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Frank Piller
Sticky Note
2. Auflage erchschienen! Sie lesen die erste Auflage (Okt. 2006) unseres Buchs. Diese steht Ihnen komplett und kostenlos zum Download zur Verfügung. Im April 2009 ist jedoch die stark überarbeitete und ergänzte sowie aktualisierte ZWEITE Auflage unseres Buchs erschienen! Diese erhalten Sie unter www.open-innovation.de.
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2. Auflage erschienen Liebe Leser, im April 2009 ist endlich die zweite und deutlich überarbeitete Auflage unseres Buchs erschienen. Die Kapitelstruktur und wesentliche Definitionen wurden ebenso überarbeitet wie die Fallstudien aktualisiert. Auszüge der überarbeiteten 2. Auflage können Sie wiederum auf der Website zum Buch, www.open-innovation.de, downloaden.

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Ralf Reichwald/Frank Piller

Interaktive Wertschöpfung

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Dieses Buch wird von der Peter-Pribilla-Stiftung gefördert. Ziel der Stiftung ist die Förderung von Forschung und Wissens-transfer auf den Gebieten „Innovation und Leadership“.

Professor Peter Pribilla (*1941, †2003) war Mitglied des Zentralvorstands der Siemens AG und Honorarprofessor an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der TU München.

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Ralf Reichwald/Frank Piller

InteraktiveWertschöpfungOpen Innovation, Individualisierung und neue Formen der ArbeitsteilungKonzepte – Methoden – Praxis

unter Mitarbeit von Christoph Ihl und Sascha Seifert

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1. Auflage Mai 2006

Alle Rechte vorbehalten© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

Lektorat: Barbara Roscher / Jutta Hinrichsen

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.www.gabler.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver-wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zu-stimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fürVervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen imSinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften.

Konzeption und Layout des Umschlags: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.deDruck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, HeusenstammGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN-10 3-8349-0106-7ISBN-13 978-3-8349-0106-4

Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Die diesem Buch zugrunde liegenden Forschungsarbeiten wurden durch die Deutsche For-schungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 582 an der TUMünchen sowie das BMBF im Rahmen der Projekte WinServ (FKZ 01HW0182) und EwoMacs(FKZ 02PD1120) unterstützt.

Autorenkontakt:Prof. Dr. Prof. h. c. Dr. h. c. Ralf Reichwald Dr. Frank PillerTechnische Universität München, MIT Sloan School of ManagementLst. für Information, Organisation u. Mgt. 50 Memorial Drive, E52-513Leopoldstr. 139 Cambridge, MA 0213980804 München [email protected] [email protected]

Web-Seiten zum Buch im Internet:www.prof-reichwald.org/iwswww.open-innovation.com/iws

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2. Auflage erschienen Liebe Leser, im April 2009 ist endlich die zweite und deutlich überarbeitete Auflage unseres Buchs erschienen. Die Kapitelstruktur und wesentliche Definitionen wurden ebenso überarbeitet wie die Fallstudien aktualisiert. Auszüge der überarbeiteten 2. Auflage können Sie wiederum auf der Website zum Buch, www.open-innovation.de, downloaden.

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Ideen, Beispiele und Herausforderungen zurInteraktiven Wertschöpfung – geschrieben vonunseren Kunden: unseren Lesern

Dieses Buch ist eine Innovation, und wir praktizieren „Open Innovation“ mit diesemVorwort. Unsere wichtigsten Kunden, unsere Master- und Executive-MBA-Studentensowie Forschungspartner, haben wir in die Buchproduktion einbezogen. In denVorlesungen und Seminaren der letzten Semester haben wir intensiv Cases undLiteraturbeiträge zu Open Innovation und Mass Customization thematisiert unddiskutiert. So entstand eine Vorabversion zu diesem Buch, und wir konnten unsereKunden einladen, mit uns das Vorwort zu schreiben. Die folgende Einführung istnach den Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung entstanden und wurde aus-nahmslos von unseren Lesern geschrieben. Als Autoren verblieb uns lediglich dieIntegration und Zusammenstellung der Einzelbeiträge. Dabei sind wir nach demInnovationskonzept des Unternehmens Zagat vorgegangen, das in den USA hocherfolgreich Restaurant- und Reiseführer rein auf Basis von Kundenbeiträgen erstellt.Was unsere Kunden hier zustande gebracht haben, hat uns ebenso erstaunt wieerfreut.

Der Einstieg

Den Einstieg bildet die Frage „interaktive Wertschöpfung und Open Innovation –sind das nicht einfach weitere Buzzwords irgendwelcher Berater?“ Die Antwortunserer Kunden heißt Nein: „Ein hervorragendes Beispiel für Open Innovation istdas Open-Logo-Projekt von Spreadshirt.com [ein Anbieter individueller Kleidung].Das Unternehmen lässt nicht nur sein Corporate Design von der eigenen Kunden-Community entwickeln, sondern gibt sein Schicksal und seine Zukunft mehr undmehr in die Hände seiner Kunden ... Dabei geht es nicht mehr rein um T-Shirt-Entwürfe. Zusammen mit der TRND-Agentur werden neue Projektideen undUnternehmensstandbeine aus der Community heraus entwickelt.” “Spreadshirt-Geschäftsführer Lukasz Gadowski hat seine Strategie kürzlich gegenüber demSPIEGEL auf den Punkt gebracht: ‘Wir befähigen die User, ihr eigenes Ding zumachen.’ “

Aber es geht auch viel einfacher: “Letzte Woche habe ich meiner Schwiegermutter einbei ‘personalnovel.de’ individuell gestaltetes Buch geschenkt. Sie spielt die Mutter desHelden, und auch ihr Hund bekam eine Rolle. Das Buch war ein Volltreffer und wurdebei der Geburtstagsfeier eifrig herumgereicht. Das finde ich im Moment das besteMass-Customization-Beispiel, weil es mir (zumindest für dieses Jahr) die Qual [einerpassenden Geschenkwahl] erspart hat.”

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Vorwort

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„Es sind die kleinen Dinge, die den Fortschritt ausmachen“

Diese Beispiele haben gemeinsam, “dass sie den Kunden in den Mittelpunkt derWertschöpfung stellen.” Anstelle einer “rein unternehmensintern dominiertenProduktion und Innovation werden die Kunden zu aktiven Wertschöpfungspartnern.”“Die Vorstufen dieses Ansatzes waren immer Meinungsbefragungen, Markttests etc.”So laden wir [ein Hersteller von Finanzsoftware] “als Banksoftware-Outsourcing-Partner unsere Kunden ein, unsere Software zu testen. Dies beginnt bei den Basistests,die bereits der Kunde wahrnimmt. Durch die Einladung in die Testphase gewinnt derKunde Einblick in die neuen Funktionen des Produkts und kann diese gleich prüfen.Im Weiteren gibt dies uns die Gelegenheit, den Kunden mit seinen Bedürfnissen ken-nenzulernen. Diese Bedürfnisse geben wiederum die Basis für die Fortentwicklungaußerhalb von Management-Schranken wie Kosten/Nutzen – denn oft sind es die klei-nen Dinge, die den Fortschritt ausmachen.”

“Seit es Amateurfunk gibt, wird dort Open Innovation praktiziert.”

Doch interaktive Wertschöpfung “geht weiter als Selbstbedienung oder Markt-forschung.” Im Mittelpunkt steht die “partnerschaftliche Organisation der Leistungs-erstellung” in einer “Community aus Kunden, Nutzern, Herstellern, Lieferanten,Händlern und anderen Quellen innovativen Wissens.” Diese Art der Mitwirkung vonKunden und Nutzern an der Wertschöpfung ist dabei nicht unbedingt neu: “Seit esAmateurfunk gibt, wird dort Open Innovation praktiziert.” Alle wesentlichenEntwicklungen kommen von den Nutzern. “Die Vereine bauen gar Satelliten (Oskar-Satelliten-Programm), die sie weitgehend selbst finanzieren und mit Erstflügen im Allplatzieren. Amateurfunk ist wegweisend im Hochfrequenzbereich …. Der Idealismusder Personen und das hohe Engagement der in der Wirtschaft engagierten Forscherund die Tüftler, die Hochfrequenz betrieben haben – denen verdanken wir heutewesentliche Teile unserer Mobilfunktechnologie.”

“Ich war jahrelang ein eifriger Gestalter von Community-Medien“

Auch im Bereich der Medienproduktion sind Kunden seit vielen Jahren aktiv. “Ich warjahrelang ein eifriger Nutzer/Gestalter von Community-Medien – ob bei einemBürgerradio als Reporter von der Landtagswahl oder als Moderator vonRadiosendungen. Wie sich nun herausstellt, sind Community-Medien, Vereine, etc.Vorreiter in Sachen Open Innovation, denn diese mussten schon immer auf motivierteKunden/Mitglieder und deren Ideen-Reichtum, Innovationsfreude und (Eigen)Initiative bauen. Also all das, was “professionelle” Unternehmen nun gerade lernen.”Für diese aber “ist die Vorstellung, dass auch die Kunden einen wertvollen Beitrag zurLeistungserstellung beitragen und manche Aufgaben besser lösen können als dieHersteller, eine Kulturrevolution.”

“Die Chancen für die Unternehmen liegen auf der Hand: enge Kundenbindung,Aufbau eines Gemeinschaftsgefühls: ‘Das Unternehmen sind wir.’ “ “Gerade unterdem Stichwort ‘Social Commerce’ wird es eine Fülle von neuen Verkaufskonzeptengeben, in denen es mehr um Kaufempfehlungen von Fan zu Fan (bzw. vonFreundin zu Freundin) geht als um den klassischen Kauf im Laden. Empfeh-lungssysteme werden eine Rolle spielen; die Kommunikation wird offener und

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Vorwort

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direkter ablaufen und auch der Wunsch, nach individuelleren (= exklusiveren)Produktangeboten wird steigen.” Wichtigster Treiber aber ist, dass die Anbieter“Zugang zur Kundeninformation bekommen, die in dieser Qualität zu diesen[geringen] Kosten” bislang nicht verfügbar waren. Damit sollen die “Kosten derProduktentwicklung gesenkt und der Spagat zwischen Individualität und Preisgeschlossen” werden.

„Die Gefahr ist groß, dass Unternehmen es übertreiben“

Doch “je aktiver die Kunden werden sollen, desto aktiver muss man sich ausUnternehmenssicht auch um sie kümmern.” “Kunden werden es begrüßen, eingebun-den zu werden. Die große Gefahr ist (heute noch), dass Unternehmen es übertreiben.”Eine große Herausforderung ist deshalb “die Beherrschung der Komplexität ausKundensicht. Kunden trauen sich oft nicht zu, größere Wertschöpfung wie bspw. dasDesign zu betreiben.” Ein Beispiel: “Bei 121Time [ein Anbieter individueller Uhren imInternet] habe ich den Job des Designers übernommen. Was mich sehr nachdenklichgemacht hat, ist die Tatsache, dass ich es … sehr anstrengend empfand, bis ich dasDesign für die Uhr meiner Frau zusammengestellt hatte.” Die “strategischeGrundfrage [ist deshalb], was der Kunde als Partner aktiv mitgestalten soll und vorallem in welcher Umfang”. “Im ‘Café Brotraum’ in München können Kunden massivin die Wertschöpfung von Backwaren eingreifen – müssen dann jedoch auch das kuli-narische Risiko von Senf-Schafskäse Pralinen tragen.” “Die Herausforderung für dieUnternehmen liegt so in einer adäquaten Gestaltung von Schnittstellen zwischenUnternehmen und Kunden, [in der] Reduktion von Komplexität der Produkte undProzesse sowie in einer Verkürzung der Durchlaufzeiten vom Angebot bis zum ferti-gen Produkt.” Denn “die Chance, dem Kunden eine Fülle von (Wahl- undBeteiligungs-)Möglichkeiten bieten zu können, heißt nicht, dass man seinen Kundennicht gleichzeitig auch einfache Lösungen und direkte Wege zum Produkt bieten muss.Unternehmen müssen lernen, beide Möglichkeiten zu bieten.”

“Falls diese Herausforderungen gepackt werden, kann das Unternehmen auf eineriesige Ressource an Ideen und Innovationen zugreifen.”

Eine der größten Herausforderungen ist die soziale Komponente.” “Der Kundedarf sein Mitwirken nicht als mitwirken, sondern als mitgestalten erleben. DerKunde ist ernst zu nehmen und seine Inputs sind stets zu beantworten. Ansonstenfehlt auf Dauer die Glaubwürdigkeit.” “Künftig geht es darum, eine unbekannteMasse von Menschen sozial kompetent zu führen. Hier wird ein enormes Geschickim Umgang mit Menschen gefordert sein. Denn jegliche Ausfälligkeit undUngeschicklichkeit schlägt in weitaus höherem Maße als heute auf dasUnternehmen zurück.”

Im Herstellerunternehmen aber ist “vor allem ein Kulturwandel notwendig.” “AlleMitarbeiter müssen den Nutzen” von interaktiver Wertschöpfung verstehen. “Vorallem die Produktentwicklung darf die Mitwirkung der Kunden nicht als Kon-kurrenz sehen, sondern als Ideen-Lieferant. Falls diese Herausforderungen gepacktwerden, kann das Unternehmen auf eine riesige Ressource an Ideen und Inno-vationen zugreifen.”

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Vorwort

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“Deshalb wünsche ich diesem Buch viele Leser”

“Bei mir [als Kunde] überwiegt jedoch die Freude darüber, endlich vom Unternehmenernst genommen zu werden und selbst einen Beitrag leisten zu können.” “Die Chancensehe ich vor allen Dingen in einer bedarfsorientierten, nachhaltigen Produktionswelt,die unserer Zeit mehr als gut zu Gesicht stehen würde.” “Deshalb wünsche ich diesemBuch viele Leser”, denn es ist aufgrund “seiner hohen markt- und gesellschaftspoliti-schen Bedeutung” ein “wichtiger” Beitrag, “um der interaktiven Wertschöpfung, ent-sprechend ihres enormen Potentials, auf breiter Ebene zeitnah zu mehr Popularität undVerbreitung zu verhelfen.”

Basierend auf Beiträgen von Peter Arnold, Wolfgang Bauhaus, Paul Blazek,Stefanie Breuer, Martin Dietram, Alexander Dorn, Gaby Egelwiße, ElhaElezovic, Patrick Eichhorn, Silvia Fenz, Robert Freund, Johannes Hache,Andreas Helms, Steffi Jansen, Timo Jäger, Joachim Kant, Tanja Kempf,Jochen Krisch, Ulrike Kustermann, Thomas Lippert, Bastian Merfels,Melanie Müller, Sabine Pabst, Miriam D. Pattberg, Peter Raabe, ChristophSchmidt, Dorothee Schmitt, Christian Schönherr, Anja Seidler, JohannesSteuerwald, Christoph Stotko, Alexander Ullrich, Jörg Vogt, StefanWalchberg, Christian Waller, Claudia Wiesmann, Stefanie Wolf, Andrea M.Zehetner und Günther Zonner.

Danksagung

Allen oben aufgeführten Personen sagen wir Dank für ihre Beiträge zum Gemein-schaftswerk. Doch nicht nur das Vorwort, sondern auch weite Teile des Buches wärenohne unsere Partner in Forschung und Praxis nicht entstanden. Wir danken dabei anerster Stelle dem Team des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre: Information,Organisation und Management (IOM) der Technischen Universität München (TUM)für die vielfältige Unterstützung und die kreativen Inputs aus zahlreichen empirischenForschungsprojekten des Lehrstuhls, insbesondere Angelika Bullinger, MelanieMüller, Dominik Walcher, Hagen Habicht, Klaus Moser, Daniel Rackensperger,Michael Ney und Jutta Hensel. Unsere Mitautoren Christoph Ihl und Sascha Seiferthaben in den Kapiteln 2 und 3 mit wesentlichen Ideen dieses Buch geprägt und warenuns stets exzellente Sparingpartner bei der Diskussion unserer Entwürfe.

Wesentliche Teile dieses Buches basieren auf Konzepten und Inhalten, die im Rahmendes Sonderforschungsbereichs „Marktnahe Produktion individualisierter Produkte“(vgl. Lindemann/ Reichwald / Zäh 2000) entwickelt wurden. Wir danken allen Kollegenund Kolleginnen des Forschungsverbundes, vertreten durch den Sprecher des SFB 582,Herrn Prof. Dr. Udo Lindemann, und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für dieFörderung. Ebenso haben wir aus den Forschungsprojekten des Förderprogramms„Innovative Dienstleistungen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung(BMBF) profitiert, besonders aus den Projekten WINSERV (Reichwald / Mayer /

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Vorwort

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Engelmann / Walcher 2006) , MACS und COSMOS (Krcmar / Reichwald / Schlichter /Baumgarten 2005) sowie aus den Projekten EUROSHOE und CEC derFörderprogramme der Europäischen Union. Wir danken den Förderinstitutionen fürihre wertvolle Unterstützung und unseren Projektpartnern aus Wissenschaft undPraxis für die ausgezeichnete Kooperation.

Das Buch hat nicht zuletzt von unserer Verankerung in mehrere internationaleForschernetzwerke profitiert. Hier ist neben der Mass-Customization-Community vorallem die Forschergruppe um Eric von Hippel am Massachusetts Institute ofTechnology (MIT), Boston, USA, zu nennen. Viele der grundlegenden Konzepte undIdeen dieses Buches sind von dieser Kooperation geprägt – ebenfalls ein ausgezeichne-tes Beispiel für Open Innovation in der Wissenschaft.

Eine Vielzahl innovativer Manager und Entrepreneure in Europa und in den USAhaben fürdie empirische Fundierung unserer Gedanken gesorgt. Ohne ihre Offenheit und Aus-kunftsbereitschaft hätten viele der Fallstudien und Beispiele in diesem Buch nicht entstehenkönnen. Auf Interviews, bei Firmenbesuchen und in Arbeitskreisen und Veranstaltungendes Lehrstuhls haben sie mit uns diskutiert und unsere Gedanken auf die Probe gestellt –und oft durch neue Ideen aus der Praxis nachhaltig erweitert. Gleiches gilt auch für unsereStudenten in München und Cambridge sowie in MBA-Kursen an anderen Institutionen, dieebenfalls durch ihre Beiträge die Konzeption dieses Buchs wesentlich mitgeprägt haben.

Der Gabler Verlag war wieder einmal ein kompetenter und flexibler Partner, der sich vonunseren innovativen Ideen mitreißen ließ. Wir stellen eine Kurzfassung dieses Buchesunter einer Creative-Commons-Lizenz auf der Web-Site zu diesem Buch ins Netz, diesich jeder Interessent kostenlos beschaffen kann. Auch der Verlag betritt mit diesemProduktionskonzept Neuland, und wir danken Frau Barbara Roscher und Frau JuttaHinrichsen für ihre große Unterstützung bei diesem Buchprojekt. Frau Gabriele Singervom Verlag danken wir für die sorgfältige Umsetzung der Gestaltung dieses Buches.

Unsere Leser ermuntern wir zur Mitwirkung bei der interaktiven Weiterentwicklungdieses Buches. Senden Sie uns Ihre Beispiele, Kommentare und Verbesserungsvor-schläge und wirken Sie somit an der nächsten Auflage dieses Lehrbuchs interaktiv mit.Wir freuen uns über jeden Beitrag von Ihnen!

München und Cambridge / Boston

Ralf Reichwald und Frank Piller ([email protected] | [email protected])

Vorwort

Das Buch im Netz:

Im Internet finden Sie einen umfangreichen Begleitdienst zu diesem Buch mit vielenweiteren Informationen:

www.prof-reichwald.org/iws oder www.open-innovation.com/iws

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1 Einleitung und Überblick:Die aktive Rolle von Kunden in der Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1

2 Organisation der arbeitsteiligen Wertschöpfung: Entwicklungen undTrends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11

2.1 Eine Übersicht der Evolution von Wert und Wertschöpfung . . . . . . . . . . . .112.2 Die tayloristische Industrieproduktion: hierarchische

Organisation der Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142.2.1 Tayloristische Prinzipien der wissenschaftlichen

Betriebsführung: Produktivitätsoptimierung unter stabilenBedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14

2.2.2 Gesetze der Produktivität und Kostenwirtschaftlichkeit . . . . . . . .182.2.3 Grenzen des Taylorismus: Heterogenisierung der

Nachfrage und Empowerment aktiver Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . .212.3 Auflösung der Unternehmensgrenzen: Von der internen

Abwicklung zu Netzwerken und Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .272.3.1 Marktorientierung und Flexibilität als Leitziele in

Unternehmensnetzwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .292.3.2 Ökonomie der Netzwerkorganisationen und

Move-to-the-Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .332.3.3 Grenzen der grenzenlosen Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .39

2.4 Interaktive Wertschöpfung – neue Formen der Arbeitsteilung unddes Wissenstransfers zwischen Anbietern und Kunden . . . . . . . . . . . . . . . .412.4.1 Prinzipien und Eigenschaften der interaktiven Wertschöpfung . . .422.4.2 Kundenintegration und Lösungsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .472.4.3 Arbeitsteilung und Organisation in der interaktiven

Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .542.4.3.1 Arbeitsteilung und Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .542.4.3.2 Logik der Arbeitsteilung nach dem Konzept der

“wissensökonomischen Reife” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .562.4.3.3 Logik der Arbeitsteilung nach dem Konzept der

“sticky information” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .572.4.3.4 “Commons-based Peer Production” als

Organisationsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .582.4.3.5 Organisation der Informations- und

Wissensproduktion: Offenheit vs. proprietärerSchutz von Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65

2.4.4 Interaktive Wertschöpfung aus Kundenperspektive:Free Revealing und Nutzen der Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72

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Inhaltsverzeichnis

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2.4.5 Interaktive Wertschöpfung aus Unternehmensperspektive:Effiziente Differenzierung und Zugriff auf knappe Ressourcen . . .75

2.4.6 Interaktionskompetenz und interaktionsförderlicheOrganisations- und Kommunikationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . .81

2.4.7 Grenzen der interaktiven Wertschöpfung:Aufgabenteilung und Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .91

3 Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation . . . . . . . . . . . . .95

3.1 Der interaktive Innovationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .973.2 Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im

Innovationsprozess:der Weg zu Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1053.2.1 Ansätze der Kundenorientierung: “Voice of the Customer” . . . . .1063.2.2 Innovationsprozesse in interorganisationalen Netzwerken . . . . . .1143.2.3 Kunden als Quelle von Innovationen:

Vom Manufacturer-Active zum Customer-Active Paradigm . . . . .1203.2.4 Open Innovation: Ein Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .128

3.3 Die Kundenperspektive: Beteiligung an Open Innovation . . . . . . . . . . . . .1353.3.1 Eigenschaften von Kundeninnovatoren (Lead Usern) . . . . . . . . . .1373.3.2 Unzufriedenheit mit bestehenden Lösungen und

Erwartung eines besseren Fit zwischenProdukteigenschaftenund Kundenbedürfnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .142

3.3.3 Erfolgreiche Absolvierung einer lohnenswerten Aufgabeund Stolz auf das Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .144

3.3.4 Reduktion von Unsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1463.3.5 Soziale Bestätigung und externe Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . .1463.3.6 Kosten der Beteiligung am Innovationsprozess aus Sicht

der Nutzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1473.4 Die Unternehmensperspektive – Wettbewerbsvorteile durch

Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1493.4.1 Reduzierung der Time-to-Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1503.4.2 Reduzierung der Cost-to-Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1513.4.3 Steigerung des Fit-to-Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1523.4.4 Erhöhung des New-to-Market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1533.4.5. Kosten aus Sicht des Herstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .154

3.5 Instrumente von Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1553.5.1 Die Lead-User-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1563.5.2 Toolkits für Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1633.5.3 Innovationswettbewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1723.5.4 Communities für Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .176

4 Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Individualisierung undMass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .191

4.1 Produktindividualisierung und Mass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . .1934.1.1 Der Begriff Produktindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .193

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4.1.2 Mass Customization als Ausprägung einerProduktindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .198

4.1.3 Prinzipien und Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1994.1.4 Einordnung der Produktindividualisierung in das Konzept

der interaktiven Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2074.1.5 Effizienzkriterien interaktiver Wertschöpfung bei

Produktindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2144.2 Kosteneffizienz von Individualproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .215

4.2.1 Zusätzliche Kosten durch Produktindividualisierung . . . . . . . . . .2164.2.2 Neue Kostensenkungspotenziale durch

Produktindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2234.3 Markteffizienz von Individualproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .230

4.3.1 Einfluss auf die Produktqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2314.3.2 Einfluss auf die Prozessqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2324.3.3 Preispolitische Potenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2324.3.4 Zusammenfassende Betrachtung der Effizienzwirkung

interaktiver Wertschöpfung durchProduktindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .234

4.4 Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion beiMass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2374.4.1 Übersicht und Phasenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2384.4.2 Kommunikationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2414.4.3 Exploring-Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2444.4.4 Konfigurationsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2454.4.5 Wartezeit und Lieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2514.4.6 Feedback und After-sales-Phase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2524.4.7 Wiederholungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .253

5 Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .257

5.1 Von Mass Customization zu Open Innovation bei derAdidas-Salomon AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .257

5.2 Wikipedia als Beispiel einer interaktiven Wertschöpfung inNutzer-Communities von Informationsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .270

5.3 Mass Customization in der Reisebranche – kundenindividuellesReisen mit Dynamic Packaging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .279

5.4 Linel GmbH: Entwurf eines Mass-Customization-Konzepts fürdie Wasser- und Abwasserfiltrationsbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .294

5.5 Effizienz der interaktiven Wertschöpfung – eine Kalkulation amBeispiel von Maßkonfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .303

6 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .313

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .319

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .355

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Kasten 1–1 Threadless: Interactive Value Creation With and By Consumers . . . . . .2Kasten 2–1: Henry Ford und das “Modell T” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .15Kasten 2–2: Wichtige Funktionen und Gesetzmäßigkeiten der klassischen

Produktionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19Kasten 2–3: Literaturempfehlungen zum Wandel der Märkte und zum

Empowerment der Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .27Kasten 2–4: Das Beispiel Dell: Netzwerke als Antwort auf den marktlichen

und technologischen Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28Kasten 2–5: Organisationsgrenzen: Begriff und Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31Kasten 2–6: Ansätze zur Erklärung organisationaler Grenzen:

Transaktionskosten und Property-Rights-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . .34Kasten 2–7: User Innovation in Kite-Surfing: Dominierung der

Wertschöpfung durch die Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .41Kasten 2–8: Spreadshirt: Rasantes Wachstum durch Interaktive

Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51Kasten 2–9: Literaturempfehlungen zu grundlegenden Schriften zur

Kundenintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .53Kasten 2–10: Could The Culture of Participation Threaten The Existence

of The Firm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .64Kasten 2–11: Skaleneffekte der Informationsproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .67Kasten 2–12: Literaturempfehlungen zu den Prinzipien der Arbeitsteilung

und Organisation der interaktiven Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . .71Kasten 2–13: Literaturempfehlungen zu den Wettbewerbsvorteilen durch

Interaktive Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .81Kasten 2-14: Literaturempfehlungen zur Interaktionskompetenz und zu interak-

tionsförderlichen Organisations- und Kommunikationsstrukturen . . . .91Kasten 3–1: Innocentive: Ideenbörse für Tüftler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96Kasten 3–2: Quality Function Deployment (QFD) als umfassende Methode

eines kundenorientierten Innovationsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111Kasten 3–3: Procter & Gamble’s Strategy to Harness Outside Talent to

Boost Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .114Kasten 3–4: Portrait of a User Innovator: How Bette Nesmith Graham

(1922-1980) invented Liquid Paper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .124Kasten 3–5: Ein Interview mit Eric von Hippel, MIT, über die

Demokratisierung von Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .127Kasten 3–6: What’s Really Up with Web 2.0: Customer Innovation and

Design It Yourself . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .132Kasten 3–7: Literaturempfehlungen zu Grundidee und Hintergrund von

Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .135

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Kasten 3–8: Motives and Tools of Do-It-Yourself Inventors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .141Kasten 3–9: Literaturempfehlungen zur Kundenperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . .149Kasten 3–10: Literaturempfehlungen zur Herstellerperspektive . . . . . . . . . . . . . . . .155Kasten 3–11: Literaturempfehlungen zur Lead-User-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . .163Kasten 3–12: Prototyping und Experiment als grundlegende Idee von Toolkits . . .165Kasten 3–13: Ein Toolkit in der Nahrungsmittelindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .168Kasten 3–14: Literaturempfehlungen zu Toolkits für Open Innovation . . . . . . . . . .172Kasten 3–15: Ideenwettbewerb bei Swarovski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .177Kasten 3–16: Beispiel zur Interaktiven Wertschöpfung in

Innovation-Communities: Die Entstehung von Linux . . . . . . . . . . . . .181Kasten 3–17: Open Invention Network Formed to Promote Linux and Spur

Innovation Globally Through Access to Key Patents . . . . . . . . . . . . . .182Kasten 3–18: Beispiele der Übertragung des Gedankens der

Open-Source-Software-Entwicklung auf andere Bereiche . . . . . . . . . .183Kasten 3–19: Nutzung von Input aus Kunden-Communities bei MUJI . . . . . . . . . .188Kasten 3–20: Literaturempfehlungen zu Open Innovation Communities . . . . . . . . .189Kasten 4–1: mi adidas: Das Mass-Customization-Programm von Adidas . . . . . . .192Kasten 4–2: Eigenschaften von Mass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .204Kasten 4–3: Literaturempfehlungen zu den Grundlagen der

Produktindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .215Kasten 4–4: Mass-Customization-Produktionstechnologie Rapid

Manufacturing: Die Brille aus dem Drucker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .218Kasten 4–5: Loewe Individual-Fernseher als Alternative für eine

Produktion am Standort Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .234Kasten 4–6: Literaturempfehlungen zur Markt- und Kosteneffizienz von

Mass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .237Kasten 4–7: Kundenintegration in das Produktdesign am Beispiel des

Internet-Toolkits von Factory 121 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .239Kasten 4–8: Web Sites Offering Personalized Products Catch Fire

Among Vcs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .243Kasten 4–9: LEGO Factory: Von Mass Customization zu User Innovation . . . . . . .254Kasten 4–10: Literaturempfehlungen zur Gestaltung der

Kundeninteraktion bei Mass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .255Kasten 5–1: Die Konkurrenz: Mass Customization bei Nike . . . . . . . . . . . . . . . . . . .259Kasten 5–2: Beispiele für Maßkonfektion im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .304

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Abbildung 2–1: Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktivenWertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13

Abbildung 2–2: Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsführung nachTaylor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .16

Abbildung 2–3: “Principles of Common Wisdom” - Rahmenbedingungen undPrinzipien der tayloristischen Industrieorganisation . . . . . . . . . . . .17

Abbildung 2–4: Alternative Wertschöpfungsarrangements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36Abbildung 2–5: Einfluss der neuen Informations- und

Kommunikationstechnologien (IKT) auf dieVorteilhaftigkeit von Organisationsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . .37

Abbildung 2–6: Das Modell der interaktiven Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44Abbildung 2–7: Kundenintegration zur Produktion von Dienstleistungen

und individuellen Produkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48Abbildung 2–8: Ebenen der interaktiven Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51Abbildung 2–9: Logik der Arbeitsteilung zwischen Unternehmen

und Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58Abbildung 2–10: Einsparungen von externen Transaktionskosten in der

interaktive Wertschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .61Abbildung 2–11: Gütertypologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .68Abbildung 2–12: Das Kontinuum zwischen implizitem und explizitem Wissen . . . .70Abbildung 2–13: Interaktive Wertschöpfung und Unternehmenserfolg . . . . . . . . . . .80Abbildung 2–14: Unterscheidung von technisch-naturwissenschaftlichem

Wissen und Anwendungswissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .83Abbildung 2–15: Bausteine der Interaktionskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .86Abbildung 2–16: Trade-Off zwischen Produktionskosten und

Transaktionskosten in der interaktiven Wertschöpfung . . . . . . . . . .92Abbildung 3–1: Ziele von Prozessinnovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99Abbildung 3–2: Arten von Innovationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .101Abbildung 3–3: Phasen eines idealtypischen Innovationsprozesses . . . . . . . . . . . . .102Abbildung 3–4: Faktoren von Kundenorientierung im Innovationsprozess . . . . . .107Abbildung 3–5: Typische konventionelle Methoden der Datengewinnung

zum Zugang zu Bedürfnisinformation(“voice of the customer”) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .110

Abbildung 3–6: Closed versus Open Innovation nach Chesbrough . . . . . . . . . . . . .119Abbildung 3–7: Ausgewählte Studien zum Anteil innovativer

Nutzer an allen Nutzern der Produkte einer Branche . . . . . . . . . .121Abbildung 3–8: Vom MAP zum CAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .123Abbildung 3–9: Gegenüberstellung des Lead-User-Gedankens und des

klassischen “Voice of the Customer”-Konzepts . . . . . . . . . . . . . . .130

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Abbildung 3–10: Determinanten der Kundenbeteiligung an Open Innovation . . . .136Abbildung 3–11: Wettbewerbsvorteile durch Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . .150Abbildung 3–12: Phasen der Lead-User-Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .157Abbildung 3–13: Die Suchtechniken Pyramiding und Screening . . . . . . . . . . . . . . . .160Abbildung 3–14: Kreativitätstechniken im Innovationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . .162Abbildung 3–15: Ablauf des iterativen Problemlösungsprozesses im

klassischen Innovationsprozess und bei Einbezug derNutzer mittels Toolkits für Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . .164

Abbildung 3–16: Arten von Toolkits für Open Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167Abbildung 3–17: Beispiele für Toolkits für User Co-Design in der

Schuhindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170Abbildung 3–18: Merkmale virtueller Communities . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178Abbildung 3–19: Beispiele für Meinungsplattformen und Marken-Communities

im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .185Abbildung 4–1: Idealpunkte eines Produkts aus Kundensicht (Nr. 1-4) im

Vergleich zu den realen Produkteigenschaften (P*) alsKaufentscheidungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .194

Abbildung 4–2: Möglichkeiten der Produktindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . .196Abbildung 4–3: Merkmale der Individualisierung und Standardisierung

auf Produktebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .197Abbildung 4–4: Prinzipien von Mass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .200Abbildung 4–5: Zeitpunkte der Integration des Kunden in die

Leistungserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209Abbildung 4–6: Auftragsneutrale und kundenbasierte Vorfertigung . . . . . . . . . . . .212Abbildung 4–7: Übersicht der Treiber der Effizienz interaktiver

Wertschöpfung bei Produktindividualisierung . . . . . . . . . . . . . . . .215Abbildung 4–8: Aufbau von “Learning Relationships” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .228Abbildung 4–9: Qualitativer Vergleich der Wertschöpfungsmodelle in

Bezug auf wesentliche Kostenarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .229Abbildung 4–10: Kosten und Nutzen einer Mass-Customization-Strategie

aus Sicht des Anbieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .235Abbildung 4–11: Phasen der Kundeninteraktion bei Mass Customization . . . . . . . .239Abbildung 4–12: Der Konfigurationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .246Abbildung 4–13: Einsatzumgebungen von Toolkits für User Co-Design . . . . . . . . . .247Abbildung 4–14: Aufgabenumfang eines Produktkonfigurationssystems für

Mass Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .248Abbildung 5–1: Der ‘mi adidas’-Konfigurationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .261Abbildung 5–2: Aufbau der Gestalte-Seite des Ideenwettbewerbs . . . . . . . . . . . . . .264Abbildung 5–3: Verteilung der Ideen auf die unterschiedlichen Phasen . . . . . . . . .267Abbildung 5–4: Verteilung des Kreativscores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .268Abbildung 5–5: Der Ideenwettbewerb als Methode zur Identifikation von

Lead Usern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .269Abbildung 5–6: Ausschnitt aus der Hauptseite der deutschsprachigen

Wikipedia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .271Abbildung 5–7: Diagramm der Wikimedia-Server-Architektur vom

12. April 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .278

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Abbildung 5–8: Gesamtumsatz und Umsatzentwicklung der deutschenReisebranche on- und offline 1999 bis 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .282

Abbildung 5-9: Wichtige Angebote großer Online-Reiseagenturen im Internet . . . . .283Abbildung 5-10: Wichtige Angebote großer, "klassischer"

Reiseveranstalter im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .284Abbildung 5–11: Funktionaler Vergleich wichtiger

Dynamic-Packaging-Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .286Abbildung 5–12: Funktionalschema der Reisevermittlung durch Online-

Reiseagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .287Abbildung 5–13: “Click&Mix“-Angebot auf expedia.de . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .288Abbildung 5–14: Individualisierung des Fluges, der Zimmerausstattung,

des Mietwagens sowie Auswahl einer Reiseversicherung . . . . . . .289Abbildung 5–15: Tourdesigner der Jacana Tours GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .290Abbildung 5–16: Prozess aus Sicht des Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .291Abbildung 5–17: Mögliche Module einer Filtrationsanlage und ihre

Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .297Abbildung 5–18: Darstellung eines Konfigurators für

Membranfiltrationsanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .298Abbildung 5–19: Beispielmodul Wartung & Reparatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .299Abbildung 5–20: Wertschöpfungskette bei Maßkonfektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .304Abbildung 5–21: Kostenstruktur Maßkonfektionsware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .305Abbildung 5–22: Vergleich Abschriften bei Massenkonfektion und Mass

Customization . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .306Abbildung 5–23: Kostenerhöhung bei individueller Fertigung von

Konfektionsware in Asien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .309Abbildung 5–24: Durchlaufzeiten der kundenindividuellen

Massenfertigung einer Damenhose in Asien . . . . . . . . . . . . . . . . . . .310

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Abbildungsverzeichnis

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2. Auflage erschienen Liebe Leser, im April 2009 ist endlich die zweite und deutlich überarbeitete Auflage unseres Buchs erschienen. Die Kapitelstruktur und wesentliche Definitionen wurden ebenso überarbeitet wie die Fallstudien aktualisiert. Auszüge der überarbeiteten 2. Auflage können Sie wiederum auf der Website zum Buch, www.open-innovation.de, downloaden.

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Wenn wir in diesem Buch vom Konzept der interaktiven Wertschöpfung sprechen, sosteht für uns als Besonderheit die aktive Rolle des Kunden in der Wertschöpfung imMittelpunkt. Der Kunde ist in unserem Konzept nicht mehr nur passiver Empfängerund Konsument einer von Herstellern autonom geleisteten Wertschöpfung. Vielmehrtreten Kunden als Wertschöpfungspartner von Unternehmen auf, indem sie Produkteoder Dienstleistungen mitgestalten und teilweise sogar deren Entwicklung undHerstellung bestimmen oder übernehmen. Aus der von Unternehmen dominiertenWertschöpfung wird durch die aktive Rolle der Kunden eine interaktive Wert-schöpfung.1

Was ist interaktive Wertschöpfung?

Interaktive Wertschöpfung heißt Kooperation und sozialer Austausch. Das Konzeptder interaktiven Wertschöpfung geht von einem stark kooperativen Prozess aus, indem der Kunde nur im Extremfall dominiert. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dassKunden in der Regel nicht allein die finanziellen und materiellen Ressourcen aufbrin-gen können und wollen, um einen komplexen und langwierigen Wertschöpfungs-prozess ohne Unterstützung eines Herstellers zu gestalten. In der Regel signalisiert derHersteller seine Empfangsbereitschaft für Kundenbeiträge zur Wertschöpfung, indemer spezielle Infrastruktur und Ressourcen bereitstellt. Die Rolle der Kunden geht dabeiaber weit über den Aufbau eines Regals von Ikea oder eine Selbstbedienung amBankautomaten hinaus. Dies sind zwar auch Formen einer Arbeitsteilung zwischenAnbieter und Abnehmern, jedoch finden sie rein auf einer operativen Ebene innerhalbeines engen Lösungsrahmens statt. Wir wollen dagegen auf Wertschöpfungsprozessefokussieren, die durch einen weiten Lösungsraum gekennzeichnet sind. So könnensich Kunden als Lieferanten von in Markttests und Pilotierungen erworbenerAnwendungserfahrung oder aber als Mitgestalter der Produktentwicklung erweisen,die Ideen für neue Produkte beisteuern, an der Konzeptentwicklung mitarbeiten oderProdukte designen und konfigurieren (Dahan / Srinivasan 2000; Franke / Piller 2003;Brockhoff 2005).

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1 Einleitung und Überblick:Die aktive Rolle von Kunden inder Wertschöpfung

1 Hinweis: Unter einem Kunden verstehen wir den Abnehmer und vor allem Nutzer einerLeistung und unter einem Unternehmen den Anbieter und vor allem den Hersteller einerLeistung. Ein Kunde bzw. Nutzer kann dabei auch ein Unternehmen sein (im B-to-B-Geschäft). Bei der Leistung kann es sich sowohl um materielle Produkte als auchDienstleistungen handeln, oft ist das Leistungsobjekt bei interaktiver Wertschöpfung auch einProdukt-Service-Bündel.

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Das Beispiel von Threadless

Ein konkretes Beispiel, wie wir interaktive Wertschöpfung verstehen, liefert das Unter-nehmen Threadless. Das im Jahre 2000 in Chicago gegründete Unternehmen verkauftmit großem Erfolg ein eigentlich einfaches Produkt: bedruckte T-Shirts. Die beidenGründer und ihre knapp 20 Mitarbeiter erwirtschaften aber mit diesem Produkt inzwi-schen pro Monat Gewinne in Höhe von mehreren Einhunderttausend Dollar und ver-kaufen mehr als 50.000 T-Shirts pro Monat (Ogawa / Piller 2006). Sie schaffen dies, daalle wesentlichen wertschöpfenden Aufgaben an die Kunden ausgelagert sind, die die-sen mit großer Begeisterung nachkommen (siehe Kasten 1–1 für eine ausführlicheDarstellung). Die Kunden designen die T-Shirts und machen Verbesserungsvorschlägezu den Entwürfen anderer. Sie screenen und bewerten alle Entwürfe und wählen die-jenigen aus, die aus der Konzeption in die Produktion gehen sollen. Sie übernehmendabei das Marktrisiko, da sie sich zum Kauf eines Wunsch-T-Shirt (moralisch) ver-pflichten, bevor dieses in Produktion geht. Die Kunden übernehmen die Werbung, stel-len die Models und Photographen für die Katalogphotos und werben neue Kunden.

Die Kunden fühlen sich dabei aber nicht etwa ausgenutzt, sondern zeigen im Gegen-satz große Begeisterung für das Unternehmen, das ihnen diese Mitwirkung ermög-licht. Sie beschützen Threadless vor Nachahmern (deren Web-Sites sie hacken) undübermitteln unzählige Ideen, wie das Unternehmen noch besser und produktiver wer-den kann. Threadless selbst fokussiert sich auf die Bereitstellung und Weiternetwick-lung einer Interaktionsplattform, auf der die Interaktion mit und zwischen ihrenKunden abläuft. Das Unternehmen definiert zudem die Spielregeln, honoriert dieKunden-Designer, deren Entwürfe für eine Produktion ausgewählt wurden und steu-ert den eigentlichen materiellen Leistungserstellungsprozess (Herstellung undDistribution).

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Die aktive Rolle von Kunden in der Wertschöpfung

(Quelle: Auszug aus dem Arbeitspapier “Collective Customer Commitment” von Susumu Ogawaund Frank Piller, MIT User Innovation Working Paper Series, Cambridge, MA 2005)

Threadless, a young Chicago-based fashion company, follows an innovative business model thattakes some ideas from postponement and customization, but mixes them with new ways of custo-mer interaction to create high variety products without risks, and without heavy investments in mar-ket research. In fact, it follows a strategy that turns market research expenditures into quick sales.Started in 2000 by designers Jake Nickell and Jacob DeHart, Threadless focuses on a hot fashionitem, t-shirts with colorful graphics. This is a typically hit-or-miss product. Its success is defined byfast changing trends, peer recognition, and finding the right distribution outlets for specific designs.Despite these challenges, none of the company’s products ever flopped. But Threadless has neit-her a sophisticated market research or forecasting capabilities nor a complicated flexible manufac-turing system. Rather, all products sold by Threadless are inspected and approved by user con-sensus before any larger investment is made into a new product. Only after a sufficient number ofcustomers have expressed their willingness to buy a new design, the garment is produced. If thiscommitment is missing, a potential design concept is dismissed. But if enough customers pledgeto purchase the product, the design will be finalized and go into production. In this way, market

Kasten 1–1 Threadless: Interactive Value Creation With and By Consumers

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Eine neue Form der Arbeitsteilung entsteht

Was sich in diesem Beispiel als kreative Spielerei Einzelner anhört, ist kein Einzelfall.Eine Vielzahl an Beispielen aus verschiedensten Branchen zeigt, dass die aktive Rollevon Kunden und Anwendern in der Wertschöpfung weder ein rein akademisches nochein für die Praxis neues Phänomen ist. In jüngster Zeit ist auch zu beobachten, dassimmer mehr etablierte Unternehmen (z. B. Audi, Adidas, BMW, Huber Group, Eli Lillyoder Procter&Gamble) mit der Einführung dezidierter Infra- und Organi-sationsstrukturen für die interaktive Wertschöpfung mit Abnehmern begonnen haben.Auch andere Neugründungen wie MySQL, Threadless.com oder Zagat haben wieThreadless ihr Geschäftsmodell ganz auf die Entwicklung ihrer Produkte durchKunden ausgerichtet. Nicht zuletzt begünstigt durch neue Möglichkeiten der

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Die aktive Rolle von Kunden in der Wertschöpfung

research expenditures are turned into early sales. New designs regularly sell out fast, but arereproduced only if a large enough number of additional customers express interest in a reprint.

Also the designs are submitted entirely by the community, which includes hobbyists, but also pro-fessional graphic designers. The company exploits a large pool of talent and ideas to get newdesigns (much larger than it could afford if the design process would have been internalized).Creators of submissions which are selected by other users get a $1000 reward, and their name isprinted on the particular t-shirt’s label. Since Threadless’ launch, over 300 winning designs havebeen chosen for print from more than 32,000 submissions. The Threadless community is thrivingwith over 150,000 users signed up to submit, evaluate, score, and purchase new designs.

This method eliminates the risk of new product developments. The commitment of the users toscreen, evaluate and score new designs provides a powerful mechanism to reduce flops of newproducts. The method breaks with the known practices of new product development. It utilizes thecapabilities of customers and users for the innovation process. The process starts when either aconsumer or the development team of a manufacturer posts an idea for a desired product on adedicated web site. Second, reactions and evaluations of other consumers towards the postedidea are encouraged in form of internet forums and opinion polls. Based on the results of this pro-cess, the company investigates the possibility of commercialization of the most popular designs.Is this evaluation positive, the company decides about a minimum amount of purchasers necessa-ry to produce the item for a given sales price, covering its initial development and manufacturingcosts (and the desired margin). The new product idea is then presented to the customer commu-nity, and interested customers are invited to express their commitment to this idea by voting for thedesign or even placing an order. Accordingly, if the number of interested purchasers exceeds theminimum necessary lot size, merchandising is settled and sales are commenced.

Instead of investing in highly flexible manufacturing systems and dealing with individual customdesigns, the company focuses its energy to motivate creative designers to submit new designs andfacilitates the evaluation and voting process in its customer community. Contrarily to postpone-ment, it only starts the full manufacturing cycle after customers have shown their real commitmentto purchase a particular item, eliminating the risk of product flops while allowing still for economiesof scale. Compared to mass customization, Threadless has not to interact with individual custo-mers with regard to their specific order and to run manufacturing lots of one. The costly elicitationprocess is substituted by an early involvement of some (expert) customers in development, andthe refinement of their ideas and pre-order taking by a larger group of customers. Motivated by itssuccess in the fashion market, the founders of the company have recently extended their catego-ries to formal wear like ties or polo shirts (NakedandAngry.com) or music (15Megsof Fame.com).

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Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und des Internets gewinntdie interaktive Wertschöpfung auch in vielen Konsumgütermärkten an Bedeutung.Unternehmen reagieren damit verstärkt auf aktuelle Trends und tragen so bewährteKonzepte und Modelle für die Organisation der arbeitsteiligen Wertschöpfung als(vorläufiges) Ergebnis eines Entwicklungsprozesses auf eine neue Stufe. DasSpannende an diesen Modellen ist dabei eine neue Vorstellung und Organisation derArbeitsteilung zwischen Anbietern und Abnehmern. Eine hierarchische Aufgaben-verteilung und Kontrolle wird durch Selbstmotivation und Selbstselektion der Akteureersetzt. Der internen Koordination durch Regeln und Organisationsformen stehenneue Koordinationsformen in Netzwerken gegenüber. Standardisierte Massenartikeloder vorproduzierte Varianten werden durch individuelle Leistungen ersetzt, ohnedass dadurch die Preise aber wesentlich steigen.

Die Entwicklungsgeschichte der interaktiven Wertschöpfung

Das hier dargestellte Modell der interaktiven Wertschöpfung stellt eine Synthese undWeiterentwicklung von generalisierbaren Prinzipien dar, die in der Vergangenheitsowohl in Ansätzen der Organisationsforschung sowie in Ansätzen des Innovations-,Technologie- und Produktionsmanagements erarbeitet worden sind. Unser Konzeptder interaktiven Wertschöpfung erhebt deshalb nicht den Anspruch, etwas grundsätz-lich Neues zu sein, es handelt sich vielmehr um eine Ergänzung und Weiterentwick-lung bewährter theoriegeleiteter Ansätze und Konzepte zur instrumentellen und orga-nisatorischen Gestaltung des Innovations- und Produktionsmanagements. Wir bezie-hen uns auf eine traditionsreiche Reihe großer Autoren und knüpfen an deren gedank-lichen Konstrukten an.

Chester Barnard ist einer der Urväter der modernen Organisationstheorie. In seinemBuch “Organization and Management” (1948) diskutiert er detailliert und lange vormodernen Strömungen eines “Beziehungsmarketings” die symbiotische Beziehungzwischen Käufern und Verkäufern. Kunden gelten für Barnard nicht als externeAkteure, sondern sie sind Teil der Organisation. Er bemerkt, dass sowohl Kunden alsauch die Angestellten eines Herstellerunternehmens gleichermaßen Inputfaktorenzum Leistungserstellungsprozess beitragen.

Diesen Gedanken greift viele Jahre später Alvin Toffler (1970, 1980) auf. Er prägte denberühmten Ausdruck des “Prosumers”, der in einer Rolle Konsument und Produzentist. Allerdings ist der Tofflersche Prosument ein autonomer Akteur, der ohneKooperation mit einem Unternehmen produktive und konsumptive Aufgaben voll-zieht.

Eine wesentliche Quelle unserer Ideen in diesem Buch ist die Konzeption einer “inter-active strategy” von Richard Normann und Rafael Ramirez (1993, 1998[1994]) sowieSolveig Wikström (1996a, 1996b). Diese Autoren können als Urheber einer modernenDebatte interaktiver Wertschöpfung zwischen Unternehmen und Kunden gesehenwerden (siehe auch Mannervik 1997; Parolini 1999; Ramirez 1999; Schön 1994;Wikström / Normann 1994 für verwandte Schriften). Sie erklären, dass sich als Folgedes Einsatzes neuer Informations- und Fertigungstechnologien sowie geänderterLebensstile zwei wesentliche Änderungen ergeben werden:

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Die Trennung zwischen (materiellen) Produkten und Dienstleistungen wird hinfäl-lig, da alle Leistungen durch einen Kern oder eine Peripherie von Diensten geprägtwerden, die ihren eigentlichen Wert darstellen. Prägendes Merkmal vonDienstleistungen ist aber der Einbezug des Kunden als externer Faktor in dieLeistungserstellung.

Damit wird auch das von Michael Porter (1985) geprägte Bild der “Wert-schöpfungskette” in Frage gestellt: Erfolg im Wettbewerb leitet sich nicht daraus ab,bestimmte festgelegte Aktivitäten entlang einer sequentiellen Abfolge zu positio-nieren, sondern ist vielmehr Resultat der Fähigkeit eines Unternehmens, mit allenan der Wertschöpfung beteiligten Akteuren ein geschlossenes und abgestimmtesWertsystem zu schaffen (Normann und Ramirez nennen dieses ‘value constella-tion’). Wertschöpfung ist in dieser Vorstellung immer ‘co-creation’ zwischen ver-schiedenen Akteuren einschließlich der Kunden.

Prahalad und Ramaswamy (2000, 2002, 2003, 2004) bauen auf dieser Vorstellung aufund geben eine moderne Interpretation der Gedanken von Normann und Ramirez vordem Hintergrund der Möglichkeiten des Internets. Sie betonen vor allem das kontinu-ierliche Feedback, das heute Kunden Herstellern geben und das zur kontinuierlichenWeiterentwicklung und Konkretisierung von Leistungsbündeln beiträgt. Zur wichtig-sten Aufgabe von Herstellerunternehmen wird es deshalb, Interaktionsplattformen zuschaffen, die den Inputprozess für den Kunden zum Erlebnis werden lässt. AuchUrsula Hansen und Thorsten Hennig (1995) entwickeln die Ideen von Normann undRamirez weiter und liefern eine marketingfokussierte Betrachtung dieser Thematik(siehe auch Hansen 1993; Hansen / Raabe 1991; Hansen / Schoenheit 1985; Hennig-Thurau 1998).

In der deutschen Managementforschung haben vor allem Werner Engelhardt undMichael Kleinaltenkamp und ihre Schüler eine deutsche Schule der Kunden-integration (auch im Deutschen von ihnen ‘Customer Integration’ genannt) begründet(siehe z. B. Engelhardt / Freiling 1995; Engelhardt / Kleinaltenkamp / Reckenfelder-bäumer 1993; Fließ 2001; Jacob 1995, 2003; Kleinaltenkamp 1996, 1997a, 1997b, 2002;Kleinaltenkamp / Fließ / Jacob 1996; Kleinaltenkamp / Haase 2000; Trommen 2002;Weiber / Jacob 2000). Die Autoren argumentieren aus der Perspektive industriellerMärkte, wo eine Leistungserstellung in vielen Fällen durch individuelle und auf dasProduktionssystem des Abnehmers ausgerichtete Prozesse geprägt ist. Die Erstellungeiner individuellen Leistung bedarf jedoch zunächst einer intensiven Interaktion zwi-schen Anbieter und Abnehmer zur Konkretisierung dieser Leistung. Ein solchesLeistungssystem ist vor allem durch zwei Eigenschaften geprägt: In einem erstenSchritt, einer autonomen Vorproduktion, stellt der Hersteller zunächst die Potenzialeund Produktionsplattformen bereit. In einem zweiten Schritt werden unter Mit-wirkung des individuellen Abnehmers in einem integrierten Prozess dieProduktekonkretisiert und genutzt. In aktuelleren Arbeiten ist dieses Verständnis vonden Autoren zu einer eigenen Leistungslehre ausgebaut worden. Auch diese Gruppevon Autoren betont die Irrelevanz einer Trennung von Sach- und Dienstleistungen, dabeide Leistungsarten stets durch materielle und immaterielle Bestandteile geprägtsind.

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Die These, dass auch in Konsumgütermärkten immer mehr Kunden entweder freiwil-lig oder unfreiwillig zum aktiven Mitakteur der Leistungserstellung werden (“Von derSelbstbedienung zur Co-Produkion”) ist der Ausgangspunkt der Untersuchungen vonOskar Grün und Jean-Claude Brunner (2002, 2003) sowie Günter Voß und KerstinRieder (2005). In ihren Modellen sind es vor allem Bestrebungen zur Effizienz- undEffektivitätssteigerung, die Unternehmen veranlassen, immer mehr Arbeit an dieKunden auszulagern. Zwar sind die heutigen Konsumenten selbstbestimmter, infor-mierter, aktiver und besser mit Produktionstechnik ausgestattet, jedoch haben sie häu-fig keine andere Wahl, als hier mitzuwirken. Während Voß und Rieder diesesPhänomen aus Sicht der Komsumsoziologie darstellen und kritisch hinterfragen, ent-wickeln Grün und Brunner ein Organisationsmodell, wie Unternehmen eine weitgehende Form der Selbstbedienung steuern und gestalten können.

Vor allem aber liegen unserem Modell der interaktiven Wertschöpfung Beobachtungender Forschergruppe um Eric von Hippel zugrunde (siehe zum Beispiel von Hippel1978a, 1986, 1988, 1998; 2005; siehe auch Franke / Schreier 2002; Franke / Shah 2003;Füller 2005; Harhoff / Henkel / von Hippel 2003; Henkel / von Hippel 2005; Herstatt1991; Jeppesen 2005; Lüthje 2000; Lakhani / Wolf 2005; Ogawa 1998; Ogawa / Piller2006; Urban / von Hippel 1988; Thomke 2003; Thomke / von Hippel 2002). Von Hippelbetont, dass Kunden bzw. Nutzer in verschiedensten Produktdomänen zunehmendselbständig in der Lage sind, Produkte für den Eigenbedarf zu modifizieren oder garvollständig (zumindest als Prototypen) zu entwickeln, d. h. ohne die Mitwirkungeines herstellenden Unternehmens. Diese Kunden fortschrittlichen Kunden werden als“Lead User” bezeichnet. Das so genannte “customer-active paradigm” (CAP) von vonHippel geht im Gegensatz zum traditionellen “manufacturing-active paradigm”(MAP) von einer extremen Form der Arbeitsteilung zwischen Unternehmen undKunden aus, wobei der Aufwand vom Kunden zunächst autonom geleistet wird.Umso erstaunlicher ist die Beobachtung, dass eine Vielzahl dieser Kunden ihreProduktentwicklungen oder Produktmodifikationen freiwillig und ohne erkennbareGegenleistung der Öffentlichkeit preisgeben oder einem herstellenden Unternehmenüberlassen. In bestimmten Situationen kann sich auch noch nach dieserEntwicklerleistung eine Zusammenarbeit mit einem Hersteller für den Kunden als vor-teilhaft erweisen, so dass Kunden die interaktive Wertschöpfung sogar initiieren(Harhoff / Henkel / von Hippel 2003). Das Modell der “Commons-based PeerProduction”, das der Yale-Professor Yochai Benkler (2002) zur Beschreibung derProduktionsprinzipien der Open-Source-Software-Entwicklung (auch eineKundeninnovation) gebildet hat, ist eine wichtige Grundlage zur Bildung vonOrganisationsregeln, wie sich die daraus folgende Arbeitsteilung zwischenHerstellerunternehmen und Kunden koordinieren lässt.

Ziel und Aufbau dieses Buchs

Unsere Vorstellung der interaktiven Wertschöpfung, die wir im folgenden Kapitelnoch ausführlich konkretisieren, betont dagegen die aktive Kooperation undZusammenarbeit zwischen Herstellern und Kunden bzw. Nutzern. Wir bleiben aber inder Gedankenwelt von von Hippels, wenn wir im Gegensatz zu den zuvor genanntenklassischen Autoren einer Kundenintegration vor allem auf Innovation und die

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Entwicklung neuer Leistungen fokussieren. Uns geht es um die Einbeziehung derKunden in die Wertschöpfung im Rahmen der Schaffung neuer Lösungsräume oderzumindest der kreativen Nutzung offener vorhandener Potenziale.

Das vorliegende Buch soll aufzeigen,

welche Entwicklungen und Trends zu einer zunehmenden Relevanz undVerbreitung der interaktiven Wertschöpfung geführt haben,

welche Vorteile sich aus der Interaktion zwischen Unternehmen und Kundengegenüber der unternehmenszentrierten Wertschöpfung ergeben und

welche neuen Konzepte, Methoden und Instrumente geeignet sind, um die mit derInteraktion verbundenen wechselseitigen Kommunikations-, Abhängigkeits- undAustauschbeziehungen zu organisieren und zu gestalten.

Im Teil 2 des Buches werden Modelle der arbeitsteiligen Wertschöpfungsorganisationin ihrer Entwicklung hin zur interaktiven Wertschöpfung dargestellt. Wir wollen zei-gen, wie sich aus der klassischen industriellen Vorstellung der Wertschöpfung (dieaber immer noch das Denken vieler Manager und Wissenschaftler prägt) in einem evo-lutionären Prozess ein neues Wertschöpfungsmodell bildet. Dabei nehmen wir Bezugauf die zugrunde liegenden Leitziele, Trends und Theorien. Ausgangspunkt derDarstellung ist die klassische industrielle Massenproduktion auf Basis tayloristischerPrinzipien der Arbeitsgestaltung und hierarchischer Organisationsstrukturen(Abschnitt 2.2). Dieses konventionelle Wertschöpfungsmodell orientiert sich streng anden Zielen der “Produktivität” und der “Kostenwirtschaftlichkeit” in der Produktion.Dieses Ziel wird primär durch eine maximale Ausnutzung von Skaleneffekten undeine Zerlegung des Wertschöpfungsprozesses in kleinste Einheiten zu realisieren ver-sucht. Dabei ist man auf stabile Rahmenbedingungen und langfristig prognostizierba-re Absatzmärkte angewiesen.

Diese Vorstellung ist aber heute überholt, wie Abschnitt 2.3 zeigt. Heute sind oft dieAbflachung und die Auflösung hierarchischer Unternehmensstrukturen zugunstenvon Netzwerkorganisationen und einer Abwicklung auf Märkten zu beobachten. DieseEntwicklung trägt den gewandelten Rahmenbedingungen der letzten JahrzehnteRechnung. Neben der Verfügbarkeit immer besserer Informations- undProduktionstechnologien sorgt der Wertewandel in Arbeitswelt und Gesellschaft füreinen steigenden Wettbewerbsdruck auf Unternehmen. Immer häufiger ist der Wandelvon Verkäufer- zu Käufermärkten zu beobachten, in denen Kundenwünscheanspruchsvoller und Produktlebenszyklen kürzer werden. Unter diesen Bedingungenwird die industrielle Wertschöpfung einer auf Skaleneffekten basierendenMassenproduktion zunehmend durch eine marktgetriebene Entwicklung undProduktion auf Kundenbestellung abgelöst. Die betriebswirtschaftlichen Ziele“Qualität”, “Zeit” und vor allem “Flexibilität” erhalten aus wettbewerbsstrategischerSicht eine grundsätzliche Neubewertung und treten als gleichwertige Ziele neben“Produktivität” und “Kostenwirtschaftlichkeit”.

Jedoch ist auch dieses Leitbild einer vernetzten Wirtschaft nur eine Zwischenstufe zurinteraktiven Wertschöpfung, die wir in Abschnitt 2.4 mit ihren grundlegenden

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Prinzipien und Eigenschaften vorstellen. Die Relevanz dieses Modells ist nicht zuletztauf die Verbreitung des Internets und die gestiegene Markttransparenz zurückzufüh-ren, wodurch die Notwendigkeit der Wettbewerbsdifferenzierung für Unternehmenund die Marktmacht der Kunden weiter gestiegen ist. Dies treibt dieIndividualisierung der Kundenbedürfnisse weiter voran. Hersteller sind nun gezwun-gen, zum einen sehr heterogene Kundenbedürfnisse auf Segment- oder sogar aufEinzelkundenebene zu berücksichtigen. Zum anderen müssen Hersteller imWettbewerb kontinuierlich Produkte mit hohem Neuigkeitsgrad entwickeln, die aberwiederum mit einem hohen Marktakzeptanz- bzw. Floprisiko verbunden sind. In derKonsequenz treten “Innovativität” und der “Wissenstransfer” mit Marktpartnern alsLeitziele der Unternehmensführung in den Vordergrund.

Klassische Marktforschung reicht in diesem Wettbewerbsumfeld meist nicht aus, umausreichend Information über die vielfältigen und neuartigen Kundenwünsche zusammeln und mithin das Marktakzeptanzrisiko neuer Produkte zu senken. KlassischeMarktforschung ist häufig auf “durchschnittliche” Kundenpräferenzen oder dieZufriedenheit mit einem Standardprodukt gerichtet und trägt deshalb derHeterogenität der Kundenwünsche nicht Rechnung. Mit dem Bild des Kunden als pas-sivem Rezipienten neuer Produkte setzt sie oft erst kurz vor oder gar nach derKaufentscheidung an und dehnt die Informationsgenerierung nicht auf frühere Phasender Produktentwicklung aus.

Auch neuere Organisationsformen wie Unternehmensnetzwerke implizieren zwarhäufig eine gewisse Öffnung des einzelnen Unternehmens gegenüber externenInformationsquellen. So sind in zahlreichen Branchen der Investitionsgüterindustrievertraglich geregelte Kooperationen zwischen Partnern, die komplexe Produktegemeinsam entwickeln, weit verbreitet. Diese stärker institutionalisiertenNetzwerkformen lassen aber das stark verteilte Potenzial individueller Wissensträger,insbesondere von Anwendern und Endabnehmern der jeweiligen Produkte, als aktiveTeilhaber an der Wertschöpfung meist unberücksichtigt.

Zwei grundlegende Formen der interaktiven Wertschöpfung: Open Innovation undMass Customization

Abschnitt 2.4 zeigt, dass die interaktive Wertschöpfung den Transfer von implizitemWissen der Kunden zu Unternehmen durch das Prinzip der Kundenintegration reali-siert. Das bedeutet, dass Kunden sich in die vormals autonomen Wertschöpfungs-aktivitäten des Unternehmens einbringen und diese teilweise selbst ausführen, um soihr Wissen zu artikulieren und zu explizieren. Diese Interaktion resultiert in einerneuen Form der Austausch- und Abhängigkeitsbeziehung zwischen Kunden undUnternehmen. Mit dem Internet bestehen für Unternehmen neue Möglichkeiten deskostengünstigen und informelleren Wissensaustauschs mit Individuen und der akti-ven Beteiligung vormals anonymer Kunden an der Wertschöpfung. Im Hinblick aufeine funktionsfähige Gestaltung dieser Beziehung gehen wir dabei auch auf die not-wendigen organisatorischen und strategischen Rahmenbedingungen ein, die für beideInteraktionspartner gleichermaßen Nutzen stiften.

In den weiteren Hauptteilen dieses Buches werden wir dann zwei grundlegendeFormen der interaktiven Wertschöpfung unterscheiden und näher diskutieren, die

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Unternehmen als unterschiedliche strategische Stoßrichtungen verfolgen können. Jenach Ausmaß und Phase des Wertschöpfungsprozesses, in der die Kundenintegrationstattfindet, sprechen wir von

Open Innovation: die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kunden, diesich auf Wertschöpfungsaktivitäten im Innovationsprozess bezieht und auf dieEntwicklung neuer Produkte für einen größeren Abnehmerkreis abzielt.

Produktindividualisierung und Mass Customization: die Zusammenarbeit zwi-schen Unternehmen und Kunden, die sich auf Wertschöpfungsaktivitäten im ope-rativen Produktionsprozess bezieht und auf die Entwicklung eines individuali-sierten Produktes für einen Abnehmer abzielt.

Während die praktische Umsetzung von Open Innovation in vielen Unternehmenerst ganz am Anfang steht und deshalb hier nur eine recht geringe empirische Basiszur Ableitung von “promising practices” und Strukturen einer erfolgreichenUmsetzung besteht, ist die Umsetzung von Mass Customization deutlich weiter fort-geschritten. Die Analyse von Mass Customization kann deshalb auch wichtigeAnhaltspunkte für eine Gestaltung der Interaktionsprozesse und Instrumente fürOpen Innovation geben.

Die detaillierte Darstellung von Open Innovation erfolgt in Teil 3 des Buches, die derProduktindividualisierung bzw. Mass Customization in Teil 4. Hier werden die beidenFormen der interaktiven Wertschöpfung mit ihren vielseitigen Facetten auf instrumen-teller und operativer Ebene im Hinblick auf eine Umsetzung in Unternehmen weiterkonkretisiert. In beiden Teilen geht es vor allem auch um eine ausführliche Diskussiondes Nutzens und der Kosten interaktiver Wertschöpfung für den Kunden und für denHersteller. Das Verständnis der Treiber und Hürden der interaktiven Wertschöpfungist zum einen Ausgangspunkt einer Beurteilung, ob und wann das Modell der interak-tiven Wertschöpfung klassischen Wertschöpfungsmodellen überlegen ist. Zum ande-ren bildet es den Ansatzpunkt für eine “Ökonomie der interaktiven Wertschöpfung”mit neuen Formen der Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Kunden alsWertschöpfungspartnern.

Interaktive Wertschöpfung als neues Prinzip zur Organisation der Arbeitsteilung

Ist das neu? Kunden wurden im Rahmen von Selbstbedienungsaktivitäten immerschon in die Wertschöpfung eines Herstellers integriert. Jedoch geht die Integration desKunden heute viel weiter und ist nicht nur ein weiteres Mittel zur Steigerung der inter-nen operationalen Effizienz des Herstellers, sondern wird vielmehr zentrales Mittelzum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen. Dies verlangt einen radikalen Wechsel derSichtweise und ein Überdenken der konventionellen Prinzipien erfolgreicherWertschöpfung: Ein Unternehmen wechselt von einem intern fokussierten zu einemoffenen Modus von Wertschöpfung, der alle Aktivitäten umfasst (Bendapudi / Leone2003: 14; Grün / Brunner 2002: 148). Auch wenn die Entwicklung von einfachen Selbst-bedienungsformaten zu weit gehenden Formen der Kundenintegration ein graduellerund evolutionärer Prozess ist, so bedeutet er doch von Unternehmern ein radikalesUmdenken. Die “neue” Kundenintegration, um die es in diesem Buch gehen soll, istgekennzeichnet durch den Einbezug von Kunden und Nutzern in Bereiche und

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Die aktive Rolle von Kunden in der Wertschöpfung

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Aktivitäten, die zuvor als interne und zentrale Domäne des Herstellers angesehen wur-den (Piller 2004; Wikström 1996a).

Dieser Ausdruck soll Kundenintegration als dynamischen Prozess definieren, sowohlaus Sicht des Kunden als auch des Herstellers. Durch die Integration der Kunden in dieWertschöpfung resultieren innovative Prozessstrukturen, die die konventionelleVorstellung von Arbeitsteilung zwischen Anbietern und Abnehmern aufheben. Diesverlangt in der Folge aber auch eine Redefinition der Kernkompetenzen desUnternehmens und neue Formen der Organisation und Koordination. Die Neuigkeitder interaktiven Wertschöpfung wird damit vor allem durch die subjektive Neuigkeitfür das Unternehmen definiert (Rogers 1995: 11): Auch wenn einzelne Prinzipien derinteraktiven Wertschöpfung aus Sicht der ökonomischen Literatur nicht neu sind, so istdoch ihre Erkenntnis und ganzheitliche Umsetzung für die meisten Unternehmenheute noch sehr neu. Für diese Firmen erfährt das Wissen um die optimale Lösung desKoordinations- und Wirtschaftlichkeitsproblems einen radikalen Wandel.

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Die aktive Rolle von Kunden in der Wertschöpfung

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2.1 Eine Übersicht der Evolution von Wert undWertschöpfung

‘Wert’ und ‘Wertschöpfung’ sind einige der am meisten verwendeten Begriffe in derManagementliteratur (siehe Ramirez 1999 zur Denotation des Wertbegriffs). Das pri-märe Ziel ökonomischer Aktivität ist, Wert zu schaffen. Wert wird produziert, indemMenschen mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Wissen und weiteren Ressourcenhandeln (Normann / Ramirez 1998: 49). Wertschöpfung kann als die Nutzung diesesWissens in einer arbeitsteiligen Organisation angesehen werden, als die Gesamtheitder Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen und Organisationen zur Lösung desWirtschaftlichkeitsproblems einsetzen: das Wissen über den Markt, über dieOrganisation von Wertschöpfungsprozessen und über die Führung von Menschen ineiner von Güterknappheit gekennzeichneten Wirtschaft. Einen Indikator für den“Wert” dieser Aktivitäten bildet der Preis einer Leistung. Dieser Preis drückt dieDifferenz zwischen den Aktivitäten der herstellenden Akteure und den Aktivitäten(bzw. der Zahlungsbereitschaft) der Abnehmer aus. Über den Kauf gewinnt LetztererZugang (oder Eigentum) zu dem Ergebnis der Aktivitäten der Herstellerorganisation.Ökonomische Transaktionen können also generell als Austausch von Aktivitäten oderRessourcen gesehen werden, die einen Preis haben.

Taylor und die wissenschaftliche Betriebsführung

Die heute dominierende Vorstellung, wie Unternehmen Werte schaffen, kann auf Prin-zipien zurückgeführt werden, die vor 100 Jahren in der aufkommenden Industrie-gesellschaft entwickelt wurden. Vor allem Frederick Taylors Ansatz des “ScientificManagement” legte mit seinem Fokus auf die Senkung von Produktionskosten dieBasis für alle folgenden Debatten (Wolf 2003). Rationalprinzip, Güterknappheit unddas Allokationsproblem kennzeichnen die betriebswirtschaftliche Problemstellung vonOrganisation, Arbeitsteilung und Koordination der Wertschöpfung in Taylors Modell(Gutenberg 1951; Kosiol 1959). Im deutschsprachigen Raum entwickelte sich auf Basisdieser Prinzipien die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, die das Fach bis indie 1980er Jahre maßgeblich geprägt hat (Heinen 1968, 1982). In deren Modell setzenEntscheidungen über die zielorientierte Durchführung von Wertschöpfungsprozessenauf den Gegebenheiten der betrieblichen Produktionsfaktoren an: Betriebsmittel,

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2 Organisation der arbeitsteiligenWertschöpfung: Entwicklungenund Trends auf dem Weg zurinteraktiven Wertschöpfung

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Werkstoffe und Arbeit. Da die betrieblichen Produktionsfaktoren knappe Güter sindund einen Marktpreis haben, zielt die betriebliche Entscheidungsfindung nach demRationalprinzip darauf ab, die knappen Güter in ihre optimale Verwendungsrichtungzu lenken, dies wird als das betriebliche Allokationsproblem bezeichnet (Heinen 1959,1983). Wir werden diese Prinzipien in Abschnitt 2.2 dieses Kapitels näher betrachten.

Wertkettendenken und interorganisationale Netzwerke

Porters (1985) Modell einer Wertschöpfungskette präsentierte der Managementlehreeinen integrierten Ansatz, wie sie den Wertschöpfungsprozess von der Entwicklungüber Produktion und Vertrieb bis hin zur Auslieferung von Gütern und Leistungen mitHilfe des Produktionsfaktors Information organisieren und steuern können. Anfangder 1990er Jahre wurde durch Hammer und Champy (1993) mit der Idee des BusinessProcess Reengineering ein vertiefender und in der Wirtschaft begeistert aufgenomme-ner Ansatz vorgestellt, wie durch Kostenreduktion und eine Fokussierung auf dieinterne Effizienz in einem Unternehmen Wert geschaffen werden kann (d. h. dieDifferenz zwischen der Zahlungsbereitschaft und den gesamten Herstellungskostenausgeweitet wird). Diese interne Sichtweise wurde später um das Bild eines grenzen-losen (oder gar virtuellen) Unternehmens erweitert, in dem ein eng verbundenes Netz-werk professioneller Akteure eine abgestimmte und friktionslose Wertschöpfungsketteschafft, die viele Organisationen umfasst (Picot / Reichwald 1994; Sydow 1992,Reichwald et. al 2000).

Die Zulieferer (und Zulieferer der Zulieferer) wurden in die Suche nach neuen Wert-schöpfungsarrangements einbezogen, wie wir in Abschnitt 2.3 noch vertiefend sehenwerden. Mit dem Aufkommen des Internets und den daraus folgenden Potenzialenzur Senkung von Transaktionskosten wurde eine neue Dimension der organisatori-schen Effizienz eingeläutet (Picot / Reichwald / Wigand 2003), indem nun auch dieAktivitäten an der Schnittstelle zwischen einem Hersteller(netzwerk) und denAbnehmern in den Fokus der Effizienzbetrachtung einbezogen werden. Entlang allerStufen dieser Evolution steht dennoch stets die Annahme, dass das Streben nachinterner Kosteneffizienz (d. h. die Steigerung der Differenz zwischen dem möglichenPreis und den Kosten der Erstellung einer Leistung) die Quelle betrieblicher Wert-schöpfung ist. Diese Prämisse wird nicht in Frage gestellt (Prahalad / Ramaswamy2002: 52).

Interaktive Wertschöpfung

Doch Kunden und Nutzer honorieren in der Regel nicht die interne operative Effi-zienz eines Anbieters. Sie mögen zwar günstige Preise als Resultat dieser Effizienz,doch hat sich stets gezeigt, dass das Streben nach immer weiterer operativer Effizienzinnerhalb eines Netzwerks keine Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile ist (Porter1996). Operative Effizienz ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung fürdauerhaften Wettbewerbsvorteil. Vielmehr zeigt sich heute, dass vor allem die Gestal-tung der Schnittstellen und der Aktivitäten an der Peripherie eines Unternehmens zuMarktpartnern wesentliche Ansatzpunkte für die Schaffung von Wert bildet. Damittritt der Akteur in den Mittelpunkt der Betrachtung, der bislang in der Debatte um dieGestaltung der Wertschöpfung weitgehend ausgeblendet war: der Kunde.

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

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Wir sehen heute, dass Kunden das Ergebnis betrieblicher Wertschöpfung nicht nurkonsumieren, sondern selbst einen wesentlichen Beitrag bei der Schaffung von Wertleisten (Ramirez 1999). Dies geschieht dabei nicht nur autonom in der Kunden-domäne (ein Bereich, der in der Mikroökonomie schon lange im Zusammenhang mitKonsumentenproduktion untersucht wurde, siehe z. B. Becker 1965; Haverty 1987;Lancaster 1966; Ratchford 2001; Stigler / Becker 1977), sondern auch in einem interak-tiven und kooperativen Prozess mit Herstellern und anderen Nutzern einer Leistung.Kunden und Nutzer tragen dazu bei, die Kenntnisse, Fähigkeiten und Ressourceneines Herstellers zu erweitern (Gibbert / Leibold / Probst 2002). Die Kunden werden alsstrategischer und wichtiger Faktor in die Aktivitäten integriert, die in einem erweiter-ten Wertschöpfungsnetzwerk Wert schaffen. Die Wahrnehmung dieses Wertes umfasstdabei weit mehr als die Erhöhung der Differenz zwischen Zahlungsbereitschaft undinterner Effizienz. Haupttreiber dieses Wandels sind die neuen Technologien, insbe-sondere die Informations- und Kommunikationstechnologien, die die betrieblichenund überbetrieblichen Wertschöpfungsprozesse vollständig verändert haben(Abbildung 2–1).

Von Hierarchie und Markt zur “Commons-based Peer-Production”

Entlang dieser Evolution der Organisation arbeitsteiliger Wertschöpfung ändert sichaber nicht nur die Sichtweise, welche Akteure am Wertschöpfungsprozess aktiv betei-

2.1

13

Evolution von Wert und Wertschöpfung

Abbildung 2–1: Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Internationalisierung des Wettbewerbs

Steigende Innovationsdynamik und

Marktsunsicherheit

Wertewandel und Trend zur Individualisierung und

des Kunden

Entwicklung neuer Informations- & Kommunikationstechnologien als Enabler

Hierarchische OrganisationTaylorismus

NetzwerkorganisationMarktorientierung

Entwicklung unternehmerischer Wertschöpfungskonzepte und Leitbilder

Produktivität Flexibilität Innovativität

Interaktive WertschöpfungKundenintegration

Herausforderungen für Unternehmen

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ligt sind (vom internen Fokus bei Taylor über Netzwerke mit festen Partnern bis zurInteraktion mit den Kunden bzw. Nutzern), sondern auch die Vorstellung, wie dasOrganisationsproblem, d. h. die Koordination und Motivation der einzelnen Akteure,die die Gesamtaufgabe arbeitsteilig vollziehen, am besten gelöst werden kann. TaylorsModell setzt vor allem auf die hierarchische Koordination und Motivation durch finan-zielle Anreize in einem geschlossenen Wertschöpfungssystem. Die Netzwerkansätzeerweitern diese Vorstellung um eine Kombination marktlicher und hierarchischerKoordinationsformen und betonen darüber hinaus auch eine Motivation durch nicht-monetäre Anreize. Die interaktive Wertschöpfung ergänzt diese beiden klassischenKoordinationsformen (Hierarchie und Markt) durch einen dritten Weg: dieSelbstselektion und Selbstorganisation von Aufgaben durch (hoch) spezialisierteAkteure, deren Motivation vor allem die (eigene) Nutzung der kooperativ geschaffe-nen Leistungen ist, die jedoch durch eine Vielzahl weiterer sozialer, intrinsischer undextrinsischer Motive ergänzt werden kann. Dieses Organisationsprinzip einer“Commons-based Peer-Production” verlangt eigene Kompetenzen und Prinzipien derOrganisation der Wertschöpfung.

Die Entwicklung der sich ändernden Vorstellung der optimalen Organisation derbetrieblichen Wertschöpfung kann so zusammenfassend in drei Leitmodellen aufge-zeigt werden, die jeweils Folge verschiedener technischer und gesellschaftlicher Trendssind. Sie werden im Folgenden in ihren unterschiedlichen Ausrichtungen undOrganisationsformen der Arbeitsteilung sowie in ihren unterschiedlichen Beziehungenzu Märkten und Marktpartnern vorgestellt:

Wertschöpfung in der hierarchischen Industrieorganisation mit tayloristischerArbeitsteilung (Abschnitt 2.2);

Auflösung der Unternehmensgrenzen und Wertschöpfung in überbetrieblichenNetzwerkorganisationen aus Basis einer marktlichen Koordination (Abschnitt 2.3),

Interaktive Wertschöpfung unter Integration der Kunden in einen kooperativenWertschöpfungsprozess (Abschnitt 2.4).

2.2 Die tayloristische Industrieproduktion:hierarchische Organisation der Arbeitsteilung

2.2.1 Tayloristische Prinzipien der wissenschaftlichenBetriebsführung: Produktivitätsoptimierung unterstabilen Bedingungen

Das Handeln vieler Unternehmen ist häufig noch durch traditionelles Erfahrungs-wissen der industriellen Organisation geprägt. Das Erfahrungswissen der industriellenArbeitsorganisation basiert primär auf den Leitsätzen des “Scientific Management”,also der “wissenschaftlichen Betriebsführung”, die insbesondere auf das Werk vonF.W. Taylor (1913) zurückgehen. Ihre Anwendung führten nicht nur vor knapp 100

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

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Jahren zum Aufstieg des Unternehmers Ford zu einem der weltgrößten Industriellen(siehe Kasten 2–1), sondern diese Leitsätze beeinflussen auch heute noch Struktur undProzess von Unternehmen, Produktivität und Wertschöpfung der Leistungserstellung,aber auch die Entwicklung des klassischen betriebswirtschaftlichen Instrumentariumsder Führungs-, Anreiz- und Kontrollsysteme.

Wesentliche Merkmale einer tayloristischen Industrieorganisation sind die funktionaleArbeitsteilung in der Aufbauorganisation und der mit den Methoden der Arbeits-analyse systematisch entwickelte “One best way” der Ablauforganisation (Abbildung

2.2

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Die tayloristische Industrieproduktion

(Quellen: Barnet / Cavanagh 1984; Ford 1923; Lacey 1987)

Frederick Winslow Taylor hatte seinen ersten Artikel zur Verbesserung der Arbeitsabläufe für dieAmerican Society of Mechanical Engineers schon acht Jahre zuvor geschrieben, als Henry Ford1903 mit der Produktion von Automobilen begann. Zu diesem Zeitpunkt war ein einzigerMontagearbeiter für das gesamte Fahrzeug zuständig und benötigte durchschnittlich 12,5 Stunden(ca. 750 min.). Obwohl der Mechanisierungsgrad und die Produktivität in der Autoindustrie in denUSA höher waren als bei den europäischen Firmen, reichte dies bald nicht mehr aus, um die stei-gende Nachfrage zu befriedigen. Dies galt vor allem für das von Henry Ford 1908 eingeführte“Modell T”. Nach fünf weiteren Jahren des ständigen Probierens und Suchens nachVerbesserungen fand Ford bis 1913 endlich den Schlüssel zur Steigerung der Produktivität.

Indem er vergleichbare Ansätze des Scientific Management nach Taylor weiterentwickelte undumsetzte, konnte er die Produktivität massiv erhöhen. Ford standardisierte die Arbeitsprozesseund, bis dahin undenkbar, die Arbeitswerkzeuge. Bis zu diesem Zeitpunkt brachten die Arbeiternoch ihre eigenen Werkzeuge mit in die Montage und bestimmten weitgehend selbst dieArbeitsabläufe in der Fertigung. Von nun an war jeder Arbeiter für nur einen Arbeitsprozess zustän-dig und nutzte dazu standardisierte Werkzeuge, Vorteile der Spezialisierung und Arbeitsteilung, dieAdam Smith bereits 1776 ausführlich beschrieben hatte. Dadurch fiel der durchschnittlicheArbeitszyklus eines Arbeiters an einem Fahrzeug, für das er nun nicht mehr gesamthaft verant-wortlich war, von 514 Minuten auf 2,3 Minuten! Angesichts der sich zum Beispiel in derEndmontage wechselseitig behindernden Montagegruppen musste Ford nahezu zwangsläufig zurFließbandfertigung übergehen. Mit der Einführung der Fließbandproduktion, dem so genannten“Fordismus”, reduzierte Ford den durchschnittlichen Zeitbedarf für einen Arbeitszyklus um weitere44 Sekunden, ein Produktivitätsfortschritt, der aber deutlich geringer ausfiel, als die Möglichkeiteninfolge der Standardisierung und Entkoppelung der Arbeitsschritte. “Anfang 1914 ... legten wir dieSammelbahn höher. Wir hatten inzwischen das Prinzip der aufrechten Arbeitsstellung eingeführt ...Das Heraufrücken der Arbeitsebene in Armhöhe und eine weitere Aufteilung derArbeitsvorrichtungen ... reduzierte die Arbeitszeit auf eine Stunde 33 Minuten pro Chassis” (Ford1923: 95).

1914, also im ersten Jahr nach der Einführung der Fließbandfertigung wurde die Fertigung vonFord-T-Modellen um 152 % auf 308.162 Wagen gesteigert. In den 20er Jahren wurden mehr alseine Million Wagen im Jahr gefertigt. Als die Produktion des T-Modells im Mai 1927 nach 19 Jahreneingestellt wurde, hatte Ford 15.007.033 Wagen dieses Typs produziert. Erst der VW-Käfer sollte1972 diesen Rekord übertreffen.

Kasten 2–1: Henry Ford und das “Modell T”

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2–2). In der Denkwelt des tayloristischen Ansatzes kann das komplexe Problem derKoordination der betrieblichen Leistungserstellung für eine gegebene Ausstattung undAnordnung von Produktionsfaktoren durch folgende Gestaltungsprinzipien “opti-mal” gelöst werden (Picot / Reichwald / Wigand 2003):

Konzentration der Arbeitsmethodik auf eine weitestgehende Arbeitszerlegung;

personelle Trennung von dispositiver und ausführender Arbeit;

räumliche Ausgliederung aller planenden, steuernden und kontrollierendenAufgaben aus dem Bereich der Fertigung.

Auf diese Weise konnte das komplexe Koordinationsproblem zwar “optimal” über dieAusstattung und Anordnung der Produktionsfaktoren gelöst werden, jedoch wurdeder Mensch lediglich als ein funktionsfähiger Produktionsfaktor betrachtet, der alsBefehlsempfänger und -umsetzer in den Fertigungsprozess integriert wurde. DieKommunikationsbeziehungen folgten den hierarchischen Strukturen. Es entstand einestreng formalisierte, durch feste Regeln vorgeschriebene Kommunikation über dieHierarchiestufen, der so genannte Dienstweg. Das Kommunikationsverhalten zwi-schen Vorgesetzten und Untergebenen war vom Rollenverständnis des Vorgesetztenals Befehlsgeber und des Untergebenen als Befehlsempfänger geprägt.

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 2–2: Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsführung nach Taylor (entnommenaus Picot / Reichwald / Wigand 2003)

Prinzipien wissenschaft-licher Betriebsführung:• Trennung von Hand-

und Kopfarbeit

• Methoden der Arbeitszerlegung und Ablaufoptimierung (Arbeitsstudium)

• Leistungsgerechte Entlohnung -> Stück-und Akkordlohn

• Fließprinzip zur Lösung d. Koordinationsproblems

• Methoden der Planung, Steuerung und Kontrolle

Ausgliederung von:

Planung Steuerung Kontrolle

Produktion als Kombinations-prozess:Arbeit Betriebsmittel Werkstoffe

Ziel:Produktivitäts-optimierung

dispositive Arbeit

objektbezogene Arbeit

verrichtungsorientierteArbeitszerlegung

HohnenDrehen Fräsen BohrenQualitäts-kontrolle

geprüft

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Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betriebsführung steht nicht der Mensch, son-dern Strategien zur Rationalisierung der Güterproduktion. Industrielle Rationalisierungs-strategien konzentrierten sich vor allem auf die Produktion von Massengütern inGroßunternehmen, die durch eine konsequente vertikale Integration der Wertschö-pfungskette und eine zunehmende horizontale Divisionalisierung verschiedenerProduktbereiche entstanden. Die Entwicklung leistungsfähiger Produktions- undDistributionssysteme sowie Investitionen in Managementfunktionen ermöglichteneine stetige Ausweitung der Massenproduktion bei hochgradiger Arbeitsteilung.Dadurch konnten umfangreiche kostenmäßige Größenvorteile ausgenutzt werden;nämlich Skaleneffekte (“economies of scale”) und Verbundeffekte (“economies ofscope”), die vielfach zur Begründung der Vorteilhaftigkeit einer internen “administra-tiven” Koordination von Großunternehmen durch hierarchische Strukturen herange-zogen werden (Chandler 1977, 1980, 1990; siehe auch Kasten 2–2 unten). DieseManagementprinzipien führten zu beachtlichen Erfolgen durch die systematischeGewinnung, Perfektionierung und Anwendung von Methoden zur Optimierung vonFertigungsprozessen. Große Erfolge wurden in der Vergangenheit aber nur dadurcherzielt, dass die langfristig stabilen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens adäquatabgebildet und in klare Prinzipien unternehmerischen Handelns übersetzt wurden(siehe die in Abbildung 2–3 genannten Prämissen). Solange diese Prämissen den tat-sächlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen entsprachen,sicherten die klassischen Prinzipien – Burkart Lutz nennt sie die “Principles ofCommon Wisdom” der industriellen Innovationsstrategie – Unternehmen zuverlässigauf ihrem Erfolgspfad ab. Heute aber haben sich viele dieser Rahmenbedingungen

2.2Die tayloristische Industrieproduktion

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Abbildung 2–3: “Principles of Common Wisdom” - Rahmenbedingungen und Prinzipien dertayloristischen Industrieorganisation (entnommen aus Picot / Reichwald /Wigand 2003)

Rahmenbedingungen:Absatzmärkte mit langfristig klar vorhersehbarer Dynamik

Begrenzte Zahl von Wett-bewerbern mit bekannten Stärken und Schwächen

Niedrige Kosten natürlicher Ressourcen und geringe Umweltlasten für die Unter-nehmen

Reichliche Verfügbarkeit von hochmotivierten, qualifizierten Arbeitskräften

Prinzipien erfolgreicher Unternehmensführung:Maximale Durchplanung und Effektivierung aller betrieblichen Abläufe, vor allem in der Produktion

klare arbeitsteilige Abgrenzung von Ressorts, fachlichen Zuständigkeiten und hierarchischen Verantwortlichkeiten

eindeutige Präferenz für unternehmensinterne Lösungen

maximale Nutzung des Serieneffekts (economiesof scale)

Marktbehauptung vor allem durch inkrementelle Produktinnovationen (schrittweise Verbesserung existierender Produkte)

Primat von arbeitssparenden Investitionen und Innovationen

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gewandelt (siehe Abschnitt 2.2.3). Damit sind neue Prinzipien erforderlich. Doch fälltvielen Managern die Loslösung von den klassischen Prinzipien schwer, denn dieseGrundsätze sind über Jahrzehnte gefestigt und liegen heute gewissermaßen “fest ver-drahtet” vor, z. B. in der Aufgabendefinition und Zuständigkeitsabgrenzung vonManagementressorts, in der Definition von Ausbildungsinhalten, Qualifikationen undMitarbeiterkompetenzen, in Auswahl und Aufbau betrieblicher Informationssystemesowie im Zuschnitt der Außenbeziehungen von Unternehmen. Wir wollen im folgen-den Abschnitt die wichtigsten Grundlagen dieser klassischen Prinzipien kurz betrach-ten (siehe dazu ausführlicher z. B. Picot / Reichwald / Wigand 2003; Wayland / Cole1997; Wolf 2003).

2.2.2 Gesetze der Produktivität undKostenwirtschaftlichkeit

Die Prinzipien der klassischen Industrieorganisation basieren auf den Erkenntnissender Produktionswirtschaft, fokussiert auf die Produktion homogener Güter in großenStückzahlen. Fragen der Produktivität und der Kostenwirtschaftlichkeit stehen imZentrum der Betrachtung. In der Betriebswirtschaftslehre dominiert das Produk-tionsmodell, das Erich Gutenberg (1951) in seinem Buch “Die Produktion” beschriebenhat. Dieses Produktionsmodell bildet das betriebswirtschaftliche Geschehen alsKombinationsprozess der betrieblichen Faktoren Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffeab. Die zentrale Aufgabe der Unternehmensleitung (des “dispositiven Faktors”)besteht darin, durch Organisation und Planung die Produktivität zu optimieren. Dereher technische Begriff der Produktivität, d. h. das Verhältnis von Ausbringung zumFaktoreinsatz, entspricht aus betriebswirtschaftlicher Sicht der Bewertung vonAusbringung und Faktoreinsatz mit Marktpreisen. In der klassischen Theorie derUnternehmung bilden Produktivität und Kostenwirtschaftlichkeit zentrale Betrach-tungsgrößen. Dabei stehen Produktions- und Kostenbeziehungen im Zentrum derbetriebswirtschaftlichen Analyse von Wertschöpfungsprozessen. Wissensbasis bildetdie Produktions- und Kostentheorie (Heinen 1959; Busse von Colbe 1975; Wöhe1960).

Die betriebswirtschaftliche Produktionstheorie erklärt die funktionalen Zusam-menhänge zwischen der Menge der eingesetzten Produktionsfaktoren und der Mengeder damit hergestellten Produkte (Beispiele bilden der Maschinenbau, Werkzeuge oderAutomobile). Zur Lösung des Allokationsproblems in der Wertschöpfung benötigenEntscheidungsträger Kosteninformationen. In Kostenfunktionen werden die Ver-brauchsmengen der betrieblichen Produktionsfaktoren bewertet, das Betrachtungsfeldder Kostentheorie. Die Kostentheorie erklärt die Zusammenhänge zwischen derbetrieblichen Wertschöpfung (Ausbringungsmengen) und den Produktionskosten. DieKostenanalyse ist ein wesentlicher Bestandteil der Kostentheorie. Sie unterscheidetGesamtkosten, Stückkosten, Grenzkosten und umfasst das Wissen über Kosten-strukturen und Kostenverläufe bei unterschiedlichen Ausbringungsmengen undBetriebsgrößenvariationen. Ausgewählte Produktions- und Kostenfunktionen nach

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

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dem Ertragsgesetz sind in Kasten 2–2 knapp erläutert. Auf Basis dieses Wissens sindim letzten Jahrhundert die Systeme der industriellen Produktionsplanung und -steue-rung sowie die Systeme der betrieblichen Kosten- und Leistungsrechnung entstanden,deren Prinzipien in der industriellen Praxis bis heute Anwendung finden. Hier sei aufdie umfassende betriebswirtschaftliche Literatur der industriellen Produktions-wirtschaft verwiesen (z. B. Corsten 2003; Heinen 1976, 1991; Schweitzer 1994;Schweitzer / Küpper 1997; Zahn / Schmid 1996; Zäpfel 1982). Die Ausrichtung anProduktivität und Kostenwirtschaftlichkeit als leitende Zielsetzungen orientiert sich ander Unternehmensstrategie der Kostenführerschaft und den Produktivitätseffektenvon Betriebsgrößenvariationen, den so genannten “Economies of Scale” und“Economies of Scope” (siehe Kasten 2–2).

2.2Die tayloristische Industrieproduktion

(1) Produktions- und Kostenfunktionen nach dem Ertragsgesetz

Abbildung: Partielle Gesamtertragsfunktion

Die in der ersten Abbildung dargestellte, typische partielle Gesamtertragsfunktion zeigt dieAbhängigkeit der Menge produzierter Güter (m) vom Einsatz eines Produktionsfaktors (r1). Dabeisei der Einsatz aller weiteren Produktionsfaktoren (r2, …, rn), die zur Herstellung von m benötigtwerden, konstant. Die Ertragsfunktion steigt bei geringem Einsatz von r1 bis zum Punkt A über-proportional an. Danach flacht die Funktion ab, bis sie im Punkt B ihr Maximum erreicht. Bei wei-terem Einsatz von r1 beginnt die Ertragsfunktion schließlich zu fallen. Bei sehr geringemArbeitseinsatz herrscht, verglichen mit den anderen Produktionsfaktoren, relativer Mangel anArbeit. Daher erhöht zusätzliche Arbeit die Effizienz der gesamten Produktion, die Funktion steigtüberproportional an, die Grenzerträge steigen ebenfalls. Die höchste Effizienz des FaktoreinsatzesArbeit ist am Punkt A, dem Wendepunkt der Ertragskurve, erreicht. Zwischen den Punkten A undB nimmt die Effizienz des Einsatzes von Arbeit ab, die Grenzerträge fallen. Daher flacht dieErtragskurve ab, bis sie in Punkt B ihr Maximum erreicht, an diesem Punkt ist der Grenzertrag desEinsatzes von Arbeit gleich Null. Jeder zusätzliche Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit führt zueinem sinkenden Gesamtertrag, der Grenzertrag ist dann negativ.

Kasten 2–2: Wichtige Funktionen und Gesetzmäßigkeiten der klassischenProduktionstheorie

m

r1

A

B

0

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2Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung: Klassische Kostenfunktionen

Die zweite Abbildung stellt verschiedene Kostenfunktionen in Abhängigkeit von der erzeugtenGüter- bzw. Dienstleistungsmenge m dar. Dabei sind Kf die Fixkosten der Produktion; sie sind imdargestellten Beispiel konstant. Die Gesamtkostenfunktion (K) ergibt sich als Summe derFixkosten und der gesamten variablen Kosten der Produktion einer bestimmten Leistungsmengem. Ihre Ableitung (K’) hat ein globales Minimum am Punkt A’. Der Anstieg der Gesamtkosten istdort am niedrigsten. Weiterhin zeigt die Grafik die Funktion der variablen Stückkosten (kv). Dasglobale Minimum dieser Funktion ist am Punkt C’; bei der entsprechenden Produktionsmengesind die variablen Kosten pro Stück am geringsten. Im Punkt C’ schneiden sich außerdem dieFunktionen kv und K’. Im Punkt C befände sich der kostenoptimale Produktionspunkt, wenn keineFixkosten anfallen würden. Grafisch findet man diesen Punkt, indem man vom Schnittpunkt derFunktionen Kf und K aus eine Tangente an die Funktion K legt. Da in unserem Beispiel jedoch kon-stante positive Fixkosten anfallen, verschiebt sich die kostenoptimale Produktion zum Punkt B;hier wird die Menge m* produziert. Bei dieser Produktionsmenge hat die Stückkostenfunktion (k)ihr Minimum und schneidet sich gleichzeitig mit K’ im Punkt B’. Den Punkt B findet man grafisch,indem man vom Ursprung des Koordinatensystems aus eine Tangente an K legt.

(2) Skalen und Verbundeffekte

Skaleneffekte bzw. “economies of scale” beruhen auf der Annahme, dass eine langfristigeAusdehnung der Produktionsmenge auch zu einer Ausweitung der Betriebsgröße führen wird. Diehieraus resultierenden Kostenvorteile beruhen auf (a) Kostendegressionseffekten, die sinkendeStückkosten in Abhängigkeit von einer (langfristigen) Änderung der Produktionsmenge aufgrundsteigender Kapazitätsauslastung bzw. steigenden Kapazitätsgrößen beschreiben. Ersparnisseergeben sich durch die Fertigung größerer Fertigungslose, da der Anteil der losfixen Kosten proOutputeinheit abnimmt. Flexible Fertigungstechnologien lassen jedoch die Bedeutung diesesPunktes immer mehr abnehmen. (b) Spezialisierungsvorteile durch Arbeitsteilung, die sowohl beimPersonal als auch bei Maschinen zu verwirklichen sind. Eine Erhöhung des Spezialisierungsgradssetzt aber meist eine höhere Produktionsmenge voraus. (c) Weiterhin können sich für größereBetriebe Kostenvorteile entsprechend der sog. “2/3-Regel der Anlageninvestition” ergeben: Inves-titions-, Betriebs- und Arbeitskosten steigen meist unterproportional mit steigender Anlagengröße.

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I II III IV

A‘

C‘

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2.2.3 Grenzen des Taylorismus: Heterogenisierung derNachfrage und Empowerment aktiver Kunden

Das Wissen um diese Prinzipien wissenschaftlicher Betriebsführung hat einen Typ derWertschöpfungsorganisation hervorgebracht, der bis vor kurzem die Industriepro-duktion geprägt hat. Die stabilen Verhältnisse auf den Märkten, die Langlebigkeit derProdukte und die hohe Produktivität gaben diesem Organisationstyp bis in die spätensiebziger Jahre seine Rechtfertigung. Diese Effizienz und der Erfolg der wissenschaft-

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(d) Mit einer langfristig größeren Produktionsmenge können auch Beschaffungsvorteile verwirk-licht werden. So sind die Zinsen für die Beschaffung größerer Kapitalmengen niedriger, auch ste-hen effizientere Formen des Kapitalmarktes nur für Großunternehmen offen. Ebenso könnenMengenrabatte beim Materialeinkauf genutzt und effizientere Logistiksysteme aufgebaut werden.(e) In allen Bereichen beruhen auch Kostenvorteile durch Lern- und Erfahrungsvorsprünge aufeiner langfristigen Ausdehnung des Outputs.

Verbundeffekte bzw. “economies of scope” sind diejenigen Kostenvorteile, die sich für eineUnternehmung aus der Produktion und Distribution von mehr als einem Produkt ergeben. Siebasieren auf der gemeinsamen, jedoch nicht konkurrierenden Nutzung von Produktionsfaktorenjeder Art im Rahmen einer Mehrprodukt-Produktion, wenn bei einer Einprodukt-Produktion Anteileder Produktionsfaktoren ungenutzt bleiben würden. Sie beschreiben so die Vorteilhaftigkeit verti-kaler oder horizontaler Diversifikation in einem Mehrproduktunternehmen. Eine derartig verbunde-ne Produktion innerhalb eines Unternehmens ist immer dann vorteilhafter als die Produktion dergleichen Güter in zwei verschiedenen Unternehmen, wenn mit der gemeinsamen Nutzung vonRessourcen für unterschiedliche Produktions- und Distributionsprozesse zugleich eineSubadditivität der Kosten einhergeht. Alternativ werden Verbundeffekte oft auch als Synergienoder Komplementaritäten bezeichnet. Sie lassen sich generell über eine Nicht-Auslastung vonProduktionsfaktoren und -ressourcen und die damit verbundenen Leerkosten erklären. Einerseitshaben manche Produktionsfaktoren in einem Unternehmen den Charakter quasi-öffentlicher Güterund sind – nach ihrer einmaligen Anschaffung – mehr oder weniger frei verfügbar. Hierzu zählenbspw. die unternehmenseigenen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen, die für dasUnternehmen versunkene Kosten darstellen. Die Nutzung der F&E-Ergebnisse für zusätzlicheAktivitäten dagegen birgt oft nur geringe Grenzkosten. Andererseits müssen mancheProduktionsfaktoren aufgrund ihrer Unteilbarkeit oft in größeren Einheiten beschafft wurden, alssie für die aktuelle Produktion notwendig sind. Solche Inputs sind zum Beispiel EDV-Anlagen, derFuhrpark, Fertigungshallen oder auch Humankapital. Aus den nicht genutzten Anteilen dieserFaktoren resultieren in allen Unternehmensbereichen Kosten (Leerkosten).

Skalenvorteile und Verbundvorteile stehen in engem Zusammenhang. In beiden Fällen gehtes letztlich darum, die Produktionsfaktoren und -ressourcen durch erhöhte Produktionsmengenbesser auszulasten und deren Kapitalkosten zu decken. Jedoch basiert die Kostenreduktion beiSkaleneffekten auf der wiederholten Produktion identischer Güter, bei Verbundeffekten dagegenauf der Produktion verschiedener Güter, die aber ganz oder teilweise mit den gleichenProduktionsfaktoren hergestellt werden können. Die Quellen von Skalen- und Verbundeffektenähneln sich folglich: (a) Ein spezialisierter Gebrauch von Maschinen führt bei homogenenMassengütern ebenso wie bei verbundenen heterogenen Gütern zu Effizienzvorteilen; (b) dieDurchschnittskosten sinken bei Produktion einer weiteren Gütereinheit auf einer Maschine, die mitder Produktion der ersten Einheit nicht ausgelastet war; (c) es kommt sowohl bei homogenenMassen- wie auch bei heterogenen Verbundgütern zu einer Reduktion von Risiken durchAusweitung der Produktion.

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lichen Betriebsführung sind aber ganz wesentlich von stabilen und langfristig progno-stizierbaren Marktbedingungen abhängig, die eine Produktion großer Mengen anhomogenen Massengütern erlauben. Doch gibt es für solche Produkte immer wenigereinen Markt. Wichtigste Ursache, warum die Anwendung der tayloristischenPrinzipien heute immer weniger effizienzsteigernd, sondern vielmehr oft genaugegenteilig wirkt, ist der Wandel der Absatzmärkte. Wir wollen in diesem Abschnittmit der Heterogenisierung der Nachfrage und der wachsenden Nachfragemacht derAbnehmer einen zentralen Trend betrachten, der für unser Modell der interaktivenWertschöpfung die wesentliche Grundlage bildet.

“It is the customer who determines what a business is”, sagte Peter Drucker (1954: 37)in einem viel zitierten Ausspruch. Galt diese Aussage für viele Unternehmen bislangeher abstrakt, so wird sie heute immer mehr zur sprichwörtlichen Wahrheit. VieleKunden fordern heute Produkte, die genau ihre individuellen Bedürfnisse erfüllen.Zwar ist die Einsicht, dass Kundenwünsche nicht homogen, sondern heterogen undverschieden sind, nichts Neues und wurde mikroökonomisch schon lange modelliert(Chamberlin 1950, 1962). Schon in den 1970er Jahren sieht der amerikanische FuturistDaniel Bell in seiner berühmten Konzeption der postindustriellen Gesellschaft die“fateful question”, “weather the promise will be realized that instrumental technologywill open the way to alternative modes of achieving individuality and variety within avastly increased output of goods” (Bell 1980: 545). Doch erst die heutige Marktsätti-gung und der starke Wettbewerb haben dazu geführt, dass Kunden, unterstützt durchKommunikations- und Informationsmöglichkeiten durch das Internet, auch ihre For-derung nach individuellen Produkten durchsetzen können und Unternehmen zu einerReaktion zwingen.

Gründe für eine zunehmende Individualisierung der Nachfrage

Wir können an dieser Stelle nicht ausführlich auf die Gründe eingehen, warum eineIndividualisierung der Märkte (bzw. Heterogenisierung der Nachfrage) weiter fort-schreitet, sondern wollen lediglich einen Überblick der wichtigsten Entwicklungsliniengeben. Für eine ausführliche Diskussion der Hintergründe der fortschreitenden Hete-rogenisierung der Nachfrage verweisen wir auf die Literatur (siehe vor allem Piller2006a; Zuboff / Maxim 2002; einen schönen Einblick geben auch Beck 1986; Blaho 2001;Cox / Alm 1999; Heil / Parker / Stephens 1999; Ludwig 2000 und Schnäbele 1997,Lindemann / Reichwald 1998).

Der Industriegüterbereich ist seit jeher durch eine ausgeprägte Individualisierung alsFolge der Verwendung der nachgefragten Güter in der (individuellen) Wertkette derAbnehmer gekennzeichnet (Jacob 1995, Kleinaltenkamp / Marra 1995; Stotko 2005). Diebezogenen Produktionsfaktoren sollen den firmenspezifischen Besonderheiten ihrerVerwendung in den Wertschöpfungsaktivitäten entsprechen. Da die einzigartige Gestal-tung der Wertaktivitäten nicht nur Basis zum Aufbau dauerhafter Wettbewerbsvorteileist (Porter 1996), sondern zwangsläufig auch zu stark heterogenem Bedarf der nachfragen-den Betriebe führt, hat die Individualisierung hier schon lange eine sehr hohe Bedeutung.

Diese Individualisierung im Industriegüterbereich, die häufig durch eine Einzelfer-tigung und eine Projektorganisation gekennzeichnet ist, wird heute durch eine zuneh-

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mende Individualisierung im privaten Verbrauch ergänzt. Dazu tragen unter ande-rem Änderungen im beruflichen Umfeld vieler Konsumenten bei. Der weitgehendeWandel der Arbeit in entwickelten Gesellschaften von körperlicher zu einer reinen“Wissensarbeit” betont die kreative Nutzung des Humankapitals. Die dadurch beding-te qualifiziertere Ausbildung und eine ständige Weiterbildung lehren den Menschen,die Komplexität von Problemen zu erkennen und alternative Perspektiven zu betrach-ten. Als Folge einer größeren Entscheidungsautonomie vieler Mitarbeiter im Rahmendezentraler Organisationsprinzipien steigt auch die Bedeutung von Eigenverant-wortung, Selbständigkeit und Individualität. Es ist anzunehmen, dass solchermaßendurch die veränderten betrieblichen Rollen und eine neue “Selbständigkeit” emanzi-pierte Mitarbeiter ihre berufliche Mitbestimmung und ihr Einkaufsverhalten im beruf-lichen Bereich (passende Produkte, Denken in Dimensionen langfristiger “Anwen-dungskosten” etc.) auch auf ihr privates Konsumverhalten übertragen (Piller 2006a).Dies ist ein wesentlicher Treiber der Heterogenisierung der Nachfrage.

Oft wird der Trend zur Individualisierung auch durch soziodemographische Ände-rungen erklärt. Mit zunehmendem Wohlstand, der sich u. a. in einem höheren Ein-kommen, mehr Freizeit und einem höheren Bildungsniveau manifestiert, wächst derWunsch nach individuellen Produkten. Diesen Zusammenhang beschrieb nicht nurMaslow mit seiner Bedürfnispyramide, sondern hier setzt auch die soziologischbegründete Argumentation der Individualisierung an. Wissenschaftler wie Beck (1986)oder Scitovsky (1989) halten die Massenproduktion für eintönig und neuenAnsprüchen nicht mehr angemessen, da “das menschliche Bedürfnis nach Abwechs-lung und Neuheit genauso groß ist wie der Wunsch zu überleben. Die Massen-produktion hat ihren Reiz verloren, weil immer mehr Menschen die gleichen oder ähn-liche Gegenstände besitzen” (Fournier 1994: 59). Gerade kaufkräftige Konsumentenversuchen, ihre Persönlichkeit durch eine individuelle Produktwahl zu demonstrieren.Auch führen bevölkerungsdemographische Verschiebungen zu einer steigendenZahl an älteren konsumintensiven Bevölkerungsgruppen, die großen Wert auf ein qua-litativ hochwertiges und passendes Angebot legen. Hinzu kommen noch die steigendeZahl an Single-Haushalten und Veränderungen in der Zusammensetzung derBevölkerung (nationale Identität, soziale Gruppen), die ebenfalls zu einer Fragmen-tierung der Nachfrage führen.

Neben einer zunehmenden Pluralisierung individueller und gesellschaftlicherWertsysteme ist der Wertewandel auch gekennzeichnet von einer verstärktenHinwendung zur Erlebnisorientierung, einer zunehmenden Designorientierung undeinem neuen Qualitäts- und Funktionalitätsbewusstsein, das langlebige und verlässli-che Produkte fordert. Schätzungsweise beherrscht bei 20-30 Prozent der Käuferschaftder Hedonismus die grundlegende Konsumhaltung. Hedonistisches Verhalten betontauf individueller Ebene Spontaneität und kurzfristige Kaufentscheidungen und führtauf einer aggregierten Ebene zu einer zunehmenden Heterogenität der Nachfrage(Litzenroth 1997). Hinzu kommt in allen Konsumentenschichten ein steigendesEngagement im Freizeitbereich. Im Zusammenhang mit kleineren Haushaltsgrößenund abnehmenden familiären Bindungen können speziellere Hobbys und Interessenverwirklicht werden. Dieser soziale Individualismus überträgt sich auf die materiellenBedürfnisse. Auch lässt die Markentreue der Konsumenten immer mehr nach, selbst

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wenn diese mit einem Produkt zufrieden sind (“Variety-Seeking-Behavior”). DerMarkenwechsel als solcher stiftet Nutzen – unabhängig von der Zufriedenheit mit demalten Produkt oder Geschmacksveränderungen (Kahn 1998).

Hintergründe und Kennzeichen einer zunehmenden Macht der Abnehmer

Diese Entwicklungen auf der Nachfragerseite verdienen insbesondere deshalb beson-dere Beachtung, da zunehmende globale Konkurrenz und steigender Marktdruckviele Branchen von Verkäufer- zu Käufermärkten mit stark ausgeprägter abnehmersei-tiger Verhandlungsmacht gewandelt haben (Reichwald / Höfer / Weichselbäumer 1996).Zeichen hierfür ist bei institutionellen (industriellen) Abnehmern die wachsendeBedeutung eines systematischen Beschaffungsmanagements (Lieferantenscreeningund -analyse, Qualitätspolitik). Hinzu kommt, dass sich nicht wenige Branchen durcheine erhebliche Nachfragekonzentration auszeichnen. Das damit verbundeneVerhandlungspotenzial wird von den nachfragenden Unternehmen heute konsequenteingesetzt und führt zu einer Verschärfung des Wettbewerbs. Damit können sichAnbieter in diesen Märkten nicht mehr auf eine der klassischen WettbewerbstheorienKostenführerschaft oder Differenzierungsstrategie (Porter 1980) verlassen, sondernmüssen trotz hoher Differenzierung und passender Produkte auch günstigste Preiseanbieten. Eine solche Hybrid-Strategie verlangt aber eine andere Ausrichtung derbetrieblichen Wertschöpfungssysteme, die in den klassischen Prinzipien nach Taylornicht vorgesehen ist (siehe Corsten / Will 1995; Fleck 1995; Knyphausen-Aufsess /Ringsletter 1991 und Piller 1998 zu einer ausführlichen Diskussion des Wesens undder Anforderungen hybrider Wettbewerbsstrategien).

Diese Forderung gilt heute aber gleichermaßen auch für Hersteller von Leistungen fürprivate Konsumenten. In diesem Bereich ist trotz eines größeren und komplexerenProduktangebots heute eine zunehmende Aufgeklärtheit der Käufer festzustellen.MacDonald und Tobin (1998) sprechen analog zum “Empowerment” der Mitarbeitereines Unternehmens von einem Empowerment der Abnehmer. Viele Autoren betrach-ten die aktive Rolle der Kunden im Wertschöpfungsprozess als direkte Folge diesesEmpowerment (Gouthier 2004; Hennig-Thurau 1998; Köhne / Klein 2004; Lewis / Bridger2001; Baethage / Wilkens 2001; McKenna 2002; Seybold / Marshak / Lewis 2001). DieUrsachen für eine zunehmende Macht der Kunden sind vielfältig (die meisten Gründegelten sowohl für private als auch industrielle Kunden): Dank der Informations-transparenz durch das Internet ist nicht nur eine lokale Preisdiskriminierung immerschwieriger durchzusetzen, sondern vor allem Kundenbewertungen und -empfehlun-gen gewinnen stark an Bedeutung. Solche Bewertungen stammen entweder von profes-sionellen Akteuren wie die “Stiftung Warentest” oder Computerzeitschriften, oder aberheute direkt von Konsumenten, die sich auf Meinungsplattformen und in Online-Katalogen über ihre Erfahrungen mit einer Leistung austauschen. In diesen Bewertungenwird meist das Produkt mit dem besten Preis- Leistungsverhältnis betont. Der Preisbüßt so seine Wirkung als Qualitätsindikator immer mehr ein (Fleck 1995: 46). Kundenkaufen heute von einem Anbieter, der weiß, dass seine Kunden alles über das jeweiligeGut wissen und welche Alternativen es gibt, dass sie wissen, wer auf der Welt dieses Gutnoch verkauft und welche Reputation der jeweilige Anbieter hat. In dieser Beziehung hatdas Internet schließlich geliefert, was Wissenschaftler wie Malone, Yates und Benjamin

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(1987) schon lange vorher versprochen haben: Größere Markttransparenz reduziert dieRisiken aus Abnehmersicht und führt zu sinkenden Preisen.

Kunden-Empowerment geht jedoch über den reinen Kaufakt hinaus. Kunden, die befä-higt sind, besser zwischen verschiedenen Angeboten zu unterschieden, und die dieMacht verspüren, Teil eines Informationsnetzwerks zu werden, werden angeregt, sichweiter zu artikulieren und weiter gehend zu handeln. Kunden äußern heute Kritik undUnzufriedenheit schneller und mit mehr Nachdruck (Hansen / Hennig 1995: 312;Prahalad / Ramaswamy 2004: 4). Es kommt zu einer neuen Dimension von Kunden-aktivismus, der weit über die Aktivitäten einiger Kleingruppen hinausgeht. EinBeispiel sind hunderte von Web-Sites, die von Kunden geschaffen wurden und sichnur mit einer Marke oder einen Produkt beschäftigen (meist entweder Fan- oder Hass-Seiten). Blogs (web logs) fördern eine öffentliche Debatte weiter und schaffen ein Netzverbundener Meinungen, Kommentare und weiter führender Links (siehe dazu auchAbschnitt 3.5.4). Selbst wenn so nur ein kleiner Teil an Kunden selbst aktiv wird, soerreicht ihr Wort heute viel schneller immer größere Adressatenkreise (siehe ausführ-lich Voß / Rieder 2005).

Doch Kunden loben oder kritisieren nicht nur schneller und lauter, sondern handelnheute auch aktiver, um sich selbst eine Lösung zu schaffen, die ein Hersteller nicht odernicht bequem genug anbietet. Ihre Motivation ist dabei vor allem, diese Lösung selbstfür ein offenes Bedürfnis zu nutzen – und in der Regel nicht, diese zu verkaufen.Hierbei werden sie durch eine vielfältige neue Infrastruktur unterstützt, die oft überdas Internet transaktionskostenminimal bereitgestellt wird. Unternehmen wieCafepress oder Lulu.com unterstützen Konsumenten bei Publikation, Druck undVertrieb von Büchern und anderen Drucksachen. Das Konsumentenmagazin MAKE(makezine.com) stellt detaillierte Anregungen und Anleitungen zur Verfügung, wieKunden von den Herstellern auferlegte Beschränkungen von Produkten umgehen kön-nen (wie z. B. den Kopierschutz bei digitalen Videorekordern, die Wiederverwendungvon Einweg-Kameras, das Auswechseln von Batterien von iPods). eMachineshop.comstellt jedem Konsumenten in den USA über das Internet gar eine kompletteProduktionsapparatur zur Verfügung. Maschinen und Werkzeuge, die sonst nur pro-fessionellen Nutzern zur Verfügung standen oder hohe Investitionskosten hatten, kön-nen dank einer einfachen kostenlosen CAD-Software, die die Schnittstelle zwischenKunden und Maschinen darstellt, von jedem Interessenten genutzt werden. Damit fälltdie Trennung zwischen Konsumenten und Produzenten zunehmend.

Aktiver Kunde vs. Zwangsarbeiter Kunde

Es ist wichtig, diese Form des aktiven Kunden vom “Zwangsarbeiter Kunde” zu unter-scheiden, der als Folge von Rationalisierungsbestrebungen von Unternehmen dazu“gezwungen” wird, bestimmte Aufgaben selbst zu erfüllen. Der zunehmende Grad anSelbstbedienungsangeboten (vom Bankautomaten über Self-Check-In im Etap-Hotelbis zum Selbstmanagement der Finanzen im Online-Banking) ist eine typischeReaktion vieler Unternehmen in der Tradition tayloristischen Denkens: ImVordergrund steht das Streben nach weiterer operationaler Effizienz. Auch wenn diesaus Kundensicht nicht immer so negativ gesehen wird, wie es Voß und Rieder (2005)in ihrem Buch “Der arbeitende Kunde: Wenn Konsumenten zu unbezahlten

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Mitarbeitern werden” schildern (siehe z. B. für einen gegenteilige ArgumentationBlaho 2001; Fließ 2001; Kim / Mauborgne 2001; Meuter et al. 2000; Schreier 2005), so istunbestritten, dass ein immer weiter gehender Grad an “Outsourcing von Arbeit” an dieNutzer zu negativen Serviceerlebnissen oder Überforderung mancher Kunden führenkann. Der aktive und “empowerte” Kunde im Verständnis der vorangehendenArgumentation aber wird nicht aktiv, weil ihn ein Unternehmen dazu zwingt, son-dern aus eigenem Antrieb, sei es aufgrund eines offenen Bedürfnisses oder weitererMotive, die wir noch ausführlich betrachten werden (siehe Abschnitt 2.4.4). Diesewichtige Unterscheidung ist eine Hauptthese dieses Buchs und eine wesentlicheAbgrenzung unserer Argumentation zu früheren Arbeiten zur Co-Produktion.

Individualität fördert Kreativität und Aktivität der Nachfrager

Mit der zunehmenden Individualität der Kundenanforderungen und -bedürfnisse gehtvor allem oftmals auch ein Wunsch nach besonderen Produkten oder Leistungen ein-her, die durch das derzeitige Angebot der jeweiligen Hersteller auf einem Markt nichtgedeckt werden. Wie wir noch ausführlich sehen werden, ist es vor allem der Wunschzur Lösung eines speziellen Problems oder einer besonderen Anforderung, derKunden zu kreativen Mitwirkenden ehemals rein betrieblicher Wertschöpfung werdenlässt. Zahlreiche Studien in Investitionsgüter- und Konsumgütermärkten zeigen heute,dass fortschrittliche Kunden regelmäßig nicht auf eine Lösung durch einen Herstellerwarten, sondern selbst aktiv werden und passende Produkte für ihre neuartigenAnforderungen entwickeln bzw. zumindest einem Hersteller den entscheidendenImpuls für eine solche Entwicklung selbst vermitteln (z. B. Franke / Shah 2003; Franke/ von Hippel 2003; Lüthje 2003a, 2004; Urban / von Hippel 1988; von Hippel 2005). Inder Konsequenz dieses anspruchsvolleren und heterogeneren Nachfrageverhaltensergeben sich neue Herausforderungen der Unternehmen bei der Produktentwicklungund Produktion. Traditionelle Methoden der Produktentwicklung zielen aufStandardprodukte, welche die durchschnittlichen Bedürfnisse einer möglichst großenAnzahl an Kunden treffen sollen. Dazu wird mittels Marktforschung versucht, dieBedürfnisse der Kunden ex-ante zu erfahren – unter der Prämisse, dass Kunden imanvisierten Marktsegment die gleichen Präferenzen für bestimmte Produkteigen-schaften haben. Das potenziell hohe Umsatzvolumen im vermeintlich homogenenZielmarktsegment rechtfertigt so auch hohe Fixkosten der Entwicklung und desAufbaus eines abgestimmten Produktionsapparats.

Die klassische Reaktion der Anbieter auf die zunehmende Individualität

Werden durch die Heterogenisierung der Nachfrage die Zielmärkte aber kleiner, rea-gieren viele Anbieter mit einer immer ausgedehnteren Modell- und Variantenvielfalt

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Der aktive Kunde im Sinne dieses Buches wird nicht aktiv, weil ihm ein Unternehmen dazu ausGründen der Effizienzsteigerung zwingt, sondern aus eigenem Antrieb, sei es aufgrund einesoffenen ungestillten Bedürfnisses und / oder weiterer Motive wie z. B. Spaß an der Interaktionund sozialem Austausch, Wettbewerbsdenken, monetären Anreizen.

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(Cox / Alm 1999; Piller 1998). Vorhandene Grundprodukte werden um neue Varia-tionen für immer kleinere, in sich aber homogene Marktsegmente erweitert, indem fürjede Nische eine eigene Produktvariation inklusive begleitender Vermarktungsmaß-nahmen entworfen wird. Doch die vermeintlich marktbezogene Variantenfertigungbedeutet in der Regel eine große Produktpalette ähnlicher Erzeugnisse in geringenMengen, die vorab auf Lager produziert werden. Dabei sind die genauen Absatzzahlenaber immer schwerer zu prognostizieren (Lee / Padmanabhan / Whang 1997), da dieFertigung lediglich auf Marktprognosen und Schätzungen des Vertriebs basiert. Beigleich bleibenden oder nur leicht steigenden gesamten Absatzzahlen nimmt zudemder Aufwand der Marktbearbeitung enorm zu. Diese Vorgehensweise führt so vorallem zu einer steigenden Komplexität – in der Produktion gleichermaßen wie imProduktmanagement und Vertrieb. Besonders schwerwiegend erscheint, dass diesenProblemen mit Ausnahme einer etwas besseren Annäherung an die Präferenzstrukturder Kunden keine neuen erlösseitigen Potenziale gegenüberstehen. Die vermeintlichkundennahe Variantenfertigung entpuppt sich oft als teure und unzulänglicheFehlentscheidung. Der Ausweg vieler Unternehmen ist dabei aber heute nicht etwa,die grundlegenden Prinzipien zu erweitern, die hinter ihrer Reaktion stehen – also stattfür mit ihnen genau passende individuelle Lösungen zu schaffen, sondern vielmehrimmer noch der Versuch, das bestehende System industrieller Wertschöpfung in sei-nem Kern unverändert zu lassen, es jedoch durch die Integration externer Akteurewandlungsfähiger und flexibler zu machen. Von dieser Übertragung der Prinzipienklassischer industrieller Wertschöpfung auf die Bildung von Netzwerkorganisationenhandelt der folgende Abschnitt.

2.3 Auflösung der Unternehmensgrenzen:Von der internen Abwicklung zu Netzwerkenund Märkten

Kasten 2–4 schildert als einführendes Beispiel die Geschichte Michael Dells, der durcheine radikale Weiterentwicklung der klassischen Wertschöpfungsprinzipien ein erfolg-reiches Unternehmen schaffen konnte. Das Dell-Modell ist nicht nur eine erfolgreiche

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Auflösung der Unternehmensgrenzen

Grün, Oskar / Brunner, Jean-Claude (2002). Der Kunde als Dienstleister: Von der Selbstbe-dienung zur Co-Produktion. Wiesbaden: Gabler 2002.

Voß, Günter / Rieder, Kerstin (2005). Der arbeitende Kunde: Wenn Konsumenten zu unbezahl-ten Mitarbeitern werden. Frankfurt / New York: Campus 2005.

Zuboff, Shoshana / Maxmin, James (2002). The support economy: why corporations are failingindividuals and the next episode of capitalism. London: Viking Penguin 2002.

Kasten 2–3: Literaturempfehlungen zum Wandel der Märkte und zum Empowerment derKunden

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Antwort auf die Individualisierung der Nachfrage und eine zunehmende Hetero-genität der Kundenwünsche, sondern auch ein beeindruckendes Beispiel für die bisheute vorherrschende Beständigkeit der alten Prinzipien industrieller Wertschöpfung.Keiner der bereits vor Dell etablierten großen Computerhersteller, die alle dem klassi-schen intern ausgerichteten tayloristischen Denken entsprungen sind, hat es jegeschafft, dass Dell-Modell im PC-Markt erfolgreich zu kopieren. Dell hatte als Start-up-Unternehmen auf der grünen Wiese den großen Vorteil, keinen Ballast konventio-nellen Denkens tragen zu können und konnte konsequent alle Wertschöpfungsaktivi-täten auf sein neues Modell ausrichten. Das Dell-Modell zeigt aber auch, dass diePrinzipien klassischer Betriebsführung an sich weiterhin Bestand und als Gesetz-mäßigkeit Richtigkeit haben (Dell setzt z. B. stark auf Skaleneffekte im Einkauf undnutzt durch seine modularen Rechnerarchitekturen starke Verbundeffekte). Auchheute sind Skalen- und Verbundvorteile noch wichtige Prinzipien, die die Ent-scheidungen vieler Unternehmen zu Recht prägen. Jedoch sind sie nicht mehr zentra-ler Mittelpunkt wirtschaftlichen Handelns, sondern werden durch neue Prinzipienergänzt und dominiert.

2Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

(Quelle: Holzner, Steven: How Dell does it, New York: McGraw-Hill 2006)

Die Erfolgsgeschichte des Computerherstellers Michael Dell ist ein gutes Beispiel für dieAnwendung neuer Prinzipien zur Organisation der Wertschöpfung in Unternehmensnetzwerken.Als junger Student der Medizin in Austin Texas lernte Michael Dell, dass die auf dem Markt verfüg-baren Personal Computers (PCs) nicht den Anforderungen entsprachen, die sich aus demAnwendungsbereich seines Medizin-Labors ergaben. Schnell entdeckte er die Möglichkeit, seinenPC durch einzelne Bauteile und Zusatzausstattungen so zu ergänzen, dass er seinenAnforderungen Rechnung tragen konnte. Mit der Zeit erwarb er einen immer besseren Überblicküber verfügbare Einzelteile und konnte so (zunächst seine eigenen) individuelle Anforderungenimmer besser erfüllen. Auf dieser Grundlage baute Michael Dell zunächst für einen beschränktenInteressentenkreis aus seinem Umfeld PCs auf Bestellung, die er nach den jeweiligenAnforderungen seiner Kunden unterschiedlich zusammenstellte. Mit der Faszination, die das PC-Geschäft und die Anpassung von Computertechnologie an individuelle Nutzerbedürfnisse ausüb-te, wuchs auch seine Branchenkenntnis. Schnell begriff er, dass die Gesamtkosten der imComputerhandel verfügbaren Einzelteile für einen PC nur etwa 50 % der Kosten eines im Handelerhältlichen PC ausmachte. Ein Anbieter, der ohne Lagerrisiko diese Komponenten schnell und fle-xibel zu bereits bestellten Computern zusammenfügen konnte, hätte große Gewinnmöglichkeiten,vor allem, wenn er in einem Direktvertriebsmodell ohne Einschaltung des Handels direkt mit denAbnehmern interagieren würde.

Das Geschäft wuchs so schnell, dass Dell bald darauf sein Medizinstudium beendete, um sichganz der individuellen Produktion von PCs zu widmen. Mit dem Aufkommen des Internet an denamerikanischen Universitäten baute er Schritt für Schritt sein Wertschöpfungsnetzwerk aus.Zunächst nutzte Michael Dell den Telefonvertrieb (der auch heute noch der wichtigsteVertriebskanal ist), später auch das Internet als Kommunikations- und Vertriebsweg. Da er nichtdas notwendige Kapital für eine Entwicklungsabteilung, Lagerhaltung oder die Einrichtung großerProduktionsstätten hatte, beschränkte er sich darauf, die eingegangenen Bestellungen und deren

Kasten 2–4: Das Beispiel Dell: Netzwerke als Antwort auf den marktlichen und technolo-gischen Wandel

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2.3.1 Marktorientierung und Flexibilität als Leitziele inUnternehmensnetzwerken

Das Beispiel Dell verdeutlicht die Fortentwicklung der klassischen Organisation indu-strieller Wertschöpfung. Nicht mehr ein physisches Unternehmen, sondern ein Da-tennetz wird zur zentralen Wertschöpfungsplattform. Die wesentliche GeschäftsideeMichael Dells für die Wertschöpfungsorganisation legt den Fokus auf den Aufbau vonKoordinationskompetenz überbetrieblicher Wertschöpfungsprozesse in Netzwerken(anstelle der klassischen der Kompetenz zur optimalen Allokation betrieblicherRessourcen im Unternehmen).

Reaktion auf die Forderung hybrider Wettbewerbsstrategien

Wir haben im letzen Abschnitt gesehen, dass die klassischen Prinzipien der wissen-schaftlichen Betriebsführung vor allem deshalb an ihre Grenzen stoßen, weil sich heuedie meisten Märkte von Verkäufer- zu Käufermärkten gewandelt haben. Kunden sindnicht mehr bereit, organisatorisch bedingte Koordinationsprobleme, wie z. B. nichtgenau passende Produkte, lange Lieferzeiten oder Schnittstellenprobleme bei Pro-

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Auflösung der Unternehmensgrenzen

Komponenten in seinem Netzwerk von Händlern zu beschaffen und nach individuellem Zuschnittin seine PCs einzubauen. So konnte er auf eine eigene Entwicklung von Computerelementen ver-zichten und damit etwaigen Entwicklungsrisiken entgehen. Sobald Computerkomponenten vomtechnischen Fortschritt überholt waren, kaufte er jeweils die neueste technologische Version, umseinen Kunden nur aktuellste PC-Technologie anzubieten. Die Energie seines eigenenUnternehmens steckte er viel mehr in Aktivitäten, die die Interaktion mit den Kunden und die inter-ne Abstimmung seines Netzwerks verbessern konnten.

Ein neues Wertschöpfungsmodell in der Computerindustrie war geboren. Die Produktion von PCs,individuell für den jeweiligen Kundenbedarf nach einem modularen Baukastensystem.Informationsnetzwerke dienten statt Werkshallen als Logistikplattform für die Koordination desWertschöpfungsprozesses vom Bestellvorgang bis zur Auslieferung des PCs an den Kunden. Mitdiesem Wertschöpfungsmodell hat Michael Dell eine beispiellose Erfolgsstory hervorgebracht, diebis heute anhält. Das Wertschöpfungsmodell der Dell Corporation dreht den Wertschöpfungs-prozess aus einer Input-Output-Orientierung in seine Gegenrichtung um. Auslöser aller Wert-schöpfungsaktivitäten ist die Kundenbestellung, zu der sich der Kunde entweder alleine im Internetoder in Zusammenarbeit mit einem Telefonverkäufer sein individuelles Computersystem selbstkonfiguriert. Der Bestellvorgang löst den Wertschöpfungsprozess in seinen weiteren Schritten aus.Die Komponenten werden aus einem weltweiten Zulieferernetzwerk bezogen. Nach einem ausge-klügelten logistischen System, das von der Firma Dell zentral koordiniert wird, werden dieEinzelteile für jeden Bestellvorgang durch weltweit agierende Logistikunternehmen (z. B. DHL,Fedex) transportiert und entweder in Dell-Fertigungswerkstätten oder direkt beim Kundenzusammengebaut und eingerichtet. Dieser Prozess wird vom Bestellzeitpunkt bis zur Auslieferungmit einer zugesicherten Durchlaufzeit realisiert, die auch in 95 % der Fälle eingehalten wird.

(Anmerkung: In den USA ist Dell seit Anfang 2005 stark in der Gunst der Kunden gefallen und wirdderzeit für seinen schlechten Kundenservice, nicht mehr innovative Produkte und langeLieferzeiten gescholten. Mit dem starken Wachstum des Unternehmens scheint das ursprünglicheGeschäftsmodell verwässert worden zu sein. So ist der Großteil der von Dell heute angebotenenProdukte reine vorgefertigte Standardware, wo die klassischen Erfolgprinzipien nicht mehr grei-fen.)

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zessen zu akzeptieren. Das neue Käuferverhalten ist ein wesentlicher Einflussfaktor fürdie Entwicklung neuer Güter und Dienstleistungen bei wachsenden Qualitäts-ansprüchen. Dies gilt für Konsumgüter, Investitionsgüter und für Dienstleistungenaller Art. In Käufermärkten rücken die betriebswirtschaftlichen Ziele “Qualität”, “Zeit”(Entwicklungs- und Lieferzeit) oder “Flexibilität” als gleichwertige Ziele neben dieklassischen Ziele “Produktivität” und “Kostenwirtschaftlichkeit”. (Reichwald 1992;Reichwald / Schmelzer 1990; Reichwald / Koller 1996; Reichwald / Höfer / Weichsel-bäumer 1996)

Hierzu bieten ihnen neue Technologien eine Vielfalt von Potenzialen. NeueFertigungstechnologien (computerintegrierte Produktion und flexible Fertigungs-systeme) lösen die Zielkonflikte zwischen Flexibilität (Variantenvielfalt) und Qualitäteinerseits und Produktivität und Effizienz andererseits auf. Darüber hinaus sind esaber vor allem neue Informations- und Kommunikationstechnologien, die eine tiefgreifende Veränderung der unternehmerischen Wertschöpfung erlauben. Informationwird zum dominierenden Produktionsfaktor, Güter-, Arbeits- und Informa-tionsmärkte werden zu globalen Märkten. Die Nutzung der neuen Kommunika-tionsnetze verschafft weltweiten Zugang zu Standorten, die vormals schwer erreich-bar waren. Die Intensivierung des Wettbewerbs vollzieht sich so durch den Eintrittneuer Wettbewerber in ehemals angestammte oder verschlossene Märkte. Beein-druckend ist das Wachstum der ostasiatischen Märkte und das erfolgreiche Agierenostasiatischer Wettbewerber, besonders im Bereich industrieller Massengüter und derInformationsdienstleistungen. Seit der Öffnung der Märkte Osteuropas kommenAnbieter hinzu, in deren nationalen Volkswirtschaften Industriegüter zu erheblichgeringeren Produktionskosten hergestellt werden und die mit ihren qualitativ immerbesser werdenden Gütern und Dienstleistungen zunehmend Anschluss an denWeltmarkt finden. Informationsdienstleister bieten ihre Leistungen weltweit überDatennetze an.

Öffnung der Grenzen des Unternehmens

Märkte und Unternehmen wandeln sich vor dem Hintergrund dieser vernetzten Öko-nomie. Dabei wird es schwieriger, Unternehmen als in sich relativ geschlossene, inte-grierte Gebilde zu identifizieren (vgl. Picot / Reichwald 1994). Die Grenzen derUnternehmen verschwimmen. Die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Märkten,die klare Unterscheidung zwischen innen und außen schwindet. Stattdessen ergebensich immer häufiger Organisationsformen zwischen Unternehmen und Märkten, wiez. B. Netzwerkorganisationen, Kooperationsgeflechte, virtuelle Organisations-strukturen oder Telekooperationen. Sie sind Resultate von Reaktionen auf neue Markt-und Wettbewerbsbedingungen und der Möglichkeiten neuer Informations- undKommunikationstechnologien (siehe Kasten 2–5 für eine Erläuterung und weiter füh-rende Literatur zum Begriff der Grenze von Unternehmen). Als Resultat verändernsich eher stabile Technologien der Fertigung und eher dauerhafte Organisationsformenund Führungsstrukturen zugunsten flexiblerer Formen, die sich rasch an neueGegebenheiten anpassen lassen. An die Stelle überschaubarer, regionaler Geschäfts-tätigkeiten tritt eine globale Orientierung. Damit verändern sich auch die institutionel-len Rahmenbedingungen, mit denen Unternehmen konfrontiert werden und die bisher

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in der Regel stabile und überschaubare Grundlagen unternehmerischer Tätigkeiten lie-ferten. Durch enge kommunikative Vernetzungen sowie durch die International-isierung der Geschäftstätigkeiten entsteht eine Vielfalt neuer institutioneller Gege-benheiten, mit denen sich Unternehmen vermehrt auseinanderzu setzen haben.

Der technologischen folgt eine organisatorische Weiterentwicklung der Wert-schöpfung. Notwendig ist eine Abflachung oder sogar Auflösung hierarchischerStrukturen. Klassische Abteilungen und Hierarchieebenen verlieren ihre Bedeutung,streng festgelegte Kommunikationsstrukturen werden durch den direkten Weg einernicht im Einzelnen kanalisierten Gruppenkommunikation ersetzt. Die Zusammen-führung von dispositiver und objektbezogener Arbeit sowie die Zusammenführungvon Dienstleistung und Sachleistung zu geschlossenen Wertschöpfungsketten hat abernoch eine weitere Konsequenz, welche die Grenzen der Unternehmung auch in räum-licher Hinsicht in Frage stellt: Je stärker das Prinzip der autonomen Organisa-tionseinheiten die Wertschöpfungskette durchdringt und je besser die autonomenUnternehmenseinheiten durch Informations- und Kommunikationstechniken koordi-niert werden können, desto stärker tritt auch die Standortfrage in den Vordergrund.

Können mit einer Standortverlagerung ökonomische Vorteile erzielt werden, z. B.durch größere Marktnähe, durch die Nutzung von Kostenvorteilen, durch Erhöhungder Lebensqualität für die Mitarbeiter oder durch Versorgungsvorteile, dann folgt derorganisatorischen Dezentralisierung auch die räumliche Dezentralisierung, d. h. dieStandortverlagerung von Organisationseinheiten. Diese erstreckt sich auf dieStandorte von ganzen Unternehmen, von modularen Organisationseinheiten, Gruppenoder einzelnen Arbeitsplätzen. Im Zuge einer Modularisierung der Unternehmen-sorganisationen und Neustrukturierung der Arbeitsteilung kommt es häufig zuKooperationen von Unternehmen und Zulieferern in Produktionsnetzwerken, dieüber eine regionale Ausdehnung hinaus auch international angesiedelt sein können(Frohlich / Westbrook 2001; Mildenberger 2001; Picot / Reichwald / Wigand 2003;Reichwald et. al 2004).

2.3Auflösung der Unternehmensgrenzen

(Quelle: Reichwald, Ralf (2004a). Organisationsgrenzen. In: Georg Schreyögg / Axel von Werder(Hg.): Handwörterbuch der Unternehmensführung und Organisation. 4. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2004: 998-1008)

Die Definition der Grenzen einer Organisation ist erst aus betriebswirtschaftlicher Sicht seit demZeitpunkt ein Thema, zu dem die Ziehung der Grenzen als Gestaltungsoption in das Blickfeld derOrganisationsforschung des Managements gerückt ist. Aus neoklassischer Sichtweise sindOrganisationen zur Abwicklung von wirtschaftlichen Leistungen nicht notwendig: Die Koordinationam Markt, gelenkt durch die unsichtbare Hand, führt zu einem unter Effizienzaspekten idealenZustand (vgl. Smith 1776). Ohne Organisationen existieren auch keine Organisationsgrenzen.

Aber auch in der klassischen Organisationslehre scheinen die Grenzen einer Organisation alsGestaltungsoption keine Rolle zu spielen. Im Mittelpunkt steht dort die Frage nach der Gestaltungdes Aufbaus und der internen Abläufe in einer gegebenen Organisation. Dabei wurde die Ziehung

Kasten 2–5: Organisationsgrenzen: Begriff und Ebenen

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2Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

der Grenzen einer Organisation bereits von Coase (1937) thematisiert, der die neoklassischeTheorie bei der Verteilung von knappen Gütern auf Märkten in Frage stellt und die Organisationals effizienten Mechanismus der Abwicklung von Transaktionen bei unvollständigen Informationenuntersucht. Die Untersuchung der Existenz von Organisationen führt damit auch zu der Frage, wodie Grenze der Organisation gezogen wird, insbesondere wenn, wie bei Coase, die Festlegungdes optimalen Aufgabenumfangs in einer Organisation thematisiert wird. Die grundsätzliche Fragenach den Grenzen einer Organisation hängt von der verfolgten Auffassung über die Bestandteileeiner Organisation und damit auch davon ab, was jenseits der Grenzen einer Organisation gese-hen wird.

Sieht man die Organisation als soziales System (Gutenberg 1983), hängt die Organisationsgren-ze eng mit der Struktur und Größe eines Unternehmens zusammen. Die Zahl an Mitarbeitern, derUmsatz, die Marktkapitalisierung, der Wertschöpfungsanteil, der Marktanteil, die Anzahl derGeschäftsfelder oder die geographische Ausdehnung sind beispielhafte Kennzahlen zurBeschreibung der Größe einer Organisation, die wiederum durch die Ziehung der Grenzen umdiese Organisation abhängt (vgl. Bieberbach 2001). Versteht man unter einem Unternehmen eineorganisatorische und wirtschaftliche Einheit mit einer hierarchischen Struktur und zentralenWeisungsrechten (vgl. Picot 1999), dann lassen sich unter den verschiedenen möglichenDeterminanten zwei unabhängige Variablen finden, die zur Bestimmung der Unternehmensgrößeherangezogen werden können: die horizontale und die vertikale Unternehmensgröße (Tirole1995). Die horizontale Größe bezieht sich auf die Zahl der Märkte, auf denen das Unternehmenaktiv ist, und die jeweilige Output-Menge auf einem Markt. Damit bestimmt sich die Leistungsbreiteeines Unternehmens. Die vertikale Unternehmensgröße dagegen bezieht sich auf die Tiefe derWertschöpfung, d. h. die Leistungstiefe bzw. der Grad der vertikalen Integration. Sie ist analytischdefiniert durch die Zahl der Wertschöpfungsstufen, die innerhalb eines Unternehmens abgewickeltwerden, oder praktisch bestimmbar durch die Wertschöpfung (Gesamtleistung abzüglichVorleistungen). Die Festlegung der Leistungsbreite (Bestimmung der horizontalen Organisa-tionsgrenze) und Leistungstiefe (Bestimmung der vertikalen Organisationsgrenze) können alswichtige Bestimmungsgrößen der Grenzziehung der Organisation gesehen werden.

Eine andere Sichtweise sieht die Organisation als ökonomische Institution zu Lösung des Orga-nisationsproblems vor dem Hintergrund einer arbeitsteiligen Wirtschaft und der Existenz verschie-dener Institutionen zur Abwicklung der Arbeitsteilung (Picot 1999). Gegenstand des Organi-sationsproblems ist die Beseitigung der Mängel als Folge von Koordinations- und Motiva-tionsproblemen bei Arbeitsteilung und Spezialisierung, wie auch bei Tausch und Abstimmung, diemöglichen Produktivitätsgewinne (aus Spezialisierung) entgegenstehen. (vgl. u. a. Picot 1982;Milgrom / Roberts 1992). Allerdings verbraucht der Organisationsprozess selbst Ressourcen(Koordinationskosten). Folglich stellt das Organisationsproblem eine Optimierungsaufgabe dar,bei der diejenige Organisationsform gesucht wird, die den Produktivitätsanstieg durchArbeitsteilung und Spezialisierung so auszunutzen vermag, dass unter Berücksichtigung desRessourcenverbrauchs bei Tausch und Abstimmung möglichst viele Bedürfnisse befriedigt werdenkönnen (Picot / Reichwald / Wigand 2003). Unterschiedliche Organisationsformen bestimmen sichdabei durch verschiedene Ansatzpunkte zur Lösung des Koordinations- und Motivationsproblems,namentliche Hierarchie, interorganisationale Netzwerke (Kooperation) und Markt. Diese Ansätzesind dabei durch die Dominanz unterschiedlicher Institutionen geprägt. Als Institutionen werdensozial sanktionierbare Erwartungen bezeichnet, die sich auf die Handlungs- und Verhaltensweiseneines Akteurs beziehen. Sie informieren jeden Akteur sowohl über seinen eigenen Handlungs-spielraum als auch über das wahrscheinliche Verhalten anderer Akteure und fungieren somit alsverhaltensstabilisierende Mechanismen. Die Organisationsgrenze bezieht sich dabei auf dieDefinition des Überganges zwischen Hierarchie und Markt sowie zwischen Markt bzw. Hierarchieund interorganisationalen Netzwerken. Sie muss für alle Transaktionsbeziehungen entlang derWertschöpfungskette zur Erstellung der Gesamtleistung festgelegt werden. Die effiziente Grenze

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2.3.2 Ökonomie der Netzwerkorganisationen und Move-to-the-Market

Die Unternehmensführung befindet sich so in einem Prozess der Neuorientierung unddes Umdenkens. Wahrend in der klassischen Theorie der Unternehmung Produktivitätund Produktionskosten die Kriterien für die Gestaltung der industriellen Wertschöpfungbilden, sind es nun die Kosten der Information und Kommunikation in bestimmtenWertschöpfungsarrangements, die Transaktionskosten, die den Pfad erfolgreicherUnternehmensführung bestimmen. Das Problem der Güterknappheit wird auch hierdurch Arbeitsteilung und Spezialisierung bewältigt. Allerdings tritt in den neuenOrganisationsformen der modularen Organisation bzw. der Unternehmensnetzwerkedas Problem der Koordination und Motivation in den Vordergrund. Es geht primärdarum, die resultierenden Tausch- und Abstimmungsvorgänge möglichst effizient zugestalten. Koordinations- und Motivationsprobleme entstehen hier, weil das Wissen umdie effizientesten Wertschöpfungsarrangements selbst ein knappes Gut ist (Picot / Dietl /Franck 2005). Damit tritt die klassische Erkenntnis Kirzners (1978) in den Vordergrund,dass erfolgreiches Unternehmertum letztlich auf Informationsvorsprüngen basiert.Die Ausnutzung dieser Informationsvorsprünge verlangt immer die Wahl einer passen-den Organisationsform, um mit der knappen Ressource Information möglichst effizientumzugehen. Das Management von Information muss sich dabei mit den besonderenEigenschaften des Gutes Information auseinander setzen, deren Charakteristika mitjeder weiteren Vernetzung zwischen Akteuren an Bedeutung gewinnt. EinenAnsatzpunkt zur Modellierung und Erklärung bieten die Transaktionskostentheorie undder verbundene Ansatz der Property-Rights-Theorie (siehe Kasten 2–6), zwei der zentra-len Bestandteile der so genannten Institutionenökonomik. Diese stellt (abstrakte)Erklärungsansätze zur Verfügung, wie eine Unternehmung als Bestandteil eines globa-len Wertschöpfungsnetzwerks die Grenzen der Arbeitsteilung optimal zieht. Die Insti-tutionenökonomik wird damit zum ergänzenden Erklärungsansatz, da die klassischenGesetze Tayloristischen Denkens diese Fragen nicht ausreichend beantworten können.

2.3

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Auflösung der Unternehmensgrenzen

ist dann bestimmt, wenn beim Übergang von einer Organisationsform zur nächsten keine Koordi-nationskosten (bei gegebenen Produktionskosten) mehr eingespart werden können. Die Organisa-tionsgrenze definiert damit das Spektrum all der Aufgaben, die innerhalb einer Organisation zu der ausGesamtkostensicht geringsten Summe von Koordinations- und Produktionskosten erbracht werden.

In der bisherigen Argumentation wurde die Organisationsgrenze in erster Linie als externe (inter-organisationale) Grenze zwischen einem Unternehmen und seiner Umwelt gesehen. Dies ent-spricht auch der weiten Verwendung dieses Begriffs in der angeführten Literatur. Der externenOrganisationsgrenze kann aber auch eine interne (intraorganisationale) Grenze gegenübergestelltwerden. Diese bezieht sich auf die Verteilung von Aufgaben, Weisungs- und Entscheidungs-rechten sowie Macht innerhalb eines Unternehmens und die Ziehung der Grenzen zwischen denverschiedenen organisatorischen Einheiten (Aufbauorganisation) eines Unternehmens aus forma-ler und informeller Sicht. Auch hier lässt sich die zu Beginn angeführte Unterscheidung zwischenhorizontalen und vertikalen Grenzen ziehen, indem auch innerhalb einer Organisation das horizon-tale Aufgabenspektrum festgelegt werden muss, also beispielsweise die Breite der Produktlinieeiner Geschäftseinheit.

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2Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

(Quelle: Reichwald, Ralf (2004b). Organisationsgrenzen. In: Georg Schreyögg / Axel von Werder(Hg.): Handwörterbuch der Unternehmensführung und Organisation, 4. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2004: 998-1008)

Transaktionskostentheorie: Grundlegende Untersuchungseinheit der Transaktionskostentheorieist die einzelne Transaktion, die als Übertragung von Verfügungsrechten (Property-Rights) definiertwird (vgl. u. a. Coase 1937; Picot / Dietl / Franck 2005; Williamson 1975, 1985). Die dabei anfal-lenden Kosten werden als Transaktionskosten bezeichnet und umfassen Kosten der Anbahnung(z. B. Recherche, Reisen, Beratung), Vereinbarung, (z. B. Verhandlungen, Rechtsabteilung),Abwicklung, (z. B. Prozesssteuerung), Kontrolle (z. B. Qualitäts- und Terminüberwachung) undAnpassung (z. B. Zusatzkosten aufgrund nachträglicher qualitativer, preislicher oder terminlicherÄnderungen). Die Höhe dieser Transaktionskosten hängt einerseits von den Eigenschaften der zuerbringenden Leistungen und andererseits von der gewählten Einbindungs- bzw. Organi-sationsform - und damit Setzung der Organisationsgrenzen - ab. Ziel der Transaktionskosten-analyse ist es, diejenige Organisationsform zu finden, die bei gegebenen Produktionskosten dieTransaktionskosten minimiert. Transaktionskosten sind damit Effizienzmaßstab zur Beurteilungund Auswahl unterschiedlicher institutioneller Arrangements. Dabei werden der Markt, die organi-sationsinterne Hierarchie und Netzwerke bzw. Kooperationen als elementare Strukturen derLeistungserstellung betrachtet. Die Organisationsgrenze kann hier als Trennung zwischen derOrganisation als Träger der Leistungserstellung und dem umgebenden Marktsystem gesehen wer-den. Aus Sicht der Transaktionskostentheorie konstituieren sich die effizienten Grenzen einerOrganisation an dem Punkt, wo die Kosten der internen Abwicklung von Transaktionen den Kostender externen Abwicklung dieser Transaktion entsprechen (Holmström / Roberts 1998), also durchUmverteilung keine Effizienzgewinne mehr realisiert werden können.

Property-Rights-Theorie: Nach Holmström und Roberts (1998) resultiert die Frage derOrganisationsgrenze aus der so genannten “hold-up” Problematik, also der Gefahr der opportuni-stischen Ausnutzung bestehender Abhängigkeiten zwischen Vertragsparteien mit asymmetrischerInformationsverteilung. Wenn eine der Vertragsparteien für eine Transaktion irreversible, transak-tionsspezifische Vorleistungen tätigt (sog. “sunk costs”), die außerhalb dieser Transaktion vongeringerem Wert oder wertlos sind, gerät sie nach Vertragsabschluss in Abhängigkeit von deranderen Partei, weil sie auf deren Leistung angewiesen ist. Zusätzlich ist es aufgrund zu hoherTransaktionskosten unmöglich, einen vollständigen Vertrag zu schließen, der alle möglichenUmweltzustände ex-post umfasst. Diese Problemstellung bildet der Property-Rights-Ansatz ab(vgl. u. a. Grossman / Hart 1986; Hart / Moore 1990; Hart 1995). In seinem Mittelpunkt stehenHandlungs- und Verfügungsrechte (sog. Property Rights) und deren Wirkung auf das Verhaltenvon ökonomischen Akteuren. Ausgangspunkt ist dabei die Beobachtung, dass der Wert vonGütern einerseits und die Handlungen von Menschen andererseits von den Rechten abhängen,die ihnen zugeordnet sind. Property Rights sind die mit einem Gut verbundenen undWirtschaftssubjekten aufgrund von Rechtsordnungen und Verträgen zustehenden Rechte. DieÜbertragung von Property Rights kann auf Märkten durch Verträge und innerhalb von Organi-sationen durch hierarchische oder marktliche Anweisungen geregelt werden. Durch unvollständi-ge Zuordnung und / oder Verteilung von Property Rights auf mehrere Individuen entstehen sog.verdünnte Property Rights mit der möglichen Folge externer Effekte. Die Handlungen einesAkteurs haben dadurch Auswirkungen auf den Nutzen der übrigen Akteure, die ebenfalls im Besitzder verdünnten Property Rights sind.

Bei unvollständigen Verträgen und hoher Spezifität der betroffenen Güter kann eine Integrationaller Property Rights innerhalb einer Organisationsgrenze diese Problematik verhindern. Folge ist

Kasten 2–6: Ansätze zur Erklärung organisationaler Grenzen: Transaktionskosten undProperty-Rights-Ansatz

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Effizienz alternativer Wertschöpfungsarrangements

Aus Sicht der Transaktionskostentheorie stellen Kooperationen in Netzwerken sogenannte hybride Organisationsformen dar, die auf einem Kontinuum zwischen denbeiden Extremformen Markt und Hierarchie angesiedelt sind. Sie vereinigen Elementemarktlicher als auch hierarchischer Organisation. Dazu zählen beispielsweise lang-fristig angelegte Unternehmenskooperationen, strategische Allianzen, Joint Ventures,Franchisingsysteme, Lizenzvergabe an Dritte, dynamische Netzwerke sowie langfristi-ge Abnahme- und Belieferungsverträge. Ziel von Netzwerkorganisationen ist dieKombination der Vorteile von hierarchischen und marktlichen Organisationsformen:die Zusammenlegung von komplementären Ressourcen verschiedener Unternehmenfür die gemeinsame Wertschöpfung soll nahezu die Effizienz einer einheitlichen hier-archischen Organisation erreichen. Gleichzeitig soll aber die Flexibilität undAutonomie der einzelnen Unternehmen aufrechterhalten werden, indem sich dieUnternehmen durch marktliche Arrangements nur lose aneinander binden (Picot /Reichwald / Wigand 2003). Die scheinbar einfache Wahl zwischen unternehmens-interner und unternehmensexterner Erstellung von Leistungen entpuppt sich damit alskomplexe Optimierungsaufgabe innerhalb eines breiten Kontinuums von Möglich-keiten.

Einen Anhaltspunkt für die Entscheidung, ob eine Leistung intern, rein extern oderkooperativ abgewickelt werden soll, gibt der Grad der Spezifität und Unsicherheit derentsprechenden Aktivität, der wesentlich die Höhe der Transaktionskosten bestimmt.Dabei ist die Spezifität einer Transaktion um so höher, je größer der Wertverlust ist,der entsteht, wenn die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Ressourcen nicht in derangestrebten Verwendung eingesetzt, sondern ihrer nächst besten Verwendung zuge-führt werden (vgl. Klein / Crawford / Alchian 1978). So sind z. B. bei Beendigung einerGeschäftsbeziehung unspezifische Ressourcen wie Standardsoftware etc. weiterhinohne Einschränkung verwendbar. Spezifische Investitionen wie z. B. Spezialmaschinenverlangen hingegen eine Umrüstung oder werden vollkommen wertlos (z. B. Kunden-daten). Unsicherheit drückt sich in Anzahl und Ausmaß nicht vorhersehbarer Auf-gabenänderungen aus. In einer unsicheren Umwelt wird die Vertragserfüllung durchhäufige Änderungen von Terminen, Preisen, Konditionen und Mengen erschwert, wasVertragsmodifikationen und damit die Inkaufnahme erhöhter Transaktionskostenerfordert. Hybride Organisationsformen (Netzwerke und Kooperationen) sind vorallem bei mittlerer Spezifität und Unsicherheit des Leistungsaustauschs geeignet, umdie Transaktionskosten zur Abstimmung und Kontrolle unter den Tauschpartnern zuminimieren (Abbildung 2–4).

2.3

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Auflösung der Unternehmensgrenzen

eine vertikale Integration, also das Verändern der vertikalen Grenze der Organisation. Die effizien-te Organisationsgrenze ist hiernach durch eine effiziente Allokation von Property Rights determi-niert. Diese ist erreicht, wenn die Summe aus Transaktionskosten und die durch externe Effektehervorgerufenen Wohlfahrtsverluste in ihrem Minimum ist. Die Grenze der Organisation definiertsich damit als Bündel von Property Rights über mehrere Güter, die sich im Besitz einer Institutionbefinden.

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Einfluss der Informationstechnologie auf die Effizienz von Wertschöpfungsarran-gements

Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien haben im Rahmen dieserDiskussion einen wichtigen Einfluss. Abbildung 2–5 verdeutlicht den Sachverhalt gra-phisch. Der Wechsel von S1 zu S1’ entspricht dem modellhaften Zuwachs des Feldes,an dem nun auch der Bezug von Leistungen mit einer höheren Spezifität (oderUnsicherheit) auf Märkten die vorteilhafteste Alternative darstellt. Gleichzeit steigtaber auch der Bereich, in dem eine Abwicklung über Netzwerke vorteilhaft ist (S2’ stattS2). Damit verkleinert der Einsatz der neuen Informationstechnologien den Bereich,der für eine reine interne (hierarchische) Abwicklung der Wertschöpfungsaktivitätenspricht, wesentlich.

Zunehmende Bedeutung von Netzwerkarrangements

Im Bereich von Zuliefererbeziehungen und Business-to-Business-Transaktionenkönnen wir heute feststellen, dass eine Abwicklung der Wertschöpfung in Netzwerkendie dominierende Form geworden ist. Das zuvor beschriebene Beispiel von Dell ist eingutes Beispiel dafür, ein anderes sind die oft zitierten Zulieferernetzwerke in derAutomobilindustrie. Viele Unternehmen versuchen heute aus Gründen der effizientenDifferenzierung, sich auf ihre Kernkompetenzen zu beschränken, d. h. die Bereiche, indenen sie besondere Kompetenzen zur Erfüllung der Kundenwünsche haben(Prahalad / Hamel 1990). Dies heißt aber auch, dass sie alle Aktivitäten, die nicht die-sen Kernfunktionen angehören, an externe Lieferanten abgeben, die zu ihrerErbringung eine Vielzahl an Spezialisierungseffekten haben (auf Basis der Economies

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 2–4: Alternative Wertschöpfungsarrangements

Transaktions-kosten

Markt

HybrideKoordinations-formen Hierarchie

S1 S2 Spezifität/ Unsicherheit

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of Scale und Scope). Das Ergebnis sind sowohl vertikale Partnerschaften entlang derSupply Chain (Zuliefererintegration in die Fertigung) als auch horizontalePartnerschaften im Vertrieb (z. B. Vertriebskooperationen). Diese Felder sind breit inder Literatur beschrieben worden und sollen hier nicht weiter ausgeführt werden(siehe dazu z. B. Frohlich / Westbrook 2001; Ghoshal / Bartlett 1995; Hayes /Wheelwright 1984; Picot / Reichwald 1994; Picot / Reichwald / Wigand 2003; Zahn /Foschiani 2002).

Der Netzwerkgedanke spielt aber nicht nur in der Produktion, sondern auch bei derNeuproduktentwicklung und Innovation eine wichtige Rolle. Der Innovations-prozess wird dann als interaktive Beziehung zwischen einem fokalen Unternehmen(OEM) und verschiedensten Organisationen der Unternehmensumwelt gesehen(Laursen / Salter 2004). Demzufolge basiert die Innovationsfähigkeit eines Unter-nehmens zu einem großen Anteil darauf, entlang aller Phasen des Wertschöpfungs-prozesses einen Wissenstransfer mit externen Akteuren einzugehen (Hirsch-Kreinsen2004). Vor allem der Bereich einer Integration der Zulieferer in die Produktent-wicklung ist heute gut erforscht (siehe z. B. LaBahn / Krapfel 1999; Roy / Sivakumar /Wilkinson 2004; Ragatz / Handfield / Scannell 1997; Spina / Verganti / Zotteri 2002;Wagner 2003; Wagner 2003; Wynstra / van Weele / Weggemann 2001; Bullinger /Warnecke / Westkämper 2002). Wir werden diesen Aspekt auch noch einmal inAbschnitt 3.2.2 aufgreifen. In allen Bereichen von Netzwerkorganisationen und über-

2.3

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Auflösung der Unternehmensgrenzen

Abbildung 2–5: Einfluss der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)auf die Vorteilhaftigkeit von Organisationsstrukturen (entnommen aus Picot /Reichwald / Wigand 2003)

Transaktions-kosten

Markt

HybrideKoordinations-formen Hierarchie

S1 S1´ S2 S2´ Spezifität/ Unsicherheit

Mit IKT-EinflussOhne IKT-Einfluss

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betrieblicher Zusammenarbeit stellen die neuen Informations- und Kommunikations-technologien die wesentlichen Potenziale, ortsübergreifend und mit hoher Informa-tionsreichhaltigkeit, aber dennoch effizient zu interagieren.

Move-to-the-Market-Hypothese

Jedoch haben gleichzeitig mit der Zunahme der Bedeutung von Netzwerkarrange-ments, die einer kooperativen Form der Leistungserbringung entsprechen, auch dieMöglichkeiten einer (rein preisgetriebenen) Abwicklung von Transaktionen aufMärkten an Bedeutung gewonnen. Malone, Yates und Benjamin (1987) beschreiben mitihrer “Move-to-the-Market”-Hypothese den erweiterten Spielraum, in dem eineKoordination durch Märkte auch für den Leistungsaustausch von spezifischenProdukten und Dienstleistungen die transaktionskostenminimale Alternative ist. Dennim Vergleich zu hybriden und hierarchischen Koordinationsformen sind Märkte klas-sischerweise mit höheren Transaktionskosten belastet, so dass hier eine Reduktiondurch den IT-Einsatz viel stärker wirkt. Dadurch gewinnen die Vorteile einerAbwicklung von Aktivitäten auf Märkten im Vergleich zu hybriden oder hierarchi-schen (internen) Koordinationsformen an Bedeutung (wesentlicher Vorteil vonMärkten sind niedrigere Produktionskosten durch Spezialisierungs- und Skaleneffektedurch Nachfrageaggregation). Ferner wird die wahrgenommene Produktkomplexitätund -spezifität durch verbesserte Kommunikationsmöglichkeiten der Produkt-beschreibungen reduziert bzw. die Kommunikationskosten einer “Einheit”Komplexität und Spezifität gesenkt. Durch die fallenden Transaktionskosten der Infor-mationssuche, Vereinbarung und Produktbewertung können Informations-asymmetrien und Unsicherheiten über das Verhalten des Anbieters besser abgebautwerden. Kosten für die Suche von Preis- und Produktinformationen werden weitge-hend reduziert, so dass die Markttransparenz und damit die Marktmacht der Kundensteigen. Die Notwendigkeit für Kunden, sich zum Zweck der Unsicherheitsreduktionlängerfristig an einen Anbieter zu binden, wird weniger wichtig, wenn sich die Suchenach dem günstigsten und besten Anbieter verstärkt lohnt.

Die voranschreitende Konvergenz im Bereich neuer Medien und ihr Einsatz imInternet als Vertriebskanal beschleunigt diese Entwicklung. Denn damit lassen sichnun auch komplizierte Produkteigenschaften durch hohe Bildauflösungen,Videosequenzen, 3D-Animationen oder Virtual Reality kommunizieren. Nachfragerkönnen dadurch nicht nur standardisierte, sondern auch komplexere Güter evaluieren,ohne große Unsicherheiten in Kauf nehmen zu müssen. Andererseits versetzen gerin-ge Kosten bei Informationssuche und Produktbeurteilung die Nachfrager auch in einestärkere Verhandlungsposition, was prinzipiell den Preiswettbewerb unter denAnbietern verschärft. Zwar belegen bestehende Preisunterschiede zwischenInternetanbietern, dass die Bedingungen vollständiger Information hier ebenfalls nichtvollständig erreicht werden. Marktineffizienzen bestehen fort, weil Anbieter selbst fürscheinbar homogene Güter unterschiedliche Preise erheben können. Zum Teil spiegeltsich darin die Tatsache wider, dass sich der zu gleichen Kosten erreichbareInformationsstand für die Konsumenten zwar erhöht, er aber nach wie vor nichtkostenlos und perfekt ist. Anbieter können so weiterhin Informationsvorteile gegenü-ber heterogen informierten Nachfragern für eine Preisdiskriminierung nutzen, ohne

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dass eine Leistungsdifferenzierung offensichtlich ist. Insgesamt jedoch ist unbestritten,dass im “Frictionless Commerce” die Kunden gegenüber den Anbietern durch verbil-ligte Informationssuche, höhere Markttransparenz sowie steigenden Preiswettbewerbprofitieren. Zumindest im Internethandel wurden bereits für den Handel mitStandardgütern niedrigere Preise als im realen Handel empirisch nachgewiesen(Brynjolfsson / Smith 2000). Die Frage einer langfristigen Kundenbeziehung stellt sichfür die derart begünstigten Kunden eher nicht, wenn deren Kosten für einenLieferantenwechsel immer weiter sinken. Manche Branchen (z. B. Mobilfunk,Kreditkartenunternehmen, Autovermietungen) verlieren als Folge einer steigendenPreissensibilität auf der einen und einer höheren Produktkenntnis der Abnehmer aufder anderen Seite heute innerhalb von drei Jahren mehr als die Hälfte ihrer Kunden.

2.3.3 Grenzen der grenzenlosen OrganisationZusammenfassend zeigen sich so zwei wesentliche Entwicklungen: (1) Die neuen In-formations- und Kommunikationstechnologien erlauben auf der einen Seite eine intensi-ve Zusammenarbeit in Netzwerken, ohne dass dabei hohe Interaktions- und Tran-saktionskosten die Vorteile einer solchen Zusammenarbeit wieder aufheben. TypischesZeichen dieser Netzwerkpartnerschaften ist häufig ein hoher Grad an Vertrauen zwischenden Partnern und eine dauerhafte Zusammenarbeit. (2) Zur gleichen Zeit jedoch sinkenauf der anderen Seite auch die Kosten der Informationssuche. Dies reduziert ausNachfragersicht die Informationsasymmetrie, Unsicherheit und Komplexität vonProduktbewertungen. Das Bedürfnis der Kunden nach Loyalität zu und Bindung an eineneinzigen Anbieter in langfristigen Kundenbeziehungen wird so aus Kundensicht zugun-sten der Suche nach dem günstigsten Anbieter auf dem Markt geringer. Für Anbieterergibt sich aus der erhöhten Markttransparenz ein härterer Preiswettbewerb.

Das Beispiel von Dell zeigt einen Ausweg aus dieser Situation: Neben der hoch flexi-blen Netzwerkorganisation des Unternehmens in Bezug auf die operativen Aktivitätenerlaubt der Fokus auf eine Individualisierung der Produkte Dell auch, den Preiskampfim Internet zu umgehen. Der modulare Aufbau der Produkte ermöglicht demUnternehmen zunächst in der Werbung, sehr günstige Einstandspreise anzugeben. EinKunde, der sich jedoch einmal im Konfigurator oder im Telefon-Verkaufssystem befin-det, wird ständig dazu angehalten, Upgrades bzw. höher wertige Komponenten zubestellen bzw. seine Bestellung um Peripheriegeräte zu erweitern (eine Intensivierungder Interaktion ist ein klassisches Mittel zur Erhöhung der Zahlungsbereitschaft; sieheFranke / Piller 2004). Damit steigt der Wert einer Bestellung erheblich – und damit dieMarge des Unternehmens. Dennoch gilt Dell aus Kundensicht als günstiger Anbieter,da die individuelle Bündelung bzw. Zusammenstellung die Preistransparenz sehrerschwert. Hintergund dieser Potenziale ist die Besonderheit der individuellenInteraktion mit jedem einzelnen Abnehmer, die Dell im Vergleich zu einem klassi-schen Anbieter standardisierter Güter mit seinen Kunden hat.

Die meisten Unternehmen jedoch haben bislang Netzwerkarrangements nur auf derBeschaffungsseite genutzt. Ihre Kunden dagegen galten und gelten meist als passiver

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Auflösung der Unternehmensgrenzen

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Wertempfänger, nicht jedoch als Partner in einem Wertschöpfungsnetzwerk (Grün /Brunner 2002; Piller 2004; Prahalad / Ramaswamy 2004). Zwar betont die Literatur fastschon mantra-artig die Bedeutung der Marktorientierung, d. h. dass Unternehmendie “Stimme der Kunden” als wesentliches Mittel zur Reduktion von marktlichenUnsicherheiten berücksichtigen müssen (de Brentani 2001; Jaworski / Kohli 1993).Marktorientierung wird aber in vielen Fällen durch klassische Marktforschung reali-siert, um frühzeitig eine breite Marktakzeptanz der Produkte sicherzustellen. DiesesVorgehen birgt einerseits das Risiko, dass Unternehmen durch eine Orientierung an“durchschnittlichen” Kundenbedürfnissen und der Entwicklung eines entsprechendenStandardproduktes der Heterogenität der Kundenwünsche nicht Rechnung tragenkönnen. Andererseits vergeben Unternehmen so das Potenzial, Kunden als aktivenPartner an allen Phasen der Wertschöpfung zu beteiligen – und so die klassischenVorteile einer Netzwerkorganisation und Kooperation auch in Bezug auf dieKundenbeziehungen zu nutzen. Die Kernidee einer solchen Kundenintegration in dieWertschöpfung ist, dass durch den Einbezug von Abnehmern bzw. Nutzern in ehemalsvom Herstellerunternehmen dominierte Aktivitäten ein Wissenstransfer zwischen denAkteuren stattfindet, der bei einer klassischen Abwicklung der Leistungserstellungnicht möglich ist (Reichwald / Piller 2002, 2003; Thomke / von Hippel 2002). Der Zugriffauf dieses Wissen ermöglicht nun im Herstellerunternehmen eine völlig neue Art derOrganisation der Wertschöpfung, die über die bislang bekannten Formen einerNetzwerkintegration hinausgeht. Hieraus ergeben sich sowohl Ansatzpunkte für eineweit reichende Produktdifferenzierung, die gleichermaßen Ausweg aus demPreiswettbewerb als auch Antwort auf die zunehmende Individualisierung derNachfrage (siehe Abschnitt 2.2.3) ist, als auch Möglichkeit für eine neue Organisationdes Innovationsprozesses.

Genau an dieser Stelle setzt die Idee der interaktiven Wertschöpfung an, die wir imfolgenden Abschnitt näher ausführen wollen. Diese kann auch eine weitere Grenze derbisherigen Vorstellung einer Organisation betrieblicher Wertschöpfung in Netzwerkenüberwinden: Zwar ist die Nutzung des Potenzials unternehmensexterner Wissens-quellen und Kapazitäten in Wissenschaft und Wirtschaftspraxis eine allgemein akzep-tierte Option zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Üblicherweise finden solcheKooperationen jedoch innerhalb klarer vertraglicher Vereinbarungen zwischen denPartnern statt (z. B. in Form von Lieferpartnerschaften oder Entwicklungskoopera-tionen zwischen Unternehmen). Diese stärker institutionalisierten Netzwerkformenlassen aber das stark verteilte Potenzial individueller Wissensträger, insbesondere vonAnwendern und Endabnehmern der jeweiligen Produkte, als aktive Teilhaber an derWertschöpfung meist unberücksichtigt (Huff et al. 2006). Mit dem Internet bestehenjedoch für Unternehmen neue Möglichkeiten des kostengünstigen und informellerenWissensaustauschs mit Individuen und der aktiven Beteiligung vormals anonymerKunden an der Wertschöpfung. Durch den Verzicht auf vertragliche Regelungenzugunsten informellerer Mechanismen, wie bspw. eine Selbstorganisation, könnenTransaktionskosten eingespart werden. Dadurch kann der Gedanke der Wert-schöpfungspartnerschaft um neue Formen der absatzseitigen Zusammenarbeit undArbeitsteilung mit Kunden erweitert werden. Dies ist die dritte Stufe der Evolution derOrganisation arbeitsteiliger Wertschöpfung.

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2.4 Interaktive Wertschöpfung – neue Formen derArbeitsteilung und des Wissenstransferszwischen Anbietern und Kunden

Bei der interaktiven Wertschöpfung handelt es sich um eine bewusste, arbeitsteiligeZusammenarbeit zwischen Anbieterunternehmen und Kunden im Sinne eines sozialenAustauschprozesses. Die Besonderheit dabei ist die aktive und freiwillige Rolle desKunden in der Wertschöpfung. Der Kunde ist weder rein passiver Empfänger einervom Anbieter autonom geleisteten Wertschöpfung noch wird er zwangsweise in dieWertschöpfung integriert, wie dies die typische Folge von Rationalisierungsbestre-bungen ist, die eine Bedienung durch Self-Service-Angebote ersetzen. Aus der vomAnbieter (Hersteller) dominierten Wertschöpfung wird durch die aktive Rolle derKunden eine interaktive Wertschöpfung. Das im Folgenden dargestellte Konzept stellteinen Bezugsrahmen dar, der verschiedene Theorie-Bausteine und Prinzipien zu-sammenfügt, die aus der Organisationsforschung sowie dem Innovations-, Technolo-gie- und Produktionsmanagement abgeleitet werden. Interaktive Wertschöpfung istnicht universell anwendbar und soll keine bewährten Konzepte ersetzen. Es handeltsich vielmehr um eine Ergänzung etablierter Instrumente des Innovations- undProduktionsmanagements. Bezugspunkt der interaktiven Wertschöpfung können alleUnternehmensaktivitäten sein (Piller 2004). Wir werden uns in diesem Buch auf dasInnovations- und das Produktionsmanagement konzentrieren, dabei aber auchAnwendungen aus dem Marketing oder After-Sales-Service vorstellen.

2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

(Quelle: Eric von Hippel: Democratizing Innovation, Cambridge, MA: The MIT Press 2005)

Kite-Surfing ist eine der derzeit aufstrebenden Trendsportarten. Der Sport wurde von Surfern initi-iert, die – getrieben von dem Wunsch nach immer höheren und weiteren Sprüngen – mit derKombination eines Surfboards und eines Segels vom Drachenfliegen experimentierten. Aus die-sen anfänglichen Versuchen entwickelte sich in den letzten Jahren eine beachtlicheNischenindustrie, die inzwischen viele Anhänger hat. Die Kite-Surfing-Industrie ist ein Beispieldafür, wie Kunden als Produktentwickler die Regeln industrieller Wertschöpfung ändern können.Im Kite-Surfing-Bereich tragen sie nicht nur entscheidend zur Entwicklung des Equipments bei,sondern übernehmen inzwischen auch viele andere Aufgaben, die früher in der Verantwortung pro-fessioneller Hersteller gesehen wurden, allen voran die Koordination des Produktionsprozesses.Diese Hersteller, oft gegründet von Sportlern, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, bildenheute eine ca. 100-Millionen-USD-Industrie, die vor allem die Kites (Drachensegel) entwickelt, pro-duziert und vertreibt. Um ein neues Produkt im Kite-Surfing erfolgreich umzusetzen, werden einenVielzahl an Fähigkeiten benötigt: Kenntnisse über Materialien und deren Eigenschaften für dieSegel, Kenntnisse über Aerodynamik und Physik für die Formen der Segel, Kenntnisse überMechanik für die Seilsysteme etc. Die Hersteller sind bei der Entwicklung neuer Designs in derRegel auf die Kenntnisse beschränkt, die sie in ihren eigenen Wänden haben, meist kleineEntwicklungsabteilungen aus 3 bis 5 Mitarbeitern. Das Ergebnis sind eher kontinuierlicheWeiterentwicklungen und Verbesserungen bestehender Designs als radikal neue Entwicklungen.

Kasten 2–7: User Innovation in Kite-Surfing: Wenn die Abnehmer die Wertschöpfungdominieren

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2.4.1 Prinzipien und Eigenschaften der interaktivenWertschöpfung

Das Spektrum der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kunden kann alsKontinuum aufgefasst werden. Die Extrempunkte dieses Kontinuums bilden dergänzlich hersteller- bzw. der gänzlich kundendominierte Wertschöpfungsprozess.Diese Extrempunkte kommen im so genannten “customer-active paradigm” (CAP) inseiner Gegenüberstellung zum traditionellen “manufacturing-active paradigm”(MAP) zum Ausdruck (von Hippel 1986). Im CAP dominieren Kunden denWertschöpfungsprozess derart, dass sie alle Wertschöpfungsaufgaben vollständig undautonom leisten. Das MAP entspricht dem klassischen Fall der unternehmensbezoge-nen, autonomen Wertschöpfung (siehe zu diesem Paradigmenwechsel ausführlichAbschnitt 3.2.3).

Betrachten wir einige Beispiele entlang dieses Kontinuums:

Der in Kasten 2–7 dargestellte Fall von Kundenentwicklungen bei Kite-Surfing istein herausragendes Beispiel für einen Wertschöpfungsprozess, der aus eigener

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Die Kunden dagegen haben ein viel größeres Potenzial zur Verfügung und keine Werksgrenzen zubeachten. Initiiert und koordiniert von einigen begeisterten Kite-Surfern existieren heute eine Reihevon Internet-Communities, in denen die Mitglieder neue Designs für Drachensegel veröffentlichenund kommentieren. Mit Hilfe einer Open-Source-Design-Software (eine Art CAD-System) könnendie Nutzer auf, zum Beispiel, zeroprestige.org neue Designs für die Kites entwerfen und zumDownload bereitstellen. Anderen Nutzern dienen diese Designs als Ausgangslage für eineWeiterentwicklung, oder sie bekommen vielleicht die Idee für eine radikale neue Entwicklung. Unterden vielen hunderten teilnehmenden Nutzern sind vielleicht einige, die in ihrem Berufsleben mitneuen Materialien arbeiten, andere studieren vielleicht Physik oder sind gar als Strömungstechnikerbei einem Autohersteller tätig. Oft kann diese Gruppe von Kundenentwicklern auf einen viel größe-ren Pool an Talenten und Fähigkeiten zurückgreifen, als dies einem Hersteller möglich ist. DasErgebnis ist eine Vielzahl an neuen Entwicklungen, Tests, Modifikationen und schließlich neuerDesigns für Drachensegel, die allen Mitgliedern der Community zur Verfügung stehen.

Kite-Surfing ist ein besonders spannender Fall, da hier die Kunden als Anwender noch einenSchritt weiter gehen: Denn was nützt der innovativste neue Entwurf für einen neuen Kite, wenndieser nur als Datenfile existiert? Findige Kunden haben herausgefunden, dass an jedem größe-ren See ein Segelmacher existiert, der CAD-Files verarbeiten kann. Die Kunden können so einDesign ihrer Wahl runterladen, diesen File zum Segelmacher bringen und dort professionell in einProdukt umsetzen lassen. Da dieser Prozess keinerlei Innovationsrisiko und Entwicklungskostenfür den Hersteller beinhaltet, sind die derart hergestellten Drachen oft um mehr als die Hälfte billi-ger als die Produkte der professionellen Kite-Hersteller, und das bei oft überlegender Leistung. DieKoordinationsleistung des Produzierens wird dabei ebenfalls von den Anwendern übernommen.Setzt sich diese Entwicklung fort, ist leicht vorzustellen, dass die Kunden Teile dieser Industrie“übernehmen” werden. Ihre Motivation ist dabei nicht Profitmaximierung oder die Marktführer-schaft, sondern das Streben nach dem bestmöglichen Produkt zur Eigennutzung. Die Anwender,die sich an diesem Prozess beteiligen, haben verstanden, dass dieses Ziel am besten nicht durcheinen geschlossenen, sondern durch einen offenen Innovationsprozess erreicht werden kann. Ihreigenes Engagement ruft Reaktionen und Beiträge anderer hervor und schafft damit einen höhe-ren Mehrwert für alle.

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Motivation und mit eigenen Mitteln von den Kunden bzw. Nutzern aus der Handder klassischen Hersteller genommen und in eine neue Organisationsform derWertschöpfung überführt wurde. Der Wertschöpfungsprozess wird hier von denKunden dominiert. Ein ähnliches Beispiel ist auch das Online-Lexikon Wikipedia,das ebenfalls ohne einen Anbieter bzw. Hersteller im klassischen Sinne ein hoch-komplexes Produkt erstellt, vertreibt und pflegt (siehe Fallstudie in Abschnitt 5.2).

Der zu Beginn dieses Kapitels in Kasten 2–1 dargestellte Wertschöpfungsprozessvon Ford mag zwar heute überholt und Geschichte sein. Jedoch entsprechen diedort dargestellten Prinzipien genau dem Bild des MAP, der allein durch dasHerstellerunternehmen dominiert wird.

Das Beispiel Dell (Kasten 2–4) dagegen ist eine Mischform zwischen beidenExtremen, auch wenn hier die Herstellerdominanz noch recht ausgeprägt ist (Dellhat sich zudem mit zunehmender Unternehmensgröße immer mehr vom originä-ren Netzwerkmodell weg entwickelt). Jedoch können die Kunden anders als imklassischen tayloristischen Modell in die Wertschöpfungskette eingreifen undzumindest Konfigurationsmöglichkeiten selbst nutzen.

Eine wirklich kooperative Organisationsform finden wir dagegen in unseremersten Beispiel Threadless (Kasten 1–1). Threadless stellt eine Wertschöpfungs-plattform zur Verfügung, auf der die Kunden dann weit reichende Freiheiten undGestaltungsmöglichkeiten haben. Auch wenn der Anbieter auf den ersten Blick alsder Profiteur des Modells scheint (schließlich partizipiert allein Threadless an denUmsätzen durch den Verkauf von T-Shirts, die durch die Nutzer gestaltet und aus-gewählt wurden), so zeigen Interviews mit den teilnehmenden Kunden jedoch,dass diese ihre Mitarbeit nicht als kostenlose “Arbeit” für das Unternehmen inter-pretieren, sondern vielmehr durch vielschichtige Anreize belohnt werden (Ogawa /Piller 2005, 2006). Diese Anreize reichen von einem Honorar von 1000 $ für dieGewinner des Designwettbewerbs bis zu Anerkennung, Aufmerksamkeit(Selbstmarketing) oder Freude am sozialen Austausch in der Community.

Begriffsbestimmung

Unser Konzept der interaktiven Wertschöpfung geht von einem kooperativen Prozessaus. Zwischen den Extremen einer gänzlich hersteller- bzw. kundendominiertenWertschöpfung ergeben sich zahlreiche Varianten einer kooperativen Zusammen-arbeit zwischen Hersteller und Kunde in den unterschiedlichen Phasen desWertschöpfungsprozesses. Bezugspunkt der Zusammenarbeit können dabei sowohloperative Aktivitäten innerhalb eines gegebenen Lösungsraums als auch Tätigkeitenim Bereich der Produkt- und Prozessentwicklung (Innovation) sein. SowohlUnternehmen als auch Kunden können dabei die interaktive Wertschöpfung initiie-ren. Im ersten Fall signalisiert das Unternehmen durch Bereitstellung von Ressourcenund Infrastruktur seine Empfangsbereitschaft für Kundenbeiträge zur Wertschöpfung,die sich dann von Beginn an als eine kooperative Zusammenarbeit gestaltet. Im zwei-ten Fall leisten Kunden Wertschöpfungsaktivitäten zunächst autonom, willigen inder Folge aber in eine Zusammenarbeit mit und Verwertung durch ein Unternehmenein.

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Neue Formen der Arbeitsteilung

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Prinzipien interaktiver Wertschöpfung

Bevor wir im Verlauf der folgenden Abschnitte unter Bezugnahme auf diverseTheorien und Konzepte detailliert die einzelnen Prinzipien und Eigenschaften derinteraktiven Wertschöpfung genauer untersuchen, soll einleitend eine erste Übersichtund Kurzdefinition einzelner Prinzipien für ein Grundverständnis sorgen. Abbildung26 zeigt dabei den Bezugsrahmen der Argumentation.

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Interaktive Wertschöpfung beschreibt einen Prozess der kooperativen (und freiwilligen)Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Kunde (Nutzer) zwischen den Extremen einer gänz-lich hersteller- bzw. gänzlich kundendominierten Wertschöpfung. Die Zusammenarbeit kannsich sowohl auf operative Aktivitäten als auch auf eine Produkt- und Prozessentwicklung bezie-hen. Der interaktive Wertschöpfungsprozess wird dabei entweder durch das Unternehmen oderdurch den Kunden initiiert.

Abbildung 2–6: Das Modell der interaktiven Wertschöpfung

Ideen-generierung

Konzept-entwicklung

Prototyp

Produkt/Markt-test

Markt-einführung

Fertigung

Montage

Vertrieb

After Sales

Anbieterunter-nehmen als Gestalter der Wertschöpfung

Wertschöpf-ungsphasen

Gestaltungs-raum

Kunden / Nutzer als Wertschöpfungs-

partner

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Interaktions-feld

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Prinzipien interaktiver Wertschöpfung:

1) Freiwilliger Interaktionsprozess zwischen Anbieterunternehmen und Kunden mit Ziel gemeinsamer Problemlösung und sozialer Austausch

2) Gemeinsamer Problemlösungsprozess ist durch gegenseitigen Transfer von lokalem Wissen charakterisiert

3) Wissenstransfer vom Kunden zum Anbieter durch Kundenintegration in die Wertschöpfung

4) Nach der Wertschöpfungsphase, in der die Kundenintegration erfolgt, werden zwei Formen der interaktiven Wertschöpfungunterschieden: Open Innovation und Produktindividualisierung

5) Diese Formen der interaktiven Wertschöpfung beschreiben auch die Grenzen des Lösungsraums; Lösungsraum erweitern (Open Innovation) vs. Konkretisieren (Produktindividualisierung)

6) Interaktive Wertschöpfung bildet eine neue Form der Arbeitsteilung auf Basis von Granularität (Mikro-Spezialisierung), Selbstselektion und -koordination

7) Bedingung eines angemessenen Kundennutzens durch Bedürfnisbefriedigung, extrinsische Entlohnung und intrinsische Anreize

8) Nutzen für Unternehmen sind neue Potentiale zur effizienten Differenzierung im Wettbewerbs durch individualisierte und/oder innovative Produkte

9) Interaktive Wertschöpfung verlangt Kompetenzen sowohl auf Seiten der Kunden als auch der Anbieter

10) Grenzen der interaktiven Wertschöpfung: Trade-off zw. Aufgabenteilung und internen Transaktionskosten

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(1) Grundlage der interaktiven Wertschöpfung ist ein freiwilliger Interaktionsprozesszwischen Unternehmen und Kunden, der sowohl gemeinsamer Problemlösungs-prozess als auch sozialer Austauschprozess ist. Interaktion heißt dabei (Backhaus1990), dass zwei oder mehr Akteure (in unserem Fall ein/mehrere Anbieterunterneh-men und ein/mehrere Kunden bzw. Nutzer) miteinander in Kontakt treten. DieHandlungen der Interaktionspartner sind dabei interdependent und sinngemäß auf-einander ausgerichtet. Es kommt zu einer Abfolge verbaler und/oder nicht-verbalerAktionen und Reaktionen zwischen den Akteuren. Der Austausch zwischen denAkteuren kommt aber nur dann erfolgreich und dauerhaft zustande, wenn dieInteraktion für alle Beteiligten Nutzen stiftet und nicht zu hohe Kosten verursacht.

(2) Inhalt der Interaktion ist ein gemeinsamer Problemlösungsprozess im Kontext derbetrieblichen Wertschöpfungsaufgaben, in welchem die Akteure materielle und imma-terielle Ressourcen zur Lösung der Problemstellung austauschen. Dabei dominiert vorallem der gegenseitige Zugriff auf lokales Wissen der Partner.

(3) Der Transfer von lokalem Wissen aus der Domäne der Kunden basiert auf demPrinzip der Kundenintegration. Die Kunden nehmen an Aktivitäten teil, die zuvorallein in der Domäne des Anbieters gesehen wurden.

(4) Gemäß den Wertschöpfungsphasen, in die Kunden integriert werden (Ort undGrad der Kundenintegration), können zwei grundlegende Formen der interaktivenWertschöpfung unterschieden werden:

Open Innovation bezeichnet jene Aktivitäten zwischen Herstellerunternehmenund Kunden, die sich auf den Innovationsprozess beziehen und so auf dieEntwicklung neuer Produkte für einen größeren Abnehmerkreis abzielen.

Produktindividualisierung (Mass Customization) ist hingegen die Zusammen-arbeit zwischen Unternehmen und Kunden, die sich auf Wertschöpfungs-aktivitäten im operativen Produktionsprozess bezieht und auf die Entwicklungeines individualisierten Produktes für einen Abnehmer abzielt.

(5) Diese Formen beschreiben auch die Grenzen des Lösungsraums. Der Lösungsraumist die Gesamtheit aller Problemlösungen, die ein Unternehmen auf Basis vorhandenerProduktarchitekturen und darauf abgestimmter Fertigungs- und Vertriebsprozessegegenwärtig anbieten kann. Bei der Produktindividualisierung stehen die Kundeneinem begrenzten bzw. geschlossenen Lösungsraum gegenüber, den sie im Hinblickauf ein individuelles Produkt konkretisieren. Open Innovation dagegen bezieht sichauf einen offenen Lösungsraum, den die Kunden erweitern bzw. modifizieren.

(6) Kundenintegration und die kooperative Arbeit an gemeinsamen Aktivitäten ist eineneue Form der Arbeitsteilung zwischen Anbietern und Kunden, die auch eigenerOrganisations- und Koordinationsmechanismen bedarf. Ein wesentliches Orga-nisationsprinzip ist die Bildung von Teilaufgaben, die sich an den Transferkosten bzw.der Lokalität (Impliziertheit) des benötigten Wissens orientiert. Resultat soll eine mög-lichst “modulare” bzw. “granulare” Aufgabenstruktur sein, die es einer großen undheterogenen Kundengruppe ermöglicht, auf Basis jeweiliger Neigungen undFähigkeiten selbst eine geeignete Teilaufgabe zu wählen. Hierarchische Aufgaben-

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Neue Formen der Arbeitsteilung

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zuteilungen (wie auch bei der klassischen Selbstbedienung) werden durch eineSelbstselektion ersetzt.

(7) Eine erfolgreiche interaktive Wertschöpfung muss einen angemessenen Kunden-nutzen in Aussicht stellen. Kunden transferieren häufig Eigentums- und Verfügungs-rechte an ihrem Wissen ohne unmittelbare monetäre Gegenleistung zu einemHersteller, da sie sich dadurch einen extrinsischen Nutzen der Produktverwendungversprechen, der sich durch Weitergabe ihres Wissens ggf. erhöht. Allerdings ist teil-weise auch eine monetäre Entlohnung der Kunden vorteilhaft. Hinzu tritt oftmals einintrinsischer Nutzen, der sich am Interaktionserlebnis des Kunden festmacht.

(8) Den Nutzen für das Unternehmen bilden die Potenziale für eine effizienteDifferenzierungspolitik durch individualisierte und/oder innovative Leistungsan-gebote als Wettbewerbsstrategie (siehe Abschnitt 2.2.3 und 2.3.3) InteraktiveWertschöpfung bietet einen Zugang zu Marktinformationen, den eine klassischeMarktforschung nicht realisieren kann. Die Folge sind höhere Marktakzeptanz, eingeringeres Floprisiko neuer Produkte (“fit-to-market”) und weitere Möglichkeiten zurDifferenzierung und Kundenbindung.

(9) Sowohl der Anbieter als auch der Kunde benötigen neue Kompetenzen zurErfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben. Auf Seiten der Kunden muss die Bereitschaft undFähigkeit vorhanden sein, Beiträge zu dem kooperativen Wertschöpfungsprozess zuleisten (“Lead User”-Eigenschaften). Vor allem aber müssen Unternehmen, die diePrinzipien der interaktiven Wertschöpfung nutzen wollen, Interaktionskompetenzenaufbauen, die die technische und vor allem organisatorische Plattform der arbeitsteili-gen Aufgabenerfüllung darstellen. Sie konkretisieren sich in interaktionsförderlichenOrganisations-, Kommunikations- und Anreizstrukturen.

(10) Eine interaktive Wertschöpfung hat auch Grenzen, da ein Trade-off zwischeneiner zunehmenden Granularität der Aufgabenteilung einerseits und den daraus resul-tierenden internen Koordinationskosten andererseits besteht. Je besser sich eineWertschöpfungsaufgabe für eine sehr feingliedrige Aufteilung eignet, desto leichterkann ein größerer Aufgabenumfang an Kunden zu vergleichsweise geringenProduktions- und externen Transaktionskosten externalisiert werden. Allerdingsbedarf es der innerbetrieblichen Koordination und Integration der einzelnenWertschöpfungsbeiträge, was bei einer feingliedrigen Aufgabenteilung hohe interneKosten verursacht.

Abgrenzung zu anderen Konzepten der Kundenintegration und Co-Produktion

An dieser Stelle scheint eine kurze Abgrenzung dieser Prinzipien mit der bestehendenLiteratur zu Kundenintegration und Co-Creation angebracht, die wir bereits zu Beginnder Einleitung in Kapitel 1 angeführt haben. Die Abgrenzung zu klassischen Formenvon Prosumerismus und Selbstbedienung (“erzwungene” Kundenintegration) istdurch die Freiwilligkeit der Integration und die Betonung sozialer (reziproker)Austauschprozesse in unserem Konzept schnell deutlich (hier liegt auch eine wesentli-che Antwort auf die Kritik von Voß und Krieger (2005) am “arbeitenden Kunden”).Wir teilen die Sichtweise Kleinaltenkamps Schule der Kundenintegration (z. B.Kleinaltenkamp 1997a), dass eine interaktive Wertschöpfung mit den bestehenden

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Vorstellungen der Produktions- und Kostentheorie bricht, da sie “(…) speziell imGegensatz zum Gutenbergschen Paradigma explizit die Tatsache berücksichtigt, dassNachfrager via externer Faktoren auf die Leistungserstellungsprozesse von Anbieterneinwirken und dass einzelbetriebliche Wertschöpfungsprozesse nicht an den Unter-nehmensgrenzen enden” (Kleinaltenkamp 1997a: 108). Unser Fokus ist allerdingsnicht die Entwicklung einer “Leistungslehre (…), welche die logisch nichthaltbareTrennung von Sach- und Dienstleistungen aufgibt” (ebd.), sondern die Untersuchungvon Organisations- und Koordinationsprinzipien kooperativer Formen derWertschöpfung. Daraus folgt auch eine stärkere Betrachtung der Sichtweise derKunden.

Grün und Brunner (2003) definieren ihr Modell der Co-Produktion als eineWeiterentwicklung der traditionellen Selbstbedienung zu einem integriertenManagement-Konzept. Ihre Vorstellung von Co-Produktion geht aber von einemHersteller aus, der explizit Aktivitäten auf seine Kunden verlagert. Jedoch betonenauch Grün und Brunner die zentrale Rolle der Kooperation, “d. h. Produzent undProsumer müssen trotz möglicher divergierender Interessen zusammenarbeiten, umdas Produkt zu erstellen” (Grün / Brunner 2003: 87). Sie beziehen sich dabei aber weit-gehend auf operative (Produktions-) Prozesse und behandeln den Bereich derInnovation nur sehr knapp (siehe ähnlich Prahald und Ramaswamys (2000, 2004)Konzept der Value Co-Creation).

Dies ist die Domäne der Forschungsarbeiten von von Hippel und seiner Co-Autoren.Diese Arbeiten gehen jedoch originär von einem autonomen Nutzer aus, der ohneInteraktion mit einem Unternehmen neue Lösungen zur Eigennutzung entwickelt (sodie Vorstellung des klassischen “Lead Users” nach von Hippel 1986; Urban / vonHippel 1988). Das Konzept so genannter “Toolkits for User Innovation” nach Thomkeund von Hippel (2002) ist dagegen deckungsgleich mit unserem Verständnis (sieheAbschnitt 3.5.2), da es auf einem expliziten Kooperations- und Interaktionsprozesszwischen Hersteller und Kunde beruht. Dies ist auch der Hauptgedanke von Normannund Ramirez (1993, 1998) sowie Wikström (1996a), auf deren Ideen von Interaktivitätund gemeinsamen Wertschöpfungsaktivitäten, wir uns beziehen. Die rasanteWeiterentwicklung im Bereich der neuen Informations- und Kommunikations-technologien hat jedoch eine Vielzahl an Organisations- und Koordinationsformenermöglicht, die zum Entstehungspunkt der Arbeiten von Norman, Ramirez undWikström noch nicht effizient möglich waren.

2.4.2 Kundenintegration und LösungsraumFür eine nähere Beschreibung der interaktiven Wertschöpfung ist es zunächst hilfreich,das Prinzip der Kundenintegration näher zu beleuchten. Dieses knüpft an denGedanken der “Customer Integration” nach Werner Engelhardt und MichaelKleinaltenkamp an und erweitert die klassische Produktions- und Kostentheorie (z. B.Engelhardt / Freiling 1995; Kleinaltenkamp 1996, 1997a, 1997b, 2002). In einem engerenBegriffsverständnis dient der Begriff Kundenintegration zur Beschreibung der

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Neue Formen der Arbeitsteilung

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Aktivitäten, die zur Erstellung einer Leistung mit Dienstleistungscharakter notwenigsind. Danach unterscheidet sich der Leistungs- und Faktorkombinationsprozess vonSach- und Dienstleistungen nach dem Ausmaß der Kundenintegration (Engelhardt /Kleinaltenkamp / Reckenfelderbäumer 1993; siehe auch ähnlich Bitner et al. 1997;Bowen 1986; Langeard et al. 1981).

Kundenintegration als Konzept der Dienstleistungsproduktion

Grundlage ist die Vorstellung einer zweistufigen Struktur des Wertschöpfungs-prozesses, wie sie in Abbildung 2–7 dargestellt ist. Auf der ersten Wertschöpfungs-ebene der Vorkombination muss der Hersteller interne Produktionsfaktoren kombi-nieren und baut so autonom ein Leistungspotenzial auf (Kleinaltenkamp / Haase 2000).Eine zweite Stufe, die dieses Potenzial nutzt und die eigentliche aus Kundensichtwahrgenommene Leistung erstellt, kann aber nicht ohne Integration des so genanntenexternen Faktors stattfinden. Externe Faktoren sind nach Kleinaltenkamp (1997a) derKunde als Person sowie vor allem Bedürfnisinformationen des Kunden. Ergänzendeexterne Faktoren können (physische) Ressourcen des Kunden sein, die für dieAufbereitung der Bedürfnisinformation notwendig sind, z. B. Material oder Softwareoder ein Computer und Internetzugang. Ein externer Faktor wird temporär demLeistungsersteller zur Verfügung gestellt und von diesem zusammen mit internenProduktionsfaktoren im Produktionsprozess kombiniert (Engelhardt / Kleinaltenkamp/ Reckenfelderbäumer 1993: 301).

2Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 2–7: Kundenintegration zur Produktion von Dienstleistungen und individuellenProdukten (in Anlehnung an Hildebrand 1997: 33)

Interne Faktoren

Externe Faktoren (Integration des

Kunden)

Bereitstellungsleistung (Vorkombination)

Leistungspotenzial

Leistungserstellungs-prozess

(Endkombination)

Interne Faktoren

Leistungsergebnis

Autonome Disposition des Unternehmens

Integrative Disposition des Unternehmens

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Dieses Prinzip der Kundenintegration gilt nicht nur für reine Dienstleistungen, son-dern ist insbesondere auch im Kontext des Lösungsgeschäfts in der Investitions-güterindustrie die Regel (Engelhardt / Freiling 1995; Fließ 2001; Jacob 2003; Kleinalten-kamp / Marra 1995). Hier werden meist kundenindividuelle Problemlösungen nachge-fragt, die neben Sachgütern immer auch Dienstleistungsanteile haben, bzw. Produkte,die in Dienstleistungen eingebettet sind. Der Versuch einer strikten Trennung vonProdukt und Dienstleistung ist somit nicht sinnvoll (Normann / Ramirez 1993). Wannimmer die am Markt verfügbaren, standardisierten Leistungen nicht ausreichen, wer-den Kunden in die Wertschöpfung integriert, um eine kundenspezifische Leistung zugenerieren (in diesem Sinne ist jede Dienstleistung eine individuelle Leistung).

Lösungsraum zur Bestimmung von Art und Grad der Kundenintegration

Im Rahmen unserer Konzeption der interaktiven Wertschöpfung greifen wir dieseSichtweise auf. Unser besonderes Augenmerk gilt dabei aber der Integration vonInformationen und Kundenwissen, das Aktivitäten entstammt, die klassischerweisein der Domäne des Anbieterunternehmens gesehen wurden. Wie wir noch ausführlichin Abschnitt 2.4.3.1 ausführen können, kann diese Information sich nicht nur aufBedürfnisse des Kunden beziehen, sondern auch Information über Möglichkeiten zurLösung dieses Bedürfnisses enthalten.

Zur Unterscheidung verschiedener Arten der Kundenintegration hilft das Konzept desLösungsraums (“Solution space”). Nach von Hippel (2001: 250) ist ein “[solutionspace] the pre-existing capability and degrees of freedom built into a given manufac-turer’s production system”. Dies entspricht in der produktionstheoretischen Auf-fassung von Kleinaltenkamp et al. dem Leistungspotenzial als Bereitstellung vonPotenzialfaktoren. Die flexible Kombinierbarkeit der Potenzialfaktoren bieten Freiheits-grade in der Wertschöpfung, die dem Unternehmen das Angebot eines gewissen Leis-tungsspektrums ermöglicht. Allerdings sind dieser Kombinierbarkeit gewisse Grenzengesetzt, die aus dem Stand der vorhandenen Technologien und der Leistungsfähigkeitder Potenzialfaktoren (z. B. Maschinenpark, Software-Infrastruktur, Produktarchitek-turen, Personalkapazitäten, Distributionssystem) folgen.

Ziel der tayloristischen Wertschöpfungsprinzipien (Abschnitt 2.2) ist die weitestge-hende Stabilität eines einmal definierten Lösungsraums. Stabilität führt damit auchzwangsläufig zu einer Begrenztheit des Lösungsraums und damit des entsprechenden

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Neue Formen der Arbeitsteilung

Kundenintegration bezeichnet die Kombination von Informationen und Wissen aus derDomäne des Kunden mit internen Faktoren des Anbieterunternehmens als Voraussetzung derLeistungserstellung.

Der Lösungsraum ist die Gesamtheit aller Problemlösungen, die ein Unternehmen auf Basisstabiler Produktarchitekturen und darauf abgestimmter Fertigungstechnologien und -prozessegegenwärtig herstellen und anbieten kann.

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Leistungsspektrums, das ein Unternehmen gegenwärtig kosteneffizient und mit wirt-schaftlich angemessenem Aufwand herstellen und anbieten kann. Im Massenproduk-tionssystem von Ford und vielen anderen Unternehmen war dieses Leistungsspektrumeng begrenzt und lange Zeit unverändert. Kundenintegration findet in einem solchenFall nicht statt. Im Beispiel von Dell wurde der Lösungsraum erweitert (Kasten 2–4).Er ist zum einen durch die Umsetzung der Prinzipien der Netzwerkökonomie deutlichflexibler und wandlungsfähiger. Zum anderen ist er aber auch offener und wenigerbegrenzt und ermöglichte einen Einbezug der Kunden in die Konkretisierung (Kon-figuration) ihrer Wunschleistungen.

Ein Anbieter kann den Lösungsraum durch Innovationstätigkeiten erweitern bzw.modifizieren. Eine Produktentwicklung schafft neue Produktarchitekturen und damitneue technische Möglichkeiten zur Befriedigung neuer Kundenbedürfnisse. EineProzessinnovation ermöglicht z. B. die effizientere oder qualitativ hochwertigere Be-friedigung der Kundenbedürfnisse. Eine Kundenintegration kann auch auf dieserEbene der Erweiterung bzw. Modifikation des Lösungsraumes ansetzen. Ein Kundebzw. Nutzer kann einem Anbieter im Rahmen des Interaktionsprozesses Informa-tionen über neue Bedürfnisse, aber auch Lösungsansätze zur Befriedigung dieserBedürfnisse übermitteln. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Anbieter seinenLösungsraum entsprechend offen gestaltet hat. Betrachten Sie noch einmal Abbildung2–6. Dort zeigt sich, dass die Begrenztheit des Lösungsraums und der (mögliche) Gradder Kundenintegration genau gegenläufig sind.

Zur Differenzierung verschiedener Formen der interaktiven Wertschöpfung kanngenau dieses Kontinuum beitragen. Die Begrenztheit des Lösungsraums bildet in die-sem Sinne das Abgrenzungskriterium der zwei wesentlichen Objektbereiche der inter-aktiven Wertschöpfung, die wir in diesem Buch primär betrachten wollen (siehe auchAbbildung 2–8):

Bei der Produktindividualisierung (Mass Customization) stehen die Kundeneinem begrenzten bzw. geschlossenem Lösungsraum gegenüber. Die Zusammen-arbeit zwischen Anbieter und Kunde bezieht sich auf Wertschöpfungsaktivitätenim operativen Produktionsprozess und auf die Konkretisierung eines individuali-sierten Produktes für einen Abnehmer.

Open Innovation dagegen bezieht sich auf einen offenen Lösungsraum, den die Kun-den erweitern bzw. modifizieren. Damit geht es um Aktivitäten zwischen Her-stellerunternehmen und Kunden, die sich auf den Innovationsprozess beziehen undso auf die Entwicklung neuer Produkte für einen größeren Abnehmerkreis abzielen.

In beiden Fällen gibt es wiederum Abstufungen der Intensität der Kundenintegration,je nachdem auf welcher Stufe des Innovationsprozesses die Kunden gemeinsam mitden Herstellern aktiv werden bzw. auf welcher Stufe der operativen Prozesse eineProduktindividualisierung ansetzt (siehe die Untergliederung in Abbildung 2–6).Diese verschiedenen Optionen werden ausführlich in Teil 3 und 4 diskutiert. DerLösungsraum bildet in der interaktiven Wertschöpfung darüber hinaus auch dieGrundlage für die Kommunikation der Problemlösungsfähigkeit eines Anbieters fürein konkretes Kundenbedürfnis:

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Ein offener Lösungsraum bedeutet für den Kunden, dass diese als gleichberechtigtePartner im interaktiven Wertschöpfungsprozess in die Lage versetzt sind, völlig neuar-tige Lösungen im Sinne echter Innovationen Zustande zu bringen.

Ein begrenzter Lösungsraum erlaubt dem Kunden lediglich eine Konkretisierung im Sinneeiner Produktindividualisierung (z. B. durch ein Produktkonfigurationssystem) – oder aberim Falle starker Begrenztheit und hoher Stabilität lediglich die Auswahl aus Standard-produkten (im letztern Falle wollen wir nicht mehr von Kundenintegration sprechen).

Ein Beispiel zur Gestaltung und Nutzung des Lösungsraums

Abschließend kann ein weiteres Beispiel der “T-Shirt Economy” das Prinzip der Kunden-integration und des Lösungsraums gut erläutern. Kasten 2–8 schildert die spannendeGeschichte des Leipziger Unternehmens Spreadshirt, dessen Geschäftsprinzip vollkom-men auf Kundenintegration beruht. Kundenintegration findet hier zunächst im Rahmen derProduktindividualisierung statt, indem Kunden eigene individuelle Designs gestalten kön-nen, die dann vom Anbieter produziert werden. Das in der Fallstudie beschriebenen Prinzipdes Micro-Merchandising erweitert allerdings die Kundenintegration auch in Tätigkeitenvon Marketing und Vertrieb. Auch hier übernehmen die Kunden typische Aufgaben, dietraditionell in der Domäne eines Anbieters gesehen wurden, wie Markterschließung,Sortimentspolitik, Werbung und Kundenpflege. Distribution und Fakturierung werdendagegen von Spreadshirt übernommen. Der Lösungsraum ist allerdings begrenzt. So kön-nen die Kunden nur jene Grundprodukte anbieten, die auch im Sortiment von Spreadshirtenthalten sind. Auch müssen technische Vorgaben bei der Motiverstellung eingehalten wer-den, die mit dem Produktionssystem von Spreadshirt übereinstimmen. Der Lösungsraumund Grad der Kundenintegration ist aber deutlich weiter als im Fall von Dell, der ebenfallsauf einer Kundenintegration im Rahmen der Produktindividualisierung beruht.

2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

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Abbildung 2–8: Ebenen der interaktiven Wertschöpfung

Externe Ressourcen: Bedürfnisinformation

Interaktiver Leistungserstellungs-

prozess

Individualisiertes Produkt

Konkretisierung

Interaktive Wertschöpfung im Sinne von Produktindividualisierung

Interaktiver Leistungsentwicklungs-

prozess

Innovatives Produkt

Interaktive Wertschöpfung im Sinne von Open InnovationErweiterung

Lösungsraum

Interne (Infrastruktur-) Ressourcen;

Lösungsinformation

Interne Produktionsfaktoren; Lösungsinformation

Externe Ressourcen: Bedürfnisinformation

und Lösungs-information

Innovationsmanagement

Produktionsmanagement undVertriebsmanagement

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2Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

(Quellen: Verschiedene Postings von Jochen Krisch in seinem sehr lesenswerten Blog ‘Exciting E-Commerce’ [www.excitingcommerce.com] zwischen Oktober 2005 und Januar 2006;Pressemappe des Unternehmens)

Spreadshirt verkauft individuelle T-Shirts und andere Bekleidungsprodukte. Diese können vonjedem einzelnen Kunden selbst gestaltet werden, entweder mit einem eigenen Graphikprogrammauf dem heimischen PC oder aber durch ein einfaches Mal-Programm im Internet. Anders als beiThreadless (siehe Kasten 1–1) wird allerdings auf Wunsch jeder Kundenentwurf gefertigt. DasUnternehmen hat dazu ein hochflexibles Produktionssystem aufgebaut, das per Digitaldruck eineeffiziente Einzelfertigung möglich macht. Eine weitere Besonderheit ist, dass jeder Kunde nicht nurein eigenes T-Shirt gestalten und produzieren lassen kann, sondern dieses auch via SpreadshirtsOnline-Shoppingsystem an andere Kunden weiterverkaufen kann. Mit wenigen Mausklicks kannsich jeder Kunde einen eigenen Online-Shop eröffnen und selbst zum Anbieter werden.Spreadshirt produziert und vertreibt die Waren und kassiert eine Provision (“Micro-Merchandising”hat das Unternehmen dieses Vertriebssystem getauft). Durch die flexible Einzelfertigung ist diesesSystem sowohl für Kunden-Anbieter als auch für Spreadshirt ohne Absatzrisiko.

Durch seine vielen kleinen Minishops in seiner Bedeutung weithin unterschätzt, expandiert Spreadshirtgerade weltweit. Spreadshirt ist heute der europäische Marktführer unter den T-Shirt-Händlern imInternet (T-Shirts sind eines der erfolgreichsten E-Commerce-Produkte überhaupt). Seit einem Jahrbaut Spreadshirt sein internationales Geschäft stark aus und ist inzwischen auch in den USA vertreten.Erste Achtungserfolge konnten die Leipziger dort schon erzielen. So betreibt seit September die popu-läre US-Bloggingseite BoingBoing einen Merchandise-Shop bei Spreadshirt. Im Unterschied zu ande-ren Händlern und Herstellern bekommen Spreadshirt-Produkte ihren Feinschliff jeweils erst vor Ort.Jedes Shirt wird “on demand” im Zielland produziert und erst von dort aus verschickt. So können deut-sche Nutzer nach ausgefallenen Motiven in britischen, spanischen oder polnischen Spreadshirt-Shopsstöbern und sich die Shirts, Taschen und Sticker dann aus Leipzig zuschicken lassen.

Da das Unternehmen seine Produkte quasi auf Zuruf vor Ort produziert, fallen bei Spreadshirt keine inter-nationalen Versandkosten an. Bestellungen deutscher BoingBoing-Fans werden zum Beispiel vonDeutschland aus verschickt. Auch darin sieht Spreadshirt einen Vorteil seiner globalen Expansions-strategie mit lokaler Präsenz. Vom Direktvertriebsmodell von Spreadshirt profitieren die Kunden ebensowie die lokalen Designer. Letztere partizipieren direkt an den Verkaufserlösen. Wie stark, das bestimmensie über den frei wählbaren Verkaufspreis selbst. Über 100.000 Partnershops betreibt Spreadshirt inzwi-schen auf seiner Plattform und übernimmt von der Produktion über den Versand bis hin zur Zahlungs-abwicklung alles für seine Handelspartner. Die Partner bekommen eine selbst festgelegte Provision aufalle Artikel, die sie verkaufen. Spreadshirt gewinnt eigenen Angaben zufolge jede Woche 1.000 neueShoppartner hinzu. Jeden Monat kann die Plattform 10.000 neu designte Produkte anbieten. Auch wennsich mittlerweile 220 Mitarbeiter um die Abwicklung kümmern, ist diese Produktvielfalt nur möglich, da dieKunden aktiv an der Wertschöpfung beteiligt sind. Gefragt ist vor allem die Kreativität beim Design derMotive und das Verkaufstalent der Kunden, um die selbst kreierten “Designerstücke” auch optimal zu ver-markten. Doch Spreadshirt zieht seine Kunden inzwischen auch weiter in die Wertschöpfung ein. Sosucht das Unternehmen im Januar 2006 in einem offenen Design- und Auswahlprozess ein neuesFirmenlogo. Die Logo-Aktion ist eine von mehreren Initiativen, mit denen Spreadshirt die Design-Community stärker aktivieren und an sich binden will. Erst kürzlich hat Spreadshirt zusammen mit demLondon Design Festival die besten Shirt-Designer gesucht und ausgezeichnet.

Auszug aus einem Interview mit Spreadshirt-Gründer Lukasz Gadowski

Frage: In der New-Economy-Phase hatten die meisten Unternehmer [oft] zu viel Fantasie, mit denbekannten schädlichen Folgen für ihre Firmen.

Kasten 2–8: Spreadshirt: Rasantes Wachstum durch Interaktive Wertschöpfung

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2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

Die Erwartungen, die insbesondere E-Commerce vor Jahren ausgelöst hat, waren sicherlichübertrieben. Doch ich bin mir nach meinen Erlebnissen der letzten Jahre sicher, dass es nochetwas Schlimmeres als zu viel Fantasie gibt: nämlich zu wenig Fantasie. Das trifft ja besondersdie Unternehmen mit neuen Ideen – zu denen ich natürlich auch Spreadshirt zähle – gerade inihrer kritischsten Phase, in der sie sich nach Unterstützung umsehen. Was Matthias (Anm.:Matthias Spieß, Mitgründer von Spreadshirt) und ich uns an unqualifizierter Kritik anhören mus-sten und welche Zeitverschwendung es war, Investoren von unserem Geschäftsmodell über-zeugen zu wollen. Die haben ja gar nicht richtig zugehört. Schon mit dem Wort “E-Commerce”war es meistens vorbei. Ich habe nie begriffen, wieso diese Leute nicht wenigstens versuchthaben, einmal unvoreingenommen und aus einer Art antizyklischen Perspektive an die Sachezu gehen.

Die Investoren konnten Sie nicht überzeugen. Wie haben Sie aber genau dies bei Ihren Kundengeschafft?

Durch hohen Kundennutzen. Bei uns hat man sein Wunschshirt schon nach 2-3 Tagen in denHänden, und das bei hoher Druckqualität und ohne jegliche Mindestabnahme! Verglichen mit demherkömmlichen Prozedere von Siebdruck mit Vorlaufzeiten von 2-3 Wochen sowie Min-destabnahmen von 30 oder gar 50 Stück ist das schon ein gewaltiger Quantensprung! Weiterermöglicht das Spreadshirt-Angebot allen Homepage-Besitzern vom Privatmann bis zumGroßunternehmen, über ihre Website eigene Merchandising-Artikel zu vertreiben und so ohneAufwand und Kosten zusätzliche Gewinne zu machen. Ich glaube, dass dieses “Rundum-Sorglos-Paket” ein entscheidender Erfolgsfaktor für uns ist. Letztendlich trifft der Kunde alle kreativenEntscheidungen, wird aber gleichzeitig nicht mit der Produktion, dem Versand, dem Kundenserviceusw. belastet.

Bowen, David (1986). Managing customers as human resources in service organizations.Human Resource Management, 25 (1986) 3 (Fall): 371-383.

Engelhardt, Werner / Freiling, Jörg (1995). Die integrative Gestaltung von Leistungspoten-tialen. Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (zfbf), 47 (1995) 10: 899-918.

Fließ, Sabine (2001). Die Steuerung von Kundenintegrationsprozessen: Effizienz in Dienstleis-tungsunternehmen. Wiesbaden: Gabler 2001.

Jacob, Frank (2003). Kundenintegrations-Kompetenz: Konzeptionalisierung, Operationali-sierung und Erfolgswirkung. Marketing-Zeitschrift für Forschung und Praxis, 25 (2003) 2: 83-98.

Kleinaltenkamp, Michael (1996). Customer Integration – Kundenintegration als Leitbild für dasBusiness-to-Business-Marketing. in: Michael Kleinaltenkamp / Sabine Fließ / Frank Jacob(Hg.): Customer Integration: Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration, Wiesbaden:Gabler 1996: 13-24.

Reichwald, Ralf / Piller, Frank T. (2002). Der Kunde als Wertschöpfungspartner. In: Horst Al-bach et al. (Hg.): Wertschöpfungsmanagement als Kernkompetenz, Wiesbaden: Gabler 2002:27-52.

Kasten 2–9: Literaturempfehlungen zu grundlegenden Schriften zur Kundenintegration

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2.4.3 Arbeitsteilung und Organisation in der interaktivenWertschöpfung

2.4.3.1 Arbeitsteilung und Nutzen

Üblicherweise sind die Rollen und Funktionen, die Anbieter und Kunden in der Wert-schöpfung einnehmen, klar verteilt. Diese Unterscheidung basiert auf den verschiede-nen Vorteilen, die sich jeweils für die beiden Parteien aus der Wertschöpfung ergeben.Hersteller (bzw. Anbieter) profitieren typischerweise als Produktentwickler undProduzenten vom Verkauf ihrer Leistung an viele Kunden. Kunden profitieren alsAbnehmer dementsprechend von der Nutzung der Leistungen für den Eigenbedarfim Sinne der Bedürfnisbefriedigung. Dabei ist unerheblich, ob der Kunde ein Kon-sument oder aber auch ein Unternehmen ist, das z. B. eine Maschine kauft und diesedann zur Erstellung weiterer Produkte nutzt. Die herkömmliche Annahme ist, dass derVerkauf an viele Abnehmer gegenüber der Nutzung für den Eigenbedarf die überlege-ne Art und Weise ist, um die Kosten der Produktentwicklung und -herstellung zudecken und einen Profit zu erwirtschaften. Deshalb übernehmen in der Regel Her-stellerunternehmen diese Wertschöpfungsaktivitäten.

Diese Annahme muss allerdings unter bestimmten Bedingungen in Frage gestellt wer-den. Wenn für Kunden der relative Nutzenvorteil höher ist als für das Unternehmen,dann lohnt sich der Entwicklungs- und Herstellungsaufwand unter Umständen eherfür Kunden als für Unternehmen. Je größer dieser relative Vorteil für Kunden ist, destowahrscheinlicher ist es, dass die Produktentwicklung und -herstellung von Kundenausgeht oder sogar ganz von ihnen übernommen wird (von Hippel 1986; 1988). So hatdie Forschergruppe um Eric von Hippel vom MIT beobachtet, dass Kunden in ver-schiedenen Produktdomänen in erstaunlich hohem Ausmaße Produkte für denEigenbedarf modifizieren oder (als Prototypen) sogar vollständig ohne die Mitwirkungeines herstellenden Unternehmens entwickeln (siehe zur Dokumentation dieserArbeiten von Hippel 2005; siehe auch Abschnitt 3.2.3, wo wir diesen Aspekt vertiefenddarstellen). Wir haben dies bereits am Beispiel Kite-Surfing (Kasten 2–7) gesehen:Hier gingen maßgebliche Innovationen von den Kunden aus, da diese schneller als dieHersteller neue Bedürfnisse erkannt hatten und auch ein größeres Set an Kompetenzenbesaßen, um daraus resultierenden Probleme zu lösen.

Kunden können gegenüber Unternehmen insbesondere unter zwei Bedingungen einengrößeren Nutzen aus der Entwicklung und Herstellung von Produkten ziehen:

(1) Je heterogener die Kundenbedürfnisse in einem Markt verteilt sind, desto schwererist es für einen Hersteller, die Marktnachfrage durch ein Standardprodukt zu befriedigen.Ein Markt zeichnet sich durch eine starke Heterogenität aus, wenn es vieleMarktsegmente gibt, die sich jeweils durch spezifische Präferenzen für bestimmteProdukteigenschaften auszeichnen. Dadurch wird prinzipiell für jedes Marktsegmenteine spezielle Produktvariante erforderlich, um den nachgefragten Eigenschaften imjeweiligen Marktsegment gerecht zu werden. Im Extremfall entstehen “Segments-of-one”(Peppers / Rogers 1997), d. h. die Präferenzen jedes Nachfragers werden so einzigartig,

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dass prinzipiell jeder einzelne Nachfrager zur Bedürfnisbefriedigung eine speziell ange-fertigte Produktvariante erhalten müsste. Dieser Zustand scheint heute in vielen Märktenimmer mehr Norm als Ausnahme zu werden (siehe zur Begründung Abschnitt 2.2.3; füreinen empirischen Nachweis auf Basis der Cluster-Analyse siehe Franke / Reisinger 2003).

Eine zunehmende Heterogenisierung der Bedürfnisse, verbunden mit einerVerkürzung der Lebenszeiten einzelner Produktspezifikationen, resultiert folglich ineiner Nachfrage nach immer mehr Produktvarianten. Dies führt dazu, dass dieRealisierung von Skaleneffekten (siehe Abschnitt 2.2.2) für den Hersteller immerschwieriger wird. Kleinere Absatzmengen einer Produktvariante erschweren dieAmortisation von Investitionen in Produktionsanlagen und treiben die Stückkosten indie Höhe. Unter solchen Bedingungen können Entwicklungs- und Herstellungskostendie Vorteile für ein Unternehmen aus dem Verkauf des Produktes leicht aufheben, wohingegen sich für Kunden der Entwicklungs- und Herstellungsaufwand für die eigeneNutzung immer noch lohnen kann. Unternehmen können die Produktentwicklungund -herstellung dann entweder den Kunden überlassen oder aber neue Kosten-senkungspotenziale und Spielraum für Preissteigerungen im Rahmen einer Produk-tindividualisierungsstrategie erschließen.

(2) Der Bedarf lokalen Wissens für die Produktentwicklung und -herstellung stellteine weitere Herausforderung für Hersteller im Wertschöpfungsprozess dar. DerBedarf ergibt sich aus der notwendigen Aufgabe des Unternehmens, marktseitige undtechnologische Unsicherheiten am “fuzzy front end” (Wheelwright / Clark 1992) zureduzieren. Dazu müssen Anbieter Informationen aus der Domäne der Kunden (undaus anderen externen Quellen) in die interne Wertschöpfung transferieren. Grund-sätzlich sind zwei Arten von Information zu unterscheiden, die für den Wert-schöpfungsprozess benötigt werden (Thomke 2003):

Bedürfnisinformation (“need information”) über die Kunden- und Markt-bedürfnisse, d. h. Informationen über die Präferenzen, Wünsche, Zufrieden-heitsfaktoren und Kaufmotive der aktuellen und potenziellen Kunden bzw. Nutzereiner Leistung. Der Zugang zu Bedürfnisinformation beruht auf einem intensivenVerständnis der Nutzung- und Anwendungsumgebung der Abnehmer.

Lösungsinformation (“solution information”) beschreibt die technologischenMöglichkeiten und notwendigen Potenziale, um Kundenbedürfnisse möglichsteffizient und effektiv in eine konkrete Leistung zu überführen. Lösungsinformationbildet folglich für Hersteller die Entscheidungsgrundlage, um zu erkennen, welcheKundenbedürfnisse im Rahmen des unternehmerischen Wertschöpfungsprozessesüberhaupt wirtschaftlich zu erfüllen sind.

Klassischerweise wird Bedürfnisinformation der Kundendomäne und Lösungs-information der Herstellerdomäne zugeordnet. Für eine erfolgreiche Wertschöpfungmüssen beide Informationsarten an einem Ort (beim Anbieter) zusammengeführt wer-den. Ein Herstellerunternehmen versucht deshalb durch den Einsatz verschiedensterMarktforschungsinstrumente Bedürfnisinformation am Markt abzugreifen, um dannunter Anwendung intern vorhandener Lösungsinformation (bzw. unter Erwerb neuerLösungsinformation, z. B. neue Technologien oder Mitarbeiter) ein passendes Produkt

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zu kreieren. Im so genannten “manufacturing-active paradigm” ist Wertschöpfungdann alleinige Aufgabe von Unternehmen; Kunden nehmen nur eine passive Rolle ein:“speaking only when spoken to” (von Hippel 1978a).

Allerdings gerät dieses Paradigma ins Wanken, wenn die Bedürfnisinformation in derDomäne der Kunden eher den Charakter von implizitem Wissen hat. Dann kann dernotwendige Transfer in einer brauchbaren Form so aufwändig und kostspielig sein,dass sich die Wertschöpfung ggf. nicht mehr für Unternehmen, sondern eher fürKunden als Wissensträger lohnt. In diesem Fall wollen wir von “lokalem Wissen” bzw.“sticky information” sprechen. Wichtig ist dabei zu betonen, dass auch in derNutzerdomäne Lösungsinformation vorhanden sein kann. Gerade bei funktionalneuen Innovationen (und nicht nur Verbesserungsinnovationen) beruht eine innovati-ve Problemlösung häufig auf Verfahrungswissen, das mit dem vorhandenen Wisseneines Herstellers bricht. Manche besonders fortschrittliche Nutzer sind eine wertvolleQuelle für dieses Lösungswissen (siehe auch Abschnitt 3.2.1).

2.4.3.2 Logik der Arbeitsteilung nach dem Konzept der“wissensökonomischen Reife”

Ein Konzept zur Bestimmung der Arbeitsteilung zwischen Anbietern und Nachfragernist das Konzept der wissensökonomischen Reife (siehe dazu grundlegend Dietl 1993).Es zielt darauf ab, Teilaufgaben so zu bilden, dass zwischen ihnen nur eine geringeInterdependenz besteht. Eine hohe Interdependenz zwischen Teilaufgaben liegt z. B.vor, wenn bestimmter Teile des menschlichen Wissens nur schlecht artikulierbar sindund deshalb nur mit sehr hohen Transaktionskosten übertragbar sind. Dies können z.B. durch Erfahrung erworbene körperliche Fähigkeiten oder in unserem Kontext dielatenten Wünsche von Kunden nach neuartigen Produkten und Möglichkeiten zurBedürfnisbefriedigung sein. Der Transfer dieses impliziten, lokalen Wissens stellt einökonomisches Problem dar, weil mit einem ressourcenaufwändigen Transferverfahrenprohibitiv hohe Transaktionskosten entstehen (Picot / Dietl / Franck 2005).

Das Konzept der wissensökonomischen Reife legt nahe, die Bildung von Teilaufgaben,die an Kunden übertragen werden sollen, so zu organisieren, dass der ressourcenauf-wändige Wissenstransfer möglichst gering ist, das heißt, dass möglichst niedrigeTransaktionskosten verursacht werden. Darüber hinaus kann der Transfer lokalenWissens auch umgangen werden, indem Hersteller und Anbieter (Informations-)Produkte und Artefakte austauschen, die das lokale Kundenwissen bereits verkör-pern, z. B. Blueprints von Produktkonzepten. Ein Beispiel sind die CAD-Files im Kite-Surfing-Beispiel (Kasten 2–7) oder die T-Shirt-Designs bei Spreadshirt (Kasten 2–8).Anstelle der Übertragung der Information “ich will einen Kite, der bei starkenWindverhältnissen eine hohe Stabilität bietet, und dazu sollte das Seil XY straffer sein”übertragen die Kunden hier einen CAD-File, der bereits abbildet, wie dazu Seil XY an-ders befestigt werden muss. Gleichermaßen bei Spreadshirt: Anstelle des Bedürfnisses“Ich will ein T-Shirt mit einem Pandabären, der cool und nicht drollig schaut”, über-mitteln die Kunden hier eine Zeichnung, um diesen subjektiven Gesichtsausdruck zuerhalten.

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Für die Weiterverarbeitung durch das Unternehmen ist der Wissenstransfer dannnicht mehr nötig. Derartige Produkte und Artefakte, die weiterverwertet werdenkönnen, ohne dass ein Rückgriff auf das Kundenwissen erforderlich ist, besitzen wis-sensökonomische Reife. Das bedeutet, dass die Teile des unternehmerischenWertschöpfungsprozesses, die einen hohen Grad an wissensökonomischer Reife be-sitzen, geeignete Ansatzpunkte für die Zerlegung der gesamten Wertschöpfungsauf-gabe sind. So gebildete Teilaufgaben können an Kunden übertragen werden. Es ent-fällt der aufwändige Wissenstransfer durch den einfachen Austausch der Ergebnisse.

2.4.3.3 Logik der Arbeitsteilung nach dem Konzept der “stickyinformation”

Ein sehr ähnliches Konzept hat von Hippel (1994) unabhängig von Dietl speziell fürden Wissenstransfer zwischen Herstellern und Kunden im Innovationsprozess ent-wickelt. Er nennt Bedürfnisinformationen “sticky information” (“klebrige” Infor-mationen). “Stickiness” definiert er als “the incremental expenditure required to trans-fer a unit [of information] from one place to another, in a form that can be accessed bythe recipient. When this expenditure is low, information stickiness is low; when it ishigh, stickiness is high” (von Hippel 1994: 430). Die Gründe für hohe “stickiness” kön-nen in den Merkmalen der Information selbst liegen: z. B. implizites Wissen, Spezifitätvon Informationen, Grad und Art der Kodierung (Nelson 1982; Pavitt 1987; Polanyi1958; Rosenberg 1982). Alternativ können die Gründe für stickiness in den Merkmalendes Informationssuchenden bzw. -liefernden liegen, z. B. in der mangelnden Auf-nahmefähigkeit des Informationssuchenden (Vorwissen, Qualifikation) oder in derKapazität der Informationsaufnahme (z. B. fehlende Instrumente oder Fehlen vonkomplementären Informationen) (Cohen / Levinthal 1990).

Bedürfnisinformation kann in der Kundendomäne so “sticky” sein, dass die Kosten fürden notwendigen Informationstransfer vom Kunden zum Hersteller den Nutzen fürdas Unternehmen übersteigen. Bei hoher “stickiness” lokaler Bedürfnisinformationsind zahlreiche, zeitaufwändige Iterationen und “Trial-and-Error”-Zyklen zwischenUnternehmen und Kunden für den Transfer notwendig. Bei Heterogenität derKundenbedürfnisse kommt hinzu, dass sich durch einmalige Aufwendungen kaumSkaleneffekte im Informationstransfer für andere Kunden erzielen lassen. Im Prinzipentstehen dann Transferkosten für jeden einzelnen Kunden.

Im Extremfall ist “stickiness” so hoch, dass Kunden in einer besseren Kostenposition sindals Unternehmen in Bezug auf die Produktentwicklung und -herstellung. Wenn besondersfortschrittliche Kunden neben Bedürfnisinformation auch ausreichend Lösungs-information besitzen, können sie Produkte vollständig und eigenständig entwickeln undherstellen (diese Kunden werden als “Lead User” bezeichnet, siehe Abschnitt 3.3.1). Imhier diskutierten Konzept der interaktiven Wertschöpfung gehen wir vom Regelfall aus:der Vorteil von Kunden bezieht sich auf einige Wertschöpfungsaufgaben desUnternehmens, zu deren Ausführung lokale Bedürfnisinformation von hoher “stickiness”benötigt wird. Zur Lösung dieses Problems schlägt von Hippel (1990) genau wie auch Dietl(1993) Arbeitsteilung vor (“task partitioning”): Der Wertschöpfungsprozess wird in

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Teilaufgaben zerlegt, für die entweder primär Bedürfnisinformationen von Kunden oderaber primär Lösungsinformationen von Unternehmen notwendig sind. Aufgaben, dieweitgehend Lösungsinformation benötigen, verbleiben im Unternehmen. Aufgaben, dieweitgehend Bedürfnisinformation (“sticky information”) benötigen, werden auf denKunden übertragen. Der Transfer von “sticky information” findet dann jeweils innerhalbdes Arbeitsgebiets des Unternehmens bzw. der Kunden statt (von Hippel / Katz 2002).

Die Konzepte der “wissensökonomischen Reife” und der “sticky information” bildenso Erklärungsansätze, die zu ähnlichen Ergebnissen für neue Formen der Arbeitstei-lung zwischen Unternehmen und Kunden gelangen:

Aufgaben, die an Kunden übertragen werden, sollten überwiegend implizitesWissen der Kunden zum Einsatz bringen (“sticky information”-Ansatz).

Sie sollten in sich abgeschlossen sein, d. h. einen hohen Grad wissensökonomi-scher Reife besitzen.

Der ursprünglich vom Unternehmen dominierte Wertschöpfungsprozess wird so inunternehmens- und kundendominierte Teilaufgaben zerlegt, je nach dem, welchePartei das jeweils relevante lokale Wissen besitzt. Abbildung 2–9 fasst die Logik derArbeitsteilung zwischen Unternehmen und Kunden zusammen.

2.4.3.4 “Commons-based Peer Production” als Organisationsprinzip

Die Notwendigkeit des Transfers von Bedürfnis- und Lösungsinformation und diedurch die “stickiness” dieser Informationen begründeten Probleme bzw. Kosten diesesTransfers haben gezeigt, warum grundsätzlich eine Arbeitsteilung zwischenHerstellerunternehmen und Kunden sinnvoll sein kann. Im Folgenden wollen wir

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 2–9: Logik der Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Kunden

Unternehmensdomäne

Impliztes Wissen & „Stickiness“:

Prohibitiv hohe Transaktionskosten des direkten Wissenstransfers

Teil-aufgabe 1

Teil-aufgabe 2

Teil-aufgabe n

Kundendomäne

Lokale Bedürfnisinformation

Lokale Lösungsinformation

Lokale Lösungsinformation

InformationsartefakteLokale

Lösungsinformation

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Möglichkeiten einer geeigneten Organisationsform für die Arbeitsteilung zwischenAnbieter und Kunden betrachten. Grundlage dieser Betrachtung ist das Modell der“Commons-Based Peer Production” von Benkler (2002).

Open-Source-Software-Produktion als Modell einer neuen Organisation der Wert-schöpfung

In den klassischen Modellen wird Wertschöpfung durch Individuen entweder als An-gestellte in einem Unternehmen (gesteuert durch die Anweisungen von Vorgesetzten)oder als Akteure auf Märkten (gesteuert durch Preise) vollzogen oder in kooperativenZwischenformen dieser Modelle (Coase 1937; Williamson 1985). Benkler jedoch beobach-tet eine verteilte Wissensproduktion im Internet, die mit diesen klassischen Koordina-tionsmechanismen der Arbeitsteilung nicht vereinbar scheint. Im Internet sind heute ineiner Vielzahl von Projekten Nutzer mit der gemeinsamen Produktion und Weiterent-wicklung von Wissen und Informationsprodukten beschäftigt. Die Entwicklung vonOpen-Source-Software ist wohl populärste Bewegung dieser Art (siehe Abschnitt 3.5.4).Hierbei werden eine große Anzahl von Nutzern in einer Vielzahl von Aktivitäten tätig,angefangen von der Definition eines Problems über dessen Ausschreibung in einerCommunity, der Bereitstellung einer Lösung dieses Problems – oft in Zusammenarbeitzwischen verschiedenen Nutzern –, dem Testen und De-Bugging dieser Lösung undschließlich ihrer Verbreitung und Dokumentation. Das zentrale Organisationsprinzip vonOpen Source Software ist, dass die Ergebnisse der gemeinsamen Entwicklungsarbeit freiund ohne die traditionellen Restriktionen zum Kopieren und Nutzen proprietärer Soft-ware verfügbar sind. Niemand besitzt die Software in einem traditionellen Verständnisoder kontrolliert ihre Verwendung. Das Ergebnis ist eine lebhafte, engagierte und hoch-produktive Form der Zusammenarbeit, wobei die Beteiligten nicht in Hierarchien organi-siert sind und ihre Projektbeteiligung auch nicht an Preissignalen ausrichten.

Benkler (2002) strukturiert drei beispielhafte Typen von Aktivitäten bzw. Ansatzpunkten:

Generation of Content, z. B. die Identifikation von Marskratern auf einer NASA-Website;

Accreditation/Determination of Relevance, z. B. Buchkritiken bei Amazon oderPrüfung von Internet-Links für eine öffentliche Suchmaschine sowie

Value-added Distrubution, z. B. Korrekturen und Fehlerbeseitigung in öffentlichenEnzyklopädien wie Wikipedia (siehe Abschnitt 5.2) oder das Gutenberg-Projekt.

Diesen Phänomenen ist gemein, dass sich die Wertschöpfung in der “Informations-sphäre” abspielt und im Wesentlichen ohne klassische Eigentumsrechte, Verträge oderhierarchische Organisationsstrukturen auskommt. Benkler (2002) argumentiert, dasshier ein völlig neues Wertschöpfungsmodell entsteht, welches unter geeignetenBedingungen einen systematischen Vorteil gegenüber den klassischen hierarchischen,hybriden oder marktlichen Formen hat, die sich primär auf eine formale Koordinationdurch den Preis- oder Weisungsmechanismus stützen. Der Begriff “commons-basedpeer-production” soll dieses Modell von den klassischen Modellen der Kooperationdurch Hierarchien und Märkte (Preise) abgrenzen, die auf einer klaren Property-Rights-Verteilung und Verträgen beruhen. Zentrales Charakteristikum der Peer-

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Production ist, dass Gruppen von Individuen erfolgreich in (oft sehr großen) Projektenzusammenarbeiten und dabei durch eine Vielzahl unterschiedlicher Anreize undsozialer Signale motiviert werden, jedoch eher nicht durch Marktpreise oderAnweisungen eines Vorgesetzen. Ein wesentlicher Mechanismus dieses Modells ist soauch die Selbstselektion der an der Wertschöpfung Beteiligten, die effizienter bei derIdentifikation von beteiligten Wissensträgern und deren Zuordnung zu entsprechen-den Wertschöpfungsaufgaben sein kann (siehe z. B. Schoder / Fischbach 2002; Schoder/ Fischbach / Schmitt 2005 zu den technsichen Aspekten einer Peer-to-Peer-Produktionim Sinne der Wirtschaftsinformatik, ein verwandtes, aber inhaltlich anderes Konzept).

Vorteile der Commons-Based Peer Production gegenüber klassischen Organisations-formen

Benkler bezieht sein Modell vor allem auf die Produktion von Information oder“Kulturgütern” (Musik, Schriften etc.), da hier die notwendigen Produktionsmittel(Kapitalanlagen wie Computer und Kommunikationsmittel) weit verbreitet und nichtan einer Stelle konzentriert sind (wie z. B. in einem Stahlwerk). Zur Produktion dieserGüter ist das Peer-Production-Modell aus zwei Gründen besser als die klassischeAufgabenerfüllung in Hierarchien oder Märkten.

(1) Das Modell ist besser in der Identifikation und Allokation der genau passendenHumankapazitäten (besondere Fähigkeiten einzelner Individuen) zu einzelnen Aufga-ben des Informationsproduktionsprozesses. Er begründet dies mit den so genannten“Informationsopportunitätskosten” (“information opportunity cost”). Es hat geringe-re Verluste (Opportunitätskosten) als die klassischen Modelle, um aus der Gesamt-menge möglicher Aufgabenträger genau den am besten passenden Akteur zu identifi-zieren und zur Aufgabenerfüllung zu motivieren. Das Peer-Production-Modell “losesless information about who the best person for a given job might be than do either ofthe other two organizational modes” (Benkler 2002: 1). Ein Manager, der eine Aufgabeeinem seiner vielen Mitarbeiter zuordnet, nutzt dabei oft nicht alle möglichen Informa-tionen, ob dieser Mitarbeiter und nicht vielleicht ein anderer der beste Aufgabenträgeranhand seiner persönlichen Fähigkeiten und Motivation ist (da diese Information ins-besondere bei Nicht-Routine-Aufgaben sehr “sticky” ist). Wird aber eine Aufgabe nichtzugeordnet, sondern “ausgeschrieben”, kann ein Akteur diese selbst bewerten undsein eigenes Wissen über seinen Kenntnisstand und seine Motivation nutzen um zuentscheiden, ob er diese Aufgabe lösen kann oder nicht:

“The idea is that different modes of organizing human activity entail different losses ofinformation relative to an ideal state of perfect information. […] The different strategiesdiffer from each other in their ‘lossiness’ […] This difference among modes of organiz-ing in terms of the pattern of lossiness is that mode’s information opportunity cost”(Benkler 2002: 27).

(2) Weiterhin unterliegt die Effizienz der Aufgabenzuweisung durch Selbstselektionsubstantiellen Skaleneffekten durch Spezialisierungseffekte. Stehen große Gruppenvon potenziellen Mitwirkenden einer großen Zahl an Teilaufgaben und Infor-mationsressourcen gegenüber, dann ist es recht wahrscheinlich, dass sich für einebestimmte Aufgabe ein Akteur findet, der zu ihrer Lösung besonders geeignet (spezi-

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alisiert) und/oder motiviert ist und diese Fähigkeiten auch in mehrere Projekte einbrin-gen kann. Wenn dabei auf die Definition von Eigentums- und Verfügungsrechtendurch Verträge als Grundlage einer Zusammenarbeit zwischen den Akteuren verzich-tet wird (siehe hierzu Abschnitt 2.4.3.5), können durch das Peer-Production-Modell dieexternen Transaktionskosten der Interaktion beträchtlich gesenkt werden. Die Akteurekönnen selbst entscheiden, welches Problem sie lösen und auf welche (freien)Informationsressourcen sie dabei zurückgreifen, und mit wem sie dabei zusammenar-beiten wollen. Das bedeutet, je mehr potenziell einzubindende Akteure im Hinblickauf eine große Anzahl von Teilaufgaben im Kontext vorhanden sind, je höher ist dieEffizienz dieser Organisationsform im Vergleich zu den konventionellen Organi-sationsformen (Benkler 2002: 30). Abbildung 2–10 zeigt diese Argumentation inErweiterung des Modells der Netzwerkökonomie (siehe Abschnitt 2.3).

Übertragung des Modells auf unsere Konzeption der interaktiven Wertschöpfung

Genau wie die klassischen Formen Hierarchie und Markt als Extremformen auf einemKontinuum konventioneller Organisationsformen gesehen werden können, genausokann auch die “Commons-based Peer Production” nach Benkler als Extremform einerrein teilnehmerkoordinierten Form der arbeitsteiligen Problemlösung gesehen werden.Unsere Konzeption der interaktiven Wertschöpfung greift stark auf die Ideen Benklerszurück, stellt diese jedoch in Gleichklang mit anderen Organisationsformen, die derklassischen Netzwerkorganisation entsprechen. Unsere Motivation war nicht die Ablö-

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2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

Abbildung 2–10: Einsparungen von externen Transaktionskosten in der interaktiveWertschöpfung

Transaktions-kosten Markt Hybrid Hierarchie

S1 S2 Spezifität / Unsicherheit

Anwendungsbereich der interaktiven Wertschöpfung

Einsparungen von externen Transaktionskosten durch den Verzicht auf vertragliche Regelungen zugunsten informeller Koordination

Interaktive Wertschöpfung durch

„Peer Production“

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sung der Unternehmung durch eine neue Form der Organisation, sondern die Erwei-terung der Möglichkeiten, Problemlösung im Unternehmen zu betreiben.

Auch wollen wir unsere Argumentation nicht wie Benkler auf eine Informationspro-duktion beschränken, sondern auch auf Bereiche ausdehnen, wo wichtige Produk-tionsmittel zentral an einer Stelle vereint sind und nicht allen Akteuren zur Verfügungstehen. Das heißt, die Ausführung einzelner Teilaufgaben durch die Kunden findet oft-mals nicht losgelöst vom Herstellerunternehmen statt, sondern ist bedingt durch dieBereitstellung von Ressourcen durch das Unternehmen. Obwohl das Modell der “PeerProduction” grundsätzlich das Anwendungsspektrum der interaktiven Wert-schöpfung erweitert, übernehmen Kunden in den seltensten Fällen die gesamteWertschöpfung. Von Hippel (2002) spricht in diesen Fällen von so genannten “UserInnovation Networks”, die dem Motto “No Manufacturer required!” folgend diegesamte Wertschöpfung selbständig und verteilt über zahlreiche User leisten. Dies giltfür komplexe Informationsprodukte wie z. B. Software, kann aber bei Existenzbestimmter Infrastrukturen auch für materielle Güter gelten (Beispiel Kite-Surfing,siehe Kasten 2–7).

In der Regel jedoch wird ein fokales Herstellerunternehmen wie Threadless, Spread-shirt oder Dell bestimmte Bereiche der Wertschöpfung weiterhin intern organisierenund klassisch hierarchisch oder über den Marktmechanismus koordinieren. BestimmteBereiche entlang der Wertschöpfungskette können aber kooperativ mit den Kundenund innerhalb dieser Bereiche nach den Prinzipien der Commons-based Peer Produc-tion gestaltet werden. Nach Benkler müssen zwei Problembereiche gelöst werden, da-mit “Peer Production” generell und als Organisationsform für die interaktiveWertschöpfung funktioniert:

Das Motivationsproblem besagt, dass ausreichende Anreize für die Beteiligtenbestehen müssen. Dies bedeutet aber auch, dass die Resultate der gemeinschaft-lichen Arbeit für alle Beteiligten nutzbringend verwertbar sein müssen.

Das Koordinationsproblem verlangt, dass die einzelnen Teilbeiträge im Unter-nehmen intern zu einem verwertbaren Gesamtbeitrag integriert werden müssen.

Ob diese Problembereiche im Kontext der interaktiven Wertschöpfung gelöst werdenkönnen, hängt von folgenden Bedingungen ab, die ein Anbieterunternehmen im Sinnevon “Stellschrauben” zu beeinflussen versuchen kann:

Ausreichend große Zahl an Akteuren: Es muss eine ausreichend große Zahl anKunden oder Nutzern oder sonstigen Mitwirkenden zur Beteiligung am Problem-lösungsprozess gewonnen werden können.

Modularität der Teilaufgaben: Die Wertschöpfungsaufgabe kann in Teilaufgabenzerlegt werden, die eine unabhängige Bearbeitung erlauben, so dass sich dieWertschöpfung gestaltet als “incremental and asynchronous, pooling the efforts ofdifferent people, with different capacities, who are available at different times”(Benkler 2002: 379).

Granularität der Teilaufgabe: Die Teilaufgaben sind im Wesentlichen fein geglie-dert und klein im Umfang. Sie haben einen heterogenen Inhalt und Umfang, so

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dass eine heterogene Kunden- oder Nutzergruppe eine ihren Vorlieben und Fähig-keiten entsprechende Auswahl treffen kann.

Niedrige interne Transaktionskoten für die Integration der Teilaufgabe: Die Integra-tion der Teilaufgaben beinhalten sowohl die Qualitätskontrolle und Auswahl der ein-zelnen Beiträge als auch die Kombination der Teilergebnisse zu einem verwertbarenGesamtergebnis. Diese grundsätzlich neuen Aktivitäten für das Unternehmen verursa-chen eigene Kosten, die wir mit internen Transaktionskosten der interaktivenWertschöpfung bezeichnen wollen.

Erst durch die neuen IuK-Technologien können die mit der Peer-Production verbunde-nen Kosten ausreichend reduziert werden. Die Möglichkeit, umfangreiche Wertschöp-fungsaufgaben digital abzubilden, erleichtert ihre Modularisierung (Bessen / Maskin2000). Dabei wird durch das Internet die notwendige Transparenz erreicht, die für eineZuordnung der Kunden zu den Teilaufgaben durch Selbstselektion entsprechend ihrerMotivation und Fähigkeiten notwendig ist (Benkler 2002). Die Kundeninteraktion kannzudem in der sozialen Sphäre, d. h. der in Vernetzung von Kunden untereinander invirtuellen Communities, erfolgen.

Voraussetzungen für den Erfolg einer interaktiven Wertschöpfung nach dem“Commons-based Peer Production”-Modell

Je mehr ein Unternehmen “Modularität” und “Granularität” der Teilaufgaben gewähr-leistet, die an den Kunden übertragen werden sollen, desto besser wird das Problemder notwendigen Anreize für die Kunden gelöst. Detaillierte Überlegungen zum not-wendigen Kundennutzen werden in Abschnitt 2.4.4 angestellt. Dazu gehört auch dieÜberwindung der Vorstellung, an den Ergebnissen der Wertschöpfung strikteProperty-Rights anzumelden. Denn gerade die freie Verfügbarkeit von Wissen und derbreite Zugriff auf vorhandene Wissensressourcen sind ein wesentlicher Wirkungs-mechanismus und Anreiz der Peer-Production. Wir werden diesen Aspekt im kom-menden Abschnitt 2.4.3.5 noch näher betrachten – liegt doch in der Ökonomie derInformations- und Wissensproduktion ein weiteres wesentliches Grundprinzip derOrganisation der interaktiven Wertschöpfung.

Eine weitere Erfolgsvoraussetzung der interaktiven Wertschöpfung ist, wie effizientein Unternehmen die Aufgabe der Re-Integration der Teilaufgaben löst (siehe hierzuAbschnitt 2.4.7). Mittel dazu ist der Aufbau entsprechender “Interaktionskompetenz”,die wir in Abschnitt 2.4.6 vertiefend betrachten werden. Doch auch dem Aufbau dieserKompetenzen sind inhaltliche und finanzielle Grenzen gesetzt. Deshalb wird dasModell der Commons-based Peer-Production nicht für alle Wertschöpfungsaufgabeneines Unternehmens eine Rolle spielen. Wenn jedoch die genannten Bedingungenerfüllt sind, dann kann dieses Modell einen hoch effizienten und leistungsfähigenOrganisationsmechanismus zur Verfügung stellen, der die konventionellen Organi-sationsmechanismen Markt und Hierarchie ersetzt. Diese Frage stellt sich auch deramerikanische Journalist Eric Schonfeld in seinem in Kasten 2–10 auszugsweise abge-druckten Beitrag, der die Argumentation dieses Abschnitts mit weiteren Beispielenabrundet.

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2Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

(Quelle: Auszug aus dem Posting “The Economics of Peer Production” von Erick Schonfeld imBlog B2day vom 30. September 2005 [tinyurl.com/k9z89])

(…) Peer production is part and parcel of what I call the culture of participation – that is, the explo-sion of user-generated goods (mostly digital), including open-source software, the Wikipedia onli-ne encyclopedia, blogs, podcasts, and photo-sharing sites like Flickr. Just as companies and mar-kets coordinate economic activity (through management control and contracts, respectively), theWeb allows individual producers and consumers to swarm together with like-minded individuals tocreate complex products. It also allows them to easily find an audience to test, use, and providefeedback on the content and products they create. Either way, peer production in some cases thre-atens to decimate the information advantage of companies and markets. (…) In peer production itgets communicated directly between producers and is stored on the Web. Since peer productionis not primarily driven by the profit motive, it threatens to destroy profits in those areas where it caneffectively compete. If consumers are using peer-produced goods and content, many times it’s atthe expense of company-produced goods. So even if the peer producers are not making anymoney, they are potentially taking away sales and market share from companies. Witness whatLinux has done to Sun Microsystems.

(…) Peer production takes specialization down to the next level – that of the individual, rather thanthe business unit. Umair Haque, a management consultant and author of the blog BubbleGeneration, explains: “You can only specialize in a firm to whatever degree it costs to coordinateyou. Now what is happening with peer production is that it is a self-coordinating thing.” TakeWikipedia as an example. There are more than 1.8 million articles on Wikipedia. Since it is a groupblog (also known as a wiki), anyone can write a new entry or edit an existing one. If you are anexpert in, say, quantum mechanics, you can contribute the two sentences of knowledge that youknow best to the entry. This allows people to specialize in a way that is not economical in the realworld. After all, Encyclopaedia Britannica cannot farm out a single article to 100 people, but 100people can contribute to a single article on Wikipedia. (…) But does a peer-produced good likeWikipedia really threaten a firm-produced good like the Encyclopaedia Britannica? In other words,is it a better product? Haque says that’s the wrong question. “It’s not that it is a better product,” hemaintains. “It’s that it is just a little bit worse – but it doesn’t cost as much.” Wikipedia is more error-prone than the Encyclopaedia Britannica, but it is also easier to correct. For a surprising numberof subjects, that makes it good enough for most people – and it’s free. Peer production seems towork best with information-based goods, especially those that can be assembled in a modularfashion (like software or an encyclopedia). (…) For this reason we are already seeing the rise ofpeer-produced publishing (blogs) and radio (podcasts). Video is not far off. And as the cost of fabri-cation comes down, light manufacturing and one-off physical goods are beginning to lend them-selves to peer production as well. How hard would it be for engineers or product designers to findeach other on the Web, collaborate to design a product using shared computer-aided design soft-ware, and then have it manufactured at a custom fab like eMachineShop.com?

(…) Since there are virtually no transaction costs in peer production (anyone can contribute or con-sume), it is suddenly viable for millions of potential contributors to review and select the resources,projects, and collaborators they want to work with. Haque maintains that these knowledge poolsare the key information-sharing resources for peer-production communities. They act as a collec-tive memory for such communities and make them more productive by storing the most efficientway to transform economic inputs (like those two sentences on quantum mechanics) into finishedgoods (the collectively written article on quantum mechanics). (…) With Flickr, every time someo-ne tags a photo with keywords (like “Italy,” “pool,” or “bubbles”), Flickr’s knowledge pool increases.The economic inputs are the photo and the tag. The output is Flickr’s growing database of sear-

Kasten 2–10: Could The Culture of Participation Threaten The Existence of The Firm?

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2.4.3.5 Organisation der Informations- und Wissensproduktion:Offenheit vs. proprietärer Schutz von Information

Wir wollen in diesem Abschnitt noch einen zentralen Aspekt der interaktiven Wert-schöpfung im Sinne der Peer-Production vertiefen: die Besonderheiten einer Infor-mations- und Wissensproduktion und der Offenlegung der resultierenden Informa-tion. Denn das wesentliche Gut, das in gemeinsamen Aktivitäten zwischen denAkteuren Hersteller und Kunde ausgetauscht und neu geschaffen wird, ist Informationund Wissen.

Wir haben bereits in Abschnitt 2.3 gesehen, dass Märkte als Organisationsform durchneue Informations- und Kommunikationstechnologien effizienter werden – im Sinneeiner Annäherung an das neoklassische Ideal perfekter Märkte ohne Informations-asymmetrien. Jedoch stoßen bei der Organisation der interaktiven Informations- undWissensproduktion auch Märkte und klassische hybride Netzwerkansätze an ihreGrenzen, da sie auf einer formalen (vertraglichen) Definition und Übertragung vonHandlungs- und Verfügungsrechten zur Durchsetzung von Eigentum beruhen (sieheKasten 2–6 zur Property-Rights-Theorie). Dies würde aber bei der geforderten hohenGranularität und Teilung der Aufgaben zu viel zu hohen Transaktionskosten führen.Klassische Schutzrechte geistigen Eigentums sind deshalb bei der interaktiven Wert-schöpfung, aber auch bei einer Informations- und Wissensproduktion im Allgemeinen,nur bedingt möglich und sinnvoll.

Klassische Begründung für die Bedeutung von Schutzrechten für Informations-güter

Nehmen wir Patente, ein bekanntes und viel diskutiertes Mittel zur Durchsetzungvon Intellectual Property Rights (IPR). Patente wurden lange Zeit in ihrer Funktionin Produktmärkten diskutiert, in denen sie Eigentümern erlauben, das Produkt los-

2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

chable photos, which becomes more valuable as more photos are uploaded to it with related tagsso that others can more easily find them. Unlike at companies, where decisions about things likesoftware coding and product design are kept private, in peer production all such knowledge ismade explicitly public. This creates a feedback loop that can help the community learn to build,design, or code more efficiently and, thus, create better output.

(…) But why do people participate in peer production in the first place? Why do they donate somuch time and effort to write their blogs, upload their photos to Flickr, or tag their webpages ondel.icio.us? It’s certainly not for the money (as nearly any blogger can attest to). Some say it’s forthe sheer enjoyment of contributing to something you’re really interested in. Others point to the egoboost that comes with burnishing your reputation online. I find all of these explanations unsatisfac-tory. (After all, nobody knows you on Wikipedia. There are no bylines.) Rather, the strongest expla-nation is also the simplest: It is in people’s self-interest to contribute. People participate in peer pro-duction because a) it’s cheaper than buying the product outright, or b) the product would not beavailable otherwise. At its best, the final good is the result of a collective intelligence and couldnever be produced any other way. The peer producers are their own consumers. They get a bet-ter product by tapping into the knowledge pool. And they get a product that exactly fits their needsbecause they help design it (often with minimal effort). How do you compete with that?

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gelöst vom zugrunde liegenden intellektuellen Eigentum zu verkaufen. Nach Arrow(1962) sind Patente und ähnliche IPR aber auch notwendig, um Märkte fürInformation und Wissen selbst zu ermöglichen. Er macht dies mit seinem so genann-ten Informationsparadoxon deutlich. Ohne Patente würde die Verhandlung zwi-schen Eigentümern und potenziellen Interessenten über die Bedingungen desInformationstausches schwierig werden. Wenn der Eigentümer seine Informationpreisgibt, hat ein Interessent sie bereits umsonst erhalten und braucht sie nicht mehrzu kaufen. Gibt der Eigentümer seine Information nicht preis, ist der Interessentaber zu einer Beurteilung der Information nicht fähig und deshalb nicht zurZahlung des geforderten Preises bereit. Patente erlauben es den Eigentümern,Information gegenüber potenziellen Interessenten zu offenbaren, das Ver-wertungsrecht aber zurückzubehalten. Trotzdem können sich beide Ver-handlungspartner auf Basis des offen gelegten Patentes in der Zwischenzeit über dieKonditionen eines Informations- und Wissenstransfers einig werden, der auf einekonkrete Anwendung beim interessierten Unternehmen abzielt. Damit schafft dieMöglichkeit der Patentierbarkeit überhaupt erst den Anreiz, neue wertvolleInformationen (Innovationen) zu produzieren.

Gründe für eine Problematik von Schutzrechten bei Informationsgütern

Mandeville (1996) baut auf diesen Gedanken auf, kommt allerdings zu einem etwasdifferenzierteren Schluss. Patente zum Schutz von intellektuellem Eigentum setzenzwar Anreize für Investition in Forschung- und Entwicklung. Jedoch verhindern aucheine Reihe anderer Faktoren, dass technologische Information leicht zu kopieren undvon einer Domäne in eine andere zu transferieren ist. Deshalb ist der Marktmecha-nismen (auf Basis des Preismechanismus sowie klare Schutz- und Eigentumsrechte)nicht unbedingt immer das beste Mittel für einen Informationsaustausch. Er führt dreiFaktoren an:

(1) Mangelnde Knappheit bzw. Rivalität von Informationsgütern: Nicht zuletztdurch die Digitalisierung und das Internet entstehen neue Möglichkeiten, Infor-mationsprodukte in unbegrenztem Ausmaß zu (re-)produzieren und zu verteilen. SindInformationen erst einmal in digitalisierter Form verfügbar, können sie zu minimalenKosten im Überfluss produziert, kopiert, transformiert und versendet werden. Dieskann die Knappheit an Information drastisch reduzieren. Diesen Effekt beschreiben dieSkaleneffekte der Informationsproduktion, die in Kasten 2–11 näher erklärt sind.Diese Skaleneffekte legen aus Kostengesichtspunkten tendenziell eine hohe Aus-bringungsmenge und Verbreitung nahe, sobald eine Information erstmals produziertist (Zerdick et al. 2001). Hinzu kommt eine fehlende Rivalität im Konsum, die es belie-big vielen Menschen erlaubt, eine (Kopie der) Information zu kennen, ohne dass dieInformationen aufgebraucht oder andere durch eine Knappheit im Konsum einge-schränkt würden (Picot / Reichwald 1991). Diese Umstände können die Knappheiteiner Information derart verringern, dass ein Marktpreis unzweckmäßig erscheintbzw. dass nach ökonomischer Argumentation kein Marktpreis erhoben werden sollte.Die neoklassische Faustregel für einen effizienten Marktmechanismus, bei dem derPreis den Grenzkosten entspricht, impliziert sogar ein Verschenken digitalerInformationsgüter.

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(2) Mangelnde Ausschließbarkeit: Eine weitere Besonderheit bei Informationsgüternist, dass der Urheber einer Information andere Akteure, die weder einen Beitrag zurProduktion geleistet noch eine Gegenleistung oder einen Kaufpreis erbracht haben,nicht (bzw. nur zu prohibitiv hohen Transaktionskosten) von Zugang und Nutzung derInformation abhalten kann. Genau hier setzt Arrows (1962) Begründung für dieNotwendigkeit von Patenten aufgrund des Informationsparadoxons an. Ausschließ-barkeit ist gerade bei digitaler Informationsproduktion problematisch. Dies verdeut-licht bspw. der Umstand, dass der Käufer eines Informationsgutes immer nur eine digi-tale Kopie erhält, das „Original“ jedoch im Besitz des Verkäufers bleibt. Der Käuferwiederum kann Kopien der Kopie an viele andere (nicht berechtigte) Konsumentenweitergeben.

2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

Dem Ertragsgesetz folgend wird für Sachgüter üblicherweise ein U-förmiger Grenzkostenverlaufangenommen, d. h. die Kosten für eine zusätzlich produzierte Einheit sinken zunächst, steigenjedoch ab einer bestimmten Ausbringungsmenge wieder an (siehe Kasten 2–2). DieDurchschnittskosten verlaufen dementsprechend auch U-förmig und schneiden die Grenzkostenin ihrem Minimum. Hier liegt die für den Produzenten optimale Ausbringungsmenge, deren Über-schreitung mit wieder steigenden Grenzkosten verbunden ist. Durch eine Steigerung derAusbringungsmenge können Unternehmen also zunächst ihre Stückkosten senken bzw.Skaleneffekte erzielen. Aufgrund des Kostenverlaufs und anderer Faktoren, wie einem ansteigen-den Koordinationsaufwand mit steigender Unternehmensgröße, sind sie jedoch limitiert.

Abbildung: Skaleneffekte bei der Produktion digitaler Informationsgüter

Im Gegensatz dazu gibt es bei der digitalen Produktion von Information keine limitierendenFaktoren. Für die erste Kopie einer Information fällt ein einmaliger Aufwand an Fixkosten an (“First-Copy-Costs”), der aber in der digitalen Produktion sehr gut skalierbar ist. Die Grenzkosten der fol-genden digitalen Reproduktion und Verbreitung sind vergleichsweise gering, idealisiert gleich Null.Die Skaleneffekte durch Fixkostendegression sind also viel stärker, weil das Verhältnis von fixenKosten zu Grenzkosten größer ist. Ein Unterschreiten von Grenzkosten nahe Null ist fast nichtmöglich, so dass die optimale Ausbringungsmenge sehr hoch, im Grenzfall sogar unendlich ist.

Kasten 2–11: Skaleneffekte der Informationsproduktion

Ausbringungsmenge

First CopyCost

Durchschnittskosten (DK)Grenzkosten (GK)

DK physischGK physisch

DK digital

GK digital

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Allgemein bestimmt sich der Wert eines Gutes für einen Akteur nicht nur aufgrundseiner Eigenschaften, sondern auch durch seine Knappheit und die ausübbarenHandlungs- und Verfügungsrechte. Können die Handlungs- und Verfügungsrechtenicht vollständig einem Akteur zugeordnet werden oder werden sie gleichzeitig vonmehreren Akteuren getragen (Situation so genannter “verdünnter” Property Rights)verursachen die Handlungen eines Akteurs Externalitäten, d. h. positive oder negati-ve Nutzenveränderungen, die unkompensiert bleiben, weil eine Internalisierung durchVerträge oder Marktpreise an zu hohen Transaktionskosten scheitert (Coase 1960).Entweder verursacht ein Akteur durch sein Handeln soziale Kosten, die höher sind alsseine eigenen zu tragenden Kosten (negative Externalitäten), oder er schafft einensozialen Nutzen, der höher ist als sein eigener Nutzen (positive Externalitäten).Klassische Koordinationsmechanismen des Leistungsaustauschs beruhen deshalb aufder Ausschließbarkeit nicht berechtigter Akteure. Das Ausschlussprinzip des Property-Rights-Ansatz fordert klar zugeordnete Handlungs- und Verfügungsrechte (Property-Rights) an einem auf einem Markt transferierten Gut unter Inkaufnahme vonTransaktionskosten bspw. durch Verträge. Innerhalb von Unternehmen kann die Über-tragung von Verfügungsrechten auch durch andere Institutionen wie z. B. Weisungoder organisatorische Regelungen erfolgen (Picot / Dietl / Franck 2005).

Bei Informationsgütern aber fehlt, wie zuvor argumentiert, diese Ausschließbarkeit.Zusammen mit der mangelnden Rivalität wird Information deshalb häufig als öffent-liches Gut charakterisiert (z. B. Arrow 1962; Ludwig 1998). Öffentliche Güter sindGüter, von deren Nutzung niemand (zu vertretbaren Kosten) ausgeschlossen werdenkann (Abbildung 2–11). Produzenten von Information müssen positive Externalitätenin Kauf nehmen, weil auch Akteure Zugang erhalten können, die nicht zur Produktionbeigetragen oder eine Gegenleistung entrichtet haben. Die verbleibenden Anreize kön-

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 2–11: Gütertypologie (in Anlehnung an Hess / Ostrom 2003)

Ausschließ-barkeit

Rivalitätniedrig hoch

einfach

schwierig

Maut-/Clubgüter (Kabelfernsehen,

Autobahn, Golfclub)

Private Güter(Brot, PC, Wohnung)

Allmendegüter (Hochseefischgründe,

Büchereien)

Reine öffentliche Güter (Sonnenaufgang,

naturwissenschaftl. Wissen)

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nen dadurch so gering werden, dass die Information gar nicht erst produziert wird.Hardin (1968) spricht in diesem Zusammenhang von der „Tragödie der Allmende“,die im Fall der Nicht-Rivalität in der Nutzung von Information, primär in der Gefahrder Unterversorgung als der Übernutzung liegt. Einen Ausweg aus der „Tragödie derAllmende“ bei der Erstellung öffentlicher Güter scheinen nur die Einführung zentra-ler Steuerungs- und Sanktionierungsinstanzen oder die Etablierung von Eigen-tumsrechten zu bieten.

(3) Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen: Eine weitere elementareEigenschaft von Wissen, welche die Eignung für einen marktlichen Tausch beeinflusst,ist der Grad der Kodifizierung von Wissen (Mandeville 1996). Dies lässt sich durch dieUnterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen veranschaulichen, wiein Abbildung 2–12 dargestellt (Polanyi 1958). Grundlage des Wissens sindInformationen, bestehend aus Daten, Zeichen und Signalen. Einige der relevantenInformationen liegen in stark kodifizierter Form vor, z. B. weil sie explizierterBestandteil von Maschinen, Blaupausen, Fachartikeln oder Patenten sind. KodifiziertesWissen in dokumentierter und vielfach auch publizierter Form ist explizites Wissen.Es kann beliebig vervielfacht, versandt und gespeichert werden. Aber oftmals liegtrelevantes Wissen in deutlich weniger kodifizierter Form vor, z. B. ausgereifte Ideen,unartikuliertes Wissen über Arbeitsvorgänge oder Erfahrungswissen. Dieses implizi-tes Wissen („tacit knowledge“) hat eine persönliche Qualität, durch die es nur schwerformalisierbar und vermittelbar ist. Es ist verborgenes, nicht artikulierbares Wissen.Zudem ist es stark mit Handlungen, Verpflichtungen und Mitwirkungen des spezifi-schen Kontextes verknüpft – und ist damit oft “sticky” im Sinne des Konzepts von vonHippel (1994) (siehe Abschnitt 2.4.3.3; Hinweis: von Hippel differenziert nicht zwi-schen ‘Information’ und ‘Wissen’, meint aber eher Wissen in unserer Definition).

Nach Mandeville (1996) nimmt der Grad der Kodifizierung von Wissen im Wert-schöpfungsprozess zu: Wissen im Prototypen einer Maschine ist kodifizierter als in derEntwicklungszeichnung, das Wissen in der in Serie produzierten Maschine ist wiede-rum kodifizierter als im Prototypen. Der Grad der Kodifizierung beeinflusst denAufwand und die Art des Transfers von Information und Wissen. Für den Transfervon implizitem Wissen bedarf es bspw. größtenteils einer persönlichen Kommuni-kation oder „Learning by doing“. Folglich nehmen auch die Kosten für denWissenstransfer bei niedrigem Kodifizierungsgrad zu. Marktliche Austauschprozessescheitern tendenziell bei stark unkodifiziertem Wissen, so dass es anderer Orga-nisationsformen bedarf, die eher auf eine intensive Interaktion und Zusammenarbeithinauslaufen.

Übertragung auf die Offenlegung von Information bei interaktiver Wertschöpfung

Als Zwischenfazit lässt sich deshalb festhalten, dass eine Reihe von generellenGründen, die aus den Besonderheiten des Guts Information bzw. Wissen abgeleitetsind, gegen die Eignung starrer und klar zugeordneter Schutzrechte und der Nutzungdes Marktmechanismus zu ihrer Übertragung sprechen. Wir argumentieren, dass dieseArgumente sogar noch verstärkt im Rahmen einer interaktiven Wertschöpfung gelten,da, aus einer Informations- und Wissensperspektive, Wertschöpfung als kumulativerund kollektiver Prozess darstellt wird. Interaktive Wertschöpfung ist kumulativ, da sie

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auf bisher verfügbarem Wissen aufbaut, und kollektiv, da sie die Interaktion mit einerVielzahl von Akteuren zum Transfer dieses Wissens notwendig macht. DieseInteraktion für den Wissenstransfer lässt sich nur zu einem sehr geringen Teil auf derBasis von Preismechanismus und Eigentum organisieren.

Jedoch kann die vorherige Argumentation auch ein wesentliches Problem begründen,das gegen die Funktionsfähigkeit der Commons-based Peer Production sprechenwürde: Auch im Falle der Informationsproduktion durch Kunden im Internet muss derFrage nach der Überwindung einer “Tragödie der Allmende” und nach ausreichen-den Anreizen nachgegangen werden. Gerade im Internet können auch diejenigenKunden und Unternehmen von frei zugänglichen Informationen profitieren, die nichtzur Produktion im Sinne eines interaktiven Problemlösungs- und Austauschprozessesbeigetragen haben (“Trittbrettfahrer”). Engagieren sich deshalb zu wenige Akteure beider Produktion, so kann die Produktion ganz ausbleiben.

Die Praxis zeigt allerdings, dass dieses “soziale Dilemma” (Osterloh / Kuster / Rota2002) trotzdem gelöst werden kann. Open Source Software (siehe Abschnitt 3.5.4)stellt ein öffentliches Informationsgut dar, dessen Programmiercode frei zugänglichund dessen Nutzung kostenlos ist. Für Open Source Software besteht wegen der Nicht-Rivalität im Konsum zwar keine Gefahr der Übernutzung, in der Regel aber die Gefahrder Unterversorgung, d. h. der Programmierung des Codes. Es könnte nämlich einAnreizproblem bestehen, weil nicht der gesamte Nutzen der Software an dieProgrammierer fällt. Denn die Software kann auch von denjenigen genutzt werden, dienicht zur Programmierung beigetragen haben und einen Marktpreis ja nicht zahlenmüssen. Die Programmierer sind also Produzenten, und die Nicht-Programmierer dieEmpfänger positiver Externalitäten. NASA Clickworkers (Freiwillige klassifizierenKrater auf dem Mars) oder die Wikipedia- Enzyklopädie, die sich aus den Beiträgen

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 2–12: Das Kontinuum zwischen implizitem und explizitem Wissen (inAnlehnung an Frost 2005: 157)

Implizites Wissen

Explizites Wissen

reines „tacit knowledge“: unbewusst und

nicht-artikulierbarunbewusst und nicht artikuliert

Bewusst, aber wegen fehlender oder gestörter

Interaktion nicht artikuliert oder kodifiziert

bewusst und artikuliert

nicht-artikulierbar artikulierbar

kodifiziertes Wissen

Wissen kann durch Interaktion bewusst

gemacht werden

Wissen kann durch Interaktion artikuliert und kodifiziert werden

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von tausenden Freiwilligen zusammensetzt, sind weitere Beispiele für solche öffent-lichen Informationsgüter, die sich aus den aktiven Beiträgen vieler Akteure zusammen-setzen (siehe auch die Beispiele in Kasten 2–10).

Diese Projekte haben gemeinsam, dass es sich um eine freiwillige und kollektive Infor-mationsproduktion und -verbreitung mit dem Resultat eines öffentlichen Guts unterweitgehendem Verzicht der Beitragenden auf private Eigentums- und Verfügungs-rechte handelt. Dennoch existieren sie in der Praxis – auch wenn sie klassische Theorienin Frage stellen. Die Teilnehmer lassen sich nicht durch Externalitäten von ihrerMitwirkung abschrecken. Dies ist ein starker Indikator für das Vorhandensein andererAnreize für ihren Problemlösungsbeitrag, den die klassische Diskussion um Schutz-und Verfügungsrechte nicht abdeckt. Unter der ökonomischen Annahme eines zielge-richteten Verhaltens der Akteure scheinen deshalb Bedingungen zu herrschen, indenen der Nutzen aus der Beteiligung an dieser Art der Wertschöpfung die Kosten derAkteure übersteigt. Was genau dieser Nutzen ist, wird Abschnitt 2.4.4 näher diskutieren.

Einmalige fixe Produktionskosten der interaktiven Wertschöpfung

Greifen wir noch einen anderen Aspekt der oben angesprochenen Besonderheiten derInformationsproduktion auf: die einmalig fixen Produktionskosten im Vergleich zuden Verbreitungskosten sind sehr hoch (“First-Copy-Costs”). Diese einmaligenProduktionskosten existieren auch bei einer interaktiven Wertschöpfung. Beispiele sindInteraktionsplattformen, auf denen sich die Beitragenden austauschen (Denken Sie andie Entwicklungsplattform, die im Kite-Surfing-Beispiel notwendig war. Oder die Web-Site von Threadless.com, ohne die das Design und die Bewertung der T-Shirts durch dieKunden nicht einfach möglich wären). Im Rahmen einer interaktiven Wertschöpfungzwischen einem Hersteller und seinen Kunden ist es oft Aufgabe des Herstellers, dieseProduktionskosten zu übernehmen und allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen (oderaber besonders motivierte Nutzer übernehmen diese Investitionskosten). DieseInvestition signalisiert allen potenziellen Beitragenden auch das Commitment desHerstellers (oder Betreibers) in diese Form der Wertschöpfung – und stellt zugleich einewesentliche Voraussetzung dar, damit die Kosten für die Beitragenden möglichst geringsind. Diese Anfangsinvestitionen sind Bestandteil eines größeren Sets an bestimmtenKompetenzen und Kapazitäten (“Interaktionskompetenz”), die ein Anbieterunterneh-men besitzen muss, um erfolgreich an der interaktiven Wertschöpfung teilzunehmen.

2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

Benkler, Yochai (2002). Coase’s Penguin, or: Linux and the nature of the firm. The Yale LawJournal, 112 (2002): 369-446 (Online-Publikation unter www.benkler.org/CoasesPenguin.html)

Ramirez, Rafael (1999). Value co-production: intellectual origins and Implications for practiceand research. Strategic Management Journal, 20 (1999) 1: 49-65.

Wikström, Solveig (1996a). Value creation by company-consumer interaction. Journal ofMarketing Management, 12 (1996): 359-374.

Kasten 2–12: Literaturempfehlungen zu den Prinzipien der Arbeitsteilung undOrganisation der interaktiven Wertschöpfung

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2.4.4 Interaktive Wertschöpfung aus Kundenperspektive:Free Revealing und Nutzen der Interaktion

Interaktive Wertschöpfung als sozialer Austauschprozess (Abschnitt 2.4.1) ist nur dannerfolgreich, wenn alle Beteiligten einen angemessenen Nutzen daraus ziehen(Reichwald / Bullinger 2000). Eine interessante Frage stellt sich deshalb insbesonderenach dem Nutzen der Kunden, die ihr Wissen beispielsweise in Form von fertigenPrototypen oftmals ohne erkennbare monetäre Gegenleistung preisgeben oder “ver-schenken”. Dieses Phänomen wird von Harhoff / Henkel / von Hippel (2003) als “freerevealing” bezeichnet und ist wie folgt definiert: “[…] granting of access to all inter-ested agents without imposition of any direct payment.”

“Free Revealing” – Kunden erwarten keine Gegenleistung

Geben Kunden ihr Wissen unter bewusstem Verzicht auf Gegenleistung sowieEigentums- und Verfügungsrechte weiter, so tragen sie zu einem quasi-öffentlichenGut bei. Deshalb dürften eigentlich keine gemeinschaftlich hervorgebrachtenWertschöpfungsergebnisse entstehen, für die Kunden ihre Ansprüche ohne erkennba-re Gegenleistung abtreten und das Unternehmen der direkte Nutznießer ist. Harhoff,Henkel und von Hippel (2003) nennen aber folgende Gründe dafür, warum Kundenihr Wissen ohne direkte Gegenleistung an ein Herstellerunternehmen weitergeben.Diese Gründe geben schon einen ersten Einblick in die vielfältigen Anreize (erwarteterNutzen), die die Kunden im Rahmen der interaktiven Wertschöpfung zur Teilnahmemotivieren:

Produktnutzung und Verbesserungen: Kunden können durch die freiwillige Wei-tergabe profitieren, wenn sie die betreffende Leistung durch die Zusammenarbeitmit einem Unternehmen überhaupt erst oder aber billiger beziehen können als beider Eigenerstellung. Auch die potenziellen Verbesserungen durch weitere Kundenkönnen für eine Offenlegung ausschlaggebend sein.

Netzeffekte und Standards: Durch die Weitergabe können Kunden die Verbrei-tung einer Leistung unter den Abnehmern fördern. Aufgrund von (indirekten)Netzeffekten kann das den Wert der Leistung für den Urheber erhöhen, bspw.durch die Herausbildung eines zertifizierten Standards oder eines Markts für kom-plementäre Leistungen.

Niedrige Rivalität: Kunden sind eher geneigt zur Weitergabe, wenn sie nicht inunmittelbarer Konkurrenzbeziehung zu den anderen Abnehmern stehen, bspw.aufgrund geographischer Distanz. Das reduziert die Gefahr, dass die Wettbewerberebenso oder sogar stärker Nutznießer werden können.

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

“Free revealing” bezeichnet die Beobachtung, dass viele Kunden bzw. Nutzer ihr Wissenunter bewusstem Verzicht auf Gegenleistung sowie Eigentums- und Verfügungsrechte anandere Akteure, insbesondere den Hersteller, weitergeben.

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Reputation: Durch die Weitergabe können Kunden ferner eher indirekten Nutzenerfahren, z. B. positive Signale auf dem Arbeitsmarkt, eine verbesserte Beziehungzum jeweiligen Herstellerunternehmen, einen vorteilhaften Ruf unter Kundensowie abgeleitet den Stolz auf die eigene Leistung.

“Collective Invention” und “Peer Production” als Erklärung für den Verzicht aufGegenleistung

Das Modell der “Collective Invention” (Allen 1983) nimmt den Gedanken auf, dasseine freie Weitergabe von Wissen über Produkte insbesondere dann erfolgt, wennVerbesserungen des Produktes durch andere zu erwarten sind. Die Erwartung dieserVerbesserungen stellt den wesentlichen Anreiz für die Nutzer zur Mitwirkung amgemeinsamen Wertschöpfungsprozess dar. Einige Nutzer werden das Produkt zwarlediglich adoptieren und nachbauen, sobald es frei verfügbar. Andere Nutzer aber wer-den es verbessern und stehen damit ebenfalls vor der Entscheidung über eine freieWeitergabe. Das Modell der “Collective Invention” geht so von einer Sequenz vonNutzern aus, die das Produkt inkrementell verbessern, weitergeben und so neueVerbesserungen anstoßen. Jeder kooperative Beteiligte leistet somit einen Beitrag zueinem gemeinsamen Wissenspool, der als öffentliches Gut unter einer marktlichenInstitutionalisierung nicht entstehen würde (Abschnitt 2.4.3.5). Beispiele für“Collective Invention” reichen vom Wissenschaftsprozess generell, über dieStahlindustrie während der frühen Industrialisierung (Allen 1983) bis hin zu unseremKite-Surfing-Beispiel in Kasten 2–7 oder der Open-Source-Software-Entwicklung, beider Entwickler durch die Copyleft-Lizenz sogar zur Weitergabe ihrer Modifikationenverpflichtet sind (von Hippel / von Krogh 2002; siehe auch Abschnitt 3.5.4). Durch dieInstitution “Collective Invention” sind Wissenstransfers möglich, die unterMarktbedingungen oder unter formalen geregelten und stärker institutionalisiertenKooperationsbedingungen nicht stattfinden würden. Im Kontext der interaktivenWertschöpfung kann ein Unternehmen folglich eine Interaktion mit Kunden auf Basisder Nutzenerwartungen durch Verbesserungen stimulieren. Dafür sollte es den“Collective Invention”-Prozess eventuell durch eine geeignete Plattform unterstützen,jedoch in keinem Fall die Kette freier Weitergaben durch eigenes proprietäresVerhalten (Erwerb und Verfolgung gewerblicher Schutzrechte) durchbrechen.

Einen weiteren Anhaltspunkt zur Ableitung des Kundennutzens gibt das in Abschnitt2.4.3 dargestellte Modell der “Commons-based Peer Production”. Dort wird dieProblematik tendenziell dadurch gelöst, dass Wertschöpfungsaufgaben soweit wiemöglich “modularisiert” und “granularisiert” sind. In dem Maße, wie es Unternehmengelingt, die betreffenden Wertschöpfungsaufgaben in verschiedene (kleinste) Teilauf-gaben zu zerlegen, können sich heterogene Kunden Teilaufgaben entsprechend ihrerDisposition und (intrinsischen) Nutzenerwartung auswählen. Die Problematik desKundennutzens wird so tendenziell marginalisiert. Wir werden aber in Abschnitt 2.4.7zeigen, dass diese “Stellschraube” mit zusätzlichen Kosten erkauft werden muss.

Dass die interaktive Wertschöpfung generell ohne explizite Gegenleistung für dieKunden erfolgen kann, ist eine optimistische Auffassung, die nicht alle Autoren teilen(Brockhoff 2005). Viele Erklärungen gehen davon aus, dass Kunden bereits im Vorfeldein Produkt entwickelt haben und deshalb gar nicht mehr vor der Entscheidung ste-

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hen, Aufwand in einen Beitrag zur gemeinsamen Wertschöpfung mit einem Unter-nehmen zu leisten. Ferner wird häufig davon ausgegangen, dass die Geheimhaltungohnehin nur für kurze Zeit möglich ist und eine Lizenzierung der Entwicklung keinebedeutenden Ertragsmöglichkeiten aus Sicht der Kunden birgt (von Hippel 2005). Hierbestätigen Ausnahmen die Regel, denn es kommt durchaus vor, dass innovativeKunden zu erfolgreichen Herstellern ihrer eigenen Entwicklung werden (meist abererst dann, wenn sich ein etablierter Hersteller nicht für ihre Innovation interessiert hat;siehe hierzu Lettl / Herstatt / Gemünden 2004). Wissenschaftliche Beiträge zeigen zudiesem Thema ein uneinheitliches Bild:

Franke und Piller (2004) zeigen in einer empirischen Untersuchung sogar dasGegenteil: In der Erwartung, dass Kunden ein Produkt erhalten, das ihreVorstellung besser als ein Standardprodukt erfüllt, sind sie bereit, mehr zu zahlen,obwohl sie im Vorfeld zur Entstehung des Produktes beigetragen haben.

Dellaert und Syam (2001) zeigen in einem spieltheoretischen Modell, dass Kundeneigentlich vorab für den Beitrag zur Wertschöpfung und ihre Interaktionskostenbezahlt werden müssten, weil Unternehmen nach Fertigstellung des Produkteskeine Anreize mehr zu Preisnachlässen haben (Hold-up-Problem). Im Gegensatzzu dem empirischen Ergebnis von Franke und Piller sind Unternehmen auch imMonopolfall nicht in der Lage, einen höheren Preis zu verlangen, weil Kunden zurWertschöpfung beigetragen haben.

Brockhoff (2005) zeigt in einem einfachen spieltheoretischen Modell, dassTransferzahlungen in beide Richtungen denkbar sind. Die Partei, die einen größe-ren Nutzen aus der interaktiven Wertschöpfung zieht, muss einen Teil diesesMehrnutzens an die andere Partei abgeben. Die Höhe des aufzuteilendenGesamtnutzens aus der interaktiven Wertschöpfung ergibt sich in diesem Modellaus (1) dem Nutzenzuwachs für den einzelnen Kunden aus dem neuen Produkt, (2)den (Entwicklungs- und Produktions-)Kosten für die Anpassung des Lösungs-raums des Unternehmens sowie (3) den entgangenen bzw. zusätzlichen Gewinnen,die das Unternehmen auf Basis des angepassten Lösungsraums mit anderenKunden erzielen kann. Eine Transferzahlung des Kunden an das Unternehmen istdenkbar, wenn der Nutzenzuwachs des Kunden größer ist als die Gewinn-potenzialveränderung, verringert um die Anpassungskosten des Unternehmens.Darauf lässt sich der Kunde aber nur ein, wenn der Nutzenzuwachs aus dem neuenProdukt größer ist als die verlangte Transferzahlung (z. B. der Produktaufpreis,den auch Franke und Piller 2004 nachweisen). Eine Transferzahlung desUnternehmens an den Kunden ist erforderlich, wenn die Anpassung des Lösungs-raums das Gewinnpotenzial des Unternehmens über die Maßen des Nutzen-zuwachses für den einzelnen Kunden erhöht.

Extrinsicher vs. Intrinsischer Nutzen

Zukünftige Forschung muss zeigen, ob diese zum Teil widersprüchlichen Ergebnisseauf eine unterschiedliche Berücksichtigung des intrinsischen Nutzens im Gegensatzzum extrinsischen Nutzen zurückzuführen sind. Extrinsischer Nutzen wird aus demErgebnis einer Tätigkeit abgeleitet. Die Tätigkeit wird nicht um ihrer selbst willen aus-

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geführt, sondern im Hinblick auf eine adäquate Belohnung (Osterloh / Kuster / Rota2004). In der interaktiven Wertschöpfung ist das entweder die Aussicht auf ein besse-res Produkt (d. h. bessere Erfüllung eines bislang offenen Problems bzw. unbefriedi-genden Bedürfnisses) oder aber eine monetäre Gegenleistung in Form vonTransferzahlungen oder Rabatten. Ein Menschenbild, welches das alleinige Strebennach extrinsischem Nutzen unterstellt, greift jedoch zu kurz.

Eine zweite Nutzenkategorie, die von Bedeutung für die interaktive Wertschöpfungaus Kundensicht ist, ist der intrinsische Nutzen. Dieser bezieht sich auf die Aus-führung einer Tätigkeit selbst. Eine Aktivität wird um ihrer selbst willen geschätzt undauch ohne unmittelbare Gegenleistung ausgeführt. Intrinsischer Nutzen hat zweiDimensionen (Lindenberg 2001; Osterloh / Kuster / Rota 2004), die sich auf den Kontextder interaktiven Wertschöpfung übertragen lassen:

Freude an einer Tätigkeit (Deci et al. 1999): Das Interaktionserlebnis als solches istpositiv und nutzenstiftend, wenn es das Gefühl von Spaß, Kompetenz, Explorationund Kreativität vermittelt.

Erfüllung von Normen um ihrer selbst willen (Frey 1997): Das Interaktionser-lebnis ist nutzenstiftend, wenn die Interaktion mit dem Unternehmen oder anderenKunden die Erfüllung von sozialen Normen bedingt. Beispiele für eine solcheNorm sind z. B. (generalisierte) Reziprozität, Gemeinnützigkeit (Frey / Meyer2002) oder Fairness (Fehr / Schmidt 1999). Fehr und Schmidt (2002) zeigen bei-spielsweise, dass die Berücksichtigung des Nutzens aus sozialer Normerfüllung einan materiellen Leistungsbeziehungen gemessenes Gefangenendilemma in einKoordinationsspiel transformieren kann, in dem dann auch kooperatives Verhaltenoptimal sein kann.

Wir werden die Nutzenperspektive aus Kundensicht in den folgenden Teilen des Buchsnoch deutlich weiter vertiefen, wenn wir die einzelnen Formen der interaktiven Wert-schöpfung, Open Innovation und Produktindividualisierung, näher betrachten (sieheAbschnitte 3.3 und 4.3). Wir können aber schon an dieser Stelle festhalten, dass inErgänzung zum extrinsischen Nutzen, der in der klassischen Argumentation stets imVordergrund steht (Entlohnung durch Lohn), auch das Interaktionserlebnis als intrin-sischer Nutzen von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der interaktivenWertschöpfung sein kann. Dies gilt selbst für den Fall, dass Kunden eigentlich den Kaufeines individualisierten Produktes anstreben (Dellaert / Stremersch 2005; Ihl et al. 2006).

2.4.5 Interaktive Wertschöpfung aus Unternehmensperspektive:Effiziente Differenzierung und Zugriff auf knappeRessourcen

Im Folgenden wollen wir auf den Nutzen der interaktiven Wertschöpfung fürUnternehmen eingehen. In Abschnitt 2.4.3 haben wir bereits die Nutzenpotenziale derinteraktiven Wertschöpfung als Organisationsform aufgezeigt: Wertschöpfungsauf-gaben des Unternehmens werden durch die Übertragung auf Kunden und den Wegfall

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eines kostenintensiven Wissenstransfers effizienter ausgeführt. Da tendenziell auf ver-tragliche Regelungen verzichtet wird, fallen dabei auch vergleichsweise geringe Tran-saktionskosten zur Abstimmung an. Diese Effizienzbetrachtung soll um eine Effek-tivitätsbetrachtung auf Basis der strategischen Vorteilhaftigkeit der interaktiven Wert-schöpfung aus Unternehmenssicht erweitert werden. Deshalb stellen wir uns die klas-sische Frage des strategischen Managements (Rumelt / Schendel / Teece 1991): Kanndie interaktive Wertschöpfung Erfolgsunterschiede zwischen und insbesondere Wett-bewerbsvorteile von Unternehmen im Vergleich zu ihren Mitbewerbern erklären? Fürdie Erklärung und Gestaltung von Wettbewerbsvorteilen haben sich zwei dominanteAnsätze herausgebildet, vor deren Hintergrund im Folgenden die strategische Vorteil-haftigkeit der interaktiven Wertschöpfung herausgearbeitet werden soll: der markto-rientierte und der ressourcenorientierte Ansatz des strategischen Managements.

Eine marktorientierte Strategieperspektive auf die interaktive Wertschöpfung

Der marktorientierte Ansatz (Porter 1980, 1985, 1996) nimmt eine Outside-in-Perspek-tive ein und betrachtet die Branchenstruktur und Determinanten der Branchenattrak-tivität, operationalisiert durch das Gewinn- bzw. Renditepotenzial. Der Ansatz folgtdem so genannten SCP-Modell (“structure-conduct-performance”) und versucht, ausder Branchenstruktur (structure) und dem strategischen Verhalten (conduct) denErfolg eines Unternehmens in einer Branche zu erklären. Wesentliche Determinantender Brachenattraktivität sind die Anzahl der Wettbewerber und die Verhandlungs-macht der Abnehmer.

In Abschnitt 2.2.3 und 2.3.3 haben wir argumentiert, dass das Gewinnpotenzial fürviele Unternehmen wegen der zunehmenden Markttransparenz durch IuK-Techno-logie, der Individualisierung der Nachfrage sowie das Empowerment der Kunden ten-denziell eher sinkt. Deshalb müssen viele Unternehmen ihr strategisches Verhaltenändern. Dazu gehört für viele westliche Unternehmen vor allem die Abwendung voneiner strategischen Positionierung als Kostenführer zugunsten einer stärkerenDifferenzierung. Hierzu kann die interaktive Wertschöpfung einen wichtigen Beitragleisten.

Wie in Abschnitt 2.4.3 dargelegt, zielt eine interaktive Wertschöpfung auf einen besse-ren Zugang zu Bedürfnisinformationen der Kunden ab, der in diesem Ausmaß durcheine bloße Marktorientierung und Marktforschung nicht realisiert worden wäre. DieseMarktinformation erlaubt als Grundlage einer jeden Differenzierungsstrategie einenbesseren “fit-to-market”, d. h. höhere Marktakzeptanz, geringeres Floprisiko und bes-sere Abstimmung der entwickelten Produkte auf die Bedürfnisse der Kunden. DieseMarktinformation kann nun entsprechend der (volkswirtschaftlichen) Unterscheidungin eine vertikale und eine horizontale Produktdifferenzierung auf zwei Ebenen genutztwerden (Cabral 2000; Dellaert / Syam 2001; Meffert / Bruhn 2003):

Bei vertikaler Produktdifferenzierung wird davon ausgegangen, dass alle Kundeneines Marktsegmentes den gleichen Geschmack und gleiche Präferenzen haben.Kunden kaufen ein Produkt ausschließlich aufgrund von objektiv besseren Pro-dukteigenschaften und Qualitätsunterschieden. Bei identischen Preisen bevorzu-gen alle Kunden dasselbe Produkt, das eine höhere Qualität gegenüber anderen

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Produkten aufweist. Kunden helfen durch ihren Beitrag zur Wertschöpfung einemAnbieter bei einer vertikalen Produktdifferenzierung, wenn ihr Informations-transfer dem Unternehmen ermöglicht, seinen Lösungsraum um ein Produkt zuerweitern, das aus Sicht aller Kunden eine Verbesserung bzw. einen Nutzen-zuwachs darstellt (Dellaert / Syam 2001). Dies entspricht dem Fall der OpenInnovation (siehe zu diesem Nutzenaspekt ausführlich Abschnitt 3.2.1).

Im Gegensatz dazu spricht man von horizontaler Produktdifferenzierung, wenndie Kunden trotz desselben Preises unterschiedliche Präferenzen für Produktehaben. Unter den Kunden herrscht keine allgemeine Meinung darüber, welchesProdukt dem anderen überlegen ist. Kunden ziehen je nach ihren persönlichenPräferenzen Produkte mit bestimmten Merkmalen (Farbe, Größe usw.) anderenProdukten vor. Die Nutzung der Bedürfnisinformation eines einzelnen Kundenträgt genau zu dieser horizontalen Differenzierung bei, wenn im Falle derProduktindividualisierung ein Anbieter ein auf die Präferenzen und Vorliebeneines einzelnen Kunden genau abgestimmtes Produkt herstellen kann. Der für die-sen einzelnen Kunden entstehende Nutzenzuwachs, entsprechend einer höherenwahrgenommenen Produktqualität, äußert sich dann oft durch eine höhereZahlungsbereitschaft (siehe hierzu ausführlich Abschnitt 4.3.1).

Aus Unternehmenssicht kann der Wert des Beitrags von Kunden zur Wertschöpfungfolglich große Unterschiede haben. Ein Wertschöpfungsbeitrag, der Unternehmen zueiner Erweiterung des Lösungsraums verhilft und für alle Kunden einenNutzenzuwachs birgt, ist oft von deutlich höherem Wert als der Beitrag, der zu einerKonkretisierung oder Anpassung des Lösungsraums führt, um die Bedürfnisse eineseinzelnen Kunden zu befriedigen. Doch auch hier handelt es sich um zwei Extremeeines Kontinuums entlang dem Innovations- bzw. Neuigkeitsgrades der interaktiv ent-wickelten Leistung (Brockhoff 2003; Hausschildt / Schlaak 2001). Die interaktiveWertschöpfung zielt darauf ab, auch für tendenziell hohe Innovationsgrade eine breiteMarktakzeptanz frühzeitig sicherzustellen.

Eine ressourcenorientierte Strategieperspektive auf die interaktive Wertschöpfung

Der ressourcenorientierte Ansatz sieht in einer Inside-Out-Perspektive strategischwertvolle Ressourcen (Fähigkeiten, Kompetenzen oder Routinen) eines Unternehmensals Ausgangspunkt zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen (Barney 1991; Amit /Schoemaker 1993). Der strategische Wert von Ressourcen bestimmt sich vor allem ausihrem Charakter sowie ihrer Einzigartigkeit bzw. Seltenheit. Zur nachhaltigenSicherung des Ressourcenwerts gewinnen deshalb jene Aspekte für das Unternehmenan Bedeutung, die es gestatten, den Unterschied in der Ressourcenausstattung zu denWettbewerbern aufrecht zu erhalten (“Kernkompetenzen”). Begünstigt wird diesdurch den Umstand, dass Ressourcenaufbau und -nutzung meist intransparente undkomplexe Lern- und Wirkungsprozesse im Unternehmen zugrunde liegen, die häufigzu einem gewissen Grad vor Imitation schützen (Dierickx / Cool 1989). Strategischwichtige Ressourcen lassen sich auch meist nicht auf Märkten beschaffen (Barney1986). In der Vergangenheit wurden Unternehmen häufig als eigenständigeWertschöpfungseinheiten betrachtet, über deren Ressourcen unternehmensintern ver-fügt wurde. Interne, unternehmensspezifische Verfahren bildeten die maßgebliche

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Grundlage zur Entwicklung von Kernkompetenzen. Mit der Ablösung der tayloristi-schen durch die Netzwerk-Perspektive hat sich dieses Ressourcenverständnis jedochgewandelt. Unternehmen erlangen Kernkompetenzen demnach nicht nur durch denAufbau, den Verbund und die Pflege eigener Ressourcen, sondern zunehmend durchden Zugang zu Ressourcen und Kompetenzen ihrer Wertschöpfungspartner. Hierzuzählen klassischerweise die Zulieferer, Entwicklungs- und Vertriebspartner oder Inves-toren (Bamberger / Wrona 1996).

Im Konzept der interaktiven Wertschöpfung werden insbesondere die Kunden bzw.Information der Kunden als strategische externe Ressource gesehen (Gouthier /Schmid 2001; Grün / Brunner 2003; Prahalad / Ramaswamy 2000; Shankar / Bayus2003), eine Sichtweise, die im Dienstleistungsmanagement schon länger verbreitet ist(z. B. Bateson 1985; Fitzsimmons 1985; Day 1994; Langeard et al. 1981; Meyer /Blümelhuber / Pfeiffer 2000; Plinke 1998). Schafft es ein Unternehmen, Zugang zu die-ser Ressource zu bekommen, kann es einen Wettbewerbsvorteil gegenüber derKonkurrenz bekommen. Die “strategische Ressource Kunde” umfasst dabei nicht nurden Zugang zu deren “sticky information” (bzw. Artefakten, die diese repräsentie-ren), sondern auch die Beziehung, das Vertrauen und den sozialen Austausch, der imZuge der Interaktion mit den Kunden aufgebaut wurde. Gerade letzterer Aspektmacht auch bei Offenlegung der Informationen als quasi-öffentliches Gut eine stra-tegische Verwendung dieser Information möglich, selbst wenn auch dieKonkurrenten Zugriff auf die Information selbst bekommen können. Dazu kommtauch, dass die Verwendung der Information oft auf einen konkreten Lösungsraumeines Unternehmens bezogen ist, der ebenfalls eine schlecht imitierbare Ressourcedarstellt, da er Ergebnis eines komplexen interaktiven Lern- und Wirkungsprozessesist.

Abhängigkeit von der Ressource Kundenwissen

Anbieter, die ihre Kunden als Ressource begreifen, müssen im Hinblick auf eine erfolg-reiche Wertschöpfung allerdings komplementäre Kompetenzen zur Interaktion mitihren Kunden aufbauen. Dies kann mit der verwandten Theorie der Ressourcen-abhängigkeit (Resource Dependence Theory nach Pfeffer / Salancik 1978) beschriebenwerden. Sie hat für das Verständnis von Interaktionsbeziehungen zwischenUnternehmen und Kunden große Bedeutung. Nach der Resource Dependence Theoryhängt die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens davon ab, ob es sich benötigteund knappe Ressourcen aus der externen Unternehmensumwelt verschaffen kann.Ressourcen können finanzielle Mittel, Personal, Produkte, Macht oder Information undWissen sein. Die Abhängigkeit eines Unternehmens von externen Ressourcen resul-tiert aus verschiedenen Umständen wie

der Wichtigkeit der Ressource für den Fortbestand des Unternehmens und seineroperativen Tätigkeit,

der Stärke des Einflusses, den die externe Interessensgruppe auf die Ressourcebzw. seine Allokation und Verwendung ausübt, oder

der Existenz alternativer Beschaffungsmöglichkeiten.

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In ihrer Abhängigkeit wird den Unternehmen aber nicht eine passive Haltung, sonderneine aktive Gestalterrolle unterstellt. Unternehmen müssen nach Strategien suchen, umdie Abhängigkeit zu planen und zu steuern. Dazu schlägt die Resource DependenceTheory vor, die Austauschbeziehungen des Unternehmens durch mehr oder wenigerformale Beziehungen zu externen Partnern wie Kunden, Lieferanten oder Distri-butoren zu strukturieren. Der Aufbau dieser Beziehungen als Maßnahme zur Reduk-tion der Abhängigkeit läuft auf eine bewusste Intensivierung der Koordination undInteraktion zwischen den Geschäftspartnern hinaus (Gruner / Homburg 2000; Zahra /George 2002). Maßnahmen zur Intensivierung der Koordination, die den Zugang zuder kritischen Ressource sicherstellen sollen, werden auch “Bridging-Strategien”genannt (Pfeffer / Salancik 1978: 144). Ziel ist es, die Unternehmensgrenzen durchläs-siger zu machen und eine informationelle Brücke zu externen Organisationen zubauen, um den Ressourcenaustausch zu erleichtern. Häufig wählen UnternehmenBridging-Strategien, um ihre eigene Innovationstätigkeit zu verbessern. InsbesondereWissen, das innerhalb der eigenen Organisationsgrenzen nicht verfügbar ist, zeigt sichoft als innovationskritische Ressource, so dass Bridging-Strategien auf einen regelmä-ßigen und wiederholten Wissensaustausch mit den externen Partnern abzielen. Genaudies ist das strategische Ziel der interaktiven Wertschöpfung im Sinne der ResourceDependence Theory. Um allerdings den erfolgreichen Zugriff auf die kritischeRessource Kundenwissen im Rahmen der interaktiven Wertschöpfung durchführen zukönnen, braucht ein Anbieterunternehmen selbst bestimmte interne Fähigkeiten undKompetenzen, die als Investitionen zur Verwirklichung der “Briding Strategie” aufge-fasst werden können. Diese internen Fähigkeiten eines Anbieters, um selbst an der in-teraktiven Wertschöpfung erfolgreich teilzunehmen, nennen wir Kundeninteraktions-kompetenz. Diesen wichtigen Aspekt behandeln wir im folgenden Abschnitt 2.4.6.

Kundeninteraktion als Erfolgsfaktor

Dass es sich für einen Anbieter lohnt, diese Kundeninteraktionskompetenz aufzubauenund in entsprechende Maßnahmen zu investieren, zeigen erste empirische Studien, dieeinen Nachweis für den (strategischen) Erfolgsbeitrag von Kundeninteraktion liefern. Sozeigen z. B. Gruner und Homburg (2000), dass die Interaktion mit Kunden insbesonderein frühen und späten Phasen Erfolg versprechend ist (Abbildung 2–13, links). DieErfolgswirkung ist dabei auf die marktbezogene Absicherung von Produktkonzepten, denTest von Prototypen und die Unterstützung bei der Markteinführung zurückzuführen.

Ernst (2001) zeigt ergänzend, dass die Erfolgswirkung insbesondere dann besondersausgeprägt ist, wenn die interaktive Wertschöpfung einer hohen Marktunsicherheit,Spezifität und Abhängigkeit von Kundenwissen in der Wertschöpfung entgegenge-wirkt. Darüber hinaus zeigt er aber auch, dass der Zusammenhang zwischen Profi-tabilität und dem Umfang des Beitrages, den Kunden zur Wertschöpfung leisten, nichtlinear ist (Abbildung 2–13, rechts). Es existiert ein optimaler Grad der interaktivenWertschöpfung. Wird das Optimum überschritten, nimmt die Profitabilität ab. Dasdeutet darauf hin, dass interaktive Wertschöpfungsprozesse eines umsichtigenManagements bedürfen, um eventuell auch negativen Auswirkungen der interaktivenWertschöpfung entgegenzuwirken, wie z. B. eine Ablehnung durch die Mitarbeiter(“Not Invented Here”-Syndrom, siehe Howells 1990; Staudt / Bock / Mühlmeyer 1990).

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Die Graphen in Abbildung 2–13 zeigen auch, dass die Erfolgswirkung der interaktivenWertschöpfung durch den Einsatz neuer IuK-Technologien als “enabling technology”angehoben werden kann (skizziert in den beiden Abbildungen durch die gestrichelteLinie). So ermöglichen neuartige internetbasierte Instrumente nun auch dieKundenintegration in mittleren Wertschöpfungsphasen wie Konzepttest und Design(Bartl 2005). Mit so genannten Toolkits oder Konfiguratoren (siehe Abschnitte 3.5.2 und4.4.4) können Produkte gemeinsam mit Kunden virtuell entworfen, modelliert undsimuliert werden. Dies bewirkt eine Verschiebung der U-förmigen Kurve im Bild vonGruner und Homburg nach oben.

Durch die neuen IuK-Technologien wird die interaktive Wertschöpfung auch ins-gesamt kontinuierlicher, regelmäßiger und flexibler in Bezug auf Umfang undAusmaß von Kundenbeiträgen zur Wertschöpfung, verdeutlicht durch einen länge-ren Anstieg der Kurve im Bild von Ernst (Abbildung 2–13 rechts). Die Möglichkeit,umfangreiche Wertschöpfungsaufgaben digital abzubilden, zu modularisieren undin granulare Teilaufgaben zu zerlegen, verbessert die Anwendbarkeit der “PeerProduction”. Das heißt, die Übertragung komplexer Aufgaben auf eine Vielzahl anKunden kann unter weitestgehender Vermeidung von Störungen im Ablauf undder Koordination erfolgen (Bessen / Maskin 2000; Bessen 2002). Dabei wird durchdas Internet die Transparenz erreicht, die für eine Zuordnung der Kunden zuden Teilaufgaben durch Selbstselektion entsprechend ihrer Motivation und Fähig-keiten notwendig ist (Benkler 2002). Die Kundeninteraktion kann zudem in dersozialen Sphäre, d. h. in Vernetzung von Kunden untereinander in Communities,erfolgen.

Abbildung 2–13: Interaktive Wertschöpfung und Unternehmenserfolg (modifiziert nachErnst 2004)

Erfolg Erfolg

Ausmaß der interaktiven WertschöpfungWertschöpfungsphase

Früh Mittel Spät

Gruner/ Homburg 2000 Ernst 2001

Einfluss neuer Informations- und Kommunikationstechnologien

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2.4.6 Interaktionskompetenz und interaktionsförderlicheOrganisations- und Kommunikationsstrukturen

Der letzte Abschnitt hat gezeigt, dass es sich aus vielerlei Gründen für einAnbieterunternehmen lohnt, die interaktive Wertschöpfung als Organisationsprinzipfür eine arbeitsteilige Leistungserstellung mit den Kunden zu verwirklichen. Jedochbedeutet interaktive Wertschöpfung nicht einfach das “Outsourcen” von Aufgaben anden Kunden, sondern verlangt vielmehr auch eine aktive Beteiligung durch denAnbieter, der hierfür bestimmte Ressourcen und Fähigkeiten besitzen muss. DieserAspekt wurde bereits im letzen Abschnitt in Zusammenhang mit “Bridging Strategies”im Rahmen des Resource Based View angesprochen. Ebenfalls haben wir bereits inAbschnitt 2.4.3.4 gesehen, dass der grundlegende OrganisationsmechanismusGranularität und Selbstselektion nur dann funktionieren kann, wenn der Herstelleranschließend mit relativ geringen Transaktionskosten eine Integration derTeilaufgaben vornehmen kann. Dies beinhaltet sowohl die Qualitätskontrolle undAuswahl der einzelnen Beiträge als auch die Kombination der Teilergebnisse zu einemverwertbaren Gesamtergebnis. Auch hierzu bedarf es neuer Kompetenzen undFähigkeiten, die wir in ihrer Gesamtheit als Interaktionskompetenz eines Herstellerbezeichnen.

Notwendige Fähigkeiten teilnehmender Kunden (Lead User)

Natürlich müssen auch auf der Kundenseite entsprechende Fähigkeiten vorhandensein, damit sich Kunden gewinnbringend in die kooperative Wertschöpfung mit demHersteller einbringen und einen wirklichen Beitrag zur Problemlösung leisten können.Nicht alle Kunden eines Unternehmens eignen sich gleichermaßen für eine Integrationin einen gemeinsamen Innovationsprozess mit einem Anbieter. Vielmehr konzentriertsich diese Eignung auf eine ausgewählte Gruppe von Nutzern bzw. Kunden. Nach vonHippel (1986) sind es „fortschrittliche Kunden” (Lead User) mit bestimmtenCharakteristika, die innovative Leistungen initiieren und demzufolge konsequent inden Innovationsprozess integriert werden sollten. Diese fortschrittlichen Kundenhaben sowohl Bedürfnis- als auch Lösungsinformation, d. h. sind in der Lage, ein

2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

Gouthier, Matthias / Schmid, Stefan (2001). Kunden und Kundenbeziehungen als Ressourcenvon Dienstleistungsunternehmen. Die Betriebswirtschaft (DBW), 61 (2001) 2: 223-239.

Grün, Oskar / Brunner, Jean-Claude (2003). Wenn der Kunde mit anpackt: Wertschöpfungdurch Co-Produktion. Zeitschrift Führung Organisation ZFO, 72 (2003) 2: 87-93.

Normann, Richard / Ramirez, Rafael (1993). From value chain to value constellation. HarvardBusiness Review, 71 (1993) 4 (July / August): 65-77.

Prahalad, Coimbatore (CK) / Ramaswamy, Venkatram (2000). Co-opting customer competen-ce. Harvard Business Review, 79 (2000) 1 (January / February): 79-87.

Kasten 2–13: Literaturempfehlungen zu den Wettbewerbsvorteilen durch InteraktiveWertschöpfung

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neues Bedürfnis zu erkennen und in eine Problemlösung zu überführen. Da Lead Userper Definition der Gesamtheit der Kunden in einem Markt voraus sind, ist ihre Zahlbegrenzt (auch wenn es die Idee der in Kapitel 3 vorgestellten Methoden ist, diese Zahlzu erhöhen). Deshalb ist nicht nur ihre Innovationsfähigkeit, sondern auch ihreInnovationsbereitschaft von hoher Bedeutung, damit sich Lead User amInnovationsvorhaben einer Unternehmung beteiligen. Wir werden beide Aspekte aus-führlich in Abschnitt 3.2.3 und vor allem Abschnitt 3.3.1 diskutieren. Wenden wir unsaber im Folgenden der Interaktionskompetenz des Herstellerunternehmens zu.

Knappheit von Wissen und industrieller Wandel

Zum Verständnis der Interaktionskompetenz (des Herstellers) ist ein kurzer Rückblickauf die drei Phasen industrieller Entwicklung von der tayloristischen Industrie-produktion bis zur interaktiven Wertschöpfung hilfreich. Die Entwicklung von einerStufe zur nächsten kann mit einem Wandel der Bedeutung von Wissen erklärt werden.In allen drei Stufen basiert erfolgreiches Unternehmertum auf der Transformation vonWissen (Foray / Lundvall 1996), jedoch mit jeweils unterschiedlichem Fokus. In derindustriellen Produktion ist dies die Transformation von Wissen in Maschinen undWerkzeuge sowie, nach Taylor, in arbeitsorganisatorische Abläufe zur Produktivi-tätsoptimierung. In der zweiten Phase der Netzwerkökonomie steht die Transfor-mation von Wissen in vernetzten Organisationsstrukturen zum Aufbau vonWettbewerbsvorteilen durch Flexibilität und Marktnähe im Vordergrund. Die aktuelleökonomische Entwicklung ist durch die Transformation von Wissen in Wissenspro-dukte geprägt (Drucker 1998). In vielen Branchen entsteht innovative Wertschöpfungnicht mehr primär durch Materialbearbeitung, sondern durch intelligente Lösungenfür die Gestaltung des Wertschöpfungsprozess. Franz Lehner (2005) betont diesenZusammenhang, indem er feststellt dass “Wachstum nicht mehr durch höheresProduktionsvolumen entsteht, sondern durch mehr Wissen in den Produkten, mehrWissen in den Vertriebswegen (z. B. intelligente Verteilungslösungen im Web), mehrWissen in den Nutzungsstrukturen (Mobilität, Navigation). Der Wert eines PCs, einesmobilen Kommunikationsgerätes, einer Werkzeugmaschine oder eines Haushalts-gerätes wird nicht durch die Materialien oder deren Bearbeitung bestimmt, sonderndurch das im Produkt enthaltene Lösungswissen, d. h. durch die investiertenEntwicklungsleistungen.

Wandelt sich dadurch jedoch auch die Produktion materieller Güter immer mehr zurWissensproduktion, dann werden die in Abschnitt 2.4.3.5 genannten Besonderheitender Ökonomie von Informations- und Wissensproduktion auch für weitere Güterrelevant. Sind Wissensgüter wie Software, Musik, Tools, Dokumente, Bilder, Filme ersteinmal in digitaler Form vorhanden, können sie zu minimalen Kosten im Überflussproduziert, kopiert, transformiert und versendet werden (Zerdick et al. 2001).Wissensgüter als digitale Ware sind nicht mehr knapp. Damit scheinen die ökonomi-schen Gesetze der traditionellen Güterproduktion hier nicht mehr zu gelten. Denn inder klassischen Marktlehre bestimmt der Knappheitsgrad der Ressourcen den Preisund deren Verwendungsrichtung bei der Lösung des Allokationsproblems. Nach die-ser ökonomischen Logik dürften Unternehmen ihre knappen Produktionsfaktorennicht einsetzen, um Güter zu produzieren, die nicht knapp, sondern im Überfluss vor-

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

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handen sind. Trotzdem werden heute Wissensgüter von Unternehmen in immerschnelleren Zyklen und größer werdenden Stückzahlen weiter produziert. Eine plau-sible Antwort auf dieses scheinbare Paradox geben Lundvall und Johnson (1994) inihrem Aufsatz „The Learning Economy“: Sie befassen sich mit der Knappheits-hypothese in der Wissensökonomie und kommen zu dem Ergebnis “Knowledge isabundant, but the ability to use it is scare.” Wissen ist im Überfluss vorhanden, aberdie Fähigkeit, es wirtschaftlich sinnvoll zu nutzen, ist knapp. In der Folge unterschei-den sie zwei Kategorien von Wissen: das technisch-naturwissenschaftliche Wissen,das in der Regel kodifiziert ist und somit explizites Wissen und im Überfluss vorhan-den ist und das Anwendungswissen, das in der Regel nicht kodifiziert ist und häufigein knappes Gut ist (Abbildung 2–14).

Damit hat das Schumpetersche (1934) Gesetz des Unternehmertums, Wissensvor-sprünge in Innovationen umzusetzen, weiterhin Bestand. Im Wettbewerb um dieInnovationsfähigkeit sind heute nicht die Unternehmen überlegen, die (nur) über einhohes Maß an technisch-naturwissenschaftlichem Wissen verfügen, das oft im Über-fluss vorhanden ist. Für den Unternehmenserfolg ist vielmehr die knappe Ressource“Anwendungswissen” im Sinne von Lundvall und Johnson (1994) entscheidend. Diesgilt auch bei der interaktiven Wertschöpfung, die ja, wie wir in Abschnitt 2.4.3.4 gese-

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2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

Abbildung 2–14: Unterscheidung von technisch-naturwissenschaftlichem Wissen undAnwendungswissen

Wissen als Ressource

Technisches Wissen:Basiert auf wissenschaftlich fundiertem

Theorie- und Faktenwissen

Anwendungswissen:Basiert auf Erfahrungs- und

Umsetzungswissen

• im Überfluss vorhanden

• überwiegend explizites Wissen

• digitalisierbar

• Transfer bei geringen Transaktionskosten

• Zugriff orts- und zeitunabhängig

• Eingeschränkte Eigentums- und Schutzrechte

• veraltet schnell

• leicht kopierbar

• schafft kurzfristige Wettbewerbsvorteile

• knappe Ressource

• überwiegend implizites Wissen

• kaum digitalisierbar

• Transfer bei hohen Transaktionskosten

• Zugriff stark orts- und zeitabhängig

• kaum eingeschränkte Eigentums- und Schutzrechte

• veraltet langsam

• schwer kopierbar

• schafft nachhaltige Wettbewerbsvorteile

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hen haben, in erster Linie eine Wissensproduktion ist, deren direktes Ergebnis auchhäufig ohne direkte Schutzrechte allen Akteuren zur Verfügung steht.

Das Wissen jedoch, wie interaktive Wertschöpfung organisiert und ökonomisch gestal-tet werden kann, um Wettbewerbsvorsprünge zu erwerben, ist knapp. Die erfolgreicheUmsetzung der Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung hängt von diesemAnwendungswissen ab, das wir als Interaktionskompetenz bezeichnen. Kundenin-teraktionskompetenz weist einen konkreten Zielbezug auf, der in der Integration vonKundenwissen in den Wertschöpfungsprozess des Unternehmens liegt. Sie ist dannhoch, wenn auf der Umsetzungsebene des Anbieters die Bedingungen für eine erfolg-reiche Wissensintegration und Ideenumsetzung bis zum Markterfolg gegeben sind.

Bausteine der Interaktionskompetenz im Unternehmen

Kundeninteraktionskompetenz zeichnet sich dadurch aus, dass ein Unternehmen einMaßnahmenbündel für die Kundeninteraktion im Sinne von Bridging-Strategien(siehe Abschnitt 2.4.5) so implementiert und aufeinander abgestimmt wird, dass dieerfolgskritische Ressource Kundenwissen kontinuierlich zugänglich ist und erfolgreichim Wertschöpfungsprozess genutzt wird. Der Begriff der Kompetenz folgt dabeieinem holistischen-organisationalen Verständnis “als die Fähigkeit eines Unter-nehmens zur Ereichung spezifischer Ziele. ... Kompetenz erfasst somit nicht nur dieQualifikation, etwas zu tun, sondern auch die Anwendung dieser Qualifikation inForm der Erfüllung von Aufgaben” (Ritter 1998: 53 und 56). Interaktionskompetenzwird damit zu einer Kernkompetenz der Organisation im Sinne des Resource-BasedView (siehe Abschnitt 2.4.5). Hierbei ist nicht nur das Vorhandensein der Ressourcenvon Bedeutung, sondern auch die Art und Weise, wie verschiedene Ressourcen mitein-ander verbunden werden können (Prahalad / Hamel 1990). Zum Aufbau von Kern-kompetenzen tragen klassische Produktionsfaktoren wie maschinelle oderKapitalressourcen weniger bei als “organisationale Ressourcen” im Sinne von etablier-ten Verfahren, Routinen und Methoden.

Im Ansatz der Theorie der Ressourcenabhängigkeit gilt die “Absorptionsfähigkeit”eines Unternehmens (“absorptive capacity” nach Cohen / Levinthal 1990) als Maß, wiegut eine Bridging Strategy den Zugang zu externen Ressourcen ermöglicht. DieAbsorptionsfähigkeit bezeichnet so die Fähigkeit oder Kompetenz eines Unter-nehmens zur Nutzung und zum Lernen von externen Quellen für die eigene Wissens-

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Interaktionskompetenz bezeichnet die Gesamtheit der Kompetenzen und Fähigkeiten einesAnbieters, um die Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung erfolgreich umzusetzen (vgl. Abb.2-6). Sie konkretisiert sich in den Organisationsstrukturen (interaktionsförderndeAblaufstrukturen), in Anreizstrukturen (z. B. monetäre Anreize) als auch in den Systemen undWerkzeugen der Information und Kommunikation (z. B. Toolkits, Interaktionsplattformen).Der Erfolg des Unternehmens wird weniger von der Leistungsfähigkeit der vorhandenenProduktionsfaktoren bestimmt, als vielmehr von der Verfügbarkeit der knappen Ressource„Anwendungswissen“. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielt ein Unternehmen durch denAufbau von Interaktionskompetenz (vgl. Abb. 2-15).

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generierung mit dem Ziel der Innovation. Zahra und George (2002) unterscheiden vierunterschiedliche, aber komplementäre Teilkompetenzen, die die Absorptions-fähigkeit eines Unternehmens ausmachen:

Die Akquisition bezieht sich auf die Fähigkeit, extern vorhandenes Wissen zuidentifizieren und aufzunehmen. Die beinhaltet aber auch die Gestaltung vonAnreizsystemen, damit Akteure überhaupt zur Produktion und Offenlegung vonWissen bereit sind.

Die Verarbeitung bezieht sich auf unternehmensinterne Abläufe zur Analyse,Prüfung, Selektion und Interpretation des erworbenen Wissens.

Die Transformation beschreibt die Unternehmensfähigkeit, organisatorischeRoutinen zu entwickeln und abzustimmen, die eine gezielte Kombination des neuerworbenen Wissens mit bereits vorhandenem Wissen anstrebt. Diese Integrationextern erworbenen Wissens in interne Prozesse geht über die Kompetenz normalerWertschöpfungsprozesse im Unternehmen hinaus. Hier ist in unserem Zusammen-hang vor allem die Reintegration der Teilleistungen im Konzept der “Peer-Produc-tion” gemeint.

Die Exploitation bezieht sich letztendlich auf die Prozesse der Nutzung desWissens und dessen kommerzielle Verwertung durch Innovationen und Produk-tindividualisierung.

Kundeninteraktionskompetenz kann als Konkretisierung der Absorptionsfähigkeitin Bezug auf die Integration von Kundenwissen in einen unternehmerischen Wert-schöpfungsprozess gesehen werden. Sie sollte derart in der Führungs-, Organisations-und Infrastruktur des Unternehmens verankert sein, dass die Kundeninteraktions-kompetenz zu einer sch wer imitierbaren organisationalen Fähigkeit bzw. Routinewerden kann. Auf Basis dieses Begriffsverständnisses bieten sich erste Anhaltspunktefür konkrete Teilkompetenzen einer Kundeninteraktionskompetenz an, die wir imFolgenden kurz ansprechen wollen. Wir unterscheiden dabei interaktionsförderlicheKommunikations-, Anreiz- und Ablaufstrukturen (Abbildung 2–15).

Interaktionsförderliche Kommunikationsstrukturen

Die kommunikationstechnische Unterstützung der interaktiven Wertschöpfung hatdas Ziel, die traditionell einseitig ausgerichtete Kommunikation in einen kontinuier-lichen zweiseitigen Dialog mit den Kunden umzuwandeln. Dazu gibt es drei Leitlinien:

Unmittelbare Kommunikation beschreibt die Forderung der direkten gegenseiti-gen Erreichbarkeit und Interaktionsmöglichkeit. Kommunikation darf nicht einsei-tig sein, sondern muss im Sinne eines interaktiven Problemlösungsprozesses gegen-seitigen Austausch ermöglichen. Durch neue Formen eines virtuellen Kunden-dialogs kann dies häufig zeitnah und zu relativ geringen Kosten realisiert werden.

Bedingtheit von Kommunikation bedeutet, dass Kunden gezielt auf eine Anspra-che durch den Anbieter und andere Kunden reagieren können. Ihre Beiträge sindalso bedingt durch vorherige Beiträge bzw. können auf diesen in ergänzenderWeise aufbauen. Zusätzlich sind die Kundenbeiträge bedingt durch Motivation,

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2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

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Interesse, Fähigkeiten und Wissen des jeweiligen Kunden. Kunden können also Artund Umfang ihres Beitrags sehr einfach gemäß ihrer momentanen Disposition undLaune auswählen, anpassen und skalieren (Pribilla / Reichwald / Goecke 1996).

Vielseitigkeit der Kommunikation bedeutet eine größere Reichweite und Vernetzungals beim individuellen Kundendialog. Durch den Aufbau virtueller Gemeinschaftenbzw. Communities erhalten Anbieter z. B. Einblick in die soziale Denkwelt der Kunden(Kozinets 1999; Sawhney / Prandelli 2000). Der in virtuellen Kundengemeinschaftenmitgeteilte, gemeinsam erzeugte und zusammengetragene Erfahrungsschatz lässtUnternehmen weiter in die soziale Dimension des Kundenwissens vordringen.

2Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 2–15: Bausteine der Interaktionskompetenz

Interaktionsfördernde Strukturen

• Interaktionsförderliche Kommunikationsstrukturen

• Unmittelbarkeit

• Bedingtheit

• Vielseitigkeit

• Interaktionsförderliche Ablaufstrukturen

• Automatisierte Abwicklung der Intergrationsaufgabe

• Peer-Production

• Reintegration hierarchischer Koordinationsformen

• Interaktionsförderliche Anreizstrukturen

• Gate-Keeper-Konzept

• Dezentrale Unternehmensstrukturen

• Entscheidungsdelegation und Ergebnisverantwortung

• Instrumente zum Wissensaustausch

• Vertrauenskultur

Leitfragen der Interaktionskompetenz

1)Über welche Anreizsysteme wird der Interaktionsprozess gesteuert?

2)Wie erfolgt der wechselseitige Transfer von lokalem Wissen („sticky information“)?

3)Wie wird der Prozess der Kundenintegration in den Wertschöpfungsphasen gestaltet?

4)Welche Werkzeuge der Interaktion stehen für die Phasen der Innovation und Produktion zur Verfügung?

5)Nach welchen Kriterien gestaltet sich der Lösungsraum für Open Innovation/ Produktindividualisierung?

6)Welche Kommunikationskanäle und –formen fördern die Interaktion?

7)Welche Entlohnungsformen sind im Hinblick auf den Kundennutzen notwendig?

8)Wie werden arbeitsteilige Prozesse über Führungskonzepte und -instrumente koordiniert?

9)Über welche Kompetenzen muss der Kunde verfügen (Lead-User-Merkmale)?

10)Wie kann die Ökonomie der interaktiven Wertschöpfung für das Unternehmen gesichert werden (Kosten der Interaktion)?

InteraktionskompetenzGenerierung von Anwendungswissen als knappe Ressource

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Wie diese Prinzipien im Einzelnen gestaltet werden sollen, wird im Rahmen derDarstellung konkreter Interaktionsprozesse und -instrumente bei Open Innovationund Produktindividualisierung näher dargestellt (siehe vor allem Abschnitte 3.5, 4.1.3und 4.4).

Interaktionsförderliche Ablaufstrukturen

Wenn Innovationen zunehmend über Netzwerke unterschiedlicher Organisations-typen generiert werden, ist der Prozess der Ablauforganisation für die Leistungs-erstellung über die interne Herstellerorganisation hinaus zu erweitern. Im Mittelpunktsteht die Frage nach dem „wie“ der Integration unterschiedlicher Akteure und ihrerBeiträge vor dem Hintergrund diverser Interessen in einem vernetzten Innovations-und Produktionsprozess. Wir werden diese Aspekte auch im Zusammenhang mit derDiskussion der konkreten Instrumente in Kapitel 3 und 4 wieder aufgreifen. An dieserStelle sollen aber bereits einige allgemeine Prinzipien der Ablauforganisation bei derinteraktiven Wertschöpfung angesprochen werden. Es sei jedoch betont, dass dieErforschung dieser Ablaufprozesse erst ganz am Anfang steht (Benkler 2002). Bislanghat sich die Wissenschaft in erster Linie damit beschäftigt zu zeigen, dass interaktiveWertschöpfung existiert und was die wesentlichen Elemente dieses Systems sind.Arbeiten jedoch, die empirische Belege für “promising practices” zur Organisation derinteraktiven Wertschöpfung aus Unternehmenssicht geben, sind jedoch so gut wienoch nicht existent (für eine aktuelle Ausnahme siehe Foss / Laursen / Pedersen 2005).Benkler (2002) selbst unterscheidet eine Reihe von Mechanismen, die dasIntegrationsproblem der Teilbeträge verteilter Akteure bei einer Commons-based PeerProduction lösen können:

eine automatisierte Abwicklung der Integrationsaufgabe über dedizierte Informa-tionsplattformen,

die Peer Production der Integration selbst, d. h. auch die externen Teilnehmerübernehmen die Integration der Beiträge einzelner in die Wertschöpfungskette,

Integration durch Reintegration hierarchischer Koordinationsformen, d. h. eineinterne Abwicklung durch das Herstellerunternehmen.

(1) Vor allem, wenn die Beiträge einzelner Beitragenden relativ gering sind, könnenmoderne Informationsplattformen einen Teil der notwendigen Integration automati-siert abwickeln. Ein Beispiel ist die Entwicklungsplattform im Kite-Surfing-Beispiel(Kasten 2–7). Diese mit einem CAD-System vergleichbare Software sorgt bei bestimm-ten Entwicklungsbeiträgen für eine automatische Integration in die Gesamtent-wicklung. Ebenso ist im Fall von Spreadshirt eine automatische Integration derKreationen einzelner Kunden (bzw. Betreiber eines “virtuellen T-Shirt-Mini-Shops”) indas Produktionssystem von Spreadshirt sichergestellt (Kasten 2–8). Lediglich diePrüfung, ob ein Motiv nicht gegen die guten Sitten bzw. Markenrechte eines Drittenverstößt, wird noch manuell durch Mitarbeiter von Spreadshirt vorgenommen.Gleiches gilt für Produktkonfigurationssysteme, wie sie bei Dell zum Einsatz kommen(Kasten 2–4). Auch hier können die individuellen Spezifikationen einzelner Kundendurch die Anwendung dieses “Toolkits” automatisch in das Produktionssystem vonDell übernommen werden. Im Falle wirklich innovativer Beiträge und Ideen von

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2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

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Nutzern und Kunden, die den Lösungsraum stark erweitern, scheint jedoch eine auto-matische Integration der Beiträge nicht möglich.

(2) Eine Möglichkeit aus Herstellersicht ist es in diesem Fall, die Integrationsfunktionauszulagern und durch die Teilnehmer selbst vollziehen zu lassen (Peer Productionder Integration). Ein gutes Beispiel hierfür ist Threadless. Hier übernehmen die Nutzerbzw. Kunden den Auswahlprozess weitgehend selbst und entscheiden als Kollektiv,welche neuen Entwicklungen Teil des Angebots von Threadless werden (Kasten 1–1).Ein weiteres Beispiel ist Wikipedia, wo die Teilnehmer selbst sowohl neue Beiträge indas Gesamtsystem integrieren als auch Ergänzungen und Verbesserungen bestehenderBeiträge vornehmen. In diesem Fall ist auch die wichtige Aufgabe der Qualitäts-sicherung, eine Teilfunktion der Integrationsaufgabe, auf die Gesamtheit derBeitragenden ausgelagert. Basis der Qualitätssicherung ist dabei das Normen-Systemdieser Organisation (siehe dazu Fallstudie in Abschnitt 5.2)

(3) In den meisten Fällen bedeutet jedoch die Integrationsaufgabe eine Reintegrationhierarchischer Koordinationsformen, d. h. die Anwendung eines klassischenKoordinationsmechanismus im Herstellerunternehmen. Dies gilt vor allem, wenn essich bei interaktiver Wertschöpfung um einen durch den Hersteller initiierten Prozesshandelt, bei denen die Kunden in einen Teilbereich der unternehmerischenWertschöpfung integriert sind. In diesem Fall sind es die Mitarbeiter des Herstellers,die in einer klassischen Ablauforganisation die Beiträge der Kunden integrieren undzum Bestandteil der Gesamtleistung machen.

Ein Beispiel dazu ist Stata Corp., ein Hersteller statistischer Software (von Hippel2005). Kunden von Stata sind häufig Wissenschaftler oder Entwickler, die die Softwarefür eine Vielzahl statistischer Tests anwenden. Die Software erlaubt dabei die einfacheProgrammierung neuer Tests, falls die vorhandenen Anwendungen in dem Programmeine bestimmte Aufgabe nicht ausreichend (elegant) lösen können. Stata hat deshalbseine Software in zwei Teile gespalten: in einen proprietären Teil, der die Grund-funktionen bereitstellt und durch das Unternehmen selbst weiterentwickelt wird (unddurch eine klassische Software-Lizenz kostenpflichtig vertrieben wird), und in einenoffenen Teil, zu dem die Gemeinschaft aller Nutzer wesentliche Beiträge in Form neuerstatistischer Algorithmen und Tests leistet. Stata unterstützt diese Expertennutzer, indenen es ihnen einen Entwicklungsumgebung und ein Online-Forum zur Verfügungstellt, wo die Nutzer ihre eigenen Test austauschen, anderen Nutzern Fragen stellenund Entwicklungen anderer weiterentwickeln können. Da allerdings nicht alle Nutzerderart versiert sind oder ausreichende Programmierkenntnisse haben, hat Stata einProzedere entwickelt, mit dem das Unternehmen regelmäßig die “besten” bzw. popu-lärsten Weiterentwicklungen aus der Nutzer-Community auswählt und zumBestandteil der nächsten kommerziellen Release-Version macht. Diese Entscheidungwird allein im Hause Stata getroffen, dessen Software-Entwickler auch die ausgewähl-ten Anwendungen der Nutzer verbessern und reibungslos mit der Standardsoftwareintegrieren. Diese zusätzliche Wertschöpfung durch das Unternehmen ist auch Anreizfür die Nutzer, ihre Eigenentwicklungen in der Regel ohne monetäre GegenleistungStata zur Verfügung zu stellen (denn das Motiv für die Eigenentwicklung war ja sowie-so die Nutzung der eigenen Anwendung für die eigene wissenschaftliche Arbeit).

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

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Interaktionsförderliche Anreizstrukturen

Daran schließt sich unmittelbar die Forderung nach interaktionsförderlichen Anreiz-strukturen an. Geeignete innerbetriebliche Anreize müssen die Weitergabe vonKundenwissen im Unternehmen und die Aufnahme von externem Wissen belohnen. Esist bekannt, dass nicht in allen Unternehmen eine derartige Offenheit für den Input derNutzer herrscht wie bei Stata oder Threadless. Für viele Hersteller ist die Vorstellung, dassNutzer einen (besseren) Beitrag zur Weiterentwicklung der eigenen Produkte leisten kön-nen, sehr neu. Oft sind es einige fortschrittlich denkende Abteilungen im Unternehmen,die eine Initiative zur Integration von Kundeninformation starten und Beiträge durch dieNutzer anregen. Diese müssen dann aber im Unternehmen durch andere Abteilungenweiterverarbeitet und genutzt werden (siehe dazu die Fallstudie in Abschnitt 5.1). Unterdem Begriff “Not Invented Here (NIH) Syndrom wird aber im Innovationsmanagementein Problem diskutiert, das genau diesen Transfer betrifft. Katz und Allen (1982: 7) defi-nieren das NIH-Syndrom als “(...) the tendency of a project group of stable composition tobelieve that it possesses a monopoly of knowledge in its field, which leads it to reject newideas from outsiders to the detriment of its performance.” Klassischerweise wurde dasNIH-Phänomen unternehmensintern zwischen verschiedenen Bereichen nachgewiesen(d. h. z. B. Widerstände der Entwicklungsingenieure, Input aus der Marketingabteilungzu berücksichtigen). Es ist anzunehmen, dass Widerstände gegen externes Wissen oftnoch größer sein können als in Bezug auf Input eigener Kollegen. Dies bedeutet im Falleeiner interaktiven Wertschöpfung zwischen Kunden und einem Herstellerunternehmen,dass Wissen aus externen Quellen auf Widerstand bei wenigstens einem Teil der internenNutzer dieses Wissens stoßen kann (Huff / Möslein 2004).

Ein klassisches Konzept zur Überwindung des NIH-Syndroms ist die Betonung von“Gatekeepern” (Allen 1977), die ein Entwicklungsteam mit externen Wissensquellenverbinden, aber zugleich auch nicht zielführende Informationen ausfiltern. Gatekeeperhaben sowohl Mechanismen als auch Anreize, ihr Wissen über externes Wissen mitden relevanten Teilen der restlichen Organisation zu teilen (siehe Allen 1977 sowieGemünden 1981 und Moenaert / Souder 1990 zur Gestaltung der Gatekeeper-Rolle).Unternehmen sollten in diesem Sinne Gatekeeper einrichten, deren spezielle Rolle dieAufnahme und Weitergabe von Kundeninformation in den internen Entwicklungs-prozess des Unternehmens ist. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen Microsoft(Prahalad / Ramaswamy 2000). Microsoft hat eine Gruppe von ca. 1500 zentralenNutzern mit Lead-User-Charakter (Web-Master, Programmierer oder Software-Distri-buteure), die als so genannte “Microsoft Buddies” wichtigen Input für die langfristigeEntwicklung der Microsoft-Software geben (siehe auch http://msdn.microsoft.com/isv/isv-buddy). Die Mitglieder dieser Gruppe werden als erste Beta-Tester in neue Releaseseinbezogen, geben intensives Feedback zu bestehenden Produkten und übermittelnIdeen für neue Funktionalitäten. Im Austausch bekommen sie freie Software undEinladungen zu speziellen Events. Um das NIH-Problem zwischen den Ideen den“Buddies” und dem Unternehmen zu verhindern, hat Microsoft “Liaison Officers”nominiert, die als Gatekeeper zwischen Microsofts internen Entwicklungsteams undden Nutzern agieren. Diese Manager sind bereits seit langem in der Organisation,haben ein großes internes Netzwerk, aber auch eine gewisse hierarchische Macht, umdie Integration des Nutzerinputs so gut wie möglich voran treiben zu können.

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2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

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Eine andere Maßnahme zum Aufbau von Integrationskompetenz auf der Ebene derAnreizstrukturen ist die Schaffung einer offenen Unternehmensstruktur. Hierzuwird in der Literatur zum internen Wissensmanagement, das genau vor der gleichenHerausforderung der Verteilung und Nutzung lokalen Wissens zwischen verschiede-nen Domänen steht, der Vorteil dezentraler Unternehmensstrukturen und einerDelegation von Entscheidungen auf die operative Ebene betont (Foss / Laursen /Pedersen 2005). Die Idee ist es, Entscheidungskompetenz auf die Ebene zu verlagern,auf der auch das relevante notwendige Wissen für die Entscheidungsfindung und -exe-kution liegt. Denn auch im Unternehmen ist ein Informationstransfer häufig durch“sticky” Information geprägt, dass eine einfache Weitergabe von einer Stelle zur ande-ren verhindert. Das konkrete Ausmaß dieser Reintegration dispositiver und admini-strativer Aufgaben hängt dabei von der Betrachtungsebene und der Aufgabenstellungab. Grundsätzlich wird jedoch das Subsidiaritätsprinzip als Richtlinie für dieDezentralisierung von Funktionen befolgt (Picot / Reichwald / Wigand 2003):Entscheidungskompetenz und Ergebnisverantwortung sollen in der Hierarchie so nie-drig wie möglich (also möglichst nahe am eigentlichen Wertschöpfungsprozess) ange-siedelt sein. So bedeutet z. B. die prozessnahe Entscheidungskompetenz eine deutlichhöhere Flexibilität der Unternehmung durch viele dezentrale und kundennaheRegelkreise und den Wegfall langer und fehleranfälliger Entscheidungswege.Gleichzeitig soll die Motivation der Mitarbeiter durch ganzheitliche Aufgaben-erfüllung erhöht und der Anreiz zu marktgerechtem Handeln verstärkt werden.

Ein hoher Delegationsgrad von Aufgaben kann deshalb zunächst die Nutzung lokalenWissens verbessern, vor allem, wenn die Entscheidungsdelegation von entsprechen-den Anreizen begleitet wird, die eine Abstimmung mit den Gesamtzielen derOrganisation fördern. Die Erfolge japanischer Unternehmen zu einer kontinuierlichenVerbesserung und Prozessinnovation werden weitgehend der Fähigkeit dieserUnternehmen zugeschrieben, Entscheidungskompetenz auf die Ebene zu verlagern,wo auch das lokale Wissen zur Problemlösung vorhanden ist. Die hieraus resultieren-den Innovationen sind jedoch in der Regel Verbesserungsinnovationen.

Wird jedoch lokales Wissen nicht nur lokal angewendet, sondern mit lokalem Wissenaus anderen Quellen zusammengebracht, kann Innovation auf einer höheren Ebeneresultieren. Die Weitergabe und das Teilen von Wissen unterstützen die Bildungnicht-trivialer Prozessverbesserungen oder neuer Kombinationen im SinneSchumpeters (1934) “schöpferischer Zerstörung”, die auch in (radikal) neuen Leis-tungen resultieren können (Kogut / Zander 1992; Tsai / Ghoshal 1998). Instrumentezur Unterstützung des Wissensaustauschs wie Job Rotation, interfunktionaleGruppen oder ein ausgeprägtes formales Wissensmanagement können in diesemSinne die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens erhöhen. In Einklang mit Foss,Laursen und Pedersen (2005) schließen wir deshalb, dass eine Entscheidungs-delegation auf lokale Ebene und die Förderung offener, auf Wissensteilung und -transfer ausgelegte Strukturen auf intraorganisationaler Ebene auch dieAbsorptionsfähigkeit von Anbieterunternehmen in Bezug auf externes Kundenwissenerhöhen kann. Eine offene und dezentrale Ablauforganisation eines Unternehmensscheint in diesem Sinne eine wichtige Voraussetzung für die Bildung von Interak-tionskompetenz.

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

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Eine enge Kooperation unter Einschluss der Weitergabe des Wissens kann bei einzel-nen Personen zur Befürchtungen führen, sich entbehrlich zu machen und damit imExtremfall den eigenen Arbeitsplatz zu gefährden. Auf der Unternehmensebene führtInnovationskooperation häufig zu der Befürchtung, die Konkurrenzfähigkeit einzubü-ßen. Entsprechend ist es erforderlich, auf diesen Feldern durch transparente Maß-nahmen Vertrauen zu generieren und durch ein gezieltes “Vertrauensmanagement”die Basis für eine erfolgreiche Kooperation zu schaffen. Wie jedoch entsprechendeProzesse aussehen können, die zu erfolgreichen Innovationsnetzwerken führen, was inunterschiedlichen Bereichen fördernde und hemmende Faktoren sind − das hängt vonden betrieblichen und überbetrieblichen Anreizsystemen ab.

Anreize für den Leser zur Weiterentwicklung des Themas „Interaktionskompetenz“

Für viele Unternehmen ist das Denken in Prinzipien der interaktiven Wertschöpfungnoch sehr neu. Wie bereits erwähnt, stehen die empirische Forschung und die Ab-leitung von erfolgreichen Praktiken im Unternehmen zum Aufbau von Interaktions-kompetenz erst am Anfang der Untersuchung. Deshalb sollen die Ausführungen indiesem Abschnitt vor allem als Anregungen gesehen werden, welche Aspekte zumAufbau von Interaktionsfähigkeit als Anwendungswissen für interaktive Wert-schöpfung beachtet werden müssen. Wie diese jedoch genau zu gestalten sind, wirddie unternehmerische Praxis noch zeigen – nicht zuletzt, da wir genau hier in derZukunft die Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile vermuten. Wir laden unsereLeser und Erfahrungsträger ein, an der Weiterentwicklung dieses wichtigen Feldes,nämlich der Generierung der knappen Ressource Anwenderwissen aus Theorie undUnternehmenspraxis mizuwirken (siehe hierzu auch das Vorwort).

2.4.7 Grenzen der interaktiven Wertschöpfung:Aufgabenteilung und Transaktionskosten

Wir haben in den vorangehenden Abschnitten gesehen, dass eine interaktive Wert-schöpfung unter bestimmten Voraussetzungen eine effiziente und effektive Form zurOrganisation arbeitsteiliger Prozesse sein und durch die Integration von Wissen der

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2.4Neue Formen der Arbeitsteilung

Reichwald, Ralf / Möslein, Kathrin (1999). Management und Technologie. In : Lutz von Rosen-stiel et al. (Hrsg.): Führung von Mitarbeitern: Handbuch für erfolgreiches Personalmanage-ment. 4. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschl 1999

Reichwald, Ralf / Möslein, Kathrin / Siebert, Jörg (2005). Leadership Excellence: Learningfrom an exploratory study on leadership systems in large multinationals. Journal of EuropeanIndustrial Training, 3 (2005):184-198.

Reichwald, Ralf / Siebert, Jörg / Möslein, Kathrin (2004).Leadership Excellence: Führungssysteme auf dem Prüfstand. Personalführung (2004): 50-56

Kasten 2-14: Literaturempfehlungen zur Interaktionskompetenz und zu interaktionsförder-lichen Organisations- und Kommunikationsstrukturen

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Kunden neue Wettbewerbsvorteile für den Hersteller schaffen kann. Die Bedingungdafür ist, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Wertschöpfungsaufgaben in“modulare” und “granulare” Teilaufgaben zu zerlegen, diese so am Markt zu präsen-tieren, dass aus einer großen Menge an Kunden und Nutzern diejenigen per Selbst-selektion eine Aufgabe suchen, für die sie am besten qualifiziert und/oder motiviertsind, den Input der Kunden effizient ins Herstellerunternehmen zu transferieren undschließlich die Integration der einzelnen Kundenbeiträge zu geringen internenTransaktionskosten zu vollziehen (Aufbau von Interaktionskompetenz). Allerdingszeigt sich an dieser Stelle bereits ein Trade-off, der die Grenzen der interaktivenAbbildung beschreibt.

Wie Abbildung 2–16 modellhaft zeigt, steigt der Aufgabenumfang, der an die Kundenexternalisiert werden kann, in dem Maße, in dem sich die Wertschöpfungsaufgabeneines Unternehmens für eine sehr feingliedrige Aufteilung eignen. Dadurch sinken dieverbleibenden Produktionskosten des Unternehmens. Die externen Transaktions-kosten für die Abstimmung mit den Kunden sinkt gemäß den Prinzipien der “PeerProduction” mit zunehmender Modularität und Granularität der Teilaufgaben, weilfür sehr kleine Beiträge, die sich die Kunden selbst auswählen, tendenziell keinezusätzlichen Anreize notwendig sind. Allerdings bedarf es dann der innerbetrieblichenKoordination und Integration einer größeren Anzahl von Einzelbeiträgen. DieseIntegrationsaufgabe verursacht dann tendenziell höhere interne Transaktionskosten.Aus dieser Argumentation folgen drei Grenzen der interaktiven Wertschöpfung.

(1) Kosten für die Integration der Teilergebnisse: Wenn ein Unternehmen die inter-nen Transaktionskosten für die Integration der Teilaufgaben senken kann, so ver-

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 2–16: Trade-Off zwischen Produktionskosten und Transaktionskosten in derinteraktiven Wertschöpfung

Gesamtkosten der interaktiven Wertschöpfung

Interne Transaktionskosten(innerbetriebliche Koordination und Integration der Teilaufgaben)

Gesamtkosten

Produktionskosten / externe Transaktionskosten(Externalisierung der Teilaufgaben)

Grad der Aufgabenteilung (Modularisierung, Granularität)

Ökonomisch optimaler Grad

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schiebt sich der ökonomische optimale Grad der Arbeitsteilung und Externalisierungvon Wertschöpfungsaufgaben nach rechts. Das Unternehmen wäre also in der Lage,das Ausmaß der interaktiven Wertschöpfung in ökonomisch sinnvoller Weise auszu-dehnen. Hieraus folgt aber aus der Notwendigkeit des effizienten Transfers derKundenbeiträge ins Unternehmen sowie aus dem Bedarf nach interner Integration einBedarf nach geeigneten technischen Hilfsmitteln (Aufbau der Interaktionskompe-tenz), der neue Kosten verursacht (z. B. Kosten für Aufbau und Pflege von Inter-aktionsplattformen zur synchronen Kollaboration im Internet, Aufbau von Toolkitsetc.). Aus dem gleichen Grund sind komplementäre organisationale Mechanismen inder Kundendomäne erforderlich, die geeignete Möglichkeiten und Anreize für dieKunden bieten, einen Teil der Integrationsaufgabe selbst zu übernehmen (z. B.Ideenwettbewerbe, Maßnahmen zur Peer-Recognition).

(2) Anforderungen an die Eignung betrieblicher Wertschöpfungsaufgaben für dieinteraktive Wertschöpfung: Voraussetzung der interaktiven Wertschöpfung ist weiter-hin eine weit reichende Zerlegbarkeit der betrieblichen Wertschöpfungsaufgaben. Istdiese Zerlegbarkeit (Granularität) nicht gegeben, bleiben die Teilaufgaben, die wegenihres Bedarfs an externem Kundenwissen potenziell ausgelagert werden sollten, soumfangreich und anspruchsvoll, dass sie kaum ohne eine vertragliche Vereinbarungvon Gegenleistungen abgewickelt werden. Damit steigen aber wieder die externenTransaktionskosten – oder es entstehen Opportunitätskosten durch die entgangenenNutzengewinnen als Folge der interaktiven Wertschöpfung.

Inwieweit sich die Wertschöpfungsaufgaben eines Unternehmens für eine einfacheModularisierung und Re-Integration eignen, macht sich an den Aufgabenmerkmalenfest (Picot / Reichwald / Wigand 2003). So eigenen sich prinzipiell Aufgaben von hoherStrukturiertheit, die exakte, einander eindeutig zuzuordnende Lösungsschritte undInput-Output-Relationen beinhalten. Dabei ist die Komplexität im Sinne der Anzahlnotwendiger Lösungsschritte und deren Ursache-Wirkungs-Beziehungen weniger einProblem, so lange sie grundsätzlich ex ante bekannt sind. An seine Grenzen stößt dasreine Konzept der Peer-Production bei wissensintensiven Aufgaben der Produkt-entwicklung und -designs von hohem technischen Neuigkeitsgrad, die heute inUnternehmen oftmals in Teams ausgeführt werden. Solche Aufgaben sind nicht in rela-tiv kleine Teilaufgaben von wissensökonomischer Reife zu zerlegen. Doch auch hierzeichnet sich ab, dass eine interaktive Wertschöpfung möglich ist, insofern geeignete,dem Aufgabenumfang entsprechende Anreize gesetzt werden (ein gutes Beispiel dafürist das in Kapitel 3 in Kasten 31 beschriebene Beispiel Innocentive).

(3) Wichtigkeit materieller Inputfaktoren: Eine dritte Grenze der interaktiven Wert-schöpfung lässt sich in der Wichtigkeit materieller Inputfaktoren für die Wertschöpfungin vielen Unternehmen ausmachen. Benkler (2002) sieht als wesentlichen Grund für dieVerbreitung der interaktiven Wertschöpfung nach dem Prinzip der “Peer Production”die drastische Reduktion der Informations- und Kommunikationskosten. Wenn dieKosten der notwendigen materiellen Ressourcen (Internetzugang, Computer etc.) relativkostengünstig und weit verteilt sind und der notwendige Inputfaktor Information ten-denziell ein nicht knappes, öffentliches Gut darstellt, dann ist das Wissen bzw. Talentoder Humankapital der beteiligten Akteure der einzig knappe und wichtigste Input-

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faktor. Unter diesen Bedingungen ist interaktive Wertschöpfung ein geeignetes Modell.Wie das Kite-Surfing-Beispiel zeigt, ist es auch nicht auf die Produktion reiner Infor-mationsgüter beschränkt. Jedoch ist die Wertschöpfung und der dazu notwendigeWissenstransfer für viele materielle Güter auch unwiderruflich verbunden mit demAustausch materieller Inputfaktoren, deren Produktion aufgrund von Skaleneffekten ambesten von einem Unternehmen anstatt von Kunden ausgeführt wird.

Schlussfolgerung

Wir haben in diesem Kapitel einen weiten Weg von der tayloristischen Organisationarbeitsteiliger betrieblicher Wertschöpfung über die Netzwerkorganisation bis zumneuen Konzept einer interaktiven Wertschöpfung auf Basis der “Commons-based PeerProduction” beschritten. Das letztgenannte Konzept ist eine neue Alternative zurAbwicklung der Leistungserstellung in der Hierarchie oder im Markt bzw. einer hybri-den Zwischenform. Unter bestimmten Bedingungen und innerhalb gewisser Grenzenstellt dieses Modell eine für viele Unternehmen völlig neue Alternative zurOrganisation der Wertschöpfung dar. Es wird aber die klassischen Formen nicht ablö-sen und in vielen Wertschöpfungssystemen auch nicht in Reinform, sondern im Mixmit anderen Organisationsformen zum Einsatz kommen. Auch wird es in einer “ver-wässerten” Form auftreten, d. h. es sind nicht alle Prinzipien der interaktivenWertschöpfung genau umgesetzt.

Ziel der folgenden Kapitel ist es deshalb, aus einer mehr anwendungsorientierten Sichtdas Konzept der interaktiven Wertschöpfung zu konkretisieren und seine Umsetzungin der betrieblichen Praxis aufzuzeigen. Wir sehen dabei aber heute, dass – wie imBeispiel Kite-Surfing – in vielen Fällen die Initiative zur interaktiven Wertschöpfungnicht von den Anbietern, sondern von den Kunden ausgeht. Deshalb sind die imFolgenden dargestellten Möglichkeiten vielleicht gar nicht immer eine Option, sondernteilweise auch eine notwendige Reaktion. Denn Kunden und Nutzern geht es in ersterLinie um einen höheren Grad an Bedürfnisbefriedigung und die Lösung offenerProbleme. Ob sie dieses selbst oder in Zusammenarbeit mit einem Hersteller tun, istvielen von ihnen häufig zweitrangig.

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Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschöpfung

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Die erfolgreiche Generierung von Innovation ist eine stetige Aufgabe aller Unter-nehmen. Ursache ist dafür zum einen der technische Wandel, der sich in den letztenJahren in immer kürzeren Produktlebenszyklen vollzieht. So schrumpfte beispiels-weise der Produktlebenszyklus in der Automobilindustrie über das letzte Jahrzehntvon durchschnittlich zehn Jahren auf sechs Jahre und nimmt weiter ab (Brockhoff1999). Unterhaltungselektronik wird in der Regel schon nach sechs bis zwölf Monatenvon Nachfolgeprodukten in den Verkaufsregalen abgelöst. Dieses Phänomen wirddurch die zunehmende Individualisierung der Nachfrage verstärkt, wie wir inAbschnitt 2.2.3 gesehen haben. Hinzu kommt der globale Wettbewerb. Er zwingtIndustrienationen wie Deutschland, Standortnachteile gegenüber Niedrigkosten-ländern durch Wissensvorsprung zu kompensieren (Bullinger 2002; Grupp / Legler /Licht 2004). Hohe Innovationsfähigkeit gilt deshalb als Schlüssel für Wachstum undUnternehmenserfolg.

Inhalt dieses Kapitels ist eine neue Sichtweise der Innovationsfähigkeit. Das klas-sische Innovationsmanagement hat sich damit beschäftigt, wie ein Unternehmen ineinem zielgerichteten Prozess eine neue Idee in ein innovatives Produkt oder eineneuartige Leistung überführt und diese erfolgreich am Markt platziert. Diese Fragensind bereits breit erforscht und beschrieben worden (siehe z. B. Cooper 1993;Gerybadze 2004; Hauschildt 2004; Ulrich / Eppinger 2000; Utterback 1994). ImMittelpunkt dieses Kapitels stehen die Suche und das Aufspüren der Quellen vonInnovation und neue Wege, wie der Problemlösungsprozess als Grundlage jederinnovativen Tätigkeit gestaltet werden kann. Denn wir wissen aus zahlreichenempirischen Befunden, dass viele Innovationen ihren Ursprung nicht derEntwicklungsleistung von Herstellern verdanken, sondern der Kreativität vonNutzern und Kunden. Wir werden dieses Phänomen „Nutzer und Kunde alsQuelle und Co-Produzent von Innovationen“ im Folgenden näher betrachten. ImSinne einer neuen Form der Arbeitsteilung durch interaktive Wertschöpfung wer-den wir untersuchen, wie Hersteller und Kunden kooperativ Innovationen hervor-bringen können. Dieses Vorgehen wollen wir mit dem Begriff “Open Innovation”belegen. Open Innovation bezeichnet die Abkehr von einem klassischenInnovationsprozess, der sich weitgehend innerhalb der Unternehmen abspielte.Open Innovation beschreibt den Innovationsprozess als einen vielschichtigen offe-nen Such- und Lösungsprozess, der zwischen mehreren Akteuren über dieUnternehmensgrenzen hinweg abläuft. Diese Öffnung des Innovationsprozesses fürexternen Input und die Auslagerung von Aufgaben an die Akutere, die besondereKompetenzen oder lokales Wissen zu ihrer Lösung haben, schafft viele neuePotentiale.

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3 Interaktive Wertschöpfung in derInnovation: Open Innovation

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Kasten 3–1 gibt hierzu ein einführendes Beispiel: Das Unternehmen Innocentive ist einherausragendes Beispiel, wie die Effizienz und Effektivität des Innovationsprozessesdurch die Integration externer Akteure erhöht werden kann. Statt der hierarchischenZuteilung von Aufgaben an einzelne Akteure werden hier die Probleme offene insNetz gestellt, und mögliche Problemlöser selektieren selbst, welche Aufgaben sie voll-ziehen wollen (Hinweis: Innocentive ist kein Beispiel für eine Innovation, wo dieKunden bzw. Nutzer in den Innovationsprozess einbezogen werden. Es ist aber eingutes Beispiel für einen verteilten Problemlösungsprozess als ein wesentlichesPrinzip der interaktiven Wertschöpfung.)

Es sei an dieser Stelle aber bereits betont, dass Open Innovation das in modernenIndustrieunternehmen praktizierte Innovationsmanagement ergänzen, aber nichtersetzen kann. Die Interaktion mit dem Kunden erschließt neue Quellen des Wissensüber Bedürfnisse und Lösungen. Sie erhöht somit die Innovationsfähigkeit einesHerstellers und kann Unsicherheiten und Marktrisiken für viele Unternehmen redu-zieren. Neben Branchen, in denen der Interaktionsprozess mit Kunden die wettbe-werbsentscheidende Innovationsstrategie bilden wird, wird es aber weiterhinBranchen geben, in denen der Innovationsprozess weitgehend auf die unternehmens-internen Vorgänge reduziert bleibt.

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Open Innovation bezeichnet eine interaktive Wertschöpfung im Innovationsprozess, indemein Herstellerunternehmen mit ausgewählten Kunden bzw. Nutzern gemeinschaftlichInnovationen generiert. Dies erfolgt durch gezielte, jedoch relativ informale und vor allem par-tizipative Koordination des Interaktionsprozesses zwischen Herstellern und einer Vielzahl anKunden und Nutzern. Dabei kommt es zu einer systematischen Integration vonKundenaktivitäten und Kundenwissen in die Ideengenerierung, die Entwicklung erster konzep-tioneller technischer Lösungen, Design und Fertigung erster Prototypen und die Diffusion derInnovation.

(Quelle: Auszug aus dem Artikel “Ideenbörse für Tüftler” von Hilmar Schmundt in Der Spiegel, Nr.5 2005 vom 19. Dezember 2005: 142)

Eigentlich saß Ambros Hügin an jenem Abend nur in seiner Genfer Wohnung und surfte ein wenigim Netz. Er genoss sein neues Leben als Hausmann. Den Job an der Uni-Klinik hatte der 50-jäh-rige Forscher gekündigt. Unversehens befand er sich nach ein paar Mausklicks in einem Laborinmitten Tausender Erfinder. Auch einen Forschungsauftrag hatte er plötzlich: die Entwicklungeiner neuen Methode zum Testen von entzündungshemmenden Mitteln. Er grübelte, las, experi-mentierte herum. Dann hatte er das Problem gelöst. Prompt landete auf seinem Konto ein Honorarvon 10.000 Dollar. Von wem das Geld stammt, weiß er bis heute nicht. Für den freiberuflichenErfinder Hügin war es ein Traum, für die US-Firma Innocentive (www.innocentive.com) knallhartesKalkül. Der Name ist ein Kunstwort, in dem “Innovation” mit Anreiz (“incentive”) verschmolzen ist.Das Geschäftsprinzip der Ideenbörse ist einfach: Eine Firma sucht nach einer Lösung für einProblem, das ihre Entwicklungsabteilung allein nicht lösen kann. Sie stellt also ihre Frage mit einpaar Sätzen, Formeln oder Grafiken auf der Website von Innocentive [innocentive.com] dar und

Kasten 3–1: Innocentive: Ideenbörse für Tüftler

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3.1 Der interaktive Innovationsprozess

Wir wollen im Folgenden zunächst einige wichtige Begriffe und Strukturierungsan-sätze im Zusammenhang mit Innovationen vorstellen, die wir in der weiteren Argu-mentation benötigen, um die Eigenheiten einer Innovation als Ergebnis einer interakti-ven Wertschöpfung zu beschreiben.

Begriff und Dimensionen der Innovation

Die Erkenntnis, dass Innovation für den wirtschaftlichen Erfolg eine zentrale Rollespielt, ist nicht neu. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts propagierte der ÖkonomJosef Schumpeter (1934) in seiner Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung Innovationals Treiber für Wachstum und wirtschaftlichen Erfolg. Schumpeter (1934: 100) sieht dasWesen einer Innovation in der “Durchsetzung neuer [Faktor-]Kombinationen”, dienicht stetig erfolgt, sondern diskontinuierlich auftritt. Zum Begriff der Innovation exi-stiert bis heute eine semantische Vielfalt. Die folgenden Zitate geben einen Einblick indie Vielfalt von Definitionen in Wissenschaft und Praxis:

“Liegt eine Erfindung vor und verspricht sie wirtschaftlichen Erfolg, so werdenInvestitionen für die Fertigungsvorbereitung und die Markterschließung erforder-lich, Produktion und Marketing müssen in Gang gesetzt werden. Kann damit dieEinführung auf dem Markt erreicht werden oder ein neues Verfahren eingesetzt

3.1

97

Der interaktive Innovationsprozess

lobt ein Preisgeld aus, zwischen 10.000 und 100.000 Dollar. Insgesamt 80 000 Tüftler interessie-ren sich für das Herumknobeln an den hier gestellten Aufgaben; wer die beste Lösung hat,bekommt die Belohnung, die anderen gehen leer aus. Der Auftraggeber bleibt dabei anonym, umFirmengeheimnisse zu schützen. Im Gegenzug verlangt die Börse vom Fragesteller eine Gebühr.Seit ihrer Gründung im Jahr 2001 expandiert die Tüftlerbörse kräftig. Ursprünglich war sie eineAusgründung des Pharma-Riesen Eli Lilly. Zu den Kunden zählen sogar konkurrierende Konzernewie BASF, Novartis, Nestlé oder der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble, der in den vergan-genen drei Jahren den Anteil von externen Produktideen von 20 auf 35 Prozent steigern konnte.(...)

“Oft sind die Leute, die ein Produkt benutzen, die besten Fachleute, einfach durch ihren täglichenUmgang”, ergänzt Professor Cornelius Herstatt von der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Der Medizintechnik-Hersteller Ethicon zum Beispiel sammle in seiner Deutschland-Filialebei Hamburg systematisch per Internet die Erfahrungen von Chirurgen, um ihre Ver-besserungswünsche zu berücksichtigen. Rasch findet die Offene Innovation neue Anhänger, vomAutobauer BMW über die japanische Einzelhandelskette Muji bis hin zur ModelleisenbahnfirmaRoco. (...)

Als eine Art Ebay der Ideen folgt die Offene Innovation den Gesetzen der Globalisierung: Auffälligviele Russen und Inder nehmen bei Innocentive teil. Für sie entspricht das Preisgeld teils einemganzen Jahresgehalt. (...) Auch die starre Vertragspolitik sorgt bisweilen für Unmut: “Alle Rechteam geistigen Eigentum an eine anonyme Firma abzutreten, wie es oft geschieht, ist schon sehrgewöhnungsbedürftig”, sagt etwa der Privatforscher Hügin aus Genf. Dennoch jobbt er weiter imglobalen Ideenlabor. Kürzlich hat er wieder 20.000 Dollar bekommen, weil er geholfen hat,Joghurtkulturen haltbarer zu machen. Aber seine besten Ideen behält er künftig für sich:Demnächst will er ein eigenes Patent anmelden.

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werden, so spricht man von einer Produktinnovation oder einer Prozessinno-vation.” (Brockhoff 1992: 62).

“Daraus wird deutlich, dass mit Innovation eigentlich das Ergebnis zweierProzesse beschrieben wird. Auf der einen Seite steht der potenzielle Wandel derVerfügbarkeit bzw. des Angebots von Problemlösungen durch neue Ideen,Erfindungen und Entdeckungen, auf der anderen Seite die Nachfrage nachProblemlösungen, die ebenfalls veränderlich ist. Werden beide Seiten zur Deckunggebracht, also eine Anwendung bzw. Verwendung erreicht bzw. durchgesetzt,wobei auf mindestens einer Seite etwas Neues auftritt, so spricht man vonInnovation.” (Pfeiffer / Staudt 1975).

“Als Innovation sollen alle Änderungsprozesse bezeichnet werden, die die Organi-sation zum ersten Mal durchführt.” (Kieser 1969: 742).

Hausschildt (2004: 7) entwickelt eine aus vier Dimensionen bestehende Systemati-sierung zur Bestimmung des Innovationsbegriffs: Die Frage, was neu ist, beschreibt die(1) inhaltliche Dimension der Innovation; diese Neuartigkeit muss allerdings als sol-che wahrgenommen werden. Die Frage für wen dies neu ist, stellt folglich die (2) sub-jektive Dimension dar. Durch die Frage, wie viele Stufen des Prozesses von der erstenIdee bis zur routinemäßigen Verwendung der Innovationsbegriff einschließt, wird derFokus auf die (3) prozessuale Dimension gelenkt. Die abschließende Frage, ob dieInnovation aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen Erfolg darstellt, zielt auf die (4) nor-mative Dimension ab.

Erfindung = Innovation?

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Innovation häufig mit einer technischenErfindung gleichgesetzt. Doch ist jede Innovation auch eine Erfindung? Einen erstenAnhaltspunkt geben dazu die Richtlinien des deutschen Patentamts, die dieEigenschaften einer Erfindung genau beschrieben:

“Gemäß § 4 Abs. 1 PatG [Patentgesetz] gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischenTätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in nahe liegender Weise ausdem Stand der Technik ergibt. […] Als Indiz für das Vorliegen einer erfinderischenTätigkeit sind z. B. eine sprunghafte Weiterentwicklung, die Überwindung technischerVorurteile, vergebliche Bemühungen von Fachleuten, Befriedigung eines lange beste-henden Bedürfnisses, ein einfacher und billiger Weg zur Herstellung von Massen-artikeln, Verbilligung von Fertigungsmethoden und dergleichen anzusehen.”

Obwohl das deutsche Patentamt auf mögliche ökonomische Effekte einer Erfindunghinweist, impliziert eine Erfindung (auch: Invention) nicht notwendigerweise einewirtschaftlich erfolgreiche Verwertbarkeit. Anders verhält es sich bei Innovationen.Von einer Innovation soll nur dann gesprochen werden, wenn sich die Neuartigkeiteiner Erfindung im innerbetrieblichen Einsatz bewährt oder im Markt verwertenlässt. Umgekehrt genügt aber auch nicht jede Innovation den strengen Richtlinien desPatentamtes an eine Erfindung. Dies gilt zum Beispiel für eine Vielzahl anInnovationen der Informations- und Kommunikationswirtschaft, die sich (in Europa)in der Regel nicht patentieren lassen. Zu solchen “postindustriellen Innovationen”

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

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gehören z. B. Online-Vertriebskanäle, Franchising, Finanzierungs- und Investitions-konzepte oder Neuerungen im Einzelhandel (Hauschildt 2004). Auch hat die Defi-nition Kiesers (1969) den subjektiven Neuhaltsgehalt einer Innovation für ein Unter-nehmen angesprochen: Was für ein Unternehmen neu und somit eine Innovation ist,ist für andere bereits etablierte Praxis.

Produkt- und Prozessinnovationen

Die Unterscheidung in Produkt- und Prozessinnovationen spricht die Zielaspekte“innerbetrieblicher Einsatz” oder “marktliche Verwertbarkeit” an:

Eine Produktinnovation ist eine Neuerung im Sachleistungs- bzw. Angebotspro-gramm einer Unternehmung (marktliche Verwertbarkeit). “Die Produktinnovationofferiert eine Leistung, die dem Benutzer erlaubt, neue Zwecke zu erfüllen odervorhandene Zwecke in einer völlig neuartigen Weise zu erfüllen.” (Hauschildt2004). Bei einer Produktinnovation kann es sich somit um ein völlig neues Produkthandeln, aber auch um die Weiterentwicklung eines bestehenden Produktes oderum die Einführung einer neuen Verpackung.

Eine Prozessinnovation hingegen ist eine neuartige Faktorkombination (innerbetrieb-licher Einsatz), “durch die die Produktion eines bestimmten Gutes kostengünstiger,qualitativ hochwertiger, sicherer oder schneller erfolgen kann. Ziel dieser Innovationist die Steigerung der Effizienz” (Hauschildt 2004). Prozessinnovationen können z. B.ein neues Produktionsverfahren, der Einsatz neuer Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe aberauch ein neues Vertriebssystem sein. Eine Umfrage der UnternehmensberatungAccenture unter 107 der 300 umsatzstärksten deutschen Unternehmen ermittelte die inAbbildung 3–1 genannten Ziele von Prozessinnovationen (Fink 2005):

3.1Der interaktive Innovationsprozess

Abbildung 3–1: Ziele von Prozessinnovationen (entnommen aus Fink 2005)

Senkung der unternehmensinternen Kosten

Beschleunigung der Reaktionsfähigkeit

Verringerung der Fehlerquote

Flexibilisierung der Prozesse

Kostensenkung in der Zusammenarbeit mit Zulieferern

Kostensenkung in der Zusammenarbeit mit Kunden

Etablierung eines innovativen Images

Umsatzsteigerung

Kostensenkung in der Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern

Individualisierung des Angebots

82%

78%

72%

62%

56%

52%

51%

48%

48%

44%

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In der Realität ist eine strikte Trennung von Innovationen in Produkt- und Prozess-innovationen jedoch schwer beobachtbar. Vielmehr bestehen zwischen den zweiInnovationsarten hohe Interpendenzen. Beispielsweise kann eine Produktinnovationdie Umstellung bestehender Produktionsprozesse bedingen.

Innovation als Erweiterung des Lösungsraums

Wir haben in Abschnitt 2.4.2 als wesentliches Prinzip der interaktiven Wertschöpfungdas Konzept der Kundenintegration eingeführt. Kundenintegration kann dabei inner-halb eines gegebenen Lösungsraums stattfinden und die durch einen Anbieter vorge-gebenen Potenziale (lediglich) ausnutzen. Kundenintegration kann aber auch diesenLösungsraum erweitern bzw. modifizieren. Genau diese Erweiterung entspricht demInnovationsbegriff: Eine Innovation soll als Erweiterung des Lösungsraumes einesNutzers oder Herstellers verstanden werden. Eine Produktentwicklung schafft neueProduktarchitekturen und damit neue technische Möglichkeiten zur Befriedigungneuer Kundenbedürfnisse. Eine Prozessinnovation ermöglicht z. B. die effizientereoder qualitativ hochwertigere Befriedigung der Kundenbedürfnisse.

Innovationsgrad

Bisher unberücksichtigt blieb die Frage nach dem Neuheitsaspekt einer Innovation(Innovationsgrad): Wie viel Neuigkeit verlangt eine Innovation? Aus Sicht desHerstellerunternehmens gelten sämtliche Produkte oder Verfahren als innovativ, dieinnerhalb der Unternehmung erstmalig eingeführt werden. Aus Kundenperspektivehingegen ist Innovation “das, was für innovativ gehalten wird” (Hauschildt 2004). DerNachfrager einer Leistung entscheidet (subjektiv) darüber, ob eine Innovation vorliegtoder nicht. Da Kunden Prozessinnovationen in der Regel nicht beobachten und wahr-nehmen können, eignet sich die Kundenperspektive in der Regel nur zur Beurteilungvon Produktinnovationen (Garcia / Calantone 2002; Gerpott 1999; Hauschildt 2004).Mittlerweile haben sich statt einfachen Dichotomien (“innovativ / nicht innovativ”)multidimensionale Ansätze zur Beschreibung des Innovationsgrads durchgesetzt(Green / Gavin / Aiman-Smith 1995). Diese analysieren den Einfluss einer Innovationauf Veränderungen im Unternehmen bzw. in einem Markt. Der Innovationsgrad istceteris paribus umso höher, je stärker diese Änderungsprozesse sind. Dabei könnenInnovationen Einfluss auf folgende Bereiche haben (Hauschildt 2004; Schlaak 1999):

Produkttechnologie: Neuartigkeit, Substitutionscharakter, notweniges Wissen undErfahrung;

Absatzmarkt: neuartige Kundenbedürfnisse, neue Kunden, neue Vertriebskanäle;

Produktionsprozess: Anforderungen an Maschinen und Montage;

Beschaffung: Notwendigkeit neuer Materialien;

Kapitalbedarf: Hohe Kosten für F+E und Marketing;

Formale Organisation: Notwenigkeit von Spin-Offs oder neue Abteilungen;

Informale Organisation: Veränderungen im Bereich Unternehmenskultur, Strate-gie, Management.

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Kombiniert man beispielsweise die Dimensionen “Absatzmarkt” und “Produkttech-nologie”, kann die in Abbildung 3–2 gezeigte Unterscheidung Anhaltspunkte fürverschiedene Innovationsgrade liefern. Bei einer inkrementellen Innovation nutztein Unternehmen eine etablierte Technologie, um einen vorhandenen Markt miteinem bereits existierenden, aber aus Sicht des Nachfragers überlegenen Produkt zubearbeiten. Die Überlegenheit vollzieht sich z. B. entlang der Kriterien Preis,Qualität, Attribute oder Performance. Marktinnovationen hingegen penetrierendurch Nutzung einer etablierten Technologie einen neuen Markt (z. B.Espressomaschinen für den privaten Haushalt). Nutzt ein Unternehmen eine neueTechnologie um einen bestehenden Markt zu bedienen, liegt eine technischeInnovation vor. Die Ablösung des Walkman durch einen portablen CD-Player wareine solche Innovation. Schließlich können neue Märkte durch neue Technologienerschlossen werden. In diesem Fall spricht man von einer radikalen Innovation (z. B.Mobilfunk).

Der interaktive Innovationsprozess

Empirische Untersuchungen haben vielfach gezeigt, dass sich der Innovationsprozessnicht linear vollzieht, sondern vielmehr in rekursiven Schleifen verläuft und mitunterdurch zahlreiche Brüche gekennzeichnet ist (Braun-Thürmann 2005; Hauschildt 2004).Der Weg von einer Invention (Erfindung) zu einer im Markt erfolgreich platziertenInnovation erfolgt in verschiedenen Phasen. Die Gesamtheit dieser Phasen wird alsInnovationsprozess bezeichnet. Innovationsprozesse werden dabei häufig in einenidealtypischen Ablauf gegliedert. Ein bekanntes Beispiel für einen solchen Ablauf istdas lineare Phasenmodell mit den fünf Phasen: Ideengenerierung, Konzeptent-wicklung, Prototyp, Produkt-/Markttest und Markteinführung (Cooper / Kleinschmidt1991; Staud / Auffermann 1999; Wheelwright / Clark 1992).

3.1

101

Der interaktive Innovationsprozess

Abbildung 3–2: Arten von Innovationen

Marktinnovation

technische Innovation

radikale Innovation

inkrementale Innovation

Markt

Technologiealt neu

neu

alt

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Wie Abbildung 3–3 zeigt, können diese Phasen Ansatzpunkte für eine interaktiveWertschöpfung im Innovationsbereich sein (“Open Innovation”, wir werden diesenBegriff später noch genauer charakterisieren). Bildhaft vollzieht sich dieserInteraktionsprozess nach dem Phasenmodell von der Ideengenerierung über dieKonzeptentwicklung bis hin zur Prototypen-Entwicklung und mündet schließlich ausder Sicht des Kunden in der Phase der Problemlösung. Der Open-Innovation-Ansatz

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Eine Innovation ist eine neuartige Zweck-Mittel-Kombination und das Ergebnis eines Pro-blemlösungsprozesses. Diese hat sich unter dem Zielaspekt der Effizienzsteigerung innerbe-trieblich (Prozessinnovation) oder/und unter dem Zielaspekt der Effektivität im Markt(Produktinnovation) zu bewähren. Der Innovationsgrad ist umso höher, je stärker dieUmsetzung einer Innovation innerbetriebliche und marktliche Veränderungsprozesse bedingt.Idealtypisch durchläuft eine Innovation bis zu ihrer Markteinführung die PhasenIdeengenerierung, Konzeptentwicklung, Prototyp, Markttest und Markteinführung.

Abbildung 3–3: Phasen eines idealtypischen Innovationsprozesses

Ideen-generierung

Konzept-entwicklung

Prototyp

Produkt/Markt-test

Markt-einführung B

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Wertschöpf-ungsphasen

Gestaltungs-raum

Interaktions-feld

Anbieterunter-nehmen als Gestalter der Wertschöpfung

Kunden / Nutzer als Wertschöpfungs-

partner

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ist insoweit ein ergänzender Ansatz zum herkömmlichen Innovationsmanagement, alsdass Produkt- und Markttest sowie Markteinführung aus der Sicht des Herstellersnicht überflüssig werden, aber wegen der Kundeninteraktion in den vorherigenPhasen nach einem anderen Muster und mit einem erheblich geringeren Marktrisikoablaufen. Die folgende kurze Beschreibung der Phasen gibt erste Anhaltspunkte für dieRolle von Kunden und Nutzern im Rahmen eines interaktiven Wertschöpfungs-prozesses, die in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels noch vertiefend diskutiertwerden.

(1) Ideengenerierung (“Ideation”)

Den Ausgangspunkt einer Innovation bildet die Phase der Ideengenerierung (oft auch“Ideation” genannt). Diese Phase wird auch als “Fuzzy Front End” des Innovations-prozesses bezeichnet (Cooper 1988; Khurana / Rosenthal 1997). Ein Unternehmen ver-folgt in dieser frühen Phase das Ziel, seinen Ideenpool für Innovationen zu bilden bzw.zu vergrößern. Dabei kann es sich zum einen um Ideen für völlig neuartige Produkteoder Dienstleistungen handeln, welche das Unternehmen zuvor noch nicht am Marktangeboten hat. Zum anderen können Ideen darauf abzielen, bestehende Produkte oderDienstleistungen des Unternehmens zu verbessern und für den Nachfrager attraktiverzu gestalten. Grundlage der Ideengenerierung sind Informationen über die (angenom-menen offenen) Bedürfnisse der (potenziellen) Nachfrager und Nutzer einerInnovation (Bedürfnisinnovation). Bei einer Innovationsidee handelt es sich seltenum ein ausgereiftes Konzept. Vielmehr verkörpert die Idee ein entwicklungsfähigesPotenzial. Nach einer Sammlung und Systematisierung eingehender Ideen werdendiese anschließend bewertet. Im Vordergrund stehen dabei weniger ökonomischeAspekte als vielmehr die Kompatibilität der Idee mit dem angestrebten Leistungs-programm und der (Technologie-) Strategie des Unternehmens, möglichen gesetz-lichen Restriktionen sowie die Einzigartigkeit der Idee im Vergleich zum Wettbewerb.

Die Bewertung der Ideen wird in der Regel unternehmensintern vorgenommen undbasiert häufig auf der Erfahrung und der Expertise des Senior Managements. In dertraditionellen Vorstellung des Innovationsmanagements erfolgt die Ideengenerierungaus internen Quellen. Als Ideengeber spielt die unternehmenseigene Forschungs- undEntwicklungsabteilung eine zentrale Rolle. Auch angrenzende Unternehmensbereiche,z. B. das Marketing oder der Vertrieb, als auch Mitarbeiter des Produktions- undBeschaffungsbereichs gelten als wichtige Ideenquellen. Der Open-Innovation-Ansatzerschließt dagegen zusätzlich externe Quellen für den Innovationsprozess. OpenInnovation fokussiert besonders auf diese Phase des Innovationsprozesses: die Rollevon Kunden und Nutzern als Urheber oder Mitwirkende bei der Generierung innova-tiver Ideen und deren Bewertung.

(2) Konzeptentwicklung

Positiv bewertete Ideen treten in die zweite Phase der Konzeptionalisierung ein. DieInnovationsidee – von Natur aus eine noch recht vage verbale Beschreibung der ange-strebten Innovation – wird nun verfeinert und weiterentwickelt. In dieser Phase findendie zentralen Tätigkeiten der Forschung und Entwicklung (F&E) statt. Dies beinhaltetzunächst eine Visualisierung der Idee durch Skizzen, Mock-ups oder Animationen.

3.1

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Der interaktive Innovationsprozess

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Des Weiteren erfolgt die Ausarbeitung eines definierten Zeitplans, eines Investitions-plans sowie Abschätzungen hinsichtlich der technischen Realisierbarkeit und desMarktpotenzials der Innovationsidee. Die abschließende Konzeptbewertung erfolgtklassischerweise durch Experten, das Senior Management und vor allem durchAnalysen der Marktforschung (Wheelwright / Clark 1992). Die Idee von Innocentive(Kasten 3–1), externe Akteure in die Problemlösung einzubeziehen, setzt genau in die-ser Phase an. Doch auch so genannte Lead User, besonders fortschrittliche Kunden,überführen häufig eine Idee, wie ein neues Bedürfnis befriedigt werden könnte, in einkonkretes Konzept.

(3) Prototyp-Erstellung

In der dritten Phase wird das Innovationskonzept in einen Prototyp überführt. EinPrototyp bezeichnet ein voll funktionsfähiges Versuchsmodell eines geplanten Pro-duktes oder Bauteils. Neue Technologien wie Stereolithografie oder selektives Laser-sintern erlauben es heute, CAD-Dateien ohne manuelle Umwege direkt in voll funk-tionsfähige Prototypen umzusetzen (Rapid Prototyping). Dabei werden die Werk-stücke schichtweise aus formlosem oder formneutralem Material unter Nutzung phy-sikalischer und/oder chemischer Effekte aufgebaut (Gebhardt 2000). Es wird nungeprüft, ob der Prototyp den Anforderungen des Konzepts Stand hält. Dies beinhaltetTests hinsichtlich der Performance und der Akzeptanz des Prototyps unterLaborbedingungen. Zudem wird die Einhaltung der Entwicklungs- und Produktions-kosten überprüft.

Kunden und Nutzer spielen auch in der Phase der Prototypen-Erstellung eine wichti-ge Rolle. Lead User überführen ihr innovatives Konzept oft auch in einen funktionsfä-higen Prototypen, mit dem sie ihr Bedürfnis zu befriedigen versuchen. In diesem Fallgehen die Phasen 1 bis 3, Ideengenerierung, Konzeptentwicklung und Prototypener-stellung, aus Sicht des Kunden ineinander über und münden in eine integrierteProblemlösungsphase. Ein anderer Ansatz von Open Innovation ist, Kunden durchden Einsatz bestimmter Hilfsmittel, die das Herstellerunternehmen bereitstellt, dazuzu befähigen, einen (virtuellen) Prototyp zu erstellen. Dies ist die Idee von “Toolkits forOpen Innovation”, die wir noch genauer beschreiben werden.

(4) Produkt- und Markttest

Bei einer konventionellen Herstellerinnovation wird der Prototyp in dieser Phase indas Produktionssystem überführt und in der Regel zunächst in kleinen Stückzahlen füreinen Testmarkt produziert. In einem solchen Testmarkt wird nun die Akzeptanz undPerformance der Innovation unter realen Marktbedingungen evaluiert. Die Ergebnisselassen Rückschlüsse auf notwenige Modifikationen des Produktes sowie auf dieGestaltung des Marketing-Mix zu. Im Rahmen des Open-Innovation-Ansatzes könnenUnternehmen bspw. Funktionstests und aufwendige Fehlersuchen auf die Kundenübertragen. Doch sind bei einer Nutzer-dominierten Innovation Produkt- undMarkttests zum Test der Akzeptanz häufig gar nicht mehr notwendig, wenn dieInnovation ursächlich auf den Ideen der Kunden beruhte. Der Open-Innovation-Ansatz ist insoweit ein ergänzender Ansatz zum herkömmlichen Innovationsma-nagement, als dass Produkt- und Markttest sowie Markteinführung aus der Sicht des

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Herstellers nicht überflüssig werden, aber wegen der Kundeninteraktion in den vorhe-rigen Phasen nach einem anderen Muster und mit einem erheblich geringerenMarktrisiko ablaufen.

(5) Markteinführung

Im Rahmen der Markteinführung kommt dem Marketing eine zentrale Rolle zu. Inno-vationsmarketing bezeichnet sämtliche Aktivitäten im Rahmen der Kommunikationund Vermarktung der Innovation. Dies umfasst beispielsweise die Preissetzung, dieAuswahl und Kombination geeigneter Distributionskanäle, das Marken- undKommunikationsmanagement oder die Schulung von Verkaufspersonal. OpenInnovation stellt an die Stelle einer groß angelegten Markteinführung für einen anony-men Markt eine dezidierte Vermarktung mit Pilotkunden, um durch die gesammeltenErfahrungen das Marktpotenzial schrittweise aufzubauen. Ebenso können die Kundeneine wichtige Rolle zur Diffusion übernehmen, indem sie in die Vermarktung undDistribution der Produkte mit einbezogen werden (gute Beispiele sind wieder die T-Shirt-Händler Threadless und Spreadshirt (Kasten 1–1 und Kasten 2–8): Hier wirkendie Kunden auch entscheidend zur Vermarktung der Produkte bei, indem sie Freundeals Käufer werben, als Models für den Online-Katalog mitwirken und durch positiveMundpropaganda die Marke an sich bekannt machen.

3.2 Von der Kundenorientierung zurKundenintegration im Innovationsprozess:der Weg zu Open Innovation

Der folgende Abschnitt beleuchtet die in der Literatur diskutierten Ansätze, die sichmit der Einbeziehung von Kunden in bestimmte Phasen des Innovationsprozessesbefassen. Allerdings erfüllen diese Ansätze nicht vollständig die in Kapitel 2 beschrie-benen Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung (Kapitel 2.4.1). Jedoch ist ihrVerständnis wichtig, um die Schritte auf dem Weg zu Open Innovation zu verstehenund diesen Ansatz von anderen Ideen der Integration von Kundeninformation in denInnovationsprozess abgrenzen zu können:

Die Marketing-Forschung hat breite methodische Absätze entwickelt, um dieKundenorientierung im Innovationsprozess sicherzustellen. Diese so genannten„voice of the customer“-Ansätze belassen den Kunden allerdings noch in einerpassiven Rolle (Abschnitt 3.2.1).

Weitreichender sind dagegen schon Innovationsansätze in Netzwerkorganisa-tionen. Diese Ansätze öffnen Innovationsprozesse über die Unternehmensgrenzenhinaus und betrachten verteilte Problemlösungsprozesse (“distributed innova-tion”) mit Technologielieferanten, Zulieferern, Wettbewerbern und ansatzweiseauch Kunden bzw. Nutzern. Die Integration der Beiträge folgt allerdings den klas-sischen Organisationsprinzipien Hierarchie oder Markt. Hier ist auch der von

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Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

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Chesbrough (2003) propagierte Ansatz einzuordnen, der bereits den Begriff “OpenInnovation” verwendet (Abschnitt 3.2.2).

Am weitestgehenden ist der Ansatz Eric von Hippels, der mit seinem “Lead User”-Ansatz und “Customer-Active-Paradigm” einen Paradigmenwechsel einleiteteund Kunden bzw. Nutzer als die wesentliche Quelle von Innovationen sieht(Abschnitt 3.2.3). Der Ansatz von Hippels kommt unserer Vorstellung vonInnovationsprozessen als interaktive Wertschöpfungspartnerschaft mit Kundennahe, betont aber nicht die kooperative und gemeinsame Problemlösung zwischenHerstellern und Kunden.

Open Innovation in unserem Sinne beschreibt den Innovationsprozess als einen viel-schichtigen offenen Such- und Lösungsprozess, der zwischen Akteuren im Unter-nehmen und über die Unternehmensgrenzen hinaus mit externen Akteuren abläuft.Dieser Interaktionsprozess folgt weiterhin dem Phasenmodell von der Ideengene-rierung über die Konzeptentwicklung bis hin zur Prototypen-Entwicklung und mün-det aus Sicht der Kunden in der Phase der Problemlösung. Produkt- und Markttestsowie Markteinführung werden aus Sicht des Herstellers jedoch nicht überflüssig. Sielaufen aber wegen der Kundeninteraktion in den vorherigen Phasen nach einem ande-ren Muster und mit einem erheblich geringeren Marktrisiko ab. Der Open-Innovation-Ansatz ist so ein ergänzender Ansatz zum herkömmlichen Innovationsmanagement(Abschnitt 3.2.4).

3.2.1 Ansätze der Kundenorientierung: “Voice of theCustomer”

Empirische Studien belegen, dass in Abhängigkeit von der jeweiligen Branche bis zu 90Prozent der potentiellen Innovationen am Markt keinen Erfolg haben (Cooper 1999;Crawford 1987). Die Erfolgsfaktorenforschung hat deshalb eine lange Tradition in derLiteratur zum Innovationsmanagement. Ihr Ziel is die Identifikation von Determi-nanten, die den Erfolg oder Misserfolg einer Innovation erklären. Dabei wird nachFaktoren gesucht, die unternehmensintern oder im Umfeld von Unternehmen liegenund den Innovationsprozess initiieren, begünstigen oder beschleunigen (Ernst 2002).

Faktoren erfolgreicher Innovation

In der traditionellen Form des Innovationsmanagements geht man davon aus, dass vorallem unternehmensinterne Faktoren den Innovationserfolg positiv beeinflussen, wiez. B. die Unternehmenskultur, die Unternehmensstrategie, die Organisation des Unter-nehmens, das Führungssystem und die formale Ausgestaltung des Innovationspro-zesses. Als externe Faktoren gelten insbesondere der Standort (z. B. die Nähe zuUniversitäten oder Wissenschaftszentren), die rechtlichen Rahmenbedingungen (Rechtdes geistigen Eigentums), die wirtschaftliche Entwicklung, die Infrastruktur fürVerkehr und Kommunikation, politische und gesellschaftliche Umweltfaktoren unddie Einflussgrößen des Marktes (Cooper 1988; Cooper 1999; Cooper / Kleinschmidt1987; Ernst 2002).

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

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Jedoch reichen diese Faktoren noch nicht aus, den Erfolg einer Innovation – und diehohen Flopraten von Innovationen – zu erklären. Denn selbst wenn ein Unternehmenall diese Faktoren beherrscht, können die resultierenden Innovationen noch an denBedürfnissen der Nachfrager vorbeigehen. Immer wieder werden technisch ausgefeil-te und aus unternehmensinterner Sicht hoch attraktive Produkte auf den Markt ge-bracht, die aber dennoch die Erwartungen der Unternehmen an das Produkt nicht er-füllen. Diese Produkte erfüllen entweder die Bedürfnisse der Kunden nicht besser (oderzu einem günstigeren Preis) als die bereits am Markt etablierten Produkte, oder abersie schaffen keinen neuen Markt für ein Produkt, das bislang noch nicht existierte.

Kundenorientierung als Erfolgsfaktor

Deshalb herrscht heute in der Literatur Übereinstimmung über die Bedeutung derKundenorientierung im Innovationsprozess. Unternehmen müssen die “Stimme derKunden” als wesentliches Mittel zur Reduktion von marktlichen Unsicherheitenberücksichtigen (siehe z. B. Ernst 2002; Gemünden 1981; Gruner / Homburg 2000;Herrmann et al. 2000; Jenner 2004; Kahn 2001; Katila / Ahuja 2002; Krieger 2005; Lüthje2000; Montoya-Weiss / Calantone 1994). Wir werden diesen Faktor im Folgenden näherbetrachten. Dabei werden wir sowohl die klassische Sichtweise als auch eine neue,erweiterte Sichtweise einnehmen.

Kundenorientierung ist ein weiter Begriff, der den Wert einer Leistung für den Kun-den in den Vordergrund stellt und alle Bereiche eines Unternehmens auf die Schaffungdieses Wertes ausrichtet (Homburg 2000). Eigenschaften eines kundenorientiertenUnternehmens sind (i) eine Unternehmensvision, die den Kunden an erste Stelle stellt;(ii) die Fähigkeit des Unternehmens, besser als die Wettbewerber Informationen überdie Kunden zu sammeln, zu verarbeiten und zu nutzen; (iii) die Koordination funk-tionsübergreifender Prozesse zur Schaffung von Wert für die Kunden (Day 1994;Jendrosch 2001; Lüthje 2003b). Bezogen auf den Innovationsprozess lassen sich dieseEigenschaften wie in Abbildung 3–4 dargestellt konkretisieren.

Bedürfnis- und Lösungsinformation

Erfolgreiche Innovationen entstehen demnach dann, wenn Informationen über Bedürf-nisse potentzieller Kunden (Bedürfnisinformationen) optimal mit Informationen hin-

3.2

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Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

Abbildung 3–4: Faktoren von Kundenorientierung im Innovationsprozess

Erfolgsfaktoren einer Kundenorientierung im Innovationsprozess

Sammlung von MarktinformationenEinsatz von Test-MärktenVerstehen von KundenwünschenKenntnis der PreissensitivitätTestmarkt für Prototypen

Kundenbezug in allen InnovationsphasenIntensive MarktforschungVerstehen des KonsumentenverhaltensKundenorientierter Market-LaunchFrühe go-/no-go Entscheidungen

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sichtlich der Lösung und Umsetzung dieser Bedürfnisse in ein entsprechendes Leis-tungsangebot (Lösungsinformationen) verknüpft werden. Wir haben diese Begriffeschon in Abschnitt 2.4.3 eingeführt und wollen die Argumentation hier nun vertiefen.Danach beinhalten Bedürfnisinformationen Wünsche, Präferenzen und Anfor-derungen der Kunden an eine Leistung sowie an deren Leistungsfähigkeit, Qualität,Design oder Preis (von Hippel 1994; Gruner / Homburg 2000). Bedürfnisinformationder Kunden kann sich zum einen auf Produkte und Dienstleistungen beziehen, die bis-her noch nicht auf dem Markt angeboten werden. In diesem Falle verspüren Kundenein Bedürfnis, welches bisher noch durch kein existierendes Marktangebot befriedigtwird. Bedürfnisinformation kann sich aber auch auf Erfahrungen des Kunden mit dembisherigen Leistungsangebot eines Unternehmens erstrecken. Unzufriedene Kundenkönnen demnach über Informationen verfügen, welche (fehlenden) Attribute einesLeistungsangebots diese Unzufriedenheit (ungestilltes Bedürfnis) hervorrufen(Brockhoff 2003). Doch nicht nur unzufriedene Kunden, sondern auch zufriedeneKunden können für einen Hersteller wichtige Informationen haben, beispielsweisedarüber, welchen neuen Anforderungen das Leistungsangebot eines Anbieters inZukunft genügen sollte.

Im Gegensatz zu Bedürfnisinformationen umfassen Lösungsinformationen Informa-tionen zur Transformation von Bedürfnissen in ein konkretes Leistungsangebot(Specht 1992). Dabei kann es sich um den Einsatz von Wissen, Technologien,Fertigungstechniken oder Humankapital handeln. Lösungsinformationen sorgen alsodafür, dass Bedürfnisinformationen (potenzieller) Kunden in ein konkretes, marktfähi-ges Leistungsangebot übersetzt werden (von Hippel 1978a).

“Voice of the customer”

Der traditionelle Innovationsprozess unterstellt eine stetige, vordefinierte Verteilungvon Lösungs- und Bedürfnisinformationen. Demnach verfügen Kunden über Be-dürfnisinformationen und das innovierende Unternehmen über Lösungsinfor-mationen. Für das Unternehmen besteht die zentrale Herausforderung darin, überMarktforschungstechniken Bedürfnisinformation vom Markt in die firmeneigeneForschungs- und Entwicklungsabteilung zu transferieren (dieser Vorgang wird oftauch als Aufnehmen der “voice of the customer” bezeichnet; siehe Griffin / Hauser1993). Dort wird die Bedürfnisinformation des Kunden dann unter Nutzung derLösungsinformation von Forschern und Entwicklern in ein entsprechendes Leis-tungsangebot übersetzt (von Hippel 1978a; 1998). Weitere Marktforschungsaktivitätenund der Test von Prototypen sollen dabei sicherstellen, dass die Ergebnisse der eigenen

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Wesentliche Inputfaktoren für den Innovationsprozess sind Bedürfnis- und Lösungsinfor-mation. Bedürfnisinformationen beinhalten Wünsche, Präferenzen und Anforderungen aktuel-ler oder potentieller Kunden an ein neues Produkt oder eine neue Leistung sowie an derenLeistungsfähigkeit, Qualität, Design oder Preis. Lösungsinformation dagegen umfasst Wissenzur Transformation dieser Bedürfnisse in ein konkretes Leistungsangebot. Dabei kann es sichum den Einsatz von Wissen, Technologien, Fertigungstechniken oder Humankapital handeln.

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Produktentwickler auch den tatsächlichen Bedürfnissen des Zielmarktes entsprechen.Damit kommt es oft zu einer iterativen Annäherung zwischen dem Feedback derMarktforschung und weiteren Verbesserungen und Anpassungen der Entwickler desHerstellers.

Allgemeine Methoden zur Generierung kundenorientierter Informationen imInnovationsprozess

Im traditionellen Innovationsprozess stellt die Marktforschung eines Unternehmensdas dominierende Bindeglied zwischen Kunde und Unternehmen dar, um einenTransfer von Bedürfnisinformationen potenzieller Nachfrage zu realisieren. Markt-forschung bezeichnet dabei einen systematischen Prozess der Gewinnung und Analysevon Daten für Marketing- Entscheidungen (Berekhoven / Eckert / Ellenrieder 2004;Herrmann / Homburg 2000; Hruschka 1996). Der Einsatz spezifischer Marktfor-schungsmethoden orientiert sich dabei an den Anforderungen an die Datengrundlageund dem Ziel der formulierten Fragestellung. Während die entdeckende Markt-forschung darauf abzielt, ein bisher noch wenig bekanntes Phänomen erstmals zubeleuchten, dient die testende Marktforschung der Vergleichbarkeit der Antworteneiner Vielzahl von Befragten. Im Vordergrund der testenden Marktforschung steht dieRepräsentativität der Daten. Dies ist genau dann der Fall, wenn Bedürfnisse einer aus-gewählten Stichprobe auf die Grundgesamtheit übertragbar sind, d. h. die Bedürfnisseeiner Stichprobe repräsentieren die Bedürfnisse einer definierten Grundgesamtheit.Die entdeckende Marktforschung hingegen verfolgt weniger das Ziel der Reprä-sentativität als die Exploration eines unbekannten Phänomens.

Ein weit verbreitetes Instrument zur Erhebung von Primärdaten ist eine Befragung.Hierbei können sowohl qualitative als auch quantitative Methoden zum Einsatz kom-men. Die am weitest verbreiteten qualitativen Methoden stellen das Tiefeninterviewund die Gruppendiskussion dar. Ein Tiefeninterview ist ein recht freies Interview inForm eines persönlichen Gesprächs. Der Interviewer lenkt den Gesprächsablauf aufBasis eines Interviewleitfadens. Durch Einsatz spezieller Fragetechniken lässt dieBefragung Aussagen über Einstellungen und Motive des Befragten zu. Strebt dasTiefeninterview ein tieferes Verständnis individueller Verhaltensweisen undMeinungen an, zielt die Gruppendiskussion darauf ab, die Meinung und Ideen meh-rer Personen zu erheben und gruppendynamische Effekte zu nutzen. Gruppen-diskussionen finden meist in Fokusgruppen statt (Lüthje 2003b). Dabei handelt es sichum eine Gruppe von sechs bis zehn Mitgliedern, die unter Leitung eines qualifiziertenModerators einen Themenkatalog in der Gruppe diskutieren. Bei der Auswahl derMitglieder empfiehlt es sich sowohl extrem heterogene als auch homogene Gruppenzu vermeiden. Im Ergebnis führt eine Gruppendiskussion im Idealfall dazu, dass sichdie Gruppenmitglieder wechselseitig zu detaillierten und spontanen Äußerungenanregen.

Die qualitative Befragung ist eine entdeckende Marktforschung, d. h. man versuchtein noch wenig bekanntes Phänomen erstmalig zu verstehen. Quantitative Befra-gungen hingegen zielen darauf ab, Antworten einer Vielzahl von Befragten unmittel-bar zu vergleichen. Dies wird dadurch ermöglicht, dass die Antworten bei dieser

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Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

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Befragungsform standardisiert sind. Die Befragung erfolgt entweder mündlich, telefo-nisch, schriftlich oder online. Die quantitative Befragung ist eine testendeMarktforschung. Die Ergebnisse einer Stichprobe müssen auf die Grundgesamtheitübertragbar sein. Im Gegensatz zur Befragung werden bei der Beobachtung wahr-nehmbare Sachverhalte, Verhaltensweisen und Eigenschaften ausgewählter Personenplanmäßig erfasst. Der Einsatz der Methode setzt voraus, dass sich die Antworten einerspezifischen Fragestellung tatsächlich beobachten lassen. Dies gilt z. B. im Rahmen derWerbewirkungsmessung oder der Beobachtung von Konsumentenverhalten.

In der Marktforschungspraxis hat besonders eine Mischform aus Befragung undBeobachtung – das Experiment – eine zentrale Bedeutung. Experimente dienen der Er-kennung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen durch den Einsatz von Manipula-tionsgrößen. Unterschieden werden Labor- und Feldexperimente. Laborexperimentefinden unter künstlichen Bedingungen (vereinfachte Nachbildung der Realität) statt,während Feldexperimente in einer natürlichen Umgebung durchgeführt werden.Laborexperimente besitzen in der Regel eine höhere interne Validität als Feldexpe-rimente. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die unabhängige Variable sowie dieStörgrößen unter Laborbedingungen besser kontrolliert werden können als im freienFeld. Feldexperimente weisen hingegen aufgrund der realeren Bedingungen einehöhere externe Validität als Laborexperimente auf. Abbildung 3–5 fasst die unter-schiedlichen Methoden zur Datengewinnung abschließend zusammen.

Quality Function Deployment als integrierte Methode der Kundenorientierung

Während die zuvor genannten Methoden auch, aber nicht nur im Innovationsprozesszum Einsatz kommen, ist Quality Function Deployment (QFD), ein umfassendes

3

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–5: Typische konventionelle Methoden der Datengewinnung zum Zugang zuBedürfnisinformation (“voice of the customer”)

Datengrundlage

Primärdaten Sekundärdaten

BefragungBeobachtung

Mischform: Experiment

Feldexperiment Laborexperiment

qualitativ quantitativ

Interne Daten Externe Daten

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Planungssystem für einen kundenorientierten Innovationsprozess. Ziel der QFD istdie Ausrichtung sämtlicher Ressourcen eines Unternehmens auf die Bedürfnisse undWünsche potenzieller Kunden. Es kommt bei Anwendung der Methode zu einer strik-ten Trennung von Kundenbedürfnissen und den technischen Anforderungen an einProdukt (Akao 1992; Daetz / Barnard / Norman 1995; Griffin / Hauser 1993; Lai-Kow /Ming-Lu 2002; ReVelle / Moran / Cox 1998). Der Ansatz unterstellt, dass ein Unter-nehmen bereits eine konkrete Innovationsidee (oder gar ein existierendes Produkt, daszur Weiterentwicklung ansteht) besitzt und potenzielle Kunden in der Lage sind, ihreBedürfnisse und Anforderungen an dieses Produkt zu artikulieren. Kasten 3–2 gibteinen Einblick in das Vorgehen. QFD wird heute in vielen Unternehmen, aber auch oftin der Literatur zum Innovationsmanagement, als prototypische Methode gesehen,um eine hohe Kundenorientierung als übergeordneten Erfolgsfaktor im Innovations-management zu verwirklichen (Wildemann 1999).

3.2Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

Quality Function Deployment (QFD) ist ein umfassendes Planungssystem für einen kundenorien-tierten Innovationsprozess. Ziel des Verfahrens ist die Konzeption, Erstellung und der Verkauf vonProdukten und Dienstleistungen, die der Kunde wirklich wünscht. Die Methode des QFD alsGrundkonzept zur Qualitätsplanung geht zurück auf den Japaner Yoji Akao im Jahre 1966. Dieerste praktische Anwendung ist 1972 auf der Kobe-Schiffswerft der Mitsubishi Heavy Industriesdatiert. Der Name des Quality Function Deployment entstammt dem Japanischen. Ausgehend vomOriginal-Begriff Hin Shitsu (Merkmale, Attribute, Features) Ki No (Funktion) Ten Kai (Darstellung,Aufstellung, Entwicklung) ist eine Übersetzung als “Merkmal-Funktions-Darstellung” treffend.Durch einen Übersetzungsfehler ins Englische entstand der heute gebräuchliche Begriff QFD(Übersetzung von Hin Shitsu in ‘quality’ (Qualität) statt in ‘qualities’ (Merkmale) [Quelle:Wikipedia.org].

Der erste Schritt der QFD-Methodik ist in der Regel die Durchführung einer Conjoint-Analyse, umdie Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden zu erheben. Diese quantitative Methode derMarktforschung beruht meist auf einer Befragung und unterstellt, dass sich der Gesamtnutzeneines Produktes aus Sicht des Nachfragers additiv aus den Nutzen der Komponenten (Teil-nutzenwerte) zusammensetzt. Die Datenbasis bilden so die Gesamtnutzenurteile (Präferen-zurteile) befragter Personen. Die Teilnutzenwerte beziehen sich in der Conjoint-Analyse auf einzel-ne Ausprägungen von Produkteigenschaften (z. B. Preis, Marke, Produktattribute, technischeFunktionen). Diese Eigenschaften sollten unabhängig sein und zueinander in kompensatorischerBeziehung stehen. Es gilt zu beachten, dass nur solche Merkmalsausprägungen Eingang in dieUntersuchung finden, welche das Unternehmen tatsächlich operativ steuern kann. Die Conjoint-Analyse konfrontiert potenzielle Kunden nun mit einem solchen Set an Merkmalsausprägungen.Bei der Profilmethode besteht ein Stimulus aus der Kombination je einer Ausprägung allerEigenschaften. Bei der trade-off-Methode werden stets zwei Eigenschaften gegeneinander abge-wogen. Die Conjoint-Analyse ermittelt im Anschluss den Beitrag unterschiedlicher Merkmal-sausprägungen zum Gesamtnutzen des Produktes (Backhaus et al. 2005; Teichert 2001).

In einem zweiten Schritt erfolgt die Übersetzung der durch die Conjoint-Analyse ermittelten Kun-denanforderungen in die “Sprache des Ingenieurs”. Dabei werden die ermittelten Produktan-forderungen und Eigenschaften zunächst in Konstruktionsmerkmale transformiert und anschlie-ßend in Teilmerkmale übertragen. Dieses Vorgehen unterstellt, dass nicht das physische Produkt,

Kasten 3–2: Quality Function Deployment (QFD) als umfassende Methode eines kun-denorientierten Innovationsprozesse

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3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

sondern ein Eigenschaftsbündel das Nachfrageinteresse beeinflusst. Charakteristisches Merkmalfür diesen “Übersetzungsprozess” ist daher die Beschränkung auf die Erfassung physikalisch-che-misch-technischer Produkteigenschaften im Rahmen der Identifikation von Kundenwünschen. AusAbnehmerperspektive bemisst sich die Qualität des Produktes nach der Qualität einzelnerProduktmerkmale (siehe auch Abschnitt 4.3.1). Die Qualitätsurteile können sowohl auf ergonomi-schen (physikalisch-chemisch-technischen) als auch auf hedonistischen, d. h. immateriellen,nicht-funktionalen Eigenschaften wie sozialen und psychischen Nutzenkomponenten beruhen(Akao 1992).

Das House of Quality stellt den Kern des Quality Function Deployment dar und kann als Überset-zungsmatrix zwischen Kunden- und Designanforderungen interpretiert werden. DenAusgangspunkt des House of Quality bildet die Erfassung und strukturierte Aufnahme gewichteterKundenanforderungen. Diese Kundenanforderungen werden anhand der Prioritäten der Kundenbei Anschaffung und Nutzung des Produktes gewichtet. In der Matrix werden die Beziehungen imBlock 6.1 entsprechend aufgetragen, so dass frühzeitig Zielkonflikte sichtbar werden (Gustafsson/ Huber 2000). Die aufgelisteten Anforderungen haben den im Lastenheft hinterlegtenAnforderungen zu entsprechen. Im Block 2 werden die Kundenanforderungen mit Produkten derWettbewerber verglichen. Ein Stärken-Schwächen-Profil legt den Zielkorridor für die angestrebteProduktqualität. Diese horizontale Achse (Marketing-Block) wird nun in die “Sprache desIngenieurs” übersetzt. Es erfolgt die Ermittlung technischer Konstruktionsmerkmale, Inter-pendenzen und Zielkonflikte. Die in Block 3 aufgeführten technischen Merkmale des Produkteswerden in der Beziehungsmatrix im Block 4 hinsichtlich ihrer Beziehungsstärke zu den gewichte-ten Kundenanforderungen aufgetragen um bisher unberücksichtigte Kundenanforderungen zu ent-decken.

Abbildung: Das House of Quality (entnommen aus Akao 1992: 21)

Unter Beachtung wirtschaftlicher Zielkorridore und der technischen Machbarkeit erfolgt so dieAbleitung von Zielvorgaben für einzelne Konstruktionsmerkmale. Diese werden einer erneuten

ZusammenstellungQFD-Team

1.

2. Produktauswahl3. Kundenbestimmung

4.2 Gewichtung

4.1 Kunden- forderung

5.4 Schwierigkeit5.3 Messbare Zielwerte

8. Wettbewerbs- vergleich

6.2 Techn.Bedeutung

11. Kritische Merkmale

eigenes undKonkurrenz- produkte

6.1 Beziehungen0 = keinepositiv1 = schwach2 = mittel3 = starknegativ: mitBetragsstrichen

5.1 techn.Merkmale

5.2 Optimierungsrichtung

9. Zielkonflikte

4.3 Service- gewichtung

10. Verkaufs-schwerpunkte

eigenes undKonkurrenz- produkte

7.1Markt-

bewertung

7.2 Analyse derMarktbewertung

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3.2

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Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

Das “manufacturing-active paradigm”

Von Hippel (1978a, 1978b) bezeichnet dieses Bild vom Innovationsprozess als “manu-facturing-active paradigm”. Innovation ist hier Aufgabe des fokalen Anbieterunter-nehmens, das aus eigener Kraft Informationen über Bedürfnisse “repräsentativer”Nutzer bzw. Kunden sammelt und diese dann intern in eine innovative Lösungumsetzt (Eliashberg / Lilien / Rao 1997; Griffin 1997; Haman 1996; Lonsdale / Noel /Stasch 1996; Rangaswamy / Lilien 1997). In dieser Vorstellung haben die Kunden nureine passive Rolle, “speaking only when spoken to” (von Hippel 1978b: 243) imMarktforschungsprozess. Innovation als geschlossener, unternehmensinterner Prozessmanifestiert sich auch heute noch in Schilderungen der glorreichen Leistungen großer,von der Öffentlichkeit eng abgeschirmter unternehmensinterner Forschungsla-boratorien wie Xerox PARC, Lucent Bell Labs oder dem Garching-Lab von GeneralElectric.

Kritik an der klassischen Vorstellung von Kundenorientierung im Innovationspro-zess

Die zuvor angeführten Methoden einer Kundenorientierung im Innovationsprozesshaben sicherlich zur Verbesserung der Erfolgsrate von Innovationen beigetragen.Jedoch hat ihre Anwendung auch Risiken. Ausgehend von einer Produktidee nähertsich das Unternehmen in einem iterativen Prozess zwischen der Bewertung von Ideen,der Identifikation essentieller Produktattribute für die Konzeptdefinition, derGewichtung von Kundenpräferenzen in der Entwurfsphase sowie der Beurteilung vonPrototypen in der Testphase dem finalen Produkt an. Ein Innovationsprozess, der vieleIterationen durchläuft, nimmt viel Zeit und hohe Kosten in Anspruch, ohne dass amEnde notwendigerweise ein neues marktfähiges Produkt steht.

Denn auch wenn sich das Innovationsmanagement aus einer Außensicht an denPräferenzen und Zufriedenheitsurteilen eines “durchschnittlichen” Kundensegmentsorientiert, wird die Heterogenität der Kundenwünsche durch ein Standardpro-duktdesign nicht berücksichtigt, d. h. die entwickelte Lösung trifft gegebenenfalls dieBedürfnisse bestimmter Marktsegmente nicht (Franke / Piller 2004). Zudem setzt eineklassische Marktforschung an den Kundenerwartungen und Zufriedenheitsurteilen zuBeginn des Kaufprozesses oder gar erst nach einer Nutzungsphase an. DieInformationsgenerierung für die frühen Phasen des Innovationsprozesses fehlt allzuoft. Im Fall wirklich innovativer Bedürfnisse, Ideen und Konzepte scheitern dieMethoden der herkömmlichen Marktforschung auch bei ausgeklügelten “voice of thecustomer”-Methoden regelmäßig (Christensen 2000).

Überprüfung bzgl. ihres Erfüllungsgrades der Kundenanforderungen unterzogen. Dies umfasstfallweise auch einen Vergleich mit Konkurrenzprodukten zur Verifizierung der Zielerreichung zurSchließung von Leistungslücken. Das Ergebnis der finalen Abstimmung der Konstruktions-vorgaben in Block 5 ist im Regelfall das Pflichtenheft. Im Ergebnis liefert der Einsatz von QFDErkenntnisse über die kundenorientierte Gestaltung eines Produkts.

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3.2.2 Innovationsprozesse in interorganisationalenNetzwerken

Bevor wir im kommenden Abschnitt eine neue Sichtweise des Innovationsprozessesbetrachten, die Kunden nicht nur als Informationsquelle für Marktforschungsanstren-gungen, sondern als aktive Partner oder gar Initiatoren eines Innovationsprozessessieht, wollen wir in einem ersten Schritt eine weitere Vorstellung des klassischenUnternehmensprozesses auf die Probe stellen: Lösungen für innovative Aufgaben undProbleme entstammen zum Großteil unternehmensinternen Abteilungen. So galt einestarke interne Forschung- und Entwicklungsabteilung über Jahrzehnte als Garant fürden Unternehmenserfolg – und gilt heute in Zeiten von Outsourcing und derVerschlankung der Unternehmen oft als wesentliche verbleibende Kerntätigkeit. Ideender internen Forschung und Entwicklung sichern langfristiges Wachstum und stellteneine nicht zu vernachlässigende Markteintrittsbarriere für potenzielle Konkurrentendar. Doch diese Innenorientierung des Innovationsprozesses wird schon lange durcheine erweitere Sichtweise ergänzt. Die Auflösung der Unternehmensgrenzen, die wirin Abschnitt 2.3 bereits diskutiert haben, macht auch vor der Entwicklung neuerProdukte und Prozesse nicht halt. Kasten 3–3 zeigt hierzu als einführendes Beispiel,wie ein großer Konsumgüterhersteller, Procter & Gamble (P&G), systematisch externePartner in seine Innovationsprozesse einbezieht.

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

(Quelle: Auszug aus dem Artikel “Innovation inside out” von Gary H. Anthes in Computerworld,September 13, 2004 [www.computerworld.com/printthis/2004/0,4814,95854,00.html])

(…) Aided by the internet and advanced search techniques, a handful of companies is leading arevolution in the way new products are designed and developed. By looking beyond their own R&Dlabs — to suppliers, universities, freelance inventors and even competitors — they are acceleratingthe pace of innovation while sidestepping the costs and risks of in-house research. “The R&D modelthat most companies are following is broken,” says Larry Huston, vice president for research anddevelopment at Procter & Gamble (P&G) in Cincinnati. “There’s a drive to increase innovation bud-gets beyond the [revenue] growth of the firm. That’s not a sustainable business model.” (…)

But P&G, which spent $1.7 billion on R&D last year, has found a new model, called open-marketinnovation. Indeed, the consumer products maker has embraced the idea so enthusiastically thatit no longer refers to its product-innovation process as R&D; it’s now C&D, for “connect and deve-lop.” Larry Huston, vice president for research and development at Procter & Gamble, makes thecase for out-of-the-box innovation:

P&G has 7,500 researchers in 150 branches of science. Outside of P&G, there are 1.5 millionequally qualified scientists around the world. “So, for every person we have, there are 200 onthe outside,” Huston says.

R&D staff at U.S. companies cost their employers well over $100,000 a year on average.“Somebody in India with a master’s degree in a science probably starts at about $3,000 ayear,” Huston says.

P&G is a $51 billion company growing at 6 % to 7 % a year. It wants half of all its product inno-vations to come from external sources. “You can do the math,” he says. “If 50 % is coming from

Kasten 3–3: Procter & Gamble’s Strategy to Harness Outside Talent to Boost Innovation

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3.2Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

outside, this is over a $1 billion challenge to bring sales in from the outside through connectand develop.”

P&G makes the connections among its employees and external sources with a variety of tools andtechniques, including an intranet, Web sites, commercial and homegrown search engines as wellas several “innovation networks” — intermediary companies that match innovation seekers andsuppliers. In just two years, the company has boosted the percentage of product innovations thatcome from outside sources from less than 20 % to 35 %. P&G’s CEO wants to raise that to 50 %.“This is a classic application of the Internet, going back to its origins,” says Darren Carroll, CEO ofInnoCentive Inc., one of the innovation matchmakers. “For those of us on Arpanet in the beginning,it was all about scientists and engineers sharing problems and solutions.” The following are someof the resources P&G uses to connect and develop:

InnovationNet. InnovationNet is an intranet Web portal for 18,000 P&G innovators in R&D,engineering, market research, purchasing and patents. Nabil Sakkab, a senior vice presidentfor R&D, calls it a “global lunchroom” for the exchange of ideas.

InnoCentive. Founded by Eli Lilly and Co. but operating independently, Andover, Mass.-basedInnoCentive claims to be the “largest virtual laboratory in the world.” It posts scientific problemsfrom its 30 “seeker” members to a proprietary network of 70,000 registered “solvers” aroundthe world. Each posting includes a promised cash award for the solution. “The success rate sofar has been around 50 %,” Sakkab says. “Not bad for problems we failed to crack in-house.”

NineSigma Inc. This Cleveland-based firm helps its 50 or so clients prepare technical briefsdescribing projects or problems they are trying to solve and then sends the briefs — withoutidentifying the originating companies — to thousands of researchers around the world. Theidea is not to get back specific solutions, as InnoCentive does, but to identify people most like-ly to be able to provide solutions on a contract basis.

YourEncore Inc. An Indianapolis-based network of about 400 retired scientists and engineers,YourEncore was created 10 months ago by P&G and Lilly but now operates independently. Itmatches its members with clients for specific, short-term job assignments and pays them theirsalaries at retirement plus 20 %.

(…) Cutting-edge search technologies are essential to the connect-and-develop approach.NineSigma creates a unique database of potential respondents for every client request. “The data-bases are generated through a variety of searching techniques, some of which are proprietary,”says Shauna Brummet, vice president for operations at NineSigma. “It goes significantly beyondGoogle, and the techniques are evolving.” For each problem, NineSigma sends out 6,000 bidrequests on average and receives 10 to 100 responses. Getting high-quality responses is a key tosuccess, says Richard Swarz, chairman of NineSigma, and that requires sophisticated searchalgorithms to build just the right mailing list, as well as carefully crafted requests for proposals. (…)P&G is seeking to identify what it calls “superconnected giants” in the networks. “They are connec-ted through patent literature, they are publishing a lot, they speak at conferences, maybe they areat the center of a hub as department head at a major research hospital,” Huston says. The avera-ge researcher knows 2,000 people; the superconnected ones that P&G covets know 10,000 peo-ple, he says.

While companies like P&G are beginning to tap into open-market innovation, the various methodsof doing so are not yet well integrated, says Navi Radjou, an analyst at Forrester Research Inc.“The laboratory management systems and discovery tools that scientists use must provide seam-less integration with things like InnoCentive,” he says. “I think you’ll see that happen in the nexttwo or three years.” But Lilly isn’t waiting for software vendors to step up to the challenge. It recent-ly launched a project to automate the internal processes surrounding the use of InnoCentive andis also developing interfaces to InnoCentive’s own workflow. “We are doing the IT design for an

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Innovationsnetzwerke: Verteilte Problemlösungsprozesse

Das Beispiel von Procter & Gamble (Kasten 3–3) ist ein weit reichendes, aber in einigenUnternehmen heute nicht mehr außergewöhnliches Beispiel für eine Öffnung desInnovationsprozesses für externen Input. Wie wir in Abschnitt 2.3 gesehen haben, hatin der Organisationstheorie der heutige Fokus auf Netzwerke mit Lieferanten, mitdem Handel und teilweise sogar mit Konkurrenten bis hin zur Vision des virtuellenUnternehmens die Sicht einer rein internen, geschlossenen Wertschöpfung schon langerevidiert (Picot / Reichwald 1994; Picot / Reichwald / Wigand 2003). Ebenso kann derInnovationsprozess als interaktive Beziehung zwischen einem fokalen Herstellerunter-nehmen (klassisch: der “Innovator”) und seinen Zulieferern, Kunden und anderenInstitutionen gesehen werden (Laursen / Salter 2004). Das frühe Bild des “einsamen”innovativen Unternehmers nach Schumpeter (1942) weicht so einer deutlich vielschich-tigeren Sichtweise des Innovationsprozesses als Netzwerk verschiedenster Akteure(Brown / Eisenhardt 1995; Freeman / Soete 1997; Laursen / Salter 2004; Piller 2003, 2004;Rosenberg 1982; Szulanski 2003; von Hippel 1988). Der Erfolg einer Innovation basiertfolglich zu einem großen Anteil auf der Fähigkeit des Unternehmens, entlang allerPhasen des Innovationsprozesses Netzwerke mit externen Akteuren einzugehen(Hirsch-Kreinsen 2004).

Der Innovationsprozess entspricht in seinem Kern einem Problemlösungsprozess.Problemlösung hat zwei wesentliche Eigenschaften: “Trial-and-Error” und dieRekombination vorhandenen Wissens in einem neuen Kontext (Allen 1966; Baron1988; von Hippel / Tyre 1995; von Hippel 2005). Ein Unternehmen, das diese Schrittenur rein intern vollzieht, ist zum einen auf die Wissensbasis angewiesen, die innerhalbder Unternehmensgrenzen vorhanden ist. Zum anderen muss es alle Versuchs- undEvaluierungsschritte ebenfalls selbst vollziehen. Werden dagegen externe Akteure inden Problemlösungsprozess einbezogen, kann dieser oft schneller, kostengünstigerund/oder auf einem höheren Niveau vollzogen werden. Oft wurden bestimmt Pro-bleme bereits in einer anderen Domäne gelöst, die Lösung ist aber im Anwendungs-bereich des suchenden Unternehmens nicht bekannt. Die Tendenz von Akteuren,

3

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

internal portal to these [third-party] systems so that it becomes part of the scientist’s natural work-flow,” Bingham says. For example, a Lilly scientist today seeking help with a problem would firsthave to know InnoCentive exists and then find someone at Lilly to explain how it works, fill outapproval forms and disclosure forms, contact the relevant person at InnoCentive and so on, saysBingham. With new workflow automation and interfaces to InnoCentive, that scientist will be ableto accomplish the same things with a few mouse clicks. And once the problem definition has beenposted by InnoCentive, the Lilly scientist will be able to track its progress online.

Carroll says open-market innovation will dramatically expand in scope over the next five years.“You will see it expand into statistical analysis of business problems, graphics design, advertisingand other services industries where this model may apply even more strongly,” he says. Askedabout the future of open-market innovation at P&G, Huston says, “The current business model thatpeople are following is not sustainable, and more and more companies will move this way. It’sgoing to become even more important as we face a scientific talent shortage in the U.S. “This isthe future,” he says. “People just don’t realize it yet.”

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zunächst (und oft nur) in einem lokalen (geographisch und disziplinären bzw. funk-tionalen) Umfeld nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen, ist in der Manage-mentliteratur seit langem beschrieben. Konzepte wie das Phänomen der beschränktenRationalität (March / Simon 1958), das Agieren in Routinen (Nelson / Winter 1982) oderdie so genannte Kompetenzfalle (Levitt / March 1988) sind Folge der Verwendung reinlokal verfügbarer Information. Wir haben diesen Sachverhalt bereits in Abschnitt2.4.3.3 bei der Betrachtung von “sticky” Information gesehen.

Ein klassischer und bereits recht breit beschriebener Fall des Einbezugs externerAkteure in den Innovationsprozess sind Entwicklungskooperationen eines industriel-len Herstellers mit seinen Lieferanten (siehe z. B. Hirsch-Kreinsen 2004; Ragatz /Handfield / Scannell 1997; Spina / Verganti / Zotteri 2002; Wagner 2003; Wildemann2004; Wynstra / van Weele / Weggemann 2001). Das Fallbeispiel von Procter &Gamble in Kasten 3–3 verdeutlicht diese Sichtweise eindrucksvoll und zeigt, dassselbst eines der größten Unternehmen der Welt, das zudem für seine Markt-forschungskompetenz, aber auch starke eigene Forschung & Entwicklung bekannt ist,die Vernetzung mit weiteren externen Partnern und den Zugang zu externem Wissenals zentralen Bestandteil seiner Innovationsstrategie sieht. Procter & Gamble ist abernoch weiter gegangen und hat nicht nur seine direkte Lieferanten, sondern beliebigeandere Akteure in den Innovationsprozess miteinbezogen. Die in Kasten 3–1 undKasten 3–3 genannte Firma Innocentive ist ein herausragendes Beispiel für eine neueArt von Intermediär, die unternehmerische F&E-Abteilungen den Zugang zu einergroßen Wissensbasis eröffnet (die Website des Unternehmens gibt einen sehr gutenEinblick in dieses Wertschöpfungsmodell).

Chesbroughs Konzept von Open Innovation

Ein aktueller Kritiker der Innenperspektive des Innovationsprozesses ist HenryChesbrough (2003a). Das Innovationsmodell einer ausschließlichen Innenorientierungin der Phase der Ideengenerierung und Konzeptentwicklung bezeichnet er alsgeschlossenes Innovationsmodell (“closed innovation model”). Chesbrough argu-mentiert, dass eine reine Kommerzialisierung interner Ideen nicht mehr ausreicht, umlangfristig die Stellung des Innovationsführers zu erhalten. Dies liegt im Speziellen aneiner zunehmenden Mobilität innovationsrelevanten Wissens, einem mangelndenSchutz geistigen Eigentums sowie vereinfachter Möglichkeiten der Gründung innova-tiver Jungunternehmen durch Bereitstellung von Wagniskapital. Chesbrough unter-

3.2

117

Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

Ein Innovationsnetzwerk revidiert die Vorstellung einer rein internen Wertschöpfung und setztauf eine interaktive Beziehung zwischen einem fokalen Herstellerunternehmen (klassisch: der“Innovator”) und seinen Zulieferern, Kunden und anderen Institutionen. Der Erfolg einerInnovation basiert hier zu einem großen Anteil auf der Fähigkeit des fokalen Unternehmens,entlang aller Phasen des Innovationsprozesses verteilte (distribuierte) Problemlösungs-prozesse mit externen Akteuren einzugehen. Ziel dieser verteilten Problemlösungsprozesse istdie Rekombination vorhandenen (lokalen) Wissens aus verschiedenen Domänen zu neuemWissen.

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streicht seine Argumentation durch exemplarische Fallstudien (Chesbrough 2003b). Sobeleuchtet er beispielsweise den Wettbewerb zwischen Lucent Technologies und Ciscoin den neunziger Jahren. Lucent Technologies ging aus der Aufspaltung des amerika-nischen Telekommunikationsunternehmens AT&T und einer Umfirmierung der BellLaboratories hervor. Sowohl das Kerngeschäft von Lucent Technologies als auch CiscoSystems konzentriert sich auf Technologien für Mobilfunknetze, optische Netze,Sprach- und Datennetze der nächsten Generation sowie Software für den Netzbetrieb.Über viele Jahre galten die Bell Laboratories von Lucent Technology als eine der welt-weit renommiertesten Forschungs- und Entwicklungsinstitute der Industriegüter-forschung. So geht beispielsweise die Entwicklung des Telefons, der erste Laser oderder erste DNA-Motor auf die Forscher der Bell Laboratories zurück. Im Vergleich zuLucent Technologies verfügt Cisco Systems über ein weit geringeres internes Inno-vationspotenzial. Dennoch konnte sich Cisco System im direkten Wettbewerb zuLucent Technologies behaupten. Während Lucent Technologies mit seiner internenForschung- und Entwicklung nach fundamentalen Erfindungen strebt, nutzt CiscoEntwicklungsexpertise außerhalb des Unternehmens, z. B. durch Investments in Start-ups, die ironischerweise häufig von ehemaligen Lucent-Entwicklern gegründet wur-den. Mit dieser Strategie gelingt es Cisco mit Lucent Technologies Schritt zu halten –ohne große Investitionen in interne Forschung- und Entwicklung.

In Ciscos Modell der offenen Innovation kommerzialisieren Unternehmen sowohlintern generierte Ideen als auch Innovationen, die außerhalb des eigenen Unterneh-mens entstehen. Dieses Modell bezeichnet Chesbrough (2003a) als “Open Innova-tion”. Beispiele hierfür sind Lizenzierungen, Entwicklungskooperationen, Wagnis-kapitalbeteiligungen oder Spin-Offs (siehe auch Abbildung 3–6). (Hinweis: Wir ver-wenden im Folgenden den Begriff ‘Open Innovation’ in einer fokussierten Sichtweisein Hinblick auf Innovationsprozesse, die ein Unternehmen zusammen mit seinenKunden bzw. Nutzern vollzieht). Diese Strategie kann, wie bereits angesprochen, ausmehreren Gründen erfolgreich sein:

Der eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung fehlt häufig der “Blick überden Tellerrand”, z. B. hinsichtlich relevanter Entwicklungen in anderenIndustrien. Dieser Effekt wird durch das “not-invented-here”-Syndrom noch ver-stärkt. Das Syndrom bezeichnet die Ablehnung von Innovationen, die nicht derunternehmensinternen Forschung- und Entwicklung entsprungen sind, sondernz. B. unabhängigen Forschungseinrichtungen oder Zulieferern (siehe Abschnitt2.4.6).

Oftmals werden (intern und extern generierte) Innovationsideen eines Unternehmensin der Phase der Ideenbewertung mit der Begründung verworfen, die Idee decke sichnicht mit den Kernkompetenzen und technischen Fähigkeiten des Unternehmens.Später haben Start-ups die Idee aufgegriffen, erfolgreich kommerzialisiert und ihrErfahrungskurvenvorsprung ist nur noch schwer einzuholen. In diesem Fall wäre esfür das Unternehmen vorteilhaft gewesen, im Rahmen von Open Innovation nachPartnern Ausschau zu halten, welche über die nötigen komplementärenKompetenzen verfügen. Die Innenorientierung verhindert, dass ex-post erfolgreicheInnovationsideen falsch eingeschätzt werden.

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

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Die zunehmende Wissensmobilität erschwert den absoluten Schutz geistigenEigentums. Gleichzeitig verzeichnet der Markt für Venture Capital kontinuierlicheWachstumsraten. Für Unternehmen entsteht so die strategische Option, durchKapitalbeteiligungen an externen Forschungseinrichtungen und Start-ups relativflexibel und kurzfristig an deren Innovationspotenzial und innovativen Orga-nisationsstrukturen zu partizipieren.

Vorteile und Grenze von Innovationsnetzwerken

Der Hebeleffekt von Kooperationen im Innovationsprozess beruht auf derErweiterung der Spannbreite der Ideen- und Lösungsfindung. Ziel ist nicht nur, durchden Einbezug externer Akteure den Zugang zu Bedürfnisinformation zu verbessern,sondern auch einen erweiterten Zugang zu Lösungsinformation zu erhalten. “Closed”-Innovationsprozesse sind auf den kreativen Input und das Wissen einer relativ kleinenGruppe von Ingenieuren, Produktmanagern und anderen Mitgliedern desProduktentwicklungsteams beschränkt. Wird nun diese Gruppe um externe Akteureerweitert, können Ideen, Kreativität, Wissen und Lösungsinformation einer deutlichgrößeren Gruppe von Individuen und Organisation in den Innovationsprozess einflie-ßen − und damit Inputfaktoren erschlossen werden, die zuvor nicht für denInnovationsprozess zur Verfügung standen (siehe noch mal die Beispiele in Kasten 3–1und Kasten 3–3). Alle bislang angesprochenen Kooperationen und Netzwerke imInnovationsprozess beruhen dabei auf klassischen hybriden Koordinationsformen (z.B. Entwicklungskooperation mit Lieferanten) bzw. dem Einkauf der Leistung amMarkt (z. B. Innocentive). In diesen Fällen beherrscht ein fokales Unternehmen denInnovationsprozess und initiiert Beiträge externer Akteure, die dafür in der Regeleinen monetären Ausgleich bekommen.

3.2

119

Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

Abbildung 3–6: Closed versus Open Innovation nach Chesbrough (in Anlehnung anChesbrough 2003a)

MarktIdeen

Unternehmensgrenze

Unternehmensgrenze

MarktIdeen

Unternehmensgrenze

Unternehmensgrenze

neuerMarkt

Closed Innovation Modell Open Innovation Modell

Unternehmen entwickeln und kommerzialisieren ausschließlich Ideen, die unternehmensinternen Bereichen, insbesondere der Forschung und Entwicklung, entstammen.

Unternehmen kommerzialisieren neben unternehmensintern entwickelten Innovationen auch fremde Innovationen und gehen Innovationskooperationen mit Start-ups und unabhängigen Forschungseinrichtungen ein.

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Diese Art von interorganisationalen Netzwerken bleibt aber weiterhin in derVorstellung des “manufacturing-active paradigms”: Der Hersteller ermittelt durchden Einsatz klassischer Marktforschungsinstrumente potenzielle Kundenbedürfnisse,transferiert diese Bedürfnisinformationen der Kunden durch eigene Anstrengungenoder formale Kooperationen mit Partner in Lösungsideen und testet deren Akzeptanzund Potenzial iterativ in den nachfolgenden Innovationsphasen bis zur finalenMarkteinführung der Leistung. Der Abnehmer wird als repräsentative statistischeDurchschnittsgröße interpretiert. Ihm fällt die Aufgabe zu, Innovationsideen desHerstellers mit eigenen Bedürfnissen abzugleichen und seine individuelleNutzenfunktion zu artikulieren. Bedürfnisse des Kunden werden als latent(Bedürfnisinformationen) angesehen. Sie enthalten keine Anhaltspunkte, wie dieseslatente Bedürfnis in eine Lösung überführt werden kann (Lösungsinformation). ÜberLösungskompetenz verfügt ausschließlich der Hersteller bzw. sein formales Netzwerkan Partnern. Die Organisationsaufgabe (Koordination und Motivation) schließlichwird in diesem Innovationsnetwerk klassisch durch hierarchische oder marktlicheKoordinationsmechanismen gelöst.

3.2.3 Kunden als Quelle von Innovationen: VomManufacturer-Active zum Customer-Active Paradigm

Eine Vielzahl an empirischen Belegen weist jedoch darauf hin, dass die Vorstellung desmanufacturer-active paradigms unvollständig ist und der Gedanke vonInnovationsnetzwerken um einen weiteren zentralen Akteur erweitert werden muss:die Kunden bzw. Nutzer einer Leistung. Denn neben Lieferanten, Wettbewerbern undexternen Forschungseinrichtungen können auch die aktiven oder potenziellen Nutzerwichtige Quellen externen Wissens für den Innovationsprozess sein. Der Beitrag vonNutzern für den Innovationsprozess wurde vor allem durch den InnovationsforscherEric von Hippel im Rahmen des so genannten “customer-active paradigm” postuliert(von Hippel 1978a, 1978b, siehe von Hippel 2005 für eine Zusammenfassung derForschungsarbeiten in diesem Gebiet).

Anteile von Innovationen aus der Kundendomäne

Von Hippel analysierte für eine Vielzahl von Innovationsprojekten (in derIndustriegüterbranche), durch welche Partei (Hersteller, Kunde, Lieferant) die konkre-te Entwicklung angestoßen und in den ersten Schritten durchgeführt wurde. Dabeikommt er zu dem Ergebnis, dass viele Innovationsaktivitäten nicht ausschließlichdurch den Hersteller dominiert werden. Vielmehr entfällt ein signifikanter Anteil desInnovationspotenzials auf deren Kunden. Je nach Branche können zwischen knapp 20und 80 Prozent aller Neuproduktentwicklungen auf eine Idee (und oft auch erstenPrototyp) der Nutzer zurückverfolgt werden. Von Hippel (1998) und Shah (2000) nen-nen folgende Beispiele:

Traktorschaufeln: 6% der Innovationen wurden von den Nutzern entwickelt.

Plastikadditive: 8%

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Kabelverarbeitungsgeräte: 11%

Industriegasverarbeitung: 42%

Sportgeräte (z. B. Surfboards): 58%

Wissenschaftliche Messgeräte: 77%

Pultrusionsprozess: 90%

Dabei sind es in der Regel zudem nicht nur wenige “Serieninnovatoren”, die den Groß-teil der genannten Kundeninnovationen initiiert haben, sondern die Innovationstä-tigkeit verteilt sich auf viele verschiedene Nutzer innerhalb einer Branche. Die Tabellein Abbildung 3–7 fasst hierzu die Ergebnisse weiterer Studien zusammen, die alleNutzer eines Produktes gefragt haben, ob sie schon einmal eine innovative Idee umge-

3.2Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

Abbildung 3–7: Ausgewählte Studien zum Anteil innovativer Nutzer an allen Nutzern derProdukte einer Branche (verändert entnommen aus von Hippel 2005)

Beispiel Stichprobe Anteil an innovativen

Nutzer

Quelle

Industrieprodukte

CAD Software fürintegr. Schaltkreise

136 Angehörige von Nutzerfirmen 24.3% Urban / vonHippel 1988

Industrieinstallationen Angestellte in 74 Firmen, dieRohrinstallationen durchführen

36% Herstatt / vonHippel 1992

Bibl. Info-Systeme Bibliothekare in 102 australischenBibliotheken, die OPAC Systeme nutzen

26% Morrison etal. 2000

Medizintechnik 261 Chirurgen in dt. Universitätskliniken 22% Lüthje 2003a

Sicherheitsfeatures fürApache Web-ServerSoftware

131 technische versierte Nutzer(Webmasters)

19.1% Franke / vonHippel 2003

Konsumgüter

Outdoor Produkte 153 Empfänger eines Mail-Order-Katalogs für Trecking-Produkte

9.8% Lüthje 2004

"Extrem"Sportequipment

197 Mitglieder aus 4 Sportclubs inneuen Sportarten

37.8% Franke /Shah 2003

Mountain Biking 291 Mountain Biker in einer Region 19.2% Lüthje et al.2005

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setzt oder ein bestehendes Produkt weiterentwickelt (für den Eigengebrauch) haben.Wie die Tabelle zeigt, sind erstaunlich viele Nutzer innovativ tätig. Selbst im klassi-schen Konsumgüterbereich, in dem z. B. von Lüthje (2004) die Empfänger einesVersandkatalogs von Outdoor-Bekleidung befragt wurden, sind fast zehn Prozent allerKunden innovativ tätig! Der Beitrag der Kunden bzw. Nutzer bewegt sich dabei inner-halb eines Kontinuums von einer Bedarfserkennung über die Entwicklung erster kon-zeptioneller technischer Lösungen zur Befriedigung dieses Bedarfs bis hin zum Designund der Fertigung von Prototypen. Dem Hersteller kommt nun lediglich die Aufgabezu, den Kundeninput zu entdecken und zu prüfen und in ein Massenmarkt-kompati-bles Produkt zu überführen (von Hippel 1994).

Kundeninnovation als Folge ungestillter Bedürfnisse

Betrachtet man die Ergebnisse der in Abbildung 3–7 zusammengefassten empirischenStudien, zeichnet sich ein anderer Weg zu erfolgreicher Innovation ab, als es dem klas-sischen Vorgehen einer kundenorientierten Produktentwicklung auf Basis vonMarktforschung und “voice-of-the-customer”-Methoden entspricht: Anstatt dieKunden zu befragen, was denn ihre offenen Wünschen und Bedürfnissen seien unddiese Information dann in neue Produkte und Leistungen umzusetzen, ist eine andereMethode, bei den Kunden und potenziellen Nutzern direkt nach neuen Lösungen zusuchen. Kunden scheinen nach diesen Studien nicht nur als Subjekte von Befragungenbeizutragen, sondern eine weitaus aktivere Rolle zu haben: Wenn sie ein neuesBedürfnis haben, dass durch das aktuelle Angebot am Markt nicht oder nur unzurei-chend befriedigt werden kann, werden sie selbst aktiv und entwickeln eine eigeneLösung. Hierdurch ergibt sich eine wichtige Unterscheidung (von Hippel 2005):

Kunden- bzw. Nutzerinnovatoren profitieren von einer Entwicklung, indem siediese selbst nutzen, sei es im Rahmen des privaten Konsums oder zur Erstellunganderer Produkte oder Leistungen. Die Motivation zur Innovation ist in der Regelein ungestilltes eigenes Bedürfnis des Nutzerinnovators in Bezug auf die Nutzungdes zugrunde liegenden Produkts, das durch die Eigenentwicklung befriedigt wer-den soll.

Herstellerinnovatoren profitieren im Gegensatz dazu vom Verkauf der Innovationam Markt, sei es in Form neuer Produkte oder Lizenzen zur Nutzung der Techno-logie. Die Motivation zur Innovation ist die Wahrnehmung eines offenen (bzw.neuen) Bedürfnisses am Zielmarkt der Leistung.

Von Hippel (2005) plädiert deshalb für die Verwendung des Begriffs Nutzer anstattvon Kunden, da Nutzer und Käufer eines Produktes häufig zwei verschiedene Akteuresind. Wir werden jedoch im Folgenden beide Begriffe weiterhin synonym betrachten.

Das customer-active paradigm (CAP) sieht demnach den Kunden bzw. Nutzer alsQuelle und Initiator des Innovationsprozesses. Nutzer schaffen bzw. entdecken dem-nach ein neues Bedürfnis, sie entwickeln eine Idee, wie dieses Bedürfnis befriedigt wer-den könnte und übersetzen diese Idee dann in vielen Fällen in einen funktionsfähigenPrototypen, den sie oft in weiteren Stufen noch verfeinern und verbessern. Wenn derPrototyp ihr Bedürfnis befriedigt, ist für die meisten Kunden der Innovationsprozessbeendet. In anderen Fällen treten sie jedoch oft an einen Hersteller heran und übertra-

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gen ihm die Lösung mit der Hoffnung, dass der Hersteller sie in ein funktional besse-res Produkt überführt, da er Zugang zu besseren Fertigungsverfahren oder Materialienhat. In anderen Fällen “entdeckt” ein Hersteller die Verbesserung, Weiterentwicklungoder gar Neuentwicklung seiner Produkte bei seinen Kunden und überführt sie auseigener Initiative in ein marktfähiges Produkt, das dann einem größeren Markt ange-boten wird. In allen Fällen jedoch sind es die Kunden bzw. Nutzer, die als die eigent-lichen “Innovatoren” bezeichnet werden können (Abbildung 3–8).

3.2Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

Abbildung 3–8: Vom MAP zum CAP (in Anlehnung an von Hippel 1978a: 242)

• Analyse latenter Kundenbedürfnisse durch Kunden-befragungen

• Ideengenerierung durch den Hersteller

• Test der Akzeptanz der Ideen durch weitere Marktforschung

Stich-probe

GrundgesamtheitKunden Hersteller

Bedürfniserhebungund Test in

repräsentativer Stichprobe

Evaluierung der Idee des Kunden

ggfs. Kommerzialisierung

für alle Kunden

Hersteller

Kunde 2Kunde 1

Kunde 4Kunde 3

…Kunde 5

Kunde n

Kunden

Innovationeines Kunden

Manufacturer-Active-Paradigm

Customer-Active-Paradigm

Das customer-active paradigm (CAP) sieht den Kunden bzw. Nutzer als Quelle und Initiator desInnovationsprozesses. Im Gegensatz zur konventionellen Vorstellung des Innovationsprozess(manufacturer-active paradigm), in dem ein Hersteller via Marktforschung (oder Bauchgefühl)ein Bedürfnis der (potenziellen) Kunden zu erkennen versucht und dieses dann in eine Lösungüberführt, geht das CAP davon aus, dass die Nutzer selbst ein vorhandenes Bedürfnis durcheigene Aktivitäten lösen. Das heißt, sie entwickeln eine Idee, wie dieses Bedürfnis befriedigtwerden könnte und übersetzen sie dann meist auch in einem funktionsfähigen Prototyp.

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Unterschiede zwischen Kunden- und Herstellerinnovationen

In späteren Forschungsarbeiten hat von Hippel die Beiträge der Kunden genauererforscht. Wir haben bereits zuvor das Problem der Nutzung lokaler Information füreinen Problemlösungsprozess betrachtet. Genau dieses Phänomen tritt auch beiKundeninnovation auf. Kunden haben in der Regel oft implizite, aber sehr genaueKenntnis ihrer Bedürfnisse, sind allerdings in Bezug auf ihre Lösungsmöglichkeitenauf Wissen in ihrer Domäne beschränkt. Deshalb sind Nutzerinnovationen oft tech-nisch nicht so ausgereift wie Innovationen von Herstellern, die in der Regel deutlichbesseres Verfahren- und Produktionswissen haben (ein gutes Beispiel liefert die inKasten 3–4 beschriebene Erfindung von “Tipp-Ex” durch eine Sekretärin aus Dallas).Dies erklärt auch die empirische Beobachtung, dass Innovationen aus derHerstellerdomäne oft Verbesserungsinnovationen sind, während Kundeninnova-tionen funktional neue Anwendungen sind (Riggs / von Hippel 1994; von Hippel2005). Dieser beschränkte Fokus auf lokal vorhandenes Bedürfnis- und Lösungsinfor-mation führt nun zu zwei wesentlichen Situationen:

Innovative Kunden entwickeln eine neue Lösung für ein neues Problem, das dieHersteller bislang noch nicht betrachtet haben. Sie verwenden dabei aber nur kon-ventionelle Verfahren, die nicht dem “State-of-the-Art” entsprechen und dann vomHersteller in eine bessere Lösung überführt werden. In diesem Fall treten oft dieKunden an einen Hersteller heran mit der Bitte, eine neue Lösung professionellherzustellen. Da sie in erster Linie die Innovation nutzen wollen, kommt es zumPhänomen des “Free Revealings” (siehe Abschnitt 2.4.4)

In einem zweiten Fall aber haben die Kunden neben der Bedürfnisinformation auchZugang zu innovativer Lösungsinformation. Im Falle industrieller Kunden verwen-den sie beispielsweise in ihren eigenen Produktionsprozessen bereits einen neuenWerkstoff oder eine neue Bearbeitungsmethode, die sie dann auch für die Lösungihres eigenen Bedürfnisses heranziehen. Damit erweitern sie oft auch denLösungsraum des originären Herstellers (siehe Abschnitt 2.4.2). Ein Beispiel fürdiesen Fall wäre ein Materialwissenschaftler, der gleichzeitig begeisterterMarathonläufer ist. Er hat Probleme mit den Dämpfungseigenschaften seinerSchuhe. Da er aber in seinem Beruf mit einem innovativen Gummi experimentiert,kommt er auf die Idee, diesen Gummi in eine selbstgebaute Innensohle seinesSchuhs einzubauen.

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

(Quelle: Auszug aus einem Beitrag von Merry Bellis auf About.com [inventors.about.com])

Bette Nesmith Graham never intended to be an inventor; she wanted to be an artist. However,shortly after World War II ended, she found herself divorced with a small child to support. She lear-ned shorthand and typing and found employment as an executive secretary. An efficient employee

Kasten 3–4: Portrait of a User Innovator: How Bette Nesmith Graham (1922-1980)invented Liquid Paper (white-out liquid like Tipp-Ex)

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Fortschrittliche und weniger fortschrittliche Nutzer: Lead User

Andere Forschungsarbeiten zeigen jedoch, dass nicht alle Kunden bzw. Anwenderfähig und bereit sind, eigenständig Innovationen hervorzubringen (Shah 2000; vonHippel 1998). Die Gegenüberstellung von Studien in Abbildung 3–7 über die Anteileinnovativer Kunden zeigt, dass je nach Branche zwischen zehn und fast vierzigProzent aller Nutzer in der Weiterentwicklung, Modifikation oder Verbesserungeines vorhandenen Produktes engagiert sind oder sogar völlig neue Produkte entwer-fen (Lüthje / Herstatt / von Hippel 2005). Doch dies bedeutet auch, dass in vielenBranchen der Großteil der Kunden noch der klassischen Arbeitsteilung zwischenKunden und Herstellern folgt: Kunden konsumieren, Hersteller innovieren und pro-duzieren. Jedoch gibt es in fast allen Branchen. wenn auch mit stark unterschiedlichenAnteilen, bestimmte Kundengruppen, die als besonders fortschrittliche Kundenbezeichnet werden können. Diese in der englischsprachigen, aber auch deutschenLiteratur als “Lead User” bezeichneten Nutzer haben zwei wesentliche Eigenschaften(von Hippel 1986, 1994; siehe auch Braunstein / Hoyer / Huber 2000; Herstatt / vonHippel 1992; Herstatt / Lüthje / Lettl 2002; Kleinaltenkamp / Dahlke 2001; Lilien et al.2002; Lüthje 2003c; Lüthje / Herstatt 2004; Urban / von Hippel 1988; von Hippel /Thomke / Sonnack 1999):

Zu einem Zeitpunkt t verfügen Lead User bezüglich ihrer Anforderungen an einProdukt über ein Bedürfnis, welches sich durch kein existierendes Marktangebotbefriedigen lässt. Ihr singuläres Bedürfnis wird zum Zeitpunkt t+1 für einen mehr oderweniger großen Kundenkreis ebenfalls relevant.

3.2

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Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

who took pride in her work, Graham sought a better way to correct typing errors. She remembe-red that artists painted over their mistakes on canvas, so why couldn’t typists paint over their mista-kes? Bette Nesmith Graham put some tempera water based paint, colored to match the stationeryshe used, in a bottle and took her watercolor brush to the office. She used this to correct her typingmistakes… her boss never noticed. Soon another secretary saw the new invention and asked forsome of the correcting fluid. Graham found a green bottle at home, wrote “Mistake Out” on a label,and gave it to her friend. Soon all the secretaries in the building were asking for some, too.

In 1956, Bette Nesmith Graham started the Mistake Out Company (later renamed Liquid Paper)from her North Dallas home. She turned her kitchen into a laboratory, mixing up an improved pro-duct with her electric mixer. Graham’s son, Michael Nesmith, and his friends filled bottles for hercustomers. Nevertheless, she made little money despite working nights and weekends to fillorders. One day an opportunity came in disguise. Graham made a mistake at work that she could-n’t correct, and her boss fired her. She now had time to devote to selling Liquid Paper, and busi-ness boomed.

By 1967, it had grown into a million dollar business. In 1968, she moved into her own plant andcorporate headquarters, automated operations, and had 19 employees. That year Bette NesmithGraham sold one million bottles. In 1975, Liquid Paper moved into a 35,000-sq. ft., internationalheadquarters building in Dallas. The plant had equipment that could produce 500 bottles a minu-te. In 1976, the Liquid Paper Corporation turned out 25 million bottles. Its net earnings were $1.5million. (…) Graham died in 1980, six months after selling her corporation for $47.5 million.

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Ihr unbefriedigtes Bedürfnis äußert sich in einer Unzufriedenheit mit dem bisherigenMarktangebot. Um dieser zu begegnen, haben Lead User sowohl die Fähigkeit als auchdie Motivation, eigenständig innovative Lösungen zu entwickeln.

Ein Beispiel wäre ein Meister in einer Fabrik, der als erster einen neuen Werkstoff ein-setzt und dabei merkt, dass eine bestehende Maschine bestimmte Ansprüche bei derBearbeitung dieses Materials nicht erfüllt. Die Vertriebsabteilung der Fabrik hat denMeister zum Umgang mit dem Material aufgefordert, um neue Sicherheits-bestimmungen in einem Exportmarkt erfüllen zu können. Der Meister schafft es abernicht, mit der bestehenden Maschine den Werkstoff angemessen zu verarbeiten. Durchden Druck der Vertriebsabteilung könnte er aber zum Beispiel mit verschiedenenEinstellungen oder Modifikationen der Maschine experimentieren, um den neuenWerkstoff besser verarbeiten zu können. Diese Aktivitäten finden entweder autonomin der Domäne des Nutzers statt und bleiben dem Hersteller (in unserem Fall demMaschinenbauer der Bearbeitungsmaschine) unbekannt, können aber auch inKooperation mit dem Hersteller stattfinden. Das Beispiel zeigt auch, dass ein LeadUser nicht eine einzelne Person sein muss, sondern durchaus ein Kollektiv verschiede-ner Akteure in der Nutzerdomäne sein kann (in unserem Fall liegt die ursprünglicheBedürfnisinformation in der Vertriebsabteilung; die Problemlösungskompetenz aberbeim Meister). Die Argumentation in Abschnitt 3.5.4 über Communities als Quellevon Innovationen setzt genau hier an.

Lead User verfügen so über Bedürfnisinformationen hinsichtlich einer Leistung.Während diese Bedürfnisinformationen bei durchschnittlichen Kunden latent sind,sind Lead User in der Lage zu definieren, welche Faktoren diese Unzufriedenheit her-vorrufen (der Lead User leistet so einen Transfer, welchen Unternehmen traditionellintern durch das “House of Quality” in der QFD-Methodik zu realisieren versuchen,siehe Abschnitt 3.2.1). Neben diesen expliziten Bedürfnisinformationen halten LeadUser jedoch zusätzlich auch Lösungsinformationen. Im engeren Sinne handelt es sichbei Lead Usern somit um (potenzielle) Kunden einer Unternehmung, die alsEigenentwickler selbständig im Markt auftreten, um ihre individuellen Bedürfnisse zubefriedigen. Speziell die eigene Unzufriedenheit mit dem bisherigen Marktangebotsorgt dabei für die notwendige Motivation unter Lead Usern. Diese Motivation ist vorallen dann von zentraler Bedeutung, wenn Lead User ihre innovativen Produkte vonGrund auf eigenständig planen, konzipieren und entwickeln, da ein solcher Prozessaus Sicht eines Lead Users durchaus mit hohem Aufwand verbunden ist. Wir werdenin Abschnitt 3.3.1 diese Eigenschaften innovativer Kunden noch genauer betrachten.

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Lead User haben früher als die Mehrheit eines Zielmarktes ein persönliches Bedürfnis für einebestimmte Problemlösung (ein Produkt, ein Bearbeitungsprozess, ein bestimmtes Materialetc.), und erwarten sich einen hohen persönlichen Nutzen von diesen Neuentwicklungen. LeadUser antizipieren demnach frühzeitig innovative Leistungseigenschaften, die für andereKunden erst sehr viel später relevant werden. Lead User haben darüber hinaus aber auch dieFähigkeiten, eine voll funktionsfähige Lösung für ihre Bedürfnisse zu entwickeln. Sie besitzenalso nicht nur Bedürfnis-, sondern auch gleichermaßen Lösungsinformationen.

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Demokratisierung von Innovationen

Wir wollen aber im folgenden Abschnitt die bisherige Argumentation zunächst nochum einen wichtigen Schritt erweitern: Der klassische “Lead-User”-Ansatz geht voneiner mehr oder weniger strikten Trennung der Aktivitäten von Hersteller und Nutzeraus: Kunden, die selbst innovativ tätig werden, tun dies aus eigenem Antrieb, aberauch auf eigene Kosten und mit eigenen Mitteln, ohne Kooperation mit dem Herstellerdes Produkts. Jedoch werden einige Hersteller auch von sich aus aktiv. Sie haben dasinnovative Potenzial ihrer Kunden erkannt und versuchen dieses, proaktiv zu nutzen.Diese Hersteller warten nicht, bis innovative Kunden mit einer Lösung auf sie zukom-men oder sie zufällig eine solche in der Kundendomäne entdecken, sondern werdenvielmehr selbst aktiv und versuchen, gemeinsam mit ihren Kunden und Nutzern, neueinnovative Produkte zu schaffen.

Die Grundidee ist die Erweiterung der Akteure in einem Innovationsnetzwerk um diewichtige Gruppe der Kunden, die in der klassischen Argumentation keine Rolle spie-len. Die Vorstellung eines “offenen Innovationsprozesses” (z. B. bei Chesbrough 2003a)propagiert zwar den Einbezug vieler externer Partner als Quelle für innovativeLösungen, ließ aber die Kunden und Nutzer meist außen vor. Doch erst wenn Her-stellerunternehmen gerade auch aktiv ihre Kunden und Nutzer in die Produktent-wicklung mit einbeziehen (und nicht nur externe “Experten”), kann das wahrePotenzial eines verteilten, offenen Innovationsprozess genutzt werden. Von Hippelspricht in diesem Zusammenhang von einer Demokratisierung der Innovation (vonHippel 2005), wie das Interview in Kasten 3–5 erläutert.

3.2Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

Professor Eric von Hippel leitet die Technological Innovation and Entrepreneurship Group an derMIT Sloan School of Management. In einem Interview kommentiert er über einige der zentralenGedanken seines Buches “Democratizing Innovation” (MIT Press, 2005). Das Buch ist imInternet unter einer Creative Common Lizenz auch als freies Pdf-Download bei MITPress.comerhältlich.

Q: Professor von Hippel, what do you mean when you say innovation is becoming democratized?

A: I mean that product and service users – both individuals and firms - are increasingly able toinnovate for themselves. Open source software has brought this phenomenon to general acade-mic attention. However, I and my colleagues find that innovation is actually being democratizedquite broadly: this is the case for physical products as well as information products like software.I think that this trend is a “good thing.” It seems to me that user-centered innovation processesoffer great advantages over the manufacturer-centric innovation development systems that havebeen the mainstay of commerce for hundreds of years. Users that innovate can develop exact-ly what they want, rather than relying on manufacturers to act as their (often very imperfect)agents. Moreover, individual users do not have to develop everything they need on their own:they can benefit from innovations developed by others and freely shared within user communi-ties.

Q: Why is user innovation growing?

Kasten 3–5: Ein Interview mit Eric von Hippel, MIT, über die Demokratisierung vonInnovation

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3.2.4 Open Innovation: Ein ZwischenfazitFassen wir die bisherige Argumentation zusammen: In der Sichtweise des klassischenInnovationsprozess (manufacturer-active paradigm) beschränkt sich die Rolle desKunden auf die eines passiven Nachfragers. Unternehmen ermitteln durchMarktforschungsmethoden durchschnittliche Kundenbedürfnisse. Kunden werdennur nach Aufforderung durch den Hersteller aktiv. Das customer-active paradigmerweitert diese Sichtweise: Demnach verfügen ausgewählte, besonders fortschrittlicheNutzer eines Produkts (“Lead User”) neben Bedürfnisinformationen auch über

3

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

A: Users develop products for themselves when they cannot find what they want on the market.Available data indicates that user need is highly heterogeneous – many users have “custom”needs. Advances in computing and communication technologies are enabling users with customneeds to design and build what they want for themselves at steadily lower prices. This leads toincreasing levels of innovation by users. Indeed, levels of user innovation appear to be remarkab-ly high. Empirical research conducted by Luthje, Franke and Shah and others finds that from 10 %to nearly 40 % of sampled users engage in developing or modifying products in various fields.

Q: Why does innovation by users matter?

A: Innovation by users matters for two major reasons. First, users that innovate – both individualconsumers and user firms - have been found to be “lead users.” That is, relative to other users intheir populations they are ahead of the majority with respect to an important marketplace trend andexpect to gain relatively high benefits from a solution to their leading-edge needs. The correlationsfound between innovation by users and these lead user characteristics are highly significant, andthe effect sizes found are also very large. This means that the innovations users develop for them-selves will be of interest to many users. Second, it has been found that users that innovate oftenfreely reveal what they have developed. This means that other users – and manufacturers – areable to imitate what lead users have developed. The net result is that manufacturers often do pro-duce innovations pioneered by lead users. Indeed, these innovations are a major feedstock for thenew products that manufacturers produce and sell to the general marketplace.

Q: So, do manufacturers like user innovation?

A: Not all of them! The ongoing shift of product development activities from manufacturers to usersis painful and difficult for many manufacturers. Open and distributed innovation is “attacking” amajor structure of the traditional division of labor. Many firms and industries must make fundamen-tal changes to long-held business models in order to adapt.

Q: These fundamental changes seem to imply also changes for governments and legislation.

A: Yes. Together with Joachim Henkel I have explored the social welfare implications of user inno-vation. We found that, compared to a world in which only manufacturers innovate, social welfareis very probably increased by the presence of freely-revealed innovation by users. This findingimplies that policymaking should support user innovation, or at least should insure that legislationand regulations do not favor manufacturers at the expense of user-innovators. Governmental poli-cy and legislation have long contained the assumption that manufacturers are the developers ofnew products and services. As a result, innovation-related government incentives have sometimesbeen directed preferentially to them. Social welfare considerations suggest that this must change.Especially, the workings of the intellectual property system are of special concern. But, despite thedifficulties, it seems to me that the goal of a democratized user-centric innovation system appearswell worth striving for!

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Lösungsinformationen. Sie schaffen aus eigenem Antrieb und mit eigenen Mittelninnovative Produkte und Leistungen.

Abgrenzung Open Innovation und “Voice of the Customer”

Die Existenz einer solchen Kundengruppe fordert eine Ergänzung der klassischenMethoden testender Innovationsmarktforschung bzw. “Voice of the Customer”-Methoden im Sinne des manufacturing-active paradigm (MAP):

Marktforschung im traditionellen Innovationsprozess behandelt den Kunden alsrepräsentative, statistische Durchschnittsgröße. Kunden mit besonders neuenBedürfnissen verlieren somit an Bedeutung oder werden durch das Unternehmennicht erkannt (da sie ja gerade nicht die Bedürfnisse der aktuellen Mehrheit derKunden haben, sondern neue Bedürfnisse, die die Mehrheit ggfs. erst in einer derfolgenden Perioden entwickelt).

Die Nutzung von Kundenwissen erstreckt sich bei klassischer Marktforschungnicht auf den gesamten Innovationsprozess. Bedürfnisinformation der Kunden wirdmeist nur in der Phase der Ideengenerierung sowie Markteinführung verwendet.

Viele Probleme der Marktforschung im Innovationsprozess resultieren zudem ausder Tatsache, dass neue Bedürfnisse oft “sticky” und in der lokalen Domäne derKunden sind, d. h. nicht einfach oder nur zu hohen Kosten durch einen Herstellerzu erkennen und in die eigene Domäne zu überführen sind.

Die Erkenntnis der Lead-User-Forschung hat diese Sichtweise ergänzt (Abbildung3–9). Innovative Kunden im Sinne von Lead Usern werden dann aus eigenem Antriebinnovativ tätig, wenn die Mehrheit der Kunden (also genau die “Zielgruppe” vonHerstellern!) dieses Bedürfnis noch nicht haben. Deshalb greifen auch Methoden zukurz, die diese klassischen Zielkunden nach ihren offenen Bedürfnissen befragen.Vielmehr müssen Unternehmen versuchen, Lead User zu identifizieren und ihreInnovationen in die Unternehmensdomäne zu übertragen. Ein Unternehmen, dasLead-User-Entwicklungen erkennt, muss nicht mehr unbedingt das ursächlicheBedürfnis (Problem) der Kunden erkennen, sondern bekommt unmittelbar Zugang zueinem Artefakt, das bereist eine Lösung zur Bedürfnisbefriedigung erhält. Damitwird der schwierige Zugang zu “sticky” Information durch den Zugang zu einerLösung ersetzt.

Dieses Vorgehen ist deutlich auch von neuen “Voice of the Customer”-Verfahren wieQFD oder die als “Listening in” bzw. “Virtual Customer” bezeichneten Methodenabzugrenzen (Dahan / Hauser 2002; Herrmann et al. 2000; Toubia / Hauser / Simester2004; Urban / Hauser 2003). Diese Verfahren stellen zwar sehr leistungsfähige unddeutlich erweiterte Methoden zur Verfügung, wie Unternehmen die Bedürf-niserhebung und den Akzeptanztest verbessern können. Sie verbleiben jedoch im MAPund entsprechen nicht unserer Auffassung von interaktiver Wertschöpfung.

Vom klassischen Lead-User-Ansatz zu Open Innovation

In der Wissenschaft ist Nutzerinnovation als autonomes Phänomen seit langem er-forscht (z. B. Anderson / Crocca 1993; Ciborra 1991; Cooper 1993; Enos 1962; Freeman

3.2

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Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

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1968; Herstatt / von Hippel 1992; Rice / Rogers 1980; Rosenberg 1976; von Hippel 1986).Diese Studien haben die Existenz fortschrittlicher Nutzer und Kunden ebenso belegtwie ihre wichtige Rolle als Urheber und Initiator vieler innovativer Produkte undLeistungen, die heute von Herstellern im Markt angeboten werden. Diese Forschung –und die konventionelle Vorstellung des Lead Users als ein vom Herstellerunternehmenunabhängiger Innovator – erweitert die konventionelle Vorstellung des Innovations-prozesses um die Sichtweise eines offenen Problemlösungsvorganges, der den Inputvieler Akteure beinhaltet.

Jedoch sehen sowohl diese originären als auch die recht umfangreichen neuerenForschungsarbeiten zu innovativen Nutzern (aktuell zusammengefasst in von Hippel2005) die Rolle des Herstellerunternehmens als relativ passiv: Unternehmen warten,

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130

Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–9: Gegenüberstellung des Lead-User-Gedankens und des klassischen “Voice ofthe Customer”-Konzepts (in Anlehnung an von Hippel 2005)

Zahl der Kunden mit

diesem Bedürfnis

Kunden im Zielmarkt

LeadUser

Zeit

Methoden der Lead User Innovation

Generelle Idee• Identifizierung aller Lösungen (Prototypen),

die Lead User zur Eigennutzung entwickelt haben.

• Kommerzialisierung der Entwicklungen, die am meisten Erfolg im Gesamtmarkt versprechen.

Spezielle Instrumente• Methoden zur Identifikation von Lead Usern• User Toolkits um Kundenentwicklungen zu

unterstützen und Transfer zu vereinfachen• Arbeit mit Kunden-Communities

Nur Lead User Prototypen erhältlich

Kommerzielle Versionen des Produktes erhältlich

"Voice of the Customer"-Methoden

Generelle Idee• Marktforschung, um Bedürfnisse der Kunden

im Zielmarkt zu finden.• Interne Entwicklung passender Produkte und

Leistungen.

Spezielle Instrumente• Umfrage, Fokusgruppen, Beobachtung von

Kunden, Tiefeninterviews• Multiattribut Analyse der Bedürfnisinfor-

mation (z.B. Conjoint Analyse)• Ethnographische Studien der Kunden• Quality Function Deployment

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bis ein Lead User mit einer innovativen Lösung an sie herantritt, oder aber sie suchennach Lead-User-Lösungen unter ihren Kunden. Die Entwicklung der Lead-User-Innovation wird aber sowohl durch den Kunden bzw. Nutzer initiiert als auch auto-nom durchgeführt – mit Produktionsfaktoren, die sich allein in der Domäne des Nut-zers befinden. Unsere Vorstellung von interaktiver Wertschöpfung im Innovations-bereich geht einen Schritt weiter: In Ergänzung zum “klassischen” Lead-User-Ansatzgehen wir davon aus, dass Kundeninnovation ein Vorgang ist, der durch einHerstellerunternehmen aktivierbar und (zumindest teilweise) steuerbar ist (Piller2004; siehe auch Gassmann / Enkel 2004; Jeppesen / Molin 2003; Piller 2003; Prahalad /Ramaswamy 2004).

Denn Hersteller können nicht nur nach Kundenentwicklungen im Sinne von funk-tionsfähigen Prototypen der Lead User suchen, sondern auch versuchen, mittelsbestimmter Hilfsmittel Lead-User-Innovationen zu unterstützen oder gar anzuregen(z. B. mittels “Toolkits for User Innovation”, siehe Abschnitt 3.5). Ziel ist die Erwei-terung bzw. Neudefinition des Lösungsraumes des Herstellerunternehmens. DieAnwendung dieser Methoden wandelt so den klassischen Lead-User-Ansatz, der vonautonom handelnden Kunden ausgeht, in eine Strategie der interaktiven Wert-schöpfung (Kooperation zwischen Hersteller und Kunden). Damit kann die Zahl derpotentiellen Kunden, die sich für eine Integration in den Innovationsprozess eignen,ggfs. deutlich erhöht werden, da die Hürde zur Partizipation an Problemlösungs-aktivitäten gesenkt wird. Wir verwenden im Folgenden den Begriff Open Innovationals Konkretisierung der Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung im Innovations-prozess. Dies erfolgt im Rahmen eines losen, relativ informellen Netzwerks partizipa-tiver Koordination zwischen einem Herstellerunternehmen und einer Vielzahl (poten-zieller) Nutzer bzw. Kunden, mit den Ziel, gemeinsam neue Produkte oder Leistungenzu entwickeln.

Open Innovation im Verständnis dieses Buchs

Open Innovation bezeichnet so die systematische Integration von Kundenaktivitätenund Kundenwissen in einzelne oder (im Extremfall) alle Phasen des Innovationspro-zess. Auf diese Weise entsteht zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden eineWertschöpfungspartnerschaft, die durch eine integrierte System- und Problemlösungs-kompetenz charakterisiert ist. Kunden werden selbst aktiv und konkretisieren ihrimplizites Wissen über neue Produktideen und Konzepte, unter Verwendungbestimmter Hilfswerkzeuge des Unternehmens (Piller 2004). Produktionstheoretischbetrachtet bedeutet Open Innovation einen Transfer von Produktionsfaktoren(Ressourcen) vom Kunden zum Unternehmen. Bei den eingebrachten Ressourcen han-delt es sich um Informationen und Anforderungen an ein Produkt sowie umFähigkeiten der Konkretisierung und Realisierung von Problemlösungen.

Bildhaft vollzieht sich dieser Interaktionsprozess nach dem Phasenmodell von derIdeengenerierung über die Konzeptentwicklung bis hin zur Prototypen-Entwicklungund mündet schließlich aus der Sicht des Kunden in der Phase der Problemlösung. DerOpen-Innovation-Ansatz ist insoweit ein ergänzender Ansatz zum herkömmlichenInnovationsmanagement. Produkt- und Markttest sowie Markteinführung werdenaus Sicht des Herstellers nicht überflüssig, laufen jedoch wegen der Kundeninteraktion

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Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

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in den vorherigen Phasen nach einem anderen Muster und mit einem erheblich gerin-geren Marktrisiko ab. Dabei tritt neben die klassischen OrganisationsprinzipienHierarchie und Markt vor allem auch das neue Organisationsprinzip einer“Commons-based Peer-Production” (Selbstselektion, Mikrospezialisierung undSelbstintegration) als Instrument zur Koordination der arbeitsteiligen Wertschöpfung.

Der Begriff Open Innovation ist in diesem Zusammenhang auch eine Anspielung aufden Begriff Open Source Software, deren Entwicklungsprinzipen ebenso auf diesemNetzwerk von Nutzern beruhen. Hier besteht auch eine enge Verbindung zumSchlagwort “Web 2.0”, das neue Wertschöpfungsprinzipien von Informationsgüternim Internet bezeichnet, wie Patricia Seybold in Kasten 3–6 erklärt.

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Open Innovation bezeichnet eine interaktive Wertschöpfung im Innovationsprozess, indemein Herstellerunternehmen mit ausgewählten Kunden bzw. Nutzern gemeinschaftlichInnovationen generiert. Dies erfolgt durch gezielte, jedoch relativ informale und vor allem par-tizipative Koordination des Interaktionsprozesses zwischen Hersteller und einer Vielzahl anKunden und Nutzern. Dabei kommt es zu einer systematischen Integration von Kundenak-tivitäten und Kundenwissen innerhalb eines Kontinuums von einer Ideengenerierung über dieEntwicklung erster konzeptioneller technischer Lösungen bis hin zum Design und der Fertigungerster Prototypen. Zur Koordination der arbeitsteiligen Wertschöpfung tritt dabei neben die klas-sischen Organisationsprinzipien Hierarchie und Markt vor allem auch das neue Organisa-tionsprinzip einer “Commons-based Peer-Production” (Selbstselektion, Mikrospezialisierungund Selbstintegration).

(Quelle: Auszug aus einem Posting vom 17. Nov. 2005 im Blog Outside Innovation [outsideinno-vation.blogs.com] von Patricia Seybold)

Chris Nuttall’s comment and analysis in the Financial Times on November 17, 2005 titled, “Way ofthe Web: Start-ups Map the Route as Big Rivals Get Microsoft in Their Sights” does a great job ofsummarizing the challenge that’s facing Microsoft and other established industry leaders by Web2.0. Chris describes the challenge this way: “A new wave of internet development is drawing onestablished software tools to offer a more dynamic online experience at low cost.” He describesthe new wave of startups enabled and empowered by Web 2.0 technologies and principles (…)

Chris Nuttall cites Bill Gates’ October 30th memo to Microsoft employees in which Bill said “Thisnext generation of the internet is being shaped by its grassroots adoption and popularisationmodel.” He cited the Ray Ozzie memo from October 28th in which Ray described the “tremendoussoftware-and-services activity (that) is occurring within start-ups and at the grassroots level.” Chriscites a raft of now-famous companies as examples of this Web 2.0 phenomenon-companies likeFlickr, Rollyo, Jotspot Live, Wikipedia, Writely.com, and Flock as examples of Web 2.0 companies.He refers to the enabling influence of Google’s AdSense in fueling an advertising-supported busi-ness model that enables these startups to get off the ground in an earn-as-you-go fashion. He talksabout the fact that we’re back to the two guys in a garage model of business startups. Instead ofraising millions of dollars and spending a year or two on product development, this new wave of

Kasten 3–6: What’s Really Up with Web 2.0: Customer Innovation and Design It Yourself

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Neue Erfolgsfaktoren im Innovationsprozess

Das neue Verständnis von Open Innovation verlangt auch eine Erweiterung der klassi-schen Erfolgsfaktoren von Innovation (siehe Beginn von Abschnitt 3.2.1). Dieser Ansatzeines grenzüberschreitenden Innovationsprozesses verlangt vom Unternehmen wieauch vom externen Partner (Kunde, Nutzer, Wettbewerber) Interaktionskompetenz.Aufbauend auf die Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung (siehe Abschnitt 2.4.1)

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Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess

entrepreneurs invests tens of thousands of dollars, roll out quickly-built software tools (many ofthem developed on top of open source piece parts), and rely on grass roots innovation and itera-tive development to add functionality and gain traction. He offers a great little Web 2.0 Glossarywith terms like “mash-ups”-”Services created by mashing together two or more Web applications,”and cites all the Google Map-based applications as a great example of the genre-and Ajax (asyn-chronous Java Script and XML), RSS, and tagging.

Here’s what I see. Watching the buzz over the Web 2.0 phenomenon reminds me of the Web /Internet / ecommerce / ebusiness buzz in 1998. Then, as now, there was a huge amount of hype.Then, as now, people were combining a group of intersecting trends into a single exciting bucket.Many companies had their first or second generation Web sites. Consumer ecommerce was thebig new thing. Disintermediation was all the rage. “Get big fast” was the prescription for early Web-based businesses. Everyone was confused about the differences between ecommerce and ebu-siness. Upstart Netscape was all the rage. Microsoft was just waking up to the threat and possibi-lities of the Internet. That was when I published Customers.com. The timing was perfect. That bookbecame a lightning rod. It cut through the hype and offered one simple prescription: Use the Webto “make it easy for your customers to do business with you.”

Now, with a sense of deja vu, I’m looking at this current next generation of rich Internet client tools,granular plug-in-and-use services, end-user tagging, blogging, Wikis, social networking, and mas-sively multiplayer gaming, and what do I see? I see customers co-designing their own productsand services. I see customers contributing and building upon each others’ content, designs, solu-tions, and knowledge. I see customers rolling up their sleeves and redesigning our business pro-cesses and business models. In this new “Design It Yourself” world, end customers have becomethe innovators. They’re the designers of applications, the contributors of content, the customizersof products and services, the promoters of ideas, the inventors of new business models, the buil-ders of entire ecosystems and the change agents for industries. What’s the real business driver inWeb 2.0? Use Web tools to unleash customer innovation to let your customers co-design yourbusiness.

By the way, this DIY phenomenon isn’t a Web-only phenomenon. It’s much broader than that.Customers all over the world are customizing their own cars (Scion), toys (Build-a-Bear), apparel(Lands’ End), backpacks (Timbuk2, L.L. Bean). Customers are selecting and selling products(Karmaloop). They’re co designing their own products (GE Labs, 3M, St. Gobain, NationalSemiconductor). Our clients’ customers are co-designing business processes to support their idealscenarios (Symantec, Toro, Amazon, Sprint, Expedia). Customers are challenging businessmodels (music, publishing, entertainment) and reshaping industries (customized drugs, do-it-your-self group travel, etc.). The pattern that I see is an amazing combination of “having it my way” andsharing my designs and innovations with others. Customers build on each others’ inventions andideas. Customers start by solving their problems, and then share those solutions with others. Theycreate something that works for them-a playlist, a Podcast, a photo album, an itinerary, a restau-rant review-and offer it back to the community to build upon. As they do, they feel good aboutmaking life better for everyone. Customer innovation is at the heart of the Web 2.0 phenomenon.

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beherrschen die folgenden Faktoren einen erfolgreichen Innovationsprozess im Sinneder interaktiven Wertschöpfung:

Erschließung des Kundenwissens als Ressource,

gemeinsame Generierung von Bedürfnisinformationen und Lösungsinforma-tionen,

Reduzierung des Innovationsrisikos durch frühzeitige Integration des Kunden,

Auswahl geeigneter Kunden (sog. Lead -User-Konzept),

die Gestaltung des Innovationsprozesses über die Unternehmensgrenzen hinaussowie

die Bereitstellung von Kommunikationsplattformen und Werkzeugen, die dieKundenintegration in den Innovationsprozess ermöglichen und für alle Akteureattraktiv werden lassen.

Wir werden diese Aspekte in den restlichen Abschnitten dieses Kapitels noch weiterbetrachten. An dieser Stelle sei jedoch schon angemerkt, dass im Gegensatz zur klassi-schen Erfolgsfaktorenforschung eine empirische Überprüfung dieser Erfolgsfaktoreninteraktiver Wertschöpfung erst am Anfang steht.

Grenzen der Umsetzung interaktiver Wertschöpfung

Allerdings wird nicht jede Art von Open Innovation alle Prinzipien der interaktivenWertschöpfung, die wir in Abschnitt 2.4 diskutiert haben, vollständig verwirklichen.Dort wurde insbesondere mit dem Modell der “Commons-based Peer Production” derIdealtyp einer neuen Art der Organisation arbeitsteiliger Wertschöpfung beschrieben.Bei den in der betrieblichen Realität heute bereits vorhandenen Beispielen von OpenInnovation vollzieht sich dagegen die Integration von Kundenbeiträgen oft noch imRahmen hierarchischer Arrangements – insbesondere, wenn es sich um materielleGüter handelt, bei denen höhere Ansprüche an die Produktionsausstattung zurErstellung der Produkte gestellt werden (siehe für ein aktuelles Beispiel aus derIndustrie Lang 2005). Auch werden die resultierenden Entwicklungen oft unter denproprietären Schutz des fokalen Herstellerunternehmens gestellt (mittels klassischerSchutzrechte). Ziel unserer Ausführungen ist es deshalb, in den folgenden Abschnittenein realistisches Bild einer interaktiven Wertschöpfung im Innovationsbereich zuzeichnen, dass mit der heutigen Wirklichkeit übereinstimmt. (Kasten 3–6 hat dagegengezeigt, dass bei Informationsgütern die Idee der Commons-based Peer Productionheute schon viel eher umzusetzen ist).

Weiterhin ist wichtig zu betonen, dass Open Innovation vorhandene Praktiken imInnovationsmanagement ergänzt, sie aber nicht ersetzt. Die Interaktion mit den Kun-den im Innovationsprozess erleichtert den Zugang zu Bedürfnis- und Lösungsin-formation und kann so Unsicherheiten im Innovationsprozess reduzieren. Es wird aberweiterhin Bereiche geben, in denen die interne Organisation und der interne Vollzugvon Innovationsaktivitäten einen Vorteil gegenüber offenen Innovationsprozessenhaben. Auch gibt viele Beispiel, bei denen Unternehmen sehr erfolgreich ohne größereMarktforschungsaktivitäten und nur aus eigener Kraft hoch erfolgreiche Produkte ent-

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wickelten und am Markt platzieren konnten, die entweder auf einer besonders hohentechnischen Kompetenz, einer hohen Qualität (auch in Hinblick auf die Bedienbarkeit)und/oder anderen Kriterien der ergonomischen Leistungsfähigkeit oder aber auf hedo-nistischen Kriterien wie dem Markennamen oder einem ansprechenden ästhetischenDesign beruhen. Open Innovation ersetzt diese Praktiken nicht, sondern will einenweiteren Weg aufzeigen, wie Unternehmen den Erfolg von neuen Produkten erhöhenund das Innovationsrisiko senken können.

Wir werden in den folgenden Abschnitten konkrete Instrumente und Ansätzebetrachten, mit denen ein Herstellerunternehmen einen aktiven Open-Innovation-Prozess mit seinen Kunden und Nutzern anstoßen und unterstützen kann. UnsereSichtweise ist dabei die des Herstellerunternehmens. Als Hintergrund dieserArgumentation müssen wir aber zunächst die Erwartungshaltung des Herstellers anOpen Innovation, vor allem aber der Kunden an eine Mitwirkung amInnovationsprozess näher betrachten.

3.3 Die Kundenperspektive: Beteiligung an OpenInnovation

Nicht alle Kunden eines Unternehmens eignen sich gleichermaßen für eine Beteiligungan Open Innovation. Vielmehr konzentriert sich diese Eignung auf eine ausgewählteGruppe, Nutzer bzw. Kunden mit Lead-User-Eigenschaften. Dieser Abschnitt disku-tiert die beiden folgenden Schlüsselfragen der Integrationskompetenz ausKundensicht:

Innovationsfähigkeit: Über welche Eigenschaften, Fähigkeiten und welchesKönnen verfügen Lead User?

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Die Kundenperspektive: Beteiligung an Open Innovation

Chesbrough, Henry (2003).The era of open innovation. MIT Sloan Management Review, 44(2003) 4 (Summer): 35-41.

Ernst, Holger (2004). Virtual customer integration: Maximizing the impact of customer integra-tion on new product performance. In: Soenke Albers (ed.): Cross-Functional InnovationManagement, Wiesbaden: Gabler 2004: 191-208.

Gruner, Kjell / Homburg, Christian (2000). Does customer interaction enhance new productsuccess? Journal of Business Research, 49 (2000) 1: 1-14.

Ogawa, Susumu / Piller, Frank T. (2006). Reducing the risk of new product development. MITSloan Management Review, 48 (2006) 1 (Winter): 65-72.

von Hippel, Eric (1978a). Successful industrial products from customer ideas: presentation ofa new customer-active paradigm with evidence and implications. Journal of Marketing, 42(1978) 1 (January): 39-49.

von Hippel, Eric (2005). Democratizing innovation. Cambridge, MA: MIT Press 2005.

Kasten 3–7: Literaturempfehlungen zu Grundidee und Hintergrund von Open Innovation

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Innovationsbereitschaft: Welche Faktoren sind ausschlaggebend, damit sich LeadUser an Innovationsvorhaben einer Unternehmung beteiligen (Motivation bzw.erwartete Nutzen aus Kundensicht)?

Die grundsätzliche Beteiligung eines Kunden sowie Art, Umfang und Häufigkeit aneinem interaktiven Open-Innovation-Prozess wird durch die Erwartung des Ge-samtnutzens dieser Aktivität für den Kunden bestimmt. Die Erwartungswerttheoriebeschreibt den Gesamtnutzen durch den erwarteten Nutzen von Handlungen.Einzelne Nutzenvorstellungen gelten hier als Triebkräfte bzw. Motive des Handelns,die in ihrer Struktur und Stärke des Zusammenwirkens zu Motivation führen (Picot /Dietl / Franck 2005; von Rosenstiel 1980). Demnach entschließt sich ein Kunde zurBeteiligung an Open Innovation, falls der erwartete Nutzen seine Teilnahmekostenübersteigt. Denn Lead User haben nicht nur Nutzen, sondern auch zusätzliche Kostenund Aufwand durch eine Beteiligung am Innovationsprozess. Die Einschätzung undBeurteilung der Nutzen und Kosten ist wiederum von individuellen Eigenschaften desjeweiligen fortschrittlichen Nutzers abhängig (Abbildung 3–10). Wir werden die ein-zelnen Bestandteile bzw. Treiber des Gesamtnutzens im Folgenden näher betrachten.

Diese Diskussion ist auch deshalb sehr wichtig, da sie das auf dem ersten Blick sehrirrationale Verhaltens eines “free revealings” von Nutzerinnovatoren erklären kann.Wie wir bereits in Abschnitt 2.4.4 gezeigt haben, lässt sich empirisch nachweisen, dassviele Kunden scheinbar ohne Gegenleistung ihre Entwicklungen an einen Hersteller

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–10: Determinanten der Kundenbeteiligung an Open Innovation

Eigenschaften:Unzufriedenheit

KonsumexpertentumMeinungsführerschaft

Involvementkognitive Komplexität

TeamkompetenzNutzenerwartungen

Unzufriedenheit mit bestehenden Angebot

Erfolgreiche Absolvierung einer lohnenswerten Aufgabe

Stolz auf das Ergebnis

Reduktion von Unsicherheit

Soziale Bestätigung, externe Anerkennung

Art, Ausdauer und Intensitätder Beteiligung an Open Innovation

Gesamtnutzen:Beteiligung an

Open Innovation

Spezifika derProduktkategorie

Spezifika derInnovationsaufgabe

Kostenerwartungen

Zeit & Aufwand(Interaktionskosten)

wahrgenommenes Risiko (psychologische

Kosten)

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(und/oder andere Nutzer) offenbaren – selbst wenn der Hersteller die Innovation infolgenden Perioden produziert und damit einen Profit erzielt. Jedoch scheinen vieleKunden durch eine Vielzahl weiterer Anreise motiviert zu werden, die aus ihrer Sichtdie Offenlegung ihrer Entwicklungen rational macht.

3.3.1 Eigenschaften von Kundeninnovatoren (Lead Usern)Bevor wir aber die Anreise innovativer Kunden näher betrachten, wollen wir diesenäher kennen lernen: Welche Eigenschaften besitzen innovative Kunden? Wie wirbereits gesehen haben, besitzen Lead User Anforderungen an ein Produkt oder eineDienstleistung, die bisher noch durch kein existierendes Marktangebot erfüllt werden,jedoch zu einem späteren Zeitpunkt die Bedürfnisse eines relativ großen Markt-segments repräsentieren. Demnach antizipieren Lead User frühzeitig innovativeLeistungseigenschaften, die für andere Kunden erst sehr viel später relevant werden.Lead User verfügen somit über Bedürfnisinformationen. Ihr unbefriedigter Bedarfsorgt für eine Unzufriedenheit mit dem bisherigen Marktangebot. Aus dieserUnzufriedenheit heraus entwickeln Lead User eigenständig Lösungen, um ihrerUnzufriedenheit zu begegnen. Neben Bedürfnisinformationen halten Lead User dem-nach auch Lösungskompetenz. Im engeren Sinne handelt es sich bei Lead Usern somitum (potenzielle) Kunden einer Unternehmung, die als Eigenentwickler selbständig imMarkt auftreten, um ihre individuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Speziell die eigeneUnzufriedenheit mit dem bisherigen Marktangebot sorgt dabei für die notwenigeMotivation unter Lead Usern (Lüthje 2000; Morrison / Roberts / Midgley 2004). DieseMotivation ist vor allem dann von zentraler Bedeutung, wenn Lead User ihre innova-tiven Produkte von Grund auf eigenständig planen, konzipieren und entwickeln, daein solcher Prozess aus Sicht eines Lead Users mit teilweise hohem Aufwand verbun-den ist. Hinsichtlich unseres Ziels, Merkmale, Fähigkeiten und Eigenschaften innova-tiver Kunden zu determinieren, können wir an dieser Stelle folgendes Zwischenfazitziehen (von Hippel 2005):

Lead User verfügen über Bedürfnisinformationen, die zu einem späteren Zeitpunkt fürein relativ großes Marktsegment relevant werden. Da ihre Bedürfnisse bisher nichtbefriedigt werden, sind Lead User mit dem bestehenden Marktangebot unzufrieden.

Diese Unzufriedenheit motiviert Lead User, eigenständig aktiv zu werden undLösungen zur Beseitigung ihrer Unzufriedenheit zu entwickeln. Lead User verfü-gen demnach über Lösungsinformationen und nutzen diese zur Befriedigung ihresBedarfs.

Wir werden im Folgenden aufbauend auf diesen beiden grundsätzlichen Eigen-schaften fortschrittlicher Nutzer verschiedene Faktoren betrachten, die diese Eigen-schaften weiter konkretisieren.

Unzufriedenheit und Konsumkompetenz

Unzufriedenheit entsteht, wenn ein Kunde bei der Nutzung eines Produktes odereiner Dienstleistung eine Diskrepanz zwischen seinen Leistungserwartungen und der

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Die Kundenperspektive: Beteiligung an Open Innovation

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Leistungswahrnehmung feststellt. Leitet ein Kunde aus seiner aktuellen Unzufrieden-heit mit dem Leistungsangebot eines Unternehmens Bedürfnisinformationen ab, sinddiese Informationen nur dann von innovationsrelevanter Bedeutung, wenn der Kundesein Bedürfnis auch tatsächlich nicht durch das aktuelle Leistungsangebot deckenkann. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Vielmehr entsteht bei einem Kunden häufigdann eine Unzufriedenheit mit einer Leistung, wenn dieser nicht in der Lage ist, denNutzen der Leistung vollständig zu erschließen. Der Kunde entwickelt dann keineinnovationsrelevanten Bedürfnisinformationen, da lediglich seine Unwissenheit bzw.sein Unvermögen in Bezug auf die Verwendung und den Umgang mit einem Produktoder einer Dienstleistung diese Unzufriedenheit hervorruft (Brockhoff 2003).

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Konsument eines Produktes innovationsrelevanteBedürfnisinformationen generiert, ist ceteris paribus umso wahrscheinlicher, je besseres diesem Kunden gelingt, den Produktnutzen vollständig zu erschließen. In derMarketingwissenschaft wird diese Fähigkeit Konsumkompetenz genannt (Hennig-Thurau 1998). Konsumkompetenz bezeichnet die Summe des Wissens sowie der phy-sischen und sozialen Fertigkeiten von Nutzern, die ihren Umgang mit einem Produktin sämtlichen Teilbereichen der Nachkaufphase betreffen. Hierzu zählen insbesonderedie Nutzungsvorbereitung, die Nutzung sowie die Nutzungsbegleitung. DieNutzungsvorbereitung beginnt mit dem Abschluss des Kaufvertrages und endet mitder erstmaligen Nutzung des Produktes. Sie umfasst demnach den Transport, den Auf-bzw. Zusammenbau des Produktes, die Installation sowie die Ingangsetzung. Bei dereigentlichen Nutzung des Produktes wird dann zwischen Nutzungsintensität undNutzungsvariabilität unterschieden. Die Nutzungsintensität beschreibt die Häufigkeitder Inanspruchnahme eines Produktes durch die Kunden, während die Nutzungs-variabilität den Einsatz des Produktes für verschiedene Zwecke sowie die verschiede-nen Nutzungsanwendungen kennzeichnet. Die Nutzungsbegleitung hingegen istgeprägt durch Aktivitäten, die zeitlich parallel zur eigentlichen Nutzung anfallen unddiese unterstützen oder ergänzen (z. B. Wartungen, Pflege, Reinigung oder Updates).In der Summe sorgt eine ausgeprägte Konsumkompetenz bei Konsumenten dafür,dass sich diese den Nutzen eines Produktes nach dem Kauf vollständig erschließen(Hennig-Thurau 1998).

Meinungsführerschaft, Early Adopter und Involvement

Empirische Studien kommen zu dem Ergebnis, dass Lead User im Markt weiterhinhäufig als Meinungsführer agieren (Morrison / Roberts / Midgley 2004; Morrison /Roberts / von Hippel 2000; Sawhney / Prandelli 2000). Meinungsführer sindKonsumenten, die innerhalb einer spezifischen Produktkategorie im Rahmen der per-sönlichen Kommunikation einen starken Einfluss auf andere Verbraucher ausüben.Dieser Einfluss erstreckt sich auf die Kaufentscheidung, aber auch auf Konsummotive,-einstellungen sowie auf konsumrelevante Verhaltensweisen. Dabei steigert dasInteresse eines Individuums an einer Produktkategorie dessen Bereitschaft zur persön-lichen Einflussnahme auf die Kaufentscheidung anderer Marktteilnehmer (Childers1986). Halten wir uns erneut vor Augen, dass Bedürfnisinformationen auf eineUnzufriedenheit der Lead User zurückzuführen sind, so können diese Kunden auchdie Eigenschaft besitzen, die man als Early-Adopter-Verhalten bezeichnet (Rogers

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

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1995; Ram / Jung 1994). Dies ist die Bereitschaft, bei Neueinführung eines Produktes imVergleich zum sozialen Umfeld als “Pionier” aufzutreten. Der Pionierkäufer über-nimmt diese Rolle in der Hoffnung, durch einen frühen Kauf einer Innovation seineUnzufriedenheit mit dem bisherigen Marktangebot zu beseitigen.

Dieses Interesse eines Individuums an einer Produktkategorie wird häufig mit demBegriff Involvement gleichgesetzt. Involvement kann als die auf den Informations-erwerb und die Informationsverarbeitung gerichtete Aktiviertheit zu objektgerichtetenInformationsprozessen definiert werden (Kroeber-Riel / Weinberg 1999; Zaichowsky1985). Differenziert wird zwischen High- und Low-Involvement-Produkten. Bei High-Involvement-Produkten handelt es sich häufig um teure Produkte oder Produkte, diesich der Konsument für eine lange Zeit anschafft. Das High-Involvement erklärt sichaus dem drohenden Risiko eines Fehlkaufs und des damit verbundenen finanziellenVerlusts. Der Preis eines Produktes ist jedoch nicht alleinig ausschlaggebend. High-Involvement-Produkte können auch solche Produkte darstellen, mit denen sich Kun-den in speziellem Maße identifizieren bzw. Produkte, denen sie sich regelmäßig bedie-nen, um sich gegenüber ihrer sozialen Umwelt abzugrenzen. Für die Charakteristikainnovativer Kunden heißt dies, dass diese eher dann zu finden sind, wenn ein Produktauch ein High-Involvement-Produkt ist.

Kognitive Komplexität

Damit sich Kunden für eine Integration in Open Innovation eignen, stellt die kunden-seitige Generierung innovationsrelevanter Bedürfnisinformationen ein notweniges,jedoch keinesfalls hinreichendes Kriterium dar. Vielmehr sollten Kunden nebenBedürfnisinformationen auch über Lösungsinformationen und -kompetenz verfügenund diese entsprechend nutzen und einbringen. Für ein Herstellerunternehmen stelltsich so die Frage, welche Merkmale und Eigenschaften der Kunden für die Entwick-lung ausgeprägter Lösungsmechanismen verantwortlich sind. Wir argumentieren imFolgenden, dass Lead User über innovationsfördernde Persönlichkeitsmerkmaleverfügen. Diese Persönlichkeitsmerkmale sorgen zum einen dafür, dass Kunden inder Lage sind, Bedürfnisinformationen zu generieren. Zum anderen jedoch befähi-gen diese Persönlichkeitsmerkmale einen Nutzer erst, Lösungsinformationen zu ent-wickeln und so ein Bedürfnis in ein konkretes Lösungsdesign zu überführen.Besondere Beachtung erfährt dabei die kognitive Komplexität eines Kunden. Bei sta-tischer Betrachtung werden unter das Konstrukt der kognitiven Komplexität dieIntelligenz und die Kreativität subsumiert. Bei der Operationalisierung der kogniti-ven Komplexität kann dabei auf einen in der Persönlichkeitstheorie (Digman 1997;John 1990) beschriebenen Faktor zurückgegriffen werden, der als relativ breites Maßdie intellektuellen, kreativen und künstlerischen Neigungen, Vorlieben, undFähigkeiten einer Person umfasst (McAdams 1992). Der Faktor bildet damit sowohldie Fähigkeit zum konvergenten als auch zum divergenten Denken eines Menschenab (Buss 1996).

Teamkompetenz

In einer Wertschöpfungspartnerschaft zwischen einem Unternehmen und seinen(potenziellen) Kunden bildet die Teamkompetenz von Nutzern ein weiteres wichtiges

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Die Kundenperspektive: Beteiligung an Open Innovation

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Persönlichkeitsmerkmal (Belbin 1993). Unter einem Team werden zwei oder mehrPersonen verstanden, die über eine gewisse Zeit eine partnerschaftliche Beziehung ein-gehen, so dass jede Person die anderen Personen beeinflusst und von ihnen beeinflusstwird, und so ein gemeinsames Ziel und eine Gruppenstruktur mit Rollen und Normenentsteht. Der Erfolg eines solchen Arbeitsteams hängt dann entscheiden von derTeamkompetenz der einzelnen Mitglieder ab. Dabei beinhaltet die Teamkompetenzunter anderem die Konflikt- und Kooperationsfähigkeit, das Interesse an Neuem,Flexibilität, Selbständigkeit sowie Lernbereitschaft und Gewissenhaftigkeit (Hertel /Geister / Konradt 2005).

Nutzen von Open Innovation aus Sicht von Lead Usern

Im letzten Abschnitt haben wir mögliche Eigenschaften von Lead Usern diskutiert,welche diese für eine Integration in den Innovationsprozess einer Unternehmung qua-lifizieren (Innovationsfähigkeit). Das zweite wichtige Merkmal dieser Nutzer istjedoch ihre Motivation oder Innovationsbereitschaft. Nur wenn Lead User ausrei-chend motiviert sind, sich in den Innovationsprozess zu integrieren, kann eineUnternehmung das innovative Potenzial dieser Kunden vollständig nutzen.Motivation von Lead Usern erklärt Art, Umfang und Häufigkeit ihrer Beiträge zuInnovationsaktivitäten eines Herstellers. Motivation begründet menschlichesVerhalten in seiner Art, Ausdauer und Intensität. Nach von Rosenstiel (1980) entstehtMotivation, wenn in konkreten Situationen durch wahrgenommene Anreize verschie-dene Motive aktiviert werden, die in ihrer Struktur und Stärke des Zusammenwirkenszu einem bestimmten Verhalten führen. Motivation entsteht als Wechselwirkung voninneren Bedürfnissen (Motiven) und von äußeren, situativen Faktoren (Anreizen). EinMotiv ist ein isolierter Beweggrund menschlichen Verhaltens und wird als Erwartungerlebt, dass ein bestimmtes Verhalten zur Befriedigung eines Bedürfnisses, Wunsches,Dranges etc. führt (das Vorhandensein eines oder mehrerer Motive allein genügtjedoch oft nicht, um die Beteiligung von Kunden an Innovationsaktivitäten zu erklä-ren, es müssen noch weitere Eigenschaften hinzutreten, die sie befähigen, dieseAktivitäten auch auszuführen).

Kasten 3–8 nennt anhand des Beispiels zweier Amateur-Erfinder die Motive vonNutzern, die selbst zu Problemlösern werden. Der Artikel gibt auch noch einmal einenguten Einblick in die neue unterstützende Infrastruktur, die heute Kundenentwicklernzur Verfügung steht. Aus übergeordneter Sicht können wir folgende Klassen vonMotiven bzw. Nutzenerwartungen fortschrittlicher Nutzer unterscheiden (siehe Ihl etal. 2006; Reichwald / Seifert / Ihl 2004; Piller 2006a), die in den nächsten Abschnittennäher betrachtet werden:

Unzufriedenheit mit bestehenden Lösungen und Erwartung eines besseren Fitszwischen Produkteigenschaften und Kundenbedürfnissen,

Erfolgreiche Absolvierung einer lohnenswerten Aufgabe und Stolz auf dasErgebnis,

Reduktion von Unsicherheit,

Soziale Bestätigung und externe Anerkennung.

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3.3Die Kundenperspektive: Beteiligung an Open Innovation

(Quelle: Auszug aus dem Beitrag “The amazing rise of the do-it-yourself economy” von DanielRoth in der Zeitschrift Fortune (Europe), Nr. 9 / 2005 vom 30. Mai 2005: 24-35)

(...) Pat Misterovich is just producing the next great MP3 music player. Only instead of the simple,elegant lines of the iPod, Misterovich’s device will look just like a Pez dispenser. Oh, and insteadof working from a corporate campus in Cupertino, Calif., with nearly 12,000 employees,Misterovich is a stay-at-home dad, creating his Pez MP3 player from the basement of hisSpringfield, Mo., home.

Misterovich is the former head of IT at the University of Detroit Mercy. He has few of the enginee-ring skills necessary to build a device like this, no marketing experience, and absolutely no corpo-rate infrastructure. And yet he’s got two factories—one in China, one in the U.S.-vying to build theplayer. He has a small Austin company started by an ex-Apple engineer designing the innards. Andon his blog, pezmp3.com, he uses prospective buyers - some 1,500 people have already expres-sed interest—as an R&D-center-meets-focus-group. What’s better, he asks, AAA batteries or Li-Ion? In come dozens of replies (“Go for the AAA with a USB NiMh recharger if possible,” suggestsone reader). What’s a good slogan? Some 50 ideas roll in (one of the best: “Candy for your ears”).By the end of this month the first prototype should be in Misterovich’s hands. “I don’t know that thisproduct could have come to life years ago,” he says. “I seriously doubt it. And if it did, it wouldn’thave come through a guy in his basement.”

It used to be that a tinkerer like Misterovich could, at best, hope to sell his idea to a big company.More likely, he’d entertain friends with his Pez-sized visions. But a number of factors are comingtogether to empower amateurs in a way never before possible, blurring the lines between thosewho make and those who take. Unlike the dot-com fortune hunters of the late 1990s, these do-it-yourselfers aren’t deluding themselves with oversized visions of what they might achieve. Instead,they’re simply finding a way – in this mass-produced, Wal-Mart world – to take power back, provethat they can make the products that they want to consume, have fun doing so, and, just maybe,make a few dollars. “What’s happened is a tremendous change in awareness,” says Eric vonHippel, a professor at the MIT Sloan School of Management and author of the recentDemocratizing Innovation. “Conventional wisdom is so strong [in business] about find-a-need-and-fill-it: ‘We’re the manufacturers; we design products; we ask users what they need; we do it.’ Thathas begun to crack.”

(...) “Before, only the rich had access to tools and so only the rich were professionals, and the restwere amateurs,” says Noah Glass, the co-founder of Odeo, which offers a free service for making,hosting, and distributing podcasts. “But now, as the creation tools have become easier to use andmore freely distributed through open source, through the Internet, through awareness, more peo-ple have more access to more tools, so the whole amateur-professional dichotomy is dissolving.”

Citizen engineers are taking this even further, trying their hand not just in the digital world but inthe physical world too. Much as eBay transformed distribution, they’re redefining design and manu-facture. The infrastructure is there: Yahoo Groups make it easier for people to trade ideas andlearn quickly; free or cheap computer-aided-design (CAD) programs allow users to cobble toget-her blueprints; and inexpensive manufacturing in China allows the idea to go from file to factory.There are even websites like Alibaba.com that will help these small-timers find Chinese factorieseager for their work, meaning that the amateur nation has its own Match.com.

This may seem like a lot of effort to, say, create a funny-looking MP3 player. But that’s not thisgroup’s ethos. “DIYers do things for irrational reasons,” says Saul Griffith. “If it’s your passion andyour love, you don’t count how many hours you spend doing it. That’s why so many of these thingsend up being great.”

Kasten 3–8: Motives and Tools of Do-It-Yourself Inventors

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3.3.2 Unzufriedenheit mit bestehenden Lösungenund Erwartung eines besseren Fit zwischenProdukteigenschaften und Kundenbedürfnissen

Kunden erhalten einen Nutzen durch ihre Mitwirkung bei den Innovationsaktivitäteneines Herstellers, wenn die hieraus resultierenden innovativen Produkte latenteBedürfnisse besser und präziser erfüllen können als die vorherigen Produkte diesesHerstellers oder die vorhandenen Produkte der Konkurrenz. Dieser Zuwachs ent-spricht dem Wert einer besser passenden Leistung im Vergleich zur nächst Besten be-reits existierenden Lösung und ist eine typische extrinsische Motivation. ExtrinsischeMotive sind Motive der Tätigkeit, die durch Folgen der Tätigkeit und ihrerBegleitumstände befriedigt werden. Ein wesentliches extrinsisches Motiv liegt in derErwartung der Kunden, eine Produkt- oder Dienstleistungsinnovation selbst nutzen zukönnen (Morrison / Roberts / von Hippel 2000).

Erfüllung eines bislang unbefriedigten Bedürfnisses

Die Literatur zur Präferenzbildung von Nachfragern diskutiert bereits seitJahrzehnten, dass die Zahlungsbereitschaft und Produktzufriedenheit von Kundenvom Fit der Produkteigenschaften mit den Präferenzen der Nutzer abhängt

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Griffith should know. A dedicated kite-surfer – the sport involves riding a small board through waterwhile attached to a parachute-like “kite” – he was unhappy with the goods on the market. In 2001he started Zeroprestige.com, a website where he posted his kite designs. Soon other amateurssubmitted their own concepts, and sail manufacturers with excess capacity offered to make kitesfrom the plans. The amateur designers kept coming back to make exactly what they wanted to buy.And though no one got rich, a few small businesses popped up to sell the finished products. Sincethen, kites have become commodities, but Griffith hasn’t let go of the spirit. His four-person engi-neering company, Squid Labs, is launching a site this summer tentatively called iFabricate, “aWikipedia for atoms,” he says, referring to the user-created online encyclopedia. Do-it-yourselfersof all stripes will be able to go to the site to trade ideas and work together, get easy access to pro-grams for manipulating materials, and eventually use it to pool their resources for buying raw mate-rials from suppliers.

(...) To be fair, all this amateur energy isn’t exactly a new force. When exciting technologies emer-ge, Americans have always pounced and created something original. In his 1936 New Yorker arti-cle “Farewell, My Lovely,” E.B. White eulogized the Model T and the creativity it inspired in itsowners: “When you bought a Ford, you figured you had a start -a vibrant, spirited framework towhich could be screwed an almost limitless assortment of decorative and functional hardware....Gadget bred gadget. Owners not only bought ready-made gadgets, they invented gadgets to meetspecial needs.” The difference today is simply the technology, says University of Virginia techno-logy historian Bernie Carlson.

And so Misterovich keeps at his goal of building the kind of MP3 player that he wants to carryaround. One with a collectible head and AAA batteries and a user-created slogan. And even if hepulls it off, it’s doubtful that he’ll get rich. That’s fine with him. The purpose in the amateur econo-my isn’t always the same as in the big-company economy. “My main goal is not to lose my house,”he says. “You put it on the line and you want to be rewarded. But when it comes down to it, I justdon’t want to go broke. It’s an amateur attitude -you’re doing it for the love.”

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(Chamberlin 1950, 1962; Lancaster 1966). Diesen Zusammenhang zeigen auch viele derempirischen Arbeiten zu den Anreizen für Nutzer, selbst innovativ tätig zu werden:Als eines der Hauptargumente wird immer wieder die Erfüllung eines bislang unbe-friedigten Bedürfnisses genannt. Dies ist z. B. für die Beteiligung von Nutzern an derEntwicklung von Open-Source-Softwareprodukten sehr gut dokumentiert (Lakhani /Wolf 2005). Viele Open-Source-Projekte werden von Nutzern initiiert, die ein Bedürfnisan eine bestimmte Software haben, das in einer bestimmten Qualität (z. B. in Hinblickauf Sicherheitseigenschaften) oder für einen bestimmten Anwendungsbereich nichterfüllt wird (Franke / von Hippel 2003; Hars / Ou 2002; Lakhani / Wolf 2005). Gleichesgilt für Nutzerinnovationen im Industriegüterbereich, wo das dominierende Motiv einneues Anwendungsbedürfnis eines Nutzers ist, welches die bestehenden Herstellernoch nicht erfüllen (Morrison / Roberts / von Hippel 2000; Ogawa 1998). Doch auch imKonsumgüterbereich kann Nutzer-Innovation oftmals auf ein Bedürfnis zurückgeführtwerden, das der Markt noch nicht erfüllt (Franke / Shah 2003; Lüthje 2004; Lüthje /Herstatt / von Hippel 2005; Piller 2004).

“Low-cost user innovation niches”

Wir haben bereits oben in Abschnitt 2.4.3.3 und 3.2.1 argumentiert, dass das “stickyInformation”-Phänomen oft verhindert, dass ein Hersteller selbst die (neuen)Bedürfnisse erkennt und in ein passendes Produkt überführt. Die Folge sindInformationsasymmetrien zwischen Nutzern und Herstellern. Hat ein Hersteller dieVermutung, dass sich die Informationsasymmetrie auf ein großes Marktsegmentbezieht, wird er in der Regel auch größere Anstrengungen und Kosten in Kauf neh-men, um Zugang zu den fehlenden Informationen zu erlangen. Bezieht sich dieInformationsasymmetrie allerdings auf Gebiete, die durch relative kleine Nutzer-zahlen geprägt sind, scheut der Hersteller oft, Zugriff auf die „sticky” Information zubekommen und versucht, diese Nischen auch weiterhin mit einem existierendenStandardprodukt zu bedienen, anstatt für sie ein genau passendes Produkt zu entwik-keln. In solch einer Situation existieren so genannte “effiziente Nischen fürKundeninnovation” (“low-cost user innovation niches”, von Hippel 2005: 75). DieseNischen sind oft recht klein und adressieren eine spezifische Lösung, die nur von einerkleinen Nutzerzahl besonders honoriert wird. Die Lösung beruht in diesem Fall aufhochspezifischer Bedürfnis- und Lösungsinformation, geprägt durch die Erfahrungen,Einsatzbedingungen und Umgebungsbedingungen der Nutzer in dieser Nische. Insolch einer Situation hat ein potentieller Nutzer große Anreize, selbst innovativ tätig zuwerden.

Ein gutes Beispiel für eine solche Nische ist die zunehmende Verbreitung mobilerGeräte der Unterhaltungselektronik und Telekommunikation, die meist eineVernetzung und Synchronisation mit stationären Geräten verlangen (z. B. zurAbstimmung eines bestimmten Mobiltelefons mit einer bestimmten Zeitplanungs-software). Aufgrund der Vielzahl an möglichen Schnittstellen, dem schnellen techni-schen Fortschritt und der teilweise relativ kleinen Zahl an Nutzern, die dieses Problemhaben, widmen sich die etablierten Anbieter in der Regel diesem Bedürfnis nicht dezi-diert. Bestimmte Nutzer allerdings, die neben dem Bedürfnis auch die notwendigenKenntnisse haben, dieses Problem zu lösen, werden deshalb selbst aktiv. Dabei nutzen

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sie oft das Resultat nicht nur selbst, sondern stellen es entweder über eine Web-Site desHerstellers anderen Nutzern zur Verfügung, oder aber vertreiben die Lösung oft direktim Internet.

Kann ein Nutzer derart Eigenschaften eines Produktes genau an seine spezifischenWünsche anpassen, sollte der wahrgenommene Nutzen steigen. Dieser Effekt ist umsogrößer, je heterogener sich die Wünsche der Kunden in Bezug auf die Produkteigen-schaften verteilen, d. h. je schwieriger es für einen Hersteller ist, durch wenigeStandardvarianten eines Produktes alle gewünschten Eigenschaftsbündel des ange-strebten Marktsegments abzubilden. Dieser Zustand scheint heute in vielen Märktenimmer mehr Norm als Ausnahme zu werden (siehe Abschnitt 2.2.3). Eine zunehmen-de Heterogenisierung der Bedürfnisse, einhergehend mit einer Verkürzung derLebenszeiten einzelner Produktspezifikationen, ist einer der wesentlichen Faktoren,warum klassische Verfahren der Marktforschung im Rahmen der Neuprodukt-entwicklung immer schwieriger genaue Aussagen treffen können, ob ein Produkt-konzept tatsächlich die Bedürfnisse der Nachfrager trifft. Damit steigt die Bedeutungder Kundenintegration in den Innovationsprozess. Der in Abschnitt 3.5.2 nochbeschriebene Einsatz von Toolkits for User Innovation and Co-Design ist eine derzentralen Maßnahmen von Herstellern, auf diese Erkenntnis zu reagieren. Toolkits die-nen in ihrem Kern genau zur Erfassung der “sticky” Bedürfnis-, aber auch zuLösungsinformation einzelner Nutzer und der Überführung dieser Information in einneues Produkt durch den Hersteller.

Ebenso setzt die in Kapitel 4 beschriebene Mass-Customization-Strategie genau andieser Stelle an: Bei Mass Customization reagiert ein Hersteller ebenfalls auf eine großeHeterogenität der Bedürfnisse seiner Kunden, in dem er die Produktentwicklung nichtauf Ebene eines Endproduktes abschließt, sondern den möglichen Fit zwischenProdukteigenschaften und Bedürfnissen jedes individuellen Kunden dadurch erhöht,dass jeder Kunde (innerhalb eines gegebenen Lösungsraumes) eine Konkretisierungdes Produktes vornehmen kann, das anschließend auf Bestellung gefertigt wird.

3.3.3 Erfolgreiche Absolvierung einer lohnenswertenAufgabe und Stolz auf das Ergebnis

Die bisherige Argumentation bezog sich weitgehend auf die so genannte ergonomischeProduktqualität, d. h. den funktionalen Nutzen eines Produkts. Doch Kundeninte-gration kann – für die integrierten aktiven Kunden bzw. Nutzer – auch dieWahrnehmung der hedonistischen Qualität eines Produkts beeinflussen. Beispielesind der Neuheitswert, Status oder die Originalität einer Leistung. Kundenintegrationin den Innovationsprozess kann vor allem in Konsumgütermärkten den Nutzen fürden Kunden steigern, wenn Nutzerinnovatoren einem selbst entwickelten Produkteinen höheren emotionalen Wert zuschreiben oder aber soziale Anerkennung ihrerUmwelt erhoffen (Brockhoff 2003; Schreier 2004; Tepper / Bearden / Hunter 2001).Gleichermaßen kann auch der eigentliche Prozess der innovativen Lösungsfindungvon den Nutzern als positiv wahrgenommen werden und so die Gesamtzufriedenheit

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steigern. Die Konsumentenforschung hat seit langem gezeigt, dass Kunden-zufriedenheit nicht nur durch die Wahrnehmung des Kernprodukts und seinerFunktionalitäten beeinflusst wird, sondern auch durch Aktivitäten bei Auswahl, Kaufund Inbetriebnahme eines Gutes (Bitner 1992; Campbell 1997; Oliver 1993; Tanner1996). Dieser Bereich adressiert so genannte intrinsische Motive, die durch dieTätigkeit selbst befriedigt werden. Kunden beurteilen eine Innovationsaufgabe positiv,wenn sie das Gefühl von Spaß, Exploration und Kreativität vermittelt (Baumgartner /Steenkamp 1996).

Prozesszufriedenheit: Das Flow-Konstrukt

Der vielleicht wichtigste Faktor ist, dass der Prozess des Innovierens selbst als erfolg-reich wahrgenommen wird. Diese Kompetenzfrage umfasst das Flow-Konstrukt, dasheute von vielen Forschern genutzt wird, um die Zufriedenheit mit einem Prozess zuerklären (Csikszentmihalyi 1990; siehe auch Bowers / Martin / Luker 1990; Franke /Piller 2003; Novak / Hoffmann / Yung 2000). Flow tritt ein, wenn die Nutzer einenProzess als optimal wahrnehmen, da ihre Fähigkeiten mit dessen Anforderungen über-einstimmen. Dann erreichen sie einen “Flow”-Zustand, in dem sie sich von ihrerUmwelt lösen und von der Aufgabe fesseln lassen. Nutzer, die z. B. während derInteraktion mit einer Online-Shoping-Seite ein Flow-Erlebnis erfahren, tätigen ehereinen Kaufabschluss (Novak / Hoffmann / Yung 2000). Auch steigert ein Flow-Erlebnisdas Selbstvertrauen und gibt ein Gefühl von Selbstzufriedenheit (Bowers / Martin /Luker 1990; Michel 2000). Offe und Heinze (1990) zeigen, dass das Streben nach einerpositiven Prozesswahrnehmung ein wesentlicher Treiber von Konsumenten ist, hand-werklichen Tätigkeiten selbst nachzugehen (do-it-yourself). Hobbyisten geben nebendem Wert der selbst erstellten Lösung zur Bedürfnisbefriedigung immer auch die“Erlebnisqualität des Arbeitsvollzugs” als wesentliche Motivation für die Eigenarbeitan. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Forschung über die Motivation von Open-Source-Programmieren (Franck / Jungwirth 2003; Lakhani / Wolf 2005). DieMitwirkung an einer Open-Source-Entwicklungsaufgabe kann als kreativerProblemlösungsvorgang angesehen werden, der anregend und befriedigend auf dieBeteiligten wirkt. Anwender beurteilen eine Innovationsaufgabe positiv, wenn sie dasGefühl von Spaß, Exploration und Kreativität vermittelt. Damit sie die Beteiligung anInnovationsaktivitäten aber wertschätzen, ist es wichtig, dass sie einerseits derAufgabe gewachsen sind und andererseits die Aufgabe auch als Herausforderungbetrachten. Erhalten sie unmittelbare Rückkopplung über ihre Leistung, entsteht beiden innovativen Nutzern ein Gefühl der Selbstbestimmung, Kontrolle und Kompetenz(siehe zu entsprechenden Studien z. B. Ihl et al. 2006; Kamali / Loker 2002; Oon /Khalid 2003; Dellaert / Stremersch 2005; Franke / Piller 2004; Randall / Terwiesch /Ulrich 2005; Schreier 2004).

“Pride-of-authorship”-Effekt

In Bezug auf das Ergebnis könnte ferner ein “pride-of-authorship”-Effekt beobachtbarsein, d. h. die Zufriedenheit mit dem Ergebnis als Resultat eines eigenen Problem-lösungsprozesses (Schreier 2004). Dieser Effekt ist im Bezug auf das Verhalten internerProduktentwickler beschrieben worden (Lea / Webley 1997) und ist auch im Do-it-yourself-Bereich ein wesentliches Motiv (Michel 2000; Offe / Heinze 1990). Diese posi-

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tive Wahrnehmung könnte wiederum den wahrgenommenen Nutzen der Interaktionmit einem Hersteller steigen lassen. Auch dieser Effekt hängt stark von denEigenschaften der Kunden ab. Sie müssen adäquate Fähigkeiten besitzen, die kreativeAufgabe zu bewältigen. Fehlen diese Eigenschaften, kann die Zufriedenheit aufgrundeiner mangelhaften Prozesswahrnehmung sogar negativ beeinflusst werden.

3.3.4 Reduktion von UnsicherheitOpen Innovation kann weiterhin Unsicherheit bei den Kunden vermindern und einGefühl von Kontrolle vermitteln. Kontrolle und Sicherheit sind ein Leitmotiv in west-lichen Gesellschaften und bestehen aus dem Streben nach Transparenz und Übersichtsowie Einflussmöglichkeit und Feedback (Fließ 2001; Gouthier 2003; Michel 2000).Kundenintegration in den Innovationsprozess kann die Unsicherheit aus Nutzersichtin mehrfacher Hinsicht vermindern und so zur Steigerung der Zufriedenheit mit einemAnbieter beitragen. So erlangen die Nutzer einen weitaus besseren Einblick in dieFunktionsweise und Komponenten einer Lösung und gelangen deshalb zu einer reali-stischeren Einschätzung des Leistungspotenzials und der Grenzen eines Produktes(Anpassung der Erwartungskomponente). Dies gilt sowohl für autonom durch dieKunden initiierte Lösungsprozesse, die oft erst zu Anerkennung für die Komplexitäteiner Lösung durch den Hersteller führen, als auch für herstellerinitiierte Prozesse, beidenen z. B. ein Innovation-Toolkit als Instrument dient, Kunden an die Bestandteileund Zusammenhänge einer Leistung heranzuführen. Ebenso erlaubt das im Rahmendes Innovationsprozess bei den Nutzern gebildete Produktwissen, Erfüllungsprozessedes Herstellers besser zu überwachen und zu beobachten (Nambisan 2002). ImResultat sollte die wahrgenommene Sicherheit der Nutzer in Bezug auf Produkt undAnbieterverhalten zunehmen.

3.3.5 Soziale Bestätigung und externe AnerkennungSchließlich kann Open Innovation auch Nutzen durch soziale Bestätigung hervorrufen.Soziale Faktoren spielen eine Rolle, wenn menschliches Handeln durch andere beein-flusst ist bzw. auf andere Personen Einfluss nimmt (Reichwald / Seifert / Ihl 2004).Gerade in einem Umfeld, in dem das Engagement eines Kunden in Innovations-aktivitäten für andere Marktteilnehmer sichtbar ist, treten eine Reihe sozial-psycholo-gischer Motive hinzu. Dies zeigen nicht zuletzt Erfahrungen der Open-Source-Software-Entwicklung, bei der eine unüberschaubare Zahl von Entwicklern ihreAktivitäten gegenseitig “beobachtet” und bewertet (Franck / Jungwirth 2003; Hars / Ou2002; Lakhani / Wolf 2005). Eine internetbasierte Kundenintegration bietet auch in vie-len anderen Produktbereichen die Möglichkeit, eine große Anzahl von Kunden mitverhältnismäßig geringem Aufwand zu vereinen. Das soziale “Moment” solcherCommunities kann unter Umständen die Innovationsbereitschaft der Kunden steigern,indem Kunden sich gegenseitig bei Innovationsaufgaben unterstützen oder diesegemeinsam ausführen (Piller et al. 2005). Kunden erwarten durch ihr Engagement in

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Interaktion mit anderen Kunden unter Umständen Anerkennung oder entsprechendeGegenleistungen für geleistete Hilfestellung (Butler et al. 2002). Die Erwartung vonAnerkennung und Reziprozität wird in ökonomischen Betrachtungen oft als extrinsi-sches Motiv betrachtet (Harhoff / Henkel / von Hippel 2003). In einer sozialen Betrach-tung findet dieser Austausch zwischen Kunden auch aufgrund des symbolischenWertes ihres Verhaltens und sozialer Normerfüllung wie Altruismus statt (Belk / Coon1993; Ekeh 1974; Ozinga 1999). Die Interaktion zwischen Kunden entsteht ausVertrauen und der moralischen Verpflichtung heraus, einander zu helfen, unterUmständen auch ohne unmittelbar eine Gegenleistung zu erwarten (Haas / Deseran1981). Ihre Wertschätzung kann auch im Knüpfen sozialer Kontakte mit Gleich-gesinnten liegen oder in der Möglichkeit, auf ihre Umwelt Einfluss zu nehmen(Bandura 1995; Kollock / Smith 1999). Idealerweise passen die Ziele und Werte derGemeinschaft in das eigene Wertesystem der Nutzer und sind mit den Zielen desHerstellers vereinbar. Erfahren innovative Kunden durch ihre Mitwirkung amInnovationsprozess eine positive soziale Rückkopplung, kann ihre Zufriedenheit mitdem Gesamtprozess steigen. Insgesamt aber zeigen aktuelle Studien, dass sozialeMotive zwar ein wichtiger Antriebsfaktor für Kunden sind, sich an einemInnovationsprozess zu beteiligen, als alleiniges Motiv jedoch nicht ausreichen, ihreBeteiligung und eine Steigerung der Zufriedenheit zu erklären. Soziale Faktoren kön-nen im Zusammenhang mit unserer Argumentation vor allem als moderierenderFaktor gesehen werden, der andere Zufriedenheitstreiber verstärkt.

Soziale Motive können auch als extrinische Motivation gesehen werden. Dies gilt vorallem, wenn die Motivation nicht nur reine Anerkennung und Bestätigung durch ande-re Nutzer ist, sondern vielmehr die Hoffnung, dass die Anerkennung der eigenenInnovationstätigkeit auch monetäre Gegenleistungen bringt. Hierzu zählen beispiels-weise monetäre Anreize, Rabatte, Bonusprogramme, Gratisprodukte oder freiwilligeZahlungen des Herstellerunternehmens (Brockhoff 2003). Ferner können Kunden län-gerfristig auf Karriereperspektiven in dem jeweiligen Unternehmen abzielen, indemsie durch ihre Teilnahme an Innovationsaktivitäten Zusatzkompetenzen erwerbenoder sie die Unternehmen durch außerordentliches Engagement auf sich aufmerksammachen (Hirschleifer 1971; Lerner / Tirole 2002; Raymond 1999; von Hippel 2005).

3.3.6 Kosten der Beteiligung am Innovationsprozess ausSicht der Nutzer

Neben den Nutzenerwartungen als Motive beziehen Kunden aber auch erwarteteKostenaspekte in ihre Entscheidung ein, an Innovationsprozessen mitzuwirken. Ineiner ökonomischen Betrachtung entstehen in Innovationskooperationen zwischenKunden und Anbietern Transaktionskosten für beide Parteien. Neben derKoordination der Kooperation können bspw. für den Kunden prohibitive Kosten ent-stehen, um die exklusive Nutzung der Innovation sicherzustellen. Dies kann z. B. inInvestitionsgütermärkten von Interesse sein, wenn es darum geht, Konkurrenten voneiner Innovation auszuschließen (Harhoff / Henkel / von Hippel 2003). Im Folgendensollen Transaktionskosten des Interaktionsprozesses aus Kundensicht behandelt wer-

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den. Dabei wird der Begriff Kosten unter verhaltensrelevanten Aspekten verwendet.Aus Kundensicht werden der Zeiteinsatz und der Aufwand für die Beteiligung amInnovationsprozess als (nicht monetäre) Kosten wahrgenommen.

Interaktionskosten

Das Anliegen von Kunden, Zeit und Aufwand zu minimieren, ist seit langem bekannt(Anderson 1972). Sie honorieren einen Zeitgewinn durch erhöhte Zahlungsbereitschaftoder entscheiden sich in bestimmten Situationen gegen eine Kaufhandlung, wenn derzu investierende kognitive Aufwand zu groß erscheint (Simon 1976). Besonders wennKunden mehr auf das Resultat einer Aktivität abzielen als auf die Aktivität selber,legen sie Wert auf eine effiziente Durchführbarkeit ohne zusätzliche Barrieren (Babin /Darden / Griffin 1994). Beiträge über Bequemlichkeit und das Management zeitlicherRessourcen implizieren, dass Kunden den Zeiteinsatz und Aufwand generell als(nicht-monetäre) Kosten wahrnehmen. Beiträge zum Innovationsprozess sind umsoattraktiver, je geringer der Zeiteinsatz und der -aufwand für den Kunden als wahrge-nommene Kosten ausfallen. Dementsprechend müssen Unternehmen nicht nurKaufprozesse, sondern auch einen interaktiven Innovationsprozess bequem und ein-fach gestalten (Berry / Seiders / Grewal 2002) oder den Komplexitätsgrad der Aufgabean den jeweiligen Kunden anpassen. Sind die Interaktionskosten aus Kundensicht zuhoch, entscheiden sich Kunden gegen eine Beteiligung am Innovationsvorhaben (Hui /Bateson 1991).

Psychologische Kosten

Neben Interaktionskosten können Kunden psychologische Kosten entstehen. WährendInteraktionskosten (Zeit und Aufwand) Gegenstand rationaler Überlegungen sind, ent-stehen psychologische Kosten vor dem Hintergrund emotionaler Abwägung vonUnsicherheiten (Baker et al. 2002). Die Unsicherheit, ob das eigene Engagement imInnovationsprozess auch zum Ergebnis führt und damit zum erwarteten Nutzen desKunden bildet ein Beispiel für die Verursachung psychologischer Kosten.Psychologische Kosten haben ihren Ursprung im wahrgenommenen Risiko, das alsVerlusterwartung des Kunden definiert werden kann (Stone / Grønhaug 1993). Kaplan,Szybillo und Jacoby (1974) nennen unterschiedliche Komponenten von Unsicherheitenbzw. Risiken, die auf die Innovationsentscheidung übertragen werden können: dieBefürchtung nicht gezahlter Aufwandsentschädigungen durch das Unternehmen(finanzielles Risiko), keinen Innovationsbeitrag leisten zu können (Leistungsrisiko), beiProdukttests verletzt zu werden (physisches Risiko), sich zu blamieren (sozialesRisiko), Zeit zu verschwenden (Zeitrisiko) sowie schließlich das Risiko psychologi-scher Unannehmlichkeiten wie Stress. Die kognitiven Kosten, die aus dem wahrge-nommenen Risiko des Scheiterns resultieren, beeinflussen ebenso wie die Interaktions-kosten die Entscheidung des Kunden über die Teilnahme am Innovationsprozess.

Zusammenfassung

Nicht alle Kunden eines Unternehmens eignen sich gleichermaßen für eine aktiveBeteiligung an Open Innovation. Vielmehr konzentriert sich diese Eignung auf ein aus-gewähltes Kundensegment. Diese Kunden werden als Lead User bezeichnet. LeadUser sind mit dem bestehenden Marktangebot – trotz Early-Adopter-Verhaltens –

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unzufrieden und leiten auf Basis ihrer Konsumkompetenz innovationsrelevanteBedürfnisinformationen ab. Des Weiteren agieren Lead User im Markt als Meinungs-führer und der Produktbereich ist für sie von zentraler Bedeutung. Ihre kognitiveKomplexität erlaubt es Lead Usern zudem, Lösungsinformationen für ihre Bedürfnissezu entwickeln. Die Art, Ausdauer und Intensität der Beteiligung eines Lead Users anOpen Innovation wird durch dessen wahrgenommenen Gesamtnutzen bestimmt. Inihre Innovationsentscheidung beziehen Lead User sowohl Nutzenerwartungen (imSinne verschiedener extrinsischer, intrinsischer und sozialer Motive) als auchKostenerwartungen (Interaktionskosten, psychologische Kosten) ein. Jedoch erlau-ben heute IuK-unterstützte Methoden der interaktiven Wertschöpfung, den Kreis deraktiv in eine Phase des Innovationsprozesses eingebundenen Kunden stark zu erwei-tern. Methoden wie Innovationswettbewerbe oder Toolkits for User Innovation sen-ken dabei aber nicht nur die Interaktionskosten aus Herstellersicht, sondern vorallem auch aus Sicht der Kunden und senken damit die “Einstiegskosten” derInteraktion.

3.4 Die Unternehmensperspektive –Wettbewerbsvorteile durch Open Innovation

Ein Herstellerunternehmen kann durch Open Innovation eine Vielzahl an Erfolgs-kennziffern des Innovationsprozesses verbessern (siehe Abbildung 3–11). Eine generi-sche Gliederung unterscheidet in dieser Hinsicht unter (Piller 2004):

Time-to-Market: Verkürzung des Zeitraums von Beginn der Entwicklung einesProduktes bis zu dessen Markteinführung.

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Die Unternehmensperspektive – Wettbewerbsvorteile durch Open Innovation

Brockhoff, Klaus (2003). Customers’ perspectives of involvement in new product development.International Journal of Technology Management (IJTM), 26 (2003) 5 / 6: 464-481.

Franck, Egon / Jungwirth, Carola (2003). Die Governance von Open-Source-Projekten.Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 73 (2003) Ergänzungsheft 5: 1-21.

Harhoff, Dietmar / Henkel, Joachim / von Hippel, Eric (2003). Profiting from voluntary informa-tion spillovers: how users benefit by freely revealing their innovations. Research Policy, 32(2003) 10: 1753-1769.

Jacob, Frank (2003). Kundenintegrations-Kompetenz: Konzeptionalisierung, Operationalisi-erung und Erfolgswirkung. Marketing-Zeitschrift für Forschung und Praxis, 25 (2003) 2: 83-98.

Lüthje, Christian (2004). Characteristics of innovating users in a consumer goods field: Anempirical study of sport-related product consumers. Technovation, 24 (2004) 9: 683-695.

von Hippel, Eric (1998). Economics of product development by users: the impact of “sticky”local information. Management Science, 44 (1998) 5: 629-644.

Kasten 3–9: Literaturempfehlungen zur Kundenperspektive

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Cost-to-Market: Reduktion der im Rahmen eines Innovationsprozesses von Beginnder Planung eines Produktes bis zu dessen Markteinführung tatsächlich angefalle-nen und dem Produkt zurechenbaren Kosten.

Fit-to-Market: Steigerung der Marktakzeptanz eines neuen Produktes im Sinneeiner positiven Kaufeinstellung der Nachfrager (und damit Schaffung einer höhe-ren Zahlungsbereitschaft).

New-to-Market: Steigerung des durch die Nachfrager wahrgenommenenNeuigkeitsgrads einer Innovation und damit der Attraktivität des entsprechendenProdukts.

3.4.1 Reduzierung der Time-to-MarketTime-to-Market beschreibt den Zeitraum von Beginn der Entwicklung eines Produktesbis zu dessen Markteinführung. Eine zeitbasierte Wettbewerbsstrategie “umfasst diebewusste Gestaltung der zeitlichen Dimension von Wertschöpfungsprozessen undintendiert den Aufbau von Fähigkeiten, die der Unternehmung erlauben, Neupro-dukte im Vergleich zur Konkurrenz schneller zu entwickeln […] oder ganz allgemeineinen sich auftuenden Marktbedarf möglichst schnell durch ein entsprechendesMarktangebot zu befriedigen” (Bitzer 1991). Die Reduzierung von Time-to-Marketgewinnt durch sich stetig verkürzende Produktlebenszyklen an entscheidenderBedeutung. Unternehmen, die ihre Produkte vor der Konkurrenz im Markt einführenkönnen, haben die Möglichkeit, rasch einen hohen Marktanteil und somit Marktein-trittsbarrieren aufzubauen. Sie nutzen Erfahrungskurven- und Skaleneffekte sowie dieerhöhte Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden in den frühen Phasen des Produktlebens-zyklus. Des Weiteren fördert ein früher Markteintritt das Image eines Innovationsführers.

Die Reduktion von Entwicklungszeiten durch Open Innovation basiert auf denPrinzipien und Vorteilen der Arbeitsteilung (Picot / Reichwald / Wigand 2003). Dabeiwerden insbesondere diejenigen Innovationsaktivitäten von Kunden getragen, die

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–11: Wettbewerbsvorteile durch Open Innovation

Time-to-Market Cost-to-Market

Fit-to-Market New-to-Market

Wettbewerbsvorteile durch

Open Innovation

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implizites (lokales) Kundenwissen benötigen. Auf diese Weise können zeitraubendeIterationen zwischen einem Hersteller und dessen potenziellen Kunden vermiedenwerden. Im traditionellen Innovationsprozess durchläuft eine Innovationsidee bis zuihrer Marktreife zahlreiche Feedback-Schleifen zwischen einem Hersteller und dessenpotenziellen Kunden. Durch eine Iteration zwischen Variation und Kombination zuläs-siger Lösungsmöglichkeiten auf der einen und der Beurteilung dieser Möglichkeiten(oft auf Basis von Prototypen) durch den Markt und/oder interne Stellen imUnternehmen (Produktmanagement, Vertrieb, Marketing) auf der anderen Seite nähertsich ein Hersteller den tatsächlichen (erwarteten) Bedürfnissen seiner (künftigen)Kunden an (Tyre / von Hippel 1997).

Ein solches iteratives Vorgehen ist mit erheblichem zeitlichen Aufwand verbunden –und das ohne dabei die Garantie zu geben, tatsächlich in einer erfolgreichenMarkteinführung zu enden. Open Innovation setzt dagegen an der Idee an, die Suchenach einem geeigneten Lösungsdesign auf die Kunden zu übertragen. Dabei wird einiterativer Trial-and-Error-Prozess in der Domäne der Kunden angestoßen, bis diesesich selbst ihrer individuellen optimalen Problemlösung angenähert haben. Eine zei-traubende Kunden-Hersteller-Iteration wird dagegen vermieden. Besonders dieNutzung von Innovation-Communities und der Einsatz von Toolkits for User Inno-vation basieren auf diesem Prinzip. Dabei können die unterschiedlichsten Innova-tionsaufgaben an Anwender ausgelagert werden. Diese reichen von der Generierungneuer Innovationsideen über erste Lösungskonzepte bis hin zur Entwicklung vollfunktionsfähiger Prototypen. Im Ergebnis führt diese Arbeitsteilung und Speziali-sierung zu einer Zeitersparnis im Innovationsprozess des Herstellers.

3.4.2 Reduzierung der Cost-to-MarketCost-to-Market bezeichnet die im Rahmen eines Innovationsprozesses von Beginn derPlanung eines Produktes bis zu dessen Markteinführung tatsächlich angefallenen unddem Produkt zurechenbaren Kosten. Insbesondere im Rahmen zunehmend globalerMärkte kommt dem Kostenfaktor der Produktentwicklung eine kritische Bedeutungzu. Ceteris paribus steigert eine Senkung der Kosten für Forschung und Entwicklungeines Produktes dessen Rentabilität und sichert das langfristige Wachstum einerUnternehmung (Hauschildt 2004). Bei der Reduzierung von Forschungs- undEntwicklungskosten leistet Open Innovation einen entscheidenden Beitrag, da dieAuslagerung definierter Innovationsaktivitäten eines Unternehmens an ausgewählteKunden nicht nur zu einer Zeit-, sondern auch einer Kostenersparnis führt. Dies istbesonders dann der Fall, wenn Kunden Innovationsaktivitäten tragen, die über einereine Ideengenerierung hinausgehen und Investitionen in entsprechende Ressourcenerfordern (z. B. Eigenentwicklung eines ersten Prototyps).

In der Phase der Markteinführung kommt ausgewählten Kunden eines Unter-nehmens noch eine weitere Bedeutung zur Senkung der Cost-to-Market zu, wenn dieseim Markt als Meinungsführer auftreten. Meinungsführer üben innerhalb ihres sozialenNetzwerkes einen starken Einfluss auf andere aus und sind in der Lage, als

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Multiplikator im Markt zu agieren und so die Bekanntmachung des Produktes ohnefinanzielle Motive zu forcieren (Flynn / Goldsmith / Eastman 1996; King / Summers1970).

3.4.3 Steigerung des Fit-to-MarketFit-to-Market beschreibt die Marktakzeptanz eines neuen Produktes im Sinne einerpositiven Kaufeinstellung der Nachfrager. Eine hohe Marktakzeptanz impliziert, dasseine Innovation geeignet ist, existierende Marktbedürfnisse zu befriedigen. In diesemFall decken sich die Anforderungen eines Nachfragers an die Leistungsmerkmale einesProduktes (z. B. Technologie, Qualität, Performance, Preis) mit dem Leistungsangeboteines Herstellers (Diamantopoulos / Schlegelmilch / DuPreez 1995). Ein hoher Fit-to-Market bedeutet in der Regel auch, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden für einProdukt steigt (Franke / Piller 2004). Damit ist Fit-to-Market Bestandteil einer Differen-zierungsstrategie im Rahmen des marktorientierten Ansatzes (siehe Abschnitt 2.4.5).

Ein hoher Fit-to-Market setzt voraus, dass Informationen über Bedürfnisse potenziel-ler Kunden (Bedürfnisinformationen) optimal mit Informationen hinsichtlich derLösung und Umsetzung dieser Bedürfnisse in ein entsprechendes Leistungsangebot(Lösungsinformationen) verknüpft werden. Aus Sicht eines Herstellers verbessern sichdie Chancen eines hohen Fit-to-Market, wenn die Qualität an Bedürfnisinformationenund/oder die Qualität an Lösungsinformationen zunimmt. Beides kann durch OpenInnovation realisiert werden.

Bedürfnisse eines einzelnen Nachfragers sind für ein Unternehmen besonders dannvon entscheidungsrelevanter Bedeutung, wenn sie für ein attraktives Marktsegmentder Zukunft repräsentativen Charakter haben. In diesem Fall verfügt der Nachfragerüber ein Bedürfnis, welches für ein relativ großes Marktsegment ebenfalls an Relevanzgewinnt. Solche innovativen Bedürfnisse lassen sich durch traditionelle Methoden derMarktforschung jedoch nur unzureichend erheben. Marktforschung im traditionellenInnovationsprozess behandelt den Kunden als repräsentative, statistische Durch-schnittsgröße. Durch den Einsatz reaktiver Marktforschungsinstrumente wird ver-sucht, latente Kundenbedürfnisse zu erfassen und zu testen. Bedürfnisse des “Normal-kunden” haben jedoch keinen Problemlösungscharakter im Sinne einer gezieltenInteraktion zwischen Kunde und Unternehmen.

Open Innovation hingegen fokussiert die aktive Integration von Lead Usern in denInnovationsprozess. Wie wir bereits gesehen haben, verfügen Lead User überBedürfnisse, die zeitlich nachgelagert für ein relativ großes Marktsegment anBedeutung gewinnen. Informationen über Bedürfnisse von Lead Usern verbessern sodie Qualität an Bedürfnisinformationen im Innovationsprozess eines Unternehmens.Deshalb kann der Hersteller die resultierende Innovation oft erfolgreich imGesamtmarkt platzieren. So berichten Lilien et al. (2002), dass die Lead-User-Methodikbei der Firma 3M Produkte hervorgebracht hat, die sowohl radikaler auf neueKundenbedürfnisse eingehen als auch finanziell deutlich erfolgreicher sind als Pro-dukte, die das Resultat eines klassischen Entwicklungsprozesses aus Marktforschung

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und interner Entwicklung sind (siehe ähnlich Gruner / Homburg 2000; Kleinaltenkamp/ Dahlke 2001; Herstatt / von Hippel 1992; Lüthje / Herstatt / von Hippel 2005; Lüthje /Herstatt 2004; von Hippel / Thomke / Sonnack 1999). Die deutlich höheren Umsätze derLead-User-Produkte im Verhältnis zu vergleichbaren, aber konventionell entwickeltenProdukten lassen sich durch ihre höhere Marktattraktivität erklären, die auch mit einerhöheren Kundenzufriedenheit durch einen besseren Fit zwischen Produkteigen-schaften und Nutzerbedürfnis einhergehen sollte.

Open Innovation trägt des Weiteren zu einer Verbesserung der Qualität an Lösungs-informationen im Innovationsprozess bei. Lösungsinformationen umfassen Informa-tionen zur Transformation von Bedürfnisinformationen in ein konkretes Leistungs-angebot. Im klassischen Innovationsprozess nutzen Unternehmen die Lösungs-informationen ihrer Experten aus der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Wie inAbschnitt 3.2.1 aufgezeigt wurde, verfügen Lead User ebenfalls über Lösungs-kompetenz. Open Innovation macht sich dieses Phänomen zu Nutze. Der Kunden-beitrag zur Gesamtinnovation bewegt sich innerhalb eines Kontinuums und erstrecktsich von einer Bedarfserkennung über die Entwicklung erster konzeptioneller techni-scher Lösungen zur Befriedigung dieses Bedarfs bis hin zum Design und der Fertigungerster Quasi-Prototypen. Es kommt so zu einer Erweiterung der Spannbreite an Ideen-und Lösungsfindungsinformationen (Katila / Ahuja 2002).

3.4.4 Erhöhung des New-to-MarketNew-to-Market beschreibt den durch die Nachfrager wahrgenommenen Neuigkeits-grad einer Innovation. Der traditionelle Innovationsprozess bringt regelmäßig inkre-mentelle Innovationen hervor. Solche Innovationen basieren auf vorhandenemWissen, orientieren sich an bestehenden Problemlösungen und zeichnen sich aus Sichtdes Nachfragers durch einen geringen Neuigkeitsgrad aus. Häufig handelt es sich umWeiterentwicklungen eines bestehenden Produktes oder um Modellpflegen (Christen-sen 1997; Christensen / Overdorf 2000). Die Ursache für dieses Verhalten haben wirbereits beschrieben: Da Hersteller in der Regel eher Lösungsinformation in ihrerDomäne haben, setzen sie vor allem dieses Verfahrens- und Produktionswissen für denInnovationsprozess ein (Ogawa 1998,; Riggs / von Hippel 1994; Szulanski 2000).

Nutzerinnovationen dagegen sind in der Regel eher funktional neue Innovationen, dasie eben an einem unbefriedigten Bedürfnis der Nutzer ansetzen. Die Nutzung vonBedürfnis- und Lösungsinformationen ausgewählter Kunden im Rahmen der OpenInnovation unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung von Innovationen, die überinkrementelle Verbesserungen hinausgehen (Riggs / von Hippel 1994). Kunden sindjedoch nicht nur in der Lage, bestehende Produkte eines Unternehmens durch neueFunktionalitäten zu verbessern. Vielmehr ist eine Reihe von Märkten speziell imBereich der Sportindustrie erst durch Open Innovation entstanden. Kite-Surfing wurdebeispielsweise von Surfern initiiert, die – getrieben von dem Wunsch nach immer höhe-ren und weiteren Sprüngen – mit der Kombination eines Surfboards und eines Segelsvom Drachenfliegen experimentierten (siehe oben Kasten 2–7). Auch die Wurzeln des

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Die Unternehmensperspektive – Wettbewerbsvorteile durch Open Innovation

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Snowboards, Skateboards und Surfboards gehen auf die Bedürfnisse und Lösungenvon Nutzern zurück und nicht auf Innovationslabors von Unternehmen (von Hippel2005). Diese Beispiele lassen die Vermutung zu, dass Lead User insbesondere auchradikale Innovationen hervorbringen.

3.4.5. Kosten aus Sicht des HerstellersNeben den in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Vorteilen von OpenInnovation sehen sich Hersteller regelmäßig mit einer Reihe von Kosten konfrontiert,die bei der Implementierung und operativen Umsetzung der Innovationsstrategie ent-stehen. Einer prozessorientierten Perspektive folgend können wir an dieser Stelleunterscheiden zwischen Kosten der Durchsetzung, Umsetzung und Kontrolle vonOpen Innovation.

Kosten der Durchsetzung von Open Innovation sind Kosten innerbetrieblicherOrganisation. Es handelt sich um finanzielle und zeitliche Aufwendungen, um OpenInnovation als Innovationsstrategie innerhalb der Organisation zu verankern. DaOpen Innovation eine substanzielle Abweichung von herkömmlichenInnovationsprozessen, im Sinne des manufacturer-active paradigms, darstellt, ent-stehen im Wesentlichen Kosten der innerbetrieblichen Kommunikation derPrinzipien von Open Innovation. Diese Kosten sind tendenziell umso höher, je aus-geprägter ein Hersteller die Ablauforganisation bisher auf einen geschlossenenInnovationsprozess hin ausrichtete. Zu den Kosten der Durchsetzung von OpenInnovation zählen somit Kosten der Information sowie Kommunikationskosten zurÜberwindung innerbetrieblicher Widerstände, insbesondere des not-invented-here-Syndroms.

Kosten der Umsetzung von Open Innovation sind Kosten der Integration vonKunden in den Innovationsprozess. Einem Hersteller entstehen zunächst Kosten zumAufbau geeigneter Infrastruktur, um Kundenwissen zu absorbieren. Hierbei kann essich beispielsweise um Kosten für den Aufbau, die Pflege und Wartung virtuellerPlattformen handeln, über welche der Hersteller mit seinen Kunden in Kontakt tritt.Einen weiteren Kostenblock bilden Kosten der Identifikation innovativer Kunden.Dieser umfasst Kosten zur Entwicklung eines validen und reliablen Identifikations-instruments innovativer Kunden (z. B. durch Screening-Fragebögen oder virtuelleBörsen), Kosten der Kommunikation mit dem Kunden sowie Kosten zur Schaffunggeeigneter Kunden-Anreizstrukturen. Schließlich entstehen einem Hersteller Kostenbei der operativen Integration von Kunden, beispielsweise bei der Durchführung vonInnovationsworkshops im Rahmen der Lead User Methode.

Kosten der Kontrolle von Open Innovation sind Kosten der Evaluation desKundeninputs. So ist die Bewertung von Kundenbeiträgen regelmäßig mit hohem zeit-lichem Aufwand verbunden (siehe hierzu die manuelle Auswertung vonKundenbeiträgen in virtuellen Communities, Abschnitt 3.5.4). Kosten der Evaluationentstehen weiterhin, um missbräuchliches Verhalten bestimmter Kunden zu verhin-

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dern bzw. frühzeitig zu erkennen. So ist es denkbar, dass Wettbewerber einesHerstellers sich als Kunden ausgeben, mit dem Ziel, den Hersteller zu nicht marktge-rechten Aufwendungen – z. B. durch technologisch unrealisierbare Vorschläge (“per-petuum mobile-Erfindungen“) – zu veranlassen (Brockhoff 2005). Weiterhin bestehtdie Gefahr, dass Individuen die Hersteller-Kunden-Aktion durch gehäufte unqualifi-zierte Beiträge (i.S.v. Spam) bewusst zu stören versuchen. Kosten der Kontrolle umfas-sen demnach die Summe an Kosten, welche beim Aufbau geeigneter Prüfroutinen desKundeninputs im Rahmen von Open Innovation entstehen.

Konkrete Instrumente, mit denen Unternehmen die Vorteile und Kosten von OpenInnovation erfassen, bewerten und steuern können, existieren noch nicht. KlassischeSysteme der Kosten- und Leistungsrechnung greifen an dieser Stelle aber zu kurz. Fürdie erfolgreiche Verbreitung der Gedanken von Open Innovation in der Wirt-schaftspraxis sind aber Maßzahlen und Systeme zu ihrer Erfassung wichtigeVoraussetzung. An dieser Stelle ergeben sich viele Aufgaben und Möglichkeiten fürzukünftige Forschung und Beratung. Einen ersten Anhaltspunkt könnte dieDiskussion um die Entwicklung zu Maßzahlen des Kundenwerts und des Erfolgs vonInitiativen des Customer Relationship Management (CRM) sein.

3.5 Instrumente von Open Innovation

Die vorangehenden Abschnitte dieses Kapitels haben argumentiert, dass es sich lohnt,konventionelle Innovationsprozesse zu öffnen und durch den Gedanken von OpenInnovation zu ergänzen. Dazu wollen wir in diesem Abschnitt eine Reihe vonInstrumenten vorstellen, die Open Innovation konkret umsetzen. Wir argumentierendabei aus der Perspektive eines Herstellers, der aktiv einen Open-Innovation-Prozessanstoßen und gestalten will. Rein empirisch vollziehen sich bislang die meisten Fällevon Nutzerinnovation außerhalb der Domäne eines Herstellers, indem ein Lead User

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Instrumente von Open Innovation

Bartl, Michael (2005). Virtuelle Kundenintegration in die Neuproduktentwicklung. Dissertationan der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU), Koblenz, September2005.

Henkel, Joachim / von Hippel, Eric (2005). Welfare implications of user innovation. Journal ofTechnology Transfer, 30 (2005) 1-2 (January): 73-88.

Herstatt, Cornelius / Lüthje, Christian / Lettl, Christopher (2002). Wie fortschrittliche Kunden zuInnovationen stimulieren. Harvard Business Manager, 24 (2002) 1: 60-68.

Krieger, Katrin (2005). Customer Relationship Management und Innovationserfolg: Eine theo-retisch-konzeptionelle Fundierung und empirische Analyse. Wiesbaden: Gabler 2005.

Lüthje, Christian (2000). Kundenorientierung im Innovationsprozess. Eine Untersuchung derKunden-Hersteller-Interaktion in Konsumgütermärkten. Wiesbaden: Gabler 2000.

Kasten 3–10: Literaturempfehlungen zur Herstellerperspektive

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aus eigenem Antrieb eine innovative Lösung schafft, um ein offenes Bedürfnis zu stil-len. Die vier Instrumente von Open Innovation, die wir im Folgenden vorstellen, habenteilweise zum Ziel, diese autonomen Lead-User-Innovationen zu entdecken und fürdas Unternehmen nutzbar zu machen. Sie zielen aber vor allem darauf ab, innovativeKunden im Sinne unserer Vision der interaktiven Wertschöpfung aktiv und zielgerich-tet in den Innovationsprozess mit einzubeziehen und gemeinsam mit ihnen eine neueProblemlösung zu schaffen.

Die Lead-User-Methode besteht auf der Identifikation innovativer Nutzer undderen Einbindung in Innovationsworkshops.

Toolkits für Open Innovation sind ein internetgestütztes Instrument, das Nutzerunterstützen soll, selbst ihre Bedürfnisse in neue Produktkonzeptionen zu übertra-gen.

Innovationswettbewerbe zielen auf die Generierung von Input für die frühenPhasen des Innovationsprozesses und fördern innovative Ideen durch einenWettbewerb zwischen verschiedenen Nutzern.

Communities für Open Innovation tragen der Tatsache Rechnung, dassInnovation meist das Ergebnis eines kollaborativen Zusammenarbeitens mehrererAkteure ist und zielen auf die Bewertung, aber auch Generierung neuer Ideen ineiner virtuellen Gemeinschaft.

3.5.1 Die Lead-User-MethodeDie Lead-User-Methode ist eine qualitative, prozessorientierte Vorgehensweise undzielt auf die aktive Einbindung ausgewählter Kunden, um mit diesen Ideen und Kon-zepte für neue Produkt- oder Prozessinnovationen zu generieren. Den Kern derMethode bilden so genannte Lead-User-Workshops, die das kreative Kundenpotenzialdurch Nutzung gruppendynamischer Effekte zu Tage fördern. Idealtypisch lässt sichdie Methode, wie in Abbildung 3–12 gezeigt, in vier Phasen strukturieren (Herstatt /von Hippel 1992; Lüthje / Herstatt 2004; Urban / von Hippel 1988; von Hippel 1986), diewir im Folgenden näher betrachten wollen.

Die ersten beiden Schritte sind dabei eher allgemeiner Natur und typische grundle-gende Aktivitäten vieler Projekte im Innovationsmanagement. Zentrale Phase ist dieIdentifikation von Lead Usern, wozu es verschiedene Methoden gibt. Die letztePhase, die gemeinsame Konzeptentwicklung zwischen Hersteller und identifiziertenLead Usern, geht dagegen bereits von der Vorstellung eines interaktiven Wert-schöpfungsprozesses aus, in der gemeinsam zwischen Anbieter und Nachfrager eineinnovative Problemlösung entwickelt wird. In der klassischen Literatur zum LeadUser (Urban/von Hippel 1988; von Hippel 1986) findet dieser Schritt nicht statt. Hierwird davon ausgegangen, dass der Lead User bereits in der eigenen Domäne eineninnovativen Prototyp entwickelt hat, den der Hersteller autonom in seinen Bereichüberträgt.

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Phase 1: Projektinitiierung

Ein Unternehmen definiert in dieser Phase ein internes Team, welches die Durch-führung der Methode verantwortet. Wie für viele Aufgaben des Innovationsmana-gement gefordert, sollte sich dieses Team interfunktional aus erfahrenen Mitarbeiternder Bereiche Forschung- und Entwicklung, Fertigung sowie Marketing zusammenset-zen. Bei der Auswahl der Teammitglieder ist insbesondere deren zeitliche Restriktionzu beachten. Fallstudien berichten von einem Arbeitsaufwand von ca. 20 Wochen-stunden pro Teammitglied – bei einer Projektlaufzeit von vier bis sechs Monaten(Herstatt / von Hippel 1992; von Hippel / Thomke / Sonnack 1999). Zunächst evaluie-ren die Teammitglieder durch Interviews mit den jeweiligen Entscheidungsträgern,welcher Produktbereich des Unternehmens sich in besonderem Maße für einenEinsatz der Lead User Methode eignet: Besteht innerhalb eines Produktbereiches einhoher Innovationsdruck? Ist der Produktbereich von der Methode überzeugt undbereit, zeitlichen und finanziellen Aufwand zu investieren? Sind dem Produktbereichbereits innovative Kunden bekannt oder existiert ein guter Zugang zur Kundenbasis?Im Ergebnis erfolgt so die Auswahl eines Produktbereichs, in welchem die Methodezum Einsatz kommt.

Phase 2: Trendanalyse

Das Innovationsvorhaben aus Phase 1 wird nun einer Trendanalyse unterzogen, diedann in der nächsten Phase den Ausgangspunkt für die Identifikation potenziellerLead User darstellt. Ein Trend bezeichnet eine erfassbare gesellschaftliche, wirtschaft-liche oder technische Grundtendenz. Zur Identifikation solcher Trends stehen verschie-dene Optionen zur Verfügung. Typischerweise erfolgt eine erste Trenddefinition durchNutzung von Branchen- und Technologiereports, Veröffentlichungen externerForschungseinrichtungen sowie Methoden der Interpolation und der historischenAnalogie. Zudem können unternehmensinterne Experten im Bereich der Forschung-und Entwicklung oder des Vertriebs erste Anhaltpunkte für sich abzeichnende Trendsliefern. Weiterhin existieren für die Prognose von Trends eine Reihe von speziellenqualitativen Techniken wie die Delphi-Methode oder die Szenario-Analyse (de Lurgio1998; Hanke / Reisch 2004):

3.5

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Instrumente von Open Innovation

Abbildung 3–12: Phasen der Lead-User-Methode

Schritt 3

Lead-User-Projektinitiierung

Trend-analyse

Lead UserIdentifikation

Konzept-design

• Teambildung

• Definition Zielmarkt

• Zieldefinition des Projekts

• Desk Research

• Experteninterviews

• Delfi-Studie

• Szenarioanalyse

• Pyramiding

• Screening

• Analoge Märkte

• Selbstselektion

• Lead User Workshop

• Evaluierung und Dokumentation der Ergebnisse

Schritt 1 Schritt 2 Schritt 4

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Die Delphi-Methode basiert auf einer strukturierten Gruppenkommunikation, umvalide Zukunftsinformationen zu ermitteln. Ihr (sehr aufwändiges) Vorgehenbasiert auf einer von der RAND-Corporation im Jahr 1964 entwickeltenBefragungsmethode. Eine Fachkommission erarbeitet zunächst Thesen bezüglichder Existenz und der Entwicklung eines Trends im Zeitablauf. Diese Thesen wer-den dann in einen standardisierten Fragebogen übersetzt und einer Experten-gruppe zur Beantwortung vorgelegt. In der Regel erfolgt kein Austausch unter denExperten, d. h. jeder Experte gibt sein individuelles Urteil auf Basis seinerErfahrung ab. Nach Auswertung der Expertenmeinungen in Form einesMittelwertes über die Urteile aller Beteiligten wird dieses Ergebnis im Rahmeneiner anonymisierten Rückmeldung nochmals den Experten vorgelegt und um einerneutes Urteil gebeten. Auf diese Weise kommt es zur gezielten Auslösung kogni-tiver Prozesse und schließlich zu einer Verbesserung der Qualität derAusgangsinformationen (Grupp 1995; Häder / Häder 1994; Köhler 1978).

Den Ausgangspunkt der Szenario-Analyse bildet ein Trendszenario im Zeitablauf,d. h. eine prognostizierte Trendentwicklung unter der Prämisse stabiler externerFaktoren. Im Regelfall muss jedoch davon ausgegangen werden, dass sichUmweltbedingungen und somit auch der prognostizierte Trend im Zeitablaufändern. Dies berücksichtigt die Szenarioanalyse durch die Identifikation negativerund positiver Extremszenarios. Zunächst gilt es, die Gesamtheit an Faktoren zuermitteln, welche Einfluss auf den untersuchten Trend haben. In einer Ein-flussanalyse wird nun mit einer Vernetzungstabelle (“Einflussmatrix”) untersucht,wie sich die einzelnen Faktoren wechselseitig beeinflussen. In einem nächstenSchritt erfolgt die Ermittlung möglicher Ausprägungen dieser Faktoren, z. B.durch den Einsatz eines morphologischen Kastens. Die mathematische Kombi-nation dieser Faktorausprägungen spiegelt dann unterschiedliche Szenarien wider.Diese werden im Anschluss auf logische Konsistenz der Faktorausprägungengeprüft und aufgrund ihrer Ähnlichkeit oder Bedeutung komprimiert. Im Ergebnisentstehen so Trendszenarios in einem Intervall, welches durch ein positives undnegatives Extremszenario begrenzt wird (Brauers / Weber 1986; Gausemeier / Fink /Schlake 1996; Mißler-Behr 1993).

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass es sich bei der Vorhersage eines Trends stets umeine Prognose handelt. Zwischen der Prognose und dem tatsächlich eintretendenEreignis bestehen stets Abweichungen. Um den Prognosefehler jedoch zumindest zuminimieren, erfordert die Trendprognose besondere Sorgfalt, Aufmerksamkeit undMethodenwissen. Phase 1 und 2 bilden den Anfangspunkt vieler Maßnahmen desInnovationsmanagements. Sie sind aber vor allem im Zusammenhang mit der Lead-User-Methode sehr wichtig – und deshalb durch das gleiche Team auszuführen, dasauch für die folgenden Schritte verantwortlich ist – damit die Beiträge und Ideen derLead User in einem der Situation des Unternehmens angemessenen Kontext interpre-tiert werden können.

Phase 3: Identifikation von Lead Usern

Bisher wurde das Innovationsvorhaben des Unternehmens (angestrebte Innovationinnerhalb eines definierten Produktbereiches) konkretisiert und einer Trendanalyse

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unterzogen. Es gilt nun, innovative Nutzer zu identifizieren, welche die festgelegtenTrends anführen, um diese in der nächsten Phase im Rahmen eines Workshops in denInnovationsprozess zu integrieren.

Wie wir jedoch in Abschnitt 3.3.1 bereits diskutiert haben, sind nicht alle potenziellenKunden bzw. Nutzer einer Leistung in der Lage, innovatives Verhalten zu entwickelnund eigenständige Innovationsideen und -konzepte hervorzubringen. Die zentraleHerausforderung ist somit, die Charakteristika innovativer Kunden an derGrundgesamtheit aller potenziellen Kunden zu spiegeln, um auf diese Weise innovati-ve von weniger innovativen Kunden zu trennen. Ein solches Vorgehen setzt jedoch vor-aus, dass das Unternehmen die zukünftige Grundgesamtheit potenzieller Kunden desInnovationsvorhabens kennt. Tendenziell ist dies ceteris paribus umso unwahrschein-licher, je höher der Neuheitsgrad einer Innovation (und vice versa).

Speziell bei radikalen Innovationen und Marktinnovationen ist die Definition derGrundgesamtheit oft schwierig. Ferner konnte in empirischen Studien gezeigt werden,dass innovative Kunden nicht nur im eigentlichen Zielmarkt des Innovations-vorhabens existieren, sondern auch in so genannten analogen Märkten (Pötz / Franke2005; von Hippel / Thomke / Sonnack 1999). Ein analoger Markt ähnelt hinsichtlich derBedürfnisse der Nachfrager und/oder der eingesetzten Technologie dem Zielmarkt,gehört aber oft einer völlig anderen Branche an. Gerade Lead User aus einem solchenMarkt können für einen interaktiven Wertschöpfungsprozess in der Innovation ent-scheidend beitragen, da sie eine Kombination des Wissens aus verschiedenenDomänen erlauben und somit oft den Problemlösungsraum erweitern (ein Beispielwäre die Nutzung von Experten in der Auswertung von Satellitenbildern als Lead Userzur Definition einer innovativen Lösung zur automatischen Auswertung vonRöntgenbildern). Jedoch ist die Identifikation analoger Märkte oft nicht einfach, und esexistieren keine Lehrbuchmethoden in diesem Bereich.

Methodisch stehen einem Unternehmen eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung,innovative Kunden zu identifizieren. Die am häufigsten diskutierten Verfahren sinddie Suchtechniken “Screening” und “Pyramiding” (von Hippel / Franke / Prügl 2005).Der Einsatz beider Verfahren setzt voraus, dass die in Abschnitt 3.3.1 diskutiertenEigenschaften innovativer Kunden in ein dem Innovationsvorhaben angepassten Setan Fragen überführt werden. Das Antwortverhalten eines Befragten lässt dannRückschlüsse zu, ob dieser sich für die Partizipation an einem Lead User Workshopeignet. Während die Suchtechnik des Screening eine Parallelsuche darstellt, handelt essich bei Pyramiding um eine sequentielle Suche (Abbildung 3–13).

Welche Suchmethode ist geeigneter, um innovative Kunden zu identifizieren? Aufdiese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Jedoch lassen sich die folgendenVermutungen anstellen.

Die Suchtechnik “Pyramiding” ist besonders dann geeignet, wenn die zukünftigeGrundgesamtheit potenzieller innovativer Kunden schwer abgrenzbar ist (techni-sche und radikale Innovationen), innerhalb des Suchfeldes ein starkes sozialesNetzwerk unter den Befragten besteht und der Fragenkatalog zur Identifikationaus wenigen, einfach zu beantwortenden Fragen besteht.

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Die Eignung von “Screening” ist dann gegeben, wenn sich die Grundgesamtheitpotenzieller Kunden gut abgrenzen lässt (Inkremental- und Marktinnovationen),kein oder nur ein sehr schwach ausgeprägtes Netzwerk unter den Befragten ver-mutet wird und der Fragenkatalog zur Identifikation umfangreich und komplexausfällt (siehe für ein aktuelles Beispiel aus der Industrie Lang 2005).

Neben den Suchtechniken des “Pyramiding” und des “Screening” werden in derLiteratur noch eine Reihe weiterer Techniken diskutiert. Diese zielen darauf ab, dasssich innovative Kunden selbst identifizieren (Self-Selection):

Eine Möglichkeit der Selbstselektion ist, dem eigentlichen Innovationsvorhabeneinen Ideenwettbewerb vorzuschalten (siehe dazu Abschnitt 3.5.3). Die Qualität derInnovationsidee eines Teilnehmers des Wettbewerbs dient hier als Prädiktor für des-sen innovatives Potenzial (Walcher 2006). Ebenso können Nutzer eines Toolkits fürOpen Innovation, die dort besonders innovative Lösungen geschaffen haben, zueinem Lead-User-Workshop eingeladen werden (zu Toolkits siehe Abschnitt 3.5.2).

Andere Arbeiten diskutieren die Eignung virtueller Börsen als Methode derSelbstselektion (Spann et al. 2004). Auf virtuellen Börsen werden, den Prinzipien

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–13: Die Suchtechniken Pyramiding und Screening (in Anlehnung an vonHippel / Franke / Prügl 2005)

Screening Pyramiding

Beim Screening werden Charakteristika innovativer Kunden in einen Fragebogen übersetzt, der einer repräsentativen Stichprobe bzw. der Grundgesamtheit parallel zur Beantwortung vorgelegt wird. Die Selbstauskunft der Probanten über ihre subjektive Eignung für eine Partizipation an der jeweiligen Innovationsaufgabe dient dann als Entscheidungsgrundlage für die Auswahl innovativer Kunden.

Pyramiding beruht auf der Existenz sozialer Netzwerke, d.h. einem Beziehungsgeflecht, welches Menschen mit anderen Menschen verbindet. Den Ausgangspunkt bildet die Befragung eines beliebigen Mitglieds dieses Netzwerks in Bezug auf die Empfehlung einer Person, welche hinsichtlich der Charakteristika innovativer Kunden aus Sicht des Befragten qualifizierter ist. Auf diese Weise entsteht ein „Schneeballeffekt“ und man tastet sich sequentiell an die innovativsten Kunden heran.

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echter Aktienmärkte folgend, zukünftige Marktzustände gehandelt (z. B. der Absatzbestimmter Produkte innerhalb eines definieren Zeitraums). Die Erwartungen derTeilnehmer bezüglich zukünftiger Marktzustände spiegeln sich dann im Wert dervirtuellen Aktien wider. Entsprechend der Hayek-Hypothese werden durch einevirtuelle Börse asymmetrisch verteilte Informationen der Marktteilnehmer am effi-zientesten aggregiert. Erfolgreiche “virtuelle Börsianer” verfügen gegenüber erfolg-losen demnach über einen Informationsvorsprung (Wissen und Erfahrung in Bezugauf den virtuellen Markt). Eben dieser ist ein Merkmal innovativer Kunden.

An dieser Stelle sollte deutlich werden, dass es keinen “Königsweg” zur Identifikationinnovativer Kunden gibt. Jede Methode verfügt sowohl über Vor- als auch Nachteile.Sinnvoll erscheint insbesondere, unterschiedliche Methoden miteinander zu kombinie-ren. So könnte beispielsweise nach erfolgreichem “Pyramiding” ein “Screening” weite-ren Aufschluss über eine Eignung ausgewählter Kunden geben oder eine virtuelleBörse als Anknüpfungspunkt für ein “Screening” oder “Pyramiding” dienen. ImErgebnis erfolgt durch den individuellen Einsatz unterschiedlicher Suchmethoden indieser Phase eine Auswahl innovativer Kunden.

Wie bereits zu Beginn dieses Abschnitts angeführt, gehen die in diesem Kapitelbeschriebenen Methoden und Instrumente von der Vorstellung eines herstellerinitiier-ten Open-Innovation-Prozesess aus. Dies heißt für die Lead-User-Methodik die akti-ve Suche nach Kunden und Nutzern mit potenziellen Lead-User-Eigenschaften, diedann im folgenden Schritt aktiviert und zu “innovativem Verhalten” motiviert werdenkönnen. In vielen Fällen aber werden Lead User ohne Anregung oder Identifikationdurch einen Hersteller aktiv. Eine Selbstselektion kann deshalb auch über dieErmittlung bereits gezeigten innovativen Verhaltens erfolgen. Viele Lead-User-Innovationen werden vom Hersteller zufällig entdeckt (und zunächst oft als unbedeu-tend eingestuft) oder von einem Lead User aus eigener Motivation an den Herstellerherangetragen. Damit erhält das Unternehmen auch ohne einen formalen ProzessZugang zu Lead-User-Information. Allerdings eröffnen Nutzer, die bereits in derVergangenheit eigenständig Innovationen im Zielmarkt hervorgebracht haben, oftauch große Potenziale für zukünftige unternehmensdefinierte Innovationsprojekte. DiePflege der einmal erfolgreich identifizierten Lead User wird so zu einer wichtigenAufgabe (“Innovator Relationship Management”).

Phase 4: Konzeptdesign in Lead-User-Workshops

Die identifizierten innovativen Kunden werden nun durch den Hersteller zu einemInnovationsworkshop eingeladen, in welchem für das definierte Innovationsvorhabengemeinsam Innovationsideen und -konzepte entwickelt werden. Alle vorangehendenSchritte sind im Grunde nur Mittel zum Zweck, einen solchen Workshop erfolgreichdurchführen zu können. Die Qualität der hier generierten Ergebnisse bestimmt denErfolg des Lead-User-Projektes. Auch wenn es keine genaue Anleitung für den erfol-greichen Ablauf eines Lead-User-Workshops gibt, so besteht dieser in der Regel auseinigen Elementen, die wir im Folgenden ansprechen wollen.

Ein Innovationsworkshop setzt sich in der Regel aus ca. zehn Kunden, dem Lead-User-Team und einem erfahrenen Moderator, welcher den Workshop lenkt, zusammen. Die

3.5

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Instrumente von Open Innovation

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zeitliche Dauer beträgt zwischen einem halben und zwei Tagen (anhängig von derKomplexität des Problems). Die Rolle des (in der Regel externen) Moderators ist die Ver-mittlung zwischen den Beiträgen der Kunden und der Unternehmensteilnehmer. Auchleistet ein Moderator wichtige methodische Unterstützung bei der Anregung und Struk-turierung der Beiträge der Teilnehmer. Ein Workshop ist neben dem fachlichen auch stetsdurch den sozialen Austausch zwischen den Teilnehmern geprägt. Ein Moderator solltehier eventuelle Spannungen abbauen und die in der Regel gewollte Heterogenität derTeilnehmer nutzen, um einen zielführenden Problemlösungsprozess anzustoßen.

Der Workshop beginnt in der Regel mit einem Briefing durch das Unternehmen, eineVorstellung des grundsätzlichen Produktbereiches und einer Definition des Problems.Anschließend werden die Teilnehmer durch den gezielten Einsatz ausgewählterKreativitätstechniken angeregt, in mehreren Runden eigene Ideen zur Lösung desProblems zu generieren (Abbildung 3–14 nennt einige dieser Techniken; siehe hierzuim einzelnen Geschka / Lantelme 2005). Kreativitätstechniken sind Methoden, die denIdeenfluss einer Gruppe beschleunigen, gedankliche Blockaden umgehen, dieSuchrichtung erweitern und die Problemformulierung präzisieren (Hornung 1996).Unterschieden werden intuitive und diskursive Techniken. Intuitive Methoden zielendarauf ab, Gedankenassoziationen zu fördern, während diskursive Methoden einesystematische, logisch-prozessorientierte Lösungssuche anstreben.

Die so generierten Ideen und Problemlösungsvorschläge werden, wenn möglich, nochwährend des Workshops durch Experten aus der Firma gespiegelt und – sollte eineSimulation mit Rapid-Prototyping-Verfahren möglich sein – auch umgesetzt, um auch

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–14: Kreativitätstechniken im Innovationsprozess (siehe zu diesen VerfahrenGeschka / Lantelme 2005)

Intuitive Methoden diskursive Methoden

Techniken der freien AssoziationBrainstormingRingtauschtechnikKartenumlauftechnikMind Mapping

Techniken der strukturierten AssoziationWalt Disney Methode6-Hüte-Methode

KombinationstechnikenMorphologisches TableauMorphologische MatrixAttribute Listing

KonfrontationstechnikenExkursionssynektikReizwortanalyseVisuelle KonfrontationBildkarten-BrainwritingTRIZ-Lösungsprinzipien

ImaginationstechnikenTake a Picture of the ProblemTry to become the ProblemGeleitete Fantasiereise

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die Teilnehmer in die Evaluierung einzubinden. Die Ergebnisse des Workshops wer-den im Anschluss durch das Unternehmen dokumentiert und bewertet. Als Bewer-tungskriterien eignen sich beispielsweise das Marktpotenzial, der Innovationsgradsowie der Fit einer Idee mit dem Leistungsprogramm und den Ressourcen des Unter-nehmens. Positiv bewertete Ideen werden dann in weiteren Innovationsworkshopsweiterentwickelt oder in den internen Innovationsprozess eingespeist.

3.5.2 Toolkits für Open InnovationLead-User-Workshops sind oft ein sehr erfolgreiches, aber auch recht aufwändiges undteures Verfahren von Open Innovation. Ihr Erfolg hängt sowohl von der richtigen Aus-wahl und Rekrutierung geeigneter Teilnehmer als auch von der Gestaltung undModeration des Workshops selbst ab. Auch wenn in der Literatur sehr eindrucksvolleBelege für den Erfolg dieser Methodik existieren (Gruner / Homburg 2000; Herstatt /von Hippel 1992; Lilien et al. 2002; Lüthje / Herstatt / von Hippel 2005; von Hippel /Thomke / Sonnack 1999), so scheuen viele Unternehmen den Aufwand, regelmäßigklassische Lead-User-Projekte durchzuführen.

Grundgedanken von Toolkits für Open Innovation

Ein neuer Ansatz, der oft kostengünstiger und deshalb auch als kontinuierliche Maß-nahme implementiert werden kann, ist der Einsatz von Toolkits für Open Innovation(auch: Toolkits for User Innovation and Co-Design; von Hippel 2001; von Hippel /Katz 2002). Diese meist internetbasierten Instrumente erlauben den Einbezug einergroßen Zahl an Kunden in verschiedene Phasen des Innovationsprozesses. Es gibt ver-schiedene Arten von Toolkits, die jedoch alle dem gleichen grundlegendenGedankengang folgen (siehe auch Abbildung 3–15):

Wie bereits gesehen (Abschnitt 3.2.1), nähert sich klassischerweise ein Herstellerim Entwicklungsprozess durch Variation, Kombination und Evaluation vonLösungsmöglichkeiten für ein Innovationsproblem unter iterativer Spiegelung die-ser potenziellen Lösungen an den Bedürfnissen der (potenziellen) Nutzer der end-

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Instrumente von Open Innovation

Churchill, Joan / von Hippel, Eric (2002): Video-Tutorial zur Anwendung der Lead-User-Methode, online verfügbar unter web.mit.edu/evhippel/www/tutorials.htm.

Lilien, Gary / Morrison, Pamela / Searls, Kathleen / Sonnack, Mary / von Hippel, Eric (2002).Performance assessment of the lead user idea-generation process for new product develop-ment. Management Science, 48 (2002) 8: 1042-1059.

Lüthje, Christian / Herstatt, Cornelius (2004). The lead user method: Theoretical-empiricalfoundation and practical implementation. R&D Management, 34 (2004) 5: 549-564.

Urban, Glen / von Hippel, Eric (1988). Lead user analysis for the development of new industri-al products, Management Science, 34 (1988) 5: 569-582.

Kasten 3–11: Literaturempfehlungen zur Lead-User-Methode

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gültigen Lösung an. Dieser Trial-and-Error-Prozess ist sehr aufwändig, da eine ste-tige Iteration und Kommunikation zwischen der Nutzer- und Herstellerdomänenötig ist. Dieser Austausch ist aber aufgrund der “Stickiness” (Ortsgebundenheit)von Bedürfnis- und Lösungsinformation oft durch hohe Transaktionskostengeprägt und zeitaufwändig (von Hippel 1998).

Toolkits für Open Innovation basieren dagegen auf der Idee, diesen Trial-and-Error-Prozess an die Nutzer zu übergeben (Franke / Piller 2004; Franke / Schreier2002; von Hippel 2001; von Hippel / Katz 2002; Thomke / von Hippel 2002). EinToolkit beschreibt eine Entwicklungsumgebung, welche Kunden befähigt, ihreBedürfnisse iterativ in eine konkrete Lösung zu überführen, häufig ohne dabei mitdem Hersteller in persönlichen Kontakt zu treten. Dazu stellt der Hersteller eineInteraktionsplattform bereit, auf der die Nutzer selbst – unter Nutzung eines vor-handenen und im Toolkit abgebildeten Lösungsraumes – ihre Bedürfnisse konkre-tisieren und in eine fertige Lösung überführen können.

Dabei ermöglichen Toolkits ihren Nutzern durch ein Feedback und Simulationeiner möglichen Lösung, diese selbst hinsichtlich der Ausprägungen relevanterAttribute (z. B. Design, Performance, Preis) zu beurteilen. Auf diese Weise wird einLernprozess bei den Nutzern angestoßen, der auch als experimentelles Vorgehen

3

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–15: Ablauf des iterativen Problemlösungsprozesses im klassischenInnovationsprozess und bei Einbezug der Nutzer mittels Toolkits für OpenInnovation (in Anlehnung an Thomke / von Hippel 2002)

Vorhergehende Entwicklungen

Design

Bau (Prototypen)

Test (Feedback)

Vorhergehende Entwicklungen

Design

Bau (Prototypen)

Test (Feedback)

Kunde

Hersteller

Schnittstelle

Schnittstelle

Wieder -holungen

Traditionelle Produktentwicklung

Kunde als Produkt -entwickler /Innovator

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gesehen werden kann (Thomke 2003). Die Nutzer werden so lange mit demLösungsraum des Toolkits experimentieren, bis sie sich einer optimalenProblemlösung angenähert haben. Das hierzu gehörige Bündel aus Bedürfnis- undLösungsinformationen übertragen sie im Anschluss (meist automatisiert) an denHersteller. Kasten 3–12 gibt hierfür ein gutes Beispiel. Auch wenn die in diesemArtikel beschriebenen Toolkits von d.tools als Instrumente beschrieben werden,die professionellen Produktdesignern zugute kommen sollen, so spricht die einfa-che Handhabung dieser Tools natürlich auch dafür, sie als unterstützendeInfrastruktur Nutzern und Kunden in die Hand zu geben.

Dem Hersteller kommt so nicht mehr die Aufgabe zu, Bedürfnisse der Nutzer exaktzu verstehen und selbst in eine mögliche Lösung zu übersetzen und diese dann zuevaluieren. Vielmehr muss der Hersteller “nur” die vom Nutzer selbst geschaffeneLösung produzieren und distribuieren. Da der Nutzer die Lösung aber durchNutzung einer Interaktionsplattform des Herstellers erstellt hat, ist die Ferti-gungsfähigkeit oft recht einfach.

3.5Instrumente von Open Innovation

(Quelle: Auszug aus dem Artikel “Qualität durch Basteln” von Martin Virtel in der Financial TimesDeutschland vom 24. Februar 2006 [www.ftd.de/rd/51032.html])

Wie lange braucht ein Laie, um einen MP3- Player zu entwerfen und zu bauen? 95 Minuten - mitden richtigen Werkzeugen. Als da wären: Teppichmesser, Styroporplatten, Klebeband, Schalter,Kabel, Display, Chips und eine Software, die dem Haufen Technik Leben einhauchen kann. DasErgebnis ist ein kantiges Ding, das an ein Stück aus dem Werkunterricht der sechsten Klasseerinnert. Aber man kann es in die Hand nehmen, es reagiert auf jeden Knopfdruck. Der Geräte-Baukasten, d.tools genannt, ist ein ernsthafter Versuch, der Elektronik- und Computerbrancheeinen Weg aus der Krise zu weisen [hci.stanford.edu / research / dtools / ]. Die Hersteller von MP3-Playern, Handys und Kameras haben den technischen Fortschritt nicht mehr richtig im Griff: DieGeräte werden mit immer neuen Zusatzfunktionen auf den Markt geworfen, gleichzeitig sind sieimmer komplizierter zu bedienen. “Wir werden bald in einer Welt leben, in der jeder fünf oder sechselektronische Geräte mit sich herumschleppt”, sagt Scott Klemmer, Dozent für die Gestaltung vonMensch-Maschine-Schnittstellen an der Universität in Stanford, Kalifornien, “aber die mensch-lichen Fähigkeiten bleiben ja konstant.”

Jede Idee lässt sich schnell in einen Prototypen umsetzen, um sie mit zukünftigen Nutzern zutesten. “Das Bauen von Prototypen muss zur Gewohnheit werden, so, wie ein Musiker jeden Tagsein Instrument spielt”, sagt Klemmer. “Unser Ziel ist, dass der ganze Zyklus nicht mehr als eineStunde dauert.” Auch heute lassen Produktdesigner Modelle von ihren Ideen anfertigen - meistGehäuse-Prototypen ohne Funktion. Der Erkenntniswert der leeren Hüllen ist begrenzt, um dieFunktion zu testen, müssen die Designer ihren Entwurf “über die Mauer werfen”, so lautet derFachausdruck. Auf der anderen Seite der Mauer sitzen die Mechatroniker und Programmierer, diefür die nötige Hard- und Software im neuen Gehäuse sorgen. Erst danach kann getestet werden -eine umständliche Prozedur, die nicht dazu animiert, eine schlechte Design-Idee noch mal zuüberdenken. “Wir lassen die Mauer verschwinden”, sagt Klemmer. Zusammenstecken und Zusam-menklicken kann jeder - Schalter, Display, Drehregler und so weiter erkennen, wann und wie siezusammengestöpselt werden, und melden es an den angeschlossenen Laptop weiter. Pro-grammieren lässt sich das Gebilde ohne besondere Vorkenntnisse, einfach durch das Umher-

Kasten 3–12: Prototyping und Experiment als grundlegende Idee von Toolkits

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Anforderungen an Toolkits für Open Innovation

Um dieses Ablaufprinzip von Toolkits für Open Innovation sowohl auf Kunden- alsauch auf Herstellerseite effizient zu gestalten, werden fünf Basisanforderungen anToolkits gestellt (von Hippel 2001; von Hippel / Katz 2002):

1 Vollständiges Trial-and-Error: Nutzer eines Toolkits sind mit ihrer selbst entwik-kelten Bedürfnislösung tendenziell dann zufriedener, wenn sie den Problem-lösungszyklus vollständig durchlaufen können. Dies erfordert, dass ein Nutzer aufseine mit dem Toolkit entwickelte Lösung ein simuliertes Feedback erhält, welchesihm ermöglicht, die aktuelle Lösung zu bewerten, iterativ zu verbessern und seinenindividuellen Anforderungen anzunähern. Auf diese Weise kommt es auch zurAuslösung kognitiver und affektiver Lernprozesse (learning-by-doing), die dieQualität der Lösungsfindung verbessern.

2 Zulässiger Lösungsraum (Solution Space): Der Lösungsraum eines Toolkitsbezeichnet die Gesamtheit an Variationen und Kombinationen zulässiger Lösungs-möglichkeiten und wird vom Hersteller definiert. Grundsätzlich sollte derLösungsraum nur solche Variationen und Kombinationen an Attributen zulassen,die aus Sicht des Herstellers unter Berücksichtigung insbesondere produktions-technischer Restriktionen realisierbar sind. Diese Einschränkung ist je nach Arteines Toolkits jedoch mehr oder weniger strikt (siehe unten).

3 Benutzerfreundlichkeit: Die Benutzerfreundlichkeit beschreibt die durch einenNutzer wahrgenommene Qualität der Interaktion mit einem Toolkit. Sie wird imWesentlichen durch die vom Nutzer wahrgenommenen Kosten (Zeit, intellektuel-ler Aufwand) sowie den wahrgenommenen Nutzen (Zufriedenheit mit der ent-wickelten Leistung, Spaß bei der Entwicklung) während der Interaktion mit demToolkit beeinflusst. Bei heterogener Ausprägung dieser Faktoren innerhalb einerNutzergruppe empfiehlt es sich für den Hersteller, unterschiedliche Ausführungenan Toolkits bereitzustellen.

4 Module und Komponenten: Module und Komponenten sind Einzelteile einesToolkits (z. B. Programmiersprachen, Visualisierungen, Hilfe-Menüs, Zeichen-programme, Textfelder, Bibliotheken), welche dessen Funktionsweise herstellenund einem Nutzer zur Lösung seines Problems zur Verfügung stehen. Module undKomponenten bilden den Lösungsraum des Toolkits ab und bestimmen dessenBenutzerfreundlichkeit.

3

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

schieben und Verbinden von Symbolen auf dem Computerbildschirm. Der Rest der Herstellunghängt derzeit noch vom handwerklichen Geschick mit Teppichschneider und Klebeband ab. Um dieunansehnlichen Styroporplatten eines Tages zu ersetzen, experimentiert Klemmers Team mit ver-schiedenen Maschinen, die computergesteuert Plexiglas so zurechtstutzen, dass sich darausGehäuse zusammenkleben lassen. Ein handelsüblicher Laptop, durch einen Kabelstrang mit demModell verbunden, sorgt dafür, dass tatsächlich Musik ertönt, wenn der “Play”-Knopf gedrückt wird.Denn die Prototypen, so bläut Klemmer seinen Studenten ein, sind nicht dazu da, um schick aus-zusehen und nett in der Hand zu liegen, sondern um sich Feedback von den Nutzern zu holen.

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5 Übersetzung der Kundenlösung: Hat der Nutzer eines Toolkits die für seineBedürfnisse optimale Problemlösung entwickelt, überträgt er diese an denHersteller. Ein solcher Transfer bedingt eine fehlerfreie Übersetzung der Kunden-lösung in die “Sprache” des Herstellers.

Arten von Toolkits für Open Innovation

Es gibt verschiedene Arten von Toolkits, die sich anhand der Ausprägung und Gestal-tung von der zuvor vorgestellten Basisanforderungen unterscheiden. Es sei an dieserStelle aber bereits betont, dass der Einsatz von Toolkits für Open Innovation imVergleich zur Lead-User-Methodik erst am Anfang der betrieblichen Praxis steht unddeshalb nur wenige empirisch fundierte Erfahrungen über die Gestaltung von Toolkitsvorliegen.

In Anlehnung an Franke und Schreier (2002) können zwei Arten von Toolkits unter-schieden werden, die sich vor allem durch die Größe bzw. Offenheit des Lösungsraumsdifferenzieren: Toolkits for User Innovation sowie Toolkits for User Co-Design(Abbildung 3–16). Sie kommen in unterschiedlichen Phasen des Wertschöpfungs-prozesses zum Einsatz (siehe auch Dockenfuß 2003; Frank / Piller 2003, 2004). In Erwei-terung dieser Abgrenzung können wir noch eine weitere Art von Toolkit unterschei-den, die ganz zu Beginn des Innovationsprozesses zum Einsatz kommt: Toolkits zumIdeentransfer (externes Vorschlagswesen).

3.5Instrumente von Open Innovation

Abbildung 3–16: Arten von Toolkits für Open Innovation

Toolkits für UserInnovation

Toolkits für User Co-Design

Toolkits zumIdeentransfer

Ziel

Generierung vonInnovationsideenGenerierung innovativerLeistungseigenschaften

Leistungsindividuali-sierung durch Produkt-konfiguration (Verkaufs-tool)

Transfer vorhandenerInnovationsideen aus derNutzerdomäne (externesVorschlagswesen)

Prinzip

"Chemiekasten"Sehr großerLösungsraumHohe NutzungskostenVollständiges Trial-and-Error

"Lego-Baukasten"Vordefinierter Lösungs-raum durch technischeRestriktionen desHerstellersGeringe Nutzungskos-ten durch Standard-moduleTrial-and-Error nur teil-weise möglich

"Black Board"UnbegrenzterLösungsraumGeringe Nutzungs-kostenKein Trial-and-Error(bzw. nur Feedbackdurch andere Nutzer)

Nutzer Nutzer mit Lead-User-Eigenschaften

alle Kunden Nutzer mit Lead-User-Eigenschaften

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Toolkits for User Innovation ähneln im Prinzip einem Chemiekasten. IhrLösungsraum ist in der Regel unbegrenzt. Nutzer des Toolkits fügen nicht nur vomHersteller vorgegebene Standardmodule und Komponenten zu einem für sie optima-len Produkt zusammen, sondern experimentieren in einem aufwändigen trial-and-error-Prozess an bisher unbekannten Lösungen für ihre Bedürfnisse. Bei den notwen-digen Lösungsinformationen, welche der Hersteller in seinem Toolkit bereitstellt, han-delt es sich beispielsweise um Programmiersprachen oder Zeichenprogramme. Dieseverlangen von ihren Nutzern ein hohes Maß an Kreativität und technischemVerständnis und sind deshalb nur für ausgewählte Nutzergruppen (Lead User) geeig-net.

Diese Toolkits ermöglichen es ihren Nutzern, sich aktiv an einem Innovationsprozessdes Herstellers zu beteiligen. Dabei können Nutzer mit Hilfe des Toolkits entwederIdeen für neue Innovationen entwickeln oder innovative Leistungseigenschaften gene-rieren. Der Unterschied zu einer rein autonomen Entwicklungstätigkeit der Nutzer(d. h. ohne ein Toolkit des Herstellers) liegt in zwei wesentlichen Faktoren: (i) Der Her-steller stellt sein vorhandenes Lösungswissen den Kunden in Form des Toolkits zurVerfügung. Dies kann beispielsweise durch eine Bibliothek an Funktionen, eineRückgriffsmöglichkeit auf vorhandene Entwicklungen (CAD-Files) oder genaueInformationen über das Fertigungssystem geschehen. Die Nutzer können damit aufeinem oft weit höheren Niveau innovativ tätig werden. (ii) Des Weiteren bedingt derEinsatz von Toolkits for User Innovation, dass ihre Nutzer in sämtlichen Phasen eindetailliertes (simuliertes) Feedback auf ihre Entwicklungen erhalten. Ein Beispiel fürein solches Toolkit ist das von Thomke und von Hippel (2002) beschriebene Toolkit vonBAA Flavors, einem Hersteller von Nahrungsmittel-Aromen (siehe Kasten 3–13).

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

(Quelle: Thomke / von Hippel (2002) dokumentieren folgenden Fall der Produktentwicklung beieinem Hersteller von Aromen für die Nahrungsmittelindustrie, der die Einsatzpotenziale eines Tool-Kits gut zeigt.)

Produkte von BBA (jetzt International Flavors and Fragrances) sind spezielle Aromen, um denGeschmack von nahezu allen verarbeiteten Nahrungsmitteln zu verstärken und zu verbessern. DieEntwicklung dieser hinzugefügten Aromastoffe erfordert einen hohen Grad an Expertise und kun-denspezifischer Anpassung und gleicht in der Praxis mehr derKunst als der Wissenschaft. Ein tra-ditionelles Produktentwicklungsprojekt bei BBA läuft folgendermaßen ab: Ein Kunde fordert einenfleischartigen Geschmack für ein Soja-Produkt, und die Probe soll innerhalb einer Woche geliefertwerden. Die Aromaexperten von BBA machen sich an die Arbeit und verschicken die Probe inner-halb von sechs Tagen. Drei frustrierende Wochen folgen, bis der Kunde antwortet “Eigentlichschon gut, aber wir brauchen es weniger rauchig und eher kraftvoll.” Der Kunde weiß genau, waser damit meint, aber für die Aromaexperten von BBA ist diese Aussage oft schwer interpretierbar.Je nach Produkt wechselt der Prozess zwischen BBA und Kunde noch einige Male – mit Aufwand,Wartezeit und Kosten für beide Seiten. Denn BBA trägt einen Großteil der Entwicklungskosten, hataber erst dann Einnahmen, nachdem sowohl der Kunde als auch dessen Kunden (dieKonsumenten) vollständig zufrieden sind (ein Entwicklungsprozess kostet dabei zwischen weni-gen 1000 USD für die Abänderung eines existierenden Geschmacks bis zu mehr als 300.000 USD

Kasten 3–13: Ein Toolkit in der Nahrungsmittelindustrie

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Toolkits for User Co-Design dienen weniger der Neuentwicklung von Produkten undLeistungen als vielmehr ihrer Individualisierung und Anpassung an spezifischeKundenwünsche. Ihr Prinzip ist mit dem eines Lego-Baukastens zu vergleichen.Toolkits for User Co-Design bieten ihren Nutzern eine mehr oder weniger großeAuswahl an Einzelbausteinen (Modulen, Komponenten, Parametern), welche diese zueinem ihren individuellen Anforderungen entsprechenden Gesamtproduktzusammenstellen (Konfiguration, siehe auch Abschnitt 4.4.4). Der Lösungsraum desToolkits ist somit begrenzt und erlaubt nur solche Kombinationen an “Bausteinen”, dieim wirtschaftlichen und technischen Machbarkeitsbereich des Herstellers liegen. In derRegel erhalten die Nutzer eine Visualisierung ihrer konfigurierten Leistung und kön-nen diese iterativ entsprechend ihrer Anforderungen verbessern. Im Anschluss über-mitteln die Nutzer ihr konfiguriertes Design an den Hersteller, welcher die Produktionübernimmt. Bekannte Beispiele dieser Toolkits sind die Konfiguratoren von Dell oderder Automobilindustrie.

Während aus Sicht des Herstellers durch den Einsatz von Toolkits for Co-Design keineInnovationen, sondern lediglich individuell konfigurierte Produkte entstehen, könnendiese von den Nutzern durchaus als (inkrementelle) Innovation wahrgenommen wer-den. Wir werden diesen Bereich noch ausführlich in Zusammenhang mit derProduktindividualisierung (Mass Customization) in Kapitel 4 behandeln und dabeiauch auf eine Gestaltung dieser Werkzeuge eingehen (Dockenfuß 2003). Da der Standder Entwicklung und Implementierung von Toolkits for User Co-Design deutlich wei-

3.5

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Instrumente von Open Innovation

für eine neue Geschmackfamilie). Im Durchschnitt akzeptiert der Abnehmer letztendlich nur 15Prozent aller neuen Geschmacksstoffe für einen vollständigen Markttest, und nur 5 Prozent bis 10Prozent werden schließlich im Markt eingeführt.

Um auf dieses Problem zu reagieren, hat BBA Innovationsaktivitäten auf die Kunden verlagert.Dazu wurde ein Tool-Kit entwickelt, das zum einen aus einer großen Datenbank mitGeschmacksprofilen besteht. Ein Kunde kann diese Information am Bildschirm auswählen, verän-dern und bekommt sofort ein Feedback, wie die neue Aroma-Kombination sich auf den Preis desfertigen Produktes auswirken wird (da unterschiedliche Aromen unterschiedlich teuer sind). jedochist es schwer, Aromen nur am Bildschirm zu beurteilen – hier liegt ja genau das Problem desInformationsaustausches zwischen Nutzer und Hersteller begründet.

Um dieses Problem zu lösen, hat BAA einen neuartigen “Baukasten” entwickelt, den dieChefköche für ihre “Produktentwicklung” nutzen können: eine Kollektion kleiner Tüten mit denAromastoffen. Jede Zutat im Baukasten ist die dabei die BAA-Fabrikversion einer klassischenZutat, die traditionellerweise von Chefköchen während der Produktentwicklung benutzt wird. Sowürde ein Baukasten für mexikanische Saucen z. B. ein Chili-Püree enthalten, das in denMaschinen von BAA verarbeitet werden kann. Für eine mexikanische Sauce besteht derBaukasten aus 20 bis 30 Komponenten in kleinen Plastikbeuteln mit Anweisungen zur korrektenVerwendung. Obwohl die Komponente von ihren frischen Versionen abweichen, werden dieseUnterschiede per “learning-by-doing” durch den Koch entdeckt, der auf den gewünschtenGeschmack und die Beschaffenheit per trial-and-error hinarbeiten kann. Wenn ein Rezept, basie-rend auf diesen Komponenten fertig ist, kann es sofort und präzise in den Fabriken von Nestlereproduziert werden – denn nun benutzt der Nutzer/Entwickler dieselbe Sprache wie die Fabrik. ImFall BAA konnte so die Entwicklungszeit von 26 auf 3 Wochen reduziert werden, indem wiederhol-te Neuentwicklung und Verbesserungen zwischen Nestle und seinen Kunden eliminiert wurden.

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3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–17: Beispiele für Toolkits für User Co-Design in der Schuhindustrie (entnom-men aus Piller 2005a)

Brand, name of thecustomization pro-gram, and year of

introduction

Customization options,price range, and

distribution channelScope of the program

mi adidas (adidas.com)since 2000

Retail basedCustom fit & designPrice range: 140-160 USD

Six shoes (two running shoes, one soc-cer, tennis, indoor, and basketball shoerespectively).Three areas of customization: fit (lengthand width of each foot), performance (out-sole and mid sole options and seasonalupper materials), and aesthetic design.

Converse (converse.com / converseone)since 2004

Internet basedAesthetic designPrice range: 60 USD

Three shoes (Chuck Taylors high and low,Jack Purcells). Custom colour and embro-idered lettering.

Nike iD (nikeid.com)since 1998

Internet basedAesthetic designPrice range: 50-80 USD

Fifty-one shoes (thirty-one for men, se-venteen for women and three for kids), sixbags, five watches and three golf balls.Custom colour and lettering.

Puma MongolianBBQ (puma.com /mongolianbbq)since 2005

Retail basedAesthetic designPrice range: 100 USD

Individual style by combining differentparts of the shoe on kiosks installed atselected Puma locations. Very tactile witha DIY flavour.

Reebok(rbkcustom.com)since 2005

Internet basedAesthetic designPrice range: 60-80 USD

Two shoes. Custom colour and patterns

Vans(shop.vans.com)since 2005

Internet basedAesthetic designPrice range: 50-60 USD

Two shoes.Custom colour and patterns

Timberland (timberland.com /customboots)since 2004

Internet basedAesthetic designPrice range: 170-180 USD

Six shoes (two for men, three for women,two for kids).Many colour options.

FootJoy GolfShoes(myjoys.com)since 2003

Internet basedCustom fit (limited) andaesthetic designPrice range: 140-165 USD

Popular golf shoe. Custom colour and individual length andwidths for both right and left shoes.

JG Customs (booktown.com /jgcustoms)since 2003

Internet & retail basedAesthetic designPrice range: 300-400 USD

DIY approach (small user company modi-fying standard Nike shoes with own crea-tions). Real personalization, hand painted,small batch sizes

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ter ist als die Implementierung von Toolkits for User Innovation, bieten Erstere wichti-ge Anhaltspunkte zur Gestaltung letzterer (wir betrachten die Gestaltung von Toolkitsim Rahmen der Produktindividualisierung in Abschnitt 4.4). Einen guten Überblickdes Stands der Entwicklung von Toolkits for User Co-Design bietet die Sportschuhin-dustrie. Hier gibt es inzwischen keinen großen Hersteller mehr, der kein Toolkit anbie-tet. Die meisten dieser Toolkits sind internetbasiert, andere aber auch spezielleAnordnungen in einem Ladengeschäft (Abbildung 3–17).

Jedoch ist die Abgrenzung zwischen Toolkits for User Innovation und User Co-Design nicht immer einfach. Wie bereits erwähnt, ist aus Sicht der Nutzer oft dieInteraktion mit einem Konfigurationstoolkit ein kreativer Problemlösungsprozess, dereinem Entwicklungsprozess sehr ähnlich ist (Franke 2003). Ein gutes Beispiel ist derEinsatz von Toolkits in der Halbleiterindustrie, wo industrielle Kunden heute unterRückgriff auf Plattformen der Halbleiterfabrikanten weitgehend selbst spezifische inte-grierte Schaltkreise entwerfen (von Hippel / Katz 2002). Diese Toolkits (z. B. von ISL)erlauben die nutzerindividuelle Entwicklung neuer Funktionen, können aber nicht dasgrundsätzliche Design eines Halbleiters ändern (um diesen beispielsweise energie-effi-zienter zu machen. Aufgrund des sehr großen Lösungsraums kann dieser Vorgangdurchaus als Innovationsprozess bezeichnet werden, auch wenn die weitgehendeDigitalisierung der Entwicklung und Fertigung Produktionsprozesse der individuel-len Chips erlaubt, die sehr stabil sind und eher einer Mass-Customization-Situationentsprechen.

Eine weitere Art von Toolkits setzt ganz zu Beginn des Innovationsprozesses in derPhase der Ideengenerierung ein: Toolkits zum Ideentransfer (externes Vorschlags-wesen). Diese Toolkits unterstützen weniger einen eigenen Problemlösungsprozessbeim Kunden, sondern zielen vielmehr auf die einfache Übertragung vorhandenerIdeen und Lösungen aus der Nutzerdomäne. Sie bieten innovativen Nutzern einen“offenen Kanal” zum Unternehmen. Viele Hersteller haben heute unternehmensinternein kontinuierliches Verbesserungswesen etabliert, das meist auf Basis einer Intranet-Plattform erlaubt, Ideen und Verbesserungsvorschläge zu übermitteln. Ziel vonToolkits zum Ideentransfer ist es entsprechend dieser Intranet-Plattformen, einestrukturierte Eingabe von Verbesserungsvorschlägen und neuen Verfahren zu unter-stützen. Hierbei geht es sowohl um das breite Abgreifen genereller Bedürfnisinfor-mation als auch um die Möglichkeit für innovative Nutzer, Verfahrens- oder Material-verbesserungen preiszugeben. Procter & Gamble ist beispielsweise bekannt für denEinsatz dieser Art von Toolkits (siehe noch mal Kasten 3–3). Auf der Homepage desUnternehmens gibt es einen prominenten Link zu der entsprechenden Ideen-Plattform. Auch die Plattform von Innocentive (siehe Kasten 3–1) kann in diese Kate-gorie eingeordnet werden. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist das große Feld der Open-Source-Software-Entwicklung. Die verteilte Entwicklung von Open-Source-Softwarewird erst durch den Einsatz dezidierter Entwicklungsplattformen möglich, die dieBeiträge der verschiedenen Nutzer bündeln und integrieren (siehe Abschnitt 3.5.4).

Eine Erweiterung dieser Toolkits ist die Idee, den Wissenstransfer durch einen Wettbe-werb zu verstärken. In einem solchen Innovationswettbewerb ruft ein Unternehmenseine Kunden und Nutzer entweder ganz allgemein zur Preisgabe innovativer Ideen

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und Verbesserungsvorschläge auf oder aber fragt ganz konkret nach einer Lösung füreine bestimmte Innovationsaufgabe. Wir werden die Gestaltung solcher Innova-tionswettbewerbe im nächsten Abschnitt näher betrachten.

3.5.3 InnovationswettbewerbeWettbewerb kann grundsätzlich als der Wettstreit verschiedener Parteien definiertwerden und findet sich in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens - angefangenvom evolutionstheoretischen Wettbewerb der Arten ums Dasein bis hin zuWettbewerben in Sport, Musik (z. B. “Jugend musiziert”), Wissenschaft (z. B. “Jugendforscht”), Kreativ- (z. B. Architektur-, Design-, Mal-, Literaturwettbewerbe etc.) oderauch Schönheitsbereich (z. B. Miss Germany Wahl). Gerade im karriereorientiertenUnternehmensalltag ist der Wettbewerbsgedanke für die besonderen Leistungen dermeisten Mitarbeiter verantwortlich. Auf volkswirtschaftlicher Ebene ist Wettbewerbdas zentrale Paradigma der freien Marktwirtschaft.

Wettbewerb als Naturprinzip

Als Begründer der klassischen Wettbewerbstheorie gilt Adam Smith. Bereits 1776 ent-wickelt er in seinem Werk “The Wealth of Nations” das Modell einer auf freiemWettbewerb basierenden Gesellschaft, in der Eigennutz durch das Wirken einer“unsichtbaren Hand” zu Gemeinnutz und Exzellenz führt. Innerhalb der neoklassi-schen Wettbewerbstheorie nehmen Schumpeter und von Hayek zentrale Positionenein. Schumpeter (1934) sieht im Wettbewerb den Motor für technischen Fortschrittund somit für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung, wobei er das Bild vomUnternehmer als kreativen Zerstörer prägt, der sich im wettbewerbsorientiertenUmfeld durch steten Wandel und Innovation behauptet. Auch von Hayek sieht denWettbewerb als Methode zur Entdeckung von neuem Wissen. Aufbauend auf seine

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Dockenfuß, Rolf (2003). Praxisanwendungen von Toolkits und Konfiguratoren zurErschließung taziten Userwissens. In: Cornelius Herstatt und Birgit Verworn (Hg.):Management der frühen Innovationsphasen, Wiesbaden: Gabler 2003: 215-232.

Franke, Nikolaus / Schreier, Martin (2002). Entrepreneurial opportunities with toolkits for userinnovation and design. International Journal on Media Management, 4 (2002) 4: 225-234.

Sawhney, Mohanbir / Verona, Gianmario / Prandelli, Emanuela (2005). Collaborating to crea-te: The internet as a platform for customer engagement in product innovation. Journal ofInteractive Marketing, 19 (2005) 4 (August): 4-17.

Thomke, Stefan / von Hippel, Eric (2002). Customers as innovators: a new way to create value.Harvard Business Review, 80 (2002) 4 (April): 74-81.

von Hippel, Eric / Katz, Ralph (2002). Shifting innovation to users via toolkits. ManagementScience, 48 (2002) 7 (July): 821-833.

Kasten 3–14: Literaturempfehlungen zu Toolkits für Open Innovation

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Forschungen im makroökonomischen Bereich kommt Hayek zur Erkenntnis, dassWettbewerb ein alle Bereiche des Lebens durchziehendes Grundprinzip darstellt undden Menschen zu Höchstleistungen und besonderer Kreativität antreibt. Wettbewerbist somit die Grundlage zur Schaffung von Neuem:

Ideenwettbewerbe als Instrument von Open Innovation

Ein Ideenwettbewerb ist die Aufforderung eines privaten oder öffentlichen Veran-stalters an die Allgemeinheit oder eine spezielle Zielgruppe, themenbezogeneBeiträge innerhalb eines bestimmten Zeitraums einzureichen, die von einemBeurteilungsgremium an Hand von Beurteilungsdimensionen bewertet und lei-stungsorientiert prämiert werden. Das Ziel eines Ideenwettbewerbs als Ansatz vonOpen Innovation ist, Kunden bzw. Nutzer in die frühen Phasen des Innova-tionsprozesses (Ideengenerierung) zu integrieren. Der Wettbewerbscharakter soll dieKreativität und Qualität der Beiträge der Teilnehmer anregen und diesen auch einenzusätzlichen Incentive zur Teilnahme vermitteln. Das Einsatzspektrum einesIdeenwettbewerbs ist sehr breit (Ernst 2004) und reicht von einem kontinuierlichenEinsatz als offene Plattform zu konzentrierten Aktionen zur Lösung spezifischerProblemstellungen. Trotz der hohen Beliebtheit von Ideenwettbewerben in der Praxisfinden sich auf wissenschaftlicher Seite bislang nur wenige systematischeUntersuchungen (siehe hierzu Walcher 2006).

Im Folgenden sollen die einzelnen Bestandteile eines Ideenwettbewerbs als Mittel zuOpen Innovation näher beschrieben werden:

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Instrumente von Open Innovation

“So verhalten wir uns nicht nur in der Ökonomie, sondern auch im Sport, bei Prüfungen, beimVergeben von Regierungsaufträgen oder in der wissenschaftlichen Forschung. Wenn wir denSieger vorab kennen würden, wäre es sinnlos, einen Wettbewerb zu veranstalten. Wettbewerbist deswegen nur deshalb und insoweit wichtig, als seine Ergebnisse unvoraussagbar und imGanzen verschieden von jenen sind, die irgendjemand bewusst hätte anstreben können. […].Nur der Wettbewerb schafft mit seinen Gewinnmöglichkeiten und Verlustrisiken jenesAnreizsystem, das Höchstleistungen hervorbringt. Ohne Wettbewerb in Wirtschaft und Kulturwäre eine Gesellschaft statisch. Jeder Fortschritt beruht darauf, dass in einer wettbewerb-lichen Auseinandersetzung verschiedene Lösungsvorschläge erprobt werden. […]. DerWettbewerb ist daher der Motor der gesellschaftlichen Evolution. […]. Die Menschen werdenumso selbständiger und kreativer sein, je mehr Wettbewerb gegeben ist” (von Hayek / Kerber1996: 250).

Ein Ideenwettbewerb ist die Aufforderung eines privaten oder öffentlichen Veranstalters an dieAllgemeinheit oder eine spezielle Zielgruppe, themenbezogene Beiträge innerhalb einesbestimmten Zeitraums einzureichen, die von einem Beurteilungsgremium an Hand vonBeurteilungsdimensionen bewertet und leistungsorientiert prämiert werden.

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Veranstalter

Innovationen sind für alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens notwendig, weshalbIdeenwettbewerbe nicht nur von privatwirtschaftlichen Unternehmen oderPrivatpersonen ausgeschrieben werden, sondern ebenfalls von gemeinnützigenOrganisationen oder öffentlichen Einrichtungen. So finden sich Ideenwettbewerbesowohl bei wirtschaftlich orientierten Institutionen wie LEGO oder dem FC-BayernMünchen, die dazu auffordern, Ideen für neue Bausätze bzw. Vorschläge für denNamen eines neuen Maskottchens einzusenden, als auch im öffentlichen Bereich. Diedeutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schreibt beispielsweise einenWettbewerb aus, Motive für eine HIV-Präventionskampagne einzureichen. DieTechnische Universität München (TUM) veranstaltet einen dauerhaften Ideen-wettbewerb “Academicus”, der kreative Beiträge zur Verbesserung der Lehre undStudiensituation erwartet.

Themenbezogenheit und Zielgruppe

Grundsätzlich werden Ideenwettbewerbe themenbezogen ausgeschrieben. Aus derSpezifität der Thematik, die in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen erheblichvariieren kann, ergibt sich die Zielgruppe des Ideenwettbewerbs, da oftmals besonde-re Eigenschaften oder Kompetenzen Voraussetzung zur Teilnahme sind. So richtet sichder Aufruf der Bundeszentrale für Aufklärung an die gesamte Öffentlichkeit, währendder Ideenwettbewerb der Technischen Universität München an alle Studierende,Mitarbeiter, Wissenschaftler, Professoren und Alumni der TUM adressiert ist. Geradeim Wissenschaftsbereich, wie beispielsweise bei Ausschreibungen zu Wettbewerbenund Forschungsprojekten innerhalb der Molekularbiologie, aber auch im Kreativ-bereich, wie bei Architekturwettbewerben, setzt die Teilnahme am Wettbewerb umfas-sende Kenntnisse und langjährige Beschäftigung mit der Thematik voraus, was dieGruppe der in Frage kommenden Teilnehmer oftmals stark einschränkt.

Beurteilungsgremium und Beurteilungsdimensionen

So beliebt Ideenwettbewerbe in der Praxis sind, so unsystematisch und oftmals will-kürlich erweist sich die Besetzung des Beurteilungsgremiums sowie die Verwendunggeeigneter Beurteilungsdimensionen. Tatsächlich existieren im Bereich der Kreativi-tätsforschung zahlreiche Methoden zur verlässlichen (reliablen) Bewertung vonKreativleistungen, bei der dezidierte Aussagen zur Größe und Besetzung der Jurysowie zu den Beurteilungsdimensionen gemacht werden. Eine praktikable Methodestellt die auf den subjektiven Urteilen von Experten basierende “Consesual AssesmentTechnique (CAT)” dar, die von der Psychologin Amabile entwickelt und innerhalb derletzten drei Jahrzehnte stetig erprobt und fortentwickelt wurde (Amabile 1996). DieGüte der Beurteilung wird durch den Grad der Beurteilerübereinstimmung bestimmt.Aufbauend auf den Erfahrungen aus einer Vielzahl von Studien, innerhalb dererKreativleistungen im künstlerischen und sprachlichen Bereich wie auch im betrieb-lichen Innovationskontext bewertet wurden, gibt die Forscherin die Empfehlung, dasses sich bei den Jurymitgliedern um echte Experten handeln soll, die sich durch einehohe Vertrautheit mit dem Untersuchungsgebiet auszeichnen. Bei Tests mit unerfahre-nen Juroren oder beim gegenseitigen Beurteilen der Kreativleistungen durch die

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Ausführenden selbst wurden die Gütekriterien regelmäßig nicht erfüllt. Je nachAufgabenstellung sollen mindestens drei und maximal zehn Personen der Experten-jury angehören.

Hinsichtlich der Beurteilungsdimensionen stellt Amabile fest, dass eine Bewertungder Leistung nur anhand der Dimension Kreativität zu kurz greift. Vielmehr solltenzumindest die Dimensionen Neuigkeitsgrad, Angemessenheit und Umsetzung bewer-tet werden, um verschiedene Facetten des komplexen Konstrukts Kreativität zubeleuchten. Darüber hinaus stehe es dem Versuchsleiter frei, weitere derKreativaufgabe entsprechende Bewertungsdimensionen zu ergänzen.

Zeitraum

Konstitutives Merkmal von Ideenwettbewerben ist der abgeschlossene Zeitraum,innerhalb dessen die Kreativleistungen vollbracht werden müssen. Dieser Er-bringungszeitraum variiert je nach Aufgabenstellung. So kann sich – vor allem imkünstlerischen Bereich – der Ausarbeitungszeitraum auf wenige Minuten oder garSekunden reduzieren, wie beispielsweise bei Wettbewerben zum Testen der spontanenKreativität (Zeichnen, Malen, Dichten, Musizieren, Rappen etc.), bei denen unmittelbarnach der Aufgabenstellung die Erbringung erfolgt. Im betrieblichen Innovations-bereich, wie auch bei Wissenschafts- und Architekturwettbewerben sind dagegenBearbeitungszeiträume von mehreren Wochen bzw. Monaten gebräuchlich.

Prämierung

Grundsätzlich besteht die Incentivierung zur Teilnahme an einem Ideenwettbewerb ineiner leistungsorientierten Prämierung. Vergleichbar mit Sportkämpfen werden inaller Regel die besten drei Einsendungen prämiert. Die Ermittlung der besten Ideekann mit Hilfe eines Bewertungssystems (Scoringmodell) erfolgen, wobei für jedegewählte Beurteilungsdimension eine bestimmte Anzahl an Punkten vergeben wirdund sich der Gewinner aus der Gesamtpunktzahl ergibt. Die Prämien können sowohlaus Sachpreisen wie auch aus Geldbeträgen bestehen, in manchen Fällen, wie im Fallder von der Bundeszentrale für Aufklärung ausgeschriebenen HIV-Kampagne, werdenlediglich die Namen der Gewinner veröffentlicht. Beim jährlich durchgeführtenIdeenwettbewerb des Skiherstellers Salomon winken dem Einsender des kreativstenGestaltungsvorschlags für ein Snowboard tausend Euro als Geldpreis sowie ein profes-sionelles Snowboard als Sachpreis (artworkcontest.com).

Dieser Geldpreis erscheint jedoch als sehr gering, betrachtet man, welche Prämienbei InnoCentive, einem auf Ideenwettbewerbe spezialisierten Unternehmen, ange-boten werden. Die Grundidee von InnoCentive besteht aus dem Anbieten einerinternetbasierten Plattform, auf der Unternehmen Innovationsprobleme an dieÖffentlichkeit bzw. an spezialisierte Wissenschaftler ausschreiben, die innerhalbeines bestimmten Zeitraums bearbeitet werden sollen. InnoCentive übernimmt alsMittler alle Koordinierungs- und Verwaltungsaufgaben. Die Lösungen werden vomauftraggebenden Unternehmen bewertet und prämiert, wobei Geldpreise bis zu$100.000 ausbezahlt werden. Darüber hinaus werden ebenfalls die Namen derGewinner veröffentlicht, was einem zusätzlichen Reputationsgewinn entspricht(innocentive.com).

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Instrumente von Open Innovation

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Identifikation von innovativen Kunden

Neben dem Sammeln von kreativen Beiträgen stellt der Ideenwettbewerb darüber hin-aus auch eine Methode zur Identifikation besonders innovativer Kunden (Lead User)dar. Grundsätzlich findet bei Ideenwettbewerben ein doppelter Selektionsprozessstatt. So unterscheiden sich Kunden, die am Wettbewerb teilnehmen, allein durch ihreEntscheidung zur Teilnahme von Kunden, die nicht am Wettbewerb teilnehmen(Selbstselektion). Des Weiteren erfolgt eine leistungsbezogene Selektion durch dieExpertenbeurteilungen der Kreativbeiträge (Leistungsselektion). Stellt dieTeilnahmeselektion eine Form der Selbstselektion dar, so handelt es sich bei derLeistungsselektion um eine Fremdselektion (ein doppelter Selektionsprozess findetsich auch bei der Methode “Virtual Stock Markets”, die bereits oben in Zusammenhangmit der Identifikation von Lead Usern angesprochen wurde).

Walcher (2006) weist in seiner Untersuchung eines Ideenwettbewerbs im Sportbereichnach, dass sich Teilnehmer von Nicht-Teilnehmern sowie besonders innovative vonweniger innovativen Kunden an Hand von verschiedenen Motiven und Eigenschaftensignifikant unterscheiden (siehe auch Fallstudie von Adidas in Kapitel 5.1). Auchkonnte gezeigt werden, dass ca. zehn Prozent der eingesendeten Beiträge von der Juryals vollkommen neue (radikale) Ideen bewertet wurden. Zwar weisen die Einsenderdieser hochinnovativen Beiträge nicht vollständig die klassischen Lead-User-Kriterienauf, doch kommt diesen Kunden gerade auf Grund der Tatsache, dass sie sich beimIdeenwettbewerb als besonders kreativ erwiesen haben, ebenfalls eine führende Rollezu, weshalb sie vom Unternehmen als wichtige Quelle für Innovationsideen besondersernst genommen werden müssen. Weitergehende Maßnahmen zur Erschließung deskundenseitigen Innovationspotenzials bestehen beispielsweise in der Durchführungvon Innovationsworkshops oder dem Aufbau einer ausschließlich für diese Kundengeöffneten internetbasierten Entwicklercommunity.

Anders als bei den Methoden zur Identifikation von Lead Usern, bei denen geeignetePersonen durch verschiedene Maßnahmen im Vorfeld der kreativen Leistungserbrin-gung (z. B. Lead-User-Workshops) aufwändig und oft kostenintensiv durch Fremd-selektion ermittelt werden müssen, findet bei Ideenwettbewerben durch die freiwilli-ge Selbstselektion eine erste Eingrenzung des Suchfeldes statt, gefolgt von der weiter-gehenden Auswahl durch die Expertenjury auf Basis der erbrachten kreativen Leis-tung. Gerade durch den Einsatz von internetbasierten Lösungen können diese Prozessekostenoptimal gestaltet werden. Auch besteht der Vorteil, dass die ausgewählten Kun-den bereits den Beweis ihrer Kreativität abgelegt haben, während die Auswahl geeig-neter Lead User oft auf rein theoretischen Überlegungen basiert. Kasten 3–15 bietetabschließend ein Beispiel für einen Ideenwettbewerb bei der Firma Swarovski.

3.5.4 Communities für Open InnovationDie bislang vorgestellten Instrumente von Open Innovation setzten an der Integrationeinzelner Nutzer in die Produktentwicklung an, die dann in Interaktion mit demUnternehmen innovative Produkte und Leistungen hervorbringen sollten. Jedoch zeigt

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sich in der Praxis des Innovationsmanagements, dass viele Innovation nicht dasErgebnis der kreativen Schaffenskraft eines einzelnen Inventors sind, sondern viel-mehr auf der Zusammenarbeit vieler Beteiligter beruhen. Eine Zusammenarbeitbasiert nicht nur auf den Vorteilen einer Arbeitsteilung zur Steigerung der Effizienz beikomplexen Innovationsprojekten, sondern ist vor allem motiviert durch einen selbstverstärkenden Effekt des Zusammenwirkens verschiedener Akteure mit unterschiedli-chem Wissen, Stärken und Erfahrungen (Gascó-Hernández / Torres-Coronas 2004;Franke / Shah 2003; Gerybadze 2003; Nemiro 2001; Sawhney / Prandelli 2000; vonHippel / Tyre 1995). Wir haben diesen Effekt bereits in Abschnitt 3.2.2 aus derNetzwerkperspektive des Innovationsprozesses diskutiert. Ebenso beruht dieKonzeption von Lead-User-Workshops auf dem Gedanken, heterogene Akteure ineinem lokalen Problemlösungsprozess zusammenzubringen – genau hier setzen jaauch die Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung in ihrer Reinform einer“Commons-based Peer Production” an.

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Instrumente von Open Innovation

(Quelle: Füller, Johann / Mühlbacher, Hans / Rieder, Birgit (2003). An die Arbeit, lieber Kunde:Kunden als Entwickler. Harvard Business Manager, 25 (2003) 5: 36-45)

1999 brachte das auf Kristallbearbeitung spezialisierte österreichische Unternehmen Swarovskieinen Körperschmuck aus kleinen Kristallsteinen, so genannte Crystal Tattoos, auf den Markt.Nach dem ersten Erfolg lag es im Interesse des Unternehmens herauszufinden, welche Musterden Geschmack der Kunden am besten treffen und wie neue Trends aussehen könnten. Es wurdeentschieden, die potenziellen Käufer an der Entwicklung neuer Tattoos zu beteiligen. AlsKonsequenz veranstaltete Swarovski Anfang 2002 einen internetbasierten Ideenwettbewerb, beidem Kunden mit Hilfe einer Interaktionsplattform Ideen für kreative neue Muster und Formen ein-bringen konnten. Auf der Montagefläche der Plattform konnten beliebig viele Perlen, die amBildrand in unterschiedlichen Farben und Größen angeboten wurden, durch eine einfache Drag-and-Drop-Funktion angeordnet werden.

Der Ideenwettbewerb war über einen Zeitraum von vier Wochen zugänglich, wobei insgesamt über300 Personen teilnahmen und über 260 verwertbare Motive entwickelt wurden. Eine interne Jury,bestehend aus Designern und Mitarbeitern der Marketingabteilung, prämierte die besten dreiKreationen mit Geldpreisen von wenigen hundert Euro. Die Auswertung aller Motive half, neueTrends, wie beispielsweise den Wunsch nach Tiermotiven, zu identifizieren. Vor dem eigentlichenEntwerfen waren die Kunden darüber hinaus gebeten worden, einen Online-Fragebogen mitFragen zu Alter, Geschlecht, Vorlieben etc. auszufüllen. Indem die Motivideen mit denFragebogendaten verglichen wurden, konnte festgestellt werden, welcher Kundentyp welche Artvon Ornament bevorzugt.

So wurden nicht nur die besten Entwürfe des Ideenwettbewerbs nach geringfügiger Überarbeitungin Serie produziert und erfolgreich verkauft, sondern die Marketingmanager des Unternehmenswaren auch in der Lage, speziell auf das jeweilige Kundensegment abgestimmte Produkte undzielgruppenspezifische Kommunikationskampagnen zu entwickeln. Ebenfalls wurden dieGewinner des Ideenwettbewerbs zu einem Innovationsworkshop eingeladen, innerhalb dessenweitere Ideen mit den “Kundenexperten” entwickelt aber vor allem bestehende Ideen ausführlichbewertet und diskutiert wurden.

Kasten 3–15: Ideenwettbewerb bei Swarovski

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Definition virtuelle Gemeinschaften

Im Internet wird seit langem das Phänomen virtueller Gemeinschaften (“virtual com-munities”) diskutiert (siehe z. B. Hagel / Armstrong 1997; Herstatt / Sander 2004). EineGemeinschaft wird allgemein durch ihre Mitglieder und die Beziehungen zwischendiesen bestimmt, wobei in der Regel auf einen gemeinsamen Bezugspunkt fokussiertwird. Ein solcher Bezugspunkt kann z. B. regionale Nähe (Nachbarschaft), ein Beruf,eine gemeinsames Hobby oder auch die Faszination für ein Objekt oder eine Personsein (Hillery 1955; McAlexander / Schouten / Koenig 2002). Durch das Aufkommen desInternets und die damit einfacher mögliche ortsunabhängige Interaktion zwischenAkteuren hat die alte Idee von Gemeinschaften in Form virtueller Gemeinschaftenstarke Aufmerksamkeit erfahren. Eine virtuelle Gemeinschaft besteht aus einer Gruppevon Personen, die über elektronische Medien kommuniziert und/oder interagiert. Aufdiese Weise entsteht ein “nicht radikal strukturiertes, ego-zentriertes Netzwerk imvirtuellen Raum, in dem die Nutzer multidirektional und themenspezifisch interagie-ren und so die Basis einer glaubwürdigen Kommunikation schaffen” (Weiber / Meyer2002; siehe für eine Diskussion der Definition auch Armstong / Hagel 1996; Mathwick2002; Schubert / Ginsburg 2000).

Merkmale von virtuellen Communities

Virtuelle Gemeinschaften lassen sich über die in Abbildung 3–18 genannten und imFolgenden beschriebenen Merkmale charakterisieren (Hanson 2000; Hagel /Armstrong 1997; Rheingold 1994; Weiber / Meyer 2002):

Kommunikationsstruktur: Für die Kommunikation stehen einer virtuellenGemeinschaft unterschiedliche technische Optionen zur Verfügung, die sich in zweiKommunikationsstrukturen unterscheiden: Communication Rings und Content

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Abbildung 3–18: Merkmale virtueller Communities

Kommunikationsstruktur

Mitgliederverhalten

Mitgliedernutzen

Mitgliederzusammensetzung

• Communication Rings

• Content Trees

• Personelle Interaktivität

• Schärfe der Fokussierung

• Kohäsion der Mitflieder

• verbraucherorientiert

• unternehmensorientiert

• funktional

• hedonistisch

Merkmale virtueller Gemeinschaften

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Trees. Bei Communication Rings werden Informationen und Botschaften direktzwischen den Individuen versendet, d. h. jedes Gruppenmitglied bekommt dieidentischen Nachrichten und Botschaften zugesandt. Die Kommunikation erfolgtüber Email, Net Pagers oder Groupware. Bei Content Trees handelt es sich um eineindirekte Form der Kommunikation. So existiert ein zentraler Ort (z. B. eine Web-site) an dem Informationen und Botschaften über Usenets, Bulletin Boards, ChatRooms oder Virtual Worlds dargestellt und gespeichert werden. Die Möglichkeit,ausgetauschte Informationen zu archivieren und somit das in einer virtuellen Ge-meinschaft produzierte Wissen zu bewahren, ist der größte Vorteil von BulletinBoards, da sie asynchrone Kommunikationsmittel darstellen. Chats hingegen ermö-glichen synchrone, also zeitgleiche, Interaktion, indem die Mitglieder Textna-chrichten gleichzeitig auf einer gemeinsamen Plattform veröffentlichen (Hanson 2000).

Mitgliederverhalten: Das Verhalten der Mitglieder der virtuellen Gemeinschaftmanifestiert sich entlang der personellen Interaktivität, Schärfe der Fokussierungsowie einer Kohäsion der Mitglieder. Das Kontinuum der personellen Interaktivitätwird zwischen den Polen “Interaktion an einem virtuellen Ort” und “Interaktion zueinem Thema” aufgespannt. Während bei der Interaktion an einem virtuellen Ortdie soziale Kommunikation unter den Mitgliedern das Hauptziel ist (Kommu-nikation um der Kommunikation willen), wird bei der Interaktion zu einem Themaprimär themenspezifisch, unter weitestgehender Vernachlässigung persönlicherInteraktionen, kommuniziert (Kommunikation um der Information willen). DieFokussierung einer virtuellen Gemeinschaft beschreibt die Intensität, mit der sichdie Gemeinschaft einem Thema widmet. Generalisierte Gemeinschaften deckenein breites Spektrum des Themenbereiches ab, spezialisierte hingegen nur einenTeilbereich der dafür in entsprechender Tiefe diskutiert wird. Die Kohäsion derMitglieder schließlich bewegt sich zwischen losen, nur schwach verbundenen undstark kohäsiven Gemeinschaften mit familiärem Charakter.

Mitgliederzusammensetzung: Bei der Zusammensetzung der virtuellen Gemein-schaft unterscheiden wir verbraucher- und unternehmensorientierte Gemein-schaften. Bei verbraucherorientierten Gemeinschaften stehen hauptsächlich pri-vate Interessen und Motive im Vordergrund. Die Mitglieder der Gruppe haben eingemeinsames Hobby oder identische Interessen und treten als Privatpersonen auf.Die Gemeinschaft bildet sich dann aufgrund geografischer, demografischer vorallem jedoch themenspezifischer Gemeinsamkeiten der einzelnen Mitglieder.Unternehmensbezogene Gemeinschaften hingegen entstehen aufgrund beruf-licher Interessen einzelner Mitarbeiter oder der Organisation als Einheit(Communities of Practice).

Nutzen: Hinsichtlich des Nutzens der einzelnen Teilnehmer kann wieder zwischenfunktionalen und hedonistischen Komponenten unterschieden werden. Währendsich der funktionale Nutzen hauptsächlich um den Erwerb und den Austauschvon Informationen und Wissen konstituiert, wird der hedonistische Nutzen durchdie soziale Interaktion mit anderen Mitgliedern der Gemeinschaft geprägt. ImVordergrund stehen dann die Interaktion mit den anderen Teilnehmern oder derAufbau und die Pflege von Freundschaften.

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Das Beispiel von Communities zur Entwicklung von Open Source Software

Besondere Aufmerksamkeit genießen virtuelle Innovationsgemeinschaften bei derEntwicklung von Open Source Software. Open Source ist ein Sammelbegriff fürSoftwarelizenzen, die den Softwarebenutzern nicht nur das Recht einräumen, denQuellcode zu lesen, sondern diesen auch zu verändern und die Änderungen Drittenzugänglich zu machen. Außerdem dürfen keinerlei Lizenzgebühren oder andereBeiträge für die Software erhoben werden. Damit wird der Quellcode zu einem öffent-lichen Gut (siehe zu Open Source z. B. Franck / Jungwirth 2003; Henkel 2003; Koller /Großmann 2004; Knyphausen-Aufsess / Achtenhagen / Müller 2003; Lakhani / vonHippel 2000; Lerner / Tirole 2002; Weber 2004). Open Source Software ist ein Beispielfür Nutzerinnovation in größter Konsequenz: Nutzer haben hier die Idee zum Produkt,dieses konzipiert und umgesetzt (programmiert), für seine Verbreitung undBewerbung gesorgt und das Produkt kontinuierlich weiterentwickelt, verbessert undmit Zusatzapplikationen versehen. Alle diese Aktivitäten finden dabei in einerEntwicklungsumgebung statt, die ebenfalls von Nutzern selbst entwickelt wird.Kommerzielle Unternehmen haben erst in einer zweiten Stufe Geschäftsmodelle ent-wickelt, um den Open-Source-Quellcode auch weniger erfahrenen Anwendernzugänglich zu machen. Bekannte Open-Source-Produkte sind beispielsweise dasBetriebssystem Linux oder der Web-Server Appache.

Bei der Erstellung eines Open-Source-Programmes arbeitet oft eine räumlich verteilteGruppe freiwilliger Software-User über das Internet zusammen, ohne dass expliziteWeisungsbefugnisse existieren. Hier finden sich die Prinzipien der “Commons-basedPeer-Production” (Abschnitt 2.4.3.4) genau umgesetzt: Die Gesamtaufgabe ist in vielekleine Beiträge unterteilt, deren Lösung unterschiedliche Kompetenzen, Motivationund Zeit beansprucht. Die Teilnehmer identifizieren selbst die Aufgaben, an denen siearbeiten wollen und stellen eine Lösung bereit, die anschließend von anderenTeilnehmern geprüft und ggfs. verbessert und weiter entwickelt werden. Auf dieseWeise entsteht eine virtuelle Innovationsgemeinschaft. Auch die Definition derProbleme selbst ist Aufgabe der Gemeinschaft. Die Akteure der Open SourceGemeinschaft treiben zumeist in kleineren Beiträgen die Entwicklung des Projektesvoran, d. h. User der Software beteiligen sich an deren kontinuierlicher Innovation(Benkler 2002; Osterloh / Rota / von Wartburg 2002; Weber 2004). Dem “Maintainer”der Software fällt dann lediglich die Aufgabe zu, den Input zu prüfen.

Das Open-Source-Modell weicht erheblich von dem Modell des klassischenInnovationsprozesses ab. Sämtliche Phasen des Innovationsprozesses von derIdeengenerierung über die Entwicklung eines Prototyps bis zur Distribution derSoftware werden von Nutzern der Software übernommen. Es existiert im Gegensatz zuproprietärer Software kein Unternehmen, welches sämtliche Innovationen durch inter-ne Forschung und Entwicklung generiert, rechtlich schützt und anschließend vermark-tet (Brügge et al. 2004). Vielmehr zeigt das Beispiel Open Source Software, dass Nutzereiner Software – und nicht nur “professionelle” Unternehmen – gemeinsam in der Lagesind, diese weiterzuentwickeln und neue innovative Software zu generieren (Lakhani /von Hippel 2000). Kasten 3–16 beschreibt in der Sprache der Entwickler denUnterschied zwischen Open Source und konventioneller Software.

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Instrumente von Open Innovation

(Quelle: Auszug aus Eric Raymonds (1999) berühmtem Artikel, in dem er die Arbeitsweise der vir-tuellen Innovationsgemeinschaft beim Open-Source-Betriebssystem Linux mit einem Basar ver-gleicht, während die Organisation der Produktion proprietärer Software der Erstellung einerKathedrale gleicht. Deutsche Übersetzung von R. Gantar [www.gnuwin.epfl.ch])

“Linux ist subversiv. Wer hätte auch vor nur fünf Jahren (1991) gedacht, dass sich einBetriebssystem der Spitzenklasse wie durch Zauberei materialisieren könnte, geschaffen von tau-senden über den ganzen Planeten verstreuten Nebenerwerbs-Hackern, die durch die eng verwo-benen Stränge des Internets verbunden sind? Ich sicher nicht. Zu dem Zeitpunkt, als Linux 1993auf meinem Radarschirm auftauchte, hatte ich bereits zehn Jahre in der Unix- und Open-Source-Entwicklung verbracht. Mitte der Achtziger war ich einer der ersten Beitragenden zu GNU. Ich hattebereits umfangreiche Open Source-Software im Internet veröffentlicht, die ich selbst entwickeltoder mitentwickelt hatte (nethack, Emacs VC und GUD modes, xlife und andere) und die heutenoch viel verwendet wird. Ich dachte, ich wüsste, wie es gemacht wird. Dann stellte Linux alles inFrage, was ich zu wissen glaubte. Ich hatte das Unix-Evangelium der kleinen Tools, des rapid pro-totyping und der inkrementellen Verbesserung seit der ersten Stunde verbreitet. Ich glaubte aberauch, dass es eine bestimmte kritische Komplexitätsstufe gebe, ab der ein zentralisierterer Ansatzmit sehr genauer Vorausplanung erforderlich wird. Ich glaubte, dass die wichtigste Software(Betriebssysteme und wirklich umfangreiche Tools wie Emacs) so gebaut werden müssten wieKathedralen, sorgsam gemeißelt von einzelnen Druiden oder kleinen Teams von Hohepriestern,die in totaler Abgeschiedenheit wirkten und keine unfertigen Beta-Freigaben veröffentlichen dürf-ten.

Linus Torvalds’ Entwicklungsstil auf der anderen Seite - mit seinen frühen und häufigen Freigaben,seinem Delegieren von allem, was nur irgendwie möglich ist, und der an Promiskuität grenzendenOffenheit - war eine echte Überraschung. Es handelte sich nicht gerade um eine stille und ehr-furchtsvolle Tätigkeit, wie der Bau einer Kathedrale eine ist — stattdessen schien die Linux-Gemeinde ein großer, wild durcheinander plappernder Basar von verschiedenen Zielsetzungenund Ansätzen zu sein (alles sehr treffend durch die Linux-Archivsites repräsentiert, die Beiträgevon jedem nehmen), der ein kohärentes und stabiles System wohl nur durch eine Reihe vonWundern hervorbringen konnte. Die Tatsache, dass der Basar zu funktionieren schien, und zwarsehr gut zu funktionieren schien, war ein ausgesprochener Schock. Während ich lernte, mich indieser neuen Umgebung zurechtzufinden, arbeitete ich nicht nur angestrengt an eigenenProjekten, sondern versuchte auch zu verstehen, warum die Linux-Welt sich nicht nur nicht ein-fach in völliger Konfusion auflöste, sondern an Durchschlagskraft immer weiter zulegte und eineProduktivität ausbildete, die für die Erbauer einer Software-Kathedrale kaum vorstellbar gewesenist.

Mitte 1996 dachte ich, dass mir ein genaueres Verständnis dämmerte. Durch Zufall bekam ich eineausgezeichnete Gelegenheit, meine Theorie zu testen, und zwar in Form eines Open Source-Projekts, das ich bewusst im Basar-Stil abwickeln konnte. Das tat ich dann auch — und es wurdeein bedeutender Erfolg. Dies ist die Geschichte dieses Projekts. Ich verwende es, um einigeAphorismen über effektive Open Source-Entwicklung vorzustellen. Nicht alle davon erfuhr ich alserstes in der Linux-Welt, ich werde aber auf Beispiele aus der Linux-Welt zurückgreifen, umbestimmte Punkte zu illustrieren. Wenn ich damit richtig liege, werden sie helfen zu verstehen,warum gerade die Linux-Gemeinde zu so einem steten Quell guter Software geworden ist — undvielleicht auch, wie Sie selbst produktiver werden können.”

Kasten 3–16: Beispiel zur Interaktiven Wertschöpfung in Innovation-Communities: DieEntstehung von Linux

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Dieses Modell funktioniert aber nur, wenn auch die Rechte an den Ergebnissen desEntwicklungsprozesses frei für alle Teilnehmer verfügbar sind (“commons-based”), d.h. nicht durch gewerbliche Schutzrechte blockiert sind. Heute hat sich gezeigt, dassauch große konventionelle Unternehmen, die klassischerweise stark auf die Wahrungihrer Schutzrechte aus waren, das Open-Source-Entwicklungsmodell in ihrWertschöpfungsmodell integrieren und davon profitieren können. Vor diesemHintergrund ist die Bildung des so genannten ‘Open Invention Networks’ durch dieseUnternehmen zu sehen, das einen Pool an kritischen Patenten hält und diese alleninternen und externen Nutzern ohne Einschränkung zur Verfügung stellt. Damit sol-len vor allem Unternehmen behindert werden, die durch den Erwerb eines kritischenSchutzrechts den offenen Entwicklungsprozess behindern könnten (und in der Regelauf hohe Lizenzzahlungen von großen konventionellen Nutzern von Open-Source-Software aus sind). Kasten 3–16 beschreibt diese Initiative, die durchaus auch als wei-tere Form der Nutzerintegration gesehen werden: Hier sind es die Nutzer selbst, diebei der Gestaltung der Rahmenbedingungen mitwirken und die Voraussetzungenschaffen, dass Nutzerinnovation funktioniert.

3Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

(Quelle: Presseerklärung des Open Invention Networks anlässlich der Gründung des Unter-nehmens [openinventionnetwork.com])

New York (November 10, 2005) - Open Invention Network (OIN), a company that has and willacquire patents and offer them royalty-free to promote Linux and spur innovation globally, waslaunched today with financial support from IBM, Novell, Philips, Red Hat, and Sony. The company,believed to be the first of its kind, is creating a new model where patents are openly shared in acollaborative environment and used to facilitate the advancement of applications for, and compo-nents of, the Linux operating system.

“Open collaboration is critical for driving innovation, which fuels global economic growth. Impe-diments to collaboration on the Linux operating system seriously jeopardize innovation. A new modelof intellectual property management for Linux must be established to maintain advances in softwareinnovation – regardless of the size or type of business or organization,” said Jerry Rosenthal, chiefexecutive officer at Open Invention Network. The company will foster an open, collaborative environ-ment that stimulates advances in Linux – helping ensure the continuation of global innovation thathas benefited software vendors, customers, emerging markets and investors, among others.

Patents owned by Open Invention Network will be available on a royalty-free basis to any company,institution or individual that agrees not to assert its patents against the Linux operating system or cer-tain Linux-related applications. Open Invention Network believes that creating a new system to mana-ge and ensure access to key patents for the Linux operating system will have a significant economicimpact. According to International Data Corporation, the worldwide Linux business is expected togrow 25.9 percent annually, doubling from $20 billion in 2005 to more than $40 billion in 2008.

“Open Invention Network is not focused on income or profit generation with our patents, but onusing them to promote a positive, fertile ecosystem for the Linux operating system and to driveinnovation and choice into the marketplace,” said Mr. Rosenthal. “We intend to spur innovation inIT and across industries by helping software developers focus on what they do best - developinggreat Linux-related software with greater assurance about intellectual property issues.” Among

Kasten 3–17: Open Invention Network Formed to Promote Linux and Spur InnovationGlobally Through Access to Key Patents

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Inzwischen überträgt sich der Gedanke von Open Source aus der Softwareentwicklungauch auf andere Bereiche (siehe auch Koller / Großmann 2004). Kasten 3–18 nennt abschlie-ßend einige Beispiele. Auch wenn diese Initiativen teilweise eher unprofessionell oder garideologisch-verbrämt erscheinen, so beschreiben sie doch mehr als nur einen weiterenTrend. Denn wer hätte bei den Anfängen der Linux-Bewegung gedacht, dass eine solcheInitiative die Softwareindustrie verändert hat wie kaum eine andere Prozessinnovation?

Virtuelle Gemeinschaften als Mittel zu Open Innovation

Open-Source-Softwareentwicklung und die im Kasten zuvor genannten Beispiele sindalles von Nutzern selbst initiierte Projekte. Wir wollen im Folgenden jedoch betrach-ten, wie herstellerinitiierte Communities für Open Innovation aussehen und funktio-nieren können (siehe hierzu auch die Beiträge in Herstatt / Sanders 2004). Diese virtuel-len Innovationsgemeinschaften können in sämtlichen Phasen des Innovationspro-zesses eingesetzt werden. Grundsätzlich lassen sich dabei zwei unterschiedliche Vor-gehensweisen unterscheiden:

3.5Instrumente von Open Innovation

Open Invention Network’s initial patent holdings is a set of business-to-business electronic com-merce patents that were purchased from Commerce One by JGR, a subsidiary of Novell.

Investor Statements

IBM: “The formation of Open Invention Network signals a growing movement where companiestoday are looking beyond their own organizational boundaries,” said Jim Stallings, vice presidentof intellectual property and open standards at IBM. “They are strategically sharing their intellectu-al property and building broader industry partnerships in order to accelerate innovation and drivenew economic growth.”

Novell: “We are proud to be a founding member of the Open Invention Network,” said JackMessman, CEO of Novell. “While Novell has been a major contributor to the open source commu-nity and has shown its commitment to promoting and fostering the adoption of open source andopen standards, this initiative raises our leadership to the highest level. With this new initiative,users of open source software will have access to a broad set of technologies that will help fosteran even more robust community of developers, customers, business partners and investors. Thisis a breakthrough idea whose time has come.”

Philips: “Philips is actively involved in the creation and funding of Open Invention Network becau-se we believe that OIN will make the Linux platform more attractive for users. This will stimulatedevelopers to focus their resources on creating high-value, innovative software on this open plat-form,” said Ruud Peters, chief executive officer of Philips Intellectual Property & Standards. “Webelieve that this initiative will widely boost the use of the Linux platform and its applications.”

Red Hat: “By providing this unique collaborative framework, Open Invention Network will set opensource developers free to do what they do best-innovate,” said Mark Webbink, senior vice presi-dent at Red Hat. “At the same time, Open Invention Network extends to distributors and users ofopen source software freedom from concern about software patents.”

Sony: “Linux is clearly an important technology for Sony and the global community in general,” saidYoshihide Nakamura, SVP, Corporate Executive of Sony Corporation. “We believe Linux and openstandards will provide companies with more options for the development of innovative products.We have and will continue to support initiatives like Open Invention Network that promote a posi-tive environment for these developments.”

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Auswertung existierender Gemeinschaften: Zum einen besteht die Möglichkeit,existierende virtuelle Gemeinschaften zu beobachten und Postings der einzelnenMitglieder auf Ideen für den Innovationsprozess auszuwerten.

Etablierung virtueller Innovationsgemeinschaften: Zum anderen können Unter-nehmen selbst eine virtuelle Gemeinschaft etablieren, die explizit darauf fokussiert,Innovationen hervorzubringen. Die Idee ist hier, Innovationsaufgaben an diese vir-tuelle Gemeinschaft zu richten, deren Mitglieder dann gemeinsam an Lösungen fürdiese Aufgabe arbeiten.

Beobachtung virtueller Gemeinschaften

Bei der Beobachtung virtueller Gemeinschaften werden die Beiträge einzelner Mit-glieder der Gemeinschaft auf innovationsrelevante Inhalte untersucht (Henkel / Sander

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

Free-CPU-Projekte (www.f-cpu.org, www.free-ip.com): Diese Projekte wollen zeigen, dass selbstMikroprozessoren in einer Innovations-Community entwickelt werden können. “Anyone may jointhe team and contribute - or even contribute without officially “joining” in any way. Even those withlimited or no knowledge of CPU development can have something to contribute. The name of thegame is Freedom, so our designs are being developed openly and will be openly distributableunder a GNU GPL-like license, so anyone will be able to (if they have the funding at least) takeour designs and manufacture and sell their own FCPU or derivative chips, but any changes willhave to be made freely available again”. “Free-IP is a block of logic that can be used in makingASIC’s and FPGA’s. Examples are UART’s, CPU’s, Ethernet Controllers, PCI Interfaces, etc. Inthe past, quality cores of this nature could cost anywhere from US$5,000 to more thanUS$350,000.”

Open Enzyklopädien (z. B. www.wikipedia.com, www.nupedia.com, www.opencontent.org):Mittlerweile gibt es zahlreiche Projekte, die den Open-Source-Gedanken auf eine frei zugänglicheEnzyklopädie übertragen. Basierend auf möglichst vielen freiwilligen Beiträgen soll eine qualitativhochwertige, verlässliche und vielfältige Enzyklopädie in mehreren Sprachen entstehen. In denmeisten Fällen werden die eingesandten Artikel überprüft, um einen gewissen Qualitätsstandardzu gewährleisten. Damit soll den vorhandenen, oft sehr teuren professionellen Enzyklopädien einGegenpol entgegengesetzt werden, der auf dem Wissen der Nutzer und unzähliger Fachleuteberuht (siehe auch die Fallstudie zu Wikipedia in Abschnitt 5.2).

OSCar Project (www.theoscarproject.org): Der Name OSCar steht für ein ambitioniertes Projekt,in dem die Entwicklung eines Autos nach Open-Source-Prinzipien ablaufen soll. Statt der beiAutomobilherstellern üblichen strengen Geheimhaltung sind hier die Ideen, Designs undEntwicklungspläne öffentliches Gut. Seit Juni 2000 debattieren motivierte Freiwillige, kreativeTüftler und Bastler, Laien sowie engagierte Spezialisten in verschiedenen Foren unter anderemüber Vorschläge für Design, Antrieb, Technik, Elektronik und Sicherheit des OSCar. Soll das Web-Auto nun Flügeltüren bekommen? Windschutzscheiben aus Kunststoff? Kameras stattAußenspiegel? Der Fantasie der Hobby-Ingenieure sind keine Grenzen gesetzt. Das heißt, fastkeine, denn ein paar Kriterien, die das Web-Auto erfüllen muss, standen von Anfang an fest: DasOSCar sollte auf jeden Fall ein leichter Kleinwagen werden, nicht teurer als 8 000 Euro und 140Stundenkilometer schnell sein.

Kasten 3–18: Beispiele der Übertragung des Gedankens der Open-Source-Software-Entwicklung auf andere Bereiche

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2003; Sawhney / Prandelli 2000). Besonders geeignet sind hierfür verbraucher- undunternehmensorientierte virtuelle Produktgemeinschaften, bei denen sich die Themenum Produkte oder Marken konstituieren (siehe Abbildung 3–19 für Beispiele). Dabeikann es sich um Produkte oder Produktgruppen eines einzelnen Herstellers handeln,aber auch um das Produktangebot einer Branche. Manche dieser Communities sindherstellerorganisiert, andere von Intermediären, andere von den Nutzern selbst(Pfeiffer 2002).

3.5Instrumente von Open Innovation

Abbildung 3–19: Beispiele für Meinungsplattformen und Marken-Communities im Internet(in Anlehnung an Pfeiffer 2002: 21)

Community Geschäfts-modell Objekt Organisator Inhalt

dooyoo.de kommerziell

verschiedeneKategorien (mehr

als 100 000Marken)

Intermediär positive & negativeProduktbeurteilungen

vocatus.de kommerziell verschiedeneKategorien Intermediär positive & negative

Produktbeurteilungen

Lugnet.com nichtkommerziell

eine Marke(LEGO) Nutzergruppe Fan Site, Kommentare

und Handel

Java developercommunity kommerziell ein Produkt

(SUN Java) Hersteller Hilfestellungen, Feed-back zu Produkten

Camp JeepRally kommerziell eine Marke

(JEEP) Hersteller positive Erfahrungen,Produkt-Information

mcspotlight.org nichtkommerziell

eine Marke(MC DONALD'S) Nutzergruppe negative Erfahrungen

john's swooshpage (acaria.com

/ jsp / )

nichtkommerziell

eine Marke(NIKE) Nutzergruppe

positive Erfahrungenund Produkt-Information

starbucked.com nicht kommerziell

eine Marke(STARBUCKS) Nutzergruppe

negative Ausgangs-situation, positive and

negative Beiträgeanderer Nutzer

newsgroup.misc.consumers

nichtkommerziell

verschiedeneKategorien Nutzergruppe positive und negative

Erfahrungen

newsgroupalt.destroy.microsoft

nicht kommerziell

eine Marke(MICROSOFT) Nutzergruppe negative Erfahrungen

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Innerhalb einer solchen Gemeinschaft tauschen die Teilnehmer ihre Erfahrungen mitdem Produkt aus, kommunizieren ihre Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit mit demProdukt oder leisten sich untereinander Hilfestellungen, wenn es darum geht, denNutzen des Produktes vollständig zu erschließen oder Reparaturen durchzuführen.Häufige Diskussionen drehen sich zudem um die Frage, wo ein bestimmtes Produkt zurZeit am günstigsten erworben werden kann. Unternehmen können sich eine solche vir-tuelle Produktgemeinschaft zu Nutze machen, indem sie die Beiträge der Teilnehmernach innovationsrelevanten Informationen durchsuchen. Für ein solches Vorgehen bie-ten sich insbesondere virtuelle Gemeinschaften an, die auf Content Trees und BulletinBoards basieren. Bulletin Boards erlauben es, verschiedene Themenstränge zu separierenund die Konversation der Teilnehmer im Nachhinein exakt nachzuvollziehen. Zudemspeichern sie Kommunikationsstränge zentral und langfristig (Henkel / Sander 2003).

Die Beiträge in einzelnen Communities sind oft sehr umfangreich und enthalten eineFülle interessanter Informationen für einen Hersteller. Dabei handelt es sich zum einenum Beschwerden und Unzufriedenheitsäußerungen zu bestimmten Produktfeatures,zum anderen aber auch um Lob und ein besonderes Hervorheben einzelner Features.Bereits diese Informationen sind wichtige Anhaltspunkte für die Neuproduktent-wicklung. Manche Beträge beinhalten aber nicht nur wahrgenommene Fehlfunktioneneines Produkts, sondern auch genaue Vorschläge zur deren Behebung, Lösungsvorsch-läge zur Steigerung der Performance, Ideen für weitere Produktattribute oder techno-logische Verbesserungsmöglichkeiten. Vorschläge können jedoch auch auf grundle-gend neue Innovationsideen abzielen – von einer Idee bis hin zu ersten Prototypen ausder Eigenentwicklung eines Gemeinschaftsmitglieds.

Das Problem ist aber oft die Identifikation dieser innovativen Beträge. Die Suchenach innovativen Beiträgen einzelner Mitglieder der Gemeinschaft kann für einUnternehmen mit hohem zeitlichem Aufwand verbunden sein. Henkel und Sander(2003) belegen dies mit einer empirischen Untersuchung: Die Produktgemeinschaftsmart-club.de für das gleichnamige Automobil verzeichnete beispielsweise innerhalbvon 15 Monaten nach ihrer Gründung 43.000 Beiträge. In einer Untersuchung wurden6640 Beiträge dieser Gemeinschaft manuell ausgewertet und einer der folgenden vierKategorien zugeordnet (Henkel / Sander 2003):

Prototyp vorhanden (Kategorie 1): Beiträge, in denen ein Prototyp beschriebenwird oder erkennbar ist, dass der Teilnehmer einen solchen bereits realisiert hat

Lösungsvorschlag (Kategorie 2): Beiträge, welche einen theoretischen Lösungs-vorschlag für ein Problem präsentieren

Problem erkannt (Kategorie 3): Beiträge die ein objektiv neues, bisher nicht bekann-tes Problem beschreiben

nicht innovativ (Kategorie 4): alle übrigen Beiträge, zum Beispiel zum ThemaChiptuning, HiFi-Komponenten, …

Im Ergebnis enthielten nur 1,13 Prozent aller untersuchten Beiträge innovationsrele-vante Informationen (Kategorie 1-3), während 98,87 Prozent der Beiträge vom Typ“nicht innovativ” (Kategorie 4) waren. Somit besteht die zentrale Herausforderung

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

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darin, innovative Beiträge aus der Masse der Postings effizient zu filtern. Dies wäredann möglich, wenn sich innovative und nicht innovative Beiträge in bestimmtenMerkmalen signifikant unterscheiden.

Potenziell kommen hierzu drei Unterscheidungsmerkmale in Frage, ohne weiterePrimärerhebungen innerhalb der Gemeinschaft durchzuführen (z. B. Screening-Fragebögen oder Pyramiding): die Form-, Subjekt- und Inhaltsebene der Beiträge. DieFormebene umfasst die beiden Eigenschaften “Länge der Beiträge” sowie “Ebene derBeiträge innerhalb der Baumstruktur des Kommunikationsstranges”. DieSubjektebene wird durch die Eigenschaften “Anzahl der Beiträge pro Verfasser, Längeder Zugehörigkeit der Verfasser zur Gemeinschaft” sowie “Existenz innovativerCluster”, d. h. Gruppen von Mitgliedern der Gemeinschaft, die innovative Beiträgeuntereinander austauschen, aufgespannt. Die Inhaltsebene beschreibt schließlich diesprachliche Konstruktion der Beiträge durch Verwendung innovationsassoziativerAusdrücke (z. B. Idee, unzufrieden, Lösung, Verbesserung, Prototyp, eigeneKonstruktion).

Eine Analyse der smart-club.de Beiträge auf Subjekt- und Objektebene kommt zu fol-gendem Ergebnis. Innovative Beiträge der Kategorie “Prototyp erkannt” waren imMittel signifikant länger als Beiträge anderer Kategorien. Des Weiteren hat die Ebenedes Kommunikationsstranges signifikanten Einfluss auf Beiträge der Kategorie“Problem erkannt”. Diese Beiträge finden sich vor allem auf der ersten Ebene desKommunikationsstranges. Die Subjektebene hingegen liefert keine signifikantenAnhaltspunkte, um innovative von nicht innovativen Beiträgen zu unterscheiden.Keine Erkenntnisse liegen bisher für die Inhaltsebene vor, obwohl vermutet werdenkann, dass diese signifikanten Erklärungswert besitzt.

Bei Existenz unterscheidungsrelevanter Eigenschaften zur Identifikation innovativerBeiträge verspricht der Einsatz softwaregestützter automatisierter Inhaltsaus-wertungen eine Effizienzsteigerung gegenüber einer manuellen Auswertung. Eine sol-che Filtersoftware lässt sich auf das Erkennen von Beiträgen mit definiertenMerkmalsausprägungen trainieren und wurde auch in der Smart-Gemeinschaft aufEignung getestet. Die Untersuchung kommt zu dem ermutigenden Ergebnis, dassgrundsätzlich eine softwaregestützte Identifikation möglich erscheint, auch wenn ver-fügbare Produkte bisher noch Verbesserungsbedarf haben (Henkel / Sander 2003).

Etablierung virtueller Innovationsgemeinschaften

Bei den zuvor betrachteten virtuellen Produktgemeinschaften entstehen innovationsre-levante Beiträge als “Nebenprodukt”. Die Gemeinschaft ist nicht originär darauf aus-gerichtet, Innovationen zu generieren. Anders verhält es sich bei virtuellenInnovationsgemeinschaften. In diesen verfolgen die Mitglieder das Ziel, gemeinsaminnovative Problemlösungen zu erarbeiten. Diese sind häufig auch vom Herstellerinitiiert und werden von diesem betreut (Bartl / Ernst / Füller 2004; Füller et al. 2004).Wichtigste Aufgabe ist in diesem Zusammenhang die Etablierung einer geeignetenvirtuellen Gemeinschaft. Denn im Gegensatz zur reinen Beobachtung von Produkt-Communities zielt der Hersteller hier auf eine intensive Interaktion zwischen und mitden Mitgliedern der Gemeinschaft. Betreibt ein Unternehmen bereits eine aktive vir-

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Instrumente von Open Innovation

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tuelle Gemeinschaft (z. B. eine Produktgemeinschaft, Kundenclub), bietet diese meisteine geeignete Ausgangsbasis für eine Innovationsgemeinschaft. Ist dies nicht der Fall,entstehen hohe Kosten für den Aufbau, die Pflege und den Betrieb der Community, vorallem jedoch für die Akquise von Gemeinschaftsmitgliedern. Auch sind vieleInitiativen von Herstellern fehlgeschlagen, selbst virtuelle Gemeinschaften um ihrProdukt zu etablieren. Überaus erfolgreich war dagegen Muji, ein japanischerHersteller und Händler von Haushaltswaren (Kasten 3–19).

Ein alternatives Vorgehen besteht in der Option, eine fremde Gemeinschaft zu nutzenund Innovationsaufgaben an diese zu richten. Voraussetzung ist dazu, dass diese nichtnur existiert und aus einer Gruppe von Teilnehmern besteht, die die notwendigenEigenschaften in Hinblick auf die Innovationsaufgabe hat, sondern dass der Betreiberdieser Community auch zur Mitwirkung gewonnen werden kann. Auf diese vorhan-dene virtuelle Innovationsgemeinschaft kann ein Hersteller nun verschiedeneInstrumente, die wir bereits zuvor beschrieben haben, anwenden. So bietet eineInnovationsgemeinschaft eine gute Gelegenheit für einen Innovationswettbewerb, der

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Interaktive Wertschöpfung in der Innovation: Open Innovation

(Quelle: Auszug aus: Susumu Ogawa und Frank Piller: Collective Customer Commitment, MITSloan School of Management Working Paper, October 2005 [online: userinnovation.mit.edu])

Muji is a Japanese specialty retail chain with 2004 sales topping 117,100 million Yen. Muji is a hou-sehold name in Japan for all kind of consumer commodities, and highly acclaimed in Europe for itsindustrial design and product esthetics. Its major product categories are apparel (38 % of totalsales), household goods & stationary (52%), and food (10%). While the company is famous for itspowerful internal design practice, it has a very strong method to incorporate customer input intothe new product development process.

In its Japanese home market, the company receives more than 8000 suggestions for productimprovements or new product ideas each month. Suggestions are sent as postcards attached tocatalogues, as e-mails or via feedback forms on the company’s website. On the internet, Muji hasan online customer community, Muji.net, with approximately 410,000 members. On the sales floor,sales associates are encouraged to collect notes on customer behavior and short quotes fromsales dialogues. More than 1000 of these memos are processed each month. The company evenorganizes a vacation club, Muji Camp, where customers can experience a summer vacation withMuji products. The camp provides Muji with the opportunity to observe customers during the campand to develop relationships with the vacationers that go beyond the summer.

This dazzling array of customer input is motivated by the customers’ high involvement with thebrand. In return, Muji acknowledges the customer input by marking products triggered by sugges-tions of customers clearly in its catalog. Notwithstanding this openness to external input, productplanning and product development remains a closed, internal managed process. Customer inputis collected, categorized and evaluated in a structured process, resulting in an internal short-list oftop ideas which are discussed in a “business improvement meeting” by a management board,including the company president. This board has also the sole decision how to proceed with a sub-mitted idea.

Kasten 3–19: Nutzung von Input aus Kunden-Communities bei MUJI

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aber gegebenenfalls offen gestaltet wird, so dass die Nutzer auf die Beiträge andereraufbauen können (ein Beispiel ist der User Contest von MathWorks, siehe math-works.com/contest). Ebenfalls können Toolkits for User Innovation durch mehrereNutzer bedient werden, die gemeinschaftlich eine Lösung schaffen (Piller et al. 2005).Der Automobilhersteller Peugeot nutzte beispielsweise eine virtuelle Innova-tionsgemeinschaft, um von dieser neue Autodesigns entwickeln zu lassen. Grundlagewaren exisiterende Online-Communities von Autofans. Mehr als 2800 Designer aus 90Nationen beteiligten sich an dieser Aufgabe. Volvo hingegen präsentierte einerInnovationsgemeinschaft visualisierte Prototypen neuer Fahrzeuge und bat dieMitglieder der Gemeinschaft um Feedback (Bartl / Ernst / Füller 2004; Füller et al.2004). Zu Beginn dieses Buchs haben wir bereits anhand des UnternehmensThreadless gesehen, wie ein Unternehmen sein gesamtes Geschäftsmodell auf eine vir-tuelle Innovationsgemeinschaft ausgerichtet hat, die sowohl neue Produkte entwickelt,diese bewertet, vertreibt und kauft.

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Instrumente von Open Innovation

Franke, Nikolaus / Shah, Sonali (2003). How communities support innovative activities: anexploration of assistance and sharing among end-users. Research Policy, 32 (2003) 1: 157-178.

Füller, Johann (2005). Community Based Innovations – Virtual Integration of Online ConsumerGroups into New Product Development. Dissertation an der Fakultät für Betriebswirtschaft derLeopold-Franzens-Universität Innsbruck, Oktober 2005.

McAlexander, James H. / Schouten, John / Koenig, Harold (2002). Building brand community.Journal of Marketing, 66 (2002) 1 (January): 38-54.

Sawhney, Mohanbir / Prandelli, Emanuela (2000). Communities of creation: Managing distri-buted innovation in turbulent markets. California Management Review, 42 (2000) 4: 24-54.

Shah, Sonali (2005). Open beyond software. In: Danese Cooper / Chris DiBona / Mark Stone(eds.): Open Sources 2, Sebastopol, CA: O’Reilly 2005: 339-360.

Kasten 3–20: Literaturempfehlungen zu Open Innovation Communities

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Open Innovation und eine Integration der Kunden in den Innovationsprozess ist – ausFirmensicht – eine meist sehr neue Vorgehensweise. In einem anderen Fall derLeistungserstellung dagegen ist die Kundenintegration eine gängige Praxis: bei derIndividualisierung von Produkten und Leistungen. Im Gegensatz zur Produktionmassenhafter, standardisierter Güter kann eine individuelle Leistung nur dann erstelltwerden, wenn der Hersteller mit dem Kunden vor der Leistungserstellung interagiert,um die Wünsche und Spezifikationen für das individuelle Produkt zu erfragen. Damitkommt es auch hier zu einer Integration der Kunden in einen gemeinsamen Wert-schöpfungsprozess mit den Anbietern. Wir wollen im Rahmen unserer Diskussion derinteraktiven Wertschöpfung als neue Form der Organisation arbeitsteiliger Leistungs-erstellungsprozesse zwischen Kunden und Herstellern die Produktindividualisierungaus zwei Gründen genauer betrachten:

In der Praxis ist in manchen Industrien heute eine recht weite Verbreitung einerProduktindividualisierung festzustellen. Damit ergibt sich hier ein gutes Feld füreine empirische Analyse, um zur untersuchen, wie Wertschöpfungsprozesse undunterstützende Strukturen bei einer interaktiven Wertschöpfung im Allgemeinenzielführend gestaltet werden können. Interaktionsprozesse bei Produktindivi-dualisierung können wichtige Anhaltspunkte für eine Gestaltung eines interakti-ven Innovationsprozesses geben. Dies gilt insbesondere auf der Ebene derInstrumente: Produktkonfiguratoren zur Individualisierung sind ein wesentlichesVorbild von Toolkits für Open Innovation.

Jedoch ist auch die Individualisierung an sich eine spannende Strategie für vieleUnternehmen. Lange Zeit schien aufgrund der hohen zusätzlichen Kosten derInteraktion zwischen Anbieter und Nachfrager eine Individualisierung nur bei(margenträchtigen) Industriegütern sinnvoll. Im Bereich von Konsumgütern bliebdie Individualisierung ein Nischenphänomen. Jedoch erlauben in jüngster Zeitmoderne Informations- und Kommunikationstechnologien eine drastischeSenkung der Interaktionskosten. Der Begriff Mass Customization greift diesenGedanken auf und beschreibt die Erstellung individueller Güter und Leistungen,ohne dabei die mit einer Massenproduktion verbundenen Kostenvorteile aufzuge-ben. Damit wird eine Produktindividualisierung für deutlich mehr Marktsegmenteals Option zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen interessant. Wir haben bereitsim Grundlagenkapitel mit Dell (Kasten 2–4) und Spreadshirt (Kasten 2–8) typischeBeispiele für Mass Customization kennen gelernt. Ein weiteres prominentesBeispiel ist das ‘mi adidas’-Programm von Adidas-Salomon (Kasten 4–1).

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4 Interaktive Wertschöpfung in derProduktion: Individualisierungund Mass Customization

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Eine Produktindividualisierung konkretisiert damit die interaktive Wertschöpfung imProduktionsbereich und ist ein wesentliches Mittel zur Durchsetzung einer nachhalti-gen Differenzierungsstrategie (siehe Abschnitt 2.4.5). Wir werden in diesem Kapitelzunächst allgemein die Prinzipien und Eigenschaften der Produktindividualisierungdiskutieren. Schwerpunkt ist dabei der Mass-Customization-Ansatz, d. h. dieIndividualisierung von Gütern und Leistungen für eine relativ große Zahl anAbnehmern unter ähnlichen Effizienzbedingungen eines vergleichbaren Massen-produktionssystems. Die Betrachtung dieser Effizienzbedingungen steht imMittelpunkt der dann folgenden Analyse. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels betrach-tet konkrete Instrumente der Interaktion zwischen Kunden und Herstellern bei MassCustomization.

4Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Die internationale Sportschuhindustrie ist ein Paradebeispiel für innovatives Varianten-management. Die fünf größten Marken – Nike, Adidas, Reebok, Asics und Puma – produzierennicht mehr selbst, sondern verlassen sich auf ein “Outsourcing” der Produktion, oft bei den glei-chen Lieferanten. Die Kernkompetenzen dieser Firmen sind die Erkennung von Markttrends sowiedas Design und die Entwicklung neuer Produkte. Umfassende Marktforschung, verlässlicheVorhersagen und ein gutes Supply Chain Management werden so zusammen mit einer starkenMarkenführung als Grundlage für den Erfolg in der Branche gesehen. Allerdings stehen auchMarktführer wie Adidas und Nike Problemen gegenüber: Ihr Markenname wird von neuen, modi-schen Kleidungsmarken herausgefordert. Die Konsumenten verlangen hochqualitative Schuhe fürweniger Geld, und die Kundenloyalität sinkt rapide.

Diese und andere Trends veranlassten Adidas, im Jahr 2001 die individualisierbare Produktlinie“mi adidas” einzuführen. Damit sollte auch ein anderes Problem angegangen werden. Aufgrundder wachsenden Individualisierung der Nachfrage und einer zunehmenden Segmentierung desGesamtmarktes in Mikronischen war die Zahl an Produktvarianten explodiert. Diese Entwicklungmacht die Absatzplanung schwieriger als je zuvor. Folge sind hohe Lagerbestände, ein zunehmen-des Moderisiko, eine sehr hohe Komplexität in der Zuliefer-Kette und immer größere Discounts,um fehlgeplante Produkte loszuwerden. Dazu kommt verlorener Umsatz bei Produkten, die vomMarkt besser angenommen wurden als erwartet, aber nicht in ausreichenden Mengen oder in rich-tigen Größen verfügbar waren.

Das Mass-Customization-Programm von Adidas dient als Antwort auf diese Herausforderungen. Inspeziellen Einzelhandelsgeschäften und bei ausgesuchten Veranstaltungen können die Kundenindividualisierte Schuhe erwerben. Sie können dabei ihre Schuhe in Bezug auf Passform, Funktionund Design selbst anpassen. Solch ein Service war bisher Fußballstars wie David Beckham oderTop-Läufern wie Haile Gebrselassie vorbehalten. Die Schuhe werden zu einem Preis, der etwa30% über dem des Standardschuhs liegt, verkauft. Mit Hilfe eines Fußscanners werden die Füßedes Kunden gescannt und die genaue Länge, Breite und Druckverteilung jedes Fußes bestimmt.Dann bespricht der Kunde zusammen mit geschulten Experten die Ergebnisse des Scans. DieseInformation wird zusammen mit persönlichen Passform-Vorlieben in einen Computer eingegeben,um einen Schuh zu bestimmen, der am besten passt.

Adidas arbeitet entsprechend eines “match-to-order”-Systems in der Vorproduktion. Um dieKomplexität zu senken und die Lieferzeiten zu reduzieren, wird nicht für jeden Kunden ein eigenerLeisten entwickelt, sondern der Fuß eines Kunden einem vorhandenen Leisten zugeordnet. Dasangebotene Größen- und Weitenspektrum ist dabei weitaus höher als im konventionellen

Kasten 4–1: mi adidas: Das Mass-Customization-Programm von Adidas

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4.1 Produktindividualisierung und MassCustomization

4.1.1 Der Begriff ProduktindividualisierungIn der Regel richten sich die Präferenzen eines Nachfragers nicht auf ein Produkt alssolches, sondern auf (Kombinationen von) Eigenschaften, die in dem nachgefragtenGut verkörpert sind. Diese Präferenzstruktur kann in einem Idealpunkt-Modell abge-bildet werden, das davon ausgeht, dass jeder Käufer in seiner Vorstellung eineKombination von Produkteigenschaften (bzw. Ausprägungen dieser) bildet, die sein“optimales Produkt” kennzeichnet. Diese Kombination bezeichnet den so genanntenIdealpunkt, von dessen Distanz zu der tatsächlichen Eigenschaftskombination diePräferenz eines Käufers für ein bestimmtes Produkt abhängt (Homburg / Weber 1996):Je geringer die Distanz, desto höher wird ein Produkt bewertet bzw. desto eher wird esgekauft (und wieder gekauft, denn in der Praxis erkennt ein Konsument oft erst wäh-rend des Gebrauchs eines Produkts dessen “Lage vom Idealpunkt”).

Beim Kauf einer Spezialmaschine wären dies beispielsweise die Anschaffungskosten,Wartungsfreundlichkeit, Kompatibilität zum bisherigen Maschinenpark, Möglichkeiteiner Einbindung in einen elektronischen Leitstand sowie das Renommee desHerstellers. Dieses Eigenschaftsbündel charakterisiert die Vorstellung jedes Käufersüber die Produkteigenschaften, die sein “optimales Produkt” kennzeichnen. DieAbweichung der realen Eigenschaften eines Angebots zum Wunschprodukt bestimmtdie Präferenz für dieses Angebot, d. h. je näher ein Produkt der Wunschvorstellungeines potentiellen Abnehmers liegt, desto größer ist seine Kaufwahrscheinlichkeit(Piller 1998). Veranschaulichen wir dies an einem einfachen Beispiel (siehe Abbildung4–1): Die Käuferin einer Hose entscheidet sich für eine neue Hose anhand der Kriterien“Übereinstimmung mit persönlichem Modegeschmack” und “Passform”. Punkt 1beschreibt den Idealpunkt einer durchschnittlichen Käuferin, deren Hose genau pas-send, in einer mittleren Preislage und nicht zu modisch, aber auch nicht zu bieder seinsoll. Eine andere Käuferin bevorzugt hingegen exklusive (teure) Hosen, die aber den-noch nicht ausgefallen sein sollten (Nr. 2). Die Käufer 3 und 4 verkörpern denGegensatz zwischen der trendbewussten jungen Käuferin (Nr. 4), die in erster Linie

4.1

193

Produktindividualisierung und Mass Customization

Programm – und nur bei einer reinen Produktion auf Bestellung ohne große Bestandskosten mög-lich. Vorrätig in jedem Laden ist aber ein Beispielschuh in einer Grundfarbe und Funktionalität fürdie Anprobe. Hat der Kunde seine individualisierte Funktion und Passform ausgewählt, kann er soden Schuh testen, bevor er zur letzen Designphase übergeht. Der Kunde wählt dabei dieFarbelemente und sucht Materialien aus. Schließlich kann er sich noch ein Monogramm einstic-ken lassen. All diese Schritte werden mit Hilfe eines Konfigurators abgewickelt. Ein PC-basierterVerkaufskiosk führt den Kunden und den Verkäufer durch den gesamten Konfigurationsprozess.Alle Schuhe werden “on-demand” in Asien hergestellt, wobei die kundenbezogene Lieferzeit etwadrei Wochen beträgt. Sind die Kundendaten einmal gespeichert sind, können Folgekäufe überInternet, Call Center oder im Einzelhandel getätigt werden.

Hinweis: Eine ausführliche Darstellung dieses Falls findet sich in Abschnitt 5.1.

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eine preiswerte, aber dennoch hochmodische und figurbetonte Hose möchte, und eineranderen Käuferin, die ein unauffälliges, zeitloses und vor allem bequemes Kleidungs-stück bevorzugt (Nr. 3). Eine Hose mit den Eigenschaftsausprägungen P* würde viel-leicht noch von Kundin 1 in Betracht gezogen, da sie lediglich bei der Passform Einge-ständnisse machen müsste. Für alle anderen Kundinnen aber ist die Distanz zwischenden Ausprägungen dieses Produkts und den gewünschten Idealpunkten zu groß.

Bei einer Massenfertigung wird während des Entwicklungsprozesses versucht, mittelsMarktforschung die Präferenzen aller potenzieller Kunden des angestrebtenMarktsegments zu antizipieren und zu einem gemeinsamen Mittelwert zu vereinen,der möglichst nahe an der Wunschvorstellung möglichst vieler Nachfrager liegt (diesist genau der Kern der Conjoint-Analyse, einem der heute gängigsten Markt-forschungsinstrumente). Oft werden dabei im Sinne einer Variantenfertigung mehrereProduktvarianten gebildet, die Clustern von “Idealpunkten” (d. h. Teilsegmenten vonKunden) im gesamten Eigenschaftsraum entsprechen. Allerdings haben die Abnehmerauf den meisten Märkten keine vollständige Markttransparenz über alle verfügbarenProdukte bzw. Varianten, woraus für sie eine latente Unsicherheit hinsichtlich derAngebotsbreite und –qualität folgt. Ein Käufer ist nie sicher, ob das von ihm gekaufteProdukt tatsächlich jenes unter allen angebotenen ist, das seinen persönlichenPräferenzen am besten entspricht. Das Konstrukt der kognitiven Dissonanz in derNachkaufphase beschreibt in diesem Zusammenhang den (negativen) Zustand, dassein Käufer nach erfolgtem Kauf ein anderes, näher an seinem Idealpunkt liegendes

4

194

Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Abbildung 4–1: Idealpunkte eines Produkts aus Kundensicht (Nr. 1-4) im Vergleich zu denrealen Produkteigenschaften (P*) als Kaufentscheidungskriterium (entnom-men aus Piller 1998 in Anlehung an Homburg / Weber 1996)

bieder modisch

Paß-form

weit

engbillig

teuer

Mode

1

2

3

4

P*

Preis

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Produkt entdeckt und mit dem getätigten Kauf unzufrieden wird – womit sich dieChance eines Wiederkaufs des ersten Guts reduziert.

Ein Hersteller kann diese Unsicherheit nutzen, indem er im Zuge einer individuellenLeistungserstellung die Wünsche der Nachfrager exakt erfüllt (den jeweiligen“Idealpunkt” produziert) und so gewissermaßen “persönliche” Präferenzen für seineProdukte schafft. Die Individualisierung seiner Produkte und Leistungen hebt ihn vonseinen Konkurrenten ab, da er aus Abnehmersicht die Unsicherheit über die“Passgenauigkeit” der gekauften Güter verringert (Du / Tseng 1999; Homburg /Giering / Hentschel 1999). Bei solch einer Produktindividualisierung werden dieProdukteigenschaften, welche die Präferenz des Abnehmers bestimmen, so angepasst,dass sie dem Idealpunkt (Präferenzstruktur) des Abnehmers entsprechen (Basis diesesPräferenzmodells ist die Konsumtheorie nach Lancaster 1979). Der erste Schritt ist folg-lich nach der Akquise des Kunden die Erhebung seiner konkreten Bedürfnisse undderen Überführung in konkrete Produkteigenschaften, an die sich die Leistungs-erstellung anschließt (Hildebrand 1997; Jacob 1995). Dieser Vorgang ist durch eineenge Interaktion zwischen Anbieter und Abnehmer geprägt, die wir in diesemKapitel noch ausführlich betrachten werden.

Unter Produktindividualisierung wird somit eine Form der Leistungserstellung ver-standen, die darauf abzielt, die Eigenschaften der angebotenen Produkte undLeistungen auf die Präferenzstruktur jedes einzelnen Abnehmers auszurichten, um soeinen Differenzierungsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu erlangen (Meffert 1998).Eine kundenindividuelle Produktion hebt die Anonymität des einzelnen Nachfragersauf und passt die Leistung an die Anforderungen an, die der jeweilige Abnehmer ansie stellt. Ergebnis ist die optimale Zusammenstellung von Produkteigenschaften ausSicht eines Käufers. Grundsätzlich gilt, dass der Nutzenzuwachs einer individuellenProduktion aus Abnehmersicht je höher ist, desto heterogener die Präferenzen der ver-schiedenen Kunden in einem Markt in Bezug auf ein Grundidee sind, d. h. je weiterdie Idealpunkte der einzelnen Kunden auseinander liegen. Das Beispiel von ‘mi adi-das’ macht dies für den Konsumgüterbereich deutlich. Hier werden die Passform desSchuhs, die Funktionalität (Dämpfungssystem) und das äußere Design an dieWünsche des Kunden angepasst. Ziel der Individualisierung im Industriegüter-bereich ist es, das Angebot den individuellen Besonderheiten seiner Verwendung inder Wertkette des Nachfragers anzupassen.

Auch wenn der Individualisierungsbegriff primär auf die Leistungserstellung mate-rieller Güter bezogen wird, kann eine Individualisierung auch an Dienstleistungenansetzen (Abbildung 4–2). Ebenso kann sie auch die Gestaltung der Geschäfts-

4.1

195

Produktindividualisierung und Mass Customization

Unter Produktindividualisierung wird eine Form der Leistungserstellung verstanden, die dar-auf abzielt, die Eigenschaften der angebotenen Produkte und Leistungen auf die Präferenz-struktur jedes einzelnen Abnehmers auszurichten, um so einen Differenzierungsvorteil gegen-über der Konkurrenz zu erlangen.

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beziehung zwischen Hersteller und Abnehmer einschließen (z. B. in Form einer perso-nalisierten Kommunikation, siehe Hildebrand 1997).

Eine Individualisierung materieller Produkte entspricht in der Regel einer Ein-zelfertigung (auch: Fertigung “on demand” oder “make-to-order”). Während einAngebot vorgefertigter Varianten dem Nachfrager lediglich die Auswahl der Varianteermöglicht, die seinen Bedürfnissen am nächsten kommt, wird bei einerEinzelfertigung die Produktion erst gestartet, wenn der Kundenauftrag und einProduktentwurf vorliegt, der den Anforderungen des Kunden gerecht wird (aller-dings kann aus Kundensicht eine Individualisierung auch mit der Zuordnung derKundenwünsche zu einer existierenden Auswahl an vorgefertigten Produkten erfol-gen; dieser Fall ist aber aufgrund von Lagerhaltungskosten und dem Variantenrisikoin der Regel nicht wirtschaftlich). Darüber hinaus bieten aber auch die das materielleKernprodukt begleitenden Dienstleistungen einen Ansatzpunkt zur Indivi-dualisierung. In diesem Fall wird ein materielles Produkt durch Dienstleistungenergänzt, die genau auf den einzelnen Abnehmer ausgerichtet sind. Hierbei ist zuunterscheiden, ob es sich um eine Individualisierung von Primär- oder Sekundär-dienstleistungen handelt oder aber die Kommunikation zwischen Anbieter undAbnehmer personalisiert wird (“one-to-one-Marketing”). Die ausführliche Fallstudiein Abschnitt 5.3 gibt ein gutes Beispiel einer Individualisierung vonDienstleistungen.

Den Gegenpol zur Individualisierung der Leistungserstellung bildet die Standardi-sierung, deren Nutzen in erster Linie in der Realisierung einer günstigen Kostenpositionund damit in der Unterstützung der Kostenführerschaft gesehen wird. Die speziellenEigenschaften der Individualisierung lassen sich am einfachsten im Vergleich zurStandardisierung darstellen (siehe Abbildung 4–3). Jedoch sind Individualisierung undStandardisierung nicht als Gegensätze aufzufassen, sondern bilden die Endpunkte

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196

Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Abbildung 4–2: Möglichkeiten der Produktindividualisierung (in Anlehnung an Homburg /Weber 1996)

Möglichkeiten einer einzelkundenbezogenen Leistungserstellung

Individualisierung des tangiblen (materiel-len) Leistungsangebots, jeweils bezogenauf die Funktion, die Qualität oder dasDesign des Produkts

ProduktanpassungenSonderanfertigungen (kundenbezogeneVariantenfertigung)Einzelanfertigungen

Individualisierung des intangiblen (immateriellen) Leistungsangebots in Form der Ergänzung des Produkts umDienstleistungen

Ergänzung um Primärdienstleistungen(Vermarktung unabhängig vom Produkt)Ergänzung um Sekundärdienstleistungen(Vermarktung im Verbund mit demProdukt) Personalisierung der Kommunikation

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eines Kontinuums, zwischen denen eine Vielzahl von Handlungsalternativen liegt(Hildebrand 1997; Lampel / Mintzberg 1996; Mayer 1993).

Das Beispiel von Adidas in Kasten 4–1 verdeutlich diesen Sachverhalt: DasUnternehmen hat heute drei verschiedene Strategietypen der Marktbearbeitung. Dasso genannte “Inline”-Programm bedient den Großteil der Nachfrager, die im Handelaus vorgefertigten Produktprogrammen einen passenden Standardschuh aussuchen.Dabei handelt es sich aber auch schon nicht mehr um eine klassische Massenfertigung,sondern um eine hoch variable Variantenproduktion mit vielen tausend verschiedenenProduktarten, die gleichzeitig auf dem Markt angeboten werden. Dennoch werden alleInline-Produkte “auf Verdacht” vorgefertigt. Auf der anderen Seite des Kontinuumsfertigt Adidas in teurer Handarbeit für wenige Premiumkunden seit Bestehen desUnternehmens individuelle Produkte in Einzelfertigung. Diese Schuhe sind ganzgenau auf die Laufeigenschaften ausgewählter Spitzensportler angepasst. Für einenMarathonprofi ist der Schuh das wichtigste Arbeitsmittel, entsprechend hoch sindauch die Investitionen in einen genau passenden Schuh. Die Fallstudie hat aber auchgezeigt, dass Adidas heute eine dritte Alternative anbietet: ein Produktprogramm, dassich an die Massenkunden richtet, aber Elemente des Individualprogramms enthält,jedoch nicht dessen Preise. Diesen dritten Strategietyp nennen wir Mass Custo-mization. Ihn wollen wir im Folgenden näher betrachten.

4.1Produktindividualisierung und Mass Customization

Abbildung 4–3: Merkmale der Individualisierung und Standardisierung auf Produktebene(entnommen aus Mayer 1993)

Merkmale der Individualisierung und Standardisierung auf Produktebene im Vergleich

Merkmal Individualisierung Standardisierung

Ausrichtung der Leistungsgestaltung

extrem an den Anforderungendes einzelnen Nachfragers

konjektural an Durchschnitts-ansprüchen einer größerenZahl von Nachfragern

Zahl der Nachfrager jeLeistung

einer bzw. sehr wenige viele

Kontakt zum Nachfrager eng: Kundenintegration in denLeistungserstellungsprozess

nicht oder kaum vorhanden(anonyme Abnehmerschaft)

Erstellung der Leistung nach der Bestellung vor der Bestellung, auf Vorrat

Quelle der Informationenüber die Nachfrageranfor-derungen

direkt vom Nachfrager über Marktforschung, Handel

Gleichartigkeit der Leistun-gen einer Produktlinie

maßgeschneiderte Leistung,(meist) Losgröße 1

homogenes Massenprodukt /kollektive Dienstleistung

Leistungsvielfalt sehr groß nur eine Leistung

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4.1.2 Mass Customization als Ausprägung einerProduktindividualisierung

Mass Customization wird in der Literatur als Antwort auf die zunehmendeIndividualisierung der Nachfrage gesehen, die wir in Abschnitt 2.2.3 diskutiert haben(Blaho 2001; Piller 1998, 2006a; Pine 1993; Reichwald / Piller 2002; Schnäbele 1997). DerAusdruck Mass Customization ist ein Oxymoron, das die an sich gegensätzlichenBegriffe “Mass Production” und “Customization” verbindet (als deutsche Übersetzunghat sich “kundenindividuelle Massenproduktion” durchgesetzt). Der Begriff wurdevon Davis (1987) geprägt, der ausgehend von einem Beispiel aus der Bekleidungs-industrie das Phänomen zum ersten Mal beschrieben hat: “Mass Customization ofmarkets means that the same large number of customers can be reached as in massmarkets of the industrial economy, and simultaneously they can be treated individual-ly as in the customized markets of pre-industrial economies” (Davis 1987: 169). Erbezieht sich dabei auf Gedanken von Toffler (1970), der aufbauend auf der These derzunehmenden Individualisierung der Gesellschaft den Zerfall von Massenmärkten(“Entmassung”) und die Orientierung der Produkterstellung an den Wünschen undBedürfnissen des einzelnen Individuums vorhersagte. Seit Pine (1993) mit seinerBuchveröffentlichung den Grundstein für die breite Diskussion um MassCustomization gelegt hat, sind unzählige Veröffentlichungen zu diesem Themaerschienen (siehe Piller 2006a für eine Übersicht). Dominiert in den meisten Beiträgendie Euphorie, werden verstärkt auch kritische Stimmen laut (Agrawal / Kumaresh /Mercer 2001; Piller / Ihl 2002; Zipkin 2001).

Auf eine kurze Formel gebracht, bedeutet Mass Customization “producing goods andservices to meet individual customer’s needs with near mass production efficiency”(Tseng / Jiao 2001). Angesichts der breiten Verwendung des Begriffs für alle möglichenFormen kundenbezogener Leistungserstellung (oder auch einer klassischenVariantenfertigung) wollen wir aber eine etwas ausführlichere Beschreibung verwen-den, die die Definition von Tseng und Jiao sowie auch unsere eigenen früherenDefinitionen konkretisiert (siehe Piller 1998, 2006a; Reichwald / Piller 2003).

Mass Customization (kundenindividuelle Massenproduktion) bezeichnet dieProduktion von Gütern und Leistungen für einen (relativ) großen Absatzmarkt, welchedie unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen.Die Produkte und Leistungen werden dabei in einem Co-Design-Prozess gemeinsammit den Kunden in einem Interaktionsprozess definiert. Die Produkte werden dabei zuPreisen angeboten, die der Zahlungsbereitschaft von Käufern vergleichbarer massen-hafter Standardprodukte entsprechen, d. h. die Individualisierung impliziert keinenWechsel des Marktsegments in exklusive Nischen, wie dies bei einer klassischenEinzelfertigung der Fall ist. Eine solche Position kann langfristig nur erreicht werden,wenn aus einer Gesamtkostenbetrachtung die Leistungserstellung entlang der gesam-ten Wertschöpfungskette trotz Individualisierung zu einer Effizienz möglich ist, dieder von Produktion und Vertrieb (massenhafter) Standardprodukte nahe kommt.Wesentliches Element zur Erreichung dieser Position ist die Etablierung eines stabilenLösungsraumes, der dann abnehmerbezogen konkretisiert wird (Piller 2006a).

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

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Wir werden im nächsten Kapitel die wesentlichen Eigenschaften dieser Definition, dieden Prinzipien von Mass Customization entsprechen, näher betrachten. Das wesentli-che Abgrenzungsmerkmal von Mass Customization gegenüber anderen Formen derProduktindividualisierung ist die Forderung nach einem stabilen Lösungsraum, derdie Grundlage der geforderten Kosteneffizienz ist.

4.1.3 Prinzipien und EigenschaftenAuf Basis der vorstehenden Definition von Mass Customization lassen sich vier Ebe-nen oder Prinzipien einer Produktindividualisierung nach dem Mass-Customization-Prinzip nennen (Abbildung 4–4):

Der Genus von Mass Customization ist Kundenintegration im Sinne von Co-Design.

Das Ergebnis von Mass Customization und das wesentliche Abgrenzungskriteriumzu anderen Formen der Kundenintegration ist die Individualproduktion, d. h. dieErlangung einer Differenzierungsposition im Markt durch die Anpassung bestimm-ter Eigenschaften einer Absatzleistung an die Bedürfnisse eines einzelnen Kunden.

Die Abgrenzung von Mass Customization zu anderen Formen der Individual-produktion ist eine Preis- und Kostenposition, die die Güter für größereAbnehmerschichten erschwinglich macht.

Der Schlüssel zu dieser Kostenposition ist ein stabiler Lösungsraum, der stabileProzessbedingungen als Grundlage der kundenindividuellen Produktion schafft.

Wir werden diese Punkte im Folgenden kurz übersichtsartig konkretisieren und in denfolgenden Abschnitten dieses Kapitels ausführlicher erklären.

Kundenintegration (Co-Design)

Das zentrale Element der Definition von Mass Customization ist der Einbezug desKunden in die Wertschöpfung im Rahmen eines Co-Design-Vorganges. Hierbei wirdder vorhandene Lösungsraum kundenspezifisch konkretisiert (siehe Abschnitt 2.4.2).Aus einer Auswahl an Optionen wählen die Kunden die Eigenschaften (für bestimmteKomponenten der Leistung), die ihren Vorstellungen am ehesten entsprechen. ImUnterschied zu Do-it-yourself-Aktivitäten, bei denen die Kunden autonom tätig sind,findet diese Konkretisierung in Interaktion mit dem Hersteller statt (“co-creation”,Ramirez 1999). In Abgrenzung zur Kundenintegration in den Innovationsprozess gehtes bei Mass Customization aber in erster Linie um einen Co-Design-Prozess, d. h. es

4.1

199

Produktindividualisierung und Mass Customization

Mass Customization bezeichnet die Produktion von Gütern und Leistungen, welche die unter-schiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen, mit der Effizienzeiner vergleichbaren Massen- bzw. Serienproduktion. Grundlage des Wertschöpfungspro-zesses ist dabei ein Co-Design-Prozess zur Definition der individuellen Leistung in Interaktionzwischen Anbieter und Nutzer.

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werden nicht die grundlegenden Eigenschaften eines Produktes für jeden Kunden neuentwickelt, sondern aus vorgedachten Optionen ausgewählt (siehe auch dieAbgrenzung in Abschnitt 3.5.2). Der Begriff Co-Design bezeichnet in der Literaturdiese Interaktion zwischen Kunde und Hersteller im Rahmen der Konkretisierungeiner Leistung (Ulrich / Anderson-Connell / Wu 2003; Franke / Piller 2003, 2004; Franke/ Schreier 2002; Khalid / Helander 2003; Piller / Stotko 2003; Reichwald / Seifert / Ihl2004; Toffler 1980; Tseng / Kjellberg / Lu 2003; Ulrich; Udwadia / Kumar 1991; vonHippel 1998; Wikström 1996a).

Damit weist Mass Customization große Verwandtschaft mit dem klassischenKundenintegrationsprozess im Dienstleistungsmanagement auf (Blaho 2001;Schnäbele 1997). Auch hier ist in der Regel eine Erstellung der Leistung nur dann mög-lich, wenn der Kunde zuvor Informationen in den Leistungserstellungsprozess einge-bracht hat, wobei auf Potenzialfaktoren des Anbieters zurückgegriffen wird. Bei MassCustomization ist der zentrale Potenzialfaktor eine Interaktionsplattform, die oft auchals Konfigurationssystem bezeichnet wird. Da dieser Begriff aber meist in einem tech-nischen Sinn verwendet wird, ziehen wir den Begriff Interaktions- oder Co-Design-System vor, da wir die technische Systemkomponente nur als unterstützenden Faktorder Kunden-Mitarbeiter-Interaktion sehen.

Co-Design differenziert Mass Customization von anderen kundenzentriertenWertschöpfungsstrategien wie “Agile Manufacturing” oder Postponement (siehe zudieser Abgrenzung ausführlich Piller 2006a). Co-Design etabliert eine Beziehung zwi-

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Abbildung 4–4: Prinzipien von Mass Customization

Differenzierungsvorteil(Produktindividualisierung)

Kostenposition(Massenproduktionseffizienz)

Kundenintegration(Kunden Co-Design)

StabilerLösungsraum

(stabile Prozesse und Produktarchitekturen)

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schen Hersteller und Kunde, welche viele Möglichkeiten für die Gestaltung derNachkaufphase im Rahmen eines Customer Relationship Management bietet. Hat einKunde einmal erfolgreich ein individuelles Gut erhalten und ist mit dieser Leistungzufrieden, bilden die Informationen, die er im Rahmen des Co-Design-Vorganges anden Hersteller übermittelt hat, eine starke Barriere gegen einen Wechsel des Anbieters(Pine / Peppers / Rogers 1995; Wayland / Cole 1997). Denn ein neuer Anbieter müsstediese Informationen ja erst wieder sammeln. Bei einem Wiederholungskauf der indivi-duellen Leistung beim ersten Anbieter dagegen kann der Interaktionsvorgang sehrschnell ablaufen oder vollkommen automatisiert ablaufen, indem die Konfigurationdes Erstkaufs auf den Folgekauf übertragen wird (dennoch findet ein Co-Design-Vorgang statt). Wir werden diese Dimension in Abschnitt 4.4.7 im Zusammenhang mitder Beschreibung von Interaktionssystemen für Mass Customization noch vertiefen.

Differenzierungsvorteil (Produktindividualisierung)

Der Differenzierungsvorteil entsteht durch Anpassung bestimmter Produkteigenschaf-ten an die Präferenzen einzelner Kunden. Aus der Perspektive des strategischen Mana-gements ist Mass Customization eine Differenzierungsstrategie (horizontale Produkt-differenzierung, siehe Abschnitt 2.4.5). In Bezug auf die “theory of monopolistic com-petition” nach Chamberlin (1950, 1962) entspricht der Wert einer Individualisierungaus Kundensicht dem Nutzenzuwachs, den das resultierende Gut durch eine höhereÜbereinstimmung mit der nächstbesten (standardisierten) Alternative bietet. Je größerdeshalb de Heterogenität der Abnehmerbedürfnisse in einem Markt, desto größer istder Zuwachs an Nutzen durch Individualisierung (da in einem homogenen Markt derHersteller auch (fast) alle Kundenbedürfnisse durch Standardprodukte befriedigenkann). Allerdings ist Individualisierung kein Selbstzweck. Genau die Individualisi-erungsfunktionen zu finden, bei denen die meisten relevanten Kunden ein Bedürfniszur Anpassung haben, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Allgemein lassen sich drei Kategorien unterscheiden:

(1) Erste Individualisierungsmöglichkeit sind die individuellen Maße der Kundenbzw. Verwender. Hierunter fällt der große Bereich körpernaher Produkte wie Kleidungoder Schuhe, aber auch Autositze, Bürostühle oder Höhen von Apparaturen. Weiterhinkönnen auch die Einbaumaße eines Möbelstücks auf die Abmessungen einer Wohnungabgestimmt werden. Passform kann als das Urmotiv von Mass Customization gesehenwerden.

(2) Aus Verwendungssicht bietet eine Individualisierung der Funktionalität vieleMöglichkeiten. Ansatzpunkt sind die Eigenschaften eines Produkts in Hinblick aufbestimmte Verwendungszwecke. Beispiele sind die Laufeigenschaften einesSportschuhs, die Bespannung eines Tennisschlägers oder der Funktionsumfang einesPC. Da eine funktionale Individualisierung auf der Ebene materieller Produkte teil-weise recht schwierig und aufwändig ist, bieten sich an dieser Stelle viele Optionen,durch ergänzende individuelle Dienstleistungen gewünschte Funktionen bereitzustel-len.

(3) Schließlich kann sich die Individualisierung auf die gustative bzw. visuelleWahrnehmung der Kunden (ästhetisches Design) beziehen. Oft wird Indivi-

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dualisierung auf diesen Bereich beschränkt. Wir halten aber für viele Branchen einMass-Customization-Konzept, das rein am ästhetischen Design ansetzt, für langfristignicht tragfähig und zu leicht austauschbar, da nicht in einem Maße Nutzen für dieAbnehmer geschaffen wird, um die Grundlage einer dauerhaften Kundenbeziehungzu legen.

Kostenposition (Massenproduktionseffizienz)

Oft wird Mass Customization als Individualisierung zu Preisen einer Massenpro-duktion – und ohne die Zuschläge einer klassischen Einzelfertigung definiert (Davis1987; Hart 1995; Pine 1993; Victor / Boynton 1998; Westbrook / Williamson 1993). Jedochzeigt die Analyse von Mass-Customization-Anbietern, dass Kunden regelmäßig bereitsind, hohe Aufpreise für ein individuelles Gut zu zahlen (Franke / Piller 2004; Levin etal. 2002; Piller / Hönigschmid / Müller 2002). Dieser Premiumpreis entspricht demwahrgenommenen Nutzenzuwachs durch die Individualisierung im Vergleich zueinem Massengut. Mass Customization sollte deshalb nicht auf “vergleichbareMassenproduktionspreise”. beschränkt werden. Eine wichtige Abgrenzung zu einerklassischen Einzelfertig ist aber dennoch wichtig: Mass-Customization-Angebote zielenauf das gleiche Marktsegment, das zuvor die massenhaften Güter gekauft hat.Traditionell ist eine Einzelfertigung oft mit derart hohen Aufpreisen versehen, dassdamit ein Wechsel in ein völlig anderes Marktsegment erfolgte. Die Aufschläge bei MassCustomization mögen zwar recht hoch sein, aber sie müssen noch “erschwinglich” sein.Mag diese Definition auch aus konzeptioneller Sicht etwas weich sein, so hat sie sichdoch aus Sicht der Praxis zur Abgrenzung von Mass Customization gut bewährt. AusSicht des Herstellers sind diese “erschwinglichen” Preise nur dann möglich, wenn dieErstellung der Güter zu Kosten möglich ist, der diese moderaten Aufschläge erlaubt.Wir werden in Abschnitt 4.2.1 noch genauer erklären, wie sich die zusätzlichen Kostenvon Mass Customization zusammensetzen und welche Mechanismen es gibt, diese aus-zugleichen. Das Mass-Customization-Konzept hat dazu zwei wesentliche Ansatz-punkte: Zum einen erlaubt das Wissen, das durch die Integration der Kunden in dieWertschöpfung erlangt wird, effizienteres Handeln durch die Vermeidung vonVerschwendung und die Erhöhung der Abhängigkeit der Abnehmer (Piller / Möslein /Stotko 2004; Su / Chang / Ferguson 2005; siehe auch Kotha 1995; Piller 2006a;Rangaswamy / Pal 2003; Squire et al. 2004; von Hippel 1998). Die darauf beruhendenKostensenkungspotenziale bezeichnen wir als “Economies of Integration” (sieheAbschnitt 4.2.2). Zum anderen aber sorgt ein stabiler Lösungsraum, d. h. stabile Pro-dukt- und Prozessarchitekturen, dafür, dass die zusätzlichen Kosten der Produkt-individualisierung deutlich geringer ausfallen als bei einer klassischen Einzelfertigung.

4

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Ansatzpunkte einer Produktindividualisierung: Eine Produktindividualisierung kann ausgenerischer Sicht an drei Dimensionen ansetzen: (1) Passform bzw. Masse der Verwender (z.B. körpernahe Produkte wie Kleidung oder Schuhe, Bürostühle oder Höhe von Apparaturen).(2) Funktionalität, d. h. Eigenschaften des Produkts in Hinblick auf bestimmte Verwen-dungszwecke (z. B. Dämpfung eines Sportschuhs, Funktionsumfang eines PC). (3) VisuelleWahrnehmung (ästhetisches Design) (z. B. Auswahl von Farben oder Mustern).

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Fixer Lösungsraum (solution space)

Stabile Produkt- und Prozessarchitekturen sind ein wesentliches Charakteristikum vonMass Customization. Die Individualisierungsmöglichkeiten sind begrenzt und imLösungsraum des Anbieters abgebildet. Diese Fähigkeiten und Kapazitäten werdenim Rahmen einer autonomen Vorproduktion vom Anbieter festgelegt (dies entsprichtdes Verständnisses der Kundenintegration nach Kleinaltenkamp, siehe Abschnitt2.4.2). Ein erfolgreiches Mass-Customization-System ist durch stabile, aber dennochflexible Prozesse definiert, die einen dynamischen Fluss an individuellen Produktenerlauben. Jospeh Pine beschreibt diesen Gedanken in einem Gastbeitrag im Anschlussan diesen Abschnitt in Kasten 4–2. Diese stabilen Prozessbedingungen sind auch einwesentliches Differenzierungsmerkmal von Mass Customization zur klassischen (ofthandwerklichen) Einzelfertigung: Ein traditioneller Einzelfertiger erfindet nicht nurfür jeden einzelnen Kunden neue Produkte, sondern auch die dazugehörigen Prozesse.Mass Customization setzt dagegen auf stabilen Prozessen auf, um eine hohe Varietätan Produkten effizient bereitstellen zu können. Mass Customization wird so geradenicht durch die wesentlichen Kennzeichen einer Einzelfertigung (auftragsbezogeneKalkulation, hohes Flexibilitätsbedürfnis in allen Fertigungsstufen, individuelle Pla-nung jedes Produktionsprozesses und spezifische Erstellung der Fertigungs-unterlagen) charakterisiert.

Individualisierung im Rahmen der Mass Customization geht deshalb nicht so weit,dass ein Kunde von Grund auf ein für das Unternehmen völlig neues Produkt ganznach seinen Wünschen kreiert, wie es beispielsweise im Spezialmaschinenbau oder beider Anfertigung von Sonderwerkzeugen üblich ist. Dies ist klassische Einzelfertigung,die Mass Customization nicht ersetzen kann. Diese zeichnet sich durch eine auftrags-bezogene Kalkulation, einen geringen Vorfertigungsgrad, ein hohes Flexibilitätsbe-dürfnis in allen Fertigungsstufen und die individuelle Erstellung der Fertigungs-unterlagen (Stücklisten, Arbeits- und Terminpläne, Konstruktionspläne etc.) aus(Gutenberg 1979; Reichwald / Dietl 1991; Zahn / Schmid 1996). Ein Mass-Customi-zation-Konzept baut stets auf einer vorhandenen Produktspezifikation auf. Ziel ist es,an wenigen Komponenten, die aus Kundensicht aber den wesentlichen individuellenProduktnutzen ausmachen, eine Gestaltungs- bzw. Auswahlmöglichkeit zur Ver-fügung zu stellen. Die Produkte und Leistungen unterscheiden sich so nicht in ihremgrundsätzlichen Aufbau. Man kann deshalb auch von einer Standardisierung derIndividualisierung sprechen. Die dazugehörigen Stücklisten sollten dynamisch undautomatisch erstellt werden können, ebenso die Arbeits- und Montageanweisungen.Mass Customization ist dann erfolgreich, wenn fertigungsseitig in möglichst vielenBereichen die individuelle Fertigung zugunsten einer massenhaften zurücktritt.Hierzu tragen insbesondere modulare Produktarchitekturen bei (Tseng / Du 1998;Tseng / Jiao 2001). Die richtige Festlegung des Lösungsraumes für Mass Customizationist ein wesentlicher Erfolgsfaktor dieses Konzepts. Die Diskussion verschiedenerFormen von Mass Customization greift diesen Aspekt im folgenden Abschnitt nochmal auf.

Betrachten wir abschließend noch einmal das Beispiel von ‘mi adidas’ (Kasten 4–1,siehe auch die Fallstudie in Abschnitt 5.1): Der stabile Lösungsraum wird bei ‘mi adi-

4.1

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Produktindividualisierung und Mass Customization

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das’ vor allem durch den Rückgriff auf die vorhandene Leistenbibliothek bestimmt. Einklassischer Schuhmacher würde für jeden Kunden einen eigenen Leisten modellieren– ein sehr teurer und abstimmungsintensiver Prozess. Adidas dagegen ordnet einfachdie Maße eines Kunden dem best-passenden Leisten zu. Da die ‘mi adidas’-Schuheaber auf Bestellung gefertigt werden und so kein Lagerhaltungsrisiko besteht, könnendeutlich mehr Leisten herangezogen werden als beim Größenspektrum einerMassenproduktion. Das Problem der Individualfertigung wird so zu einem reinenInformationsproblem: Adidas muss nur sicherstellen, dass in der Produktion jederMass-Customization-Schuh auch auf Basis des richtigen Leisten gefertigt wird und amEnde der richtigen individuellen Bestellung zugeordnet wird. Ansonsten unterscheidetsich die Produktion aber nicht von einem Massenprodukt.

4Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

(Quelle: Auszug aus dem Beitrag “Mass Customization – Die Wettbewerbsstrategie der Zukunft”von B. Joseph Pine, der als Begründer der Mass Customization gilt, in: Frank Piller:Kundenindividuelle Massenproduktion, München / Wien: Hanser 1998: 1-32)

Mass Customization ist in erster Linie ein Managementsystem – ein Geschäftsmodell einesUnternehmens und dessen Umgang mit den Kunden, Produkten und Prozessen. Wir wollen dasWesen der Mass Customization anhand eines Modells verdeutlichen, das in der folgendenAbbildung dargestellt ist. Um dieses Modell zu verstehen, betrachten wir zunächst seine zweiDimensionen:

Die Änderungsrate der Produkte entspricht der Häufigkeit, mit der ein Produkt oder eineLeistung im Zeitablauf oder für einen bestimmten Kunden modifiziert wird. Ist sie niedrig, sinddie Produkte also stabil, liegen standardisierte Produkte mit nur wenigen, schleichenden undvorhersehbaren Änderungen vor; dynamische Produkte dagegen besitzen eine hohe Ände-rungsrate, sie verändern sich ständig, oft unvorhersehbar und revolutionär – bis hin zu demExtrem, dass jedes einzelne hergestellte Produkt von den anderen verschieden ist.

Ähnliches gilt für die Änderungsrate der Prozesse, welche die Häufigkeit beschreibt, mit derdie Geschäftsprozesse zur Fertigung eines Produkts oder Erstellung einer Dienstleistungmodifiziert werden. Entsprechend können Prozesse stabil oder dynamisch sein.

Die sich so ergebende Matrix beschreibt vier generische Geschäftsmodelle, die das Handeln vonUnternehmen in Abhängigkeit ihrer Änderungsrate der Produkte und Prozesse bestimmen (bewusstoder unbewusst). Unternehmen, die auf der Basis einer ausgeprägten Differenzierung mittels inno-vativer und individueller Produkte miteinander konkurrieren, folgen dem Inventionsmodell. Sie erfin-den und entwickeln ununterbrochen neue Produkte und (Fertigungs-)Prozesse für deren Her-stellung (sehr hohe Änderungsraten). Jahrhundertelang folgten Unternehmen diesem Modell:Spezialisierte, handwerkliche Einzelfertiger (Manufakturen) werden auch dann einen Auftrag anneh-men, wenn ein Kunde etwas will, was das Unternehmen zunächst nicht herstellen kann (sei es einneues Produkt oder eine spezifische Anpassung eines bestehenden Produkts), und dann heraus-finden, ob und wie das individuelle Produkt herstellbar ist. Denken Sie zum Beispiel an einenSpezialmaschinenhersteller, der nur nach Kundenauftrag individuelle Lösungen entwickelt. Selbstwenn solch ein Unternehmen dieselbe Sache zwei- oder mehrmals erstellen würde, wäre dasErgebnis jedes Mal etwas anders, da die Produktionsprozesse niemals stabilisiert (standardisiert)wurden. Es ist die ureigene Natur des Inventionsmodells, dass seine Anwender – wahre Erfinderund Innovatoren – kontinuierlich Produkte und Prozesse verändern und oft deshalb nur basteln, tüf-teln und experimentieren, um zu sehen, was für ein neuer Output dabei wohl herauskommen wird.

Kasten 4–2: Eigenschaften von Mass Customization

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4.1Produktindividualisierung und Mass Customization

Abbildung: Die Evolution der Wettbewerbsstrategie

Mit dem Aufkommen der Industriellen Revolution und insbesondere der Entwicklung des Fließ-bands durch Henry Ford kam die Zeit der Massenproduktion – dem genauen Gegenteil desInventionsmodells. Hier ist alles stabil: Die Unternehmen suchen die beste Methode, ein gegebe-nes Produkt zu erstellen, und schöpfen dann so schnell wie möglich die Pozentiale der Lernkurveaus. Produkt wie Prozesse ändern sich nur sehr langsam, um sicherzustellen, dass die anfäng-lichen Investitionsaufwendungen auch gedeckt werden. Ab und zu (typischerweise alle vier bis fünfJahre oder später) müssen die Massenproduzenten auf eine Organisation des Inventionsmodellszurückgreifen (normalerweise die eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung), um eine neueProduktidee einzuführen und im Massenfertigungssystem umzusetzen. Im Grunde ihrer Herzenwollen Massenproduzenten alles stabilisieren und standardisieren – für alles einen besten Wegfestschreiben – und dann diesen Weg immer wieder unverändert beschreiten. Wenn sie die Wahlhätten, würden die Produktionsmanager der Massenfertiger nach einmaligem Fertigungsanlauf einStandardgut so lange produzieren, bis die “Cash Cows” gemolken sind.

Massenproduzenten sind von einer innovativen Institution sehr abhängig, um neue Produkte ein-zuführen. Doch auch Organisationen auf Basis des Inventionsmodells sind von den Massen-produzenten abhängig, um für ihre hochdifferenzierten Produktinnovationen einen großen Marktzu schaffen. Diese Synergie zwischen dem Modell der Massenproduktion und dem Inventions-modell funktionierte lange Zeit sehr gut. So gut, dass als grundlegendes “Wettbewerbsgesetz” fest-gehalten wurde, Unternehmen hätten sich zwischen niedrigen Kosten oder einer hohen Differen-zierung zu entscheiden – kein Unternehmen könne jemals beides erreichen, da beide Alternativenauf einem völlig anderen, untereinander inkompatiblen Geschäftsmodell aufbauen würden.

Jedoch schafften es (nicht nur, doch hauptsächlich) japanische Unternehmen, sowohl geringereKosten als auch eine höhere Qualität als der typische Massenproduzent zu erreichen, indem sieständig ihre Prozesse weiterentwickelten. Diese dynamische, kontinuierliche Verbesserung führtezu einem neuen Wettbewerbsmodell, das den vorhergehenden signifikant überlegen war. Esunterschied sich so stark von den beiden bestehenden Modellen, dass westliche Unternehmenlange Zeit brauchten, um es zu begreifen. Heute folgen die meisten Unternehmen (zumindest imAnsatz) diesem Modell der kontinuierlichen Verbesserung (Continuous Improvement), indem sieneue Instrumente wie zum Beispiel eine statistische Prozesskontrolle, funktionsübergreifendeTeams und Kennzahlen zur Erhebung der Kundenzufriedenheit im Rahmen eines Total QualityManagements anwenden. Der Lebenszyklus der Prozesse einer theoretisch idealen Unter-

niedrig (stabil)) hoch (dynamisch)Änderungsrate der Prozesse

niedrig(stabil)

hoch(dynamisch)

Änderungsrateder Produkte

ContinuousImprovement

Verbindung

Modularisierung

MassCustomization

Entwicklung(Stabilisierung)

Massen-produktion

Invention(klassische

Einzelfertigung)

Erneuerung

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4Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

nehmung, die diesem Geschäftsmodell folgt, hat eine Dauer von genau einer Ausführung: JedeAusführung eines Prozesses ist unterschiedlich – und besser – als die letzte. Die hergestelltenProdukte bleiben aber relativ stabil. Insbesondere die japanischen Produzenten hatten zunächsteine viel geringere Variantenvielfalt als ihre westlichen Konkurrenten, als sie deren Heimatmärkte“angriffen”. Dies änderte sich aber mit der Zeit in dem Maße, in dem funktionsübergreifende Teams– die Basisstruktur der Continuous-Improvement-Unternehmen – ihre Aufmerksamkeit auf dieRüst- und Wechselzeiten konzentrierten und so die Fähigkeiten der Unternehmen für eine varian-tenreiche Produktion stetig verbesserten.

Während überall Unternehmen große Qualitätsfortschritte durch die Anwendung des ContinuousImprovement zu erlangen scheinen, überschreiten heute schon viele Unternehmen die Grenze rei-ner Varietät und bewegen sich zum Wettbewerbsmodell der Mass Customization. Hier ermög-lichen stabile, aber zugleich sehr flexible Prozesse einen dynamischen Fluss unterschiedlicherProdukte. Diese Unternehmen der Mass Customization erreichen sowohl eine kundenindividuelleErstellung von Gütern und Leistungen als auch ein niedriges Kostenniveau. In diesemGeschäftsmodell ist die primäre Aufgabe, die spezifischen Wünsche und Bedürfnisse jedes einzel-nen Kunden zu identifizieren und zu erfüllen. Idealerweise dauert der Produktlebenszyklus “einStück”: jedes Produkt ist verschieden von den anderen und genau auf einen Kunden zugeschnit-ten.

Wirtschaftliche Organisationen können zwischen den verschiedenen hier vorgestelltenGeschäftsmodellen wechseln, und ihre Produkte und Prozesse sind eventuell über die verschie-denen Ansätze verstreut, aber es gibt nur einen bestimmten Pfad, um Mass Customization zuerreichen. Dieser Weg beginnt bei der Invention und geht über Massenproduktion und ContinuousImprovement zur Mass Customization (aufgrund der Form dieses Wegs in unserem Modell soll erals Achterfigur (“Figure-8 path”) bezeichnet werden).

Der erste Schritt – von der Invention zur Massenproduktion – ist die wohlbekannte Aktivität derEntwicklung stabiler Produkte und Prozesse. Hier müssen neue Produkte und Prozesse entwor-fen und dann stabilisiert werden, damit sie für eine massenhafte, kostengünstige Produktionanwendbar, sprich wiederholbar sind.

Die hieraus resultierende Massenproduktion ist klassischerweise eine streng hierarchische undbürokratische Organisation, mit sehr geringen Informationsflüssen zwischen den Instanzen. Umdie Prozesse des Unternehmens kontinuierlich zu verbessern, müssen die getrennten Funktionendurch abteilungsübergreifende Teams, Informationsaustausch und eine horizontale Pro-zessfokussierung miteinander verbunden werden – der zweite Schritt auf dem Weg zur MassCustomization. Doch nicht nur zwischen den einzelnen funktionalen “Inseln” eines Unternehmensist eine Verbindung und einheitliche Datenbasis zu schaffen, sondern es ist ebenso notwendig, dieLieferanten zu integrieren (“Integration der Wertkette”), damit diese die gleichen Informationenüber die Absatzmärkte besitzen wie der Abnehmer und so aus eigenem Antrieb Komponentenbereitstellen können, um die Bedürfnisse des Markts zu befriedigen. Das Ergebnis ist ein Set voneng verbundenen Hochleistungsprozessen, die sich selbständig kontinuierlich verbessern könnenund einen hohen Grad an Kundenzufriedenheit garantieren – der zentrale Erfolgsfaktor desContinuous Improvement.

Der dritte Schritt in Richtung Mass Customization verlangt, dass Produkte und Leistungen modu-larisiert werden, um individuelle Kombinationen effizient für jeden Kunden bereitzustellen. Einemodulare Architektur des Leistungsprogramms erlaubt so, individuelle Produkte auszuliefern, diegenau dem Kundenwunsch entsprechen, seien es Jeans in einer bestimmten Länge, ein spezifi-scher Vitaminmix oder ein genau passendes pneumatisches Ventilsystem. Diese Architekturbestimmt einerseits, wie weit das gesamte Spektrum sämtlicher möglicher Variationen ist, durchdie das Produkt die Bedürfnisse aller Kunden befriedigen kann, und andererseits, welche spezifi-schen Ausprägungen das Produkt für einen konkreten Kunden annehmen kann. Diese beiden

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4.1.4 Einordnung der Produktindividualisierung in dasKonzept der interaktiven Wertschöpfung

Die vorangehende Argumentation hat schon viele Hinweise gegeben, warum eineProduktindividualisierung (Mass Customization) neben Open Innovation eine weitereKonkretisierung der Idee der interaktiven Wertschöpfung ist. Im Gegensatz zur klassi-schen Massenproduktion ist jeder einzelne Nutzer in den Wertschöpfungsvorgangintegriert. Ohne die Mitwirkung des Kunden kann kein individuelles Endprodukterstellt werden. Damit kommt es zu einer Neudefinition der klassischen Grenzen derArbeitsteilung zwischen Anbietern und Nachfragern. Individualisierung im Ver-

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Produktindividualisierung und Mass Customization

Dimensionen werden durch die Zahl und Gestaltung der unterschiedlichen Module und derenSchnittstellen und Verbindungsmöglichkeiten festgelegt. Die Kombination der Module zum fertigenProdukt vollzieht sich dabei durch definierte (stabile) Fertigungsprozesse, die ebenfalls in einer ArtModulsystem miteinander kombiniert werden können.

Um jedoch die Potenziale der Modularisierung zur erlangen, ist ein drittes Element notwendig: EinDesignwerkzeug, das die Kundenbedürfnisse mit den Fähigkeiten eines Unternehmens inEinklang bringt. Ohne ein solches Werkzeug (auch Produktkonfigurator genannt) werden dieKunden (bzw. ihre Vertreter in Form des Handels und Vertriebs) mit so vielen Grundformen undVerbindungsmöglichkeiten konfrontiert, dass sie aufgrund einer viel zu hohen Komplexität die fürsie genau passende Lösung nicht finden. Designwerkzeuge lassen den Kunden mit sinnvollenKombinationen “spielen”. Konfiguratoren müssen dafür sorgen, dass die Komplexität derModularisierung genutzt wird, Produkte und Leistungen für einzelne Kunden maßzuschneidern,aber diese schnell, einfach und ohne Mühe genau die Kombination finden, die für sie den höch-sten Wert schafft.

Doch auch das großartigste Designwerkzeug garantiert noch keine leistungsfähige Mass Custo-mization. Um die vollen Potenziale der Mass Customization zu verwirklichen, müssen sich indu-strielle Organisationen selbst erneuern. Dies ist der vierte und letzte Schritt in Richtung MassCustomization in der Achterfigur, welche die Pfeile in der Abbildung zeichnen. Immer dann, wennein Unternehmen bemerkt, dass es mit seinen derzeitigen Individualisierungsmöglichkeitenbestimmte Kundenbedürfnisse nicht mehr erfüllen bzw. neue Marktchancen nicht nutzen kann, isteine Erneuerung notwendig. Das Unternehmen geht quasi einen Schritt “zurück” (zur Invention),um neue, zusätzliche Module oder Prozesse zu implementieren bzw. durch eine neue Schnittstellemit internen oder externen Stellen (z. B. Lieferanten) die benötigte Fähigkeit zu beschaffen. Eskann sogar sein, dass ein Unternehmen seine komplette Produkt- und Prozessarchitektur austau-schen und neu entwickeln muss, um einen dauerhaften Vorteil im Wettbewerb aufzubauen – sonsttut es die Konkurrenz.

Auch wenn ein Unternehmen auf dem Weg zur Mass Customization niemals mehr in die Massen-produktion zurückkehren will, so ist es dennoch wichtig, den gesamten dargestellten Prozess derAchterfigur bei jeder Neuerung zu durchlaufen. Jedes Modul und jeder Prozess muss entwickelt,stabilisiert, mit dem Rest der Organisation verbunden und zu höchster Qualität gebracht werden,um schließlich in die modulare Architektur des Unternehmens integriert zu werden. So lebt eineOrganisation Mass Customization und fertigt nicht nur irgendwie kundenindividuelle Produkte. Dasich Produkte und Prozesse dynamisch an neue Wettbewerbsbedingungen anpassen müssen,hört der Zyklus der Achterfigur aus Entwicklung, Verbindung, Modularisierung und Erneuerung nieauf. Für die Abnehmer wird so im Zeitablauf eine ständige Verbesserung der Fähigkeiten des MassCustomizers spürbar.

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ständnis dieses Kapitels ist herstellerinitiiert. Ein Anbieter entwickelt eine modulareProduktarchitektur bzw. ein vergleichbares modifizierbares Leistungsangebot sowieein Interaktionssystem, mit dessen Hilfe die Nutzer der Produkte vor Kaufabschlussihre eigene Konkretisierung dieses Angebots vornehmen können (Kleinaltenkamp1996, 2002). Ähnlich wie bei der Nutzung eines Toolkits for User Innovation (sieheKapitel 3.5.2) ist auch hier die Idee, die Konkretisierung der (“sticky”, lokalen) Bedürf-nisinformation in der Domäne des Nutzers zu belassen: Anstatt ex-ante zu erforschen,welche potenziellen Eigenschaften ein Produkt für einen bestimmten Abnehmerkreishaben soll, können die Kunden selbst diese Konkretisierung vornehmen und interak-tiv eine fertige Produktspezifikation zum Hersteller transferieren.

Konzept der interaktiven Produktrealisierung (Co-Design-Prozess)

In Abgrenzung zu Open Innovation gibt es aber zwei wichtige Aspekte zu beachten:

Mitwirkung der Nutzer (Interaktion): Bei Open Innovation sind es vor allemNutzer mit besonderen Eigenschaften, die in den Innovationsprozess einbezogenwerden bzw. diesen sogar anstoßen. Diese fortschrittlichen Nutzer (Lead User)kreieren in der Regel Lösungen, die anschließend oft für einen größerenAbnehmerkreis gegebenenfalls sogar “massenhaft” hergestellt werden. Bei einerProduktindividualisierung findet dagegen ein interaktiver Wertschöpfungsprozessmit allen Kunden statt. Dieser ist deshalb auch in der Regel besser strukturiert undrepräsentiert einen Problemlösungsprozess, der im Wesentlichen aus einer Aus-wahl von Optionen aus einer vorgegebenen Menge bzw. der Konkretisierung vor-gegebener Parameter besteht. Bei Open Innovation ist dieser Problemlösungs-prozess in der Regel deutlich freier und umfasst innovative Tätigkeiten (ausNutzersicht sind beide Prozesse aber häufig nicht zu unterscheiden).

Lösungsraum: Mass Customization geht von einem festen Lösungsraum aus. ImGegensatz zu Open Innovation, wo durch die Interaktion mit den Nutzern einneuer Lösungsraum geschaffen wird, wird bei einer Produktindividualisierung einvorhandener Lösungsraum genutzt bzw. konkretisiert. Natürlich ist auch eineKombination beider Modelle möglich: Besonders fortschrittliche Nutzer können indie Gestaltung der angebotenen Optionen oder auch in die Entwicklung desInteraktionswerkzeuges (Konfigurator) einbezogen werden. Das so entstehendeSystem wird dann von allen Kunden des Mass-Customization-Angebots genutzt.Die langfristige Anpassung und Weiterentwicklung des Lösungsraumes kann dannwiederum mit dem Input einzelner innovativer Nutzer geschehen (ein Beispieldazu liefert die Fallstudie zu Adidas in Abschnitt 5.1).

Auf Basis dieser Diskussion lassen sich auch verschiedene Formen von MassCustomization abgrenzen. Abgrenzungskriterium ist dabei der Zeitpunkt derIntegration der Abnehmer in die Wertschöpfung – und damit das Ausmaß, indem eine Konkretisierung des Lösungsraumes möglich ist. Abbildung 4–5 zeigtdie sich derart ergebenden Konzepte (siehe auch Agrawal / Kumaresh / Mercer2001; Duray et al. 2000; Gilmore / Pine 1997; Lampel / Mintzberg 1996; Mintzberg1988; Piller 1998, 2006a; Schnäbele 1997; Waller / Dabholkar / Gentry 2000; Zäpfel1996).

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

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Match-to-order, locate-to-order

Bei einem match-to-order- bzw. locate-to-order-System findet die Kundenintegrationerst in den der Produktion nachgelagerten Wertschöpfungsaktivitäten des Vertriebsstatt. Durch ein entsprechendes Interaktionstool wird versucht, die Wünsche jedesKunden zu ermitteln. Anschließend erfolgt eine Zuordnung zu einem vorhandenenSpektrum an Standardleistungen. Online-Autohändler erlauben z. B. durch ein Netz-werk an stationären Händlern die Suche nach einem Wagen laut Wunschspezifikationeines Kunden (locate-to-order). In der Bekleidungsindustrie möchten Unternehmen wie“Intellifit” oder “MyVirtualModel” an verschiedenen Standorten moderne 3D-Ganzkörper-Scanner betreiben. Die Scan-Daten jedes Kunden werden genutzt, um imHandel die Zuordnung zu den Konfektionsgrößen verschiedener Hersteller zu errei-chen. Damit soll vor allem beim Distanzkauf das Passformrisiko reduziert werden. DerAnbieter Lands’End geht einen Schritt weiter, indem er den 3D-Scan für eine Stilanalyseverwendet und auf Basis dieser Daten seinen Kunden ein individuelles Outfit anbietet(bundle-to-order). Diese Formen der Mass Customization basieren nicht auf fertigungs-bezogenen Aktivitäten, sondern auf Tätigkeiten im Vertrieb und Kundenservice. DieseAktivitäten zählen daher zum Spektrum von “Soft Customization”.

4.1

209

Produktindividualisierung und Mass Customization

Abbildung 4–5: Zeitpunkte der Integration des Kunden in die Leistungserstellung

Ideen-generierung

Konzept-entwicklung

Prototyp

Produkt/Markt-test

Markt-einführung

Fertigung

Montage

Vertrieb

After Sales

Anbieterunter-nehmen als Gestalter der Wertschöpfung

Wertschöpf-ungsphasen

Gestaltungs-raum

Kunden / Nutzer als Wertschöpfungs-

partner

Interaktions-feld

Ope

n In

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Prod

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n

Ansatzpunkte zur Produkt-

individualisierung

Development-to-order(Engineer-to-order)

make-to-order

Assemble-to-order

Match-to-order, locate-to-order

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Assemble-to-order, made-to-order

Bei einem assemble-to-order- und made-to-order-System wird die Information überden Idealpunkt des Kunden genutzt, um ein individuelles Produkt herzustellen. Damitist ein Eingriff in die Wertschöpfungsaktivitäten der Fertigung verbunden. Hier setztz. B. die Maßkonfektion von Bekleidung an, bei welcher der 3D-Scan dazu dient, einparametrisierbares Schnittmuster den Maßen des Kunden anzupassen. Danach erfol-gen ein auftragsspezifischer Zuschnitt und das Vernähen der Stoffe zu einem indivi-duellen Kleidungsstück. In der Literatur wird unter made-to-order (auch: bulid-to-order) auch die auftragsbezogene Fertigung von Standardwaren subsumiert. So fertigtz. B. der Motorradhersteller Harley Davidson alle Motorräder rein nach Kunden-bestellung, jedoch kann der Kunde nur zwischen den verschiedenen Modellen ausdem Katalog wählen. Alle Individualisierungsoptionen (z. B. Tuning, Designelemente,etc.) werden nachträglich im Handel realisiert. Auch in diesem Fall findet eine kunden-spezifische Fertigung statt, es kommt allerdings nicht zu einer Integration des Kundenin die Wertschöpfung im Sinne einer Einflussnahme auf die Produktspezifikation.

Development-to-order

Bei einem development-to-order (auch: engineering-to-order) ist die höchste Formder Wertschöpfungsintegration erreicht. Hier wird der Kunde auch in die Pro-duktentwicklung integriert. Es geht nicht mehr nur um eine Anpassung eines Pro-duktes innerhalb bestimmter Parameter, sondern es erfolgt eine Neukonstruktion, aufderen Basis dann eine individuelle Leistungserstellung erfolgt. Dies entspricht ausKundensicht dem Fall einer klassischen auftragsbezogenen Einzelfertigung, kann aberheute durch Nutzung der Prinzipien der Mass Customization mit der Effizienz erfol-gen, die der einer Massenproduktion entspricht.

Der optimale Punkt der Kundenintegration

Die Festlegung des optimalen Punkts der Kundeninteraktion und damit der Stelle, ander das auftragsneutrale System der Potenzialbereitstellung mit dem kundenauftragsbe-zogenen System der Konfiguration und Potenzialnutzung zusammentrifft, ist eine derwichtigsten Aufgaben bei der Einrichtung eines Mass-Customization-Systems (Anderson1997). Während der erste Teil für die kostengünstige Vorfertigung einzelner Leistungs-bestandteile sorgt, ist das kundenorientierte Segment für ihr Zusammenführen in ein indi-viduelles Endprodukt verantwortlich. Hierbei sind analog der in Abbildung 4–5 genann-ten Formen der Kundenintegration verschiedene Zeitpunke bzw. Orte zu unterscheiden,an denen auftragsbezogene und auftragsneutrale Wertschöpfungsaktivitäten aufeinandertreffen. Die Trennung zwischen dem auftragsneutralen und auftragsbezogenen Teil be-ruht dabei zunächst nicht auf physischen Vorgaben bzw. einer Teilung der Fertigungs-apparatur in zwei Bereiche, sondern ist vielmehr Spiegelbild einer gedanklich-planerischenSplittung der gesamten Wertschöpfungsaufgabe. Die Entscheidung, wo die Trennung be-ginnt, hat eine enge Verwandtschaft mit der Bestimmung des optimalen Vorfertigungsgrads.

Der optimale Vorfertigungsgrad

Die Entscheidung, an welcher Stufe der Kunde in die Wertschöpfung integriert wird,hat wesentliche Auswirkungen auf die Festlegung des optimalen Vorfertigungsgrades

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

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(siehe Definitionskasten). Die Bestimmung des optimalen Vorfertigungsgrads ist einewesentliche Stellgröße zur Definition stabiler Prozesse (Corsten 1998a; Schnäbele1997). Auf der Prozessebene wird die Fertigung in einen kundenunabhängigen, stan-dardisierten Teil und einen kundenspezifischen Teil gesplittet. Während der erste Teilfür die kostengünstige Vorfertigung der einzelnen Komponenten sorgt, ist das kunden-orientierte Segment für deren Montage in ein individuelles Endprodukt verantwort-lich. Diese Zweiteilung ist eine wesentliche Voraussetzung zur Reduktion der Pla-nungs- und Steuerungskomplexität, die mit einer kundenindividuellen Produktionverbunden ist.

Auftragsneutrale und kundenbasierte Vorfertigung

Die gesamte Planungsaufgabe wird in Subsysteme aufgespalten. Diese bestehen auszwei Regelkreisen (Doringer 1991):

Ein kundenauftragsbezogener Regelkreis löst Fertigungsaufträge unmittelbaraufgrund eines konkret zuordenbaren Kundenauftrags aus.

Ein kundenauftragsneutraler Regelkreis steuert Fertigungsaufträge (für Teile,Module, Varianten), die ohne direkten Bezug zu einem Kundenauftrag ausgelöstwerden.

Beide Regelkreise können sehr effizient verbunden werden. Dabei beruht die Trennungdieser Regelkreise zunächst nicht auf physischen Vorgaben bzw. einer Teilung derFertigungsapparatur in zwei Bereiche, sondern ist vielmehr Spiegelbild einer gedank-lich-planerischen Splittung der gesamten Fertigungsaufgabe. Ziel der Zweiteilung sollsein, alle Fertigungsgänge, die kundenauftragsneutral durchgeführt werden könnenund folglich der Produktionsplanung höhere Freiheitsgrade bieten, auch als solche zuplanen. Die Komplexität des Gesamtsystems kann so entscheidend gesenkt werden. DieEntscheidung, wo die Trennung zwischen dem kundenauftragsbezogenen Regelkreis 1und dem auftragsneutralen, “standardisierten” Regelkreis 2 beginnt, entspricht imWesentlichen dem Problem zur Bestimmung des optimalen Vorfertigungsgrads. DieserPunkt (auch als Entkopplungs-, oder Variantenbestimmungspunkt sowie im Englischenals Freeze-, Order-Penetration- und Decoupling-Point bezeichnet) charakterisiert denSchnittpunkt zwischen kundenunabhängiger und auftragsbezogener Fertigung.

Hierbei sind zwei alternative Vorgehensweise zu unterscheiden (Abbildung 4–6): BeiMöglichkeit 1 werden die einzelnen Bauteile und Module eines Produkts bis zum

4.1

211

Produktindividualisierung und Mass Customization

Der Vorfertigungsgrad charakterisiert den Schnittpunkt zwischen kundenunabhängiger undauftragsbezogener Fertigung. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, ab welchem Zeitpunkt“eine Variante zur Variante wird”. Die einzelnen Bauteile und Module eines Produkts werden biszu diesem Punkt auftragsneutral vorgefertigt und auf Lager gelegt. Bei Eingang eines Auftragswerden sie dann entsprechend der gewünschten Auftragsspezifikationen bearbeitet und zumfertigen Produkt zusammengefügt. Ein Vorfertigungsgrad am Anfang des Fertigungsprozesses(“Vorfertigungsgrad von null”) bedeutet, dass alle Bearbeitungsschritte erst bei Auftragseingangbeginnen und auftragsspezifisch vollzogen werden.

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Vorfertigungsgrad auftragsneutral erstellt und auf Lager gelegt. Bei Eingang einesAuftrags werden sie dann entsprechend der gewünschten Auftragsspezifikationenweiterbearbeitet und zum fertigen Produkt zusammengefügt. Je weiter der Vor-fertigungsgrad auf eine spätere Stufe des Fertigungsprozesses verschoben werdenkann, desto größer ist die mögliche Komplexitätsreduktion, da der Umfang der indivi-duellen Leistungen geringer wird. Die Möglichkeit zur Bildung optimaler Losgrößenund Verstetigung der Produktion in der Vorfertigung erlaubt dort den Einsatz effizien-terer Fertigungssysteme. Auch kommt es zu einer Verkürzung der Lieferzeiten, danach Kundenauftrag nur noch wenige individuelle Schritte vollzogen werden müssen(Corsten 1998a; Homburg / Daum 1997; Köster 1998).

Jedoch bedeutet ein hoher Vorfertigungsgrad aus einer logistikorientierten Sichtweiseder gesamten Wertkette stets Verschwendung im Sinne einer Lagerhaltung, die an sichbei einer kundenauftragsgesteuerten Produktion nicht notwendig ist. Lagerkosten undBestandsrisiko sowie die Planungskomplexität auf Komponentenebene können erstdann im Sinne einer echten “Customer-Pull-Strategie” vermieden werden, wenn erstbeim Eingang einer Kundenbestellung die Aufbereitung der Rohstoffe beginnt und dieweiteren Verarbeitungsschritte rein auftragsbezogen durchgeführt werden. Experten-schätzungen nehmen beispielsweise für die Bekleidungsindustrie bis zu 30 ProzentVerschwendung der Wertschöpfung durch fehlproduzierte Stoffe und fertige Produktean.

Hier kann eine Senkung des Vorfertigungsgrads – auch wenn es gängigen Vor-stellungen des Komplexitätsmanagements widerspricht – theoretisch große Potenzialebergen, verbunden jedoch mit einem weit höheren Steuerungs-, Transport- undUmstellungsaufwand. Deshalb wird bei Alternative 2 zwar ein recht hoher Anteil auf-tragsneutraler Arbeitsgänge festgelegt, die Vorproduktion allerdings erst bei Eintreffeneines konkreten Kundenauftrags angestoßen. Damit können Zwischenlagerkosten undBestandsrisiko vermieden werden. Da es sich bei der Vorfertigung nun zwar um auf-

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Abbildung 4–6: Auftragsneutrale und kundenbasierte Vorfertigung

Alternative 1: auftragsneutrale

Vorfertigung

Kundenauftrag

standard. Vorfertigung individuelle Fertigung

Alternative 2: auftragsbasierte

Vorfertigung

Kundenauftrag

Vorfertigungsgrad

Lager Kunde

Kunde

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tragsbedingte, aber inhaltlich stetige und repititive Prozesse handelt, sinkt diePlanungskomplexität entscheidend. Voraussetzung sind allerdings ausreichende Ka-pazitäten in der Vorfertigung sowie eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit desGesamtsystems.

Bestimmung des optimalen Vorfertigungsgrads

Die Wahl des optimalen Vorfertigungsgrads liegt so im Spannungsfeld zwischenStandardisierung und Individualisierung. Gutenberg (1979) spricht deshalb vomVorfertigungsgrad als kritisches Standardisierungs- oder Typisierungsmaß. Ziel ist es,das optimale Verhältnis zwischen standardisierter und individualisierter Leistungs-gestaltung zu finden. Der optimale Integrationsgrad kann sowohl aus Perspektive desKunden als auch des Anbieters betrachtet werden. Aus Anbietersicht wird theoretischanhand der preislichen Präferenzprämie bestimmt, die aufgrund der größerenKundennähe der Leistung erzielt werden kann. Diese Präferenzprämie richtet sichnach dem Maß, mit dem der kundenindividuelle Idealpunkt getroffen wird. Je näherLeistungs- und Idealpunkt beieinander liegen, desto höher ist sie. Die Präferenzprämiewird den damit verbundenen Kosten gegenübergestellt. Das Optimum liegt an demPunkt, an dem die Differenz aus zusätzlichen Erlösen und Kosten am größten ist. Inder Praxis ist dieser Punkt aber leider nur schwer quantifizierbar (Homburg / Weber1996). Als Ersatz werden qualitative Faktoren herangezogen, die beispielsweise mittelseines Punktwertzahlverfahrens beurteilt werden. Mit diesem Verfahren können aufProduzentenseite beispielsweise die folgenden Kriterien mit einer geeignetenGewichtung miteinbezogen werden:

technische Kriterien (z. B. Handlingfähigkeit und Mehrfachverwendbarkeit derModule),

Zwischenlagerkosten vorgefertigter Module,

von den Nachfragern akzeptierte Lieferzeit,

die Prognosegenauigkeit des Komponentenbedarfs,

die Kosten einer Produktionsumstellung.

Diese Aspekte sind aus Sicht der Abnehmer zu ergänzen. Hier sind beispielsweise diefolgenden Einflussfaktoren relevant:

die Erfahrung des Abnehmers mit dem Produkt (Wiederholungskauf, Vorbildung etc.)und damit die Fähigkeit zum Umgang mit einer größeren Komplexität bei Systemenmit sehr frühem Interaktionspunkt,

die Höhe des Risikos eines Fehlkaufs (Umtauschmöglichkeit, Lieferzeit, Beurteilungs-möglichkeit),

der Anteil des Konfigurationsvorganges als Teil der Absatzleistung (Konfiguration alsErlebniseinkauf und Zeitvertreib).

Wie bereits in Kapitel 2 diskutiert, verlangt die interaktive Wertschöpfung vonbeiden Marktpartnern Einsatz. Damit gibt es auch aus Sicht der Kunden einen

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Produktindividualisierung und Mass Customization

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optimalen Integrationsgrad. Ist zur Definition der kundenindividuellen Leistungzu viel Engagement des Kunden erforderlich, kann dieser Aufwand denNutzenzuwachs zunichte machen. Wir werden diesen Aspekt noch in Abschnitt4.4 vertiefen.

4.1.5 Effizienzkriterien interaktiver Wertschöpfung beiProduktindividualisierung

Die vorhergehenden Ausführungen haben gezeigt, dass eine Individual-produktion zusätzlichen Nutzen für die Kunden schafft, der von Anbietern imRahmen einer Differenzierungsstrategie genutzt werden kann. Jedoch stellt dieIntegration der Kunden bei einer Produktindividualisierung im Sinne von MassCustomization auch eine Kostenbelastung dar. Die Ursache sind höhereProduktionskosten durch die auftragsspezifische Fertigung und höhereTransaktionskosten durch den interaktiven Verkaufsprozess. Wir argumentierenaber im Folgenden, dass Kundenintegration nicht nur die Ursache zusätzlicherKosten, sondern zugleich eine Quelle neuer Kostensenkungs- und Erlöspo-tenziale darstellt (siehe Abbildung 4–7 zur Übersicht). Eine Mass-Customization-Strategie ist nur dann erfolgreich, wenn die zusätzlichen Nutzenpotenziale diezusätzlichen Kosten übertreffen, d. h. wenn die interaktive Wertschöpfung dasEffizienzkriterium erfüllt.

Die folgende Argumentation betrachtet dabei zunächst die Kosteneffizienz einerinteraktiven Wertschöpfung durch Produktindividualisierung (Abschnitt 4.2). Wirbetrachten dazu sowohl die zusätzlichen Produktions- und Transaktionskosten alsauch Ansatzpunkte, diese zusätzlichen Kosten wieder auszugleichen. Dabei lassensich systemimmanente und systeminhärente Effekte unterscheiden. ModerneProduktions- und Informationstechnologien können das (monetäre) Ausmaß derzusätzlichen Kosten stark reduzieren, nicht aber die eigentlichen Quellen der Kosten.Systeminhärente Kostensenkungspotenziale einer interaktiven Wertschöpfung durchProduktindividualisierung resultieren aus den Prinzipien der Kundeninteraktionselbst, die über den besseren Zugang zu Bedürfnisinformation (“sticky informa-tion”) helfen, Verschwendung zu vermeiden und die Kundenabhängigkeit zu stei-gern.

Produktindividualisierung hat aber auch positive Wirkungen auf die Erlöse(Absatzeffizienz). Diese beruhen auf einem wahrgenommenen Nutzenzuwachs derAbnehmer durch eine höhere Produktqualität (wiederum auf Basis der Möglichkeit fürden Hersteller, Zugang zur Bedürfnisinformation der Nachfrager zu erlangen), aberauch durch eine positive Wahrnehmung des Interaktionsvorganges in der Co-Design-Phase (Prozessqualität). Beide Faktoren erlauben einem Anbieter preispolitischePotenziale, die Wettbewerbsvorteile einer interaktiven Wertschöpfung widerspiegeln(Abschnitt 4.3).

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4.2 Kosteneffizienz von Individualproduktion

Die Kriterienbetrachtung im letzten Abschnitt hat bereits in die Diskussion neuerKostensenkungspotenziale durch Kundenintegration eingeführt. Treiber für dieKosteneffizienz stehen Treibern für die Absatzeffizienz der Produktindividualisierunggegenüber.

4.2

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Kosteneffizienz von Individualproduktion

Abbildung 4–7: Übersicht der Treiber der Effizienz interaktiver Wertschöpfung beiProduktindividualisierung

Effizienz interaktiver Wertschöpfung durch Produktindividualisierung

Kosteneffizienz Absatzeffizienz

zusätzliche Kosten Kostensenkungspotentiale (Economies of Integration)

Vermeidung von Verschwendung durch besseren "Fit to market"

Reduktion der Akquisekosten durch Steigerung der Abnehmerabhängigkeit

Zusätzl. Kosten in der Produktion

Zusätzl. Kosten der Interaktion

Zusätzl. Kosten im After-Sales-Prozess

Möglichkeit eines Preispremiums

Erhöhung der Produktqualität

Erhöhung der Produktqualität

Besserer Zugang zu "sticky information"

Duray, Rebecca / Ward, Peter T / Milligan, Glenn / Berry, William (2000). Approaches to masscustomization: configurations and empirical validation. Journal of Operations Managements,18 (2000): 605-625

Gilmore, James H. / Pine, B. Joseph II (1997). The four faces of mass customization. HarvardBusiness Review, 75 (1997) 1: 91-101

Kotha, Suresh (1995). Mass customization: implementing the emerging paradigm for compe-titive advantage. Strategic Management Journal, 16 (1995), Special Issue ‘Technological trans-formation and the new competitive landscape’: 21-42

Lampel, Joseph / Mintzberg, Henry (1996). Customizing customization. Sloan ManagementReview, 37 (1996) 1 (Fall): 21-30

Kasten 4–3: Literaturempfehlungen zu den Grundlagen der Produktindividualisierung

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4.2.1 Zusätzliche Kosten durch ProduktindividualisierungEine Individualproduktion verursacht zusätzliche Kosten, die zum einen ausInvestitionen in den Aufbau des Individualisierungspotenzials (Solution Space) resul-tieren (fixe Kosten), und zum anderen im operativen Geschäft anfallen (variableKosten). Wichtig ist dabei eine Betrachtung über alle Wertschöpfungsbereiche hinweg,denn allzu oft werden in der Praxis lediglich die Kosten in der Produktion bedacht.Dabei sind bei vielen Mass Customizern aber vor allem die zusätzlichen Kosten, dieauf die Interaktion mit den Kunden zurückzuführen sind, erfolgskritisch und bedür-fen daher besonderer Aufmerksamkeit. In Anlehnung an eine einfache Unterteilungaller Kosten in Produktions- und Transaktionskosten (Picot 1982) gehört damit dasbesondere Augenmerk im Rahmen unserer Argumentation den Transaktionskosten.Beide Bereiche sollen im Folgenden kurz betrachtet werden. Dabei werden die einzel-nen Kostenblöcke nur sehr knapp vorgestellt. Wichtiger als Anleitungen zurQuantifizierung ist uns die sich ergebende Struktur.

Kostentreiber in der Produktion (Zusatzkosten des Herstellers)

Für die Einrichtung und Planung der Produktion fallen im Vergleich zur klassischenMassenproduktion bei einer Einzelfertigung oftmals höhere Investitionen an. EinMass-Customization-Unternehmen benötigt in der Regel mehrere Universalma-schinen, um die wechselnden Bearbeitungsvorgänge zu bewältigen. Einem homoge-nen Massenfertiger dagegen reicht eine auf hohe Stückzahlen ausgelegteSpezialmaschine, die in der Regel eine höhere Produktivität pro Stück besitzt. In derProduktion gilt die Losgröße als ein wesentlicher Kostentreiber (Reichwald / Dietl1991). Bei einer homogenen Massenproduktion verteilt sich der Aufwand für dieProduktionsplanung und –steuerung sowie das Rüsten der Maschinen auf alle produ-zierten Stücke eines (großen) Loses. Werden nur wenige oder gar nur ein Stück einerProduktvariante gefertigt, kommen diese Degressionserscheinungen nicht zum tragen.Diese Opportunitätskosten entsprechen den verlorenen Effizienzvorteilen einer stan-dardisierten Massenproduktion. Auch heute gibt es keine effizientere Fertigungs-strategie als die klassische Massenproduktion. Für einen bearbeiteten Markt wirdgenau eine Produktversion entwickelt, die dann in Form einer massenhaftenProduktion auf Vorrat produziert wird (Kleinaltenkamp 1995; Knolmayer 1999). Damitgeht die Standardisierung auf Teileebene einher, was wiederum konstante und abge-stimmte Leistungsprozesse ermöglicht (effiziente Fließsysteme). Dabei sind nicht nurdie Produktionsprozesse, sondern auch Kommunikations-, Distributions- und Service-leistungen standardisierbar. Die so zu verwirklichenden Vorteile entsprechen den klas-sischen Kostendegressionseffekten, die bei einer Individualfertigung in der Regel nichterreicht werden können. Geringere Wiederholungsgrade eines Arbeitschritts führenauch zu einer eingeschränkten Wirksamkeit des Lerngesetzes der Produktion. Damitlässt sich nicht nur die Arbeitsproduktivität nicht verbessern, sondern häufig müssenauch höher qualifizierte Arbeitskräfte (mit einer höheren Flexibilität) eingestellt wer-den. Das Resultat sind steigende Arbeits- und damit Herstellkosten.

Allerdings setzt die Idee des “stabilen Lösungsraumes” als Differenzierungsmerkmaleiner Produktindividualisierung durch Mass Customization genau hier an. Eine

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

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Modularisierung von Produkten und Prozessen soll auf der Vorleistungsebene unab-hängig von einer individuellen Leistungserstellung Skaleneffekte verwirklichen (Jiao /Tseng 1996; Sahin 2000). Die Module stellen Gleichteile dar, d. h. sie gehen trotz ihrerstandardisierten Herkunft ohne Veränderung in eine Vielzahl von verschiedenartigenEndprodukten ein (Feitzinger / Lee 1997; van Hoek / Commandeur / Vos 1998). Damitkommt es zu einer kostensenkenden Allokation der Inputfaktoren zur Definition undEntwicklung dieser Komponenten. Zur Sicherstellung dieser Kompatibilität müssendie Teile eine gemeinsame Systemarchitektur besitzen. Die synergetische Nutzung die-ses Potenzials resultiert in Verbundeffekten (Feitzinger / Lee 1997). Diese Kombinationvon Skalen- und Verbundeffekten ist ein wesentliches Kennzeichen von MassCustomization (Piller 2006a).

Dennoch kommt es in der Produktion zu zusätzlichen Kosten, die vor allem in der stei-genden Komplexität des gesamten produktionstechnischen Aufgabenvollzugs begrün-det sind. Ein großes Problem ist dabei oft die Komplexität der Produktionspro-grammplanung. Die Planungskomplexität resultiert aus der Bewältigung derUnsicherheit aufgrund des stochastischen Auftragseingangs sowie der Bereitstellungeiner hohen Lieferbereitschaft und Planungsstabilität zur Vermeidung von Engpässenvor allem in der Montage. In der Durchlauf- und Kapazitätsterminierung steigt dieKomplexität zum einen durch zusätzliche Bearbeitungsschritte, wenn zum Beispiel eingrößeres Bauteil, das bei einer Standardfertigung komplett montiert werden kann, nunin Teilmodule aufgespalten wird, die jeweils einzeln entsprechend der auftragsspezi-fisch durchzuführenden Arbeiten eingeplant werden müssen. Zum anderen steigengenerell durch die Zunahme der einzuplanenden Aufträge die Anzahl undVielschichtigkeit der Planungsläufe, da je nach Spezifikation verschiedene alternativeArbeitsvorgänge berücksichtigt werden müssen (Homburg / Weber 1996).

Während der Bearbeitung selbst führen häufige Produktionsumstellungen zu einerZunahme der Wechselkosten. Diese werden nicht nur durch den Rüstvorgang selbstverursacht (Werkzeugverschleiß, Arbeitsaufwand, Probestücke etc.), sondern enthaltenauch Stillstandskosten während des Werkzeugwechsels und die damit hervorgerufeneMinderauslastung der Fertigungskapazität. Das Ziel, die Wechselkosten durch einegeschickte Reihenfolgeplanung zu minimieren, führt zu einer weiteren Komplexi-tätssteigerung der Terminierungsrechnung. Die genannten Komplexitätssteigerungenin der Produktionsplanung äußern sich kostenseitig vor allem in einer Zunahme derKoordinationskosten (Personalkosten, Nutzung aufwendigerer PPS-Systeme etc.).Jedoch können in der Zukunft flexible Fertigungsverfahren diese Kosten vielleicht ent-scheidend senken. Insbesondere wird derzeit unter dem Stichwort Rapid Manu-facturing eine Technologie diskutiert, die die werkzeuglose Erstellung von Produktenund Komponenten direkt aus einem Datenmodell heraus erlaubt. Kasten 4–4 stellt einBeispiel dieser Technologie vor.

Kostenwirkungen ergeben sich in Hinblick auf die Materialwirtschaft. Eine anonymeVariantenfertigung, die individuelle Kundenwünsche lediglich dadurch erfüllt, dassviele verschiedene Varianten “auf Verdacht” auf Lager produziert werden, führt natür-lich im Vergleich zur Massenfertigung eines Standardprodukts zu steigendenFertigwarenbeständen (und damit Lagerkosten), während eine echte Einzelfertigung

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Kosteneffizienz von Individualproduktion

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auf Bestellung diese Fertigwarenbestände völlig abbauen könnte. Um die Kunden-wünsche schnell zu erfüllen, müssen jedoch bei Mass Customization im Eingangslageranstatt eines Materials in einer bestimmten Qualität mehrere alternative Materialien inverschiedenen Ausprägungen vorgehalten werden, womit es zu einem Anstieg derKosten der Eingangslagerhaltung kommt. Deshalb wird häufig auch eine auftragsspe-zifische Bestellung der Materialien gefordert (optimal aus Sicht der gesamtenWertschöpfungskette wäre natürlich die auftragsspezifische Vorfertigung derMaterialien, siehe Abschnitt 4.1.3). Auch wenn so die Bestandskosten und –risiken sin-ken, steigt der Aufwand im Bestellwesen. Weitere Kosten resultieren aus der Not-wendigkeit flexiblerer und aufwändigerer Transport- und Handlingsysteme, um eingrößeres Teilespektrum verarbeiten zu können. Schließlich erhöht eine Zunahme derMaterialvielfalt auch den Aufwand der Materialverwaltung sowie der Beschaffungs-marktforschung.

Schließlich steigen bei einer kundenindividuellen Produktion auch die Ansprüche unddamit die Kosten der Qualitätskontrolle. Während bei einer Fertigung von Standard-produkten Stichproben genügen, müssen bei einer individualisierten Produktion alleProdukte einer Qualitätsprüfung unterzogen werden, da nicht nur die stetigenFertigungsbedingungen fehlen, die die Voraussetzung einer validen Stichprobe bilden,sondern auch pro Produkt zusätzlich die Einhaltung der Individualisierungswünschedes Kunden geprüft werden muss (nichts ist geschäftsschädigender als eine unpassen-de Maßfertigung).

4Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

(Quelle: Auszug aus dem Artikel “Die Brille aus dem Drucker” von Susanne Donner in Spiegel-Online vom 05. November 2005 [tinyurl.com / r6lzo])

(...) Möglich, dass man sich irgendwann einmal eine neue schicke Sonnenbrille drucken wird,wenn man die alte verlegt hat. Noch sind solche 3D-Druckverfahren zu teuer für denAlltagsgebrauch. Fraunhofer-Forscher in Magdeburg testen aber schon einmal aus, was alles drin-steckt in der Technik. Es kommt selten vor, dass eine neue Technik ausgerechnet die Kreativitätvon Künstlern und Designern bereichert. Die so genannten Rapid-Technologien sind eine dieserseltenen Ausnahmen, denn sie werden dem künstlerischen Wunsch nach Einzigartigkeit einesProduktes gerecht. Schon heute entstehen mithilfe des Verfahrens exklusive Lampen,Sonnenbrillen und Handtaschen - individuell nach Kundenwunsch hergestellt. Nach einer Vorlageim Computer entsteht dabei auf Knopfdruck der gewünschte Gegenstand. Möglich wird dies miteiner Art 3D-Drucker, der das Unikat auf einer festen Unterlage in die Höhe wachsen lässt. Schichtfür Schicht bauen solche Geräte beispielsweise Tassen oder Teller aus Kunststoff oderSchmuckstücke aus Metall auf. “Jahrhundertelang musste der Produkt-Designer darauf Rücksichtnehmen, was in der Fertigung überhaupt technisch machbar ist. Mit den Rapid-Verfahren entfälltdieser Zwang: Jede noch so komplizierte Produktgestalt ist herstellbar”, erläutert Rudolf Meyer vonder Fraunhofer-Allianz Rapid Prototyping in Magdeburg. Mittlerweile lassen sich deshalb vieleDesigner von den Möglichkeiten der neuen Technik beflügeln.

Das Rapid-Unternehmen EOS in Krailling bei München beispielsweise profitiert vom Interesse derKünstler: Hier wird eine Handtasche gefertigt, die nur aus Kunststoffringen von der Größe eines

Kasten 4–4: Mass-Customization-Produktionstechnologie Rapid Manufacturing: DieBrille aus dem Drucker

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Kosten der Interaktion im Wertschöpfungsprozess

Kundenbezogene Wertschöpfung findet im engeren Sinne auf der Informationsebenestatt. Grundlage der Erstellung individueller Produkte und Leistungen ist stets eineInteraktion zwischen Abnehmer und Anbieter im Leistungserstellungsprozess(Hibbard 1999; Ramirez 1999). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Kontaktanbahnung,Verkauf und Bindung der Endkunden als auch in Bezug auf die physischeWarenverteilung. Ein Massen- bzw. Variantenfertiger überträgt diese Aufgaben in derRegel dem Handel. Eine solche Aufgabenteilung ist aber vor allem hinsichtlich einerindividuellen Leistungserstellung unökonomisch. Je komplexer ein Leistungsobjektund der dazu gehörige Spezifikationsprozess ist, desto wichtiger und effizienter wirdaus Transaktionskostensicht die interne Abwicklung der Distributionsfunktion, d. h.bei einer spezifischen, individuellen Leistung ist eine direkte Kommunikation zwi-schen Abnehmer und Hersteller im Sinne eines Direktvertriebs ohne Einschaltung desHandels vorteilhaft (Picot 1986; Schnäbele 1997).

Wir können auch hier wieder die zusätzlichen Kosten von Mass Customization aus denVerlusten der Effizienzvorteile einer Massenproduktion begründen, nun aus Sicht desVertriebs: Aus Transaktionskostensicht beruhen die Potenziale der Standardisierungauf der asymmetrischen Informationsverteilung der Abnehmer über die Eigenschaftenvon Gütern und Leistungen. Gerade bei neuen Produkten machen fehlendeErfahrungswerte eine Beurteilung der Eignung unmöglich, womit das Risiko von

4.2

219

Kosteneffizienz von Individualproduktion

10-Cent-Stückes besteht. Jeder Ring ist mit den jeweiligen Nachbarringen verhakt, so dass aufdiese Weise ein Netz entsteht. “Industriell lässt sich so eine Handtasche gar nicht herstellen undvon Hand müsste man alle Ringe einzeln miteinander verlöten, was wiederum nur mit Metall funk-tionieren würde. Der Kunde wollte aber einen weißen Kunststoff haben”, berichtet Christof Stotko,Marketingleiter der Münchner Firma. Um die Handtasche herzustellen, verteilt die Rapid-Maschinezunächst eine 0,1 Millimeter dünne Schicht Kunststoffpulver auf einer Arbeitsunterlage. EinLaserstrahl bringt das Pulverbett genau dort zum Schmelzen, wo später Kettenglieder entstehensollen. Beim Abkühlen erhärten die geschmolzenen Stellen und werden zu festem Kunststoff. EinRelief aus verschlungenen Ringen ragt nun empor, während ringsum das Pulver liegen bleibt. Istdie erste Schicht auf diese Weise fertig gestellt, geht die Prozedur von vorne los. Es wird eine neuePulverschicht über das Relief der sich herausbildenden Ringe gestreut. Lage um Lage wächst dieHandtasche mit diesem so genannten Laser-Sinter-Verfahren in die Höhe. Nach sieben StundenProduktionszeit ist das Accessoire fertig. “Es ist eher ein exklusives Modeobjekt”, sagt Stotko. (...)

“Mit den Rapid-Verfahren lassen sich die Produkte individualisieren und dem Kunden quasi aufden Leib schneidern. Das ist faszinierend. Aber noch stehen wir hier am Anfang der Entwicklung”,meint Meyer. Denn der schier unbegrenzten gestalterischen Freiheit steht bislang eine begrenzteZahl an Werkstoffen gegenüber. Während der Ingenieur im Maschinenbau oder in derTextilindustrie zwischen tausenden Materialien wählt, verarbeiten die Rapid-Maschinen bis datonur einige Dutzend Spezialwerkstoffe. Neben Kunststoffen können Metall, Papier und Keramik ver-wendet werden. (...) Die Technik hat in den vergangenen Jahren beachtliche Fortschritte gemachtund der Preis für die Geräte ist gefallen. “Vielleicht werden in 5 bis 8 Jahren die ersten Haushalteüber ihren eigenen 3D-Drucker verfügen, wenn die preiswertesten Geräte dann nur einigeTausend Euro statt der heute üblichen 25.000 Euro und mehr kosten”, wagt Meyer einen Blick indie Zukunft.

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Fehlentscheidungen steigt. Eine individuelle Leistungserstellung verstärkt dieseUnsicherheiten drastisch. Bei einer standardisierten Leistung dagegen können poten-zielle Käufer auf bestehendes Wissen über ähnliche Leistungen zurückgreifen.Standards dienen deshalb genauso wie Preise als Informationsträger im Marktprozess,die sowohl Nachfrager als auch Anbieter bei ihrer Informationsgewinnung (Screening)und Informationsübertragung (Signaling) unterstützen. Sie bilden “Verhaltensregeln”der Marktteilnehmer, die zu sinkenden Transaktionskosten führen (Kleinaltenkamp1995). Bei einer Individualisierung der Leistungserstellung können diese Vorteile nichtper se genutzt werden, um den abnehmerseitigen Grad der Unsicherheit zu reduzie-ren. Hierzu bedarf es zusätzlicher Maßnahmen. Damit steigen aber die Informations-und Kommunikationskosten aus Sicht des Herstellers im Vergleich zum Absatz mas-senhafter Waren und Leistungen stark an (Piller et al. 2005):

Steigende Informations- und Kommunikationskosten durch Erhebung derKonfigurationsinformation für jeden Kunden: Hierbei geht es bei weitem nichtnur um die rein funktionale Erhebung der Wünsche, sondern vor allem auch umBeratung der Kunden bei der Formulierung ihrer Wünsche. Zusätzliche Kostenentstehen neben den operativen Kosten bei jedem Kundenkontakt vor allem durchden Aufbau entsprechender Konfigurationssysteme (Technik und Multi-Channel-Integration).

Aufbau von Vertrauen und Risikoreduktion beim Abnehmer: Der Einbezug derKunden in die Wertschöpfung bedeutet für diese nicht nur aktive Mitarbeit, son-dern auch einen Vertrauensvorschuss und zusätzliches Risiko. Hieraus resultiertdie Notwendigkeit von vertrauensstiftenden Maßnahmen und einer ausgeklügel-ten Kommunikationspolitik – beides sind wesentliche Kostentreiber von MassCustomization, die oft unterschätzt werden.

Zusatzkosten für den Kunden

Diese zusätzlichen Kosten lassen sich so auch aus Sicht der Abnehmer beschreiben. Diedirekten Kosten von Mass Customization aus Kundensicht entsprechen demPreispremium, das ein Kunde für ein individuelles Gut im Vergleich zum massenhaf-ten Gut zahlen muss. Doch für die Kunden fallen auch indirekte Kosten an, die ausihrer Beteiligung am interaktiven Wertschöpfungsprozess resultieren. Angesichts derkombinatorisch oft sehr hohen möglichen Variantenzahlen zur Definition einesEndprodukts bei nur einigen Optionen steht der Käufer vor einer sehr komplexenKaufentscheidung im Vergleich zum Kauf eines Standardprodukts (Broekhuizen /Alsem 2002; Dellaert / Stremersch 2005; Franke / Piller 2003; De Meyer, Dutta /Srivastava 2002; Huffman / Kahn 1998; Zipkin 2001). In industriellen Märkten wird erzwar häufig das notwendige Know-how für die Produktdefinition besitzen, jedoch istauch hier der Konfigurationsprozess oft mit großem Aufwand verbunden und führtzum beschriebenen Faktortransfer. Im Konsumgütergeschäft dagegen besitzen dieKunden bei vielen Produkten keine ausreichenden Kenntnisse zur Definition derProduktspezifikation, die ihren Bedürfnissen entspricht. Sie können keinePräferenzreihenfolge zwischen verschiedenen Variationsvorschlägen bilden und dasPreis-/Leistungsverhältnis nicht richtig abschätzen (Baker et al. 2002; Stone / Gronhaug1993). Das Resultat ist nicht nur ein erheblicher Zeitaufwand für die Konfiguration,

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

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sondern auch eine steigende Unsicherheit des Abnehmers, da bei Kaufabschluss dieLeistungserstellung noch nicht erfolgt ist (Dellaert / Stremersch 2005; Ludwig 2000;Huffman / Kahn 1998). Populär bezeichnen Piller at al. (2005) deshalb diese Un-sicherheit bei Mass Customization als “mass confusion”. Diese Probleme lassen sich inzwei wesentliche Treiber indirekter Kosten von Mass Customization aus Kundensichtgliedern (Huffman / Kahn 1998; Liechty / Ramaswamy / Cohen 2001).

“Qual der Wahl” (“burden of choice”): Eine hohe Variantenvielfalt bzw. das An-gebot individualisierbarer Leistungen erhöht die Informationskosten desAbnehmers. Such- und Vergleichsprozesse sind unübersichtlicher, die Transparenzder Angebote ist geringer. Die Marketingforschung hat in vielen Studien gezeigt,dass viele Konsumenten an einer Minimierung der Zeit und des Aufwandes inter-essiert sind, der mit einer Kaufentscheidung verbunden ist. Je geringer derAufwand, desto höher oft auch die Zahlungsbereitschaft (Anderson 1972). EinKaufakt, der zu zeitaufwändig erscheint, wird häufig abgebrochen und das Budgetzu anderen Bereichen verlagert (Babin / Darden / Griffin 1994; Simon 1976). EinProblem von Mass Customization ist in dieser Hinsicht, dass eine zu hohe Anzahlan Optionen die Komplexität aus Kundensicht erhöhen mag. Die Kunden könnendurch die Auswahlmöglichkeiten schier erschlagen werden (Franke / Piller 2004;Huffman / Kahn 1998; Kamali / Loker 2002; Stump, Athaide / Joshi 2002; Wind /Rangaswamy 2001). Jeder, der einmal gezwungen war, aus einer großen Auswahleine Entscheidung zu treffen, kennt diese Situation (man denke an die Speisekarteeines Chinesischen Restaurants mit 500 Positionen). Die Möglichkeit von Menschenzur Verarbeitung von Informationen ist begrenzt (Miller 1956) und kann leicht zueinem “Information Overload” führen (Maes 1994; Neumann 1955). Als Resultatlässt sich in der Praxis beobachten, dass Kunden immer wieder denInteraktionsvorgang bei einem Mass-Customization-Angebot abbrechen und sichdem Standardangebot zuwenden (Dellaert / Stremersch 2005; Hill 2003). DiesesProblem wird dadurch noch verstärkt, dass viele Kunden relativ wenigProduktwissen besitzen und so einfach nicht beurteilen können, welche Varianteihren Bedürfnissen am ehesten entspricht (Huffman / Kahn 1998). Selbst ein einfa-ches Produkt wie ein Paar Jeans kann ein hochkomplexes Gut werden, wenn dieAuswahl des Schnitts, der Farbe, des Garns, der Anzahl von Taschen undGürtelschnallen und des Innenfutters unabhängig voneinander gewählt werdenmüssen

Qualitätsunsicherheiten des Abnehmers entstehen, da er die Leistung ex antenicht überprüfen kann. Dies steht im Gegensatz zu einer Standardisierung komple-xer Leistungen, da hier – selbst wenn die Leistung bei Verkaufsabschluss noch nichtvorliegt – eine Vergleichbarkeit mit anderen Produkten gegeben ist. Insbesonderebei wiederholten Käufen standardisierter Produkte eines Abnehmers bei einemAnbieter wird die Qualitätsunsicherheit stark reduziert (Gersch 1995;Kleinaltenkamp / Marra 1995). Gleichfalls ist die Situation des Abnehmers vonUnsicherheit bezüglich des Verhaltens des Anbieters geprägt. Bedingt durch denkooperativen Charakter der individuellen Leistungserstellung besteht zwischenden Beteiligten eine asymmetrische Informationsverteilung – eine typischePrincipal-Agent-Konstellation. Der Anbieter als Agent trifft Entscheidungen, die

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Kosteneffizienz von Individualproduktion

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nicht nur seinen eigenen Nutzen, sondern auch den des Abnehmers (Principal)beeinflussen. Der Nachfrager weiß nicht, inwieweit der Anbieter bereit und in derLage ist, sein Leistungsversprechen zu halten. Diese Situation ist umso ausgepräg-ter, je neuer und individueller die zu erstellende Leistung ist. StandardisierteProdukte können hier als Signale verstanden werden, die Leistungsfähigkeit desAnbieters zu dokumentieren. Zudem sind sie die Voraussetzung für Garantiever-sprechen des Anbieters (Agenten), die die Unsicherheit des Nachfragers reduzierenkönnen. Ohne einen eindeutigen Anhaltspunkt zur Definition einer optimalenLeistung ist nicht oder nur schwer zu beurteilen, ob ein Garantiefall eingetreten ist.In diesem Sinne tragen Standards dazu bei, die asymmetrische Informations-verteilung und Unsicherheitssituation aus Sicht des Abnehmers stark abzuschwä-chen und individuelle Handlungsspielräume des Anbieters zu mindern. Ebensodienen Produkt-Informationen, Garantien und die Reputation des Anbieters zurVermittlung von Kompetenz und den Aufbau von Vertrauen (Gersch 1995;Hildebrand 1997; Kahn 1998).

Die mit diesen Faktoren verbundenen Unsicherheiten und Faktortransfers können alszusätzliche Kosten des Kunden interpretiert werden, der sich auf eine Leistungs-individualisierung einlässt. Eine der wichtigsten Aufgaben des Anbieters – und darausresultiert ein wesentlicher Kostentreiber – ist dafür zu sorgen, dass einerseits dieserAufwand möglichst gering gehalten wird und andererseits der Nutzen, den der Kundeaus der Individualisierung erfährt, deutlich höher als die von ihm wahrgenommenenMühen bzw. zusätzlichen Kosten der Individualisierung ausfällt. Gerade bei derEinbindung von Konsumenten in den Prozess der Leistungsgestaltung sollte dieIntensität der Integration auf ein für ihn wirtschaftlich wie geistig zu bewältigendesHöchstmaß begrenzt werden. Unternehmen, die ihren Kunden eine größtmöglicheVarietät bieten und gleichzeitig durch geeignete Maßnahmen bei der Auswahl helfen,erlangen einen großen Wettbewerbsvorteil.

Zusatzkosten im After-Sales-Service

Auch in der Nachkaufphase und bei produktbegleitenden Dienstleistungen führt MassCustomization zu steigenden Kosten. Neben Kosten für Garantien und Ge-währleistung können auch Produktschulungen und andere Serviceleistungen aufwän-diger als bei vergleichbaren Massengütern werden. Auch die beste Interaktion kannniemals ausschließen, dass das endgültige Produkt einem Kunden nicht gefällt bzw.seinen Ansprüchen nicht gerecht wird. Aus unserer Sicht ist eine Rücknahmegarantienach dem Prinzip “no questions asked” unabdingbar, um das Vertrauen der Kundenin das System zu gewinnen. Je nachdem, wie gut Anspruch und Wirklichkeit des MassCustomizers beieinander liegen, kann dieses Angebot ebenfalls einen nicht unerheb-lichen Kostenfaktor darstellen.

In der Nachkaufphase kann ein Individualfertiger vor dem Problem einer ausuferndenErsatzteilbevorratung stehen. Für jede vorhandene Leistungsvariante müssenErsatzteile bereitgehalten werden. Auch Leistungen wie beispielsweise Reparaturengestalten sich schwieriger, da jede Variante aufgrund abweichender Ausprägungenunterschiedliche technische Probleme aufwerfen kann, die bei anderen Varianten indieser Art noch nicht aufgetreten sind. Damit verlangsamen sich Lerneffekte beim

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Servicepersonal, die im Bereich von massenhaft produzierten Gütern Kostensen-kungspotenziale eröffnen (Anderson 1997; Mayer 1993). Schließlich sinkt mit zuneh-mender Varietät auch die Möglichkeit, Sekundärdienstleistungen, die aus Marketing-gründen das Produkt begleiten, zu standardisieren. Kann beispielsweise bei Massen-produkten für mehrere Abnehmer gleichzeitig eine Schulung durchgeführt werden, istdies bei Individualprodukten oft nicht möglich. Bei komplexen technischen Produktenkönnen gerade im Industriegüterbereich zusätzliche Kosten für die interne wie exter-ne produktbegleitende Dokumentation anfallen (Stücklisten, Bedienungsanweisun-gen, Schaltpläne etc. ...). In diesem Sinne sind die Prinzipien von Mass Customizationauf die Erstellung dieser Dienstleistungen zu übertragen (siehe z. B. Büttgen / Ludwig1997; Piller / Meier 2001; Reichwald / Piller / Meier 2002).

4.2.2 Neue Kostensenkungspotenziale durchProduktindividualisierung

Wir haben im letzten Abschnitt eine Vielzahl an Treibern zusätzlicher Kosten von MassCustomization beschrieben. Insgesamt gibt es aus Anbietersicht drei Möglichkeiten,diese zusätzlichen Kosten zu decken (Piller / Möslein / Stotko 2004):

Erstens gestattet die Differenzierungswirkung von Mass Customization, höherePreise für ein individuelles Gut zu verlangen. Ursache dieses Preissetzungspoten-zials ist die Wahrnehmung einer höheren Qualität durch die Abnehmer (sieheAbschnitt 4.3).

Zweitens erlauben die Potenziale moderner Produktions- und Informations-technologien, die zusätzlichen Kosten einer Produktindividualisierung durchMass Customization heute im Vergleich zu einer klassischen Einzelfertigung zusenken (siehe dazu ausführlich Piller 2006a). Ebenso soll der Gedanke des stabilenLösungsraumes und der daraus abgeleiteten Forderung nach stabilen Prozessenund Produktarchitekturen (Modularisierung) die Höhe der zusätzlichen Kostenbeschränken. Auch diesen Aspekt haben wir bereits mehrfach angesprochen.

Drittens aber kann die Kundenintegration auch zugleich eine Quelle neuerKostensenkungspotenziale darstellen. Interessanterweise bieten genau die glei-chen Ursachen der Kundenintegration, die für die steigenden Kosten einerEinzelfertigung verantwortlich sind, auch Ansatzpunkte für zusätzliche Kosten-senkungspotenziale, die beim Angebot standardisierter Produkte nicht möglichsind (Piller 2006a; Piller / Möslein / Stotko 2004; Reichwald / Piller 2003).

Economies of Integration

Wir fokussieren die Argumentation in diesem Anschnitt auf den dritten Aspekt. Dieseneuen Kostensenkungspotenziale beruhen auf der Möglichkeit, durch die Integrationder Kunden in die Wertschöpfung des Herstellers besseren Zugang zu Kundenwissenzu erlangen, welches wiederum Effizienz- und Effektivitätssteigerungspotenziale inVertrieb und Fertigung birgt. Diese aus der Kundenintegration per se resultierenden

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Kostensenkungspotenziale bezeichnen wir im Folgenden mit “Economies of Inte-gration”. Sie ergeben sich, wenn ein Unternehmen seine Wertschöpfungsprozessebesonders gekonnt vollzieht. Die Business-Process-Reengineering-Diskussion setzthier ebenso an wie der Lean-Management-Gedanke. Durch eine friktionslose, doppel-te Prozesse und Leerzeiten vermeidende Abwicklung der verschiedenen Schritte derWertkette sollen sowohl Kosten gespart als auch der Kundennutzen erhöht werden.Eine Verbesserung der Informationsbasis der jeweiligen Planungs- und Steuerungs-probleme ist die Basis für eine Verbesserung der Prozesse selbst. Die direkteInteraktion zwischen Hersteller und Kunde stellt hierzu im Vergleich zu einer anony-men Marktfertigung bedeutende Informationspotenziale bereit.

Economies of Integration beruhen auf dem besseren Zugang eines Unternehmens zuWissen und Informationen, die ihren Ursprung in der Domäne des Kunden haben, aberfür eine effiziente Leistungserstellung durch das Unternehmen benötigt werden. DieseInformationen sind, wie wir in Abschnitt 2.4.3.3 diskutiert haben, häufig “sticky”, d. h.nur mit erheblichen Aufwand und Kosten zu transferieren. Die Integration der Kundenin die Wertschöpfung erlaubt nun Herstellern, diese Informationen mit erheblich gerin-gerem Aufwand zu verwenden (wir erinnern noch einmal daran, dass es im Kern nichtdarum geht, diese Information in die Domäne des Herstellers zu transferieren, sondernnur, diese nutzbar zu machen). Besteht dieser Zugang zu Kundeninformation, folgendaraus zwei wesentliche Effekte, die neue Kostensenkungen ermöglichen:

die Reduktion von Verschwendung in der Leistungserstellung und -distributionund

eine erhöhte Effizienz bei der Akquise neuer und bestehender Kunden fürFolgekäufe (Steigerung der Abhängigkeit der Abnehmer und damit potenziell derKundenloyalität). Es sei an dieser Stelle bereits betont, dass Economies ofIntegration keinen Automatismus, sondern lediglich Potenziale darstellen, die voneinem einzelnen Anbieter umgesetzt und realisiert werden müssen.

Vermeidung von Verschwendung durch besseren “Fit-to-Market”

Wesentliches Ziel von Kundenintegration ist die Gewinnung eines genauerenVerständnisses des Marktumfeldes, also heutiger wie künftiger Kundenwünsche. Diesgilt insbesondere dann, wenn diese Information nicht direkt vom Kunden erfragt wer-den kann. “Meistens sind die Kunden, selbst im Business-to-Business-Markt, nicht inder Lage, ihre Bedürfnisse und ihre Erwartungen vollumfänglich zum Ausdruck zubringen” (Boutellier / Schuh / Seghezzi 1997: 52). Homburg konnte in einer empiri-schen Untersuchung zeigen, dass kundennahe Unternehmen eine bessere Effizienz beider Allokation von Forschungs- und Entwicklungsressourcen haben, sie forschen nicht“am Markt vorbei” (Homburg 1995: 203). Aggregation und Vergleich derInformationen, die ein Unternehmen über seine verschiedenen Kunden gewonnen hat,bewirken, dass das Kundenverhalten transparent wird. Dies erlaubt eine zielgerichte-te und effizientere Marktbearbeitung (siehe auch noch mal die sehr ähnlicheDiskussion in Zusammenhang mit Open Innovation in Abschnitt 3.4.3).

Als Folge ergeben sich Kostensenkungen, wenn durch die Kundenintegration früherbekannt wird, welche Produktspezifikation die Kunden wann benötigen werden.

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Dieses Wissen wirkt kostensenkend, wenn die Zulieferkette entsprechend optimiertund Über- und Unterbestände auf Komponentenebene – d. h. Verschwendung – ver-mieden werden können. Eine kundenindividuelle Leistungserstellung kann hier eineReihe von Vorteilen verwirklichen, die über Präferenz-/Differenzierungsvorteile hin-ausgehen und aus einer gesteigerten Effizienz der Leistungserstellung resultieren. Diedirekte Interaktion zwischen Hersteller und Kunde stellt hierzu im Vergleich zu eineranonymen Marktfertigung bedeutende Informationspotenziale bereit.

Die “on-demand”-Strategie von Mass Customization vermeidet Fehlprognosen aufEndproduktebene ebenso wie hohe Distributionslagerkosten. Produktionsseitig kannsich die Lagerhaltung auf Rohmaterialien und Bauteile beschränken, die zudem teil-weise noch auftragsbezogen beschafft werden können. Der Abbau von Fertig-warenbeständen kann die Bestandskosten drastisch reduzieren – bei gleichzeitig stei-gender Planungssicherheit. Auch entfallen Abschriften auf überschüssige Produktedurch Modellwechsel. Da ein Mass Customizer keine nur auf Verdacht eines mög-lichen Kundeninteresses produzierte Ware auf Lager hält, muss das Kundeninteresseauch nicht künstlich durch z. T. hohe Preisnachlässe geweckt werden. Betrachtet mandie Tatsache, dass in der Textilindustrie viele Händler lediglich 50 bis 60 Prozent ihrerWaren zum vollen Preis absetzen können, kann die Abschaffung der daraus folgendenPreisnachlässe aufgrund der rein kundenindividuellen Produktion für den Rest derWare ein wesentlicher Beitrag für höhere Margen sein (siehe dazu die Fallstudie inAbschnitt 5.5). So können die Preise gesenkt werden, oder es steht ein höhererSpielraum zur Verfügung, die aus der Individualisierung resultierenden zusätzlichenKosten zu decken (Feitzinger / Lee 1997, Schnäbele 1997).

Auch in anderen, dynamischen und von einer heterogenen Nachfrage gekennzeichne-ten Märkten herrschen bei einem Angebot vorgefertigter Produkte hohe Anpassungs-kosten, die sich beispielsweise in hohen Sicherheitsbeständen, Lieferausfällen auf-grund von Fehlplanungen, kurzfristigen Produktionsumstellungen oder einer erhöh-ten Planungskomplexität äußern. Die Fertigung individueller Leistungsvarianten kannhier aus einer aggregierten Sicht die Anpassungskosten so weit senken, dass eine even-tuelle Steigerung der Produktions- und Transaktionskosten überkompensiert wird.Weiterhin kann es zum Abbau von Fixkostenblöcken (Leerkosten) kommen, diedurch die Notwendigkeit einer hohen Leistungs- und Flexibilitätsbereitschaft alsReaktionsmöglichkeit auf eine schnelle Anpassung an die Markterfordernisse entstan-den sind. Auch diese Erhöhung der Kapazitätsauslastung bzw. Verringerung vonLeerkapazitäten durch die Reduktion von Unsicherheiten trägt zu einer Zunahme derEffizienz bei.

Hintergrund der Diskussion ist der in vielen Branchen weit verbreitete Ansatz, einenso genannten Vorfertigungsgrad oder Entkopplungspunkt zu bestimmen. Im Rahmeneiner solchen Postponement-Strategie werden Komponenten und Teile, die in einemGroßteil der Aufträge benötigt werden, vorgefertigt, um aktuelle Kundenaufträgedann schneller bedienen zu können. Wie bereits in Abschnitt 4.1.3 diskutiert, entstehendurch die Entkopplung der Wertschöpfungskette in einen auftragsspezifischen undeinen auftragsneutralen Teil Kostenvorteile, wenn wesentliche Wertschöpfungsstufenerst dann betrieben werden, sobald ein konkreter Kundenauftrag vorliegt, zugleich

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aber eine schnelle Reaktionsfähigkeit durch die Vorfertigung sichergestellt ist (Lee /Tang 1997; Rudberg / Wikner 2004; Salvador / Forza 2004; Su / Chang / Ferguson 2005).Ebenso können trotz individueller Endproduktee Skaleneffekte während der Vor-produktion der standardisierten Komponenten gesichert werden. Die Verzögerung derendgültigen Spezifikation kann sich dabei auf Auslegungs-, Zeit- und Ortsaspektebeziehen. Die Potenziale zur Kostensenkung, die sich aus einer Entkopplung derWertschöpfungskette ergeben können, stehen in enger Korrelation zur Wahl derWertschöpfungsstufe, auf der die Kunden integriert werden. Eine tiefe Integration derKunden bis hinein in die Produktentwicklung (“development-to-order”) erlaubt einestärkere Entkopplung der Wertschöpfung.

Wesentliche Voraussetzung jedoch, um die potenziellen Vorteile einer Postponement-Strategie zu verwirklichen, ist die Fähigkeit des Anbieters, die vorzufertigendenKomponenten in der richtigen Menge und Spezifität bereitzuhalten. Kostensenkungenkönnen sich nur dann ergeben, wenn Über- und Unterbestände auf Kompo-nentenebene vermieden werden. Kundenwissen, das während des Konfigurations-vorgangs gesammelt wird, stellt ein wesentliches Optimierungspotenzial dar. DasErgebnis der Kundeninteraktion im Vertrieb wird nicht nur als Input für den auftrags-spezifischen Produktionsprozess genutzt, sondern stellt auch wesentliche Infor-mationen bereit, die auftragsneutralen Prozesse marktbezogen auszurichten. Eine wei-tere Option der Kundenintegration ist, im Rahmen eines modularen Produktaufbausauch Wertschöpfungsaktivitäten aus der Produktion auf den Kunden zu übertragen.Unter dem Begriff “embedded configuration” wird beispielsweise die Entwicklungvon Komponenten beschrieben, die eine eingebaute Flexibilität besitzen. Die Kundenkönnen damit gewisse Wertschöpfungsschritte selbst übernehmen, indem sie z. B.Module zur länderspezifischen Anpassung eines Produktes selbst montieren. DieseVerlagerung von Anpassungs- oder Konfigurationsschritten auf den Kunden sollte zuweiteren Kostensenkungspotenzialen beim Hersteller führen.

Reduktion der Akquisekosten durch Steigerung der Kundenbindung: Wechselkos-ten

Die Interaktion mit den Kunden bietet auch Möglichkeiten zur Steigerung der Kunden-loyalität. Geht man davon aus, dass sich Kundenbindung in steigenden Umsätzen proKunde ausdrückt, benötigen Unternehmen mit hohem Bindungsgrad wenigerAbnehmer als Unternehmen mit geringerer Kundennähe, um ein bestimmtesUmsatzziel zu erreichen (Stotko 2002). Wird die Zahl der Kunden als “Kostentreiber”im Sinne der Prozesskostenrechnung interpretiert, kann eine hohe Kundenbindungneben den Transaktionskosten auch die Marketingkosten senken und Streuverluste eli-minieren (Schnäbele 1997; Vandermerwe 1999, 2000). Ein Kunde kann mehrfach fürverschiedene Produkte “genutzt” werden, ohne dass dabei neue Akquisitionskostenanfallen. Die damit verbundenen Kostensenkungspotenziale tragen ebenfalls zurVerwirklichung von Economies of Integration bei.

Ansatzpunkt hierzu ist insbesondere die Leistungskonfiguration eines ersten Auftrags.Die dabei erlangten Informationen über einen Kunden lassen bei einem Wieder-holauftrag sowohl eine schnellere/einfachere als auch eine inhaltlich verbesserteLeistungsspezifikation zu. Damit wird eine bedeutende Markteintrittsbarriere gegenü-

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ber neuen Wettbewerbern aufgebaut, die diese Informationen nicht besitzen.Beispielsweise kann ein Hersteller von Maßkonfektion einem Kunden, der bereitseinen Anzug bestellt hat, dazu passende Hemden anbieten. Der größte Kostenblock inder Kundenbeziehung, der Interaktionsprozess, reduziert sich bei diesemWiederholungskauf stark, da die Maße des Kunden bereits weitgehend aus demErstkauf bekannt sind. So können bei Vorliegen der Maßdaten Wiederholungskäufeeinfach z. B. über das Internet abgewickelt werden. Kombiniert mit dem Wissen, wasder Kunde bereits gekauft hat und wo seine Vorlieben liegen, können dabei auchVorschläge für weitere Einkäufe unterbreitet werden.

Eine Folge interaktiver Wertschöpfung und Kundenintegration ist der Aufbau vonWechselhürden, die dazu beitragen können, die Kundenbindung zu erhöhen. Dieseresultieren primär aus Wechselkosten, Opportunitätskosten und “Sunk-Costs”, diedem Kunden beim Wechsel einer Lieferantenbeziehung entstehen würden (Jackson1985; Riemer / Totz 2003, Riemer und Totz 2003) sehen eine generelle Erhöhung dieserWechselhürden aus Kundensicht durch das Angebot individualisierter Produkte.Beispielsweise erhöhen sich die “Direct Costs of Switching”, da ein anderer Anbieterindividueller Produkte schwieriger zu finden ist als ein Anbieter von Normteilen. DieOpportunitätskosten sind bei der Nachfrage nach individualisierten Produkten daherhoch, da der Kunde Vorteile aus dem Bezug individualisierter Produkte ziehen kann.“Sunk Costs” aus Sicht des Abnehmers lassen sich nach Jackson (1985) als “invest-ments in procedures” beschreiben. Derartige “procedures” sind beispielsweise dieInvestitionen des Kunden zur Integration in die Wertschöpfungskette des Anbieterswie Investitionen in Kommunikationswege (z. B. EDI-Verbindungen), der Aufbau vonQualifikation beim eigenen Personals zum Umgang mit Produktkonfigurations-werkzeugen eines bestimmten Anbieters oder die Ausrichtung der eigenen Prozessab-läufe (z. B. im Bereich der Fabrikplanung) auf einen speziellen Anbieter.

Kundenintegration kann somit in Verbindung mit dem Angebot individualisierterProdukte einen wirkungsvollen Hebel bieten, Wechselkosten für den Kunden aufzu-bauen. Einerseits trägt die individualisierte Problemlösungskompetenz dazu bei, dassder Kunde “freiwillig” dem Anbieter treu bleibt, da ihm die individuelle Lösung höhe-ren Nutzen stiftet. Andererseits erhöht eine individualisierte Leistung dieAbhängigkeit des Abnehmers, da dieser bereits als Folge seiner Integration in dieLeistungserstellung des Anbieters spezifische Investitionen getätigt hat. Mit der per-sönliche Interaktion zwischen Hersteller und jedem einzelnen Kunden, die zurLeistungskonfiguration zwingend notwendig ist und bei einer massenhaften Fertigungnicht stattfindet, kann der Grundstein einer langfristigen Kundenbeziehung gelegtwerden. Aufgabe des Herstellers ist es, die während der Interaktion gewonnenenInformationen folgegeschäfts- und gewinnbringend einzusetzen (Kotha 1995; Piller1998, 2001; Pine / Peppers / Rogers 1995; Schnäbele 1997). Ein Käufer vermittelt(“lehrt”) dem Mass Customizer viele Informationen über sich, sei es explizit durchAngabe seiner Wünsche oder implizit durch die Möglichkeit für den Anbieter, denKundenkontakt auszuwerten. Der Anbieter lernt nicht nur die Vorlieben seinerKunden kennen, sondern kann dieses Wissen verwenden, um weiteren Kundennutzenzu stiften. Peppers und Rogers (1997) sprechen deshalb bei dieser Verbindung ausMass Customization und individuellem Beziehungsmarketing von “Learning

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Relationships”, die im Zeitablauf wachsen, tiefer und intelligenter werden (siehe auchPine / Peppers / Rogers 1995; Piller 1998).

Learning Relationships entstehen wie folgt (siehe Abbildung 4–8): Je mehr ein Kundedem Hersteller während des Integrationsprozesses über seine Vorlieben, Abneigungenund Spezifikationswünsche erzählt, desto eher kann bereits beim ersten Kauf einProdukt gefertigt werden, das den Wünschen des Kunden entspricht. Speichert derHersteller nun diese Kundenwünsche, weiß er auch bei zukünftigen Interaktionen, wasder Kunde wünscht und bevorzugt. Diese Informationen bilden dann eine effizienteBasis für die schnellere und einfachere Vornahme der Integration (im Rahmen derKonfiguration). Ergänzt das Unternehmen diese Informationen noch um Wissen überden Kunden, das während des Produktgebrauchs entsteht, kann das Unternehmen beieinem Wiederholauftrag auf verfeinertes und verbessertes Wissen über den jeweiligenKunden zurückgreifen, was sowohl eine schnellere/einfachere als auch eine inhaltlichverbesserte Formulierung der Leistungsspezifikation zulässt. Bei jedem zusätzlichenKauf wird dieses Wissen weiter verfeinert, es kommt zu einem kontinuierlichen “Fine-Tuning”. Ebenso erlaubt der Aufbau dieses Wissens beispielsweise, dem Abnehmernach Ablauf der durchschnittlichen Verbrauchszeit des Produkts automatisch einAngebot zum Nachkauf zukommen zu lassen.

4Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Abbildung 4–8: Aufbau von “Learning Relationships” (entnommen aus Piller 2006a inAnlehnung an Hausruckinger / Wunderlich 1997)

Wiederholauftrag

Verbesserung und Feintuning der

Leistungs-spezifikation

KundenfeedbackReaktionsdaten

Auftrags-ausführung

permanente Optimierung

SpeicherungKundendaten/

Leistungs-spezifikation

Unternehmen u. Kunde erarbeiten

Leistungs-spezifikation

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Kosteneffizienz von Individualproduktion

Abbildung 4–9: Qualitativer Vergleich der Wertschöpfungsmodelle in Bezug auf wesentlicheKostenarten (in Anlehnung an Reichwald 2004b)

Kostenvorteil des Wertschöpfungsmodellsbezogen auf jeweilige Kostenart

konventionelle variantenreiche Serienfertigung

Produktindividualisierung durch Mass CustomizationPPS-Kosten

Kostenart

Kundeninteraktionskosten

(Fehl-) Entwicklungskosten

Anlauf- und Änderungskosten

Abschreibungen Endprodukte

Lagerhaltungskosten

Kapitalbindung Maschinen

- Kostennachteil des Wertschöpfungsmodellsbezogen auf jeweilige Kostenart

Kostenvorteile basieren

auf

Economies of Scale

Economies of Scope

Kostenvorteile insb. durch

„Economiesof

Integration“

-

-

+

-

+

+

+

+

-

-

+

-

+

-

-

-

+

+

Material-/ Fertigungskosten

Logistikkosten

Adaptionskosten

+

Vorteil Nachteil… des Wertschöpfungsmodells bezogen auf jeweilige Kostenart

Wertschöpfungs-Kostenart modell

Kundeninteraktionskosten

(Fehl-) Entwicklungskosten

Anlauf- und Änderungskosten

Abschreibungen Endprodukte

Lagerhaltungskosten

Kapitalbindung Maschinen

Material-/ Fertigungskosten

Logistikkosten

Adaptionskosten

Variantenreiche Serienfertigung

klass. individuelle Einzelfertigung

Individualisierung mit Mass Customization

Wertschöpfungs-Kostenart modell

Kundeninteraktionskosten

(Fehl-) Entwicklungskosten

Anlauf- und Änderungskosten

Abschreibungen Endprodukte

Lagerhaltungskosten

Kapitalbindung Maschinen

Material-/ Fertigungskosten

Logistikkosten

Adaptionskosten

Variantenreiche Serienfertigung

klass. individuelle Einzelfertigung

Individualisierung mit Mass Customization

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Learning Relationships steigern den Erlös pro Kunde, da sie über den eigentlichenProduktnutzen hinaus Kaufentscheidung und -prozess vereinfachen und so denKunden bei Wiederholungskäufen wieder das Unternehmen wählen lassen. Sie bildeneinen einschneidenden Schutz gegen neue Konkurrenten. Warum sollte ein Kunde zueinem Wettbewerber wechseln, selbst wenn dieser ein technisch/funktional gleichwer-tiges individuelles Produkt liefern kann, wenn ein anderes Unternehmen bereits all dasweiß, was für die Erbringung der Leistung notwendig ist? Ein neuer Anbieter mussdieses Wissen erst wieder mühsam erfragen. Ebenso hat aber auch der Kunde nunErfahrungen und Lernkurveneffekte zur Abwicklung seiner Integration in die Leis-tungserstellung gesammelt.

Gesamtsicht der Kosteneffizienz interaktiver Wertschöpfung

Die bisherige Argumentation zusammenfassend strukturiert Abbildung 4–9 diekostenbezogenen Effekte und vergleicht dabei prototypisch die Ausprägungen der ver-schiedenen Kostenarten, die wir in den vorangehenden Abschnitten angesprochenhaben, bei den drei Wertschöpfungsmodellen klassische variantenreiche Serienfer-tigung “auf Verdacht” (Vorproduktion der Güter “made-to-stock”), klassische indivi-duelle Einzelfertigung sowie Produktindividualisierung nach dem Mass-Customi-zation-Prinzip.

4.3 Markteffizienz von IndividualproduktionDas Wesen der Produktindividualisierung, den Idealpunkt der verschiedenen Kundenmöglichst genau zu treffen, ist die Grundlage zur Verwirklichung ihres Differen-zierungsvorteils. Ziel einer Differenzierungsstrategie ist generell, den Kundennutzendurch eine überlegende Qualität im weitesten Sinne als wettbewerbsentscheidenesMerkmal einer angebotenen Leistung herauszustellen (siehe auch Abschnitt 2.4.5). DerNutzen bezieht sicht dabei meist nicht auf die Leistung als Ganzes, sondern auf eineEigenschaft, die alle Abnehmer als wichtig oder besonders bemerkenswert erachten.Bei einer erfolgreichen Differenzierung darf kein anderer Wettbewerber (in derWahrnehmung der Zielgruppe) diese Eigenschaft besser erfüllen als der Anbieter, derso den Status eines Quasi-Monopolisten erlangt und damit Preiszuschläge erzielenkann, die über den Grenzkosten zur Erstellung der Leistung liegen. Gutenberg (1984)bezeichnet diese Fähigkeit eines Unternehmens, besondere Präferenzen der Abnehmerfür bestimmte Produkte zu schaffen, als “akquisitorisches Potenzial”. Daraus folgt fürden Anbieter ein Preissetzungsspielraum, da er den Preis seiner Leistung über denPreis eines konkurrierenden Produkts setzen kann, ohne sofort jegliche Nachfrage zuverlieren. Dieser Preiszuschlag entspricht bei einer Produktindividualisierung ausSicht des Kunden dem Nutzenzuwachs im Vergleich zum Kauf und Gebrauch einesmassenhaft hergestellten Gutes. Wenn wir diesen Nutzenzuwachs etwas genauerbetrachten, können wir zwei wesentliche Treiber ausmachen (Ihl et al. 2006; Piller2006b): eine Steigerung der wahrgenommenen Produktqualität, aber auch Nutzendurch den Interaktionsprozess beim Bezug des individuellen Gutes selbst, ausge-drückt als Prozessqualität.

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4.3.1 Einfluss auf die ProduktqualitätEine Produktindividualisierung beeinflusst die wahrgenommene Produktqualitätsowohl in Bezug auf die funktionalen Eigenschaften eines Produkts als auch inHinblick auf emotionale Faktoren, die ein Nutzer mit einem Produkt verbindet, z. B.Neuheitswert, Status oder Originalität. Die Literatur spricht in diesem Zusammenhangvon ergonomischen und hedonistischen Eigenschaften eines Produktes (Hassenzahl2001). Dabei bezieht sich die ergonomische Qualität auf den Gebrauch einesProduktes und ist eng an die Aufgabe und die mit dem Produkt verbundenen Zielegeknüpft. Hier setzt der Kernnutzen einer Individualisierung an, der Nutzenzuwachsdurch die bessere Übereinstimmung der Leistung mit spezifischen Bedürfnissen einesKunden (Homburg / Giering / Hentschel 1999). Folge ist aus Sicht der Kunden zu-nächst die Reduktion der Unsicherheit im Vergleich zu einem vorgefertigten Gut – wiezu Beginn dieses Kapitels mit dem Idealpunktmodell erklärt (siehe Abschnitt 4.1).Auch reduzieren sich die Suchkosten, die bei einer klassischen Variantenproduktionfür den Abnehmer aus der Suche nach der richtigen Lösung aus der Menge allerAngebote resultieren.

Wie in Abschnitt 4.1 erwähnt, kann die ergonomische Produktqualität beiIndividualisierung an den Maßen des Abnehmers (Passform, z. B. Kleidung nach Maß,Höhe von Apparaturen, Verpackungsgröße), der Funktionalität des Produkts (z. B.Dämpfung eines Sportschuhs, Bespannung eines Tennisschlägers, Schnittstellen einesPC) und an der gustativen bzw. visuellen Wahrnehmung (ästhetisches Design,Farbwahl, Geschmack) ansetzen (Piller / Stotko 2003). Kann ein Abnehmer eine odermehrere dieser Eigenschaften genau an seine spezifischen Wünsche anpassen, solltendie wahrgenommene Produktqualität und so die Produktzufriedenheit entsprechendsteigen. Dieser Effekt ist umso größer, je heterogener sich die Wünsche der Kunden inBezug auf die Produkteigenschaften verteilen, d. h. je schwieriger es für einenHersteller ist, durch wenige Standardvarianten eines Produktes alle gewünschtenEigenschaftsbündel des angestrebten Marktsegments abzubilden (Broekhuizen /Alsem 2002). Wie wir in Abschnitt 2.2.3 gesehen haben, scheint dieser Zustand heutein vielen Märkten immer mehr Norm als Ausnahme zu sein.

Im Gegensatz zur ergonomischen Qualität betreffen hedonistische Aspekte die nicht-aufgabenbezogenen Eigenschaften eines Produkts (Hassenzahl 2001). IndividuelleProdukte könnten hedonistische Attribute wie den Wunsch nach Einmaligkeit(Opernballeffekt, d. h. kein anderer Kunde soll die gleiche Ausprägung des Produktsbesitzen; siehe auch Tepper / Bearden / Hunter 2001), nach Abwechslung (“Variety-Seeking”, Kahn 1995) oder nach dem sozialen Status, der mit einem maßgeschneider-ten Produkt verbunden ist, erfüllen und damit zur Zufriedenheit des Kunden beitra-gen. Nach ersten empirischen Studien in diesem Bereich (Blaho 2001; Ihl et al. 2006;Franke / Piller 2004; Schreier 2004) können hedonistische Eigenschaften bei manchenKonsumgüterbereichen aus Kundensicht ebenso wichtig wie die ergonomischenEigenschaften werden. Beispiele sind Imageeffekte durch individuelle Produkte (Snob-Effekt) gegenüber Mitbürgern, Befriedigung des Umweltbewusstseins durch passendeProdukte und weniger Verschwendung oder die Verfügbarkeit eines originellenGeschenkartikels. Diese Ansatzpunkte, die ebenfalls zur Differenzierung eines indivi-

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duellen Angebots von massenhaften Produkten beitragen, gehen eng mit demNutzenzuwachs einher, der durch den Interaktionsvorgang selbst generiert wird.

4.3.2 Einfluss auf die ProzessqualitätBetrachtet man Co-Design-Prozesse im Kontext von Mass Customization genauer,dann scheint zusätzlich die Frage interessant, ob ein Co-Design-Prozess vom Kundennur als notwendiger Vorgang angesehen wird, um ein individuelles Produkt zu erhal-ten, oder ob dieser Prozess auch eine differenzierende positive Wirkung hat, weil z. B.die Gestaltung des individuellen Produktes besonderen Spaß macht. Dieser Aspektknüpft an die Diskussion von “hedonic and utilitarian shopping value” nach Babin,Darden und Griffin (1994) an. Die Aufwandskomponente von Co-Design wird in derLiteratur oft als ein Faktor für die Grenzen der Produktindividualisierung angeführt(Huffman / Kahn 1998; Zipkin 2001; Dellaert / Stremersch 2005; Piller et al. 2005). Mass-Customization-Käufe können (heute noch) als High-Involvement-Käufe gesehen wer-den, bei denen die Kunden relativ viel Zeit und Aufwand investieren müssen. Die mitdiesen Faktoren verbundenen Kosten können als zusätzliche Transaktionskosten einesKunden interpretiert werden, der sich auf eine Leistungsindividualisierung einlässt(siehe Abschnitt 4.2.1).

Jedoch können Einkaufsprozesse neben diesen Kosten auch eine positive (hedonisti-sche) Erlebniskomponente beinhalten. Die bereits angesprochene positive Wirkungeines als qualitativ hochwertig wahrgenommenen Co-Design-Prozesses indiziertbereits die Bedeutung dieser Komponente. Der Co-Design-Prozess könnte von denKunden nicht nur als Mittel zum Zweck (individuelles Produkt) gesehen werden, son-dern selbst einen symbolischen Wert besitzen. Schreier (2004) nennt beispielsweise den“pride-of-authorship”-Effekt. Für die Kunden könnte die Begeisterung, etwas selbstgeschaffen zu haben, schon allein wertstiftend sein. Hinzu kommt das Gefühl, etwasEinmaliges oder Einzigartiges geschaffen zu haben. Neben dieser Begeisterung könn-ten Mass-Customization-Kunden auch den Abschluss des Co-Design-Prozesses alsErfüllung eines anspruchsvollen und kreativen Schaffensakts ansehen, der schon alleinNutzen stiftet (Lakhani / Wolf 2005). Diese Faktoren bilden den hedonistischen Wertder Prozessqualität. Die Berücksichtigung von sowohl aufwandsbezogenen als auchhedonistischen Eindrücken ist eine wichtige Basis für die Gestaltung derInteraktionsprozesse für ein Mass-Customization-Angebot (siehe Abschnitt 4.4).

4.3.3 Preispolitische PotenzialeDie Gesamtheit des so wahrgenommenen Nutzens macht die Einmaligkeit von Mass-Customization aus. In der Theorie kann ein Hersteller, der sich diesenHandlungsspielraum sichert, ungeachtet eines geltenden Marktpreises den Preis fürsein Produkt weitgehend autonom festlegen, und zwar ausgerichtet am jeweiligenNutzen eines Produkts für einen Abnehmer. Grundlegend hat Chamberlin (1962; ersteAuflage 1933) die Wettbewerbswirkungen der Differenzierung untersucht. In seiner

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“theory of monopolistic competition” hebt er die Prämisse homogener Güter auf,womit zwangsläufig Präferenzen auf Seiten der Nachfrager für einzelne Anbieter ent-stehen. Damit ist es einem Anbieter möglich, in gewissen Grenzen eine Monopol-stellung zu erlangen, indem er sein Angebot von den Wettbewerbern abhebt (Franke /Piller 2004 weisen diesen Effekt in einer empirischen Studie nach).

Idealvorstellung ist dabei die bereits von Pigou (1920) als “Preisdifferenzierung erstenGrades” bezeichnete Festlegung eines individuellen Preises für jeden Abnehmer indem Maße, dass die gesamte Konsumentenrente dieses Kunden abgeschöpft wird(unter der Annahme, dass dabei mindestens die variablen Kosten des Unternehmenserfüllt sind). Die Konsumentenrente entspricht dem Differenzbetrag zwischen derZahlungsbereitschaft eines Abnehmers und dem Preis, den dieser für das Produktbezahlt. Ziel ist es damit, genau die Zahlungsbereitschaft eines Kunden abzugreifen.Diese Option wird oft als unrealistisch und “unfair” eingestuft. Wenn einePreisdifferenzierung sich aber nicht auf gleiche, sondern unterschiedliche, individuel-le Produkte bezieht, sieht die Situation schon anders aus. Eine Individualisierung derPreise kann dann eine Individualisierung der Produkte begleiten (Skiera 2003).

Jedoch ist die Wirklichkeit nicht ganz so einfach: Der Kundennutzen ist zwar einIndikator für den maximal möglichen Preis – spiegelt aber nicht den optimalenAbsatzpreis wider. Zwar sinkt mit der Individualisierung innerhalb gewisser Grenzendie Preiselastizität der Nachfrage, aber in der Praxis ist der Preisspielraum oft gering.Es besteht eine Obergrenze, ab der die potenziellen Abnehmer nicht mehr bereit sind,den aus der Attraktivität der Leistung resultierenden Mehrpreis zu honorieren, undauf billigere Konkurrenzprodukte ausweichen, auch wenn diese ihren Anforderungennicht genau entsprechen (der Fall entspricht der “doppelt geknickten Preis-Absatz-Funktion” von Gutenberg 1984: 245-251). Zudem müsste ein Anbieter, der denPreisspielraum einer individuellen Leistungserstellung entsprechend der Theorie aus-nutzen möchte, nicht nur die Wünsche jedes Kunden erheben und in individuelleProdukte umsetzen, sondern darüber hinaus den Wert der Individualisierung(Nutzenzuwachs beim Kunden durch individuelle Leistung) messen können – was dieKenntnis der Preissensibilität aller Kunden voraussetzt (Mayer 1993). Eine Ausnahmebieten Informationsgüter und viele “rein virtuellen Produkte” im Internet, wo tatsäch-lich eine echte Preisdiskriminierung möglich erscheint (siehe z. B. Smith / Bailey /Brynjolfsson 2000; Skiera 1998; Skiera / Spann 2000).

Deshalb wird in der Praxis bei einer Leistungsindividualisierung meist kein indivi-dueller Preis pro Abnehmer bestimmt, sondern entweder ein einheitlicher Preis gefor-dert oder aber das Entgelt anhand eines klar strukturierten und durchschaubarenPreisbaukastens an die gelieferte Leistung angepasst. Bei dieser Individualisierungder Entgeltgestaltung ist der Kunde selbst und bewusst für die Preisbestimmung “ver-antwortlich”. Voraussetzung ist, dass es sich um modular aufgebaute Produkte undLeistungen handelt, deren Module einzelne, verschieden aufwändige (bzw. verschie-den bewertete) Optionen aufweisen, die zu unterschiedlichen Preisen angeboten wer-den: Leder- oder Stoffverkleidung, vergoldete oder Messingstecker, Marken-komponente oder “No-Name”-Bauteil. Auch kann ein Kunde vor die Wahl gestelltwerden, ob er gegen Preisnachlass bestimmte Serviceleistungen selbst übernehmen

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Markteffizienz von Individualproduktion

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will: Bestellung per Internet oder persönliche Beratung durch Verkaufspersonal;Selbstaufbau oder Installation vor Ort. Computerhersteller nutzen diese Flexibilitätteilweise hervorragend, um in der Werbung relativ günstige Einstiegspreise angebenzu können, um die damit angezogenen Kunden dann während des Konfigura-tionsvorganges zu hochwertigeren Komponenten und Up-grades zu “überreden”.

Wichtig ist abschließend aber noch einmal zu betonen, dass Produktindividualisierungdurch Mass Customization von “vertretbaren” Preisaufschlägen ausgeht, die keinenWechsel des Marktsegments im Vergleich zu den Käufern massenhaft hergestellterGüter zur Folge haben. Ebenfalls glauben wir nicht, dass in mittel- bis langfristigerSicht Nachfrager dafür bereit sind, hohe Aufschläge allein für den Zuwachs an hedo-nistischer Produkt- und Prozessqualität zu zahlen. Im Vordergrund steht langfristigder Nutzenzuwachs durch besser an die individuellen Präferenzen angepassteProdukte. Interaktive Wertschöpfungsmodelle auf Basis einer Produktindivi-dualisierung gehen hier einher mit den Erkenntnissen aus dem Bereich derKundeninnovation: Auch hier ist das wesentliche Motiv für Nutzer, im Rahmen vonInnovationsprozessen selbst aktiv zu werden, der Wunsch nach neuen Produkten, diebesser als die vorhandenen die spezifischen (neuen) Bedürfnisse eines Nutzers befrie-digen (siehe Abschnitt 3.3.2).

4.3.4 Zusammenfassende Betrachtung der Effizienzwirkunginteraktiver Wertschöpfung durchProduktindividualisierung

4Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

(Quelle: Auszug aus dem Bericht “Der Individual-Fernseher soll’s richten “ von Gerhard Hegmannin der Financial Times Deutschland vom 22. Aug. 2005)

Der Unterhaltungselektronikhersteller Loewe will sich künftig noch stärker auf das Luxusgeschäftkonzentrieren. Das Unternehmen stellt auf der Funkausstellung in Berlin (IFA) Anfang September2005 erstmals die neue Fernsehgerätereihe “Loewe Individual” vor, ein Flachbildgerät desUnterhaltungselektronikherstellers Loewe. Damit läutet Loewe das Ende des fertigen Fernsehersaus dem Regal ein. Um seinen Anspruch als Hochpreisanbieter zu rechtfertigen, kann der Kundekünftig bei einigen Flachbildgeräten die Farbe, das Aussehen, die Materialien, Aufstellvariantensowie die Technikausstattung selbst bestimmen. Loewe-Vorstandschef Rainer Hecker spricht voneiner Strategie der “größtmöglichen Individualisierung”. Loewe bietet ähnlich wie der dänischeWettbewerber Bang / Olufsen schon seit Jahren die Möglichkeit, für TV-Geräte oder Lautsprecherverschiedene Farben und Aufstellvarianten auszusuchen. Der deutsche Hersteller geht in dieserStrategie jetzt noch weiter und schließt technische Varianten mit ein. Allein bei den Farben undBlenden gibt es mehr als 400 Kombinationsmöglichkeiten.

Loewe hofft, mit maßgeschneiderten Angeboten auch höhere Marktpreise als die Massenanbieterdurchsetzen zu können. Wie drastisch der Preisverfall im TV-Markt ist, zeigt allein das erste

Kasten 4–5: Loewe Individual-Fernseher als Alternative für eine Produktion am StandortDeutschland

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Das Beispiel von Loewe in Kasten 4–5 liefert einen guten Anhaltspunkt zurZusammenfassung der bisherigen Argumentation. Wir haben gesehen, dass MassCustomization eine Position anstrebt, in der eine Differenzierung durchIndividualisierung zu einer Kostenposition möglich ist, die der Effizienz einerMassenproduktion entspricht. Auf der anderen Seite führt Mass Customization aberauch zu zusätzlichen Kosten, die gegen diese Potenziale abgewogen werden müssen.Abbildung 4–10 gibt einen schematischen Überblick darüber, wo zusätzliche Kostenzur Implementierung einer Mass Customization-Strategie anfallen und welcherzusätzliche Nutzen daraus zu erwarten ist.

Auf der Kostenseite ist insbesondere der hohe Aufwand der Kundeninteraktion zunennen. Diese zusätzlichen Kosten beruhen auf dem Interaktionsaufwand zur

4.3

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Markteffizienz von Individualproduktion

Halbjahr. Großformatige LCD-TV-Geräte waren um rund 40 Prozent billiger als vor einem Jahr.Finanzvorstand Burkhard Bamberger ist zuversichtlich, dass die Rechnung bei der Individual-Linietrotz der komplexen Lagerhaltung und Einzelfertigung aufgeht. “Ich erwarte höhere Margen als beiden Standardprodukten”, sagte er jüngst zu Analysten. Über die genauen Absatzplanungen mach-te Loewe allerdings keine Angaben. Zunächst kommen im Herbst europaweit über denFachhandel zwei Modelle mit 66 und 80 Zentimeter Bilddiagonale auf den Markt. Die Preisspannereicht von etwa 2000 bis 4000 Euro. Die individuellen Geräte sollen spätestens binnen 14 Tagengeliefert werden. Diese Lieferzeiten seien mit einer Fernostproduktion nicht machbar, heißt es. DieIndividualisierung werde auf weitere Produktlinien ausgebaut.

Abbildung 4–10: Kosten und Nutzen einer Mass-Customization-Strategie aus Sicht desAnbieters

Ertragspotenziale durch:• Steigende

Zahlungsbereitschaft• Erhöhte Kundenzufriedenheit

und Loyalität• Wiederholungskäufe• Flexibilität bei

Marktänderungen• Kostensenkungspotenziale

(“Economies of Integration”)

Mehrkosten durch:• Investitionen in flexible

Leistungssysteme • Koordinationsaufwand in

Produktion und Logistik• Kosten • Kosten der Kundeninteraktion • Aufbau von Vertrauen,

Risikoabbau aus Kundensicht

der Produktadaption

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Erhebung und Spezifikation der individuellen Kundenpräferenzen. Zusätzlich sinderhöhte Kosten für vertrauensbildende Maßnahmen zu veranschlagen, die sich bei-spielsweise in einem erweiterten Rückgaberecht niederschlagen können. Aber auch dieTransformation der gewonnenen Kundeninformation in eine konkrete Fertigungs-information verursacht Kosten, die in diesem Maße bei Massenfertigern nicht zuerwarten sind. Viele Kunden sind nicht in der Lage sind, ihre Wünsche so zu artikulie-ren, dass ein Mass Customizer daraus bereits eine Produktkonfiguration ableiten kann.Dieses Dilemma, mehr Kundennähe zu bieten als Kunden in der Lage sind zu bewäl-tigen, führt zu hohen Komplexitätskosten. Diese begründen sich in aufwändigenSystemen zur Kundeninteraktion und Kosten zur Qualifikation der Mitarbeiter, insbe-sondere der Vertriebsmitarbeiter.

Auf der anderen Seite fallen Komplexitätskosten im Bereich der Fertigung an, in derdie individuellen Produkte umgesetzt werden. Der Komplexität in der Fertigung gehteine erhöhte Komplexität in der Produktentwicklung voraus, in der eineProduktarchitektur gestaltet wird, die eine Individualisierung bei minimaler produk-tinhärenter Komplexität erlaubt. Eine solche Produktarchitektur ist beispielsweise einmodularer Produktaufbau. Schließlich sind die Logistik- und Distributionskosten beieiner Individualproduktion in der Regel deutlich höher als bei einem Vertrieb standar-disierter Waren über ein Ladengeschäft. Für jedes einzelne Produkt fällt ein individuel-ler Transportvorgang an. Wie das Beispiel Loewe zeigt, überwiegen hierbei dieTransportkosten und -zeiten dem Produktionskostenvorteil einer Fertigung in Asien,so dass es – aus volkswirtschaftlicher Sicht – wieder zu einer Rückverlagerung derProduktion nahe zu den Kundenmärkten kommen könnte.

Diesen Kosten, die mit der Einführung von Mass Customization anfallen, steht eineReihe von Vorteilen gegenüber. Ein Vorteil ist beispielsweise, dass sich ein MassCustomizer durch die geringe Vergleichbarkeit individueller Produkte in einer Quasi-Monopolstellung befindet. Dadurch kann er Preiszuschläge erzielen, die über denGrenzkosten zur Erstellung liegen. Zu diesen Vorteilen auf der Erlösseite (Steigerungder Absatzeffizienz) kommen weitere hinzu, die sich insbesondere in einer verbesser-ten Planungssituation auf einer Informationsbasis begründen, die durch eine engeIntegration des Kunden in den Wertschöpfungsprozess geprägt ist. DieseKostensenkungspotenziale wurden als Economies of Integration bezeichnet. Durchdie Kenntnis der individuellen Präferenzen einzelner Kunden kann sowohl die allge-meine Planungssituation als auch die Zielgenauigkeit der Marktbearbeitung verbes-sert werden. Gegenüber der Massenfertigung und des begleitenden Massen-marketings können so die Streuverluste minimiert werden, indem Mittel zurKundenakquise und –bindung gezielt dort eingesetzt werden, wo sich das größtewirtschaftliche Potenzial ergibt. Weiterhin bestehen neue Möglichkeiten zurSteigerung der Kundenbindung, die eine effizientere Abwicklung weitererInteraktionen zwischen einem Anbieter und seinen gebundenen Kunden erlauben.Auch bestehen hier Erlössteigerungspotenziale, wenn beispielsweise weitereProdukte oder Dienstleistungen (Cross-selling) an den Kunden oder Produkte miteinem höheren Deckungsbeitrag (Up-selling) abgesetzt werden können. Ziel ist es, diezunächst anfallenden höheren Interaktionskosten im Laufe der Kundenbeziehung zuamortisieren.

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

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4.4 Phasen und Instrumente derKundeninteraktion bei Mass Customization

Im vorangehenden Abschnitt haben wir diskutiert, welche Effizienzvorteile eineProduktindividualisierung durch Mass Customization ermöglichen kann. ZurErlangung dieser Vorteile ist allerdings aus Sicht beider Marktparteien einInteraktionsakt notwendig, der in diesem Ausmaß bei einer Massenproduktion nichtanfällt: der Co-Design-Vorgang zur Gestaltung der kundenindividuellen Lösung, derdas Prinzip der Kundenintegration bei Mass Customization konkretisiert. ImFolgenden betrachten wir deshalb, welche Ansprüche Co-Design an die Kunden stelltund welche Probleme dabei zu überwinden sind. Aufbauend auf diese Argumentationbetrachten wir, wie ein entsprechendes System zur Kundeninteraktion bei MassCustomization gestaltet werden kann. Ziel ist es, den Abnehmern ein entsprechendesInteraktionssystem an die Hand zu geben, um den Co-Design-Vorgang zu vollziehen.

Wir haben bereits in Kapitel 3 eine ähnliche Argumentation in Bezug auf dieEntwicklung von Open-Innovation-Toolkits gesehen. Auch hier geht um weit mehr alsum ein bloßes technisches Tool. Ziel ist die um die proaktive Gestaltung der gesamtenInteraktionsbeziehungen. Die folgende Argumentation konkretisiert die Aus-führungen in Abschnitt 3.5.2 über die Gestaltung von Toolkits für Open Innovation.Auf die ebenfalls wichtigen Punkte des Aufbau des Produktions- und Logistik-systems für Mass Customization wollen wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen(siehe dazu weiterführend Anderson 1997, 2003; Brown / Bessant 2003; Höck 1998;Kolisch 2001; Lopitzsch / Wiendahl 2003; MacCarthy / Brabazon / Bramham 2003; Piller1998, 2006a; Reinhart / Schönung / Wagner 2003; Salvador / Rungtusanatham / Forza2004; Su / Chang / Ferguson 2005). Wichtig ist an dieser Stelle aber noch einmal zu beto-nen, dass der im Folgenden beschriebene Interaktionsvorgang nicht vollstänig die ide-altypischen Prinzipien der interaktiven Wertschöpfung umsetzt, wie wir sie inAbschnitt 2.4 kennengelernt haben (insbesondere des Modell der “Commons-basedPeer-Production” ist bei Mass Customization in der Regel nicht umgesetzt). Dennochkann die Analyse der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager bei Mass

4.4

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Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

Baldwin, Carliss / Clark, Kim (1997). Managing in the age of modularity. Harvard BusinessReview, 75 (1997) 5: 84-93

Pine, B. Joseph II / Peppers, Don / Rogers, Martha (1995). Do you want to keep your custo-mers forever? Harvard Business Review, 73 (1995) 2: 103-114

Salvador, Fabrizio / Rungtusanatham, M. Johnney / Forza, Cipriano (2004). Supply-chain con-figurations for mass customization. Production Planning & Control, 15 (2004) 4: 380-402

Tseng, Mitchell / Jiao, Jianxin (2001). Mass Customization. In: Gaviel Salvendy (ed.): Hand-book of Industrial Engineering, 3rd edition, New York: Wiley 2001: 684-709

Kasten 4–6: Literaturempfehlungen zur Markt- und Kosteneffizienz von MassCustomization

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Customziation wichtige Anhaltspunkte für eine proaktive Gestaltung interaktiverWertschöpfungsprozesse in anderen Bereichen (Innovation) geben.

4.4.1 Übersicht und PhasenmodellAufbauend auf den Grundlagen der Integration und Interaktion werden in diesemKapitel die Anforderungen an eine erfolgreiche Interaktion bei Mass Customizationdiskutiert. Diese besteht aus einer Reihe von Phasen, die über die eigentlicheKonfiguration hinausgehen. Eine mögliche Strukturierung dieser Phasen findet sichbei Blaho (2001) in Anlehnung an die Konsumentenverhaltensforschung. Blaho orien-tiert sich an den klassischen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses, Vorkauf-, Kauf-und Nachkaufphase, und beschreibt die für Mass Customization geltendenBesonderheiten in diesen Phasen. Mass Customization-Kaufentscheidungsprozessesind in allen drei Phasen durch eine größere Unsicherheit auf Konsumentenseitegekennzeichnet. Bereits in der Vorkaufphase herrscht aufgrund der Tatsache, dass nurein Leistungspotenzial und kein fertiges Produkt angeboten werden kann, größereUnsicherheit beim Kunden. Besonders im Konsumgütergeschäft haben die meistenKunden noch keine Erfahrung mit dem Kauf individualisierter Güter. In derKaufphase ist der Kunde sehr intensiv in die Leistungserstellung integriert und wirktmit an der Konfiguration seines individuellen Produktes. Auch hier entsteht mögli-cherweise Unsicherheit, wenn der Kunde durch die Vielzahl an Optionen undInformationen überfordert wird. Kennzeichnend für die Nachkaufphase ist dieTatsache, dass der Kunde auf sein Produkt zunächst noch warten muss, d. h. er hat dieKaufentscheidung zwar getroffen, ihm fehlt jedoch noch das Objekt dieserEntscheidung. Auch diese Situation führt wiederum zu Unsicherheit (Blaho 2001).

Aufbauend auf dieser grundsätzlichen Gliederung wollen wir im Folgenden einerweitertes Interaktionsmodell für Mass Customization vorstellen, das als Ergebniseigener empirischer Arbeiten entstanden ist (Ihl et al. 2006; Reichwald / Müller / Piller2005). Es betrachtet den Mass-Customization-Prozess aus Kundensicht. DieBeobachtung und Befragung von Kunden von individualisierbaren Produkten hatgezeigt, dass sich der Verkaufsprozess für Mass Customization in sechs Phasen glie-dern kann, die zwar ineinander übergehen, jedoch durch spezifische Aufgabengekennzeichnet sind (Abbildung 4–11).

Die erste Phase, in der eine Interaktion von Käufer und Verkäufer stattfinden kann, istdie Phase der Kommunikation, deren primäres Ziel es ist, die Aufmerksamkeit neuer,potenzieller Kunden für das Konzept zu gewinnen. Erste grundlegende Informationensind gegebenenfalls nötig, die den Kunden an das Konzept und seine Rolle heranführen.

Es folgt die Phase des Exploring, in der sich der Kunde mit den Möglichkeiten, die derAnbieter offeriert, auseinandersetzt und, in der er vertiefende Informationen erhält.

Die Exploring-Phase geht häufig fließend in die Konfigurationsphase über. Diese stehtim Mittelpunkt jedes Mass Customization-Angebots und dient der Spezifierung derindividuellen Kundenlösung.

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

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Erst nach der Konfiguration findet die Produktion der Kundenlösung statt, weshalbsich für den Kunden eine Wartezeit bis zur Lieferung oder Abholung seines indivi-duellen Produktes ergibt.

In der After-Sales-Phase geht es darum, die gesammelten Kundeninformation durchzusätzliche Informationen über den Kunden zu ergänzen und für eine weiterführendeKundenbetreuung zu nutzen.

Der Wiederholungskauf soll für den Kunden so einfach wie möglich sein, wobeiwiederum auf bereits gespeicherte Kundendaten zurückgegriffen werden sollte.

Das Modell gilt sowohl für Online- als auch Offline-(d. h. Ladenbasierte) Interaktions-prozesse und trägt damit der Tatsache Rechnung, dass der Interaktionsprozess beiMass Customization sowohl im Internet als auch in einem Laden oder als Kombinationbeider Kanäle erfolgen kann. Aufgrund der unterschiedlichen Bedarfssituationen undPräferenzen von Kunden scheint es für viele Anbieter sinnvoll zu sein, sich nicht aus-schließlich auf das virtuelle Angebot zu konzentrieren, sondern Kunden die Wahl zwi-schen verschiedenen Kanälen zu bieten. Während Kunden beispielsweise denKonfigurationsvorgang offline mit ausgebildetem Fachpersonal durchlaufen können,müssen sie sich bei der Online-Konfiguration intensiver mit dem Konfigurator beschäf-tigen und diesen allein bedienen (Schnäbele 1997). Die einzelnen Phasen diesesModells werden im Folgenden näher beschrieben werden (in Anlehnung an Reichwald /Müller / Piller 2005). Kasten 4–7 bietet ein einführendes Beispiel und kann alsAnschauungsobjekt beim Lesen der folgenden Abschnitte dienen.

4.4Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

Abbildung 4–11: Phasen der Kundeninteraktion bei Mass Customization

Kommunikation Exploring KonfigurationWartezeit

und Lieferung

After-Salesund

FeedbackWiederkauf

Erwecken von Aufmerksam-

keit beim Kunden,

Herstellen des Erstkontakts

Information über Möglichkeiten und Optionen

des Mass-Customization-

Systems

Unterstützung des Kunden bei

der Konkretisierung des individuellen

Produkts

Betreuung des Kunden während

der Wartezeit und

Abholung/Lieferung der Ware

Sammlung von Kunden-

Feedback, Information über

Service-Leistungen

Initiierung von Folgekäufen

unter und Nutzung der vorhandenen Kundendaten

Feedback-Loop: Verwendung vorhandenen Wissens

Hinweis: Wir empfehlen, das Beispiel von Factory 121 parallel zum Lesen dieses Kapitels imInternet anzuschauen [www.factory121.com] und dabei darauf zu achten, wie die in diesem Kapitelbeschrieben Phasen bei diesem Anbieter umgesetzt sind. Ein ebenso sehr aufschlussreicherSelbstversuch ist es, zuvor in einem konventionellen Uhrenladen den Auswahlprozess für eine

Kasten 4–7: Kundenintegration in das Produktdesign am Beispiel des Internet-Toolkitsvon Factory 121

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4Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Armbanduhr zu durchlaufen (versuchen Sie, ohne größere Betonung eines bestimmtenMarkennames aus dem Geamtangebot die Uhr zu finden, die Ihrem persöhnlichen Geschmack ambesten trifft). Wiederholen Sie dann den gleichen Prozess im Konfigurator bei Factory 121.

Factory121 ist ein Internet-Anbieter aus der Schweiz, der die Individualisierung hochwertiger“swiss made” Herren- und Damenuhren anbietet. Die Individualisierung setzt dabei ausschließlichan ästhetischen Gesichtspunkten an, an die die Kunden hohe Ansprüche stellen (www.facto-ry121.com). Durch umfangreiche Individualisierungs- und Anpassungsmöglichkeiten bietetFactory121 einen sehr großen Lösungsraum. Auf der Internetseite haben die Kunden zu Beginndes Interaktionsprozesses die Wahl zwischen 82 Uhrenmodellen. Ausgewählt werden kann auseiner Palette von klassischen, sportlichen, eleganten und luxuriösen Damen- und Herren-Modellen– auf Wunsch mit erstklassigen Diamanten und Saphiren besetzt. Durch diese Vorauswahl(Vorkonfiguration) von Lösungen soll die Komplexität aus Kundensicht gesenkt werden. Mit Hilfeeiner benutzerfreundlichen Konfiguration wählt der Kunde das Gehäuse, das Zifferblattdesign, dasUhrenband und die jeweiligen Farben aus, die seinem Stil entsprechen. Der schnelle Bildaufbauregt zum Spiel mit Formen, Farben und Materialien an. Alle Optionen können jederzeit geändertund verglichen werden. Dies wird in Echtzeit und mit guter 3-D-Bildqualität ausgeführt, welchesden Umstand entschädigt, das Produkt nicht anfassen zu können. Die Visualisierung als wesent-liches Designelement eines Toolkits ist hier gut umgesetzt.

Abbildung: Element des Co-Design Toolkits von Factory121.com

Des Weiteren bietet Factory121 den Kunden die Garantie, dass sie die Uhr im Falle vonProblemen 10 Tage nach der Auslieferung ohne Fragen zu stellen, austauscht oder zurücknimmt,

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4.4.2 KommunikationsphaseWas nützen die besten kundenindividuellen Produkte, wenn sie niemand kennt? DieDifferenzierungsvorteile von Mass Customization können den Kunden erst dannNutzen stiften, wenn diese auf das Angebot aufmerksam werden. Aufgabe derKommunikationsphase ist es deshalb, die potenziellen Kunden über das Angebot kun-denindividueller Produkte und Dienstleistungen zu informieren. Kommuni-kationspolitik umfasst generell alle auf den Markt gerichteten Informationen einesUnternehmens zum Zweck der Beeinflussung von Meinungen, Einstellungen,Erwartungen und Verhaltensweisen der Abnehmer im Sinne des Anbieters.Grundlegend gelten für Mass Customizer damit zunächst dieselben Aspekte wie fürdie Anbieter standardisierter Leistungen.

Inhaltlich unterscheiden sich die Maßnahmen zur Verkaufsförderung von kundenindi-viduellen Produkten im Vergleich zu Standardprodukten jedoch durch zwei Aspekte:die Komplexität der Produkte und die besondere Rolle, die der Kunde im Mass-Customization-Prozess durch seine Integration in die Wertschöpfung spielt. Zusätzlichbesteht – wie bei Dienstleistungen – die Herausforderung, dass zu Beginn desLeistungserstellungsprozesses kein fertiges Produkt existiert, das dem Kunden in derKommunikation gezeigt werden kann. Vorhanden ist nur ein Leistungspotenzial, d. h.die Fähigkeit und Bereitschaft des Anbieters, die Leistung zusammen mit demAbnehmer zu erstellen. Damit ist es für den Kunden schwierig, die Qualität derLeistung zu bestimmen, was zu einem großen wahrgenommenen Risiko auf der Seitedes Kunden führen kann. Hinzu kommt, dass Kunden derzeit oft noch keineErfahrung mit der Gestaltung von individuellen Produkten an sich haben, was ihreUnsicherheit noch erhöht.

4.4

241

Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

sowie eine zweijährige Garantie auf allen Modellen. Wie groß die Zufriedenheit der bisherigenKunden ist, belegt eine unabhängige Studie eindrücklich: Über 95 % aller in einer Zufrieden-heitsstudie des Unternehmens befragte Kunden würden wieder eine 121TIME-Uhr bestellen. 93 %bewerten das Preis-Leistungs-Verhältnis als gut bis sehr gut (eine Uhr kostet zwischen ca. 130 und600 Euro, je nach Ausstattungsoption und Uhrwerk). Auch kommt es im Verhältnis zu den gekauf-ten Uhren sehr selten vor, dass eine Uhr zurückgesandt wird. (ca. 1-2 %). Es kommt aber öfter vor,dass wir Änderungen an der Uhr vornehmen müssen oder die Uhr ganz ausgetauscht wird.Meistens sind es ästhetische Gründe, dass man sich die Uhr anders vorgestellt hat oder diegewählte Kombination nicht gefällt.

Nach der Bestellung erfolgt die Montage der Uhr nach Bestellung in einer kleinen Fabrik in derSchweiz. Der Konfigurator bereitet dabei die Bestellung vor und sendet sie direkt an dieMontagewerkstatt. Nach einer Überprüfung (Kreditcheck) wird der Auftrag zur Fertigung freigege-ben. Die Fertigungsdokumente (Fertigungsauftrag, Proforma-Rechnung, Garantiekarte, Versand-scheine) werden im Lager automatisch ausgedruckt. Die Uhrenkomponenten werden anhand desFertigungsauftrages zusammengestellt und zur Fertigung freigegeben. Optionale Elemente wiez. B. die Gravur auf dem Uhrenboden werden vom Lieferanten innerhalb von 5 Tagen angeliefertund in den Auftrag integriert. Die Uhr wird auf Ihre Wasserdichtigkeit und Ganggenauigkeit geprüftund nach erfolgter Endkontrolle zum Versand freigegeben. Der Kunde erhält die Uhr nach höch-stens 10 Tagen.

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Grundsätzlich spielen Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften von Güterneine Rolle bei der Leistungsbeurteilung durch die Kunden (Homburg / Krohmer 2003;Picot, Reichwald / Wigand 2003). Sucheigenschaften, d. h. Eigenschaften vonLeistungen, die vor dem Kauf einfach betrachtet und beurteilt werden können (z. B.die Eigenschaften eines bereits produzierten Standardschuhs), treten bei MassCustomization in den Hintergrund. Vertrauenseigenschaften können erst nach demKauf bzw. während des Kaufs durch Ge- und Verbrauch beurteilt werden (z. B. dieEigenschaften eines individuellen Schuhs, den der Kunde nach dem Kauf nutzt undanprobiert und erst dann beurteilen kann). Bei Vertrauenseigenschaften ist keine voll-ständige Beurteilung möglich – weder vor noch nach dem Kauf des Gutes. Wie wir inAbschnitt 4.2.1 gesehen haben, bedeuten Mass-Customization-Angebote für Kundenoft eine bestimmte Unsicherheit. Diese ist durch entsprechende Kommunikations-maßnahmen abzubauen. Beispielsweise kann es Sinn machen, detaillierte Infor-mationen über das Produkt und die Nachfragerrolle zu kommunizieren.Erfahrungseigenschaften spielen bei Mass-Customization-Gütern ebenfalls eine wich-tige Rolle und sind Grundlage der besonderen Möglichkeiten eines Kundenbin-dungsmanagement, das wir in Abschnitt 4.2.2 bereits angesprochen haben. Es lässt sichnämlich zeigen, dass die Informationen, die im Rahmen der Konfiguration des erstenProduktes vom Abnehmer an den Hersteller übermittelt wurden, eine wichtige Hürdegegen einen Anbieterwechsel darstellen.

Dabei sollten die Kommunikationsmaßnahmen je nach Stellung der Kunden – Neu-und Bestandskunden – differenziert werden, denn die Kundengruppen unterscheidensich in Informationsstand und Grad des wahrgenommenen Risikos. Bei potenziellenNeukunden geht es zunächst darum, die Aufmerksamkeit dieser Konsumentengruppefür das Mass-Customization-Programm zu wecken. Ziel ist es, potenzielle Kundenüber die Möglichkeit einer Individualisierung zu informieren, die Vorteile individuel-ler Produkte und deren Preisgestaltung zu erläutern und hervorzuheben, wo dieGrenzen liegen. Der Computerhersteller Dell Inc. wirbt beispielsweise mit dem Slogan“Eines Tages wird es ganz einfach sein, ihren individuellen PC zu finden – Mit Dell isteines Tages schon heute”. Der Slogan transportiert die Individualität in einem Satz undweckt die Aufmerksamkeit der Kunden für das Angebot. Hier können insbesonderebereits existierende Marken eine wichtige Hilfestellung leisten, da sie dem KundenVertrauen in den Anbieter geben können. Die vom Kunden wahrgenommeneUnsicherheit wird reduziert und das Unternehmen erhält einen Vertrauensvorsprung.Diese Aufgabe hat aufgrund der in den folgenden Phasen beginnenden Integration desKunden eine besondere Bedeutung. Die Kommunikation dient auch der Informationund Qualifizierung des Kunden, damit die Leistungserstellung und -nutzung best-möglich erfolgen kann (Gouthier 2003; Hennig-Thurau 1998). Bei Bestandskunden gehtes dagegen darum, sie möglichst personalisiert und mittels Direktmarketing nachAblauf eines Verbrauchszyklus oder im Rahmen branchenüblicher saisonaler Zyklenerneut anzusprechen und ihnen zu vermitteln, dass eine (modifizierte) Nachbestellungihres individuellen Gutes viel einfacher möglich ist als bei der Erstbestellung.

Eine aktuelle Strategie ist der Einbezug der Kunden in den Aufbau desDistributionssystems für ein Mass-Customization-Angebot. Ebenso wie Spreadshirtin Deutschland (siehe Kasten 2–8) gelten Zazzle und Cafepress als herausragende

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Beispiele in den USA, wie Kasten 4–8 beschreibt (in Deutschland arbeit das Unter-nehmen Spreadshirt nach einem ähnlichen Prinzip). Hier wird ein Konfigurationstoolfür User Co-Design mit einem einfachen Shop wie bei e-Bay kombiniert. Damit wirdeine wesentliche Hürde der Skalierbarkeit eines Mass-Customization-Angebots über-wunden: Hat ein besonders kreativer Kunde einmal eine tolle eigene Kreation geschaf-fen, kann er diese an alle anderen Nutzer einfach weiterkaufen, die dafür nicht mehrder gesamten Komplexität der Leistungskonfiguration gegenüberstehen. Da derHersteller aber dennoch durch die Verwendung flexibler Produktionstechniken dieresultierende sehr hohe Variantenvielfalt effizient anbieten kann, entsteht hier einneues Geschäftsmodell, das große Chancen aufweist.

4.4Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

(Quelle: Auszug aus dem Artikel “ ‘Your name here’ goes global” von Verne Kopytoff im SanFrancisco Chronicle vom 19. Juli 2005 [tinyurl.com/lfhnk])

Customized T-shirts, posters and postage stamps have emerged as the Internet’s latest darlingsamong venture capitalists. Zazzle, a Palo Alto company that allows users to buy personalized pro-ducts, announced Monday it had received $16 million in funding from two of Google’s early bac-kers, Kleiner Perkins’ John Doerr and Ram Shriram, of Sherpalo Ventures. Earlier this year, a simi-lar company, CafePress.com, in San Leandro, received $14 million in a second round of fundingled by Sequoia Capital. These two firms are part of what analysts sometimes call personalizedcommerce. The idea is a cross between eBay’s online marketplace and FedEx Kinko’s, the chainof copying and printing stores. To get started, users create their own designs for products includingT- shirts, posters and greeting cards. The Web sites then handle the printing and shipping. (...)

Many people simply use the Web sites to make gifts for family members and friends. Others earnroyalties by selling their products or designs to shoppers on the sites. “These are tools of selfexpression,” said Kent Allen, an analyst for the Research Trust, a market research firm speciali-zing in online commerce. “They’re allowing people to turn their creativity and passion into a busi-ness.” The idea is more evolutionary than revolutionary. Consumers have been able to get custo-mized trinkets at flea markets and county fairs for years featuring their names or images. What setsthe online version apart is its potential global reach. Shriram, the investor, said that is in part whatattracted him to Zazzle.

“This is an opportunity to do mass customization,” he said. “The scaling of this has been an inter-esting challenge.” Zazzle was founded in 2003 by Robert Beaver, a serial entrepreneur in manu-facturing, and his sons, Jeff and Bobby. Since then, the site has gained only modest traction on alimited budget. Users can create their own designs with Zazzle. They can also choose from near-ly half a million images that are publicly available, including ones from the Walt Disney Co., theLibrary of Congress and the Bancroft Library at UC Berkeley.

CafePress was founded in 1999 by Maheesh Jain and Fred Durham, two former students atNorthwestern University. The company has grown to more than 200 employees, and has been pro-fitable for several years, according to Durham. (...) As with Zazzle, shoppers on CafePress can usetheir own designs on 70 different products. Shoppers can also buy products from the Web site’smarketplace that are offered by other users. Political novelties, including coffee mugs and buttons,are widely available. Independent sellers dominate the marketplace, although there are a smatte-ring of corporate products from StarTrek.com and the television program, “This Old House.”“There’s a million niches of tribes of 10,” said Durham. “It’s very focused stuff you just can’t findanyplace else.” Both companies operate by printing products only after they have been ordered. A

Kasten 4–8: Web Sites Offering Personalized Products Catch Fire Among Vcs

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4.4.3 Exploring-PhaseDie Information über die Möglichkeiten und das Spektrum des Mass-Customization-Systems gehört neben der Konfiguration zu den wichtigsten Inhalten desKundeninteraktionsprozesses. Der Kunde setzt sich im Rahmen des Exploring mitdem System an sich und dessen Möglichkeiten und Grenzen auseinander. Exploringheißt, dass sich ein Kunden bereits mit den konkreten Individualisierungsoptionen fürdas Produkt auseinandersetzt, dabei aber weniger die konkrete Spezifikation seinesgewünschten Produktes im Auge hat, sondern vielmehr – je nach Geschäftskonzeptallein und/oder mit Hilfe eines Verkäufers – alle Möglichkeiten erforschen kann, dieihm im Rahmen des Mass-Customization-Angebots geboten werden. Dabei kann dasExploring sowohl on- als auch offline stattfinden, z. B. mit Hilfe eines Konfiguratorsam PC (zu Hause oder am Point of Sale) oder anhand ausliegender Stoffmuster,Produktmodelle und –komponenten im Geschäft.

Exploring ist nicht nur bei Mass Customization wichtig, sondern auch beim Kauf vonStandardprodukten: Auch hier will der Kunde das Angebot erforschen, es z. B. anfas-sen oder ausprobieren. Kennzeichnend für Mass Customization ist allerdings erneutdie höhere Komplexität und Unsicherheit auf der Seite des Kunden, denn der Kundehat wahrscheinlich keine Möglichkeit, genau das Produkt, das er kaufen möchte, anzu-fassen oder anzuprobieren (Dellaert / Stremersch 2005; Franke / Piller 2004; Huffman /Kahn 1998). Die meisten Kunden sind es nicht gewöhnt, ein Angebot aufKomponentenebene zu erforschen.

Für Unternehmen ist es deshalb essentiell, die Exploring-Phase zu strukturieren unddie Komplexität aus Kundensicht zu reduzieren. Durch ständige Optimierung derAuswahl können die Optionen entfernt werden, die nur von einer kleinen Anzahl anKunden gewählt werden. Permanent sollte deshalb eine Überprüfung der angebotenenAuswahl stattfinden. Wichtig ist neben der Anzahl an Optionen auch deren adäquateDarstellung: Die Kunden sollen überzeugt werden, zur nächsten Phase – der Konfi-guration – voranzuschreiten. Konfiguratoren spielen deshalb bereits in dieser Phaseeine wichtige Rolle, denn sie können helfen, das Produktangebot in einer für Kundenansprechenden Art und Weise darzustellen. Beispielsweise bietet DaimlerChrysler denInteressenten für Mercedes-Benz-Nutzfahrzeuge die Möglichkeit, im Internet die ge-wünschten Leistungsmerkmale eines Lkws zusammenzustellen und sich vor demHändlerbesuch zu informieren. Je nach individuellem Kundenwunsch ist dies anhandder Transportaufgabe, anhand von technischen Aspekten oder über eine Branchen-lösung möglich. Auf diese Art und Weise kann jeder Kunde den Exploring-Prozess jenach seinen individuellen Präferenzen durchführen.

Die Exploring-Phase ist auch für Anbieter erklärungsbedürftiger Produkte eine beson-dere Chance, das Leistungsspektrum ihres Angebots zu kommunizieren. Im Gegensatz

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

run of items may therefore range anywhere from 1 to 1,000. Earlier this month, CafePress openedits second printing plant in Kentucky to speed order delivery on the East Coast. The company’sother production facility is in Hayward. (...)

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zu einer klassischen Kommunikation ist der Kunde hier in die Wertschöpfung inte-griert. Er kann selbst die Kombinationsmöglichkeiten und verschiedenen technischenoder ästhetischen Optionen beurteilen.

4.4.4 KonfigurationsphaseIm Mittelpunkt des Kundeninteraktionsprozesses bei Mass Customization steht dieKonfigurationsphase. Der Begriff Konfiguration leitet sich vom lateinischen “configu-ratio” ab und bedeutet übersetzt Anordnung und/oder Gestaltung. Im Sinne von MassCustomization ist Konfiguration ein Design- und Schöpfungsprozess innerhalb einesbestimmten Gestaltungsspielraums (der Lösungsraum). Anordnung verlangt dabeinach einzelnen Modulen oder Teilen, aus denen ein Objekt zusammengesetzt werdenkann. Dies sind die Bestandteile der modularen Produkt- und Leistungsarchitektur.Gestaltung bedeutet die Möglichkeit der Abänderung von bereits vorhandenenElementen und deren kreative Formung. Als Beispiel für eine Gestaltung könnenAbmessungen, eine freie Farbgebung oder die Positionierung gelten (Rogoll / Piller2003). Für alle Individualisierungsoptionen muss aus dem angebotenen Komponen-tenspektrum jeweils die Ausprägung gewählt werden, die den Kundenwünschen ent-spricht. Konfiguration ist so eine (oft computerbasierte) Co-Designaktivität, die dazudient, die individuelle Leistung und die Leistungsmerkmale zu gestalten, wobei derLösungsraum, d. h. sowohl die einzelnen Komponenten als auch ihre Kombina-tionsmöglichkeiten, vorab durchdacht und festgelegt wurden (Dockenfuß 2003; Köhne /Klein 2004).

Konfigurationssysteme stellen dabei ein integrales Bindeglied zwischen Pro-duktentwicklung, Fertigung und Kundenwunsch dar. Ausgestattet mit einer einfachenBenutzerschnittstelle leiten diese Systeme den Kunden (und ggf. einen Mitarbeiter imVerkauf) durch die Erhebung der Bedürfnisinformation – und prüfen sogleich dieKonsistenz sowie die Fertigungsfähigkeit der gewünschten Variante (Abbildung 4–12).Dieser Dialog vollzieht sich innerhalb von Minuten, bei komplexen Produkten viel-leicht innerhalb mehrerer Stunden, auf keinen Fall aber innerhalb von Wochen, wiedies bei einer klassischen Individualfertigung oft die Regel ist. Schon während dieserPhase müssen dem Kunden Preis und Lieferzeitpunkt mitgeteilt werden können –ohne die Abstimmungsprozesse, die sonst bei einer Individualisierung anfallen. DerEinsatz von Konfigurationssystemen stellt so sowohl hinsichtlich der Effektivität(Erweiterung des Konfigurationsumfangs) als auch der Effizienz (Kostensenkung)eines der wichtigsten IuK-technischen Unterstützungspotenziale von Mass Custo-mization dar (Berger et al. 2005; Dellaert / Stremersch 2005; Franke / Piller 2003; Khalid

4.4

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Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

Konfiguration ist eine computergestützte Gestaltungsaktivität zur Auswahl oder Spezifikationvon Leistungsmerkmalen, bei der die Menge verfügbarer Komponenten und derenKombinationsmöglichkeiten a priori bestimmt sind.

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/ Helander 2003; Liechty / Ramaswamy / Cohen 2001; Novak / Hoffmann / Yung 2000).In der Literatur wird der Begriff Konfigurationssystem meist recht technisch verwen-det. Deshalb schlagen Franke und Piller (2003) die Verwendung des Ausdrucks“Toolkit for Customer Co-Design” vor, um zum einen die Verwandtheit zu Toolkitsfor User Innovation (siehe Abschnitt 3.5.2), zum anderen die strategische (und nichtrein technische) Bedeutung dieses Instruments zu betonen. Wir werden in diesemKapitel beide Begriffe synonym verwenden.

Bei der Entwicklung und Implementierung eines Konfigurationssystems (Toolkits forCustomer-Co-Design) sollte die dominierende Leitlinie die Reduktion der abnehmer-seitig wahrgenommenen Komplexität sein, was gleichzeitig eine Komplexitätsre-duktion in der Auftragsannahme des Anbieters einschließt. Studien haben ergeben,dass mehr als 40 Prozent aller Overheadkosten im US-Maschinenbau für Vertrieb undMarketing anfallen. Während versucht wird, die Fertigungs-, Entwicklungs-,Verwaltungs- oder Materialflusskosten seit Jahren durch Automatisierung undComputerisierung zu senken, muss der Vertrieb oft ohne jede informationstechnischeHilfe zwischen Kunde und Hersteller agieren, wenn es um die Bestellung individuel-ler Produkte geht. Die Folge sind ständige Rückfragen, Anpassungen und Änderun-gen. Nach empirischen Studien wendet der typische US-Maschinenbauer zwei Prozentseines Bruttoumsatzes nur dafür auf, menschliche Eingabefehler, Misskalkulationenund andere Mängel während des Konfigurationsvorgangs auszugleichen (McHugh1996; Ziegler 1997). Eine aktuelle empirische Studie hat für den deutschen Maschinen-und Anlagenbau ähnliche Daten ergeben (Stotko 2005).

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Abbildung 4–12: Der Konfigurationsprozess (entnommen aus Rogoll / Piller 2003)

Parallele oder abschließende Stücklistenerstellung (und/oder weitere Prozesse)

Parallele oder abschließende visuelle Produktpräsentation (Visualisierung)

Plausibilitätsprüfung/ Auswahl der

Grundschemata

Plausibilitätsprüfung der Auswahl,

Anpassung der LogikPlausibilitätsprüfung

der Auswahl

Plausibilitätsprüfung der Auswahl,

Anpassung der Logik

Auswahl eines Basisproduktes/ -

ModellsModul01... Modul0X Modul11…Modul1X ModulX1…ModulXX

Fertig konfiguriertes

Produkt

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Im Gegensatz zu einer klassischen Einzelfertigung basiert die Produktindivi-dualisierung bei einem Mass-Customization-Konzept auf relativ konkreten Vorgabenin Form der modularen Produktarchitektur und möglicher Anpassungsschritte. Jenach Konzeption der Mass Customization stehen hierbei unterschiedlich vieleKonfigurationsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese sind aber ex ante bereits definiert.Damit kann eine regelbasierte Beschreibung der Produktkonfiguration geschaffenwerden (selbst, wenn kombinatorisch die Anzahl der möglichen Varianten schnell indie Millionen geht), was die Voraussetzung für eine weit reichende Vereinfachung,Automatisierung, und Effizienzsteigerung des Konfigurationsvorgangs bietet.

Aus Sicht des Anbieters muss der Konfigurationsprozess weitgehend automatisiertwerden. Dies ist vor allem im Konsumgütermarkt notwendig, um die zusätzlichenKosten der Interaktion zwischen Hersteller und jedem Abnehmer entscheidend zu sen-ken. Die hier oft übliche Selbstbedienung im Handel ist auf eine Selbstkonfigurationdes Kunden zu übertragen. Ist eine Selbstkonfiguration nicht möglich, muss dasVerkaufspersonal des Anbieters bei der Erhebung der Individualisierungsinformationso weit wie möglich unterstützt werden. Bei der Gestaltung eines Konfigurations-systems gibt es eine Vielzahl möglicher Gestaltungsoptionen, die in den folgendenAbschnitten näher betrachtet werden (Abbildung 4–13). Ungeachtet der Ausprägungeines Konfigurationssystems muss dieses etlichen wichtigen Ansprüche gerecht wer-den (Abbildung 4–14). Die folgende Diskussion (in Anlehnung an Rogoll / Piller 2003)dieser Ansprüche orientiert sich dabei an erster Linie an Konfigurationssystemen imInternet, ist aber auch auf eine Gestaltung ladengestützter Konfiguratoren übertragbar.

4.4Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

Abbildung 4–13: Einsatzumgebungen von Toolkits für User Co-Design

Konfigurations-aufgabe

Online Konfiguratoren(Internetbasiert)

Prozedural(step by Step)

Unstetig(freie Abfolge)

Wissensbasiert(keine Konfigurationsschritte)

Sales Konfigurator(Unterstuetzung am POS)

„Montage“ Konfigurator(Selbstmontage im Laden)

Real-Konfiguratoren(Verkaufsumgebung)

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Präsentation des Angebots und Auswahl eines Basisprodukts oder -modells: Diemeisten Mass-Customization-Angebote basieren auf einer einheitlichen Plattform bzw.einem Grundprodukt (Modell, Schnitt etc.), das dann durch Standard- oder kundenin-dividuelle Module erweitert bzw. modifiziert wird. Deshalb ist eine der wichtigstenAufgaben des Kunden, zu Beginn des Konfigurationsvorgangs ein geeignetesBasisprodukt auszuwählen. Dieses Basisprodukt beschreibt das zu konfigurierendeObjekt in seinen Grundzügen und legt die einzelnen Module fest, die für das kunde-nindividuelle Endprodukt notwendig sind. Durch die geeignete Wahl des Basis-produktes kann die Komplexität aus Kundensicht stark gesenkt werden.

Unterstützung und Beratung: Eine weitere Aufgabe ist die Beratung undUnterstützung des Nutzers während des Konfigurationsvorganges. Gerade bei indivi-duell gefertigten Produkten spielt die Beratung des Kunden häufig eine wichtige Rolle.Der Abnehmer befindet sich während des Konfigurationsprozesses in einem ständigenEntscheidungszwang, der zusammen mit eventuellen Unsicherheiten zum Abbruchder Konfiguration führen kann. Deshalb ist ein Hilfs- und Beratungssystem von hoherBedeutung. Hierbei geht es neben technischer oder funktionaler Hilfe vor allem auchum die Unterstützung zum Erkennen und Formulieren der Bedürfnisse eines Kunden.Beratungssysteme können von einem einfachen Hilfe-Button, der in der Regel dieFunktionsweise eines Konfigurationsschritts oder die Eigenschaften einer Komponenteerklärt, über automatisch gesteuerte Zusatzinformationen bei bestimmten Verweil-

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Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

Abbildung 4–14: Aufgabenumfang eines Produktkonfigurationssystems für MassCustomization

Unternehmens- undFähigkeitsrepräsentation

Präsentation desAngebots

Auswahl einesBasisprodukts/ -modells

Unterstützung undBeratung

Führung durch denKonfigurationsvorgang

Vermittlung eines„Flow-Erlebnisses“

Plausibilitätsprüfungder Auswahl

Begleitung beiErhebung vonKundendaten

Gewinnung vonaggregiertem

Kundenwissen

Vervollständigungdes Produktes

Visualisierung derKonfiguration

Konfigurator

Kaufprozess

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dauern bis hin zu einem interaktiven Verkaufsberater reichen, der eine kompletteStilberatung ersetzt. Zum Aufbau von Vertrauen und zur Reduktion des Risikos vonMass Customization aus Kundensicht ist eine solche Beratungsfunktion von essentiel-ler Bedeutung. Neben der Information des Anwenders über die gewählte Leistungs-spezifikation muss ein Konfigurator auch Auskunft über Attribute der einzelnen Kom-ponenten geben können. Dies sind beispielsweise Beschreibungen und Angaben wiePreis, Gewicht, Lieferzeit etc. Da diese Attribute die Kaufentscheidung maßgeblichbeeinflussen können, sollten diese Angaben nach jedem Konfigurationsschritt aktuali-siert werden.

Führung durch den Konfigurationsvorgang: Während des Konfigurationsvorgangeswerden die Merkmale des kundenindividuellen Produktes durch die Auswahl bzw.den Austausch von Modulen oder Teilen verändert. Die Differenzierung zwischenAuswahl und Austausch begründet sich aus der Art des Konfigurationsvorgangs.Entweder wird nur ein Basismodells abgeändert, das bereits eine vordefinierteVollständigkeit hat (Standard-Konfiguration), oder aber es werden alle notwendigenKonfigurationsschritte mit begleitender Auswahl von Modulen oder Teilen abgearbei-tet, bis eine Vollständigkeit vorhanden ist (aktuelle Forschungsarbeiten lassen daraufschließen, dass die Zahlungsbereitschaft von Kunden höher ist, wenn ihnen ein voll-ständig ausgestattetes Produkt präsentiert wird, das sie anschließend durch Austauschvon Komponenten und/oder Löschen von Kann-Optionen individualisieren – anstattdas Produkt von Grund aus in allen Stufen zu individualisieren ; siehe Levin et al.2002). Dabei sollte sich die Prozessunterstützung in erster Linie an den Anwendungs-feldern des Kunden orientieren und nicht an der grundlegenden Produktstruktur. Vielzu wenige Konfiguratoren beginnen mit einer Erhebung der eigentlichen Wünscheund Bedürfnisse des Anwenders, sondern konfrontieren den Nutzer sofort mit derAuswahl verschiedener Module und Komponenten. Ein Ausweg aus dieserProblematik ergibt sich beispielsweise durch eine begleitende Stilberatung, die die zurVerfügung stehenden Variationsmöglichkeiten sukzessive einschränkt. So könnte bei-spielsweise ein Konfigurator von Maßkonfektion zuerst den Anlass abfragen, zu demein Kunde ein maßgefertigtes Hemd bestellen möchte. Wählt er “Business look” alsMotivation aus, könnte der Konfigurator Button-Down-Kragen oder auffällige Stoffevon vorneherein ausschließen. Somit rückt das Kundeninteresse in den Vordergrund.

Aus konzeptioneller Sicht spricht diese Diskussion die Entscheidung zwischen para-meterbasierten und bedürfnisbasierten Konfiguratoren an (Randall / Terwiesch /Ulrich 2005). Parameterbasierte Konfiguratoren präsentieren dem Kunden (ggf. vor-gefiltert) alle möglichen Auswahloptionen für eine individualisierbare Komponente.Der Kunde muss dann selbst entscheiden, welche Option seinem Bedürfnis am ehestenentspricht. Bedürfnisbasierte (“need based”) Konfiguratoren dagegen fragen denKunden nach seinem Bedürfnis und ordnen dieses dann selbstständig einer Optionvor. Empirische Studien haben gezeigt, dass letzteres Verfahren häufig zu einer höhe-ren Kundenzufriedenheit führt. Eine bedürfnisbasierte Konfiguratoren bedeutet ausSicht der interaktiven Wertschöpfung aber auch, dass ein Kunde einen geringerenIntegrationsgrad besitzt, da der Anbieter den eigentlichen Problemlösungsprozesswieder internalisiert.

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Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

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Vermittlung eines Einkaufserlebnisses: Die Führung durch das Konfigurations-system dient neben der eher technischen Unterstützung zur Findung einer passendenSpezifikation auch zur Vermittlung eines besonderen Einkaufserlebnisses. EmpirischeStudien haben ergeben, dass bei Mass Customization die wahrgenommene Produkt-zufriedenheit ganz stark mit der erlebten Prozesszufriedenheit korreliert (Franke /Piller 2004). Für viele Kunden ist die Mitwirkung beim Entwurf eines individuellenProduktes ein besonderes Erlebnis. Der Kunde wird zum eigenen Designer, wasIdentifikation und Involvement mit dem Endprodukt deutlich erhöhen kann. Aufgabefür einen Konfigurator ist so auch die Vermittlung von Begeisterungseigenschaften.

Im Rahmen einer Internet-Konfiguration hat dabei die “Flow-Theorie” eine großeBedeutung (Bauer / Grether / Borrmann 2001; Csikszentmihalyi 1990; Hoffman / Novak1996). Diese beschäftigt sich mit Fragen der intrinsischen Motivation (Motivation ausEigenantrieb) und den Determinanten, die Aktivitäten so erfreulich machten, dass sieum ihrer selbst willen ausgeübt werden (siehe auch Abschnitt 3.3.3). Flow bezeichnetjenen Zustand, bei dem eine Person so in eine Tätigkeit vertieft ist, dass nichts anderesum sie herum eine Rolle zu spielen scheint. Ein Flow entsteht, wenn beispielsweise einNutzer merkt, dass er bei der Lösung einer als hoch wahrgenommenenHerausforderung die notwendigen Fähigkeiten besitzt, um diese zu meistern. Aucheine unmittelbare Rückmeldung über den Grad der Zielerreichung vermittelt ein Flow-Erlebnis, ebenso wie das Gefühl von Kontrolle über eine Situation. Hoffman / Novak(1996) konnten einen statistisch signifikanten positiven Zusammenhang zwischenFlow und Online-Kauf empirisch nachweisen. Damit liegt die Bedeutung des Flow-Konstruktes für das Kundennutzungsverhalten von Online-Konfiguratoren auf derHand. Ein guter Konfigurator kann dazu beitragen, bei den Kunden ein Flow-Erlebnishervorzurufen – mit den angesprochenen positiven Konsequenzen auf dasKaufverhalten. Bei der Konfiguration sind einige Voraussetzungen zu erfüllen, um dasEntstehen eines Flow-Erlebnisses zu begünstigen. Mehr noch als in herkömmlichenInternetanwendungen ist das individuelle Konfigurieren eines Produkts alsHerausforderung anzusehen. Wichtig ist es dabei allerdings, den Kunden nicht zuüberfordern, da sonst Frustration entsteht. In ganz besonderem Maße muss demKunden dabei das Gefühl vermittelt werden, die Kontrolle über die Situation zu haben.Der Kunde muss sich als sein eigener Designer begreifen können. Dazu ist eine zeitna-he Visualisierung des Ergebnisses nötig, um dem Nutzer eine Rückmeldung über seineTätigkeit geben zu können. Ebenso ist es in dieser Stufe nötig, die durch das Designbeeinflussten Parameter wie Preis oder Liefertermin zu übermitteln.

Plausibilitätsprüfung der Auswahl: Mit jeder Auswahl oder Gestaltung eines Modulsergeben sich für die weitere Konfiguration des Produkts auf Grund der Produktlogikbestimmte Einschränkungen oder zusätzliche Möglichkeiten. Charakteristisch für dieProduktkonfiguration ist, dass die Auswahl bestimmter Module zu einer Belegunganderer Module führt, die weitere Auswahlmöglichkeiten begünstigen oder einschrän-ken. Es bestehen also neben den mehrstufigen funktionstechnischen Abhängigkeitenunter Umständen noch weitere Abhängigkeiten. Um diese je nach aktueller Auswahleines Nutzers aufzuzeigen, gibt es verschiedene Ansätze, um die Abhängigkeiten zwi-schen einzelnen Konfigurationsschritten zu ermitteln und in so genanntenKonfigurationsregeln zu beschreiben (z. B. prozedurale, entscheidungsregelbasierte

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und wissensbasierte Systeme). Die Realisierung dieser Prüfungen und Regeln ist vonder Funktionsweise der Konfigurationslogik und der dafür eingesetzten Technologieabhängig.

Vervollständigung des Produkts: Ein Konfigurator sollte in der Lage sein, über dieBeratung hinaus den User bei der Konfiguration soweit zu unterstützen, dass dieBemühungen auf jeden Fall zu einem sinnvollen Ergebnis führen. Hilfsmittel dazu ist dieMöglichkeit einer Auto-Vervollständigung der Konfiguration, so dass immer ein voll-ständig konfiguriertes Produkt aus dem Prozess hervorgeht. Dies reduziert einerseits dieUnsicherheit des Kunden, da ihm nach jedem Schritt ein mögliches Endergebnis mitge-teilt wird. Andererseits wird das Flow-Erlebnis des Kunden dadurch bestärkt, dass er zujedem Stadium des Konfigurationsprozesses ein mögliches Endergebnis seiner Tätigkeitsieht. So wird seinem Wunsch nach Kontrolle genüge getan.

Darstellung der Konfiguration (Visualisierung): Visualisierung ist ein wesentlicherErfolgsfaktor eines guten Konfigurators. Sowohl während als auch am Ende desKonfigurationsvorgangs muss den Kunden das individuell konfigurierte Produktmöglichst realistisch präsentiert werden. Die Visualisierung ersetzt das physischeProdukt, das bei kundenindividueller Fertigung zum Zeitpunkt des Kaufabschlussesnoch nicht verfügbar ist. Ziel ist es, den Kunden bei seinen Entscheidungen zu unter-stützen, aber auch, seine Kreativität anzuregen. Technisch ist eine Visualisierung meisteiner der aufwändigsten Teile eines Konfigurators, hinzu kommt das Problem langerÜbertragungszeiten, wenn eine Visualisierung auf einem externen Server individuellerstellt (“Rendering”) und dann auf den Computer des Anwenders übermittelt wird.Aus Anbietersicht bedeutet deshalb Visualisierung stets eine Abwägung zwischen demtechnisch Machbaren mit dem zur Komplexitäts- und Risikoreduktion Wünschens-wertesten und einer praktikablen Lösung mit hoher Effizienz.

Begleitung bei der Erhebung von Kundendaten: Studien, die sich mit den Ursacheneines Abbruchs von Onlineverkäufen beschäftigen, zeigen oft, dass genau dann einKaufvorgang abgebrochen wird, wenn persönliche Angaben vom Nutzer erfragt wer-den (Adressdaten, Zahlungsinformation etc.). Dies gilt in einem Mass-Customization-System in besonderem Maße. Bei kundenindividuellen Produkten sind oft sehr persön-liche Angaben wie Körpermaße, Abmessungen, aber auch Vorlieben oder Angabenüber Hautprobleme nötig. Der Konfigurator muss nicht nur in der Lage sein, dieErmittlung dieser Angaben zu unterstützen, sondern auch im besonderen Maße “ver-trauenswürdig” sein. Allerdings kann die Investition, die ein Nutzer bereits durch dieAuseinandersetzung mit dem Produkt getätigt hat (in Form von Zeit und Mühe) alswichtiger Anreiz dienen, einen Kauf abzuschließen. Entsprechend einfach (und intui-tiv) muss dann aber auch der Abschluss der Konfiguration durch den eigentlichenKaufvorgang sein.

4.4.5 Wartezeit und LieferungNach der Konfiguration folgt aus Anbietersicht die Produktion der individuellen Güter“on demand”. Dieses Prinzip der Individualproduktion ist Grundlage der neuen

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Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

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Kostensenkungspotenziale. Wie wir bereits gesehen haben, können dazu schon bis zueinem gewissen Grad Aktivitäten vorausschauend stattgefunden haben, d. h. dieIndividualproduktion erfolgt nicht (unbedingt) bei der Aufbereitung der Rohstoffe,sondern kann möglicherweise nur aus der individuellen Montage vorgefertigter Teilebestehen. Diese Optionen sind von der Festlegung des Vorfertigungsgrades abhängig(siehe Abschnitt 4.1.3). Aus Kundensicht bedeutet eine Produktion auf Bestellungjedoch, dass sie bis zur Abholung oder Lieferung des individuellen Produktes wartenmüssen. Als Substitut für das Produkt dient aus Kundensicht ein Ausdruck mit denindividuellen Konfigurationsdaten und einer Darstellung des konfigurierten Pro-duktes. Diese Bestellbestätigung kann zu einem wichtigen Kommunikationsinstru-ment werden.

Die Gestaltung der Wartezeit ist ein entscheidender Faktor für die Gesamtzufriedenheitder Abnehmer (Ihl et al. 2006). Zu berücksichtigen ist dabei die Tatsache, dass Kundenes bei vielen Produkten gewohnt sind, ihr Produkt sofort mit nach Hause zu nehmen,d. h. die Wartezeit könnte von den Kunden zunächst als nachteilig empfunden werden.Umso wichtiger ist es, dem Kunden die Vorteile, die aus dem individuellen Produktresultieren, zu vermitteln. Es gilt außerdem, die Wartezeit soweit möglich zu reduzie-ren. Eine Möglichkeit ist z. B., den Kunden die Möglichkeit zur Auftragsverfolgung zubieten. Nach Anstoß der Fertigung sollte für den Kunden eine Möglichkeit bestehen,den Status der laufenden Bestellung online zu verfolgen und zu überprüfen(Ordertracking). Hierzu gehört beispielsweise die Nennung seiner Warteschlangen-position in der Fertigung oder der Zeitpunkt der Übergabe an den Distributeur.

4.4.6 Feedback und After-sales-PhaseDie direkte Interaktion mit jedem einzelnen Kunden bietet neue Möglichkeiten für denAufbau einer intensiven, wissensbasierten Kundenbeziehung im Sinn des RelationshipManagement. Unternehmen, die kundenindividuelle Produkte anbieten, haben hiereinen entscheidenden Vorteil gegenüber Anbietern von Massenware, da sie eineVielzahl von Informationen über die Kunden während der Kundeninteraktion gesam-melt haben. Entscheidend ist es, das Potenzial dieser Informationen zu nutzen. Eineindividuelle Betreuung der Kunden ist auch nach Übergabe des individualisiertenProduktes wichtig. Beispielsweise sollte der Hersteller bei Kundenanfragen denKunden und die gekauften Produkte kennen und individuell auf Kundenwünsche ein-gehen können. Vor allem aber sollte unmittelbar nach der Auslieferung durch einenFeedback-Prozess die Zufriedenheit des Kunden mit dem Produkt und demInteraktionsprozess abgefragt werden, um für künftige Käufe des einzelnen Kunden,aber insbesondere auch für die Optimierung des Gesamtsystems Anregungen zu erhal-ten. Ferner sollten Kunden regelmäßig mit aktuellen Informationen versorgt werden,die optimalerweise entsprechend der Kaufpräferenzen individuell auf jeden einzelnenKunden abgestimmt sind.

Eine wichtige Aufgabe an dieser Stelle ist auch die systematische Auswertung derwährend des Konfigurationsvorgangs erhobenen Informationen. Denn Vo-

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raussetzung für ein dauerhaft erfolgreiches Mass-Customization-Konzept ist nichtnur die Fähigkeit, Produkte variabel und kostengünstig zu fertigen, sondern gleicher-maßen der Einsatz des dabei gewonnenen Wissens zum Aufbau einer dauerhaftenKundenbindung. Durch den Konfigurationsvorgang erhält der Hersteller Zugang zuimplizitem Wissen der Kunden. Dadurch werden die Kosten eingespart, die norma-lerweise erforderlich sind, um dieses Kundenwissen zu decodieren (beispielsweisedurch aufwändige Marktforschung), zu verstehen und weiterzugeben. Kunden-bedürfnisse werden somit schneller und vor allem genauer verstanden. Die aggregier-te Auswertung der gewählten wie auch verworfenen Konfigurationen aller Nutzerkann auch für eine Definition von Varianten für eine standardisierte Varianten-produktion genutzt werden (bei einem simultanen Angebot individueller und mas-senhafter Leistungen) bzw. zur Verbesserung der Produktarchitekturen und angebo-tenen Vielfalt einer Mass Customization dienen. Deshalb sollte ein Konfigurator auch(im begrenzten Maße) Informationen erheben, die für Wiederkäufe oder ein Cross-/Up-Selling interessant sind (Verwendungszyklen, Anwendungsintensitäten,Feedback etc.). Ebenso ermöglicht das systematische Auswerten der Log-files, die dieKundenaktivitäten protokollieren, eine systematische Verbesserung des Konfi-gurators.

4.4.7 WiederholungskaufSind die Kunden mit der individuellen Leistung zufrieden, kommt es ausAnbietersicht hoffentlich zu einem Wiederholungskauf. Hierbei sollte wie in derAfter-Sales-Phase darauf geachtet werden, dass die bereits vorhandenenKundendaten sinnvoll genutzt werden. Diese Daten bilden, wie wir in Abschnitt 4.2.2bereits diskutiert haben, die Grundlage für Learning Relationships, d. h.Kundenbeziehungen, die mit jeder Interaktion wachsen, stärker und intensiver wer-den, und die immer mehr Kundennutzen stiften (Peppers / Rogers 2004).Beispielsweise sollte bei jedem weiteren Kauf auf die gespeicherten Kundendatenzurückgegriffen werden. Der Konfigurationsvorgang kann damit für den Kundenwesentlich unkomplizierter gestaltet werden, und der Kunde kann sich auf diewesentlichen Aspekte des Vorgangs, z. B. das Design seines individuellen Schuhs,konzentrieren. Damit wird es möglich, Aufwand und Komplexität des Kaufs weiterzu reduzieren. Allerdings darf die Flexibilität, auch auf neue oder geänderteKundenbedürfnisse einzugehen, nicht verloren gehen. Optimalerweise sind dieKundendaten auch direkt online für den Kunden einseh- und änderbar, so dass derKunde gegebenenfalls autonom seine Daten anpassen kann.

Abschließend stellt Kasten 4–9 noch ein ausführlicheres Beispiel vor, wie ein großesUnternehmen, der Spielzeughersteller LEGO, durch die Kombination von MassCustomization und Open Innovation ein völlig neues Wertschöpfungssystem geschaf-fen hat. Ob dieses Bestand hat und tatsächlich eine Alternative zum derzeitigen Modellklassischer Variantenfertigung auf Basis von Marktforschungsanstrengungen desHerstellers ist, wird die Zukunft zeigen.

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Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

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4Interaktive Wertschöpfung in der Produktion: Mass Customization

(Quelle: Auszug aus dem Posting “Lego Factory hacked by users - and the company loves it” vonFrank Piller im Blog MC&OI News [mass-customization.blogs.com] vom 12. Dezember 2005)

Lego, a toy maker based in Billund, Denmark, provides an interesting case of a company combi-ning mass customization configuration and open innovation. Originally acclaimed for its modularproduct architecture, the company provided users since its foundation the possibility to createalmost unlimited designs. However, the relationship between the company and its users was follo-wing the conventional, disconnected transaction marketing approach. Also, all parts and logo kitswere produced in a built-to-stock model. In recent years, Lego faced serious difficulties to forecastits products. Also, it was in a need to differentiate itself to more “modern” educational toys like chil-dren computers etc.

To get inspiration for new products and connect closer with its users, the company had a greatsource of inspiration: Totally independent by the company, a Lego user community called LUGNEThas been built by fanatic adult users of Lego. Lugnet is one of the best examples of a communitywhere users co-create and co-design based around a manufacturer’s products. Its members donot only swap parts or share pictures of their individual models, but also developed collaborative-ly a design software (open source) to create great expert constructions. Also, a whole number ofsmall user shops sell unique models and designs. When Lego introduced its Mindstorms Robotictoys, after several years of development, some users “hacked” the robotic kit and improved theperformance of the construction kit and its processing capabilities by several dimensions in just afew weeks (this is one of the best documented and fascinating of user innovation). All these useractivities, however, were not facilitated or really utilized by Lego.

But finally, the Lego Company introduced a similar offering combining mass customization andopen innovation: In August 2005, Lego announced the opening of LEGO factory, a very advancedtoolkit for user (children) innovation and co-design. The Lego Factory combines several trends anddevelopments which were before invented in the user domain, and which are now incorporated intoa business model of the company. At Lego Factory, users can create their own unique Lego models– using interactive software that helps them to overcome the engineering problem of combiningbasic modular elements (Lego bricks) into a new creation. Then, the company manufactures thebricks necessary for the model and ships them to users so they can assemble their models.Customers can also buy the bricks necessary to build from other people’s designs, which areposted on the site. Lego Factory is based on a toolkit for user co-design, called Lego Designer, afree, downloadable, 3D modeling program that lets users choose from digital collections of bricksto compose their own unique models.

In addition, the site finally features real open innovation at Lego: It highlights the fact that the com-pany is now selling Lego sets which are designed by other Lego users. Children can not only cre-ate their own unique designs, and order the corresponding bricks in a customized set with the helpof their father’s credit card, but can also submit these designs to the company. Lego may then pro-duce an extraordinary design as a mass product for other children as well. This ideas has beenalso tested before (in the German Lego catalog, some user designed Lego sets were includedsince 2003), but never utilized in large scale.

But the story continues further: Already 15 days after its launch, the Lego Designer software washacked. The problem was that Lego used a simple algorithm to assign bricks to a user’s uniquecreation. Instead of matching the blueprint with the exact number of the correct bricks, the Legoassembly center has pre-packed packages of bricks, and matches a user’s designs with thesepackages. The result: Users often had to pay for far more pieces than they really needed. At thesame time, they were missing a few others that were integral to the creations, and had to purcha-se more packages. That made designing and buying models sometime very costly. While a child

Kasten 4–9: LEGO Factory: Von Mass Customization zu User Innovation

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4.4Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization

using her father’s credit card wouldn’t bother with this problem, adult fans of Lego, who adoptedthe Lego Factory rapidly, did.

So the adult Lego community became innovative: They collected information about the exact com-bination of each brick package (called a palette in Leo Factory language) and compiled this infor-mation in a database that lists which bags must be purchased in order to collect specific bricks. Ontop comes an algorithm that optimizes the number of bricks based on a user’s design by makingmodifications in the design or at least promoting a warning if a user selects a part that would causean additional order of a package of bricks.

In an article* about this user initiative on CNET Networks, the author Daniel Terdiman quotes DanMalec, one of the user developers (Malec is a software engineer from Stow, MA): “You’d see a lotof fan creations [on Lego factory] costing $400 or $500 because fans are not using the bags effi-ciently. If you could see it at the bag level (instead of the larger digital palettes offered by Lego),maybe you might make a different decision. Maybe (instead of buying) that one piece which takesa whole bag that you’re not going to use, you might choose a different bag.”

So users created a very beneficial addition to the company’s offering, however once that undermi-nes Lego’s sales opportunities. But most astonishing, Lego’s reaction has been largely positive.Terdiman quotes a Lego executive that “the adult community found out within a few days (of theLego Factory launch) how these bags were mixed together. It was a puzzle to us. They took uscompletely by surprise.” But the Lego manager added: “We really encourage and embrace somemodifications of our software.” And while in the moment Lego has not incorporated the develop-ment of the Lego fan community into its proprietary Designer software, it may do so in the future:“It’s not surprising to us that they’re doing the hacking, because that was the hope, that they wouldtake the core of what we’re doing and own the system” for themselves, Jacob McKee, Lego’s glo-bal community relations specialist is quoted in the CNET Networks article. “We want to releasemore and more content and development tools to help that process along. The hope is that theyreally start to take this on and start to do things we haven’t even thought of yet.” This is really anastonishing remark and could serve as a role model for many other companies who often fightagainst user modifications and do not recognize the input from the company.

* Daniel Terdiman: Lego Factory hacked. CNET News.com, September 15, 2005 [http://tinyurl.com/bnflw]

Dellaert, Benedict G.C. / Stremersch, Stefan (2005). Marketing mass customized products:Striking the balance between utility and complexity. Journal of Marketing Research, 43 (2005)2 (May): 219-227.

Franke, Nikolaus / Piller, Frank (2004). Toolkits for user innovation and design: An explorationof user interaction and value creation. Journal of Product Innovation Management, 21 (2004)6 (November): 401-415

Gerschenfield, Neil (2005): Fab: The coming revolution on your desktop — from personal com-puters to personal fabrication. New York: Basic Book 2005.

Randall, Taylor / Terwiesch, Christian / Ulrich, Karl T (2005). User design of customized pro-ducts. Wharton School Working Paper, 2005 (Forthcoming in: Marketing Science).

Kasten 4–10: Literaturempfehlungen zur Gestaltung der Kundeninteraktion bei MassCustomization

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Dieser Fallstudienteil soll die vorangehenden Kapitel praxisbezogen konkretisierenund Einblick geben, wie Unternehmen heute schon die zuvor dargestellten Wert-schöpfungsprinzipien nutzen. Alle Fallstudien enden mit Diskussionsfragen, die eineweiterführende Auseinandersetzung erlauben. Auf der Internetseite zum Buch findensich laufend weitere neue Fallbeispiele und Aktualisierungen zu den hier vorgestelltenFällen. Aufgrund des Umsetzungsstands der Interaktiven Wertschöpfung in derIndustrie beziehen sich die meisten dieser Fallstudien auf eine Produktindividualisie-rung, da hier besser dokumentierte Beispiele von Unternehmen vorliegen.

5.1 Von Mass Customization zu Open Innovationbei der Adidas-Salomon AG

Die Adidas-Salomon AG (‘Adidas’ im Folgenden) ist ein Vorreiterunternehmen im Bereichder interaktiven Wertschöpfung. Bereits in den 1990er Jahren wurde unter dem Namen‘mi adidas’ ein erfolgreiches Mass-Customization-Programm entwickelt und seit 2000erfolgreich am Markt platziert. Grundidee von ‘mi adidas’ ist es, Schuhe, die an die indi-viduellen Bedürfnisse des Trägers angepasst sind, nicht wie bislang nur professionellenAthleten, sondern allen Kunden anzubieten. Aus den Erfahrungen, die Adidas imRahmen der ‘mi adidas’Aktivitäten im Bereich Kundenintegration gewinnen konnte, ent-stand die Idee, die Kunden nicht nur im Rahmen eines gegeben Lösungsraumes in dieWertschöpfung einzubeziehen, sondern sie auch im Sinne von Open Innovation aktiv inden Innovationsprozess zu integrieren. Zu diesem Zweck wurde ein internet-gestützterIdeenwettbewerb entwickelt, der auch der Identifikation von Lead Usern dienen kann.Die folgende Fallstudie beschreibt zunächst das ‘mi adidas’ Programm. Anschließendwird der Innovationswettbewerb dargestellt. Dieser setzt auf dem ‘mi adidas’ Programmauf, steht jedoch streng genommen nicht mit der Mass-Customization-Idee inVerbindung. Allein aus Gründen der einfacheren Pilotierung wurde bei Adidas die Open-Innovation-Initiative (recht konsequent) auf dem bestehenden Angebot zur Produk-tindividualisierung aufgesetzt. In der Zukunft können aber weitere Innovations-wettbewerbe auch in anderen Produktbereichen nach ähnlichem Schema stattfinden.1

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5 Fallstudien zur interaktivenWertschöpfung

1 Diese Fallstudie wurde von Dominik Walcher und Frank Piller zu Illustrations- undLehrzwecken erstellt und kann ein vereinfachtes oder modifiziertes Abbild der Wirklichkeitdarstellen. Sie berichtet nicht wirklichkeitsgetreu über derzeitige und zukünftige Aktivitätendes dargestellten Unternehmens.

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Unternehmensdarstellung

Die Ursprünge der Adidas-Salomon AG gehen bis in das Jahr 1920 zurück, als AdiDassler in einer Werkstatt in Herzogenaurach seinen ersten Leinen-Turnschuh fertigte.In den folgenden Jahren konzentrierte er sich auf die Herstellung von Spezialschuhenfür die Sportarten Fußball und Leichtathletik, wobei er als Erster Schuhe mit Stollenund Dornen auf den Markt brachte. Bereits 1928 wurden Schuhe von Adi Dassler beiOlympischen Spielen getragen. 1937 umfasste das Sortiment über 30 verschiedeneModelle für insgesamt elf Sportarten. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Adi Dassler1948 mit 47 Mitarbeitern die Schuhproduktion wieder auf. Als Produktnamen wählteer die beiden ersten Silben seines Vor- und Zunamens. 1949 fand die offizielleEintragung des Namens Adidas in das Handelsregister statt. Ebenso wurden im selbenJahr die drei Streifen als Markenzeichen angemeldet. Nach fast 70 Jahren schied dieFamilie Dassler 1989 aus dem Unternehmen aus. Im November 1995 ging dasUnternehmen an die Börse und fusionierte zwei Jahre später mit der Salomon Gruppezur Adidas-Salomon AG. Insgesamt umfasst das Portfolio des Unternehmens dieMarken:

Adidas (Sportschuhe, Sportbekleidung und Zubehör),

Salomon (Skier, Bindungen, Inlineskates und Bergstiefel),

TaylorMade (Golfschläger, Golfbälle und Zubehör),

Mavic (Fahrradkomponenten) und

Erima (Sporttextilien).

Im Mai 2005 gab das Unternehmen den Verkauf der Sparte Salomon an den finnischenSportartikelhersteller Amer Sports für 485 Mio. Euro bekannt und kündigte wenigeMonate später den Kauf des amerikanischen Konkurrenten Reebok an. Mehr als 110eigene Tochterunternehmen, Joint Ventures und Lizenznehmer sorgen weltweit für dieDistribution der Produkte in den fünf Regionen Europa/Naher Osten, Afrika,Nordamerika, Asien/Pazifik und Lateinamerika. Insgesamt arbeiten über 17.000Menschen für das Unternehmen.

Verkaufte Adidas im Jahre 1990 mehr als 80 Mio. Schuhe und 150 Mio. Kleidungs-stücke, so stieg diese Zahl im Jahre 2004 auf mehr als 110 Mio. Paar Schuhe an. DerUmsatz im Jahr 2004 betrug 6,5 Mrd. Euro mit einem Jahresüberschuss von 314 Mio.Euro. Das Unternehmen ist damit Europas größter Sportschuhhersteller. Mit der 3,1Mrd. Euro teuren Akquisition von Reebok kommt Adidas auf 28 Prozent des weltwei-ten Sportschuhmarkts, der ein Volumen von 11,5 Milliarden Dollar hat, und verringertseinen Abstand zum weltgrößten Sportschuhhersteller Nike, der einen Marktanteil von31 Prozent besitzt.

Neben Adidas (einschließlich Reebok) wird der internationale Schuhmarkt von denUnternehmen Nike, Asics und Puma bestimmt. Allen Marken ist gemeinsam, dass siedie Schuhproduktion seit Jahren ins Ausland (meist Asien) verlagert haben. Die ver-bliebenen Kernkompetenzen der Unternehmen liegen in der Erkennung vonMarkttrends sowie der Entwicklung neuer Produkte. Mit dem Outsourcing der

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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Produktion verfolgten die Unternehmen das Ziel, durch Kostenoptimierung auf dieschwierige Marktsituation zu reagieren. So machen sich gerade im Schuhbereich ein-schneidende gesellschaftliche Veränderungen wie wachsende Individualisierungs-wünsche, Konsum-Hedonismus, Erlebnisorientierung und ein Trend zu Lifestyle-Produkten bemerkbar. Darüber hinaus setzen neue, modische Unternehmen etablierteMarken wie Adidas unter Druck. Außerdem verlangen immer mehr Konsumentenhochqualitative Schuhe für weniger Geld, wobei die Bindung der Kunden an einUnternehmen stetig nachlässt.

Die Reaktion der Schuhhersteller auf diese Kundenanforderungen lag innerhalb derletzten Jahre darin, die Zahl der angebotenen Varianten enorm zu erhöhen. EineVariantenzunahme hat jedoch eine steigende Prognose- und Planungsunsicherheit zurFolge. Die Konsequenzen sind kostenintensive Lagerbestände, ein zunehmendesModerisiko, eine hohe Komplexität in der Zulieferkette und immer höhere Discounts,um Überproduktionen abzuverkaufen. Dazu kommen verlorene Umsätze für Schuhe,die trotz großer Nachfrage nicht in ausreichenden Mengen oder richtigen Größen ver-fügbar sind. Die Adidas Führung reagierte Mitte der 1990er Jahre auf diese Situationmit dem Entschluss, mit Mass Customization eine neue Form der Wertschöpfung zuverfolgen, um sich den verschärften Marktanforderungen zu stellen.

mi adidas

Adidas startete im Jahr 2000, nach einer zweijährigen Vorbereitungsphase, das Mass-Customization-Projekt ‘mi adidas’. Zunächst wurde die Möglichkeit derSchuhindividualisierung nur für den Bereich Fußball und Laufen angeboten, eineErweiterung des Angebots auf andere Sportarten wie etwa Tennis war aber von Anfangan geplant.

Im Vergleich zu Nike (Kasten 5–1) geht ‘mi adidas’ insichtlich Produktindividuali-sierung noch einen bedeutenden Schritt weiter: Der Kunde kann nicht nur zwischenverschiedenen Farbgestaltungen und Schriftzügen für den gewünschten Schuh wäh-

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Von Mass Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG

Der weltweit größte Sportartikelhersteller Nike praktiziert schon seit Ende des Jahres 1999 eineIndividualisierungsstrategie im Sportschuhbereich unter dem Namen NikeID. Über seineInternetseite bietet das Unternehmen unterschiedliche Modelle aus den Bereichen Laufen, Fußballund Basketball zur Online-Konfiguration durch den Kunden an. Die angebotenen Schuhe basierendabei auf den normal erhältlichen Serienmodellen und können lediglich in der Farbgebung sowiedurch einen eigenen Schriftzug vom Kunden individualisiert werden. Eine Visualisierung zeigt, wieder Schuh später aussehen wird. Hat sich der Kunde für eine Farbkombination und einenSchriftzug, der aus bis zu acht Zeichen bestehen kann, entschieden, kann er noch seine Schuh-größe angeben und die Bestellung mit der Eingabe seiner Lieferadresse abschließen. Etwa fünfWochen später erfolgt die Auslieferung per UPS. Preislich liegt der an die Gestaltungswünschedes Kunden angepasste Schuh mit zusätzlichen $10 nur geringfügig über dem des Standard-modells.

Kasten 5–1: Die Konkurrenz: Mass Customization bei Nike

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len, sondern auch mit Hilfe von verschiedenen statischen und dynamischenMesssystemen die exakte Länge und Breite seiner Füße sowie die Besonderheiten sei-nes Laufstils bestimmen lassen. Ein derartiger Service, bei dem auf die Wünsche desKunden hinsichtlich Passform (fit), Funktion (performance) und Aussehen (design)eingegangen wird, war bislang nur professionellen Athleten vorbehalten.

Die Schuhe werden zu einem Preis angeboten, der etwa 30 bis 50 Prozent über dem desStandardschuhs liegt. Die Erhebung der Individualisierungsinformationen erfolgt inden Verkaufsräumen von Sporthäusern an einem mobilen Konfigurationsterminal, derso genannten ‘mi adidas’ Unit. Diese Units samt Betreuungsteam können vonSporthändlern für einen Zeitraum von wenigen Tagen bis mehreren Wochen gebuchtwerden. Zusätzlich werden die Units auch bei Sportgroßereignissen wie beispielsweiseMarathonläufen aufgebaut. Darüber hinaus plant Adidas die Zahl seiner Concept-Stores, zu deren Ausstattung eine fest installierte ‘mi adidas’ Unit gehört, weltweit aus-zubauen.

Allen Terminals ist gemein, dass speziell ausgebildete Produkttrainer die kundenindi-viduellen Anforderungen erfassen. Die Termine, an denen eine Unit in einemSportgeschäft aufgebaut wird, werden im Vorfeld auf der Adidas-Website und durchden Sporthändler bekannt gegeben. Das Terminal besteht aus einem statischenPräzisionsmessgerät, mit Hilfe dessen die Fußlängen und -breiten bestimmt werden,einer Sensormatte, dem so genannten Footscan-System, mit dem die dynamischeDruckverteilung der Füße ermittelt wird, einem Laptop, der die Informationen sam-melt und verarbeitet sowie einem Regalsystem mit mehreren hundert Probeschuhen.Die Erhebung der kundenindividuellen Daten wird in mehreren Schritten durchge-führt (Abbildung 5–1):

Im ersten Schritt erfolgt die Erfassung der genauen Länge und Breite jedes Fußes.Dies geschieht mit dem Messsystem, auf das sich der Kunde zu Beginn desKonfigurationsprozesses nach Ausziehen seiner Schuhe stellen muss. Es hat sichgezeigt, dass bei der Mehrheit aller Kunden die Maße der beiden Füße nicht über-einstimmen. So wurden zum Teil Abweichungen von bis zu drei Zentimetern in derLänge gemessen, eine Tatsache, die wiederum das Anbieten individuell angepas-ster Schuhe noch sinnvoller erscheinen lässt.

Im nächsten Schritte erfolgt die Untersuchung des Laufverhaltens. Hierzu wird derKunde aufgefordert, mehrmals ohne Schuhe so über die Footscan-Matte zu laufen,wie es seinem gewöhnlichen Stil entspricht. Die durch das dynamische Messsystemermittelte Druckverteilung der abrollenden Füße wird dem Produkttrainer amComputerbildschirm sofort visualisiert und er kann dem Kunden dieBesonderheiten seines Laufstils erläutern.

Anschließend erfolgt das Testen eines Probeschuhs. Ein wesentlicher Bestandteilder Unit sind die Regale mit den Probeschuhen. Nach Eingabe der Maße undBestimmung des Laufverhaltens schlägt der Computer einen Schuh für jeden Fußvor, welcher vom Produkttrainer dem Kunden zum Anprobieren zur Verfügunggestellt wird. Hier hat der Kunde die Möglichkeit, den vom System bestimmtenSchuh auszuprobieren und Änderungswünsche zu äußern.

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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Der nächste Schritt besteht aus der Auswahl des individuellen Schuhdesigns. AmComputerbildschirm wird ein ungestalteter, weißer Basis-Schuh dargestellt, dersich in alle Richtungen drehen und wenden lässt. Der Kunde kann nun verschiede-ne Bereiche des Schuhs wie beispielsweise Zunge, Oberleder, Streifen etc. auswäh-len und auf einer Farbpalette eine von 50 verschiedenen Farben wählen. Schließlichhat er die Möglichkeit. auf jeden Schuh ein Monogram mit maximal acht Zeichen(Buchstaben oder Zahlen) sticken zu lassen.

Im letzten Schritt erfolgt die Erfassung der persönlichen Daten des Kunden; auchwerden Zahlungs- und Auslieferungsmodalitäten besprochen. Alle erhobenenKonfigurationsdaten werden an die Adidas-Zentrale in Herzogenaurach über-mittelt, von wo sie zur Produktion nach Asien weitergeleitet werden.

Nach etwa drei bis vier Wochen erfolgt die Lieferung der individualisierten Schuhe anden Sporthändler, in dessen Räumen die Konfiguration stattgefunden hat. War derSporthändler im Vorfeld der ‘mi adidas’-Aktion für Werbemaßnahmen, Termin-

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Von Mass Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG

Abbildung 5–1: Der ‘mi adidas’-Konfigurationsprozess

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FTP
Note
Abbildung fehlt es technischen Gruenden. Siehe hierzu die gedruckte Printausgabe.
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vereinbarungen und das Entgegennehmen einer Anzahlung zuständig, so ist er nachLieferung der Schuhe dafür verantwortlich, die Kunden zu benachrichtigen und denRestbetrag bei Abholung der Schuhe entgegenzunehmen. Sollten in der Nachkauf-phase Fragen oder Beanstandungen auftreten, so wird als erstes der Sporthändler kon-taktiert.

Bei der ‘mi adidas’-Individualisierungsmethode handelt es sich wie beim NikeID-System um eine individuelle Modularisierung. Hierbei kann der Kunde aus einer fixenAnzahl von Modulen unterschiedlicher Ausprägung, die auf einem Basisprodukt auf-bauen, wählen. Beim Laufschuh „Supernova“ erfolgt die kundenindividuelleAnpassung des Grundmodells beispielsweise durch die Kombination der fünfKomponenten (1) Länge, (2) Breite, (3) Stützsystem, (4) Farbgebung und frei wählbarer(5) Schriftzug. Bei der Länge werden 24 verschiedene Ausprägungen, so genannteGraduierungen, unterschieden, die jeweils um 4,23 Millimeter variieren. In der Breitehat der Kunde die Wahl zwischen vier Ausprägungen: schmal, mittel, weit und extra-weit. Bezüglich des Laufverhaltens besteht im Falle einer festgestellten Überpronation,d. h. wenn der Läufer verstärkt über die Innenseite des Fußes abrollt, die Möglichkeit,ein zusätzliches Stützsystem einarbeiten zu lassen. Das Individualisierungskonzeptvon ‘mi adidas’ kann als ein so genanntes match-to-order-System bezeichnet werden.Die verschiedenen Ausprägungen der Module sind zum größten Teil bereits vorgefer-tigt. Sie werden also schon produziert, ohne dass ein spezieller Kundenauftrag vor-liegt. Sobald der Auftrag eingeht, beginnt die Herstellung des Schuhs, indem diegewünschten Module kombiniert werden. Die Farbgebung und Erstellung derStickereien erfolgt durch flexible Fertigungsverfahren. Es wird also nicht für jedenKunden ein eigener Leisten entwickelt, wie es bei einer kundenindividuellenEinzelfertigung (made-to-order) der Fall wäre, sondern der Fuß eines Kunden wirdeinem vorhandenen Leisten zugeordnet. Insgesamt hat der Kunde pro Schuh dieAuswahl aus über 192 Kombinationen für die individuellen Anforderungen anPassform (Fit) und Leistungsverhalten (performance). Addiert man die Möglichkeitenbeim Design hinzu, sind schnell mehrere Millionen Kombinationen erreicht.

Das Open-Innovation-Projekt mi-adidas-und-ich

Dieses mi adidas System wurde ungeachtet einiger Start-Probleme von den Kundengut angenommen und ist inzwischen im Unternehmen etabliert. Zwar ist ‘mi adidas’im Vergleich zu den anderen Produktgruppen noch ein recht kleines Programm (ausSicht des Umsatzes), jedoch hat es im Unternehmen eine wichtige Vorreiterfunktion:Zunächst dient es als Aushängeschild der Marketingabteilung, um die Innovativitätund Fortschrittlichkeit der Marke Adidas herauszustellen. Weiterhin gewinnt Adidasals Unternehmen durch die direkte Interaktion mit den Kunden wichtige Erfahrungenfür eine kontinuierliche Verbesserung des Produktprogramms. ‘mi adidas’ hat sichaber vor allem auch als Experimentierplattform für das Unternehmen bewährt, woweitergehende Aktivitäten getestet werden. Hierzu gehört ein Programm in BereichCustomer Relationship Management (CRM), aber auch der Ideenwettbewerb mi-adi-das-und-ich, der im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen dieser Fallstudie steht.

Die Entscheidung der Verantwortlichen, ein Open Innovation-Projekt durchzuführen,basiert im Wesentlichen auf drei Faktoren:

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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1. Kundennähe: Spricht man mit Verantwortlichen bei Adidas, so gelangt man sehrschnell zu der Erkenntnis, dass es sich bei den zentralen Kunden des Unternehmensum Großabnehmer wie Karstadt, Footlocker etc. handelt. Das Unternehmen ist beina-he zu hundert Prozent im B2B-Markt tätig. Der Kontakt zu den Endkunden findet ausdiesem Grund nur sehr begrenzt und fast ausschließlich über Intermediäre statt. Diekundenindividuellen Konfigurationen bei ‘mi adidas’ basieren jedoch auf der direktenInteraktion mit dem Konsumenten und stellen somit eine Prozessinnovation innerhalbdes traditionellen Geschäftsmodells dar. Schon zu Beginn der Konzeption von ‘mi adi-das’ wurde aufgrund dieser – durch die Integration des Endkunden in denLeistungserstellungsprozess entstehenden – Kundennähe ebenfalls die Integration desKunden in den Innovationsprozess als logische Konsequenz eingeplant.

2. Ausbau der CRM-Aktivitäten: Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass derSchuhmarkt von einem immensen Wettbewerbsdruck sowie einer stetig wachsendenKäufermacht beherrscht wird, sehen sich gerade die großen Hersteller gezwungen,trotz ihres traditionellen Schwerpunkts im B2B-Geschäft, verstärkt auf die Bedürfnisseder Endkonsumenten einzugehen und lang anhaltende Kundenbeziehungen aufzu-bauen. Der Ausbau von Aktivitäten innerhalb des Customer Relationship Mana-gements (CRM) ist deshalb von hoher strategischer Wichtigkeit. CRM kann allgemeinals bereichsübergreifende, meist IT-unterstützte Geschäftsstrategie definiert werden,die auf den systematischen Aufbau und die Pflege dauerhafter und profitablerKundenbeziehungen abzielt. Die im Projekt vorgesehene Entwicklung einer internet-basierten Interaktionsplattform zur Gewinnung von Kundenfeedbacks stellt ein CRM-Tool par excellence dar, weshalb das Projekt von Anfang an die Zustimmung allerVerantwortlichen besaß und mit großem Interesse verfolgt wurde.

3. Entwicklungspotenziale: Auf Grund der Tatsache, dass es sich bei ‘mi adidas’ umeine relative junge Initiative handelt (Markteinführung in 2000), ergeben sich zahlrei-che Bereiche, innerhalb derer Verbesserungen bestehender Prozesse sowie kompletteNeuerungen einen echten Mehrwert darstellen und somit sehr willkommen sind. DasDurchführen eines Open-Innovation-Projekts ist somit nicht nur zum Aufbau vonKundenbeziehungen wichtig, sondern liefert darüber hinaus auch konkrete Vorschlägezur Optimierung des betrieblichen Leistungsangebots.

Initiierung und Aufbau des Projektes

Nach einer Abwägung verschiedener Alternativen wurde ein internetbasierterIdeenwettbewerb als die beste Methode zur Pilotierung einer Integration der Kundenin die Produktentwicklung ausgewählt. Die Entscheidung, den ‘mi adidas’-Geschäfts-bereich zum Objekt der Innovation zu machen, erlaubt dabei eine weitere Beson-derheit: Der Ideenwettbewerb konnte so gestaltet werden, dass kreative Beiträge zurVerbesserung bzw. Neuausrichtung des bestehenden Kaufvorgangs einschließlich derNachkaufphase eingesendet werden konnten. Der Fokus lag somit auf Dienstleistungs-und nicht auf Produktinnovationen. Gerade im Bereich der Gestaltung innovativerDienstleistungen sieht Adidas für die Zukunft große Wachstumsfelder, zugleich isthier aber relativ wenig internes Know-how vorhanden (im Vergleich zur technischenProduktentwicklung).

5.1

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Von Mass Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG

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mi-adidas-und-ich wurde im Juni 2004 offiziell gestartet und die ersten Kunden zurTeilnahme eingeladen. Während der Durchführung des Projektes wurde der letzteSchritt im Konfigurationsprozess durch die Aufklärung des Kunden über das Projektergänzt, wobei unter anderem ein Informationsblatt mit den wichtigsten Details ausge-teilt wurde. Grundsätzlich wurde dabei folgender organisatorischer Ablauf verfolgt:

Mit dem Projektstart wurde der Kunde am Verkaufsterminal darauf hingewiesen,dass er in den nächsten Tagen via Email zur Teilnahme am Projekt eingeladen wird.Die Teilnahme war gemäß den Vorgaben der Adidas-Verantwortlichen ausschließ-lich für mi adidas-Kunden im deutschsprachigen Raum für den beschränktenZeitraum von sechs Monaten vorgesehen.

Hinsichtlich des Sportschuhtyps wurden keinen Einschränkungen gemacht, sodass sowohl Käufern von Laufschuhen als auch von Fußballschuhen teilnehmenkonnten.

Um nur den ‘mi adidas’-Kunden den Zugang zu der Plattform zu gewähren, wur-den in der Einladungsmail die persönlichen Zugangsdaten übermittelt. Nahm derKunde innerhalb von sieben Tagen nicht teil, so wurde eine einmaligeErinnerungsmail versandt.

Die Preise für die von einer Adidas-internen Jury ermittelten drei besten Einsen-dungen bestanden aus einer Einladung nach Herzogenaurach mit Einkaufsgut-scheinen im Wert von je 250,-€.

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–2: Aufbau der Gestalte-Seite des Ideenwettbewerbs

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Note
Abbildung fehlt es technischen Gruenden. Siehe hierzu die gedruckte Printausgabe.
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Hat sich der Kunde erfolgreich mit den in der Email enthaltenen Zugangsinfor-mationen angemeldet, so gelangt er auf eine personalisierte Website, auf der er weite-re Informationen zum Projekt erhält und wird schließlich zum Ideenwettbewerb wei-tergeleitet. Grundsätzlich ist der Ideenwettbewerb in zwei Bereiche geteilt:

Zum einen gibt es den Bereich Gestalte, bei dem der Kunde seine kreativenBeiträge systematisch formulieren kann,

zum anderen findet sich der Bereich Bewerte, bei dem der Kunde die Möglichkeithat, die Ideen anderer Teilnehmer zu bewerten und fortzuführen.

Die systematische Ideenformulierung im Gestalte-Bereich wird durch eine Visuali-sierung der wichtigsten Stationen des Kaufprozesses und Situationen der Nach-kaufphase unterstützt. Abbildung 5–2 zeigt den Aufbau der Gestalte-Seite desIdeenwettbewerbs.

Um die Ideen der Kunden zu strukturieren, werden zur jeder Phase des ‘mi adidas’-Interkationsprozesses stichwortartig einige ausgewählte Teilschritte genannt.Insgesamt werden der Kaufprozess und die Nachkaufphase in zwölf Einzelschritteaufgeteilt:

Beim ersten Schritt Termin können Beiträge zu Gegebenheiten im Vorfeld deseigentlichen Kaufprozesses eingesendet werden. Ausgesuchte Stichworte hierzusind ‘mi adidas’-Werbeaktivitäten, Websitegestaltung und Terminvereinbarungs-modalitäten.

Gestaltung: Wahrnehmung des Geschäfts, Platzierung des Verkaufsterminals,Gestaltung des Terminals etc.

Anmeldung: Wahrnehmung des Produkttrainers, Empfang, Wartezeit bis Vermes-sung, Registrierung etc.

Scanning: Fußvermessung, Footscan etc.

Fitting: Visualisierung der Fußformen, Erläuterung der Stützsysteme, Identifika-tion der Schuhe, Auswahl und Test der Probeschuhe etc.

Design: Beratung am PC, Farbauswahl, Stickerei etc.

Kaufabschluss: Bestellung, Mappe mit Zertifikat, Ende der Individualisierung,Anzahlung beim Händler etc.

Produktion: Wartezeit, Benachrichtigung durch Händler etc.

Auslieferung: Abholung und Begutachtung der Schuhe etc.

Einsatz: Schuhe im Einsatz, Zufriedenheit mit den Schuhen, Probleme mit denSchuhen, Abnutzung der Schuhe etc.

After Sale Services: Reorder, Newsletter, Hotline etc.

Advanced Services. Bei diesem letzten Schritt hat der Kunde die Freiheit, weiterge-hende Vorschläge, die keiner anderen Situation zuzuordnen sind, einzusenden.

5.1

265

Von Mass Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG

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Mit Hilfe einer On-Mouse-Over-Funktion wird dem Kunden beim Überfahren derBilder angezeigt, um welche Situation und Teilschritte es sich im Speziellen handelt.Nach Auswahl einer Station durch Anklicken des Bildes hat der Kunde dieMöglichkeit, in ein Titelfeld eine passende Überschrift für seinen Beitrag zu schreibenund in einem darunter erscheinendem Freitextfeld seine kreativen Gedanken in belie-biger Länge auszuformulieren.

Nach Absenden der Idee gelangt der Kunde zurück auf die Startseite, wo er eine wei-tere Idee eingeben oder im Bereich Bewerte die Ideen anderer Kunden beurteilen kann.Der Kunde hat die Möglichkeit, diese Beiträge anhand verschiedener Beurteilungs-dimensionen zu bewerten. Darüber hinaus kann er den Beitrag durch Eintrag in einFreitextfeld kommentieren oder fortsetzen. Ursprüngliche Idee, wie auch Bewertungund Kommentar, sind für alle anderen Kunden einsehbar.

Die Durchführung des mi-adidas-und-ich Projekts stellte für adidas selbst eine radika-le Prozessinnovation dar, die von zahlreichen Unsicherheiten begleitet war. Ziel desProjekts war es demgemäß, festzustellen, ob die Kunden sich überhaupt an demProjekt beteiligen (Teilnahmeverhalten) und ob die beim Ideenwettbewerb eingesand-ten Beiträge überhaupt kreativ sind (Leistungsverhalten).

Teilnahmeverhalten

Innerhalb der sechsmonatigen Projektphase wurden an insgesamt 774 KundenEinladungen zur Teilnahme versendet. Folgende Auflistung gibt eine Übersicht überdie Beteiligungsquoten:

Beim Ideenwettbewerb wurden insgesamt 103 Beiträge eingesendet, wobei sichzeigte, dass 82 Beiträge als sinnvoll bezeichnet werden können.

Die 21 ausgeschlossenen Beiträge stellen mehr oder weniger ernst gemeinteEinträge dar, die vermutlich überwiegend zum Testen des Systems getätigt wur-den.

Die 82 verwertbaren Beiträge wurden von insgesamt 57 Personen verfasst. Diesberuht auf der Tatsche, dass einige Personen mehrere Beiträge eingesandt hat-ten.

Jeweils eine Idee wurde von 38 Personen, jeweils zwei Ideen wurden von 15Personen und jeweils 3 Ideen wurden von 3 Personen eingesandt. Eine Person ver-fasste sogar fünf kreative Beiträge.

Es zeigte sich, dass die Themen der Einsendungen über alle zwölf Stationen unter-schiedlich verteilt waren: 7 Beiträge für Termin, 4 Beiträge für Gestaltung, 6 Beiträgefür Anmeldung, 8 Beiträge für Scanning, 9 Beiträge für Fitting, 12 Beiträge fürDesign, 3 Beiträge für Abschluss, 9 Beiträge für Produktion, 6 Beiträge für Lieferung,2 Beiträge für Einsatz, 6 Beiträge für After Sale und 10 Beiträge für AdvancedServices. Abbildung 5–3 gibt eine Übersicht der Verteilung der 82 Beiträge auf diezwölf Stationen:

5

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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Leistungsverhalten

Neben der reinen Feststellung der Beteiligungszahlen muss darüber hinaus auch dieQualität der eingesandten Ideen – also, ob die Beiträge überhaupt kreativ sind – über-prüft werden. Hierzu bewerteten fünf Adidas-interne Experten die Beiträge an Handder vier Dimensionen Originalität, Kundennutzen, Anzahl der Nutznießer undAusarbeitungsgrad. Die Beurteilung erfolgte auf einer siebenstufigen Skala, wobei 0für keine Ausprägung und 6 für eine sehr hohe Ausprägung stand. Der Gesamtscoreergab sich durch Addition der Einzelscores. Aufgrund der Tatsache, dass fünf Expertenbei vier Dimensionen Werte zwischen null und sechs verteilt hatten, ergab sich einMaximalscore von 120 (= 5 Experten x 4 Bewertungsdimensionen x 6 max. Punkte) undein Minimalscore von null. Auf Basis dieser Gesamtscores konnten alle 82 Beiträge ineine Reihenfolge gebracht werden. Da einige Teilnehmer mehrere Ideen eingesandthatten, wurde beschlossen, jeweils nur den Beitrag mit dem höchsten Score zu verwen-den, da dies der für die Untersuchung relevanten Maximalleistung des Kunden ent-sprach. So wurden die 57 Teilnehmer des ‘mi adidas’-Ideenwettbewerbs gemäß ihrerKreativitätsleistung in eine finale Reihenfolge gebracht. Die Auswertung ergab einenMaximalscore von 107 und einen Minimalscore von 51.

Zur Verdeutlichung wurden alle Einzelscores in Gruppen eingeteilt. Die Einteilungerfolgte in Fünferschritten, so dass zwölf Gruppen von 50-54 bis 105-109 entstanden. Eszeigte sich, dass die Scoreverteilung einer Normalverteilungskurve folgte. Anhand die-ser Verteilung konnte eine übergeordnete Einteilung aller Beiträge in die KategorienKommentare, Verbesserungsvorschläge und neue Ideen vorgenommen werden. Eswurde festgelegt, die fünf von sehr geringer Kreativität geprägten Beiträge unterhalbder Scoremarke von 65 als Kommentare, die 46 Beiträge mit Leistungsscores zwischen

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Von Mass Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG

Abbildung 5–3: Verteilung der Ideen auf die unterschiedlichen Phasen

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Anz

ahl P

erso

nen

4

6

8

10

12

7

4

6

8

9

12

3

9

6

2

6

10

TerminGestaltung

AnmeldungScanning

FittingDesign

AbschlussProduktion

LieferungEinsatz

After SaleAdvanced

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65 und 100 als Verbesserungsvorschläge und die sechs Beiträge über der Scoremarkevon 100 als neue Ideen zu bezeichnen (Abbildung 5–4).

Bewertung

Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass ca. 10 Prozent der eingesandten Beiträgeals völlig neue Ideen klassifiziert werden konnten, worüber die Adidas-Verantwortlichen sehr begeistert waren. Parallel zum Ideenwettbewerb wurden dieTeilnehmer innerhalb einer Fragebogenaktion nach ihren Motiven und Eigenschaftenbefragt. Es zeigte sich, dass die Kunden der kreativen Spitzengruppe die Merkmalevon Lead Usern aufweisen (Querverweis). Der internetbasierte Ideenwettbewerb istdemnach nicht nur eine geeignete Open Innovation-Methode zur Integration vonKunden in den Innovationsprozess (=Sammlung von Ideen), sondern kann vomUnternehmen auch zur Identifikation von Lead Usern eingesetzt werden. Konkret han-delt es sich bei der Identifikation um eine Abfolge aus einem Selbst- und einemFremdselektionsprozess (Abbildung 5–5):

So nimmt nur ein Teil der Personen aus der angesprochenen Grundgesamtheit amIdeenwettbewerb überhaupt teil (=Teilnahmeselektion). Die Personen entscheideneigenständig über ihre Teilnahme, was somit einer Selbstselektion entspricht.

Zum anderen treten aus der Menge dieser Teilnehmer nur einzelne Kunden aufGrund ihrer besonderen Leistungen hervor (=Leistungsselektion). Diese Hoch-kreativen werden von einem Expertengremium ausgewählt, was einer Fremdselek-tion gleichkommt.

5

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–4: Verteilung des Kreativscores

50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 115

10

8

6

4

2

Num

bero

f Par

ticip

ants

Score

1

2 2

4

5

87

10

7

5

4

2

Comments (n=5) Improvements (n=46) New Ideas (n=6)

90% 10%

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Als Methoden der Lead User Identifikation wurden bereits das Screening und dasPyramiding beschrieben (Abschnitt 3.5.1). Aufbauend auf den Ergebnissen des mi-adi-das-und-ich Projekts kann der Ideenwettbewerb mit seinem doppelten Selektionspro-zess als weitere Methode angeführt werden.

5.1Von Mass Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG

Abbildung 5–5: Der Ideenwettbewerb als Methode zur Identifikation von Lead Usern

Ideenwettbewerb

Teilnahmeselektion

Leistungsselektion

Beim Ideenwettbewerb findet ein doppelter Selktionsprozessstatt. Zum einen nimmt nur ein Teil der Personen aus der angesprochenen Grundgesamtheit am Ideenwettbewerbteil überhaupt teil (=Selbstselektion). Zum anderen treten aus

der Menge dieser Teilnehmer wiederum nur Einzelne auf Grund ihrer besonderen Leistungen hervor, was wiederum von einem Expertengremium ermittelt wird (=Fremdselektion).

Fragen zur Diskussion der Fallstudie

Führen Sie eine Internetrecherche durch und betrachten Sie weitere Angebote zu MassCustomization im Sportschuhbereich. Wodurch versuchen einzelne Anbieter, einenDifferenzierungsvorteil zu bekommen? Entwickeln Sie eine Klassifikation zur Angrenzung derverschiedenen Angebote.

Vor welchen besonderen Herausforderungen bei der Markteinführung und Etablierung stehtAdidas mit seinem Produkt zur Individualisierung im Vergleich zu einem rein internetbasiertenSystem? Welche Vorteile erwachsen aber auch aus dem Adidas-Ansatz?

Welche Beziehungen sehen Sie zwischen ‘mi adidas’ und dem regulären Standard-Sortimentdes Unternehmens? Diskutieren Sie die Vorteile und Gefahren einer engen Integration von ‘miadidas’ mit dem Standardsortiment im Vergleich zu einer selbständigen organisatorischenVerankerung des Programms?

Wie beurteilen Sie den mi-adidas-und-ich Wettbewerb? Welche Alternativen hätte es bei sei-ner Gestaltung gegeben? Wie kann Adidas eine Nutzen-Kosten-Abschätzung dieses Projektesvornehmen?

Welche weiteren Ideenwettbewerbe kennen Sie? Wie können Sie diese klassifizieren?

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5.2 Wikipedia als Beispiel einer interaktivenWertschöpfung in Nutzer-Communities vonInformationsgütern

Wikipedia ist eine von freiwilligen Autoren verfasste, mehrsprachige, freie Online-Enzyklopädie. Der Begriff setzt sich aus „Encyclopedia“ und „Wiki“ zusammen, einerSoftware, mit der jeder Internetnutzer im Browser Artikel verbessern oder neu anlegenkann. Bestand hat, was von der Gemeinschaft akzeptiert wird. Bisher haben internatio-nal etwa 100.000 angemeldete Benutzer und eine unbekannte Anzahl anonymerMitarbeiter zum Projekt beigetragen, über 600 Autoren arbeiten regelmäßig an derdeutschsprachigen Ausgabe mit.[1]2 Das im Januar 2001 gegründete Projekt bezeichnetsich als freie Enzyklopädie, weil alle Inhalte unter der GNU-Lizenz für freieDokumentation stehen, die jedermann das Recht einräumt, die Inhalte unentgeltlich –auch kommerziell – zu nutzen, zu verändern und zu verbreiten. Es gilt als die umfang-reichste Sammlung originär freier Inhalte. Betrieben wird das Projekt von derWikimedia Foundation, einer Non-Profit-Organisation mit Sitz in Florida, USA

Geschichte

Die erste belegte Idee, das Internet zur kooperativen Erstellung einer Enzyklopädie zuverwenden, veröffentlichte Rick Gates am 22. Oktober 1993 im Usenet. Das alsInterpedia diskutierte Projekt, wie auch die 1999 von Richard Stallman, einem derbekanntesten Vertreter der Freie-Software-Bewegung, angeregte GNUPedia kam überdas Planungsstadium allerdings nicht hinaus (siehe: Vorgänger der Wikipedia). ImMärz 2000 startete der Internet-Unternehmer Jimmy Wales seinen Anlauf zu einerInternet-Enzyklopädie. Er engagierte über die Firma Bomis, deren Teilhaber undGeschäftsführer Wales damals war, den Philosophiedozenten Larry Sanger und riefmit ihm als Chefredakteur die Nupedia ins Leben. Der Redaktionsprozess des Projektslehnte sich stark an den konventioneller Enzyklopädien an. Autoren mussten sichbewerben und ihre Texte anschließend einen langwierigen Peer-Review durchlaufen.Entsprechend langsam entwickelte sich das Projekt. Ende 2000/Anfang 2001 wurdensowohl Wales als auch Sanger auf das Wiki-Prinzip aufmerksam gemacht – angestoßen

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Was sind wesentliche Erfolgsfaktoren für Adidas, um den Einbezug der Kunden in denInnovationsprozess weiter auszubauen? Welche weiteren Instrumente könnten zum Einsatzkommen?

Was sind die Unterschiede des in der Fallstudie dargestellten Ansatzes zur Identifikation vonLead Usern im Vergleich zu anderen Methoden?

2 Dieser Text ist ohne inhaltliche Editierung der deutschen Version der Online EnzyklopädieWikipedia entnommen, die sich hier sozusagen selbst beschreibt [de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia]. Der Text wurde von mehr als 50 verschiedenen Autoren geschrieben oder bear-beitet. Eine sehr umfangreiche Diskussion gibt darüber hinaus Einblick in die Ent-stehungsgeschichte und kontroverse Bereiche dieses Beitrags [http://de.wikipedia.org / wiki /Diskussion:Wikipedia]).

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durch Sanger ging daraufhin bereits am 10. Januar ein Wiki innerhalb des Nupedia-Projekts online; nur fünf Tage später, am 15. Januar 2001, war es dann unter der eigen-ständigen Adresse wikipedia.com erreichbar. Dies gilt als offizielle Geburtsstunde desWikipedia-Projekts.[2]

Ursprünglich sollte Wikipedia als Plattform zur gemeinsamen Erstellung von Artikelndienen, die später den Redaktionsprozess der Nupedia durchlaufen sollten. Vor allemaufgrund seiner Offenheit – das Wiki-Prinzip gestattete die Mitarbeit ohneRegistrierung – entwickelte sich das Projekt so rasant, dass diese Idee immer mehr inden Hintergrund trat. Am 15. März 2001 kündigte Jimmy Wales auf derProjektmailingliste an, Versionen auch in anderen Sprachen einzurichten, unter denersten waren die französisch- und die deutschsprachige Wikipedia. Ende des Jahres2001 existierte Wikipedia bereits in 18 verschiedenen Sprachen. Im Februar 2002 ent-schied sich Bomis, nicht länger einen Chefredakteur zu beschäftigen und kündigte denVertrag mit Larry Sanger. Dieser stellte kurze Zeit später seine Arbeit bei Nupedia undWikipedia ein.

Im Februar 2002 musste die Wikipedia erstmals einen spürbaren Rückschlag hinneh-men. Zahlreiche Autoren der spanischen Wikipedia entschlossen sich zu einem Fork.

5.2Wikipedia als Beispiel einer interaktiven Wertschöpfung in Nutzer-Communities

Abbildung 5–6: Ausschnitt aus der Hauptseite der deutschsprachigen Wikipedia (Februar2006)

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Note
Abbildung fehlt es technischen Gruenden. Siehe hierzu die gedruckte Printausgabe.
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Die Gründe für die Abspaltung unter dem Namen Enciclopedia Libre waren Gerüchteüber die mögliche Einblendung von Werbung innerhalb der Wikipedia und dasUnbehagen über mangelnden Einfluss in der englischsprachig dominierten internatio-nalen Projektkoordination. Um eine weitere Aufspaltung des Projekts zu verhindern,erklärte Jimmy Wales im gleichen Jahr, dass die Wikipedia auch künftig werbefrei blei-ben solle. Außerdem änderte er die Adresse des Projekts von wikipedia.com auf wiki-pedia.org mit der für nicht-kommerzielle Organisationen gedachten Top Level Domain.org. Am 20. Juni 2003 schließlich verkündete Wales die Gründung der WikimediaFoundation und übereignete der Non-Profit-Organisation die Server, auf denen dieProjekte liefen, und die Namensrechte, die bis dato bei Bomis oder ihm persönlichlagen.

Mittlerweile existiert das Projekt in mehr als 100 Sprachen. Im September 2004 über-schritt der Umfang des Gesamtprojekts die Grenze von einer Million Artikeln. Diedeutschsprachige Wikipedia enthielt im Februar 2006 über 350.000 Artikel, die engli-sche über 970.000. Das Projekt gewann mehrere Preise, darunter im Mai 2004 einen PrixArs Electronica und einen Webby Award, sowie den Grimme Online Award 2005.

Funktionsweise

Wikipedia ist ein Wiki, das heißt eine Website, bei der jeder Benutzer ohne AnmeldungAutor werden, Beiträge schreiben und bestehende Texte ändern kann. Eine Redaktionim engeren Sinne gibt es nicht, das Prinzip basiert vielmehr auf der Annahme, dasssich die Benutzer gegenseitig kontrollieren und korrigieren. Der Inhalt ist alsHypertext organisiert. Querverweise und Formatierungsanweisungen geben dieAutoren in einer einfachen Syntax ein. So wandelt die Software in eckige Klammerngesetzte Begriffe ([[Beispiel]]) automatisch in einen Link auf den betreffenden Artikelum. Existiert dieser noch nicht, erscheint der Link in rot und beim Anklicken öffnetsich ein Eingabefeld, in dem der Leser einen neuen Artikel verfassen kann. Diese ein-fache Verlinkungsmöglichkeit hat dafür gesorgt, dass die Artikel der Wikipediawesentlich dichter miteinander vernetzt sind als die der herkömmlichen digitalenEnzyklopädien. Neben den im Kontext angebrachten Hyperlinks auf andere Artikelexistieren noch weitere Navigationsmöglichkeiten wie Kategorien oder der alphabeti-sche Index, die jedoch eine untergeordnete Rolle spielen.

Prinzipien

Der vorgegebene Rahmen für die Autoren ist sehr weit gefasst. Die Initiatoren desProjektes haben nur sehr wenige Richtlinien aufgestellt, die als unumstößlich gelten.Dazu zählt als erster Grundsatz, dass Wikipedia der Schaffung einer Enzyklopädiegewidmet ist. Der Grundsatz des neutralen Standpunkts legt die inhaltlicheAusrichtung der Artikel fest. Die Autoren willigen ferner mit dem Speichern darin ein,ihre Beiträge unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation (GFDL) zu veröffent-lichen. Als Verhaltensvorschrift wird von Mitarbeitern am Projekt gefordert, ihreMitautoren zu respektieren und niemanden persönlich anzugreifen.

(1) Wikipedia ist eine Enzyklopädie: Wie andere Enzyklopädien verfolgt auchWikipedia das Ziel, die Gesamtheit des Wissens unserer Zeit in lexikalischer Formanzubieten. Während frühere, gedruckte Enzyklopädien aus wirtschaftlichen und

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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technischen Gründen Inhalte und Autorenzahl beschränken mussten, unterliegt dieWikipedia keinen solchen Einschränkungen: Festplattenplatz ist billig, die Autorenarbeiten ehrenamtlich. Welche Themen aufgenommen werden und in welcher Form,entscheidet die Community in einem offenen Redaktionsprozess. Konflikte in derWikipedia kreisen in diesem Zusammenhang meist darum, was Wissen darstellt, wodie Abgrenzung zu reinen Daten und gänzlich Irrelevantem liegt. Abgesehen von gro-ben Leitlinien, die Wikipedia von anderen Werktypen wie Wörterbuch, Datenbank,Link- oder Zitatsammlung abgrenzen, gibt es keine allgemeinen Kriterienkatalogeetwa für Biographien, wie sie in traditionellen Enzyklopädien gebräuchlich sind. ImZweifel wird über den Einzelfall diskutiert. Empfindet ein Benutzer ein Thema alsungeeignet oder einen Artikel als dem Thema nicht angemessen, kann er einen sogenannten Löschantrag stellen, der im Folgenden diskutiert wird.

(2) Neutraler Standpunkt: In Wikipedia arbeiten Autoren mit unterschiedlichstempolitischen, religiösen und weltanschaulichen Hintergrund mit, die offeneEnzyklopädie schließt von vorneherein niemand aufgrund seiner Einstellungen aus.Um dabei unweigerlich aufkommende Kämpfe um Artikel zu verhindern bzw. einenAusweg daraus zu schaffen, hat Gründer Jimmy Wales die Richtlinie des neutralenStandpunkts (NPOV, von englisch neutral point of view) aufgestellt. Danach soll einArtikel so geschrieben sein, dass möglichst viele Autoren ihm zustimmen können.Existieren zu einem Thema mehrere verschiedene Ansichten, so soll sie ein Artikel fairbeschreiben, aber nicht selbst Position beziehen. Der neutrale Standpunkt verlangtjedoch nicht, dass alle Ansichten gleichwertig präsentiert werden müssen: Die wissen-schaftlich plausiblere Ansicht kann etwa an erster Stelle genannt werden (siehe auch:Ockhams Rasiermesser). Wie die Eignung einzelner Artikel für eine Enzyklopädiewird auch die Einhaltung des neutralen Standpunkts durch den sozialen Prozessgewährleistet und gerade bei kontroversen Themen oft nur in mühevollenDiskussionen erreicht.

(3) Urheberrecht und Freiheit der Inhalte: Alle Mitarbeiter der Wikipedia erklärensich mit dem Einstellen oder Bearbeiten von Artikeln damit einverstanden, von ihnenbeigetragene Inhalte unter der GFDL zu veröffentlichen. Diese Lizenz erlaubt es ande-ren, die Inhalte nach Belieben zu ändern und auch kommerziell zu verbreiten, soferndie Bedingungen der Lizenz eingehalten werden und die Inhalte wieder unter der glei-chen Lizenz veröffentlich werden. Die Lizenz macht es damit unmöglich, Wikipedia-Artikel und auf diesen basierende Texte unter Berufung auf das Urheberrecht exklusivzu verwerten (Copyleft-Prinzip). Für viele Autoren ist dieses aus der Freie Software-Bewegung bekannte Prinzip ein wesentlicher Grund, bei der Wikipedia mitzuarbeiten.Die Lizenz schreibt ebenfalls vor, Hauptautoren von Artikeln bei Veröffentlichungenaußerhalb der Wikipedia zu nennen. Einige engagierte Autoren, die nicht anonymarbeiten, werden dadurch zusätzlich motiviert.

(4) Respektvoller Umgang: Auch wenn diese Richtlinie als unnötig angesehen werdenkann, da der respektvolle Umgang mit anderen Menschen als Selbstverständlichkeitgelten sollte, zeigt die Realität doch, dass diese Richtlinie ihre Existenzberechtigunghat. Besonders die Offenheit des Projektes und der damit verbundene unkontrollierteZustrom neuer Autoren, die rein schriftliche Kommunikation sowie die unterschiedli-

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Wikipedia als Beispiel einer interaktiven Wertschöpfung in Nutzer-Communities

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che soziale und kulturelle Herkunft der aktiven Benutzer machen es notwendig, sichvon Zeit zu Zeit an diese Richtlinie zu erinnern.

Organisation

Aufbau der Wikipedia: Sowohl die Interpretation der oben aufgeführten Grundsätzeals auch weitere Vorgaben werden von der Gemeinschaft der Autoren festgelegt undberuhen vor allem auf sozialen Protokollen. Der Betreiber des Projekts, die WikimediaFoundation, mischt sich in aller Regel nicht in diesen Prozess ein und vertraut stattdes-sen auf die Selbstorganisation der Gemeinschaft. Organisatorisch gliedert sich dieWikipedia in drei Bereiche, durch Präfixe im Seitennamen unterschiedene so genann-te Namensräume: die eigentliche Enzyklopädie mit den angeschlossenenDiskussionsseiten, wo an den Artikeln gearbeitet wird, den Benutzernamensraum, indem jeder Autor eine persönliche Seite erhält, auf der er sich vorstellen kann, und eineNachrichtenseite, auf der andere mit ihm Kontakt aufnehmen können, und demWikipedia-Namensraum zur Verwaltung des Projekts. Im Wikipedia-Namensraumfinden sich Einführungstexte und das Software-Handbuch, Stilregeln undFormatkonventionen. Dort entscheidet die Autorengemeinschaft, welche Artikelgelöscht werden, kürt in einem Review-Prozess besonders gute Beiträge zu exzellentenArtikeln, die auf der Hauptseite vorgestellt werden, und wählt Administratoren, dieerweiterte Software-Funktionen erhalten.

Entscheidungsfindung und Organisationsstruktur: Die Einflussstruktur derWikipedia ist komplex und erschließt sich in der Regel erst nach längerer aktiverTeilnahme am Projekt. Sie vereint Züge von Anarchie, Meritokratie, Demokratie,Autokratie und Technokratie. Der anarchische Charakter folgt aus dem Wiki-Prinzip,nach dem jeder, auch anonym, Seiten ändern kann. Soziale Konventionen und größten-teils informelle Organisationsprozesse erhalten eine interne Organisationsstruktur auf-recht. Angemeldete Teilnehmer können sich mit ihren Beiträgen in der Communityeinen Ruf und Vertrauen erwerben. Neben der Überzeugungskraft ihrer Argumentebemisst sich danach auch der Einfluss, den Teilnehmer auf laufende Diskussionenhaben. Formalisiert wird der Prozess durch die Ernennung von Administratoren.Besonders engagierte Teilnehmer wählt oder bestimmt die Autorengemeinschaft zuAdministratoren mit erweiterten Rechten. Bei Entscheidungen über Regeln wird inWikipedia traditionell versucht, einen Konsens zu finden. Praktisch ist ein echterKonsens bei der Vielzahl der Mitarbeiter kaum möglich. Regeln, die über eine ausrei-chende Legitimität verfügen sollen, müssen von einer großen qualifizierten Mehrheitder Benutzer getragen werden. Die meisten Regeln und Prozesse etablieren sich so inder Praxis dadurch, dass viele Teilnehmer einen Vorschlag aufgreifen und anwenden.Andere Entscheidungen werden in Meinungsbildern getroffen, die zwischenDiskussion und Abstimmung anzusiedeln sind.

Die Entwicklung der Software, etwa den Einbau neuer Features, bestimmt das von derCommunity unabhängige Team der Programmierer, das sich aber an den Wünschender Nutzer orientiert. Den größten persönlichen Einfluss – vor allem in der englischenWikipedia, aber auch in manch anderen Sprachversionen – hat der Gründer JimmyWales, der in seiner Rolle als „Benevolent dictator“ lange Zeit Konflikte in derCommunity als oberste Autorität schlichtete. Einen Teil seiner Aufgaben übertrug er

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Anfang 2004 in der englischen Wikipedia an ein von den Teilnehmern gewähltes„Arbitration committee“. Eine diesem Schiedsgericht vergleichbare Institution in ande-ren Sprachversionen existiert bis jetzt nur in der französischen Wikipedia. DieOberhoheit über Wikipedia hat schließlich die Wikimedia Foundation alsBetreiberorganisation und Finanzier.

Internationale Zusammenarbeit: Obwohl anfangs nicht geplant, entwickelte sichWikipedia zu einem mehrsprachigen Projekt. Sobald sich genug Interessierte finden,wird für eine Sprache ein Wiki angelegt. Über die Grenzziehung zwischen Spracheund Dialekt entstehen in der Community oft heftige Kontroversen. Die Artikel derdurch Interwiki-Links miteinander verknüpften Sprachversionen sind selten übersetzt,sondern entstehen meist separat. Bedingt durch die Sprachbarriere, besteht zwischenden Sprachen in der Regel wenig Austausch, die Communitys organisieren und ent-wickeln sich unabhängig voneinander. Einzelne Projekte wie die „Übersetzung derWoche“ versuchen diese Barriere zu überwinden und für mehr Austausch zu sorgen.Besonders die Gründung von Wikimedia Commons sorgte für einen Aufschwung inder internationalen Zusammenarbeit. Auf den mehrsprachig angelegten Commonsarbeiten Wikipedia-Teilnehmer aus allen Sprachversionen am Aufbau eines zentralenMedien-Repository.

Finanzierung: Die Finanzierung der technischen Infrastruktur und des übertragenenDatenvolumens, der Miete für Rechenzentren, Domainregistrierung sowie derFörderung von spezifischen Software-Entwicklungsaufgaben und gelegentlich auchvon Reisekosten erfolgt vollständig durch Spenden.

Kritik und Probleme

Qualität und Verlässlichkeit der Inhalte: Der am häufigsten angeführte Kritikpunktan der Wikipedia ist, dass jeder Internetnutzer Artikel verändern kann. Während her-kömmliche Enzyklopädien mit bezahlten Experten und redaktioneller Kontrolle fürdie Einhaltung von Qualitätsstandards bürgen, bietet Wikipedia keine Gewähr für dieVollständigkeit und Richtigkeit ihrer Artikel. Das prominenteste Beispiel eines Hoax-Eintrags war der Fall des amerikanischen Journalisten John Seigenthaler, dessen fal-sche Biographie, in der der Kennedy-Berater u. a. der Verwicklung in den MordfallKennedy verdächtigt wurde, erst nach mehreren Monaten von Seigenthaler selbst ent-deckt und anschließend im November 2005 auf seine Beschwerde hin sofort gelöschtwurde [3]. Der anonyme Autor bekannte später gegenüber der amerikanischenZeitung USA Today, er habe nur einen Scherz gegenüber einem Arbeitskollegenmachen wollen.

Die Betreiber der Wikipedia stellen sich auf den Standpunkt, dass aufgrund derEinfachheit, Änderungen vorzunehmen, die Hemmschwelle sinkt, Fehler zu korrigie-ren. Nach ihrer Ansicht reifen die Artikel somit, da Fehler nach einiger Zeit gefundenund behoben werden. Durch die Fähigkeit der Software, zu jedem Artikel dessenVersionsgeschichte aufzurufen und Querverweisen zu folgen, können Leser undAutoren den Werdegang eines Artikels verfolgen und sich damit ein umfassenderesBild machen. Ebenso kann zu jedem Artikel eine Diskussionsseite abgerufen werden,die nicht in den Artikeltext gehörende Anmerkungen enthält. Die Annahme der

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Betreiber von Wikipedia ist, dass Leser das Gelesene hinterfragen und diese Angeboteannehmen. Anders als in herkömmlichen Enzyklopädien sagen Länge und Umfangeines Artikels in Wikipedia nichts über seine Bedeutung aus. Während viele Popkultur-oder Computer-Themen in aller Breite dargestellt sind, kann es passieren, dassWikipedia zu einem zentralen Begriff der Philosophie nur einen mageren, extrem kur-zen Eintrag enthält. Ein weiteres Problem stellen Interessengruppen dar, die versu-chen, Artikelinhalte in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen. Artikel zu umstritte-nen Themen wie Sekten oder obskuren esoterischen Theorien entsprechen deshalb oftnicht dem Neutralitätsgrundsatz. Um besonders umstrittene Artikel zu schützen, ist esAdministratoren jedoch auch möglich, diese vorübergehend für Bearbeitungen zusperren.

Urheberrechtsverletzungen: Die offene Natur eines Wiki bietet zunächst keinenSchutz gegen Urheberrechts- und andere Rechtsverletzungen. Ergibt sich ein Verdacht,so prüfen aktive Nutzer deshalb neue Artikel darauf, ob sie von anderen Websiteskopiert wurden. Wenn sich der Verdacht bestätigt, werden diese von denAdministratoren nach einer Einspruchsfrist gelöscht. Hundertprozentige Sicherheitbietet dieses Verfahren jedoch nicht. Der größte bekannte Fall einer Urheberrechts-verletzung wurde im November 2005 von Mitarbeitern der deutschen Wikipedia ent-deckt. Ein anonymer Autor hatte über zwei Jahre hinweg Beiträge aus Büchern kopiert.Vor allem hat er dazu alte DDR-Lexika benutzt. Besonders die Abteilung Philosophie,Wirtschaft und Geschichte waren davon betroffen. Über 1000 Artikel wurden zuerstunter Quarantäne gestellt und viele davon gelöscht, nachdem sie sich als direkteKopien herausstellten. Umgekehrt sind allerdings auch schon einige Fälle bekanntgeworden, in denen Urheberechte der Wikipedia verletzt wurden, häufig, indemBeiträge ohne Quellenangaben aus Wikipedia kopiert und in fremde Webseiten einge-arbeitet werden.

Wikipedia im Vergleich zu anderen Enzyklopädien

Der erste groß angelegte Vergleich der deutschen Wikipedia mit etablierten digitalenNachschlagewerken Microsoft Encarta Professional 2005 und Brockhaus multimedial2005 Premium erschien im Oktober 2004 in der Computer-Fachzeitschrift c’t (Ausgabe21 / 04). Wikipedia erzielte dort im Inhaltstest die höchste durchschnittliche Gesamt-punktzahl, in der Kategorie Multimedia schnitt die freie Enzyklopädie dagegenschlecht ab, ähnliche Wertungen erzielte die deutsche Wikipedia kurz darauf in einemLexikavergleich der Wochenzeitung Die Zeit. Beide Tests basierten auf einer kleinenStichprobe von insgesamt 60 bis 70 Artikeln aus verschiedenen Themengebieten.Dezember 2005 veröffentlichte die Zeitschrift Nature einen Vergleich der englischenWikipedia mit der Encyclopædia Britannica [4]. Dazu hatten sie 50 Experten gebeten,je einen Artikel aus beiden Werken aus ihrem Fachgebiet ausschließlich auf Fehler zuprüfen. Mit durchschnittlich vier Fehlern pro Artikel lag die Wikipedia nur knapp hin-ter der Britannica, in der im Durchschnitt drei Fehler gefunden wurden.

Verbreitung der Wikipedia-Inhalte

Zahlreiche Websites nehmen das Angebot der freien Lizenz wahr und spiegelnWikipedia-Inhalte, einige verdienen dabei an der Einblendung von Anzeigen. Daneben

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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entstanden auch mehrere Versionen für PDA. In der Verbreitung offline spielte diedeutschsprachige Wikipedia eine Vorreiterrolle. Mehrere deutsche Wikipedianer stell-ten WikiReader zusammen, Artikelsammlungen zu einem Thema, von denen einige inkleinen Auflagen auch gedruckt erschienen. Im Herbst 2004 veröffentlichte der Berli-ner Verlag Directmedia Publishing in Zusammenarbeit mit der Wikipedia-Communityeine CD-Version der Wikipedia, im Frühjahr 2005 folgte eine DVD-Ausgabe, die beideauch frei im Netz zum Download bereitgestellt wurden. Außerdem ist eine Buchreihein Arbeit.

Wissenschaftliche Analyse

Der Erfolg des offenen Enzyklopädiekonzepts weckte das Interesse vieler Forscher;einen Überblick publizierter Arbeiten gibt die unten verlinkte Bibliographie. Im ProjektHistoryflow analysierte und visualisierte ein Forscherteam von IBM 2003 die Evolutionvon Artikeln. Martin Wattenberg und Fernanda B. Viégas stellten dabei fest, dass dieCommunity Vandalismus erstaunlich schnell, manchmal schon nach drei Minuten,beseitigte.

Zur Sozialstruktur der Wikipedia-Autoren existieren noch wenige Untersuchungen.Eine Umfrage Würzburger Psychologen ergab einen hohen Männeranteil (88 Prozent)und etwa 50 Prozent Singles. 43 Prozent der Befragten arbeiten Vollzeit. Eine großeGruppe bilden Studenten. Zu ihrer Motivation befragt, bewerteten über 80 Prozent dieErweiterung des eigenen Wissens als wichtig bis sehr wichtig. In einer Analyse desPartizipationsverhaltens angemeldeter Teilnehmer stellte Jimmy Wales fest, dass dieHälfte aller Beiträge von gerade einmal 2,5 Prozent der Nutzer stammte. Wales stütztedamit seine These von der Wikipedia als „community of thoughtful users“, die er einerBeschreibung der Wikipedia als emergentem Phänomen gegenüberstellte, in dem sichaus den Beiträgen einer Vielzahl anonymer Internetnutzer eher spontan eineEnzyklopädie herausbilde.

Schwesterprojekte

Da sich die Wikipedia selbst auf enzyklopädische Artikel beschränkt, sind inzwischenAbleger entstanden, die sich anderer Textsorten annehmen. Ein wichtiger Ableger istWiktionary, ein Projekt, das das Wiki-Konzept auf Wörterbücher anwendet. Im Juli2003 wurde mit dem Ziel, freie Lehrbücher zu erstellen, das Wikibooks-Projekt begon-nen. Das Projekt Wikiquote sammelt Zitate, Wikisource ist eine Sammlung freierOriginalquellen. Aus der Community entwickelte sich im Frühjahr 2004 auch ein sati-rischer Ableger der Wikipedia, die Kamelopedia. Seit September 2004 gibt es mit denWikimedia Commons ein Projekt, das Bilder und andere Medien für alle Wikimedia-Projekte gemeinsam zugänglich macht. Ein weiteres Schwesterprojekt, Wikinews, dassich dem Aufbau einer freien Nachrichtenquelle widmet, wurde Anfang November2004 ins Leben gerufen. Bis auf die Kamelopedia werden alle diese Projekte von derWikimedia Foundation betrieben.

Technik

Anfangs verwendete Wikipedia als Software das in Perl geschriebene UseModWiki,das sich jedoch bald den Anforderungen nicht gewachsen zeigte. Im Januar 2002 stell-

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Wikipedia als Beispiel einer interaktiven Wertschöpfung in Nutzer-Communities

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te Wikipedia auf eine vom deutschen Biologen Magnus Manske geschriebene, MySQL-basierte PHP-Applikation (Phase II) um, die speziell an die Bedürfnisse der Wikipediaangepasst war. Nachdem das Projekt sich über ein Jahr die Ressourcen mit demWebangebot von Bomis geteilt hatte, zog die englische Wikipedia, später auch dieanderen Sprachversionen, im Juli 2002 auf einen eigenen Server mit einer von LeeDaniel Crocker überarbeiteten und teils neugeschriebenen Version von ManskesSoftware (Phase III) um. Diese erhielt später den Namen MediaWiki.

Mit steigenden Zugriffszahlen erhöhten sich die Anforderungen an die Hardware.Waren es im Dezember 2003 noch drei Server, sind zum Betrieb der Wikipedia undihrer Schwesterprojekte im Mai 2005 mittlerweile über 70 Server in Florida undFrankreich im Einsatz, die von einem Team ehrenamtlicher Administratoren betreutwerden. Das Prinzip, die Server nach berühmten Enzyklopädisten zu benennen, wurde2005 aufgegeben. Als Betriebssystem werden verschiedene Linux-Distributionen, über-wiegend Fedora, mit der Server-Software Apache, PHP und der Datenbank MySQL

5

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–7: Diagramm der Wikimedia-Server-Architektur vom 12. April 2005

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2005-04-12

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eingesetzt. Vorgeschaltete Squid-Caches versorgen nicht angemeldete Besucher, dienur lesen wollen, mit vorgenerierten Seiten. Die MySQL-Datenbank läuft auf mehrerenServern mit Replikation im Master-Slave-Betrieb. Regelmäßig kommt es zu Kapa-zitätsengpässen, die dazu führen, dass Seiten nur sehr langsam oder gar nicht geladenwerden. Mehrere Unternehmen und Organisationen boten der Wikimedia Foun-dation ihre Unterstützung an. Im April 2005 erklärte sich der SuchmaschinenbetreiberYahoo! bereit, 23 Server in seinem Rechenzentrum in Asien für den Betrieb derWikipedia abzustellen. Mit Google steht die Wikimedia Foundation ebenfalls inVerhandlungen.

Referenzen

[1] Erik Zachte: Wikipedia-Statistik, erzeugt am 25. Dezember 2005 aus dem SQL-Dump vom 10.Dezember 2005

[2] Larry Sanger: E-Mails an die Mailingliste nupedia-l: Let’s make a wiki (10. Januar 2001),Nupedia’s wiki: try it out (10. Januar 2001), Nupedia’s wiki: try it out (11. Januar 2001; NameWikipedia), Wikipedia is up! (17. Januar 2001)

[3] John Seigenthaler: A false Wikipedia „biography“ USA Today, 29.11.2005[4] Jim Jiles: Internet encyclopaedias go head to head, Nature 14.12.2005[5] Henriette Fiebig (Hrsg.): Wikipedia – Das Buch. Directmedia Publishing 2005

5.3 Mass Customization in der Reisebranche –kundenindividuelles Reisen mit DynamicPackaging

Die Reisebranche hat im letzten Jahrzehnt einen nachhaltigen Wandel erfahren.Konnten Reiseveranstalter und Reiseagenturen in den 1990er Jahren noch gut davonleben, verschiedene Reiseleistungen (Hotel, Flug etc.) als pauschal geschnürtes Paketim Reisebüro anzubieten, so hat sich das Kundenverhalten mit aufkommenderBeliebtheit des Internet drastisch verändert. Neue Online-Reiseagenturen, die sogenannten „Reiseportale“, erfreuten sich immer größerer Beliebtheit und offerierteneine Angebotsvielfalt, mit der ein konventionelles Reisebüro kaum noch konkurrieren

5.3

279

Mass Customization in der Reisebranche

Fragen zur Diskussion der Fallstudie

Diskutieren Sie am Beispiel Wikipedia, welche Grundprinzipien der interaktivenWertschöpfung Sie an diesem Beispiel sehen können. Warum ist dieses Projekt so erfolg-reich?

Welche Hürden werden den weiteren Erfolg von Wikipedia behindern? Welche Maßnahmenkann welcher Akteur dagegen ergreifen?

In welche anderen Bereiche lässt sich das Beispiel Wikipedia gut übertragen? WelcheModifikationen sind hierzu noch notwendig? Überlegen Sie auch in Hinblick auf eineProduktion materieller Güter.

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kann. Die klassische Pauschalreise verliert dagegen immer mehr zugunsten einerIndividualreise an Bedeutung. Damit wird der Mass-Customization-Gedanke auch indieser Branche immer aktueller und eine Orientierung des Reiseangebotes an den indi-viduellen Kundenbedürfnissen erscheint sinnvoll. Die vorliegende Branchenanalyseuntersucht die gegenwärtige Marktdurchdringung und die zukünftigen Erfolgsaus-sichten des so genannten „Dynamic Packaging“, d. h. des kundenindividuellen Ange-bots von Touristikdienstleistungen für einen (relativ) großen Absatzmarkt. Zu den„Best-Practice“-Beispielen der Branche können die Angebote der Online-Reiseagen-turen expedia.de (Deutschland) und lastminute.com (England) gezählt werden. Aberauch kleine Unternehmen wie die Münchner Jacana Tours GmbH bieten erfolgreichkundenindividuelle Reisen an, konzentrieren sich jedoch häufig auf einen kleinerenAbsatzmarkt. Im Fall von Jacana Tours ist das Angebot auf Individualreisen nachAfrika beschränkt. Die Konzepte der Anbieter expedia.de (lastminute.com bietet einidentisches Angebot an) und Jacana Tours werden in dieser Fallstudie genauer erläu-tert, da sie gewisse Extrempunkte auf dem Mass-Customization-Spektrum derReisebranche darstellen. Die Analyse zeigt, wie beide Unternehmensklassen ihrAngebot weiter verbessern könnten: expedia.de durch ein höheres Maß anKundenorientierung und Flexibilität, Jacana Tours durch effizientere Prozesse. DerBeitrag zeigt so, welche Möglichkeiten Mass Customization für Reiseveranstalter derunterschiedlichsten Größenklassen bietet.3

Branchenumfeld

Bereits um 770 v. Chr. verleitete der Beginn der Olympischen Spiele Menschen zueinem Ortswechsel. Der Grieche Herodot (480 bis 421 v. Chr.) war einer der Ersten, dersich zum Entdecken neuer Sitten und Gebräuche auf eine Bildungsreise begab. Erunternahm Fahrten zu Heilzwecken ebenso wie Wallfahrten zu den Göttertempeln –ein wesentliches Reisemotiv im Mittelalter. Reisen zur Erholung und zum Vergnügenunternahm man auch im alten Rom. Der Ausbau des Straßennetzes zu militärischenZwecken förderte die Reiselust und die Vorlieben für ferne Thermalquellen und Bäder(Badeverkehr). Erst mit der Zeit der Kreuzzüge und Pilgerfahrten wurde das Reisengefährlicher und strapaziöser. Hauptgründe für das „Reisen“ waren jetzt Raubzügeund Kriege, aber auch Handel, Entdeckung und Geschäftsverkehr. Im 15. und 16.Jahrhundert begann die Zeit der Weltumseglungen. Seefahrer und Literaten wecktendie Sehnsüchte und die Abenteuerlust der Menschen. Das weitgehend von religiöserund kriegerischer Intention freie Reisen, so wie wir es heute kennen, erlebte erst im 18.Jahrhundert wieder einen Aufschwung. Das Reisen damals unterscheidet sich vomReisen heute in einem ganz entscheidenden Punkt: dem Personenkreis. Reisen war bisweit ins 20. Jahrhundert eine Freizeitbeschäftigung, die den Reichen vorbehalten blieb,d. h. vorwiegend Geschäftsleuten, Adel, Kirche, Besitzbürgertum und später Beamten.Bedingt durch die Ausweitung des Wohlstands in allen Gesellschaftsschichten und ein

5Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

3 Die Fallstudie wurde von Daniel Rögelein, Maribel Rodríguez und Melanie Müller erstelltund basiert auf einem Ergänzungsbeitrag der Autoren für das Buch „Mass Customizationund Kundenintegration: Neue Wege zum innovativen Produkt“, Düsseldorf: SymposionVerlag. Diese Fallstudie ist zu Illustrations- und Lehrzwecken erstellt worden und kann einvereinfachtes oder modifiziertes Abbild der Wirklichkeit darstellen. Sie berichtet nicht wirk-lichkeitsgetreu über derzeitige und zukünftige Aktivitäten des dargestellten Unternehmens.

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Mehr an freier Zeit entwickelte sich der „Massentourismus“, welcher das Gesicht derTourismusbranche im 20. und angehenden 21. Jahrhundert prägt.

Seit dem Jahr 2001 befindet sich die europäische Tourismusindustrie jedoch in einerschweren Krise. Die ehemals treibende Kraft der Branche, die Pauschalreise, macht inDeutschland nur noch einen Anteil von ca. 44 Prozent des Gesamtreisevolumens aus(Deraëd 2003). Einen nachhaltigen Einbruch des Umsatzes von 25 Prozent erfuhr derPauschalreisemarkt durch die Anschläge des 11. September, den Irak-Krieg sowieSARS. Neben den für viele Unternehmen schädigenden Preiswettkämpfen desSommers 2002 dämpft überdies die momentane Wirtschaftskrise die Reiselust derDeutschen. Insbesondere die Reiseagenturen, welche als Vermittler zwischenAnbietern bzw. Veranstaltern und Kunden fungieren, sehen sich einem hartenVerdrängungswettbewerb gegenüber.

Seitdem viele Anbieter den direkten Kundenkontakt über das Internet suchen, brechendie Gewinne der Vermittler nachhaltig ein. Für diese Entwicklung werden insbesonde-re die so genannten „Billigflieger“ bzw. „No Frills“-Airlines verantwortlich gemacht.Sie lassen ihren Kunden vielfach aus Rationalisierungsgründen keine andere Wahl, alsdie Flugtickets direkt im Internet zu erwerben. Während dies generell dazu führt, dassklassische Reiseagenturen weniger genutzt werden, erkennen die Touristen auch zuse-hends, dass sie durch eine individuelle Zusammenstellung ihrer Reise – vor allemunter Einbezug von Angeboten dieser Fluggesellschaften – günstiger reisen als beiBuchung einer vergleichbaren Pauschalreise. Darüber hinaus wird die wirtschaftlicheSituation der Reiseagenturen dadurch belastet, dass die meisten Fluggesellschaften in2003 ihre Kommissionszahlungen auf 1 Prozent kürzten, um mit den Billigfluggesell-schaften weiter konkurrieren zu können. Neben den Reiseagenturen müssen sich auchklassische Reisekonzerne dem gewandelten Wettbewerbsumfeld stellen. Der TUI-Konzern beispielsweise strebt eine Neustrukturierung als voll integrierter Touristik-Konzern an, der seinen Kunden einen Traumurlaub aus einer Hand anbieten kann.

Reiseveranstalter und Reiseagenturen sehen sich also vor die Herausforderunggestellt, in diesem vom Individualitätsbedürfnis der Kunden einerseits undMargendruck andererseits geprägten Wettbewerbsumfeld zukünftig zu bestehen. Alsviel versprechender Ansatz wird das Angebot kundenindividueller Reisen im Internetgesehen, welches als Dynamic Packaging bezeichnet wird. Beim Dynamic Packagingkann der Kunde Reisekomponenten aus unterschiedlichen Quellen auswählen, bün-deln und buchen (Rogl 2003). Dynamic Packaging ist die Mass-Customization-Strategie der Reiseindustrie.

Wichtige Wettbewerber und deren Angebote

Wie aus Abbildung 5–8 ersichtlich ist, belief sich der Gesamtumsatz der deutschenReisebranche im Jahr 2002 auf 33 Mrd. Euro, wozu internetbasierte Angebote zu ca. 10Prozent beitrugen. Dieser Wert erscheint im EU-weiten Vergleich überdurchschnittlichhoch – im Mittel erwirtschaften virtuelle Touristikunternehmen ca. drei Prozent des Ge-samtumsatzes der Branche, was erwarteten 10 Mrd. Euro in 2004 entspricht. Betrachtetman die deutschen Reiseveranstalter isoliert, setzten sie im Jahr 2001 164 Mio. Euro um,wobei von einem Anstieg auf 2,2 Mrd. Euro bis zum Jahre 2006 ausgegangen wird.

5.3

281

Mass Customization in der Reisebranche

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Allgemein wird ein weltweites Wachstum der Reisebranche in Höhe von ca. 10 Prozentjährlich erwartet. Eine branchenweite Aussage über den Anteil von DynamicPackaging basierten Reisen am Gesamtumsatz erscheint schwierig. BeimBranchenvorreiter lastminute.com betrug dieser Anteil in Q3 / 2003 ca. 8,6 %, im Q1 /2004 6,1 %.

Der deutsche Markt für Tourismusdienstleistungen wird neben einer Vielzahl kleiner,vielfach inhabergeführter Unternehmen im Wesentlichen durch zwei große Anbieter-kreise dominiert. Hierzu zählen die „klassischen“ Reiseveranstalter sowie die in denletzten Jahren hinzugekommenen Online-Reiseagenturen bzw. Reiseportale, z. B. expe-dia.com oder lastminute.com. Abbildung 5–9 und Abbildung 5–10 geben einen Über-blick über die namhaftesten Anbieter der Branche. Insbesondere bei den Online-Reiseagenturen ist festzustellen, dass fast durchgängig Pauschal-, Lastminute-,Flugreisen sowie Hotels und Mietwagen angeboten werden. Vielfach wird den Kun-den die Möglichkeit an die Hand gegeben, unter Einbezug von Partnerangeboten (zeit-lich) zusammenpassende Reisemodule selbst zu bündeln. Eine voll ausgeprägteDynamic Packaging Funktionalität, welche Verfügbarkeit und Abhängigkeiten aller

5

282

Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–8: Gesamtumsatz und Umsatzentwicklung der deutschen Reisebranche on- undoffline 1999 bis 2006 (entnommen aus Web-Tourismus 2003)

31,04

33,16

31,2330,14

29,2428,48

29,3630,01

1,48

1,82

2,06 3 4 5,04

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20

25

30

35

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1999 2000 2001 2002 2003* 2004* 2005* 2006*

Mrd

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Gesamtbranche offline Gesamtbranche online

* geschätzt und erweiterte Basis

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Module berücksichtigt, konnte hingegen nur bei sechs der 29 Online-Anbieter vorge-funden werden (Stand: Oktober 2004). Bei den sechs Anbietern ebookers.de, expe-dia.de, flyloco.de, lastminute.com, onlineweg.de und TUI ist es nicht nur möglich,Verfügbarkeit und Abhängigkeit der Reisekomponenten online zu prüfen, sonderneine Reise auch direkt zu buchen.

Neben diesen Agenturen und Veranstaltern, welche hauptsächlich gebündelteReisepakete offerieren (also mindestens Anreise und Unterkunft), tritt eine Reihe vonAnbietern spezieller Leistungen über das Internet in direkten Kontakt mit den Kunden.Hierzu zählen z. B. Fluglinien wie Hapag-Lloyd (hlx.com, hlf.de) oder GermaniaExpress (gexx.de). Sie bieten jedoch in der Regel keine (ausgeprägte) Möglichkeit zur

5.3

283

Mass Customization in der Reisebranche

Abbildung 5-9: Wichtige Angebote großer Online-Reiseagenturen im Internet

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www.billigweg.de x x x x x x x –

www.ebookers.de x x x x x x x DynamicPackage

www.expedia.de x x x x x Click&Mix

www.ferien.de x x x x x x –

www.flyloco.de x x x x x x Locomat

www.lastminute.com x x x x x x x x e-basket

www.lcc24.com x x x x x x x x –

www.onlineweg.de x x x x x x x x Urlaubs-baukasten

www.opodo.de x x x x x x –

www.reisen.de x x x x x x x –

www.start.de x x x x x x x x x x –

www.tiscover.de x x x x x x –

www.travel24.com x x x x x –

www.travelchannel.de x x x x x x x –

www.travelocity.de x x x x x x x –

www.traveloverland.de x x x x x x –

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Bündelung von Einzelleistungen. Kunden greifen auf diese Angebote jedoch gernezurück, wenn sie ihre Reise „von Hand“ zusammenstellen möchten.

Neben den großen Unternehmen existiert eine Vielzahl kleiner und mittelständischerAnbieter, deren Geschäftsmodell insbesondere auf der Spezialisierung auf einen klei-neren Abnehmerkreis beruht. Ein solcher Anbieter ist die Münchner Jacana ToursGmbH, der im Folgendem als prototypisches Beispiel solcher Anbieter dargestelltwird. Dieser Veranstalter bietet individualisierte Reisen in den südlichen Teil Afrikasmit Hilfe eines über das Internet verfügbaren Konfigurationstools an. Im Gegensatz zuden großen Reiseportalen und den bekannten „klassischen“ Reiseveranstaltern fokus-siert das Unternehmen damit eine relativ kleine Zielgruppe: Kunden, die sich eineIndividualreise nach Afrika nach den eigenen Bedürfnissen zusammenstellen möch-ten. Das Unternehmen orientiert sich dabei maßgeblich an den Wünschen undVorstellungen der Kunden, was zu einer schier unbegrenzten Anzahl unterschiedlicherReisen führt. Damit ermöglicht Jacana Tours mehr Individualität als es die großenReiseportale derzeit bieten, dies jedoch nur in Hinblick auf Reisen nach Afrika. Das

5

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5-10: Wichtige Angebote großer, "klassischer" Reiseveranstalter im InternetR

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s

www.airtours.de x x x x –

www.alltours.de x x x x x –

www.bucherreisen.de x x x x –

www.dertour.de x x x x –

www.fti.de x x x x –

www.its.de x x x –

www.jahn-reisen.de x x x x –

www.ltur.de (kein DynamicPackaging, sondern Filterfunktionfür das Pauschalreiseangebot)

x x x x x –

www.meiers-reisen.de x x x –

www.neckermann-reisen.de x x x x x x –

www.thomascook-reisen.de x X x x –

www.tjaereborg.de x X –

www.tui.de x X x x x x Kombisuche

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Angebot der Jacana Tours GmbH und ähnlicher Anbieter stellt damit eine weiterespannende Möglichkeit dar, in der Reisebranche auf die kundenindividuellenBedürfnisse einzugehen. Aufgrund der Vielzahl kleinerer Anbieter, die sich auf dasAngebot verschiedenster Arten kundenindividueller Reisen spezialisiert haben, ist esim Rahmen dieser Fallstudie nicht möglich, einen Überblick zu liefern. Die Jacana ToursGmbH wird aufgrund ihres erfolgversprechenden Konzeptes beispielhaft dargestellt.

Das Mass-Customization-Angebot der Reisebranche

Das kundenindividuelle Angebot von Reiseleistungen ist nicht etwa eine Errungen-schaft des Internet-Zeitalters, sondern wurde bereits vor 150 Jahren praktiziert. Im Jahre1841 organisierte Thomas Cook unter Zuhilfenahme von Morsetelegraphie eineZugreise für 500 Gläubige von Leicester nach Loughborough inklusive Teilnahme-möglichkeit an einer religiösen Veranstaltung. Dieser individuelle Ansatz wirkte jedochnicht nachhaltig – „vorgebündelte“ Pauschalreisen mit starrer Dauer von 7 oder 14Tagen bestimmten im letzten Jahrzehnt das Bild der Reisebranche. Doch die Regeln desWettbewerbs haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Insbesondere die Vermittlervon Reisen sehen sich einer erhöhten Preistransparenz gegenüber, welche dieAbnehmermacht des Kunden stärkt und seine Loyalität zu bestimmten Anbieternschwächt. Diese Entwicklung wirkt sich ungünstig auf die Gewinnmargen der Anbieteraus. Zudem werden die Wünsche der Kunden immer individueller, weshalb sichAnbieter von Pauschalreisen vor die Frage gestellt sehen, nach welchen Maßgaben diesezu bündeln sind, um die Bedürfnisse einer möglichst großen Menge von Kunden über-haupt noch zu befriedigen. Als Folge dieses Wandels wurden die Pauschalreiseangebotenotgedrungen wieder entflochten, um den Kunden die Möglichkeit zu geben, Hotels,Flüge und Mietwagen individuell zusammenstellen zu können. Dieses Vorgehen präg-te vor allem im Umfeld der Reiseveranstalter den Begriff des „Baukastentourismus“.

Die Online-Reiseagenturen reagierten zunächst pragmatisch und entwarfen immeraufwändigere Filtermechanismen, um den Kunden die Auswahl aus dem reichhaltigenAngebot an Pauschalreisen zu vereinfachen. Dieses Prinzip liegt noch heute den mei-sten Reiseportalen zugrunde. Die Filterfunktion wird allerdings weder der Definitionvon Mass Customization noch der von Dynamic Packaging gerecht, da die Bedürfnissedes Kunden bei der Bündelung der Einzelleistungen nicht miteinbezogen werden.

Einen neuartigen, an den Kundenbedürfnissen orientierten Ansatz stellt das DynamicPackaging dar, welches die Auswahl und Bündelung zusammenpassenderEinzelleistungen durch den Kunden in Echtzeit ermöglicht. Nur wenige Anbieter,unter ihnen expedia.de und lastminute.com, bieten es bereits heute in einer zurPauschalreise konkurrenzfähigen Form an. Ob Dynamic Packaging die Pauschalreisezukünftig verdrängen wird oder diese nur komplementiert, kann nur schwer vorher-gesagt werden. In England zeichnet sich allerdings bereits ein Rückgang des Anteilsder Pauschalreisen zugunsten des Dynamic Packaging ab.

Vergleich ausgewählter Dynamic-Packaging-Angebote

Die umfangreichsten Ansätze zum Dynamic Packaging bieten (mit Stand Oktober 2004)die Anbieter expedia.de sowie lastminute.com, England, an (das gegenwärtig inDeutschland verfügbare Angebot von lastminute.com ist weniger ausgereift als das

5.3

285

Mass Customization in der Reisebranche

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Angebot für den englischen Markt.) In Abbildung 5–11 werden diese und weitere wichti-ge Dynamic-Packaging-Angebote gegenüberstellend verglichen. Das Angebot desAnbieters Jacana Tours GmbH wurde ebenfalls in die Betrachtung aufgenommen. Zwarkann das Unternehmen nicht als klassischer Dynamic-Packaging-Anbieter betrachtet wer-den, bietet allerdings ein wesentlich höheres Maß an Individualisierungsmöglichkeiten.Neben Rundreise, Hotel, Hoteleigenschaften oder ganzen Touren kann der KundeHoteltransfer, Kamelritte und andere Ausflüge wählen. Darüber hinaus können indivi-duelle Wünsche „manuell“ Berücksichtigung finden, da eine Machbarkeitsprüfung durchdie Jacana Mitarbeiter erfolgt. Jacana kann als eine moderne Interpretation der klassischenindividuellen „Einzelfertigung“ einer Dienstleistung gesehen werden.

Dynamic Packaging aus Anbietersicht

Reiseagenturen aller Größen setzen ein weitgehend einheitliches Modell für die unter-nehmensinternen Prozesse der Reisevermittlung ein. In den Prozessen können sich

5

286

Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–11: Funktionaler Vergleich wichtiger Dynamic-Packaging-Angebote

Anbieter

Charakteristika des Angebots

AnzahlDestinationen

Kombi-nation von

Individualisie-rungsmöglichk Zusatzleistungen

www.ebookers.de –"Dynamic Package" 99 Flug, Hotel Flug, Hotel –

www.expedia.de –"Click&Mix" >> 100 Flug, Hotel,

Mietwagen

Flug, Eigenschaf-ten Hotelzimmer,

Mietwagen

Versicherung, SightSeeing, Restaurant-

besuche etc.

www.flyloco.de –"Locomat" 63 Flug, Hotel Flug, Hotel –

www.jacana.de –"Tourdesigner" 75 Flug, Hotel,

MietwagenFlug, Hotel,Mietwagen

Hoteltransfer, Aus-flüge etc. (individuell

abstimmbar)

lastminute.com (UK)– "e-basket" >> 100 Flug, Hotel,

Mietwagen

Flug, Eigenschaf-ten Hotelzimmer,

Mietwagen

Versicherung, SightSeeing, Restaurantbe-suche, Hoteltransfer...

www.lastminute.com(D) – "e-basket" 47 Flug, Hotel,

MietwagenFlug, Hotel,Mietwagen Versicherung

www.onlineweg.de –"Urlaubsbaukasten" 10 Flug, Hotel,

Mietwagen

Flug, Eigenschaf-ten Hotelzimmer,

MietwagenVersicherung

www.tui.de –"Kombisuche" >> 100 Flug, Hotel,

MietwagenFlug, Hotel,Mietwagen –

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jedoch Unterschiede hinsichtlich der Interaktion mit den Kunden ergeben. KleineReiseagenturen wie die Münchner Jacana Tours GmbH setzen in stärkerem Maße aufpersönlichen Kundenkontakt als beispielsweise große Anbieter wie expedia.de.

Der Prozess der Vermittlung einer Dynamic-Packaging-Reise im Internet wird imWesentlichen durch das Zusammenspiel von IT-Systemen der Komponentenanbieter,Reiseveranstalter, Reiseagenturen und des Kunden realisiert. So veröffentlichen bei-spielsweise Anbieter von Flügen oder Hotels ihre freien Kapazitäten in so genannten„Inventories“ (Datenbanken), auf welche Reiseagenturen mit Hilfe von Computer-Reservierungs-Systemen zugreifen können. Reiseveranstalter, welche Kontingente derAnbieter aufkaufen und z. B. zu Pauschalreisen bündeln, veröffentlichen diese Kom-plettangebote ebenfalls in entsprechenden Inventories. Der Kunde kommuniziert mitder Online-Reiseagentur in der Regel über deren Internetpräsenz bzw. „InternetBooking Engine“ (oder z. B. über ein Callcenter).

Während bei der Vermittlung von Komplett- bzw. Pauschalreisen in der Regel eine Selekt-ion der Angebote der Reiseveranstalter gemäß der vom Kunden vorgegebenen Kriterienerfolgt („Filterung“), werden beim Dynamic Packaging sämtliche in Frage kommendenKomponenten der Reise einzeln und in Echtzeit in den entsprechenden Inventories recher-chiert. Das System hat dabei vor allem die Verfügbarkeit und Abhängigkeit der einzelnenKomponenten zu berücksichtigen und die Preisbildung durchzuführen.

5.3

287

Mass Customization in der Reisebranche

Abbildung 5–12: Funktionalschema der Reisevermittlung durch Online-Reiseagenturen

Hotels

DynamicPackaging

Logik

Filter- Logik

Inte

rnet

Boo

king

Engi

ne

Reisever-anstalter 1

Reisever-anstalter N

Kunde

Anbieter 1

Anbieter 1

Anbieter L

Anbieter 2

Anbieter 2

Anbieter M

Flüge

Komplett-reisen

Online-Reiseagentur (z.B. expedia.de)

Veranstalter (z.B. TUI)

Anbieter (z.B. Luft-

hansa)

„Inventories“, „Computer-Reser-vierungs-Systeme“

(z.B. Amadeus)

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Die Dynamic Packaging Logik sollte auch Zugriff auf verfügbare Pauschalreisenhaben. Dies hat zweierlei Gründe: zum einen erhöht sich hierdurch die Wahrschein-lichkeit, dass eine den Wünschen des Kunden entsprechende Reise gefunden undangeboten werden kann. Zum anderen muss das System Kenntnis von verfügbarenPauschalreiseangeboten haben, welche sich mit den Eigenschaften einer vom Kundenkonfigurierten Individualreise decken. Da anzunehmen ist, dass Kunden selbstPreisvergleiche durchführen, kann der Gesamtpreis der Individualreise so gewähltwerden, dass er den der Pauschalreise nicht oder nur geringfügig übersteigt. Einezusammenfassende Darstellung dieses Prozesses ist Abbildung 5–12 zu entnehmen.

Prozessbeschreibung aus Kundensicht

Das im deutschen Raum momentan am fortschrittlichsten und umfangreichsten anmu-tende Dynamic-Packaging-Angebot ist „Click&Mix“ von expedia.de. Es wird auf derHomepage neben Pauschal- und Lastminute-Reisen direkt beworben. Hier kann sichder Kunde eine Reise zu weit mehr als 100 Destinationen nach individuellen Wün-schen zusammenstellen lassen. Das System kombiniert hierbei Reisekomponenten wiez. B. Flug, Hotel, Mietwagen oder Theaterbesuche unter Berücksichtigung von Abhän-gigkeiten und Verfügbarkeit. Ausgangspunkt bildet die Auswahl von Reiseziel, -zei-traum und Anzahl der reisenden Personen bzw. Hotelzimmer (Abbildung 5–13).

Im nachfolgenden Schritt kann der Kunde aus einer Reihe von Basisvarianten seinerReise auswählen, welche den zuvor festgelegten Kriterien entsprechen. Jede Varianterepräsentiert eine Kombination aus Flug, Hotel und Mietwagen und wird zu einem

5

288

Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–13: “Click&Mix“-Angebot auf expedia.de

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FTP
Note
Abbildung fehlt es technischen Gruenden. Siehe hierzu die gedruckte Printausgabe.
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Gesamtpreis ausgewiesen. Nach Auswahl einer Basisvariante kann der KundeModifikationen hinsichtlich des Fluges (Airline, Zeit), der Zimmerausstattung deszuvor gewählten Hotels sowie der Beschaffenheit des Mietwagens vornehmen.Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zum Abschluss einer Reiseversicherung(Abbildung 5–14).

Im Anschluss an die Selektion der Grundkomponenten Flug, Hotel und Mietwagenkann der Benutzer noch aus einer großen Anzahl zusätzlicher Aktivitäten an der

5.3

289

Mass Customization in der Reisebranche

Abbildung 5–14: Individualisierung des Fluges, der Zimmerausstattung, des Mietwagenssowie Auswahl einer Reiseversicherung

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FTP
Note
Abbildung fehlt es technischen Gruenden. Siehe hierzu die gedruckte Printausgabe.
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Destination auswählen. Hierzu gehören z. B. Musicalaufführungen, Besichtigungenoder Restaurantbesuche. Im Angebot solcher Zusatzleistungen kann ein entscheiden-der Differenzierungsvorteil von Dynamic-Packaging-Reisen gegenüber der konventio-nellen Pauschalreise gesehen werden, da sie der Reise einen einzigartigen Charaktergeben und somit dem Wunsch der Kunden nach einem einmaligen und exklusivenErlebnis entgegenkommen.

Den Abschluss der Buchung bildet die Bestätigung der ausgewählten Optionen sowieder Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Anbieters. Hierzu ist das Anlegen einesBenutzerkontos erforderlich. Der Konfigurationsvorgang ist insgesamt sehr durchgän-gig und übersichtlich, vermittelt jedoch vor allem aufgrund des hohen Textanteils undder bei der Buchung erforderlichen Aufmerksamkeit kein „Fluss-Erlebnis“, wie es sichz. B. bei interaktiven, graphisch orientierten Mass-Customization-Konfiguratoren ein-stellen kann. Die Darstellung der Preise der einzelnen Komponenten ist für denBenutzer bewusst intransparent gestaltet, um ein direktes Vergleichen unterschied-licher Angebote durch den Kunden zu erschweren. Bei der Individualisierung derKomponenten werden lediglich preisliche Abweichungen von der Basisvariante ausge-wiesen.

5Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–15: Tourdesigner der Jacana Tours GmbH

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Note
Abbildung fehlt es technischen Gruenden. Siehe hierzu die gedruckte Printausgabe.
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Eine andere Vorgehensweise zur Zusammenstellung einer individuellen Reise bietetder „Tourdesigner“ der Jacana Tours GmbH (www.jacana.de) für das Reiseziel Afrikaan (Abbildung 5–15). Der Vorteil für den Kunden liegt darin, dass er seine eigene Routezusammenstellen kann. Er „klickt“ sich etappenweise durch das Land seiner Wahl underhält zu jeder Stadt die wichtigsten Informationen sowie ausgewählte Unterkünfteangeboten. Sowohl bei den einzelnen Etappen als auch bei den Unterkünften undMietwagen entscheidet er ganz nach seinen Wünschen. Der Tourdesigner vermittelteinen Einblick in die einzelnen Reiseziele. Der Kunde plant seine Reise aufgrund die-ser Information selbst und sendet seinen Wunsch per E-Mail an den ReiseveranstalterJacana Tours GmbH. Darüber hinaus hat der Kunde auch die Möglichkeit, dieReiseplanung über einen Zeitraum von 14 Tagen auszudehnen, da das System ermög-licht, den persönlichen Reiseplan unter einem Benutzernamen abzuspeichern undsomit immer wieder aufzurufen. Es ist auch möglich, mehr als einen Plan abzuspei-chern. In Abbildung 5–16 wird der Prozess aus Sicht des Kunden dargestellt.

Der Kunde bekommt ein Angebot zu dem von ihm ausgewählten Reiseplan. DieBuchung erfolgt letztendlich mit einer Unterzeichnung des zugesandten Angebots.Sollte der Kunde mit dem Angebot nicht einverstanden sein, bietet die Jacana ToursGmbH zusätzlich die Möglichkeit, einzelne Reisekomponenten zu verändern, um eineEinigung zu erreichen. Auch der Prozess bei Jacana ist sehr übersichtlich und einfachhandhabbar gestaltet. Im Gegensatz zu expedia.de kann der Kunde die beabsichtigteReise jedoch nicht online buchen, sondern muss auf die Bestätigung durch dasUnternehmen warten. Es handelt sich damit nicht um eine Konfiguration der Leistungim eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um eine sehr strukturierte Übermittlung einerBuchungsanfrage, die anschließend individuell von einem Mitarbeiter des Anbietersbearbeitet wird. Durch die Vorstrukturierung kann allerdings diese klassische Leistungeines Reiseanbieters effizienter und schneller erbracht werden. Bei „Click&Mix“ vonExpedia ist dagegen die gesamte Zusammenstellung und Reisebuchung automatisiert.Preislich liegt Jacana Tours GmbH über den Angeboten der großen Dynamic-Packaging-Anbieter. Hierfür werden allerdings auch umfassende Individualisierungs-

5.3

291

Mass Customization in der Reisebranche

Abbildung 5–16: Prozess aus Sicht des Kunden

Gespräch

WebSiteOK

?Nachricht

Korrektur

OK

?

OK

?Angebot Vertrag

Optimie-rung

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optionen und – auf Wunsch – eine individuelle Beratung geboten, die die Zahlungs-bereitschaft erhöhen. Zudem sind die angebotenen Reiseziele eher im gehobenenSegment und oft exklusiv über diesen Anbieter buchbar.

Veränderung der Kostenstruktur durch Dynamic Packaging

Aus theoretischer Sicht bietet Dynamic Packaging dem Anbieter die Möglichkeit, dieKonsumentenrente der Kunden abzuschöpfen, da den Kunden der Preisvergleicherschwert oder nicht möglich ist. Hierbei kann der Fokus beispielsweise auf eine kom-plett nach den eigenen Bedürfnissen zusammengestellten Reiseroute oder aufZusatzleistungen an der Destination gerichtet werden, deren Preisstruktur sich demKunden nicht ohne weiteres erschließt (z. B. Tagesausflüge). Jedoch zeigt sich heute,dass Dynamic Packaging in der Regel nicht als Instrument zu Preissteigerungengenutzt werden kann. Wie bereits erläutert, ist die Einführung von Dynamic Packagingals Antwort auf die branchenweit rückläufigen Umsätze, insbesondere im Pauschal-reisemarkt, zu werten. Aufgrund des hohen Konkurrenzdrucks auf Anbieterseite undder Transparenz des Marktes sehen sich die Dynamic-Packaging-Anbieter momentanvielfach nicht imstande, die Zahlungsbereitschaft der Kunden im Vergleich zurPauschalreise zu erhöhen. Ziel ist vielmehr, angesichts der gegenwärtigen wirtschaft-lichen Lage mit Hilfe von Dynamic Packaging den jeweiligen Umsatz zu sichern oderausbauen zu können. Während Anbieter TUI sein Individualreiseangebot generellnicht teurer als die pauschalen Angebote gestaltet, stellt expedia.de den „Click&Mix“-Kunden sogar Preisersparnisse bis zu 30 Prozent im Vergleich zur Buchung vonEinzelleistungen in Aussicht. In einer von der Marktforschungsfirma Ulysses imFrühjahr 2003 durchgeführten Studie wurden bei Gegenüberstellung vergleichbarerIndividual- und Pauschalreiseangebote Preiszuschläge von 7 % bzw. 1,5 %, aber auchPreisnachlässe von 3 % bzw. 0,5 % festgestellt.

Die mangelnde Zahlungsbereitschaft ist überdies vor dem Hintergrund zusätzlicherKosten durch die Einführung von Dynamic Packaging zu sehen. Insbesondere dieEntwicklung neuer Datenbanken (Inventories) zur Speicherung der komponentenbe-zogenen Informationen und deren Betrieb parallel zu den bestehenden Komplettreise-Inventories stellt eine zusätzliche Kostenbelastung dar. Darüber hinaus müssenReiseveranstalter bzw. Reiseagenturen geeignete Dynamic-Packaging-Softwarelösun-gen erwerben und in ihre Internet Booking Engines integrieren.

Der zusätzlichen finanziellen Belastung durch Dynamic Packaging stehen jedoch auchneue Kosteneinsparpotenziale gegenüber. Insbesondere könnten Reiseveranstalter the-oretisch auf den „vorsorglichen“ Aufkauf von Kontingenten der Anbieter verzichtenbzw. diese nur nach tatsächlichem Bedarf der Kunden in Anspruch nehmen. Währenddieser Ansatz auf wenig Gegenliebe der Anbieter stoßen dürfte und daher eher theore-tischer Natur ist, können Reiseveranstalter jedoch durch das Angebot von Dynamic-Packaging-Reisen viel über die Präferenzstrukturen ihrer Kunden lernen. Hierdurchließe sich in einem ersten Schritt das Angebot von Pauschalreisen besser an denKundenbedürfnissen ausrichten, was ebenfalls den Anteil aufgekaufter und nichtgenutzter Anbieterkontingente reduzieren könnte. Außerdem können Reiseveran-stalter nicht nur durch die Umwandlung von Pauschalreisen in (günstige) Lastminute-Reisen versuchen, ihre schwer absetzbaren Komplettreisen zu verkaufen, sondern die

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292

Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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Komponenten dieser Reisen separat in entsprechenden Inventories anbieten. Durch dieEinführung von Dynamic Packaging können bei Reiseveranstaltern also vor allemRisikokosten gesenkt werden. Die Anbieter kommen allerdings um die Einführungneuer Angebote insgesamt nicht herum, da es im Moment eher darum geht dieMarktposition zu halten und nicht vom Markt zu verschwinden.

Erfolgsfaktoren für die zukünftige Entwicklung von Mass Customization in derReisebranche

Branchenintern stehen Anbieter von Dynamic-Packaging-Reisen vor allem inKonkurrenz zu Pauschalreiseveranstaltern, wobei der Wettbewerb nicht überProduktdifferenzierung, sondern hauptsächlich über den Preis geführt wird. Es istdaher wesentlich für die Anbieter von Dynamic-Packaging-Reisen, eine kostengünsti-ge Reisevermittlung auf Basis stabiler und durchrationalisierter Prozesse zu verwirk-lichen, von ihren Kunden zu lernen und diese unter Nutzung dieses Wissens an sichzu binden.

Ähnlich Pauschalreiseveranstaltern müssen sie ihren Kunden das Gefühl geben, auseiner großen Angebotsvielfalt wählen zu können und die Reise aus einer Hand sowiezu einem günstigen Preis zu erhalten. Hierzu ist zum einen ein großes Netz vonKomponentenlieferanten aufzubauen. Zum anderen erscheint ein Auftreten alsReiseveranstalter trotz der Haftungsproblematik unumgänglich, zumal Anbieter wieHotelketten oder Fluglinien ihre günstigen „Tour Operator Preise“ nur Reiseveranstal-tern anbieten. Trotz der Erfordernis einer „kritischen Größe“ muss die Unter-nehmensstruktur der Anbieter flexibel genug bleiben, um zukunftsfähige Lösungenzur Neukundengewinnung und Kundenbindung zu realisieren und auf plötzlicheVeränderungen der Nachfragesituation schnell und nachhaltig reagieren zu können.Hier können größere Anbieter von den kleineren Unternehmen lernen.

In Kundenorientierung und Flexibilität sind somit die wesentlichen Erfolgsfaktoren füreinen weiteren Bedeutungsgewinn des Dynamic Packaging gegenüber derPauschalreise zu sehen. Jedoch bleibt abzuwarten, ob ausschließlich große Unter-nehmen mit gut skalierenden Prozessen und hoher, gleichwohl begrenzter Angebots-vielfalt Gewinner dieses Paradigmenwechsels hin zum individuellen Reisen sein wer-den. Gerade kleine Unternehmen könnten durch ihre Fähigkeit, wirklich individuellauf die Kundenwünsche eingehen zu können und sie nicht auf einen diskretenLösungsraum reduzieren zu müssen, im Vorteil sein.

5.3Mass Customization in der Reisebranche

Fragen zur Diskussion der Fallstudie

Stellen Sie die Stärken und Chancen sowie Schwächen und Risiken des Dynamic-Packaging-Modells in einer SWOT-Analyse gegenüber.

Wodurch unterscheidet sich eine Individualisierung einer Dienstleistung von einer MassCustomization bei Sachgütern? In welchen anderen Dienstleistungsbranchen sehen Sie nochgroße Potenziale für eine Individualisierung?

Wie sieht ein optimales Co-Design-Toolkit (Konfigurator) für die Reisebranche aus?

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5.4 Linel GmbH: Entwurf eines Mass-Customization-Konzepts für die Wasser- undAbwasserfiltrationsbranche

Anlagen zur Wasser- und Abwasserfiltration müssen vielen spezifischen Gegebenhei-ten ihres Einsatzortes gerecht werden und sind damit in der Regel hoch individuell.Erstaunlicherweise gibt es in dieser Branche aber noch kein ausgereiftes Mass-Custo-mization-Angebot. Im Rahmen dieser Fallstudie sollen die Realisierungschancen vonMass Customization bei einem der führenden Unternehmen dieser Industrie, der LinelGmbH, evaluiert werden.4

Die Wasser- und Abwasserbehandlungsbranche

Wasser ist ein wichtiges und lebensnotwendiges Gut. Sowohl als Trinkwasser im täg-lichen Leben als auch als Wasch-, Lösungs- und Kühlmittel in der Industrie ist Wasserunverzichtbar. Dabei sind lediglich 0,3 Prozent des gesamten Wasserreservoirs derErde als Trinkwasser nutzbar. Im Gegensatz zu anderen Rohstoffen unterliegt derWasservorrat einem ständigen Kreislauf aus Verdunstung und Niederschlag. Somitkann sich die Menge an Wasser insgesamt nicht verringern. Allerdings kann sich dieQualität verschlechtern, beispielsweise dadurch, dass belastende Stoffe in Gewässereindringen. Auch andere ökologische Faktoren lassen Wasser als ein zunehmend knap-pes Gut erscheinen. So herrscht beispielsweise in Süditalien ein derart großer Süß-wassermangel, dass in vielen Gemeinden täglich nur wenige Stunden fließendes(„süßes“) Wasser zur Verfügung steht. Der Bedarf an innovativen Lösungen wieWasserentsalzungs- oder Trinkwasseraufbereitungsanlagen scheint damit ständig zuwachsen. Zudem erfordern verschärfte Umweltauflagen auch die Behandlung vonProzesswasser, zum Beispiel in der Metallverarbeitungsindustrie.

Zur Befriedigung dieser Nachfrage steht ein sehr großes Angebot an Lösungen zurVerfügung. Genaue Daten über die weltweite Anzahl entsprechender Unternehmenliegen nicht vor, da es sich oft um recht kleine und lokal spezialisierte Unternehmenhandelt. Einen guten Anhaltspunkt liefern allerdings Daten der weltweiten Leitmessefür Entsorgungs- und Abfallwirtschaft, die IFAT München: So stellten im Jahre 2002919 Unternehmen aus den Bereichen Wasser- und Abwasserbehandlung aus. Der spe-

5Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Welche Ansätze sehen Sie für einen Einbezug der Kunden in den Innovationsprozess beiDienstleistungen?

Wie können Sie das Konzept der Economies of Integration für dieses Beispiel konkretisieren?

4 Die Fallstudie wurde von Michael Erspamer und Melanie Müller erstellt und basiert aufeinem Ergänzungsbeitrags der Autoren für das Buch „Mass Customization undKundenintegration: Neue Wege zum innovativen Produkt“, Düsseldorf: Symposion Verlag.Diese Fallstudie ist zu Illustrations- und Lehrzwecken erstellt worden und kann ein verein-fachtes oder modifiziertes Abbild der Wirklichkeit darstellen. Sie berichtet nicht wirklich-keitsgetreu über derzeitige und zukünftige Aktivitäten des dargestellten Unternehmens.

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zielle Bereich der Membrananlagenbauer, zu denen auch das in dieser Fallstudie vor-gestellte Unternehmen Linel GmbH gehört, umfasste 81 Anbieter. Im Vergleich zurMesse im Jahre 1999 waren jedoch rund 40 Prozent der damals teilnehmendenUnternehmen nicht mehr anwesend. Dies deutet auf einen hart umkämpften Markthin, in dem das Überleben für kleinere unabhängige mittelständische Unternehmenschwer ist und der zunehmend von größeren Unternehmen beherrscht wird.

Linel GmbH: Unternehmen und Produktfeld

Die Linel GmbH war ursprünglich ein italienisches Tochterunternehmen der SAGEnergieversorgungslösungen GmbH und ist seit nunmehr 30 Jahren als eigenständigesUnternehmen vorwiegend auf dem deutsch- und italienischsprachigen Markt tätig.Das Unternehmen beschäftigt derzeit etwa 80 Mitarbeiter.

Neben den ursprünglichen Sparten Netzbau und Gebäudetechnik wurde vor 20 Jahrendie Sparte Depurtec als dritter Geschäftsbereich gegründet. Die Produktpalette reichtvon der Trinkwasser- über die Prozesswasseraufbereitung bis hin zur Meerwasserent-salzung. Die Kerntechnologie liegt dabei in der Membranfiltration, welche die Mikro-und Ultrafiltration sowie die Umkehrosmose umfasst. Der Gesamtumsatz der SparteDepurtec beläuft sich auf ca. 9 Mio. €, wobei ca. 5 Mio. € auf das Segment der Mikro-und Ultrafiltration zurückgehen und ca. 4 Mio. € durch den Verkauf derUmkehrosmose-Anlagen (sie liefern voll entsalztes Wasser) erwirtschaftet werden. DasUnternehmen spricht mit seinen Produkten folgende Zielgruppen an:

Haushalte und Gemeinden: In niederschlagsarmen Regionen wird Süßwasser rundum die Uhr verfügbar, Kunden sind entweder Privatpersonen oder Gemeinden.

Gastronomie: Durch Entsalzung des Spülwassers können Gläser und Besteck luft-trocknen, ohne später Flecken aufzuweisen.

Industrie: Abwässer werden unter Berücksichtigung umweltrechtlicher Auflagenfür die Metallverarbeitungs-, Automobil- und Lebensmittelbranche bearbeitet.

Filtrationsanlagen sind kein Prestigeobjekt wie etwa Autos. Design sowie sichtbareMerkmale wie Farbe oder Form sind in den Augen des Kunden eher nebensächlich. DerBedarf für derartige Anlagen resultiert aus der generellen Knappheit der RessourceWasser in bestimmten Regionen sowie aus umweltrechtlichen Bestimmungen, die etwabei Lackierereien die Nachbehandlung des Abwassers vorschreiben. Aufgrund der viel-fältigen Anwendungsbereiche sind Filtrationsanlagen ein höchst kompliziertesProdukt, das individuell auf den einzelnen Abnehmer abgestimmt werden muss.

Die Konfiguration einer Filtrationsanlage wird durch verschiedene Parameterbestimmt. Wichtigster Einflussfaktor ist das zu behandelnde Wasser selbst. DasAbwasser muss zunächst genau analysiert und hinsichtlich seiner Zieleigenschaften, z.B. Trinkwasser, definiert werden. Die Permeatleistung (Resultat des Filtriervorgangs)pro gegebene Zeiteinheit sowie die qualitative Ausführung der Anlage sind weitereParameter, die stark variieren können. Da Filtrationsanlagen in der Regel über vieleJahre in Dauerbetrieb laufen, sind aus Kundensicht weiterhin Service und Wartung derAnlage wichtige kaufentscheidene Kriterien. Deshalb müssen auch Nachkaufleistun-gen wie Wartungsvereinbarungen individuell definiert werden.

5.4

295

Linel GmbH: Entwurf eines Mass-Customization-Konzepts

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Ziel des Unternehmens Linel ist es, dem Kunden qualitativ hochwertige Produkte in„maßgeschneiderter“ Form als Lösung zu präsentieren. Derzeit stehen wenigen stan-dardisierten Produkten viele Einzelfertigungen für individuelle Abnehmer gegenüber.Für die Mehrzahl der Aufträge erfolgt eine eigene Planung und Projektierung inLosgröße eins. Mit wachsendem Kundenstamm und einer zunehmenden Bedeutungvon Anlagen zur Wasseraufbereitung wuchs aber auch die interne Komplexität. DieGeschäftsleitung stand so vor der Aufgabe, eine neue Strategie zu definieren, mit dersowohl auf die wachsenden Kundenansprüche als auch auf den sich verschärfendenWettbewerbsdruck reagiert werden kann. Durch einen Vortrag auf einer Branchen-messe auf den Mass-Customization-Gedanken aufmerksam geworden, gründete dieGeschäftsleitung eine interne Arbeitsgruppe, um eine kritische Analyse der Chancenund Potenziale zu diskutieren. Diese Arbeitsgruppe definierte die im Folgenden dar-gestellten Ergebnisse.

Konzeption eines potenziellen Mass Customization-Angebots

In der Wasser- und Abwasserbehandlungsbranche zeichnet sich ein erfolgreichesUnternehmen durch die Fähigkeit aus, mit dem Kunden im Leistungserstel-lungsprozess zu interagieren. Aufgrund der individuellen Eigenschaften des zu behan-delnden Wassers erwartet der Abnehmer, dass sich der Anbieter intensiv mit ihm aus-einandersetzt, um die beste individuelle Lösung zu erhalten. Neben den Kosten für dieMaßfertigung der Anlagen erhöhen damit die für die Kundeninteraktion anfallendenKosten den Verkaufspreis einer Anlage wesentlich. Es ist üblich, dass Vertriebsmitar-beiter und Kunde zunächst für ein intensives Verkaufsgespräch zusammenkommen,um die beste Lösung für den jeweiligen Kunden zu finden. Nach ca. zwei Wochenintensiver Planung und Konstruktion beim Hersteller wird dem Kunden ein Angebotübermittelt; allerdings entspricht dies meist nicht genau dem Kundenbedürfnis.Kosten- und Zeitintensive Nachbesserungen sind die Regel.

Ein Mass Customization Konzept würde es nun ermöglichen, neben den Produktions-kosten auch die Kosten für die Interaktion mit dem Kunden zu senken. Denkbar ist bei-spielsweise, dass der Kunde sich mittels eines Online-Konfigurators sein Produkt aufeinfache Art und Weise selbst zusammenstellt und eine Anfrage an das Unternehmensendet. Der Konfigurator ersetzt damit zumindest teilweise den Verkäufer. Dadurch,dass alle Lösungen im Konfigurator bereits vorab durchdacht wurden, entfallenzudem zeitraubende Nachbesserungsprozesse. Der Kunde erkennt sofort, wie seineWünsche in das Produkt umgesetzt werden. Dadurch reduziert sich auch die Zeit bisdie individuelle Anlage produziert werden kann, die Kosten sinken ebenfalls.

Hebelpunkt des Mass-Customization-Konzepts wäre die Ablösung der klassischenEinzelfertigung und des Engineer-to-order-Konzepts durch eine Projektierung undFertigung aus Baukastenelementen, die sich der Kunde innerhalb bestimmter Grenzennach dem individuellen Wünschen selbst zusammenstellt. Möglich wäre dies durchein Mass-Customization-Angebot, das auf dem Konzept einer quantitativen Modu-larisierung beruht, d. h. der Kunden kann durch Hinzufügen und Variieren eines odermehrerer Module den Nutzen des funktionstüchtigen Produkts erhöhen. Beispiels-weise kann einer funktionierenden Abwasserfiltrationsanlage das Modul „DigitaleSteuerung und Datenerfassung mittels Kleincomputer“ hinzugefügt werden.

5

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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Abbildung 5–17 gibt einen Überblick über mögliche Module einer Filtrationsanlagesowie ihre Ausprägungen.

Prozessbeschreibung aus der Sicht der Linel GmbH

Diese Bestandteile könnten im folgenden Prozess münden: Der Erstellungsprozesseiner Filtrationsanlage beginnt mit der Einreichung einer Wasserprobe zurLaboranalyse durch den Kunden. Das Abwasser wird untersucht und ein passenderMembrantyp gesucht; dieser ist für Filtrierqualität und ein störungsfreies Funk-tionieren der Anlage wesentlich. Anschließend beginnt der eigentliche Konfigurations-prozess der Anlage. Ein Internet-Konfigurator (Abbildung 5–18) scheint geeignet, dieindividuellen Kundenbedürfnisse in Produktmerkmale zu übertragen und dabeigleichzeitig die Kosten niedrig zu halten. Hierbei sollte der Kunde die aus derAbwasseranalyse gewonnenen Daten hinsichtlich Membranbeschaffenheit sowiebenötigter Permeatleistung pro Zeiteinheit in den Konfigurator eingeben können, wor-auf dieser aus einer Bibliothek bereits vorhandener Lösungen ein Basisprodukt zurAuswahl anbietet. Dieses Basisprodukt beinhaltet bereits die Anzahl notwendigerPumpen, die Kapazität des Speichertanks, die Anzahl der notwendigen Membranen,sowie weitere grundlegende Komponenten. Zudem sollten Preis und weitere wichtigeDaten wie Größe und Gewicht angegeben werden.

Anschließend sollte der Online-Konfigurator dem Kunden die Möglichkeit bieten,

zwischen verschiedenen Optionen wie Material des Tanks (Verbundstoff, INOX,…)oder Qualität der Pumpen zu wählen,

die Anlage um bestimmte Module wie zusätzliche Regler oder digitale Anzeigen zuerweitern,

zwischen Finanzierungsoptionen und Servicekonditionen wie Wartungsverträgen,Garantieleistungen usw. auszuwählen.

Da das Konfigurieren für einen Kunden eventuell komplex ist, sollte jederzeit einBerater zu Rate gezogen werden können, beispielsweise via einer Hotline. NachAbschluss des Konfigurationsprozesses erhält Linel eine Bestellung bzw. Anfrage.

5.4

297

Linel GmbH: Entwurf eines Mass-Customization-Konzepts

Abbildung 5–17: Mögliche Module einer Filtrationsanlage und ihre Ausprägungen

Tank PumpeSteuerung

Edelstahl Verbundwerkstoff Ohne DruckanzeigeManuell Digital

Mit Kenn-feldanzeige

Ver-chromt

Nicht veredelt

Mit Druckanzeige

Mit Display

… … Ohne Display

Ohne Kenn-feldanzeige

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Diese wird an das Produktdatenmanagement-(PDM-)System weitergeleitet, das dieBestellung auf Teileverfügbarkeit überprüft und dann einen Liefertermin berechnet,der dem Kunden per E-Mail mitgeteilt wird. Erhält das Unternehmen eine Bestä-tigungsmail für den Auftrag vom Kunden, wird der Anlage eine Seriennummer zuge-wiesen und die Fertigung beginnt. Idealerweise sind die Lieferanten in dasLagerverwaltungs- und Bestellsystem eingebunden. Im Falle fehlender Teile kanndadurch eine automatische Bestellung beim Lieferanten erfolgen.

Neben der Einbeziehung des Kunden in den Anlagenentwurf mittels Online-Konfigurator könnte Linel auch neue Impulse für das Kundenbeziehungsmanagementbekommen. Ziel ist der Aufbau von Kundenbindung und damit eine bessere Nutzungvon weiteren Geschäftsmöglichkeiten. Bisher bricht der Kontakt zum Kunden nachdem Verkauf einer Anlage größtenteils ab; eine Ausnahme bilden kostspieligeReparaturleistungen. Vor allem Erlöse aus dem Verkauf ergänzender und zusätzlicherLeistungen gehen damit verloren.

Ein weiteres entscheidendes Potenzial liegt so in der Nutzung der bereits vorhandenenKundendaten zum Aufbau intensiver Kundenbeziehungen. Informations- und Kom-

5

298

Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–18: Darstellung eines Konfigurators für Membranfiltrationsanlagen

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FTP
Note
Abbildung fehlt es technischen Gruenden. Siehe hierzu die gedruckte Printausgabe.
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munikationstechnologien erlauben es seit einigen Jahren, den Kundenkontakt zu ver-gleichsweise niedrigen Kosten aufrecht zu erhalten. Beispielsweise könnte ein regelmä-ßig erscheinender Newsletter über Produktneuheiten informieren. Denkbar ist außer-dem die Einrichtung eines Internetportals, wo Kunden untereinander und mit Exper-ten des Unternehmens über Erfahrungen, Probleme und Verbesserungsvorschlägediskutieren. Zusätzlich können ergänzende Serviceleistungen in modularer Formangeboten werden (Abbildung 5–19). Auch das Angebot der präventiven Wartungerscheint lukrativ und auch hier kann der Kunde aktiv eingebunden werden, indem erselbst die Anlage beobachtet und Erfahrungen mit der Entwicklungsabteilung derLinel GmbH online austauscht.

Eine weitere Idee ist die Realisierung eines Leasingkonzepts, bei dem der Kunde seineAnlage für einen entsprechenden Jahresbeitrag least. Für das Funktionieren der Anlageist grundsätzlich der Hersteller verantwortlich; allerdings ist auch der Abnehmer be-müht (oder vertraglich verpflichtet), Informationen weiterzugeben, da dies derEinsatzzeit der Anlage und damit seinen Kosten zugute kommt. Damit entsteht einepartnerschaftliche Beziehung zwischen der Linel GmbH und dem Kunden, denn beideSeiten profitieren von der engen Kooperation. Zudem steigen die Chancen für denAufbau langfristiger Kundenbeziehungen, da der Abnehmer kein Interesse habenwird, aus der funktionierenden Partnerschaft auszutreten.

Analyse des Mass-Customization-Prozesses aus Kundensicht

Produkte im Markt für Wasser- und Abwasserfiltration werden in jeder Preisklasseangeboten. Allerdings erscheinen Billiganbieter auf der einen Seite oft wenig vertrau-enswürdig; auf der anderen Seite sind die Produkte renommierter Hersteller oft in

5.4

299

Linel GmbH: Entwurf eines Mass-Customization-Konzepts

Abbildung 5–19: Beispielmodul Wartung & Reparatur

Wartung & Reparatur

Garantieleistung und Reparatur bei Schäden

Präventiver Wartungsvertrag

Leasing-konzept

KostenloseMembranreinigung

Halbjähr-licher Rou-tinecheck … …… …

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ihrer Ausführung zu teuer und entsprechen nicht dem einfacheren Verwendungs-zweck des Kunden. Aufgrund des vielfältigen Angebots ist es für den Kunden derzeitäußerst schwierig, das für ihn passende Produkt auf einfache Art und Weise zu finden.

Durch Mass Customization erlebt der Kunde nun zwei wesentliche Vorteile: Er erhältdas Produkt, das am besten zu seinen individuellen Bedürfnissen passt auf vergleichs-weise einfache Art und Weise, und das zu einem für ihn akzeptablen Preis. Wird derKonfigurationsprozess ins Internet verlagert, kann der Kunde jederzeit zeit- und ort-sunabhängig Informationen über Angebot der Linel GmbH abrufen und sich ein(Probe-)Produkt zusammenstellen. Der Kunde sieht unmittelbar, wie seine Bedürfnisseam Produkt umgesetzt werden und kann jederzeit nachbessern. Zudem fühlt er sichvom Unternehmen als Partner wahrgenommen, da er aktiv an der Produkterstellungmitarbeitet. Kunden, die Unterstützung benötigen, steht eine kostenlose Hotline zurVerfügung.

Weitere Vorteile für den Kunden ergeben sich beispielsweise hinsichtlich der Wartezeitzwischen Anfrage und Angebotserstellung, die mit Hilfe des integrierten Konfigu-rationssystems verkürzt wird. Zudem entfällt die Zeit (und die Kosten) fürNachbesserungen am Produkt, da der Konfigurator von vornherein nur realisierbareLösungen enthält. Allerdings sollte bedacht werden, dass ganz spezifische Kunden-wünsche mit dem modularen Angebot eventuell nicht mehr erfüllt werden können. Eskönnten also einige Kunden für das Unternehmen verloren gehen. Jedoch scheinen diePotenziale, die ein Mass Customization Konzept mit sich bringt, diese Verluste mehrals aufzuwiegen.

Analyse des Mass-Customization-Prozesses aus Unternehmenssicht

Die Einführung eines auf den Prinzipien der Mass Customization beruhenden Kon-zepts bietet ein großes Potenzial zur Kostensenkung. Erster wichtiger Ansatzpunkt istdie Komplexitätsreduktion in der Fertigung. Allen Anlagen muss eine Modulbauweisezugrunde gelegt werden. Dadurch können die hohen Rüstzeiten der bisherigenEinzelfertigung reduziert, Fertigungsprozesse wie das Drehen standardisiert undsomit die effektive Auslastung der Maschinen erhöht werden. Die Produktions-kapazität steigt, was die durchschnittlichen Stückkosten senkt. Zudem kann dieVerwendung von modularisierten Gleichteilen (z. B. Steuerungskästen) Verbund-effekte hervorrufen. Erfahrungs- und Lerneffekte führen ebenso zu einer Reduktionder Fertigungskosten.

Auch im Einkauf ergeben sich Einsparungspotenziale. Durch die Modulbauweise wer-den größere Mengen eingekauft; die Einkaufspreise sinken grundsätzlich. Zudem wer-den die Logistikkosten verringert. Bei einer sinnvollen Konzentration auf möglichstwenige unterschiedliche Teile, sinken außerdem die Lagerkosten. Planung undKonstruktion müssen auch nicht mehr für Teile erfolgen, die nur einmalig verwendetwerden können, sondern nur für die mehrfach verwendbaren Module.

Der für eine Implementierung des Mass Customization Konzepts notwendige Kon-figurator bedeutet zunächst eine Kostenerhöhung. Es entstehen einmalige Pro-grammierkosten zu Beginn sowie laufende Kosten für die Wartung. Doch geradedurch den Konfigurationsprozess öffnen sich weitere wesentliche Kosteneinsparungs-

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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potenziale. Der Kunde stellt sich sein Angebot praktisch selbst zusammen, wodurchVertriebskosten in erheblichem Maße eingespart werden. Durch eine kontinuierlicheAuswertung der Konfigurationsdaten erhält Linel zudem Informationen über bevor-zugte Produktvarianten und kann sein Produktangebot dementsprechend weiterent-wickeln. Intensive Kundenbeziehungen beeinflussen zudem das Weiterempfehlungs-sowie Wieder- und Zusatzkaufverhalten der Kunden. Außerdem können Marktfor-schungstests überflüssig werden, da viele Informationen mit Hilfe des Konfiguratorsund aufgrund der intensiven Kundenbeziehung gewonnen werden. So können zumBeispiel die typischen Konfigurationen der Kunden einer Region als Ausgangspunktfür eine standardisierte, aber genau passende Lösung für diese Region angeboten wer-den. Dies würde Linel ermöglichen, die Umsatzzahlen auch im Bereich der preiswer-teren Lösungen effizient zu bedienen.

Die Stärken und Chancen des Konzepts liegen in den folgenden Aspekten:

Als erster Mass Customizer der Branche würde die Linel GmbH über einAlleinstellungsmerkmal verfügen und sich deutlich von der Konkurrenz abgren-zen.

Der Bedarf an Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung ist stark wachsend. Mit demMass Customization Angebot könnte sich Linel in neuen Marktsegmenten schnellund flexibel etablieren. Vor allem potentielle Massenmärkte wie Meerwasserentsal-zungsanlagen für Haushalte in süßwasserarmen Gebieten könnten durch eineProduktionssteigerung bei gleichzeitiger Kostensenkung besser bedient werden.

Durch den Konfigurationsprozess erstellt sich der Kunde sein individuellesProdukt auf einfache Art und Weise. Auch das Risiko von Fehlinnovationen undlangwierigen Nachbesserungsprozessen sinkt. Das Unternehmen ist attraktiver fürKunden, da Kosten und Zeit bis zur Auslieferung des individuellen Produktes sin-ken. Ein durchdachter Konfigurationsprozess hilft, die Kosten der Kundeninterak-tion zu senken.

Durch die Darstellung der verschiedenen Optionen wird den Kunden dieLeistungsfähigkeit des Anbieters besser bewusst, der Konfigurator dient gerade beitechnisch anspruchsvollen Produkten wie denen von Linel nicht nur zur Konfigu-ration einer individuellen Leistung, sondern auch zur Darstellung des möglichenLösungsraumes und der Kompetenz des Anbieters.

Ein integriertes Customer Relationship Management Konzept von der Konfigurationbis zur Nachkaufbetreuung hat positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit desKunden und damit auf dessen Folge- und Zusatzkäufe sowie positive Weite-rempfehlungen. Damit steigt letztendlich der Profit des Unternehmens.

Die Einführung des Mass-Customization-Programms „zwingt“ das Anbieter, diebestehenden Produktstrukturen zu überdenken und vorhandene Spezialteile undSonderanfertigungen auf Gleichteile und standardisierte Module zu überprüfen.Diese Aufgabe verursacht zwar einmalig größere Kosten und Umstellung-saufwand, ist aber langfristig die zentrale Ausgangslage für eine effiziente Kosten-position.

5.4

301

Linel GmbH: Entwurf eines Mass-Customization-Konzepts

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Durch die Modularisierung der Anlagenkomponenten sowie den Einsatz von CIM-Programmen und Rapid Manufacturing werden Größen- und Verbundvorteile erzielt.

Die Abkehr von Losgröße eins in der Fertigung (Maßfertigung) ermöglicht einebessere Auslastung der Maschinen sowie die Verkürzung von Rüstzeiten. Hier-durch entstehen Kosteneinsparungen im Vergleich zur Konkurrenz.

F&E-Kosten können durch die Einbeziehung des Kunden reduziert werden.Basierend auf regelmäßigen Auswertungen der Kundenkonfigurationen wird dasAngebot in Hinblick auf die Kundenbedürfnisse optimiert.

Als Gefahren für Linel sind die folgenden Punkte zu nennen:

Das Konzept muss grundlegend durchdacht und neu eingeführt werden; es gibtkeinen Vorreiter. Damit ist großer Implementierungsaufwand zu erwarten.

Es ist mit erheblichen Widerständen im Unternehmen selbst zu rechnen, da vieleder klassischerweise im einzelkundenbezogenen Projektgeschäft tätigen Mitarbei-ter und Entwickler vollkommen umdenken müssen. Ihre Aufgabe ist nicht mehrdie Konkretisierung einer einzelkundenbezogenen Lösung, sondern vielmehr dielangfristige Optimierung der Optionen, der Produktarchitekturen und desKonfigurationswerkzeugs.

Der Konfigurationsprozess könnte für den Kunden ungewohnt sein. Kunden könn-ten ablehnend reagieren, da ihnen die Vorteile nicht sofort ersichtlich werden oderweil sie auf die persönliche Beratung durch den Verkäufer nicht verzichtet möchten.

Das Mass-Customization-Angebot besitzt Grenzen. Besonders ausgefallene Kun-denwünsche können eventuell nicht mehr befriedigt werden.

Durch die zu Beginn anfallenden Investitionen in Informations- und Kommunika-tionstechnologien, z. B. den Konfigurator, sowie die Kosten der Umstrukturierungdes Fertigungsablaufs entsteht das Risiko, aus dem hart umkämpften Marktgedrängt zu werden, sollte sich der Erfolg nicht sofort einstellen.

Ausblick und Entscheidungsfindung

Wasser wird in Zukunft noch wertvoller und knapper werden. Immer neue Gesetzezwingen Unternehmen, Haushalte und Gemeinden, ihr Abwasser umweltgerecht zuentsorgen und gegebenenfalls wieder zu verwenden. Der Bedarf nach Lösungen zurBewältigung des Problems der Wasserknappheit steht erst am Anfang; der Marktbefindet sich im Wachstum. Die Realisierung eines Mass Customization Konzeptseröffnet die Chance, sich grundlegend von der Konkurrenz abzuheben. Die anfäng-lichen Investitionen könnten sich rasch amortisieren. Das Bedürfnis nach individuellenLösungen auf Seite der Kunden wird dabei weiterhin befriedigt, jedoch sind Kostenund damit Preise niedriger, weshalb dieses Konzept sowohl Anbietern als auchAbnehmern entscheidende Vorteile bringt. Allerdings bedeutet die Einführung desSystems auch einen erheblichen Umstellungsaufwand und nicht wenige Risiken wäh-rend der Einführungsphase, die ein mittelständisches Unternehmen wie Linel nichteinfach durch das Gesamtgeschäft ausgleichen kann.

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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5.5 Effizienz der interaktiven Wertschöpfung –eine Kalkulation am Beispiel vonMaßkonfektion

Diese Fallstudie soll die Kostensenkungspotenziale einer interaktiven Wertschöpfunggenauer konkretisieren. Sie demonstriert an einem Beispiel, wie sich die Kosten- undProfitstruktur von Mass Customization gestaltet. Ziel dieses Abschnitts ist, Anregungenzu geben, diese Kalkulation auch auf andere Branchen zu übertragen. Dazu werdenanhand eines fiktiven Beispiels, aber auf Basis realer Zahlen, die einzelnen Rechen-schritte gegenübergestellt. Beispielindustrie ist die Bekleidungsbranche, die eineVorreiterrolle in Hinblick auf die Umsetzung von Mass Customization innehat.5

Hintergründe zu Mass Customization in der Bekleidungsindustrie

Die Vorteile von Mass Customization im Bekleidungsbereich liegen auf der Hand:Endlich muss ein Kunde keine Kompromisse mehr zwischen Passform- undDesignvorstellungen eingehen. Obwohl für betuchte Menschen schon immer dieMöglichkeit bestand, sich maßgeschneiderte Anzüge, Kostüme, Hemden und auchSchuhe anfertigen zu lassen, erfolgt der Großteil der Kleidungskäufe von der Stange.Mass Customization (oder Maßkonfektion) bietet hier eine Alternative zwischen demhoch individuellen und meist handwerklichen Vorgehen eines Schneiders und der

5.5Effizienz der interaktiven Wertschöpfung

Fragen zur Diskussion der Fallstudie

Versuchen Sie durch eine Internet-Recherche aktuelle Daten zu Unternehmen undWettbewerbern herauszubekommen. Finden Sie Beispiele von Unternehmen, die sich ähnlichaufgestellt haben wie Linel.

Was ist aus Ihrer Sicht die wesentliche Chance durch die Einführung eines Mass-Customization-Programms in diesem Unternehmen?

Sehen Sie weitere Risiken als die im Fall genannten? Welches Risiko sehen Sie am nachhal-tigsten?

Wie beurteilen Sie den angestrebten Wechsel vom persönlichen Vertrieb zu einem Online-Verkaufsprozess?

Wie könnte ein kleineres mittelständisches Unternehmen den Einführungsprozess des Mass-Customization-Angebots am besten gestalten? Wie kann die Geschäftsleitung am besten allebetroffenen Abteilungen „mit ins Boot holen“?

Wie können Sie das Konzept der Economies of Integration für dieses Unternehmen konkreti-sieren?

5 Die Fallstudie basiert auf einem Beitrag von Falk-Hayo Sanders, Christof Stotko und FrankPiller für das Buch „Mass Customization und Kundenintegration: Neue Wege zum innovati-ven Produkt“, Düsseldorf: Symposion Verlag. Die Fallstudie ist zu Illustrations- undLehrzwecken erstellt worden und kann ein vereinfachtes oder modifiziertes Abbild derWirklichkeit darstellen. Sie berichtet nicht wirklichkeitsgetreu über derzeitige und zukünfti-ge Aktivitäten des dargestellten Unternehmens.

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standardisierten Kleidung industrieller Herstellung (siehe Kasten 5–2 für einigeBeispiele).

Abbildung 5–20 zeigt die einzelnen Schritte der Erstellung von Maßkonfektion. DieWertschöpfungskette beginnt bei der Erhebung von Scannerdaten des Kunden (undzusätzlicher Informationen zur Ausstattung etc.). Diese Daten werden dann automa-tisch in ein Schnittmuster übertragen (oder einer größeren Bibliothek vonSchnittmustern zugeordnet),das dann in der Regel mit einem Lasercutter imEinzellagenzuschnitt in die passenden Komponenten des gewählten Stoffs überführtwird, Alle weiteren Schritte sind dann aber weitgehend die gleichen wie bei einerStandardproduktion.

5Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–20: Wertschöpfungskette bei Maßkonfektion

Aus-lieferung

3D-Scanner

3D MenschModell

Schnitt-System

Produktions-Leitsystem

Einlagen-zuschnitt

Nähplatz

Nähplatz

Bügel-platz

Schnittdaten

Messdaten normierteKörpermaße

Konstruktions-maße

End-kontrolleKunde

Dolzer GmbH, Deutschland (dolzer.de): Der deutsche Pionier und größte Anbieter

Land’s End (landsend.com): Nutzt die Dienste des Systemintegrators Archetype, umMaßkonfektion umzusetzen.

MeJeans (mejeans.com) und UJeans (UJeans.com): Individuelle Jeans mit großer Auswahl,aber sehr komplexe Websites.

Kasten 5–2: Beispiele für Maßkonfektion im Internet

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Kalkulationsbeispiel

Als Beispiel dient Vertrieb und Produktion einer individuellen Damenhose, produziert inAsien und vertrieben über den stationären Handel in Europa. Sie erzielt im Beispiel einenVerkaufspreis von 100 Euro. Die zu realisierenden Potenziale ergeben sich aus demVergleich mit den Bedingungen, die herrschen, wenn das Produkt klassisch nach den Prin-zipien der Massenfertigung (Variantenfertigung) hergestellt und vertrieben würde. AlsÜbersicht der Effekte dient Abbildung 5–21. Sie gibt schematisch wieder, wie sich die ein-zelnen Economies auf den Deckungsbeitrag von Maßkonfektionsware auswirken. Aus-gangspunkt ist dabei eine (heute bereits optimistische) Umsatzrendite von fünf Prozent.Diese kann sich durch Mass Customization – trotz höherer Kosten – fast verdoppeln (wennlediglich eine singuläre Transaktion betrachtet wird, bei Berücksichtigung von Folgekäufenoder mittelbaren Kostensenkungspotenzialen ist das Ertragssteigerungspotenzial sogarnoch höher, was der „Berichtsposten“ am rechten Rand des Schemas ausdrücken soll).

5.5Effizienz der interaktiven Wertschöpfung

Polo Ralph Lauren (polo.com): Erste Personalisierungsschritte eines großen Anbieters.

Literaturempfehlungen zur Individualproduktion in der Bekleidungsindustrie

Seidl, Andreas et al. (Hg.) (2001) Zukunft Maßkonfektion. Technik, Markt und Management.Frankfurt/M.: Deutscher Fachverlag 2001.

Steffen, Marion (2001). Strategische Netzwerke für komplexe Konsumgüter am Beispiel derindustriellen Maßkonfektion. Frankfurt am Main: Lang 2001.

Ulrich, Pamela / Anderson-Connell, Lenda Jo / Wu, Weifang (2003). Consumer co-design ofapparel for mass customization. Journal of Fashion Marketing and Management, 7 (2003) 4:398-412.

Abbildung 5–21: Kostenstruktur Maßkonfektionsware (Datenmaterial nach Sanders 2001)

Vermeidung von Rabatten

und Discounts

Deckungs-beitrag

Standard

Reduktion der Lager-bestände

(statt 100 nur 5 Tage zu 15% p.a.)

Vermeidung Diebstahl-

risiko

Erhöhte Preisbereit-

schaft

Erhöhte Produktions-kosten (+18% auf Basis 50

EUR)

Erhöhte Transport-

kosten

Änderungs-aufwand (10% der Aufträge)

Kosten derKunden-

interaktion

Deckungs-beitrag Mass

Customization

5

13

4 1

5

-9-3

-3-4

9

Vermeidung von Verschwendung

Ziel: Reduzierung der zusätzl. Kosten durch Modularisierung & StabilitätPreis-Premium

Basis: 100 EUR

zzgl. weitere mgl. Saving-potenziale

Berichtsposten: Profitsteigerung durch Vorteile

bei Kundenbeziehungen,Vermeidung entgangener

Umsätze durch Budgetverlagerung etc.

x

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Kostensenkungspotenziale

Das Potenzial einer Reduktion von Verschwendung schlägt sich in diesem Fall in dreigroßen Blöcken nieder, die im Beispiel eine gesamte Kostensenkung von 18 Eurobewirken können.

Dies sind im Einzelnen:

die Vermeidung von Discounts,

die Reduktion der Lagerbestände,

die Verringerung des Diebstahlrisikos.

Vermeidung von Discounts: Die Einsparungen durch Vermeidung von Discountsmachen mit 13 Euro den Löwenanteil aus. Diese Rechnung ist in Abbildung 5–22genauer aufgeschlüsselt. Die Kalkulation geht von der Annahme aus, dass nur 60Prozent der Massenware zum Listenpreis verkauft werden kann. Die übrigen 40Prozent sind nur durch zum Teil erhebliche Preisnachlässe im Markt zu positionieren.Dabei erfahren 20 Prozent der Bestände eine Preisreduktion von 30 Prozent, 15 Prozentwerden um 40 Prozent reduziert und fünf Prozent werden gar mit Rabatten von 60

5Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–22: Vergleich Abschriften bei Massenkonfektion und Mass Customization(Datenmaterial nach Sanders 2001)

100%

85%

Erlös beiunverb.

Preisempfehlung

TatsächlicherBruttoerlös

Zu 100%(1. Katalogpreis)

Zu 70%

Zu 60%

Zu 40%

60%

20%

15%5%

60%

14%

9%2%

Abschriften: 15%

100% 96,5%

Erlös bei unverb.

Preisempfehlung

TatsächlicherBruttoerlös

Zu 100%(1. Katalogpreis)

Zu 100%(aber Änderungen, die ca. 30 % des VK ausmachen)

Zu 30%

85%

10%5% 1,5%

Abschriften: 3,50%

85%

10%

13 %

Standardkonfektion Maßkonfektion

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Prozent angeboten. Daraus ergibt sich in der Summe ein Verkaufswert der Bestände anmassenhaft gefertigter Konfektionsware, der nur 85 Prozent dessen ausmacht, waszum Verkauf bereitgestellt wurde. Diese Annahmen sind für die Bekleidungsindustriesehr konservative Einschätzungen, in der Realität ist die Situation oft noch weitausdrastischer.

Im Gegensatz dazu wird angenommen, dass 85 Prozent der kundenindividuell gefer-tigten Hosen zum Listenpreis abgenommen werden. Die übrigen 15 Prozent setzensich aus solchen Bestellungen zusammen, die entweder nicht optimal sitzen und geän-dert werden müssen (zehn Prozent) oder aus solchen, die der Kunde nicht annehmenwill, beispielsweise weil sie im Design nicht seinen Vorstellungen entsprechen (fünfProzent). Für die Änderungen wird angenommen, dass sie mit einem Aufwand von ca.30 Prozent des Verkaufspreises durchgeführt werden können (dies entspricht denzusätzlichen Kosten von drei Euro im Schnitt aller verkauften Stücke). Nachdem dieseÄnderungen durchgeführt sind, nimmt der Kunde das Produkt zum vollen Preis ab.Die fünf Prozent der Bestände, deren Annahme der Kunde verweigert, werden miteinem Preisnachlass von 70 Prozent verkauft (in Factory- oder Second-Hand-Läden).Insgesamt wird bei Mass Customization ein Verkaufswert von 96,5 Prozent der zumVerkauf bereitgestellten Waren erreicht. Dies entspricht einer Umsatzsteigerung umfast zwölf Prozentpunkte.

Vermeidung von Fehlbeständen: Die Vermeidung von Verschwendung durch eineVerringerung des Diebstahlrisikos zählt ebenfalls zu den Economies of Decoupling.Ware, die erst auf Kundenwunsch gefertigt wird, kann nicht ohne weiteres gestohlenwerden. Die im Beispiel angesetzten ein Prozent des Umsatzes sind ebenfalls rechtkonservativ geschätzt, viele Untenehmen verbuchen Ausfälle zwischen zwei und dreiProzent.

Vermeidung von Beständen und Liegezeiten: Die Vermeidung von Discounts hat nurdie Wirkungen niedrigerer Erlöse für abgesetzte Ware berücksichtigt. Hinzu kommennoch die oft erheblichen Einsparpotenziale durch die Reduktion der Distributions- undZwischenlagerhaltung. Im Bereich der Modeindustrie fallen die Lagerkosten derRohmaterialien (Stoffe) im Verhältnis zu den gesamten Kosten nicht ganz so stark insGewicht wie beispielsweise in Industrien, die mit sehr teuren Einstandmaterialienarbeiten (z. B. Computerindustrie). Auch in der Modeindustrie lassen sich dieLagerzeiten stark verringern (von 100 Tagen auf fünf Tage bei Mass Customization).Wir haben den Effekt im Beispiel mit vier Prozent Einsparpotenzial angesetzt. Dies ent-spricht den reinen Kapitalbindungskosten. Hinzu kommen aber noch die hier nichtquantifizierten Möglichkeiten zur Reduktion durch Verschwendung durch eine erhöh-te Flexibilität, Übersichtlichkeit und die Vermeidung der Lagerhaltungskosten(Schwund, Lagerlogistik etc.).

Vermeidung entgangener Umsätze und Reduktion des Moderisikos: Nicht in unse-rer Beispielskalkulation aufgeführt sind zwei weitere Wirkungen auf die Kosten- undUmsatzstruktur. Zum einen vermeidet Mass Customization entgangene Umsätzedurch Kunden, die im Standardsortiment nichts Passendes finden und deshalb ihrBudget verlagern. In der Modeindustrie besteht hier aus Sicht eines Einzelhändlers eingroßes ungenutztes Umsatzpotenzial, wenn Händler Kunden, die keine gewünschte

5.5

307

Effizienz der interaktiven Wertschöpfung

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Größe oder Farbe finden, nicht zur Konkurrenz verweisen müssen, sondern ein pas-sendes Stück nach Maß anbieten können. Der bessere Zugang zu Kunden-Know-howträgt weiterhin dazu bei, dass das Moderisiko stark gemildert wird. Im Gegensatz zueinem Massenfertiger ist ein Mass Customizer nicht darauf angewiesen, dieAbnahmemengen verschiedener Kollektionen in Bezug auf Menge und vor allem Stilund Modell zu prognostizieren. Durch die Integration des Kunden in denWertschöpfungsprozess wird die Ware erst dann produziert, wenn der Kunde denAuftrag dazu gibt. Dadurch werden einerseits die oben bereits angeführten Discountsfür Fehlplanungen vermieden. Zum anderen gewinnt ein Händler aber auch wertvol-le Informationen zur Optimierung des Sortiments und eine bessere Modellpolitik –wesentliche Voraussetzung für dauerhaft zufriedene und treue Kunden.

Die Höhe dieser zusätzlichen Umsatzpotenziale ist schwer aus einer generellen Sichtzu quantifizieren. Hierzu sind firmenabhängige Befragungen und Abschätzungen not-wendig, deren Mechanismen an dieser Stelle nicht dargestellt werden können. Nachunserer Erfahrung lassen sich aber Potenziale von bis zu 30 Prozent des Umsatzes derAusgangssituation zusätzlich herausholen. Viel wichtiger als eine genaue Kalkulationist aber das bloße Erkennen dieser Möglichkeiten. Sie können als ergänzender Faktorin eine Kalkulation einfließen, sollten aber nicht deren Basis bilden.

Zusätzliche Preisbereitschaft

In der Kalkulation ist ebenfalls die Möglichkeit dargestellt, einen höheren Preis für dasindividuelle Gut zu fordern. Diese Umsatzsteigerung berücksichtigt noch nicht dieMöglichkeit, ein Preis-Premium zu erheben . Die Differenzierungswirkung von MassCustomization führt zu einer Erhöhung der Preisbereitschaft der Kunden. Diese ist imBeispiel – sehr konservativ– auf lediglich fünf Euro geschätzt. Hier lassen sich weitaushöhere Potenziale verwirklichen, wie die Praxis zeigt. Allerdings sollte sich ein Mass-Customization-Konzept auch ohne Preissteigerungen tragen können, weshalb wir inunserem Beispiel nur ein geringes Premium ansetzen.

Gegenrechung: Höherer Aufwand durch Mass Customization

Auf der anderen Seite stehen die zusätzlichen Kosten, die bei Produktion und Vertriebkundenindividueller Produkte entstehen (vgl. noch einmal Abbildung 5–23). Sie sindFolge des steigenden Produktions-, Transport und vor allem höheren Interaktionsauf-wands. In unserem Beispiel macht diese Kostensteigerung in der Summe 19 Euro aus.Die Höhe hängt dabei direkt von der Fähigkeit ab, Synergieeffekte auf der Modulebenezu realisieren.

Steigende Kosten in der Produktion: Abbildung 5–23 legt schematisch dar, wie sichdie Produktionskosten bei Individualkleidung im Vergleich zur Massenfertigungändern (unsere Annahme folgt dabei einer Produktion in Asien). Dabei scheinen sichinsbesondere die entgangenen Skaleneffekte im Zuschnitt des Stoffes niederzuschla-gen. Anstatt wie in der Massenfertigung mehrere Lagen Stoff in einem Arbeitsgang aufeine standardisierte Konfektionsgröße zuschneiden zu können, muss nun jede LageStoff einzeln mit den individuellen Maßen des Kunden zurechtgeschnitten werden.Jedoch konkretisiert sich aufgrund des geringen Wertschöpfungsanteils an der gesam-ten Wertschöpfungskette auch eine Kostensteigerung von 500 Prozent in nur wenigen

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Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

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zusätzlichen Eurocent. An dieser Stelle machen viele Praktiker einen Fehler, indem ein-zelne Kostenblöcke herausgehoben werden, ohne die gesamte Wertschöpfungskette zubetrachten. Entscheidende neue Kostenblöcke fallen durch Umrüstzeiten und vorallem den steigenden Abwicklungsaufwand zur Integration der Kundeninformationenin den Fertigungsablauf an. Insgesamt steigen in unserer Rechnung die reinen Produk-tionskosten um 18 Prozent (bzw. neun Euro bezogen auf einen Einkaufspreis von ehe-mals 50 Euro).

Steigende Transportkosten: Erhöhte Transportkosten ergeben sich aus der Tatsache,dass Transporte nicht, wie im Massenhandel üblich, gebündelt werden können. DieHöhe der zusätzlichen Transportkosten, im Beispiel mit drei Prozent bzw. sechs Euroangesetzt, hängt entscheidend vom Produkt, den Standorten und vor allem möglichenBündelungseffekten ab. In unserem Beispiel gehen wir davon aus, dass der Herstellerin einem eigenen Luftfrachtcontainer die Waren von der asiatischen Fabrik zumLadengeschäft versendet. Dies setzt natürlich genügend große Absatzmengen und eineBündelung von Aufträgen voraus (siehe Abbildung 5–24, welche die gesamte möglicheDurchlaufzeit eines Auftrags bei Fertigung in Asien zeigt). Eine Verzögerung desLiefertermins, die sich aus einer Bündelung mehrerer Bestellungen ergeben würde,wird vom Kunden nur in engen Grenzen akzeptiert. Deshalb sollten die angegebenLiefertermine großzügig berechnet werden, um noch ausreichenden Raum fürOptimierungen zu besitzen.

5.5

309

Effizienz der interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–23: Kostenerhöhung bei individueller Fertigung von Konfektionsware in Asien(Datenmaterial nach Sanders 2001)

50 EUR

11,00 EUR

6,80 EUR

31,90 EUR

0,30 EUR

+ 25% (mehr Abschriften)

+ 25% (erhöhte Umrüstungen)

+ 10% (höhere Abwicklungskosten)

+ 500%

59 EUR

13,70 EUR

8,50 EUR

35,00 EUR

1,80 EUR

Summe:+ 18%

(45 mindir. + indir.

bei 9 EUR/h)

StoffZuschnitt

Verarbeitung(Nähen, Bügeln,

Handling)

Sonstige Kosten / Gewinn-

anteil

(Einzellagen statt Mehrlagen)

Standardkonfektion Maßkonfektion

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Änderungskosten und zusätzlicher Interaktionsaufwand: Wie hoch der zusätzlicheÄnderungsaufwand ausfällt, hängt damit zusammen, welches Qualitätsniveau derGesamtprozess hat. In unserem Beispiel rechnen wir (wie bereits beschrieben), dassjeder zehnte Auftrag Änderungskosten von 30 Prozent des Verkaufspreises verursacht(bzw. in einer Mischkalkulation drei Euro für jedes abgesetzte Kleidungsstück).Ursachen von Änderungen sind neben den üblichen Fehlerquellen in der Produktionvor allem Fehler im Interaktionsprozess. Hier ist die Qualität des Verkaufspersonalsund der unterstützenden Prozesse der entscheidende Einflussfaktor. Damit bedingensich Änderungskosten und zusätzliche Interaktionskosten (Transaktionskosten) gegen-seitig. Besonders die Abschätzung der zusätzlichen Interaktionskosten ist nicht ein-fach. Wir haben uns in unserem Beispiel auf Branchenangaben verlassen und denzusätzlichen Aufwand (gegenüber den bereits bestehenden Kosten für Verkaufsräumeund -personal) mit vier Euro pro Auftrag berechnet. Diese Rechnung ist jedoch wiederstark einzelfallabhängig und umfasst in unserem Fall eine Mischkalkulation ausErstkauf, bei dem viele Daten erhoben werden müssen, und dem Aufwand fürWiederholungskäufe, wo auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen werden kann.

Gesamtwirkung einer Transaktion – und zusätzliche Potenziale durch Wiederho-lungskäufe

Insgesamt ergibt sich aus der Addition der eingesparten Kosten und der zusätzlichenPreisbereitschaft bei Subtraktion der zusätzlichen Kosten eine mögliche Steigerung desDeckungsbeitrages von vier Prozent. Dies kann die Gewinnsituation vieler Einzel-

5

310

Fallstudien zur interaktiven Wertschöpfung

Abbildung 5–24: Durchlaufzeiten der kundenindividuellen Massenfertigung einerDamenhose in Asien (Datenmaterial nach Sanders 2001)

Ablauf der Logistikkette für Masskonfektion aus Asien

GESAMT

Auslieferung an Kunde

Umladen in Versandkartons

Lufttransport

Transport zum Flughafen

Nähen, Bügeln, Verpacken

Zuschnitt (inkl. Vorbereitg.)

Auftragserfassung(tägliche Auftragsübertragung)

8 – 14 Tage

per UPS, DPD etc.

nahe Flughafen

auf Paletten, in Folie, in Kartons

per LKW

in kleinen flexiblen Gruppen

Vorbereitung auf CAD, Einzellagencutter

Zusätzliche Erfassungsmasken und Übertragungssoftware

5 10 15 Kalendertage

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händler ganz entscheidend verbessern, vorausgesetzt, Mass Customization wird nichtals reines Add-on zur Imagesteigerung verstanden, sondern als Grundlage einerdurchgreifenden Geschäftsstrategie.

Wichtig ist zu beachten, dass unsere Berechnung nur einen Verkaufsprozess darstelltund die Transaktion einer Hose umfasst. Hinzu kommen noch Kostensenkungs- undUmsatzsteigerungspotenziale aufgrund der Möglichkeit von Mass Customization, dieKundenbindung zu erhöhen (Economies of Relationship). Zum einen kann mit steigen-der Bindungsintensität eines Kunden an einen Anbieter die Preisbereitschaft steigen.Dieser zusätzliche Deckungsbeitrag kann weiter gesteigert werden, wenn dieBeziehung zum Kunden dazu genutzt wird, weitere Produkte abzusetzen (Cross- undUp-selling). Ebenso werden die Interaktionskosten – wie bereits angeführt – oft beiWiederholungskäufen stark sinken. Ebenfalls sind in der Kalkulation die Kosten-senkungspotenziale aus Economies of Integration und Umsatzsteigerungen durch dieVermeidung von Budgetverlagerungen von Kunden, die kein passendes Standard-Stück finden, noch nicht enthalten, sondern nur als Berichtsposten in Abbildung 5–21aufgeführt. Hier ergibt sich noch ein weiteres Potenzial zur Umsatzsteigerung.

5.5

311

Effizienz der interaktiven Wertschöpfung

Fragen zur Diskussion der Fallstudie

Stellen Sie die Besonderheiten der Modeindustrie heraus, die die Grundlage für die dargestell-te Kostenstruktur sind. In welchen anderen Branchen findet sich eine vergleichbare Situation,in welchen Branchen sind dagegen die Ausgangsbedingungen ganz anders?

Wie können Sie herausfinden, welche Potenziale durch eine Steigerung der Absatzeffizienzzusätzlich erreicht werden können?

Welche wichtigen Kosten sind in der dargestellten Kalkulation nicht enthalten? Wie können Siediese quantifizieren?

Gruppenaufgabe: Übertragen Sie diese Kalkulation auf ein Unternehmen oder eine BrancheIhrer Wahl (Hinweis: Auf Branchenebene finden Sie über den jeweiligen Verband derProduzenten meist einfacheren Zugang zu den Ausgangsdaten). Vergleichen Sie die Er-gebnisse.

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Interaktive Wertschöpfung in der Unternehmenspraxis

Adidas, Amazon, BMW, CafePress, Dell, Factory 121, Flickr, Hyve, Innocentive, LEGO,Linux, Liquid Paper, Loewe, Muji, Personal Novel, Podcasts, Procter & Gamble, Selve,Spreadshirt, Swarovski, Threadless, Timbuk2, Wikipedia, Zagat, Zazzle, ZeroPrestige– all diese Unternehmen oder Initiativen sind Beispiele für die Prinzipien der interak-tiven Wertschöpfung, die wir in diesem Buch vorgestellt haben. Wir warten gespanntdarauf, bis das im Januar 2006 relaunchte OsCar-Projekt (Open-Source-Car) eine erns-thafte Alternative zu den Automobilen der großen Hersteller bietet. Bei weniger kom-plexen Produkten ist genau dies heute schon der Fall. Unser Ziel war es, eine neueSichtweise der Organisation arbeitsteiliger Wertschöpfung zu diskutieren, die auf deraktiven Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Kunden bzw.Nutzern basiert.

Die Evolution der Organisation arbeitsteiliger Wertschöpfung

Aus der klassischen industriellen Vorstellung der Wertschöpfung (die aber immernoch das Denken vieler Manager und Wissenschaftler prägt!) hat sich in einem evolu-tionären Prozess ein neues Wertschöpfungsmodell gebildet, das die klassischenKoordinationsprinzipien Hierarchie und Markt durch neue Prinzipien ergänzt. Es wardas Ziel unserer Ausführungen, einen Bezugsrahmen zu bilden, der verschiedeneTheorie-Bausteine und Prinzipien zusammenfügt, die aus der Organisationsforschungsowie dem Innovations-, Technologie- und Produktionsmanagement abgeleitet wer-den. Interaktive Wertschöpfung ist nicht universell anwendbar und soll keine bewähr-ten Konzepte ersetzen. Es handelt sich vielmehr um eine Ergänzung bewährterAnsätze und Instrumente des Innovations- und Produktionsmanagements.

Ausgangspunkt unserer Darstellung war die klassische industrielle Massenproduktionauf Basis tayloristischer Prinzipien der Arbeitsgestaltung und hierarchischerOrganisationsstrukturen. Dieses konventionelle Wertschöpfungsmodell orientiert sichstreng an den Zielen der “Produktivität” und der “Kostenwirtschaftlichkeit” in derProduktion, realisiert durch das Streben nach maximalen Skaleneffekten und einerZerlegung des Wertschöpfungsprozesses in kleinste Einheiten.

Das Leitbild der vernetzten Wirtschaft

Doch stabile Rahmenbedingungen und langfristig prognostizierbare Absatzmärkte –die Voraussetzungen für die effiziente Anwendung dieses klassischen Wertschöp-fungsmodells – gibt es heute in immer weniger. Die Globalisierung und der damit ein-hergehende Kostendruck und die gleichzeitig steigende Heterogenisierung derNachfrage verlangen von Anbietern neue Wettbewerbskonzepte und Ideen für dieWertschöpfung. Die Potentiale der neuen Informations- und Kommunikations-

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6 Zusammenfassung und Ausblick

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technologien bieten einen neuen Lösungsraum: die Abflachung und die Auflösunghierarchischer Unternehmensstrukturen zugunsten modularer dezentraler Organisa-tionsformen, Netzwerkorganisationen und elektronische Märkte bilden neuePlattformen für eine flexible Entwicklung und Produktion auf Kundenbestellung.

Das Leitbild der interaktiven Wertschöpfung

Wir sehen heute, dass Kunden das Ergebnis betrieblicher Wertschöpfung nicht nurkonsumieren, sondern selbst einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung von Wert lei-sten. Dies geschieht dabei nicht nur autonom in der Kundendomäne, sondern auch ineinem interaktiven und kooperativen Prozess mit Herstellern und anderen Nutzerneiner Leistung. Kunden und Nutzer tragen dazu bei, die Kenntnisse, Fähigkeiten undRessourcen eines Herstellers zu erweitern. Dieses Konzept einer interaktivenWertschöpfung erweitert den Gedanken der Netzwerkorganisation um einen wesent-lichen Schritt: die Nutzung des Wissens von Kunden und Nutzern für dieWertschöpfung. Das verteilte Potenzial individueller Wissensträger, insbesondere vonAnwendern und Endabnehmern der jeweiligen Produkte, wird für die Wertschöpfungerschlossen. Die Kunden bringen sich in vormals autonome Wertschöpfungsaktivi-täten des Herstellerunternehmens ein und führen diese teilweise selbst aus, um so ihr(lokales) Wissen zu artikulieren und zu explizieren.

Die Radikalität des Ansatzes entscheidet über die Rolle der Akteure

Bezugspunkte der interaktiven Wertschöpfung können alle Phasen des Wertschöp-fungsprozesses sein: von der Ideengenerierung bis zur Markteinführung. Ent-sprechend verläuft der Intergrationsgrad des Wertschöpfungspartners mehr oderweniger radikal. Entlang dieser Evolution der Organisation arbeitsteiliger Wert-schöpfung ändert sich aber nicht nur die Sichtweise, welche Akteure am Wert-schöpfungsprozess aktiv beteiligt sind, sondern auch die Vorstellung, wie dasOrganisationsproblem, d. h. die Koordination und Motivation der einzelnen Akteure,die die Gesamtaufgabe arbeitsteilig vollziehen, am besten gelöst werden kann. TaylorsModell setzt vor allem auf die hierarchische Koordination und Motivation durch finan-zielle Anreize in einem geschlossenen Wertschöpfungssystem. Die Netzwerkansätzeerweitern diese Vorstellung um eine Kombination marktlicher und hierarchischerKoordinationsformen und betonen darüber hinaus auch eine Motivation durch nicht-monetäre Anreize. Die interaktive Wertschöpfung ergänzt diese beiden klassischenKoordinationsformen (Hierarchie und Markt) durch einen dritten Weg: das Orga-nisationsprinzip einer „commons-based-peer-production“. Diese Organisation desWertschöpfungsprozesses verlangt eigene Organisationsprinzipien und Kompetenzender Akteure. Beispiele bilden die Selbstselektion und Selbstorganisation von Aufgabendurch (hoch) spezialisierte Akteure, deren Motivation vor allem die (eigene) Nutzungder kooperativ geschaffenen Leistungen ist. Hinzu kommt jedoch eine Vielzahl weite-rer sozialer, intrinsischer und extrinsischer Motive.

Formen interaktiver Wertschöpfung

Wir haben uns in diesem Buch auf das Innovations- und das Produktionsmanagementkonzentriert. Je nach Ausmaß und Phase des Wertschöpfungsprozesses, in der die

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Zusammenfassung und Ausblick

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Kundenintegration stattfindet, haben wir zwei wesentliche Formen interaktiverWertschöpfung unterschieden:

Open Innovation bezeichnet die systematische Integration von Kundenaktivitätenund Kundenwissen in einzelne oder (im Extremfall) alle Phasen des Innovations-prozesses. Auf diese Weise entsteht zwischen einem Unternehmen und seinenKunden eine Wertschöpfungspartnerschaft, die durch eine integrierte System- undProblemlösungskompetenz charakterisiert ist. Kunden werden selbst aktiv undkonkretisieren ihr implizites Wissen über neue Produktideen und Konzepte, unterVerwendung bestimmter Hilfswerkzeuge des Unternehmens. Dieses Vorgehen istdeutlich von so genannten “Voice of the Customer”-Verfahren wie QFD abzugren-zen. Diese Verfahren stellen zwar sehr leistungsfähige Methoden zur Verfügung,wie Unternehmen die Kundenorientierung im Innovationsprozess verbessern kön-nen. Sie verbleiben jedoch im klassischen Innovationsparadigma und entsprechennicht unserer Auffassung von interaktiver Wertschöpfung. Bildhaft vollzieht sichdie Interaktion im Innovationsprozess nach dem Phasenmodell von derIdeengenerierung über die Konzeptentwicklung bis hin zur Prototypen-Entwick-lung und mündet schließlich aus der Sicht des Kunden in der Phase der Problem-lösung. Der Open-Innovation-Ansatz ist insoweit ein ergänzender Ansatz zum her-kömmlichen Innovationsmanagement. Produkt- und Markttest sowie Marktein-führung werden aus Sicht des Herstellers nicht überflüssig, laufen jedoch wegender Kundeninteraktion in den vorherigen Phasen nach einem anderen Muster undmit einem erheblich geringeren Marktrisiko ab.

Im Produktionsbereich konkretisiert die Produktindividualisierung die interakti-ve Wertschöpfung. Jede Erstellung von individuellen Produkten ist durch eineIntegration der Abnehmer in die Leistungserstellung geprägt. Schwerpunkt unse-rer Betrachtung war der Mass-Customization-Ansatz, d. h. die Individualisierungvon Gütern und Leistungen für eine relativ große Zahl an Abnehmern unter ähn-lichen Effizienzbedingungen eines vergleichbaren Massenproduktionssystems.Während die praktische Umsetzung von Open Innovation in vielen Unternehmenerst ganz am Anfang steht und deshalb hier nur eine recht geringe empirische Basiszur Ableitung von “promising practices” und Strukturen einer erfolgreichenUmsetzung besteht, ist die Umsetzung von Mass Customization deutlich weiterfortgeschritten. Die Analyse von Mass Customization konnte deshalb wichtigeAnhaltspunkte für eine Gestaltung der Interaktionsprozesse und Instrumente fürOpen Innovation geben. Dies bezog sich insbesondere auf unsere Aufführungenzur Gestaltung der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager.

Allerdings wird nicht jede Art von Open Innovation oder Mass Customization allePrinzipien der interaktiven Wertschöpfung, die wir in Kapitel 2 diskutiert haben, voll-ständig verwirklichen. Insbesondere das Modell der “Commons-based Peer Produc-tion” als Idealtyp der Organisation arbeitsteiliger Wertschöpfung findet sich heute erstansatzweise umgesetzt. Bei den in der betrieblichen Realität heute vorhandenenBeispielen zu Open Innovation und insbesondere bei Mass Customization vollziehtsich die Integration von Kundenbeiträgen oft noch im Rahmen hierarchischerArrangements – insbesondere, wenn es sich um materielle Güter handelt, bei denen

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Zusammenfassung und Ausblick

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höhere Ansprüche an die Produktionsausstattung zur Erstellung der Produkte gestelltwerden. Auch werden die resultierenden Entwicklungen oft unter den proprietärenSchutz des fokalen Herstellerunternehmens gestellt (mittels klassischer Schutzrechte).Ziel unserer Ausführungen ist es deshalb, ein realistisches Bild einer interaktivenWertschöpfung im Innovationsbereich zu zeichnen, dass mit der heutigen Wirklichkeitübereinstimmt. Die Fallstudien in Kapitel 5 belegen diese Situation.

Neue Erfolgsfaktoren und Anwendungswissen

Jedoch resultieren in allen Fällen einer interaktiven Wertschöpfung aus der Integrationder Kunden in die Unternehmensaktivitäten innovative Prozessstrukturen, die diekonventionelle Vorstellung von Arbeitsteilung zwischen Anbietern und Abnehmernaufbrechen. Dies verlangt in der Folge eine Redefinition der Kernkompetenzen, neuesWissen und neue Formen der Organisation und Koordination. Ein wesentlicher Faktorin diesem Zusammenhang ist der Aufbau von Interaktionskompetenz sowohl beimUnternehmen als auch bei den Kunden bzw. Nutzern.

Diese neuen Erfolgsfaktoren umfassen beispielsweise

Maßnahmen und Routinen zur Erschließung des Kundenwissens als Ressource,

die gemeinsame Generierung von Bedürfnisinformationen und Lösungsinforma-tionen,

Reduzierung des Innovationsrisikos durch frühzeitige Integration des Kunden,

Auswahl und Motivation geeigneter Kunden,

die Gestaltung des Innovationsprozesses über die Unternehmensgrenzen hinaus,

die Bereitstellung von Kommunikationsplattformen und Werkzeugen, die die Kun-denintegration in den Wertschöpfungsprozess ermöglichen und für alle Akteureattraktiv werden lassen,

den Aufbau von Controlling-Systemen, die den Wertbeitrag der Kunden für dasUnternehmen sicht- und steuerbar machen,

die Überwindung interner Barrieren im Herstellerunternehmen und der Aufbaueiner interaktionsförderlichen Unternehmenskultur.

Wir konnten in diesem Buch nur erste Ansatzpunkte zu einer Konkretisierung undGestaltung dieser Erfolgsfaktoren geben. Hier bieten sich für weiterführende Arbeitennoch viele Ansatzpunkte. Mit der zunehmenden Verbreitung dieser Gedanken in derPraxis wird sich aber in den kommenden Jahren ein reiches Feld für empirischeArbeiten bieten. Diese müssen auch nähere Erkenntnisse zu den Grenzen undAnwendungsbedingungen der interaktiven Wertschöpfung ableiten. Auch hier stehenwir mit unserem Wissen erst ganz am Anfang.

Diffusion der interaktiven Wertschöpfung

Man sollte jedoch nicht vergessen, dass auch die klassischen Organisationsprinzipienvon Frederik Taylor viele Jahrzehnte gebraucht haben, bis sie in modernen Massen-

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produktionssystemen perfektioniert wurden. Gleiches gilt für die Umsetzung derGedanken grenzenloser bzw. modularer Unternehmen, die trotz ihrer relativ langenDiskussion heute in vielen Unternehmen erst ansatzweise umgesetzt sind. Genausowird es auch noch viele Jahre dauern, bis sich interaktive Wertschöpfung als breitesPhänomen zeigt. Ein Faktor ist dabei jedoch anders:

Anders als bei den klassischen Organisationsformen, die dem Änderungswillen undBeharrungsvermögen unternehmensinterner Stakeholder ausgesetzt waren, bestim-men bei der interaktiven Wertschöpfung die Kunden den Wandel und treiben diesenvoran. Die neuen Internettechnologien, aber auch Innovationen in der Produktion, stel-len heute eine Infrastruktur bereit, auf der sich interaktive Wertschöpfung im kleinenund ohne große Kapitalinvestitionen schnell und einfach entfalten kann – bei gleichzei-tig hoher Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Qualität. Hinzu kommt ein Wandel imBewusstsein vieler Kunden und Nutzer, die sich nicht länger als willige Konsumenten,sondern als Macher (“Maker”) und aktive Akteure sehen. All diese Entwicklungenwerden unserer Meinung dazu führen, dass die Diffusionskurve der interaktivenWertschöpfung deutlich steiler sein wird als die ihre Vorgänger in der Evolutionarbeitsteiliger Wertschöpfung.

Das letzte Wort haben unsere Kunden

Aber das letzte Wort sollen unsere Kunden bzw. Leser haben (aus dem Vorwort): “Fürmich ist diese interaktive Wertschöpfung vor allem eine Vision und ein Anreiz, beste-hende Prinzipien zu überdenken. Ich will in meinem Unternehmen offen werden fürexternen Input. Das ist nicht immer einfach, aber ich bin mir sicher, es ist es wert.” “Ineinem Unternehmen gibt es ja auch ‘interne Kunden’ – auch hier können die Prinzipiender interaktiven Wertschöpfung helfen, Abteilungsdenken zu überwinden.”“Hoffentlich setzen immer mehr Unternehmen in Zukunft diese Prinzipien um – dennals Kunden habe ich viele gute Ideen, meinen Input einzubringen und all die Dinge zuändern, die mich schon immer stören.” (Zitate unserer Leser)

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Quellenverzeichnis

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i

Personen- und Firmenindex 121TIME VII, 239

Adidas 170, 176, 192, 197, 204, 257 Akao, Yoji 111 Appache Server 180

BAA Food Flavors 168 Barnard, Chester 4 Beckham, Dave 192 Bell, Daniel 22 Benkler, Yoachi 6, 59, 71 BMW 97 BoingBoing Blog 52 Brunner, Jean-Claude 5, 27, 47

Cafe Brotraum VII Cafepress 25, 242, 243 Chesbrough, Henry 117 Cisco 118 Converse 170 COSMOS/Projekt IX Creative Commons 127

D.tools 165 Daimler Chrysler 244 Dell 28, 39, 43, 50, 62, 242 Dell, Michael 28 Dolzer 304 Drucker, Peter 22

EBay 97, 243 Eli Lilly 97, 116 eMachineshop.com 25 Encyclopaedia Britannica 64 Engelhardt, Werner 5, 47 EOS 218 EUROSHOE-Projekt IX Exciting eCommerce Blog 52 Expedia 280, 288

Factory121 239 FC Bayern München 174 Flickr 64, 132, 313 Ford 15, 43, 142, 205 Ford, Henry 15, 205 Free CPU Projekt 184

Gadowski, Lukas V, 52 Gates, Bill 132 General Electric 113 Google 132, 243 Graham, Bette N. 124 Griffith, Saul 141 Grün, Oskar 6, 27, 47 Gutenberg, Erich 18 Gutenberg-Projekt 59

Hansen, Ursula 5 Harley Davidson 210 Heinen, Edmund Henkel, Joachim 128

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ii

Hennig, Thorsten 5 Herstatt, Cornelius 97 Hyve 313

IBM 183 Ikea 1 Innocentive 93, 96, 104,115, 117,

171, 175 InnovationNet.com 115 Intellifit 209

Jacana Tours 284, 290

Kite-Surfing 41, 54, 56, 62, 71, 142 Kleinaltenkamp, Michael 5, 46, 47 Klemmer, Scott 165 Krisch, Jochen 52 Land's End 209, 304

LEGO 174, 253 Lindemann, Udo VIII Linel GmbH 294 Linux 64, 180 Liquid Paper 124 Loewe 234 Lucent 113, 118 Lugnet 254 Lulu.com 25 Lutz, Burkhart 17

MACS-Projekt IX MAKE Magazine 25 Mathworks 189 MeJeans 304 mi Adidas 170, 192, 204, 257, 259 Microsoft 89, 132 Misterovivh, Pat 141 Muji 188 My Virtual Model (MVM) 209

NASA-Clickworker Projekt 59, 70 Netscape 133

Nike 170, 192, 258, 259 NineSigma 115 Normann, Richard 4, 5, 47 Novell 183

Odeo 141 Open Invention Network 182 Oscar Projekt 184, 313 Ouside Innovation Blog 132

Personalnovel V Pez MP3 Player 141 Philips 183 Pine, Joseph B. 204 Porter, Michael 5, 12 Prahald, C.K. 5, 47, 81 Pribilla, Peter II Procter & Gamble 114, 117, 171 Puma 170

Ramaswamy, Venkatram 5, 47 Ramirez, Rafael 4, 5, 47, 71 RAND Corporation 158 Raymonds, Eric 181 Red Hat 183 Reebok 170, 258 Rieder, Kerstin 6, 27

Schonfeld, Eric 63 Schumpeter, Joseph 97,116, 172 Seybold, Patricia 132 Siquid Labs 142 Smith, Adam 172 Sony 183 Spreadshirt V, 51, 52, 56, 62, 87,

105, 242 Stallman, Richard 270 Stata Corp 88 Stiftung Warentest 24 Stotko, Christof 219

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Sun Microsystems 64 Swarovski 177

Taylor, Frederick 11 Threadless 2, 43, 62, 71, 88, 105, 189 Timberland 170 Tipp-Ex 124 Toffler, Alvin 4 TU München 174 von Hippel, Eric IX, 6, 47, 54,113,

127, 141

Voß, Günter 6, 27, 46

Wikipedia 43, 59, 64, 70, 88, 132, 184, 270

Wikström, Solveig 4, 47, 71 WINSERV Projekt VIII

Xerox 113

YouEncore 115

Zagat V, 3 Zazzle 242, 243 Zeroprestige.org 42 Zuboff, Shoshana 27

Sachindex 3D-Drucker 218f

Absatzeffizienz 214f, 236, 301 Absorptionsfähigkeit, Absorptive

Capacity 84f, 90 Allokationsproblem 11f, 18, 82 Amateurfunk, User Innovation im VI Anwendungswissen 83f, 91, 316 Arbeitsteilung, klassische 14, 125,

150, 316 Arbeitsteilung, neue 3, 9, 45, 150 assemble-to-order 210 Austausch, sozialer 1, 45, 72

Baukastensystem 29 Bedürfnisinformation 48, 55ff, 103,

107ff, 119f, 124ff, 152, 214, 316

Bedürfnispyramide 23 Bedürfnisse, Kunden-54, 72, 122,

137, 142, 193, 207, 230 Bedürfnisse, offene 137, 142 Betriebsführung, wissenschaftliche

11, 14 Beziehungsmarketing 4, 155, 201,

227f, 236, 253, 301 Blog 25, 52 Bridging-Strategie 79, 81, 84 build-to-order 210 bundle-to-order 209

Closed Innovation 117,119 Clubgüter 68 Cluster-Analyse 55 Co-Creation 5, 46f, 199 Co-Design 133, 144, 167, 169ff, 198,

199ff, 208, 232, 237, 243, 245 Collective Innovation 73

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Commons-based Peer-Production 6,13f, 58f, 63, 73, 87, 90, 134, 177, 180, 314

Communication Rings 178f Communities for User Innovation

151, 176, 189 Communities of Practice 179 Communities 42, 63, 126, 178 Communities, Basisliteratur 189 Community-Medien VI Conjoint-Analyse 111, 194 Consesual Assessment Technique

(CAT) 174, 257 Content Trees 178f, 186 Co-Produktion 26, 46, 47 Cost-to-Market 150, 151 Customer Integration 5, 47 Customer Relationship Management

(CRM) 155, 201, 228, 262, 301

Customer-active paradigm (CAP) 6, 42, 106, 120, 122, 123, 128

Customer-Pull-Strategie 212

Decoupling-Punkt 211 Delphi-Methode 157, 158 Demokratisierung von Innovation

127 Design-it-yourself 133, 141, 145 Designwettbewerb 43, 264 Development-to-order 151, 210, 226 Dienstleistungsproduktion 48, 200 Differenzierungsstrategie, -politik 24,

46, 76, 192, 201, 230, 308 Do-it-yourself 133, 141f, 145, 199 Dynamic Packaging 279ff, 285,

287ff

Early-Adopter 138, 148 E-Commerce 52

Economies of Integration 202, 223, 229, 236, 237, 306

Economies of Scale 3, 17, 19f Economies of Scope 17, 19, 21 Effizienz, operationale 25 Eigenbedarf 6, 54 Einzelfertigung 22, 52, 202ff, 205,

216f, 223, 230, 262, 296 embedded configuration 226 Empowerment 21, 24, 27, 76 engineer-to-order 210, 296 Erfahrungseigenschaften 242 Erfindung, Begriff 98 Ertragsgesetz 10, 19, 67 Exploring-Phase 238, 244 Externalitäten 68, 70f

Faktor, dispositiver 18 Faktor, externer 5, 48, 158 First-Copy-Costs 67, 71, 158 Fit-to-Market 46, 75f, 150ff, 224 Flow-Erlebnis 145, 250f Fokusgruppen 109 Free Revealing 71f, 124, 136 Frictionless Commerce 39 Fuzzy Front End 55, 103

Gatekeeper 89 Gemeinschaften, virtuelle 178, 183f,

186, 188 Gesellschaft, postindustrielle 22 Granularität 45f, 62f, 73,81, 92 Grenze des Unternehmens 30

Hedonismus 23, 259 Herstellerinnovation 104, 122, 124 Heterogenisierung, Heterogenität 21,

26, 54 Hybrid-Strategie 24, 29

Idealpunkt 193f, 210, 213, 230f, 308

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Ideation 103 Ideenbörsen 96 Ideengenerierung 96, 101, 103, 129,

131f, 151, 173, 180, 314f Ideenwettbewerb 93, 160, 173ff, 257,

262f, 265ff Individualisierung der Nachfrage 22,

28, 40, 76, 95, 192, 198 Individualisierung von

Dienstleistungen 196 Information Overload 221 Informations- und

Kommunikationstechnologie, neue Möglichkeiten 4, 22, 30, 37, 66, 80, 223

Informationsdienstleister 30 Informationsgüter 65ff, 71, 94, 132,

134, 242, 270 Informationsopportunitätskosten 60 Informationsparadoxon 66f Informationsproduktion 60, 62, 66f,

70f, 82 Innovation, Arten 101 Innovation, Begriff 97 Innovationsbereitschaft 82, 136, 140,

146 Innovationsfähigkeit 37, 82f, 90, 95f,

135, 137, 140 Innovationsgrad 77, 100ff, 153, 163 Innovationsnetzwerke 91, 114, 116,

117, 119f, 177 Innovationswettbewerb 149, 156,

171f, 188, 257, 263, 265 Institutionenökonomie 33 Integration, vertikale 17, 32, 35, 60 Intellectual Property Rights (IP) 65 Interaktion, Interaktionsprozess 39,

45, 200, 213, 232, 237 Interaktionserlebnis 46, 75

Interaktionskompetenz 46, 63, 71, 79, 81, 84, 90ff, 133, 316

Interaktionskosten 74, 148f, 191, 219, 236, 310

Interaktionsplattform 2, 71, 87, 93, 164f, 177, 200, 263

Involvement 138f, 149, 188, 232, 250

Käufermärkte 7, 24, 29f Käuferverhalten 30 Kernkompetenz 10, 36, 77f, 84, 118,

258, 316 Kommunikationsphase 241 Kommunikationsstrukturen 85 Komplexität, kognitive 139, 149 Konfiguration, Konfigurator 80, 169,

193, 207, 208, 220, 239, 244, 245, 249ff, 260, 291, 296ff

Konfiguration, Kosten der 220 Konfigurator, Aufgaben des 248 Konsumkompetenz 137 Konsumsoziologie 5 Kontinuierliche Verbesserung 205,

262 Konzeptentwicklung 103 Kooperation 1,4, 6, 31, 32, 34f, 43,

47, 59, 73, 91, 119f, 126f, 131, 140, 147, 299, 313

Koordination bei Commons-based Peer-Production 88

Koordination durch Märkte 38, 314 Koordination, hierarchische 14, 17,

314 Koordination, hybride 29, 119 Koordinationsproblem 16, 29, 33, 62,

274 Kosteneffizienz 12, 199, 214, 215,

223, 225, 230, 292, 301, 305 Kostenführerschaft 19, 76, 196

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Kostenoption 202 Kostenwirtschaftlichkeit 7, 18, 35,

202, 214, 313 Kreativität, Bewertung von 174 Kreativitätstechniken 162 Kunde als strategische Ressource 78 Kunde, aktive 25, 26, 40 Kundenaktivismus 25 Kundenbedürfnisse 8, 50, 54, 72,

100, 122, 137, 142, 152, 193, 207, 230, 253, 285

Kundeninnovation 95, 120, 122, 133, 234

Kundenintegration 5, 9, 13, 40, 45ff, 100, 104f, 134, 144, 146, 199, 203, 210, 223

Kundenintegration, Basisliteratur 53 Kundeninteraktion, Basisliteratur 255 Kundeninteraktion, Phasenmodell

239 Kundenorientierung 105, 107, 111,

113 Kundenwissen 49, 56, 78, 84f, 89,

129, 134, 253

Lasersintern 104 Lead User 46, 47, 57, 81, 125, 137,

148, 156, 208 Lead User, Basisliteratur 163 Lead User, Eigenschaften von 137,

149, 159 Lead User, Identifikation von 159,

176, 257, 269 Learning Relationship 228, 230, 253 Leistungspotenzial 48, 49, 146, 238,

241 Leistungstiefe 32 locate-to-order 209 Lösungsinformation 55ff, 108, 107f,

126, 129, 137, 143f

Lösungsraum 45, 49, 100, 124, 166, 199, 203, 208

Low-cost user innovation niche 143

Make-to-order 196, 198, 210, 262 Manufacturer-active paradigm

(MAP) 6, 42, 56, 113, 120, 123, 128, 154

Marken-Communities 185 Markteinführung 79, 102ff, 104, 120,

149ff, 151, 209 Marktforschung 8, 26, 40, 46, 55,

109f, 122, 152, 192 Marktorientierung 29, 40, 76, 122 Markttransparenz 8, 25, 38f, 76, 194 mass confusion 221 Mass Customization 9, 45, 50, 144,

198, 235, 257, 285, 294, 303, 315

Mass Customization, Kosten aus Kundensicht 221

Mass Customization, Prinzipien 199, 204

Massenproduktion 17, 23, 50, 194, 198, 205, 207ff, 217, 305

Massenproduktion, kundenindividuelle 198

Maßkonfektion 227, 249, 303 match-to-order 192, 209, 262 Meinungsführerschaft 138 Meinungsplattformen 185 Micro-Merchandising 51 Modularisierung 29, 62, 92, 166, 203 Motivation von Lead Usern 137, 140,

141 Motivation, extrinsische 46, 74, 147 Motivation, intrinsische 46, 75, 145,

250 Motivationsproblem 33, 62 Motive, soziale 146

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Move-to-the-Market-Hypothese 38

Need information 55 Netzeffekte 72 Netzwerkökonomie 50, 82 Netzwerkorganisation 27, 30, 105,

114, 314 New-to-Market 153 Not-Invented-Here-Problem 79, 89,

118 Nutzen, extrinsischer 46, 74, 147 Nutzen, intrinsischer 46, 75, 145, 250 Nutzen, Kunden- 46, 72, 135, 144,

179 Nutzerinnovation, User Innovation

95, 122, 128

Offenlegung von Information 65 Öffentliche Güter 68, 78 Open Innovation 9, 45, 50, 77, 95,

102, 106, 113, 129, 132, 208, 257, 268, 315

Open Innovation, Basisliteratur 135, 155

Open Innovation, Kosten und Grenzen der 154

Open-Source, Motivation von OS-Programmieren 145

Open-Source-Software 6, 59, 70, 73, 132, 180

Ordertracking 252 Organisationsformen, hybride 35, 36 Organisationsgrenze 30, 31 Organisationsproblem 14, 32 Organisationstheorie 4

Patente 66, 98 Peer-to-Peer-Produktion 60 Phasenmodell des

Innovationsprozess 101

Preisdiskriminierung 38, 202, 230, 233

Preispremium 202, 230, 233, 308 Preiswettbewerb 38, 39, 234 Pride-of-authorship Effekt 145, 232 Principal-Agent-Ansatz 221 Principles of Common Wisdom 17 Problemlösung, verteilte 96 Problemlösungsprozess 116, 151 Produktdatenmanagement (PDM)

298 Produktdifferenzierung 40, 76, 201,

230 Produktindividualisierung 9, 50, 52,

75, 77, 193, 195, 201, 238 Produktindividualisierung,

Ansatzpunkte 202, 215, 315 Produktinnovation 99 Produktions- und Kostenfunktionen

19 Produktionsnetzwerke 31 Produktionstheorie 18 Produktivität 18 Produktqualität 230 Produkt-Service-Bündel 1 Property-Rights-Theorie 33, 34, 63,

65 Prosumer 4, 46 Prototypen 54, 104 Prozessinnovation 90, 99 Prozesszufriedenheit, -qualität 145,

214, 230, 232, 250 Pyramiding 159

Qualität, hedonistische 144 Quality Function Deployment 110,

126, 315

Rapid Manufacturing 217, 218 Rapid Prototyping 104, 217

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Rationalitätprinzip 11 Resouce-Dependence-Theorie 78 Ressourcenabhängigkeit, Theorie der

78 Ressourcenorientierter Ansatz 77 Reziprozität 75

Scanner, Körper- 209, 260, 304 Schnittstellenprobleme 29 Schuhindustrie 171 Scientific Management 14, 15 Screening 160 Segment-of-one 54 Selbstbedienung 1, 25, 46 Selbstmotivation 4 Selbstorganisation 40 Selbstselektion 4, 60 Self-Service 41 Simulation 164 Skaleneffekte 17, 60, 67, 217 Social Commerce VI Soft Customization 209 Solution information 55 Solution Space 45, 49, 166 Spezialisierungseffekte 60 Spezifität 35 Sportartikelbranche 122 Standardisierung 196, 203, 213 Standortfrage 31 Stereolithografie 104 sticky information 56, 57, 69, 129,

143, 164, 208, 214, 224 Structure-Conduct-Performance-

Modell 76 Subsidiaritätsprinzip 90 Sucheigenschaften 242 Supply Chain 37, 192, Szenario-Analyse 158

Task partitioning 57 Taylorismus 14, 49 Teamkompetenz 139 Telekooperation 30 Time-to-Market 150 Toolkits for Co-Design 144, 163,

167, 170, 207, 237, 245 Toolkits for User Innovation 47, 80,

104, 144, 151, 160, 163, 237, 246

Toolkits zum Ideentransfer 171 Toolkits, Basisliteratur 172 Tragödie der Allmende 69 Transaktionskosten 33, 34, 61, 92,

147, 216, 310 Trendanalyse 157 Trial-and-Error 57, 116, 151, 165

Unternehmen, virtuelle 30 Unternehmertum 33 User Innovation Networks 62

Variantenfertigung 27 Variety-Seeking 24 Verbesserungsinnovation 90, 124,

153 Verbundeffekte 17, 217 Vertrauenseigenschaften 242 Vertriebskooperation 37 Virtual Reality 38 Voice-of-the-customer 105, 108, 122,

129, 315 Vorfertigungsgrad 203, 211 Vorkombination 48, 211, 218

Web 2.0 132 Wertschöpfung 11 Wertschöpfung, Grenzen der

interaktiven 74, 91, 93, 134, 154, 221, 314

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Wertschöpfung, interaktive 1, 4, 12, 40, 41, 44, 94, 131, 207, 237, 303, 314

Wertschöpfungskette 12 Wertschöpfungspartnerschaft 40 Wettbewerbsvorteile, Quellen der 76,

149 Wissen, explizites 69 Wissen, implizites 69 Wissen, lokales 45, 55, 69, 90, 117,

208

Wissen, Transformation von 82 Wissensarbeit 23 Wissensaustausch 40 Wissensökonomische Reife 56 Wissensproduktion, verteilte 59, 63

Zahlungsbereitschaft 75, 152 Zwangsarbeiter Kunde, These vom

25

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2. Auflage erschienen Liebe Leser, im April 2009 ist endlich die zweite und deutlich überarbeitete Auflage unseres Buchs erschienen. Die Kapitelstruktur und wesentliche Definitionen wurden ebenso überarbeitet wie die Fallstudien aktualisiert. Auszüge der überarbeiteten 2. Auflage können Sie wiederum auf der Website zum Buch, www.open-innovation.de, downloaden.

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