Webereisterbens markiert 1962gewissermaßen der Konkurs der Bad Hers-felder Tuchfabrik Braun. 1967 gab mit derTuchfabrik Rechberg ein weiteres großesUnternehmen in Bad Hersfeld auf. Als sichdas HWA kurz nach seiner Gründung 1992vor Ort auf die Suche nach möglicherweisenoch vorhandenen Unterlagen begab, wardie Enttäuschung groß: Wie es schien, hattekein Unternehmensarchiv die mehr als zweiJahrzehnte seit den Betriebsschließungenüberstanden.

Um so überraschter waren wir, als sichnun im vergangenen Jahr Frau Ingrid Krügeraus Bad Hersfeld in Darmstadt meldete, dieletzte geschäftsführende Gesellschafterinder Weberei Ad. Wever, die erst zum 31. Au-gust 2006 den Betrieb einstellte. In punktoTradition stand dieses Unternehmen Braunund Rechberg in Nichts nach. 1860 warAdolph Wever, Sohn eines Apothekers ausBurg and der Wupper und gelernter Leinen-weber, nach Breitenbach am Herzberg ge-kommen, wo er eine kleine Handwebereiaufbaute. 1867 verlagerte er seinen Betriebins verkehrsgünstiger gelegene Hersfeld.Dort, gegenüber dem Bahnhof, ließ er fünfJahre später ein eigenes Fabrikgebäude er-richten. Vor dem Ersten Weltkrieg beschäf-tigte das Unternehmen bis zu 85, in den

Überraschender Fund in Bad HersfeldHWA übernimmt Archiv der Weberei Ad. Wever

Musterbuch der Ad. Wever KGfür Bezugsstoffe, 1950er Jahre.

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FrankfurterH

wandt, wo sie schließlich an das HWA alszuständige Einrichtung verwiesen wurde.Über die Bedingungen des Depositalvertra-ges wurde schnell Einigkeit erzielt, und be-reits zu Beginn dieses Jahres konnte eingroßer Teil der Unterlagen aus dem altenFabrikgebäude sichergestellt werden. Es istim wahrsten Sinne des Wortes ein bunterBestand, der mit dazu beitragen wird, die Er-innerung an die einst so bedeutende Hers-felder Textilindustrie lebendig zu halten.

Weberei der Ad. Wever AG in Hersfeld, 1928.

erstatter für verschiedene Zeitungen, haupt-sächlich für den Frankfurter Generalanzei-ger. Nach seiner Rückkehr aus dem Kriegsetzte er diese Tätigkeit fort. Er fotografierteweiterhin für die Presse, nahm aber auchimmer häufiger Aufträge aus der Wirtschaftund aus der Tourismusbranche an. Diesmacht seine Aufnahmen für die regionaleWirtschafts- und Unternehmensgeschichteheute so interessant. Zu seinen Auftragge-bern zählten die Ada-Ada Schuh AG , dieAsbach GmbH, das Batelle-Institut, Brön-ners Druckerei, die Cassella AG, Esso, dieHochtief AG, die Seifenfabrik Mouson & Co.,die Fahr AG, die Friedrichsdorfer Zwieback-fabrik Pauly, die Maschinenfabrik Fries,die Neckermann KG, die ApfelweinkeltereiPossmann, Goldpfeil, die KonservenfabrikHelvetia, die Farbwerke Hoechst, die Kalk-werke Steeden, Dunlop und zahlreiche be-

kannte und weniger bekannteUnternehmen mehr. Sein be-sonderes Interesse scheintdem Verkehr gegolten zu ha-ben. Das legen zumindest Tau-sende Einzelaufnahmen vomAuto-, Eisenbahn- und Flug-verkehr nahe.

Es wird sicher noch weite-re Jahre dauern, bis der kom-plette Nachlass erfasst und di-gitalisiert ist. Fernziel ist es,die Bilder im Internet einerbreiten Öffentlichkeit zugäng-lich zu machen.

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Erschließung des fotografischen Nachlasses von Sepp JägerEin Zwischenbericht

Im Dezember 2008 hatten wir in den „in-formationen aus dem hwa“ über eine Ver-einbarung zwischen dem Hessischen Wirt-schaftsarchiv und dem Hessischen Rund-funk berichtet, wonach der umfangreicheNachlass des Frankfurter Fotografen SeppJäger, den der HR von dessen Witwe erwor-ben hatte, im Hessischen Wirtschaftsarchiverschlossen werden sollte. Dank der Unter-stützung eines großzügigen Sponsors, dervon Frau Dr. Lotte Köhler in München ge-gründeten Köhler-Stiftung, konnten inzwi-schen ein knappes Drittel des rund 10.000Filme umfassenden Bestandes digitalisiertwerden. Dabei zeigt sich immer mehr, wel-chen Stellenwert Jägers fotografischesWerk für die Erforschung der Zeitgeschichtein der Rhein-Main-Region hat.

Sepp Jäger, 1907 in Frankfurt a.M. gebo-ren, arbeitete seit 1928 als freier Bildbericht-

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Beisetzung der Opfer derKatastrophe von Lakehurst

auf dem FrankfurterHauptfriedhof, Mai 1937.

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Einfahren des Luftschiffes LZ 129„Hindenburg“ in einen Hangardes Luftschiffhafens Rhein-Main,1938.

Umbenennung der Bahnstation„Mitteldick“ an der Strecke Frankfurt-Mannheim in „Lufthafen Rhein-Main“, 1936.

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kosten.

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Zu den kleinen Schätzen des Hessi-schen Wirtschaftsarchivs gehört der Nach-lass der Familie Hensoldt, ein Depositumvon Frau Christine Belz-Hensoldt. Er enthältBriefe ihres Vorfahren Moritz Hensoldt(1821-1903), seiner Ehefrau und ihren Nach-kommen. Der aus dem thüringischen Saal-feld stammende Moritz Hensoldt gehört ne-ben Ernst Leitz zu den Begründern der opti-schen Industrie in Wetzlar. Bevor er in denfrühen 1860er Jahren in Wetzlar seine opti-sche Werkstatt einrichtete, arbeitete er 1842für die Firma Breithaupt in Kassel, schon da-mals eine führender Hersteller geodätischerGeräte. Von Kassel schrieb er zahlreicheausführliche Briefe an seinen Vater in Saal-feld, in denen er sich mit Vorliebe über sei-nen Meister Friedrich Wilhelm Breithauptbeschwerte. Die folgende Passage stammtaus einem Brief vom 11. April 1842:

In meinem letzten Brief war ich bis zumAbliefern meines Aufsatzes [für ein Instru-ment] gekommen, dieß geschah heute voracht Tagen, doch ging es mir leider dabeinicht nach Wunsch, der Alte [Breithaupt]war gerade übler Laune und hat mich ziem-lich chikanirt, ich müsste allerlei ändern undüber Kleinigkeiten bei der Politur macht er

dann großen Lärm; ich widersprach ihmaber nicht und ließ mir alles gefallen, undänderte das Meiste, den andern Tag sollteich gar ein neues Zugrohr machen, ich ließes aber liegen und fing einen Dreifuß an; amMittwoch war er besser gelaunt und nahmihn mit hinunter (den Aufsatz), ohne dass ichwieder was daran gemacht hatte […].Nachdem er mich so chikanirt hatte, machteer es dem ältesten Geh[ilfen] über gerade soeinen Aufsatz, den dieser schon vor länge-rer Zeit gemacht hatte, eben so; er mussteeine paar Mal was ändern und hat ihn, glau-be ich, auch ein bischen grob behandelt,dieser ließ es sich aber nicht gefallen, son-dern sagte gleich: „Herr Münzmeister, ge-ben Sie mir meinen Zettel“ und ging gleichfort. Ich glaube, dieß war des Alten Absicht,denn der neue Gehülfe warda und es war kein Platz inder Werkstatt leer.

An anderer Stelle (Briefvom 26. Juni 1842) heißt es:

Br[eithaupt] verdient sehrviel Geld an seinen Instru-menten, uns giebt er nichtviel dafür, und er lässt siesich honorig bezahlen; dochspart er nichts, er lebt sehrgut, trinkt brav Champagner,und das meiste Geld wiederverläppert.

Auch über Hensoldts Le-bensumstände in Kassel er-fahren wir einiges (Brief vom25. Mai 1842):

Jetzt fange ich doch an[mich] einzugewohnen, aberdie ersten Tage wollte es mirgar nicht gefallen, und ichverwünschte die großenStädte, und ich sehnte mich nach Hause.Auch die sonderbare Beköstigung war dar-an Schuld, doch schicke ich mich jetzt insie. An den Kaffe war ich so nicht sehr ge-wöhnt, und abends kaufe ich mir eine Art

Koburger Laible, und komme gut aus. Nurmein Zimmer ist mir zu theuer, jährlich 52 ½fl [Gulden] für ein dürftig möbliertes Stüb-chen ist mir doch zu viel, und ich werde spä-ter ein billigeres beziehen, wo ich monatlichvielleicht nur 2 rt [2 Reichstaler = 3 Gulden]zu geben brauche. Dortige Bekannte habeich noch keine, und werde hier auch wenigebekommen. Ich bekümmere mich um Nie-mand, und es kümmert sich auch Niemandum mich. Ich arbeite von 5 Uhr früh bisAbends 7 Uhr, und habe daher nur denSonntag frei, den ich für mich genießen will.[…]

Wir sind [bei Breithaupt] unser 10, 6 Ge-hülfen, ein Schreinergeselle und 3 Lehrlingeund haben 7 Drehbänke, werden aber nocheine neue bekommen. (HWA Abt. 216, Nr. 2

Moritz Hensoldt als Mechaniker bei Breithauptin Kassel

Für Sie gelesen

Jugendbildnis von Moritz Hensoldtnach einem Pastell von F. Kleffedorfer,1841.

Brief von Moritz Hensoldt an seinen Vater, 12. Januar 1840.