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54 2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern Konzeption des Kapitels Gewalt ist kein wirklich strittiges Thema. Gewalt gilt nicht als legitimes Mittel, um Konflikte zu lösen. Kontrovers diskutieren kann man allerdings über mögliche Ursachen von Gewalt oder darüber, wie man mit der Darstellung und den Folgen von Gewalt umgeht. Deshalb werden in diesem Kapitel anhand der Themen „Computerspiele und Gewalt“, „Soll man sprachliche Gewalt bestrafen?“, „Warnschussarrest für Jugendliche“ sowie „Graffiti Kunst oder Krawall?“ das mündliche und schriftliche materialgestützte Argumentieren geübt, erweitert und vertieft. Wie in den „Deutschbüchern“ für die vorangegangenen Jahrgangsstufen wird dabei die kommunikative Einbettung der argumentierenden Textformen berück- sichtigt. Ein schreibdidaktischer Schwerpunkt liegt auf der Erörterung im Anschluss an einen Text. Als Ausgangsbasis dienen journalistische Sachtexte, Interviews und Leser- sowie Expertenkommentare. Im ersten Teilkapitel (Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erör- tern) werden wesentliche Teilkompetenzen der Texterschließung und des Argumentierens angebahnt und vertieft: zunächst bei der Planung und Durchführung einer Podiumsdiskussion, danach bei der schrittweise angeleiteten Erarbeitung einer Pro-und-Kontra-Erörterung in Form eines Online- Kommentars zu der Frage, ob man verbale Gewalt bestrafen sollte. Der Aufbau einer Argumentation wird wiederholt und vertieft, die unterschiedlichen Argumenttypen werden neu eingeführt. Im zweiten Teilkapitel (Warnschussarrest für Jugendliche? Erörtern im Anschluss an einen Text) wird das argumentierende Schreiben anhand einer für den Deutschunterricht typischen Textform nachhaltig geübt. Die Lernenden analysieren detailliert einen komplexen Zeitungskommentar und set- zen sich anschließend mit den darin dargestellten Positionen erörternd auseinander. Für leistungs- schwächere Lernende stehen binnendifferenzierende Hilfen zur Verfügung. Das dritte Teilkapitel (Fit in Erörtern im Anschluss an einen Text) dient abschließend dem Trai- ning für eine Klassenarbeit. Ausgehend von einem Online-Kommentar mit dem Titel „Graffiti Kunst oder Krawall?“ können die Schülerinnen und Schüler selbstständig in einem gesteuerten Schreibpro- zess das Erörtern im Anschluss an einen Text üben. Literaturhinweise Argumentieren. Praxis Deutsch 160/2000 Becker-Mrotzek, Michael / Böttcher, Ingrid: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. Cornelsen, Berlin 2012 Ludwig, Otto / Spinner, Kaspar H.: Mündlich und schriftlich argumentieren. In: Praxis Deutsch 160/2000, S. 1622 Materialgestütztes Schreiben. Praxis Deutsch 251/2015 Meinungen bilden. Praxis Deutsch 211/2008 Netzwerk fachliche Unterrichtsentwicklung Deutsch des Schulministeriums NRW. Argumentierendes Schreiben lehren und lernen. www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/cms/netzwerk-fachliche-unterrichtsentwicklung/ deutsch/module Pohl, Thorsten: Schriftliches Argumentieren. In: Helmut Feilke / Thorsten Pohl: Schriftlicher Sprachgebrauch. Texte verfassen. Schneider, Baltmannsweiler 2014, S. 287315 Schneider, Frank / Tetling, Klaus: Argumentierend schreiben. In: Becker-Mrotzek / Böttcher, a.a.O., S. 216242 Schneider, Frank / Tetling, Klaus: Von Nashörnern bis Neurobiologie. Zur Funktion fachüberschreitender Sachtexte im Deutschunterricht. Der Deutschunterricht 6/2013, S. 6274 Spinner, Kaspar H.: Was gehört zu einer guten Argumentation? Von fremden Texten zum eigenen Schreiben. In: Praxis Deutsch 203/2007, S. 2124 Streit und Konflikt. Praxis Deutsch 174/2002 Übungsmaterial im „Deutschbuch 10 Arbeitsheft“ Eine Pro-und-Kontra-Erörterung verfassen, S. 1822 Erörtern im Anschluss an einen Sachtext, S. 2329

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2 Dann eben mit Gewalt?

Argumentieren und erörtern

Konzeption des Kapitels

Gewalt ist kein wirklich strittiges Thema. Gewalt gilt nicht als legitimes Mittel, um Konflikte zu lösen.

Kontrovers diskutieren kann man allerdings über mögliche Ursachen von Gewalt oder darüber, wie man

mit der Darstellung und den Folgen von Gewalt umgeht. Deshalb werden in diesem Kapitel anhand der

Themen „Computerspiele und Gewalt“, „Soll man sprachliche Gewalt bestrafen?“, „Warnschussarrest

für Jugendliche“ sowie „Graffiti – Kunst oder Krawall?“ das mündliche und schriftliche materialgestützte

Argumentieren geübt, erweitert und vertieft. Wie in den „Deutschbüchern“ für die vorangegangenen

Jahrgangsstufen wird dabei die kommunikative Einbettung der argumentierenden Textformen berück-

sichtigt. Ein schreibdidaktischer Schwerpunkt liegt auf der Erörterung im Anschluss an einen Text. Als

Ausgangsbasis dienen journalistische Sachtexte, Interviews und Leser- sowie Expertenkommentare.

Im ersten Teilkapitel (Gewalt im Alltag und in den Medien – Strittige Themen diskutieren und erör-

tern) werden wesentliche Teilkompetenzen der Texterschließung und des Argumentierens angebahnt

und vertieft: zunächst bei der Planung und Durchführung einer Podiumsdiskussion, danach bei der

schrittweise angeleiteten Erarbeitung einer Pro-und-Kontra-Erörterung in Form eines Online-

Kommentars zu der Frage, ob man verbale Gewalt bestrafen sollte. Der Aufbau einer Argumentation

wird wiederholt und vertieft, die unterschiedlichen Argumenttypen werden neu eingeführt.

Im zweiten Teilkapitel (Warnschussarrest für Jugendliche? – Erörtern im Anschluss an einen

Text) wird das argumentierende Schreiben anhand einer für den Deutschunterricht typischen Textform

nachhaltig geübt. Die Lernenden analysieren detailliert einen komplexen Zeitungskommentar und set-

zen sich anschließend mit den darin dargestellten Positionen erörternd auseinander. Für leistungs-

schwächere Lernende stehen binnendifferenzierende Hilfen zur Verfügung.

Das dritte Teilkapitel (Fit in … – Erörtern im Anschluss an einen Text) dient abschließend dem Trai-

ning für eine Klassenarbeit. Ausgehend von einem Online-Kommentar mit dem Titel „Graffiti – Kunst

oder Krawall?“ können die Schülerinnen und Schüler selbstständig in einem gesteuerten Schreibpro-

zess das Erörtern im Anschluss an einen Text üben.

Literaturhinweise • Argumentieren. Praxis Deutsch 160/2000

• Becker-Mrotzek, Michael / Böttcher, Ingrid: Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. Cornelsen, Berlin 2012

• Ludwig, Otto / Spinner, Kaspar H.: Mündlich und schriftlich argumentieren. In: Praxis Deutsch 160/2000, S. 16–22

• Materialgestütztes Schreiben. Praxis Deutsch 251/2015

• Meinungen bilden. Praxis Deutsch 211/2008

• Netzwerk fachliche Unterrichtsentwicklung Deutsch des Schulministeriums NRW. Argumentierendes Schreiben –

lehren und lernen. www.standardsicherung.schulministerium.nrw.de/cms/netzwerk-fachliche-unterrichtsentwicklung/

deutsch/module

• Pohl, Thorsten: Schriftliches Argumentieren. In: Helmut Feilke / Thorsten Pohl: Schriftlicher Sprachgebrauch. Texte

verfassen. Schneider, Baltmannsweiler 2014, S. 287–315

• Schneider, Frank / Tetling, Klaus: Argumentierend schreiben. In: Becker-Mrotzek / Böttcher, a.a.O., S. 216–242

• Schneider, Frank / Tetling, Klaus: Von Nashörnern bis Neurobiologie. Zur Funktion fachüberschreitender Sachtexte im

Deutschunterricht. Der Deutschunterricht 6/2013, S. 62–74

• Spinner, Kaspar H.: Was gehört zu einer guten Argumentation? Von fremden Texten zum eigenen Schreiben.

In: Praxis Deutsch 203/2007, S. 21–24

• Streit und Konflikt. Praxis Deutsch 174/2002

Übungsmaterial im „Deutschbuch 10 Arbeitsheft“ • Eine Pro-und-Kontra-Erörterung verfassen, S. 18–22

• Erörtern im Anschluss an einen Sachtext, S. 23–29

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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

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Inhalte Kompetenzen

Die Schülerinnen und Schüler

S. 37 2 Dann eben mit Gewalt? –

Argumentieren und erörtern

– setzen sich anhand von Schlagzeilen und eines

Fotos mit dem Thema „Gewalt“ auseinander

– aktivieren ihr Vorwissen zum Argumentieren

S. 38 2.1 Gewalt im Alltag und in den

Medien – Strittige Themen

diskutieren und erörtern

Soll man Killerspiele verbieten? –

Argumenttypen unterscheiden

Interviews mit Manfred Spitzer und

Jeffrey Wimmer

– fassen zentrale Aussagen und gegensätzliche

Positionen zweier Interviews zusammen

– untersuchen die argumentative Struktur,

benennen die Argumenttypen und prüfen die

Stichhaltigkeit der Argumente

– widerlegen einzelne Argumente

S. 42 Eine Podiumsdiskussion führen – werten die Interviews für eine Podiumsdiskussion

aus

– bereiten eine eigene Positionierung vor

– erarbeiten Argumentationskarten, entwickeln

ein prägnantes Eröffnungsplädoyer

– erarbeiten Moderationskarten, planen

Moderationsimpulse

– führen die Podiumsdiskussion durch

– reflektieren das Diskussionsverhalten und die

Auswirkungen auf die Meinungsbildung

S. 44 Soll man verbale Gewalt bestrafen? –

Das Pro und Kontra erörtern

– erschließen einen Bericht, ein Presse-Echo

und Kommentare, stellen Fakten, Positionen und

Argumentationen dar

– entwickeln eine eigene Position und werten die

Materialien zur argumentativen Stützung aus

– formulieren eine Erörterung

– überarbeiten ihren Text kriterienorientiert

S. 50 Teste dein Wissen! –

Argumentieren und erörtern

– überprüfen ihren Lernfortschritt, indem sie

Argumente klassifizieren und ein Fazit bewerten

und überarbeiten

S. 51 2.2 Warnschussarrest für Jugend-

liche? – Erörtern im Anschluss an

einen Text

Mike Szymanski: Ein Schock, der

nichts bringt

– analysieren einen Zeitungskommentar

– stellen Kernaussagen, Aussageabsicht und

sprachliche Besonderheiten dar

– legen eine Stoffsammlung an

– setzen sich kritisch mit den im Text dargestellten

Positionen auseinander

S. 54 Vertiefen und üben –

Die Erörterung ausformulieren

– formulieren auf der Basis einer Stoffsammlung

prozessgesteuert eine Erörterung im Anschluss

an einen Text

S. 56 2.3 Fit in … – Erörtern im

Anschluss an einen Text

Teresa Bechtold / David Freches:

Graffiti – Kunst oder Krawall?

– verstehen eine komplexe Aufgabenstellung

– werten einen Kommentar aus

– stellen Kernaussagen, Aussageabsicht und

sprachliche Besonderheiten dar

– verfassen auf der Basis ihrer Stoffsammlung eine

Erörterung im Anschluss an einen Text

– überarbeiten ihren Text mithilfe einer Checkliste

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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

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S. 37 2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

Die Auftaktseite des Kapitels mit dem Foto eines gewalttätigen Übergriffs in einer U-Bahn-Station und

Schlagzeilen über verschiedene Formen von Gewalt erfüllt mehrere Funktionen: Einerseits bietet sie

provozierende Gesprächsanlässe für den Unterricht, um mit den Schülerinnen und Schülern über das

Thema „Jugendgewalt“ ins Gespräch zu kommen; andererseits nehmen die (zum Teil fiktiven, aber

realitätsnahen) Headlines Themen vorweg, die in diesem Kapitel eine Rolle spielen.

a Die Schlagzeilen deuten bereits verschiedene Themen bzw. Formen der Gewalt an:

– mögliche Ursachen von Jugendgewalt

– Präsenz von Gewalt in den Medien

– Auswirkungen und mögliche Besonderheiten von Jugendgewalt

– verbale Gewalt als ein Gewaltphänomen

– Umgang der Gesellschaft – etwa der Polizei – mit Gewalt

Es bietet sich an, diese Aspekte von Gewalt verbindlich zu klassifizieren. Im Sinne eines vorentlas-

tenden Themeneinstiegs könnte das einen ersten Rahmen für das Unterrichtsvorhaben bieten.

b Im Unterricht können verschiedene Zugänge zur Definition von Gewalt gewählt werden:

– Eine nicht vorbereitete Auseinandersetzung mit dem Begriff wird wahrscheinlich zunächst den

Aspekt der physischen Gewalt akzentuieren. Mithilfe der Auftaktseite könnten aber auch –

nötigenfalls durch gezielte Lehrerimpulse – Begriffe wie „verbale Gewalt“ oder „Gewalt im Netz“

genannt werden sowie Beispiele und Situationen, die die Lernenden selbst erlebt haben. Um von

einem vorläufigen Verständnis des Begriffs „Gewalt“ zu einer ersten Lernprogression zu kommen,

sind verschiedene methodische Zugriffe denkbar, etwa eine Visualisierung als Wortstern oder

(komplexer) als Mindmap. Ein methodisch interessantes Verfahren könnte darin bestehen, mit

den Lernenden eine Liste von Komposita zu entwickeln, die dann klassifiziert werden. Die zumeist

negative Konnotation von „Gewalt“ ist in Begriffen wie „Vergewaltigung“, „Gewaltverbrechen“,

„Gewalttat“, „Gewalttäter“, „Gewaltverherrlichung“, „emotionale Gewalt“, „strukturelle Gewalt“,

„Gewalt gegenüber Gegenständen“ oder negativ im Wort „Gewaltlosigkeit“ erkennbar.

– Ein gezielter Einstieg in das Leitthema „Gewalt“ über eine vorbereitende Hausaufgabe – etwa

eine Internetrecherche (Wikipedia) – hat den Vorteil, die verschiedenen Dimensionen des

Gewaltbegriffs vertiefend vorwegzunehmen. Die Auswertung der Hausaufgabe im Unterricht

könnte über eine Visualisierung zu einer verbindlichen ersten Systematisierung des Begriffs

„Gewalt“ führen, die die Arbeit mit dem Kapitel metakognitiv und orientierend begleiten kann.

Durch die Aufgabe, zwei der Aussagen in den Schlagzeilen zu begründen oder zu widerlegen, wird das

Vorwissen aktiviert, sie zielt auf eine Anwendung bereits erworbener Kompetenzen beim mündlichen

Argumentieren. Dabei handelt es sich sowohl um prozessbezogene Kompetenzen („Wie kann man

Aussagen stützen bzw. widerlegen?“) als auch um deklaratives Wissen zum Argumentieren („Was ist

ein Argument?“, „Welche Funktionen haben Beispiele?“, „Wie formuliert man eine Position?“ usw.).

Da den Lernenden hier kein Material für die argumentative Auseinandersetzung zur Verfügung gestellt

wird und sie allenfalls auf andernorts erworbenes Wissen zum Thema „Gewalt“ zurückgreifen können,

werden sie erfahrungsgetränkte Vorschläge anbieten. Zur Förderung der Verstehenskompetenz könnte

es sinnvoll sein, vor einer kooperativen Phase einige der Aussagen in den Schlagzeilen gemeinsam im

Plenum zu klären, zum Beispiel im Hinblick auf den Aussagentyp und den möglichen kommunikativen

Zusammenhang, in dem die Aussagen stehen, etwa:

– Bei einer argumentativen Auseinandersetzung mit Schlagzeilen wie „Jugendliche Täter gehen immer

brutaler vor“ oder „‚Generation Bushido‘: durch Rap kriminell“ werden die Lernenden die Frage auf-

werfen, ob überhaupt und in welcher Weise solche Aussagen argumentativ gestützt werden können.

– Die für die Lernenden möglicherweise emotional aufgeladene Aussage „Killerspiele sind aktives

Kriegstraining“ tritt zwar sprachlich als Faktenaussage auf, deren Wahrheitsgehalt sollte aber kritisch

hinterfragt werden: Welche Fakten begründen eine solche Aussage? Daraus lässt sich z. B. eine

Überleitung zum Material der nächsten Sequenz (S. 38–43 im Schülerband) stiften.

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2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern

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– Zu der Forderung der Polizeigewerkschaft „Härtere Strafen für Gewalttäter“ können sich die Lernen-

den zustimmend oder ablehnend verhalten. Stützen lässt sich diese Forderung durch Wertargumen-

te wie „Gewalt muss bestraft werden“. Widerlegen ließe sich diese Forderung durch ein Faktenargu-

ment: Untersuchungen zeigen, dass längere Haftstrafen bei jugendlichen Gewalttätern eher nachtei-

lig wirken. Widerlegen ließe sich die Aussage auch durch den Hinweis, dass härtere Strafen nicht

automatisch eine abschreckende Wirkung haben. Das kann man z. B. an Ländern sehen, in denen

es trotz Todesstrafe zahlreiche Gewalttaten gibt.

S. 38 2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien

Strittige Themen diskutieren und erörtern

S. 38 Soll man Killerspiele verbieten? – Argumenttypen unterscheiden

S. 38 Was Killerspiele im Gehirn auslösen: Interview mit Manfred Spitzer

S. 39 Computerspiele sind ein Kulturgut: Interview mit Jeffrey Wimmer

Die beiden Auszüge aus Interviews greifen ein für Lernende strittiges Thema auf, nämlich die Frage

nach der Problematik und Schädlichkeit von Computerspielen. Der Hirnforscher Spitzer und der Medi-

enwissenschaftler Wimmer vertreten unterschiedliche Positionen zum Zusammenhang von Computer-

spielen und Gewaltbereitschaft. Ihre Positionen sind aber nicht diametral entgegengesetzt, denn auch

Wimmer bestreitet nicht, dass ein großer Teil von Computerspielen gewalttätige Inhalte hat.

Zum einen geht es darum, die Materialien gezielt auszuwerten, um auf eine materialgestützte Podi-

umsdiskussion vorzubereiten. Zum anderen werden die Strukturelemente des Argumentierens ange-

wendet und mit der Unterscheidung verschiedener Argumenttypen weiter ausdifferenziert.

a Themen und Positionen der beiden Texte – knapp zusammengefasst:

– Der Hirnforscher und Lerntheoretiker Manfred Spitzer setzt sich mit der Frage auseinander, wel-

che Auswirkungen der Konsum von Filmen und Computerspielen auf das menschliche Gehirn

habe (vgl. Z. 4–9). Dabei kommt er zu dem Schluss, dass Gewalt in den Medien, etwa in Compu-

terspielen, die Gewaltbereitschaft der Nutzer erhöhe (vgl. Z. 35–41).

– Der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Jeffrey Wimmer setzt sich ebenfalls mit dem

Thema auseinander, ob medial vermittelte Gewalt, vor allem in Computerspielen, die Gewaltbe-

reitschaft erhöhe. Kommunikationswissenschaftliche Belege dafür, dass Computerspiele einen

Menschen zu einem Gewalttäter machen würden, gebe es nicht. Im Gegensatz zu Spitzer ver-

deutlicht er auch die positiven Effekte, die Computerspiele für Heranwachsende haben können.

b Zu diesem Zeitpunkt können sich die Lernenden allenfalls vorläufig einer der Positionen anschlie-

ßen. Aus ihrer Sicht könnte Wimmers Position sympathischer erscheinen, weil er Computerspiele

nicht, wie Spitzer, verurteilt. Die Qualität der Begründungen für diese erste Positionierung hängt von

der Intensität der Auseinandersetzung ab. Auf den ersten Blick ist z. B. Wimmers Argument, Com-

puterspiele hätten ein schlechtes Image, leicht rezipierbar. Aber auch Spitzers „Faktenargumente“

lassen sich auf der Basis flüchtigen Lesens zur Begründung einer eigenen Position adaptieren.

Die folgenden Arbeitsaufträge leiten dazu an, ein sicheres Grundverständnis der Interviews zu initiieren.

Dabei kann es sinnvoll sein, dass sich die Lerngruppe im Plenum zunächst nur mit den beiden Über-

schriften beschäftigt und diese erläutert. Lernförderlich wäre es z. B., die beiden Formulierungen an der

Tafel zu präsentieren und von den Schülerinnen und Schülern erläutern zu lassen.

– Spitzers polemische und negative Zuspitzung wird schon durch die Bezeichnung „Killerspiele“ deut-

lich. Zudem gibt die Überschrift durch das Stichwort „Gehirn“ einen Hinweis auf das argumentative

Vorgehen, nämlich auf der Ebene der Neurologie zu argumentieren. Im Text argumentiert Spitzer,

dass sich die massive und dauerhafte Erfahrung medialer Gewalt im Gehirn niederschlage (vgl.

Z. 28–33). In der Folge werde Gewalt für das Gehirn auch in der Realität zu einem Mittel, um Pro-

bleme zu lösen. Daraus leitet Spitzer ab, dass „mediale Gewalt zu mehr realer“ führe (Z. 32 f.).

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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

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Im Vergleich dazu signalisiert bereits die Überschrift von Wimmers Interview durch den Begriff „Kultur-

gut“ eine eindeutig positive Einschätzung, auch wenn er sich im Text durchaus kritisch gegenüber der

Gewalt in Computerspielen äußert (vgl. z. B. Z. 18–24). Wimmer begründet im Text das schlechte

Image von Computerspielen damit, dass dies in der öffentlichen Diskussion durch ältere Personen be-

stimmt werde, die das Faszinierende an den Spielen nicht kennen (vgl. Z. 28–33). Er verweist auf Un-

tersuchungen, die zeigen, dass die erhöhte Aggressivität nach Gewaltkonsum in den Medien nur von

kurzfristiger Dauer sei (vgl. Z. 50–60). Tragfähige Belege dafür, dass Computerspiele einen Menschen

zu einem Gewalttäter machen, gebe es nicht. Auch wenn Wimmer zugibt, dass über 50 % der PC-

Spiele gewalttätige Inhalte haben, werde sich die Ansicht durchsetzen, dass PC-Spiele ein Kulturgut

seien (vgl. Z. 70–74).

a Ein gesichertes Verständnis der verschiedenen Argumenttypen wird dadurch unterstützt, dass man

im Plenum mit den Schülerinnen und Schülern weitere – auch konstruierte – Beispielsätze zur Ver-

anschaulichung entwickelt und diskutiert.

b Die diffizilen Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Argumenttypen erfordern eine intensi-

ve Textarbeit mit einer anschließenden Auseinandersetzung und verbindlichen Sicherung. Aus fach-

licher Perspektive ist es bei den beiden Interviews nicht immer möglich, eindeutig Argumente zu

identifizieren und den Argumenttypen zuzuordnen. Beispielsweise sind in beiden Positionen zwar

Werthaltungen und Wertargumente implizit erkennbar, aber auf der Oberflächenebene der Aussa-

gen nicht eindeutig identifizierbar.

Vorschlag für ein Tafelbild:

Argumenttyp Spitzer: „Was Killerspiele im Gehirn

auslösen“

Wimmer: „Computerspiele sind ein

Kulturgut“

Fakten-

argumente

– Studie zu Gewalt als Mittel der Kon-

fliktlösung in den Medien (Z. 21–25)

– Studie aus den USA, die belegt,

dass Fernsehen die Gewaltbereit-

schaft erhöht (Z. 35–37)

– weitere Studie, die belegt, dass

Menschen nach dem Konsum von

Killerspielen länger brauchen, bis sie

anderen helfen, als Vergleichsgrup-

pe ohne Videospiele (Z. 37–41)

– Schulgewalt in Baden-Württemberg

in 7 Jahren um 40% gestiegen

– Über 50 % der Computerspiele haben

gewalttätige Inhalte (Z. 18–20).

– Empirische Studien belegen zwar

kurzfristige Auswirkungen von Gewalt,

diese dauern aber nicht längerfristig

an (Z. 50–54).

Wertargumente – –

Autoritäts-

argumente

– Selbstauskunft Spitzers als Fach-

mann („Ich beschäftige mich mit

Lernen“, Z. 6) mit anschließendem

analogisierenden Argument (s. u.,

Z. 6–9)

– Entwicklung erster ähnlicher Pro-

gramme durch das US-Militär, um

Tötungshemmung von Soldaten zu

überwinden (Z. 52–57)

– „negatives“ Autoritätsargument: Die

öffentliche Diskussion wird von älteren

Politikern und Journalisten bestimmt,

die Computerspiele nicht kennen

(Z. 30–33).

– Aus mediensoziologischer Sicht sind

Computerspiele nicht die Ursache von

Gewalt, sondern nur ein Symptom für

gesellschaftliche Verhältnisse

(Z. 33–35).

– Kommunikationswissenschaft hat

sich lange damit auseinandergesetzt,

ob Computerspiele zur Gewalttätigkeit

anregen; das sei nicht der Fall

(Z. 42–48).

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Argumenttyp Spitzer: „Was Killerspiele im Gehirn

auslösen“

Wimmer: „Computerspiele sind ein

Kulturgut“

analogisierende

Argumente

– „Wenn man begriffen hat, wie wir

lernen, versteht man auch, was Ge-

walt in Videospielen und im Fernse-

hen in uns auslöst.“ (Z. 6–9)

– Vergleich von Informationsverarbei-

tung im Gehirn mit dem Entstehen

von Trampelpfaden in der Natur: Die

ständige Erfahrung von Gewalttaten

in den Medien schlägt sich im Gehirn

nieder. Folge: Das Gehirn bewertet

Gewaltlösungen als reale Konflikt-

lösungsmöglichkeit (Z. 20 f., 28–33).

– Flow-Erlebnis „ähnlich wie bei einem

spannenden Kinofilm – nur viel inten-

siver“ (Z. 8–10)

– Gewalt zur Umsatzförderung – „ein

Phänomen, das wir aus klassischen

Hollywoodfilmen kennen, an denen

sich Computerspiele lange orientier-

ten“ (Z. 22–24)

– Die Annahme, Computerspiele wür-

den Amokläufe verursachen, resultiert

aus dem Wunsch, „einfache Antwor-

ten auf relativ komplexe Phänomene

zu finden“ (Z. 40 f.).

– „Kulturgut wie Kino, Bücher und Fern-

sehen“ (Z. 71 f.)

– Computerspiele vermitteln, was

Kinder und Jugendliche „später im

Arbeitsleben dringend brauchen“

(Z. 88–99, mit Beispielen).

a Eine begründete Prüfung der Stichhaltigkeit der Argumente sollte von einer tabellarischen Gegen-

überstellung wie der zu Aufgabe 3 ausgehen.

Mögliche Prüfkriterien, die die Lehrkraft mit den Lernenden gemeinsam entwickeln kann, ergeben

sich auch aus den „Tipps“ des Merkkastens, z. B.:

– Beziehen sich die Daten und Fakten nur auf Einzelfälle (dann taugen sie nicht als Beleg) oder auf

Studien/Umfragen in relevanten bzw. repräsentativen Gruppen?

– Gibt es auf der Faktenebene Erkenntnisse oder Untersuchungen, die sich in beiden Interviews

widersprechen? Beispiel: Die von Spitzer zitierten Untersuchungen zum Gewaltpotenzial werden

durch Wimmers Hinweise relativiert.

– Gibt es Aussagen, die nicht argumentativ gestützt werden? Beispiele: Nennt Spitzer Argumente,

die seine Aussage stützen, „mediale Gewalt“ führe „zu mehr realer“ Gewalt? Wimmers Hinweis,

dass „die Kommunikationswissenschaft“ Computerspiele umfassend untersuche, wird kaum kon-

kretisiert und belegt. Wie sichert Wimmer sein Bekenntnis, er habe Probleme, „wenn Medien zer-

stört“ würden, argumentativ ab?

– Spitzer wie auch Wimmer verwenden analogisierende Argumente. Überzeugen die Vergleichs-

ebenen? Beispiel: Aus der Analogie mit den Trampelpfaden schließt Spitzer, dass „das Gehirn“

aus der medialen Gewalt folgere, Gewalt sei auch eine reale Möglichkeit zur Konfliktlösung. Wird

begründet, warum „das Gehirn“ und nicht die Person entscheidet?

b Die Gewichtung der Argumente zu einem strittigen Thema ist selbstverständlich auch durch Vorer-

fahrungen und Vorurteile der Lernenden geprägt und deshalb nicht vollständig rational. Daher be-

darf es einer gewissen Offenheit, um mit Unschärfen im Unterricht umzugehen. Das bedeutet jedoch

nicht die Freigabe von Beliebigkeit. Die Förderung der Argumentationskompetenz und einer „Ethik

des Meinens“, an der der Deutschunterricht wesentlichen Anteil hat, erfordert eine deutliche Krite-

rienorientierung. Bei der Widerlegung einzelner Argumente der beiden Wissenschaftler sollten die

zu Aufgabe 4a entwickelten Prüfkriterien ebenso Leitlinie sein wie sprachlich kohärente Formulie-

rungen.

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S. 42 Eine Podiumsdiskussion führen

a/b Die bisher angebahnten Kompetenzschwerpunkte werden in einer Podiumsdiskussion zusammen-

geführt. Den fachlichen Ausgangspunkt bilden die erarbeiteten Positionen von Spitzer und Wimmer

zum Verhältnis von medialer und realer Gewalt. Für die Podiumsdiskussion müssen die bereits er-

schlossenen und bewerteten Standpunkte und Argumente unter der Fragestellung „Soll die Verbrei-

tung so genannter Killer- oder Ballerspiele für Jugendliche verboten werden?“ auf ihre Funktionalität

hin untersucht und neu bewertet werden. Die Positionen und Argumente der Experten Spitzer und

Wimmer liefern zwar das Ausgangsmaterial, werden jedoch erstens in einen neuen Kontext, nämlich

eine zugespitzte Fragestellung, gestellt und zweitens durch das Welt- und Fachwissen der Schüle-

rinnen und Schüler argumentativ angereichert.

Unabhängig von den Erfahrungen der Lerngruppe werden durch das Format der Podiumsdiskussion

die Kommunikations- und Argumentationskompetenz in besonderer Weise gefördert. Die verschie-

denen Rollen unterstützen die Fähigkeit, komplexe Entscheidungsfragen aus unterschiedlichen Per-

spektiven zu betrachten.

Die vorgegebenen Hilfestellungen zur Organisation und zum Ablauf einer Podiumsdiskussion sor-

gen für Transparenz; sie steuern zwar den Ablauf der Diskussion, lassen aber auch individuelle

Ausgestaltungen und Variationen zu.

Mögliche Leerstellen im Ablauf sollte die Lehrperson antizipieren und auf die Besonderheiten der

Lerngruppe abstimmen. Dabei ergeben sich folgende Entscheidungsfelder:

– Erfolgen die Gruppenzusammensetzung und die Entscheidung für bestimmte Rollen nach dem

Zufallsprinzip oder nach Vorlieben? Für die Übernahme von Rollen nach dem Zufallsprinzip

spricht, dass dadurch die oben erwähnte Übernahme unterschiedlicher Perspektiven in besonde-

rer Weise gefördert wird.

– Wer die Moderatorenrolle übernimmt, kann abhängig von der Lerngruppe ganz unterschiedlich

aussehen: Zufallsentscheidungen führen dazu, dass prinzipiell alle Schülerinnen und Schüler un-

abhängig von Vorlieben oder Kompetenzen diese sehr anspruchsvolle Aufgabe übernehmen

können/müssen. Es kann aber durchaus auch Gründe geben, dass die Lehrperson die Moderato-

ren auswählt.

– Alle Gruppen sind gefordert, das Ausgangsmaterial nochmals intensiv zu nutzen und mit eigenen

Erfahrungen anzureichern.

– Die im Schülerband angebotenen Argumentations- und Moderationskarten sowie die Formulie-

rungshilfen steuern und orientieren die Diskussion und die Produkte. Für die arbeitsteilige Grup-

penarbeit könnten die einzelnen Gruppen ausdrücklich verpflichtet werden, die Formulierungshil-

fen zu nutzen. Dies bietet sich vor allem bei der Gestaltung des Eröffnungsplädoyers an.

a Bei der zeitlichen Begrenzung der einzelnen Diskussionsrunden sollte beachtet werden, dass es

sich sowohl vom Ablauf und der Struktur als auch vom Thema her um eine komplexe Diskussion

handelt. Auch die Möglichkeit, dass sich das Publikum abschließend an die Experten wenden kann,

erfordert einen ausreichenden Zeitrahmen pro Durchgang.

b Durch die kriterienorientierte Beobachtung und Auswertung der einzelnen Diskussionsrunden wer-

den die metakognitiven Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler besonders gefördert. Das

Feedback anhand des Bewertungsbogens fördert wesentliche Teilkompetenzen des mündlichen Ar-

gumentierens.

Der abschließende Austausch über mögliche Variationen im Meinungsbild schafft Gesprächsanlässe,

um den argumentativen Diskurs nochmals im Plenum zu gewichten und kontrovers zu beurteilen.

S. 44 Soll man verbale Gewalt bestrafen? – Das Pro und Kontra erörtern

Das erste Teilkapitel wird mit einer schriftlichen Pro-und-Kontra-Erörterung fortgesetzt, die kommunika-

tiv in die Schreibform „Leserkommentar für eine Online-Zeitung“ eingebettet ist. Die Schülerinnen und

Schüler entwickeln die charakteristischen Elemente einer erörternden Stellungnahme in der Auseinan-

dersetzung mit mehreren Zeitungsartikeln und (teilweise fiktiven) Leserkommentaren, darunter ein au-

thentisches Expertenurteil.

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2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern

61

Das Thema „verbale Gewalt“ ist umstritten, zugleich aber ein Phänomen, das den Schülerinnen und

Schülern nicht nur aus ihrer Teilhabe an sozialen Netzwerken bekannt ist. Das Thema wird hier an ei-

nem prominenten Fall entwickelt, denn die Auseinandersetzung mit einem fremden, wenn auch spekta-

kulären Beispiel schafft Formen der Distanzierung, die differenziertere Urteile ermöglichen.

Dass den Lernenden das Beispiel – die verbalen Beleidigungen von Marco Materazzi und die aggressi-

ve körperliche Reaktion von Zinédine Zidane im Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 – vermut-

lich nicht gegenwärtig ist, wird bei den ersten Zugängen zum Material berücksichtigt. Materazzis Worte,

der Kopfstoß Zidanes, Äußerungen weiterer Beteiligter und internationale Reaktionen lassen sich unter

der Fragestellung betrachten: „Soll man verbale Gewalt bestrafen?“ Interessant ist, dass neben Zidane

auch der Provokateur zur Rechenschaft gezogen wurde. Dass hier verbale Gewalt tatsächlich bestraft

wurde, hat man strittig beurteilt.

Didaktische Schwerpunkte des angeleiteten Schreibprozesses sind die Nutzung von externem Weltwis-

sen, um eine eigene begründete Position zu entwickeln, das sinnvolle Abwägen und Anordnen von

Argumenten sowie die schriftliche Umsetzung in ein kohärentes argumentierendes Schreibprodukt.

Die Aufgabe zielt darauf, wesentliche Elemente des „historischen“ Kopfstoßes zu rekonstruieren. Dabei

ermöglicht z. B. die Beschreibung und Deutung der Bildfolge im Schülerband schüleraktivierende Zu-

gänge.

Die Aufgabe steuert ein erstes globales Verständnis der Lernenden an. Für den Unterricht ist es

wichtig, Verbindlichkeit beim gemeinsamen Textverständnis herzustellen. Dazu bietet es sich an, ge-

meinsam mit den Schülern (unter Nutzung von Tafel, Overheadprojektor oder Beamer) eine Art „News-

board“ zu entwickeln, z. B. in Form einer Tabelle. Am Ende sollte eine Reflexion der Lernenden stehen,

welche grundlegenden (moralischen) Probleme mit dem Fall aufgeworfen werden. Daraus lässt sich

eine Überleitung zu der folgenden Schreibaufgabe entwickeln.

Vorschlag für die Tabelle:

Zidanes Kopfstoß und die Folgen – Die wichtigsten Fakten

Unmittelbar Beteiligte? – Zinédine Zidane (berühmter französischer Fußballspieler, der z. B. bei

Real Madrid gespielt hat); Marco Materazzi (italienischer National-

spieler); Schiedsrichter (Horacio Elizondo aus Argentinien)

Textbelege: z. B. Text 1, Z. 1–5.

– Der Name des Schiedsrichters und der Hinweis auf Real Madrid wur-

den ergänzt.

Wo und wann? – Endspiel der Fußball-WM 2006 in Berlin

Textbelege: z. B. Text 1, Z. 1, 7

Was ist passiert? – Der französische Spieler Zidane versetzte dem italienischen Spieler

in der Verlängerung des Finales einen Kopfstoß, nachdem dieser ihn

offensichtlich provoziert hatte. Zidane wurde daraufhin vom Platz

verwiesen. Italien gewann die WM im folgenden Elfmeterschießen.

Textbelege: z. B. Text 1, Z. 21–27

Motive der Handelnden? – Nach eigener Auskunft hat Materazzi Zidane während der Spiels

provoziert. Ob er das absichtlich getan hat, um einen Platzverweis

zu provozieren, ist Spekulation.

– Zidane fühlte sich offensichtlich durch die Beleidigung zu der Tat

provoziert.

Textbelege: z. B. Text 1, Z. 6–10, 14–21

Mit welchen Folgen? – Zidane wurde in der Verlängerung vom Spielfeld verwiesen und

hinterher vom Weltverband für drei Spiele gesperrt.

– Materazzi wurde wegen seiner Provokationen für zwei Spiele gesperrt.

Textbelege: Text 1, Z. 22–27; Presse-Echo, z. B. Z. 1–5, 14–16

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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

62

Zidanes Kopfstoß und die Folgen – Die wichtigsten Fakten

Wie waren die

Reaktionen?

– Aus dem Presse-Echo wird deutlich, dass die Bestrafungen sehr

kontrovers diskutiert wurden – in Italien und Frankreich, aber auch in

anderen Ländern.

Textbelege: vgl. gesamtes Presse-Echo, Leserkommentare

Fazit: Welches grund-

legende Problem wird

hier deutlich?

– Ist es gerecht, dass eine verbale Provokation ähnlich stark bestraft wird

wie der folgende gewalttätige Übergriff?

– Lässt sich verbale Gewalt überhaupt gerecht bestrafen?

Der Vergleich zwischen der Einschätzung der Lernenden und den tatsächlichen Folgen für die beiden

Spieler schafft vermutlich eine kognitive Dissonanz, die den anstehenden Schreibprozess motivieren

kann. Die Schülerinnen und Schülern bewerten an dieser Stelle wahrscheinlich noch stärker intuitiv und

spontan. Ein begründetes Stimmungsbild der Lerngruppe könnte man sichern. Im Folgenden wird die

Meinungsbildung der Lernenden detailliert angeleitet und gesteuert.

S. 46 Schritt 1: Das Thema erschließen

a/b Die Impulse zur Klärung der für den Schreibauftrag notwendigen Schritte und Prozesse dienen der

Selbstvergewisserung. Dabei greifen die Lernenden auf bereits bekanntes deklaratives und pro-

zessbezogenes Wissen zum Argumentieren zurück. Um die Erwartungen an den Schreibprozess

stärker vorzuentlasten, können die Schülerinnen und Schüler auch den Informationskasten auf S. 47

im Schülerband miteinbeziehen.

S. 46 Schritt 2: Stoffsammlung und Gliederung

a/b Beispiellösung für die Auswertung des Presse-Echos und der Kommentare (inkl. Argumenttypen):

Position (These) Argumentation (Begründung)

1. Bestrafung von verbaler Gewalt (Be-

leidigung) problematisch („Marca“,

Spanien, Z. 17–22).

Gerade im Fußball sind Beleidigungen stark verbreitet.

Jeder beleidigte Spieler könnte die Fifa anrufen. (Z. 17–20)

Faktenargument

2. Das Urteil ist ungerecht und fragwür-

dig („Marca“, Spanien, Z. 22 f.; „Cor-

riere della Sera“, Italien, Z. 28 f.).

Zu geringe Bestrafung von körperlicher Gewalt (Kopfstoß)

im Vergleich zum verbalen Angriff (Z. 23–26, 30–34).

Wertargument

3. Urteil als problematischer Musterfall

(„Daily Telegraph“, England, Z. 35 f.)

Spieler, die Regeln missachten, könnten sich mit dem Hin-

weis, sie seien provoziert worden, verteidigen (Z. 35–42).

ähnelt analogisierendem Argument

4. Urteil eher gerecht („L’Equipe“,

Frankreich, Z. 43 f.)

Auch der Anstifter der Gewalt wurde bestraft (Z. 45–48).

Wertargument

5. Um Verhalten zu bewerten, muss

man gesamte Situation betrachten

(EXPerte, Z. 17–20)

Sprache als solche übt keine Gewalt aus. (Z. 21–23)

Autoritätsargument

c Bewertung der verschiedenen Positionen und Argumente:

1. Bestrafung von verbaler Gewalt (Beleidigung) problematisch: Gerade im Fußball sind Beleidi-

gungen stark verbreitet. Jeder beleidigte Spieler könnte die Fifa anrufen. Eher schwierig zu

stützen: Es ist nicht einfach, vorhergehende Provokation nachzuweisen. Provokationen rechtfer-

tigen keine Gewalt.

2. Das Urteil ist ungerecht und fragwürdig: Zu geringe Bestrafung von körperlicher Gewalt (Kopf-

stoß) im Vergleich zum verbalen Angriff. Als intuitives Argument durchaus plausibel.

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2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern

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3. Urteil als problematischer Musterfall: Spieler, die Regeln missachten, könnten sich mit dem Hin-

weis, sie seien provoziert worden, verteidigen. Eher schwierig zu stützen: Argument angreif-

bar, weil es nicht einfach ist, vorhergehende Provokation nachzuweisen.

4. Urteil eher gerecht: Auch der Anstifter der Gewalt wird bestraft. Eher einfach zu stützen:

Wenn man die Anstiftung nachweisen kann, dann gilt z. B. das Beleidigungsverbot.

5. Um Verhalten zu bewerten, muss man gesamte Situation betrachten: Sprache als solche übt

keine Gewalt aus. Argument plausibel, aber nicht einfach zu stützen.

d Beispiel für eine geordnete Stoffsammlung (in der eigene Argumente ergänzt wurden):

Thema: Soll man verbale Gewalt bestrafen?

Gründe für (pro)

Bestrafung von verbaler Gewalt

Gründe gegen (kontra)

Bestrafung von verbaler Gewalt

– Verbale Gewalt kann körperliche Gewalt

hervorrufen ( Eskalation von Gewalt).

– Verbale Gewalt kann die menschliche Würde

verletzen.

– Verbale Beleidigungen sind eine Straftat

(in Deutschland § 185 Strafgesetzbuch).

– verbale Gewalt schwer zu definieren

– verbale Gewalt schwer nachzuweisen

– Beleidigungen kommen (z. B. im Fußball)

sehr häufig vor.

– verbale Gewalt/Beleidigung nicht alleinige

Ursache der folgenden körperlichen Gewalt

– mögliche Folge: ungerecht, wenn Gewalttäter

und Provokateur ähnlich hart bestraft werden

a In der im Schülerband vorgegebenen Gliederung werden Pro- und Kontra-Argumente blockweise

gegenübergestellt. Da der Block mit den Argumenten für eine Bestrafung an zweiter Stelle steht, po-

sitioniert sich diese Gliederung für die Bestrafung verbaler Gewalt.

b Vor- und Nachteile der beiden Gliederungsmöglichkeiten:

– Der Vorteil der blockweisen Gegenüberstellung von Argumenten ist, dass – einem selbst und dem

Leser – die eigene Positionierung sehr schnell klar wird.

– Bei einem laufenden Wechsel der Argumente werden jeweils passende Pro- und Kontra-Argu-

mente aufeinander bezogen. Der Vorteil ist, dass man die Argumente sofort entkräften kann. Der

Nachteil der fortlaufenden Anordnung liegt darin, dass der Schreibende darauf achten muss, dass

sich Pro- und Kontra-Argumente jeweils (sprachlich) aufeinander beziehen lassen.

Von daher kann es leichter sein, die Argumente in Blöcken zu entwickeln.

c Beispiel für eine Fortführung der vorgegebenen Gliederung des Hauptteils:

Soll man verbale Gewalt bestrafen?

l Gründe gegen eine Bestrafung

1. Verbale Gewalt schwer zu definieren

a) Beleidigungen stark verbreitet (z. B. im Fußball)

b) Verbale Gewalt schwer nachzuweisen

2. Verbale Gewalt wird mit realer (physischer) Gewalt gleichgesetzt

a) Verbale Gewalt ist nicht die alleinige Ursache physischer Gewalt

b) Mögliche Folge: ungerecht, wenn verbale Gewalt ähnlich wie physische Gewalt bestraft wird

ll Gründe für eine Bestrafung

1. Verbale Beleidigung ist in vielen Ländern – auch in Deutschland – Straftatbestand

a) Strafgesetzbuch § 185

b) Verbale Beleidigung kann die Würde des Menschen angreifen

2. Verbale Gewalt kann zur Eskalation von Gewalt beitragen

a) Prominentes Beispiel: Fußball-WM 2006, Kopfstoß Zidanes nach Beleidigung durch

Materazzi

b) Eigene Erfahrungen im Freundeskreis

lll Fazit: Verbale Gewalt sollte man daher bestrafen.

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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

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S. 48 Schritt 3: Die Argumentation schreiben

a „Aufhänger“ der vorgegebenen Einleitungen:

A historisches Ereignis

B allgemeine Bedeutung des Problems aufzeigen

C Schlüsselbegriff/Thema klären

D Annäherung über ein Beispiel

b Exemplarische Ausformulierung von zwei Einleitungsvarianten:

B Beleidigungen und verbale Attacken gehören nicht nur im Fußball zum Alltag. Auch in der Kom-

munikation über soziale Netzwerke wie Facebook oder über Whatsapp passiert es immer wieder,

dass Jugendliche heftig beleidigt oder gemobbt werden. Angesichts der starken Präsenz verbaler

Gewalt in der Gesellschaft stellt sich die Frage: Sollte man verbale Gewalt bestrafen – wie in

dem Beispiel Materazzi/Zidane – oder nicht?

D Ein Junge wird von zwei Jugendlichen ständig als „Versager“, „Opfer“, „Loser“ bezeichnet. Er

wird wütend und greift bei einer günstigen Gelegenheit einen der Provokateure an. Das Opfer der

Beleidigungen verpasst dabei dem Jugendlichen, der ihn immer wieder gekränkt hat, ein blaues

Auge. Das Beispiel wirft die Frage auf, ob nicht beide – der Provokateur wie auch der Junge, der

sich mit körperlicher Gewalt gewehrt hat – bestraft werden müssen. Deshalb werde ich im Fol-

genden die Frage erörtern, ob man verbale Gewalt bestrafen sollte oder nicht.

Beispiel für den Hauptteil einer Erörterung, in der für eine Bestrafung verbaler Gewalt argumentiert

wird:

Gegen eine Bestrafung verbaler Gewalt spricht einiges. Die Gegner einer solchen Bestrafung weisen

darauf hin, wie schwierig es ist, verbale Gewalt eindeutig zu definieren. Beleidigungen sind zum Bei-

spiel im Fußball verbreitet, aber auch im Alltag von Schülerinnen und Schülern. Es ist dabei nicht immer

einfach, konkret nachzuweisen, wie stark und intensiv Worte jemanden verletzen können. Beleidigun-

gen im Rahmen eines Fußballspiels sind z. B. ein – wenn auch – unfaires Mittel, einen Gegenspieler zu

provozieren. Aber dieser kennt in der Regel solche Strategien, kann sie durchschauen und sich ent-

sprechend verhalten.

Verbale Gewalt lässt nicht nur schwer nachweisen, es ist zudem zweifelhaft, ob verbale Äußerungen

die alleinige Ursache physischer Gewalt sein können. Der Konfliktforscher Professor Jäger weist darauf

hin, dass Sprache als solche keinerlei Gewalt ausübe und dass immer die jeweilige Situation, in der

Beschimpfungen und Sprachattacken geäußert werden, mit berücksichtigt werden müsse. Das Beispiel

des Fußballspielers Zidane zeigt, dass der Kopfstoß nicht nur Folge der verbalen Entgleisung Materaz-

zis war, sondern dass es durchaus weitere Ursachen, etwa in der Lebensgeschichte Zidanes, gab.

Trotz der nachvollziehbaren Einwände gegen eine konsequente Bestrafung verbaler Angriffe sprechen

wesentliche Argumente dafür. Dass es in Einzelfällen schwierig sein kann, den Anteil verbaler Gewalt

an physischer Gewalt zu bestimmen, lässt nicht den Schluss zu, dass verbale Gewalt nicht bestraft

werden könne. Dazu gibt es zu viele Beispiele, in denen verbale Beleidigungen eine Person in ihrer

Würde und Ehre ernsthaft und dauerhaft beschädigen. Durch verbale Attacken und Beleidigungen kann

das Selbstwertgefühl einer Person – insbesondere bei Jugendlichen und Heranwachsenden – nachhal-

tig gestört, ja zerstört werden. Ich kenne ein tragisches Beispiel aus meiner eigenen Klasse: Ein nicht

ganz schlankes Mädchen wurde wegen seiner Figur direkt und über Facebook derart gemobbt, dass es

an Magersucht erkrankte, therapeutische Betreuung brauchte und schließlich die Schule verließ. In

solchen Fällen sollten die Täter wegen ihres aggressiven Sprachverhaltens bestraft werden.

Daran lässt sich das entscheidende Argument für die Strafwürdigkeit verbaler Gewalt anschließen.

Verbale Beleidigungen sind in vielen Ländern – auch in Deutschland – Straftatbestand. Paragraf 185

des Strafgesetzbuches sieht bei Beleidigung eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe

vor. Die Bestrafung des Provokateurs Materazzi nach dem WM-Finale 2006 in Berlin stützt meine Posi-

tion, zumal dieser im Nachhinein sein sprachlich sehr provozierendes Verhalten zugegeben und sich

entschuldigt hat.

Wenn ich die Argumente pro und kontra abwäge, komme ich zu dem Schluss, dass sprachliche Gewalt

bestraft und unter Umständen sogar strafrechtlich verfolgt werden sollte, sofern sie gravierende Folgen

für das Opfer der verbalen Attacken hat.

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2.1 Gewalt im Alltag und in den Medien Strittige Themen diskutieren und erörtern

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Beispiel für einen abrundenden Schluss:

Wenn man sich vor Augen führt, wie stark Mobbing unter Jugendlichen verbreitet ist, dann kann man

hoffen, dass eine konsequente Bestrafung verbaler Gewalt abschreckend wirkt – egal, ob es sich um

Beleidigungen im direkten Kontakt oder bei Netzaktivitäten handelt.

Falls verbale Gewalt zu körperlicher Aggressivität führt, wie im Fall der Fußballspieler Materazzi und

Zidane, sollte das jeweilige Strafmaß allerdings angemessen abgewogen werden. Denn eine gleiche

oder ähnliche Bestrafung von verbaler und körperlicher Gewalt könnte als ungerecht empfunden wer-

den.

Erst mit der Überarbeitung des eigenen Schreibprodukts wird der Schreibprozess abgeschlossen. Die

Schülerinnen und Schüler verfügen durch die orientierenden Aufgaben und den Methodenkasten über

genügend Kriterien dafür.

Die wenig geliebte, aber unverzichtbare Überarbeitung kann durch eine geplante Publikation der Stel-

lungnahmen motiviert werden; in den öffentlichen Bereichen der Schulhomepage oder in sozialen

Netzwerken ist das mit geringem Aufwand möglich.

Die Lehrperson sollte abhängig von den Lernvoraussetzungen entscheiden, ob eine Schreibkonferenz

der angemessene Rahmen für die Lerngruppe sein kann. Unter Umständen müsste dann vor der Über-

arbeitung gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern eine verbindliche Kriterienliste festgelegt

werden. Idealerweise verfassen und überarbeiten die Lernenden ihre Texte digital.

S. 50 Teste dein Wissen! – Argumentieren und erörtern

a Die Schülerinnen und Schüler überprüfen ihren Lernfortschritt, indem sie zunächst Argumente

klassifizieren:

Aussage pro oder kontra „Killerspiele“? Argumenttyp

1 kontra Faktenargument

2 pro Wertargument

3 pro analogisierendes Argument / Wertargument

4 kontra Autoritätsargument

5 pro Autoritätsargument / Faktenargument

b Beispiel für eine Widerlegung von Argument 2 und 3:

Das Wertargument 2 mit dem Hinweis, dass Online-Rollenspiele die sozialen Kompetenzen fördern,

lässt sich nicht als überzeugendes Argument pro gewaltorientierte Computerspiele nutzen. Zwar

sind auch solche Spiele mit kooperativen Elementen versehen, aber diese setzen die Faktenargu-

mente der Aussage 1 über die Einschränkung des Mitgefühls nicht außer Kraft. Auch das Interesse

der Eltern (Argument 3) ändert nichts an den Inhalten und mindert nicht die Gefahren von gewalt-

verherrlichenden Computerspielen.

Mögliche Verbesserung des Fazits:

Wenn ich die Argumente pro und kontra abwäge, komme ich zu dem Schluss, dass ein generelles Ver-

bot gewalthaltiger Computerspiele nicht sinnvoll ist. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Einschrän-

kungen geben sollte. So werden auf dem Spielemarkt durchaus Spiele angeboten, die wegen ihrer

starken Gewaltorientierung eine Altersfreigabe – etwa ab 18 Jahren – benötigen.

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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

66

S. 51 2.2 Warnschussarrest für Jugendliche?

Erörtern im Anschluss an einen Text

Das Teilkapitel knüpft mit der Erörterung im Anschluss an einen Text an das korrespondierende Kapitel

im Deutschbuch 9 an. Die Komplexität dieses Schreibprodukts besteht in den vielfachen Anforderun-

gen: Die Schülerinnen und Schüler müssen einen informierenden und argumentierenden Sachtext ver-

stehen und analysieren, die dargestellten Sachverhalte sowie die Darstellungsstrategien schriftlich wie-

dergeben und erläutern und sich davon ausgehend mit einer strittigen Position erörternd auseinander-

setzen. Entsprechend ist die folgende Sequenz angelegt: Der Erwerb bzw. die Vertiefung der Kompe-

tenzen beginnt mit der angeleiteten Untersuchung eines Artikels aus der „Süddeutschen Zeitung“ zum

Warnschussarrest und wird mit einem auf zwei Differenzierungsniveaus angelegten Schreibprozess

weitergeführt.

Die Aussicht auf eine Veröffentlichung (z. B. auf der Schulhomepage oder in sozialen Netzwerken)

könnte die Schreibmotivation fördern.

S. 51 Mike Szymanski: Ein Schock, der nichts bringt

Die Lernenden werden mit ihren ersten kurzen, spontanen Stellungnahmen auf den verschiedensten

Ebenen reagieren: Sie werden sich zum Textverständnis und zu Unklarheiten äußern, auf den Begriff

„Warnschussarrest“ eingehen und evtl. den Text bewerten.

Für die Unterrichtsführung könnte es sinnvoll sein, mit grundlegenden Fragen bzw. Einschätzungen

verbindlich umzugehen. Die folgenden Erschließungsaufgaben müssten z. B. Verständnisfragen be-

antworten.

Mit einer textbezogenen Erläuterung der Überschrift wird das Textverstehen vorentlastet. Mike

Szymanski verfasst zwar einen in wesentlichen Teilen sachlich argumentierenden Text. Die Schlagzeile

(wie auch der Vorspann) nimmt aber die kritische Einschätzung – nämlich die problematische Wirksam-

keit des Warnschussarrests – deutlich vorweg. (Die Verbindung von Argumentation und Meinungs-

äußerung könnten die Lernenden als typisch für die Textsorte Kommentar erkennen.)

Beispiele für prägnante Textstellen, die – neben der Überschrift und dem Vorspann – die Position des

Verfassers verdeutlichen:

– „Ein Jahr nach der Einführung fällt die Bilanz dieser Schocktherapie eher dürftig aus.“ (Z. 17 f.)

– „Und von einer abschreckenden Wirkung des Arrests kann auch dort nicht mehr wirklich die Rede

sein, wo man große Hoffnungen in das Instrument gesetzt hat – wie in Bayern.“ (Z. 52–55)

– „Im Idealfall – so schildert es der Münchner Jugendrichter Gassner – würden die zu Warnschuss-

arresten verurteilten Jugendlichen das erste Mal die Erfahrung machen, eingesperrt zu werden. Und,

so die Hoffnung, dann daraus für die Zukunft lernen. Die Praxis sieht anders aus:“ (Z. 66–71)

– „So konsequent waren dann auch die Bayern nicht.“ (Z. 80 f.)

a Beispiel für eine Erklärung des Begriffs „Warnschussarrest“:

Der Warnschussarrest kann seit 2013 als Ergänzung zu einer Bewährungsstrafe für Jugendliche

verhängt werden. Die bis zu vier Wochen dauernde Haftstrafe soll jugendlichen Straftätern ihr un-

rechtmäßiges Verhalten vor Augen führen (vgl. Z. 84–93) und sie von weiteren kriminellen Taten

abschrecken.

a/b Die beiden orientierenden Aufgaben steuern den Prozess, eine Stoffsammlung anzulegen. Auch

wenn sie nicht explizit als differenziert ausgewiesen sind, bieten sie deutliche Hilfestellungen. Für

die Unterrichtsführung ist es wichtig, auf Verbindlichkeit bei der Bearbeitung zu achten, da der an-

schließende Schreibprozess auf der Stoffsammlung basiert.

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2.2 Warnschussarrest für Jugendliche? Erörtern im Anschluss an einen Text

67

Beispiel für die Ergänzung der vorgegebenen Stoffsammlung:

Kerngedanken des Textes

– Ausgangsfrage: Hat sich der Warnschussarrest in der Praxis bewährt? Der Autor zieht ein Jahr

nach dem Beschluss des Warnschussarrests eine Bilanz.

– Es gibt wenig Praxiserfahrung mit dem Warnschussarrest, denn Jugendrichter machen von der

Möglichkeit des Warnschussarrests wenig Gebrauch. Dies belegt z. B. eine Umfrage in den Jus-

tizministerien der Bundesländer, nach der 2013 insgesamt nur wenige Warnschussarreste ver-

hängt worden sind.

Intention des Textes

– Die Meinung des Autors ist dem Text deutlich zu entnehmen: Er steht dem Warnschussarrest

kritisch gegenüber und will die Leser über dessen Anwendung und Auswirkungen aufklären sowie

zur eigenen Meinungsbildung anregen. Schon die Überschrift verdeutlicht, besonders in Kombina-

tion mit dem Vorspann, dass der Verfasser den Warnschussarrest nicht für ein geeignetes Mittel

zur Eindämmung von Jugendkriminalität hält.

Sprachliche Besonderheiten

– abwertende Formulierungen: „Hardlinern“ (Z. 12), „fällt die Bilanz dieser Schocktherapie eher

dürftig aus“ (Z. 17 f.)

– Umgangssprache: „aufzubrummen“ (Z. 22), „Wer mal beim Klauen erwischt wird“ (Z. 31 f.)

– Ironie: „Knast auf Probe – für den Alltag kann man da ja vielleicht noch was lernen“ (Z. 9 f.),

„So konsequent waren dann auch die Bayern nicht.“ (Z. 80 f.)

– Zitate (vgl. Z. 8, 15 f., 43, 57–61)

Beispiel für eine Tabelle mit Argumenten pro und kontra Warnschussarrest:

pro Warnschussarrest kontra Warnschussarrest

Konsequenzen der eigenen Handlungen erfahren,

für die Zukunft lernen (vgl. Z. 66–71; S. 52,

Z. 17–21)

Wertargument

Nur wenige Jugendrichter verhängen bisher

Warnschussarrest (Umfrage der SZ, vgl. Z. 18–29)

Faktenargument

Jugendlichen eigenes Unrecht vor Augen führen

(Zitat des bayer. Justizministers, vgl. Z. 57–61)

Autoritätsargument / Wertargument

abschreckende Wirkung zweifelhaft (Studie zur

Rückfallquote von 2010, vgl. Z. 44–55)

Faktenargument

bloße Bewährungsstrafen von Betroffenen häufig

als Freispruch empfunden (S. 52, Z. 13–17)

Wertargument

Gefahr, dass Jugendliche mit kriminellem Milieu

in Kontakt kommen (vgl. S. 52, Z. 21–25)

Wertargument / Faktenargument?

Gefahr, dass Jugendliche in der eigenen Clique

als „Helden“ gelten (vgl. S. 52, Z. 26–30)

S. 54 Vertiefen und üben – Die Erörterung ausformulieren

Der Steuerung des Schreibauftrags ist auch in der „fordernden“ Variante orientierend. Die Differenzie-

rung wird durch zusätzliche Formulierungshilfen in der Fördervariante realisiert. Bei der Entscheidung,

wer in der Lerngruppe welches Aufgabenset bearbeitet, kann auf die Auswertung des Lernstandstets

(auf S. 82 f. in diesen Handreichungen) zurückgegriffen werden. Je nach Selbstständigkeit und Reflek-

tiertheit der Lerngruppe ist es aber auch denkbar, dass die Schülerinnen und Schüler darüber selbst-

ständig entscheiden.

Die Lehrperson kann die vorgegebene Differenzierung durch einen Wechsel der Sozialformen ergän-

zen: Die Schreibaufgaben können auch kooperativ bearbeitet werden, wobei im Sinne der individuellen

Förderung aber darauf geachtet werden sollte, dass jede/r ein Schreibprodukt formuliert.

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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

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Beispiellösung (die Angaben zur Struktur sind zur Orientierung hier kursiv ergänzt):

Erörterung im Anschluss an den Text „Ein Schock, der nichts bringt“ von Mike Szymanski

(Einleitung) In Deutschland gibt es den Warnschussarrest für Jugendliche seit dem 7. März 2013. Die

vierwöchige Arreststrafe kann als Ergänzung zu einer Bewährungsstrafe verhängt werden. Inwieweit

hat sich der Warnschussarrest in der Praxis bewährt? In dem Artikel „Ein Schock, der nichts bringt“

zieht der Autor Mike Szymanski nach einem Jahr Bilanz. Der Text ist am 7.3.2014 in der überregionalen

„Süddeutschen Zeitung“ erschienen.

(Hauptteil: Kerngedanken des Textes, Intention, sprachliche Auffälligkeiten) Schon die Überschrift „Ein

Schock, der nichts bringt“ lässt vermuten, dass sich der Warnschussarrest in der Praxis nicht bewährt

hat. Die Bilanz sei ernüchternd, so der Autor, noch gebe es wenig Erfahrung mit dieser „Schocktherapie“

(Z. 18). Das zeige eine Umfrage der SZ in den Justizministerien der Bundesländer, nach der 2013 nur

sehr wenige Warnschussarreste verhängt worden sind (vgl. Z. 22–29). Der Verfasser stützt dieses Fak-

tenargument mit Zahlen und Kommentaren aus verschiedenen Bundesländern. Im Folgenden nimmt er

mit einem Zitat des bayerischen Justizministers (vgl. Z. 56–61) und der Paraphrase eines Münchener

Jugendrichters (vgl. Z. 66–71) Autoritäts- und Wertargumente der Befürworter des Warnschussarrests

auf. Diese widerlegt er durch Faktenargumente und Beispiele aus der Praxis (vgl. Z. 61–65 und 71–81).

Die Position des Autors ist dem Text deutlich zu entnehmen: Er steht dem Warnschussarrest kritisch

gegenüber. Das wird nicht nur in der Überschrift deutlich, sondern auch im Vorspann und in wichtigen

Passagen seines Artikels (z. B.: „Ein Jahr nach der Einführung fällt die Bilanz dieser Schocktherapie

eher dürftig aus.“, Z. 17 f.; „Und von einer abschreckenden Wirkung des Arrests […] wie in Bayern.“,

Z. 52–55; „Die Praxis sieht anders aus“, Z. 71). Mit seinem Artikel will der Autor über das Thema

„Warnschussarrest“ aufklären, seine Meinung dazu äußern und die Leserinnen und Leser zur eigenen

Meinungsbildung über diese Maßnahme des Jugendstrafrechts anregen.

Obwohl der Text in weiten Teilen sachlich-argumentativ verfasst ist, belegen abwertende Formulierun-

gen wie „Hardliner“ (Z. 12), „Schocktherapie“ (Z. 18) oder „eher dürftig“ (Z. 18) seine kritische Sicht.

Auch saloppe umgangssprachliche Formulierungen wie „aufzubrummen“ (Z. 22) oder „Wer mal beim

Klauen erwischt wird“ (Z. 31 f.) zeigen, dass Szymanski nicht viel von dieser Vollzugsmaßnahme hält.

Unterstützt wird das durch den ironischen Unterton, der sich etwa in Zeile 9 f. („Knast auf Probe – für

den Alltag kann man da ja vielleicht noch was lernen“) oder im Schlusssatz (Z. 80 f.) zeigt.

(Erörterung, Pro und Kontra) Szymanskis Artikel regt dazu an, sich selbst eine Meinung zum Thema

„Warnschussarrest“ zu bilden. Im Folgenden werde ich erörtern, was dafür und was dagegenspricht,

wobei ich mich auf Befürworter und Gegner beziehe, die in dem Zeitungsbeitrag zu Wort kommen.

Die Befürworter dieser Verschärfung im Jugendstrafrecht setzen große Hoffnung in den Warnschussar-

rest. Jugendrichter, aber auch Politiker argumentieren, der Warnschussarrest könne abschreckende

Wirkung haben. Er soll den Jugendlichen – so der bayerische Justizminister – das eigene Unrecht und

dessen Konsequenzen „spürbar vor Augen führen“ (Z. 60). Ergänzt wird diese Überlegung durch die

Hoffnung, dass die Betroffenen für die Zukunft daraus lernen. Überdies hegen Befürworter Zweifel, ob

eine bloße Bewährungsstrafe von jugendlichen Straffälligen überhaupt als Strafe angesehen wird.

Während sich die Befürworter des Warnschussarrests vor allem auf Wertargumente berufen, argumen-

tiert Szymanski als Kritiker mit Zahlen und Statistiken, also mit Faktenargumenten. Auf dieser Basis

erweist sich die Bilanz des Warnschussarrests als nicht überzeugend. Nur wenige Jugendrichter ver-

hängten diesen z. B. 2013. Das belegt die genannte Umfrage der „Süddeutschen Zeitung“ bei den Jus-

tizministern der Bundesländer (vgl. Z. 22–29). Das zentrale Argument gegen den Warnschussarrest

ergibt sich aus einer Studie von 2010 zur hohen Rückfallquote bei Jugendarrest (vgl. Z. 45–55). Da-

nach ist die abschreckende Wirkung sehr zweifelhaft. Ergänzen lässt sich das durch die Gefahr, dass

Jugendliche im Warnschussarrest überhaupt erst intensiver mit dem kriminellen Milieu in Kontakt kom-

men (S. 52, Z. 21–25) oder nach Verbüßung in ihrer Gruppe als „Helden“ gelten (vgl. S. 52, Z. 26–30).

(Schluss/Fazit) Auch wenn die Hoffnungen der Befürworter dieser Strafmaßnahme einleuchtend klin-

gen, vertrete ich nach Abwägen der Argumente die Meinung, dass mehr gegen als für den Warn-

schussarrest spricht. Das stimmt mit der negativen Bilanz überein, die Mike Szymanski in seinem Arti-

kel zieht. Bei meiner Entscheidung haben mich vor allem die von ihm genannten Zahlen und Fakten

überzeugt, die allerdings aus heutiger Perspektive aktualisiert werden müssten. Ergänzend wäre es

jedoch wichtig, die straffällig gewordenen Jugendlichen pädagogisch zu betreuen und zu unterstützen.

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2.3 Fit in … Erörtern im Anschluss an einen Text

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S. 56 2.3 Fit in … Erörtern im Anschluss an einen Text

Die in den ersten beiden Teilkapiteln angebahnten Kompetenzen im Bereich des Argumentierens wer-

den im Klassenarbeitstraining verdichtet zusammengeführt. Thematisch fügen sich Textvorlage und

Aufgabenstellung in das Leitthema des Kapitels ein: Die Frage „Graffiti – Kunst oder Krawall?“ berührt

mit der Position „Krawall“ das Motiv „Gewalt“. Das immer wieder diskutierte Problem der Sachbeschä-

digung durch Graffiti lässt sich als „Gewalt gegenüber Eigentum“ interpretieren.

Auch wenn die Schülerinnen und Schüler das Klassenarbeitstraining selbstständig durchführen – etwa

als vorbereitende Hausaufgabe –, sollte es ihnen ermöglicht werden, ihre Erfahrungen mit dieser Auf-

gabe im Unterricht zu thematisieren.

S. 56 Teresa Bechtold / David Freches: Graffiti – Kunst oder Krawall?

S. 56 Die Aufgabenstellung verstehen

Der partnerschaftliche Austausch soll sicherstellen, dass den Lernenden alle relevanten Aspekte der

Aufgabenstellung bewusst sind. Unterstützend können die Schülerinnen und Schüler darauf hingewie-

sen werden, die Methoden- und Informationskästen aus den ersten beiden Teilkapiteln zu nutzen.

S. 57 Stoffsammlung und Gliederung erstellen

a/b Mögliche erweiterte Stoffsammlung:

Kerngedanken des Textes

Autoren positionieren sich zur Frage, ob Graffiti Kunst oder Sachbeschädigung sind:

provokanter, ironischer Einstieg: direkte Anrede der Sprayer macht deutlich, dass die Verfasser

Graffiti für Sachbeschädigung halten:

– Einschränkung: Graffiti als Zeichen von Rebellion wären in Ordnung, wenn deren Entfernung

nicht durch Steuern oder Ticketpreise von der Allgemeinheit oder von einzelnen Privatleuten

finanziert werden müsste.

– Einschränkung: Graffiti gehören mittlerweile fast überall zum Stadtbild, eigene Kulturszene –

Aber: Kultur, die den Schaden anderer in Kauf nimmt, kann nicht positiv sein.

– Einschränkung: Graffiti sind in Ordnung, wenn dabei nicht fremdes Eigentum beschädigt wird.

zum Besprühen freigegebene Graffiti-Wände in vielen Städten; denen fehlt aber Reiz des

Verbotenen

– unangemessenes Heischen um Anerkennung: Sprayer zwingen anderen ihre Werke auf.

Intention des Textes

– Autoren sehen in „Graffiti“ Sachbeschädigung, wollen Leser über deren negative Folgen und die

widersprüchlichen Ansprüche der Sprayer aufklären.

Sprachliche Besonderheiten

Diese Haltung wird auch sprachlich deutlich:

– auffällige Überschrift: Antithese, Alliteration, Frage wecken Leserinteresse

– provokanter Einstieg mit direkter Ansprache der Sprayer und rhetorischen Fragen („Ihr traut euch

[…]? Ganz illegal? […] im Dunkeln?“, Z. 1–3) ironisiert die widersprüchlichen Ansprüche der

Sprayer-Kultur

– ironisch-abwertende Bezeichnung der Graffiti-Künstler als „kleine Jungs“, die eine „kleine Rebelli-

onsphase“ durchmachen (Z. 5–11)

– „zitierte“ jugendsprachliche Ausdrücke („krass“, Z. 7; „cooler“, Z. 36), Neologismus („Selbst-

bewusstseins-Kick“, Z. 17) Abwertung der Sprayer als kindische Jugendliche

– im gesamten Text ironischer Unterton

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2 Dann eben mit Gewalt? Argumentieren und erörtern

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Beispiel für eine Tabelle mit Argumenten zur Streitfrage „Graffiti – Kunst oder Sachbeschädigung“:

Graffiti

= Kunst = Sachbeschädigung

gehören überall zum Stadtbild, eigene Kultur-

szene

Wertargument

Entfernung müssen die Allgemeinheit

(über Steuern, Tickets) oder Einzelne bezahlen

Faktenargument

Grundrecht der Kunstfreiheit

Wertargument / analogisierendes Argument

Sprayer zwingen anderen ihre Kunstwerke auf

(da an öffentlichen Gebäuden oder Fahrzeugen)

Wertargument / Faktenargument

Kunst war schon immer rebellisch und gegen

den Mainstream

Wertargument

„Kunst“, die anderen schadet, ist anmaßend

Wertargument

S. 58 Die Erörterung schreiben und überarbeiten

Beispiellösung, die Graffiti als Sachbeschädigung einschätzt:

Erörterung im Anschluss an den Sachtext „Graffiti – Kunst oder Krawall?“

(Einleitung) Was für manche Leute eine Verschönerung einer kargen Wand darstellt, ist für andere eine

kriminelle Tat. Sind Graffiti Kunst oder Sachbeschädigung? In dem Artikel „Graffiti – Kunst oder Kra-

wall?“ setzen sich Teresa Bechtold und David Freches kritisch mit der Graffiti-Kultur auseinander.

(Hauptteil: Kerngedanken des Textes, Intention, sprachliche Auffälligkeiten) Die Meinung der Autoren

zur Frage im Titel ihres Artikels wird schon im ersten Absatz klar. Durch einen provokant-ironischen

Einstieg, in dem sie die Sprayer direkt ansprechen, wird schnell deutlich, dass sie die Alternative „Kunst

oder Krawall?“ mit dem zweiten Begriff beantworten. Für sie stehen die Sachbeschädigung fremden

Eigentums und die Kosten, die andere tragen müssen, im Vordergrund. Die Bezeichnung der Graffiti-

Künstler als „kleine Jungs“ (Z. 5 f.), die eine „kleine Rebellionsphase“ (Z. 10 f.) durchmachen, zeigt

deutlich die distanzierte und eher abwertende Haltung der Autoren gegenüber den Sprayern. Rhetori-

sche Fragen („Ihr traut euch […]? Ganz illegal? […] im Dunkeln?“, Z. 1–3) ironisieren die widersprüchli-

chen Ansprüche der Sprayer-Kultur. Dem gesamten Text liegt ein ironischer Unterton zugrunde, der

etwa in dem umgangssprachlichen Kommentar „Wie mutig von euch, ganz große Klasse, ehrlich“

(Z. 3 f.) besonders deutlich zutage tritt. Jugendsprachliche Ausdrücke, die als Zitate in den Text einge-

streut sind („krass“, Z. 7; „cooler“, Z. 36) und ein Neologismus („Selbstbewusstseins-Kick“, Z. 17) tragen

weiter zur Distanzierung und Abwertung der Sprayer als kindische Jugendliche bei.

Daneben bieten Bechtold und Ferches durchaus auch Faktenargumente für ihre Position (z. B. zum

Umfang der Schäden) und Alternativen zum „wilden“ Sprayen. Interessant ist, dass sie ihre Argumenta-

tion mehrmals mit Einschränkungen bzw. Gegenargumenten beginnen, die sie dann widerlegen (Z. 12–

21, 22–29).

Die Position der Autoren ist unmissverständlich: Graffiti als Zeichen von Rebellion wären in Ordnung,

wenn deren Entfernung nicht durch Steuern oder Ticketpreise von anderen finanziert werden müsste.

Als Alternative schlagen sie spezielle Graffitiwände vor, wie sie in den meisten Städten zur Verfügung

stehen (vgl. Z. 30–34). Eine Graffiti-Kultur, die den Schaden anderer Menschen in Kauf nimmt, könne

nicht positiv sein. Eine Kunst, die ihre Werke den Menschen aufzwingt, halten die Autoren für fragwür-

dig.

Die Absicht des Textes liegt auf der Hand: Die Verfasser sehen Graffiti kritisch, sie wollen die Leser

über deren negative Folgen und die widersprüchlichen Ansprüche der Sprayer aufklären und zur

Bildung einer eigenen Meinung anregen. In Ansätzen liegt ihrem Kommentar auch ein Appell an die

Sprayer zugrunde, was beispielsweise in der direkten Anrede zu Beginn des Textes erkennbar wird.

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2.3 Fit in … Erörtern im Anschluss an einen Text

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(Erörterung, Pro und Kontra) Bei der Beurteilung von Graffiti als Kunst oder Sachbeschädigung schei-

nen die Positionen sehr weit auseinanderzuliegen.

Die Befürworter der Graffiti-Kultur nennen als ein Argument, dass Graffiti die Tristesse und Ödnis vieler

Städte vertreiben und graue Betonflächen aufwerten. Die East Side Gallery in Berlin oder ähnliche Orte

in anderen Städten sind mittlerweile kulturelle Anziehungspunkte – nicht nur für Städtetouristen, son-

dern auch für Kunstinteressierte aus anderen Ländern. Hier wird das zentrale Argument derjenigen

deutlich, für die Graffiti Kunst sind – und keine Sachbeschädigung. Seit den 1980er Jahren hat sich

weltweit eine vielfältige Kulturbewegung etabliert, in der sich Graffiti-Kunst z. B. mit Hiphop und ande-

ren Kunstformen verbindet. Alle Versuche, diese Kultur und Kunst einzuschränken, wäre – so das Ar-

gument – eine Beschränkung der künstlerischen Freiheit.

Diesen Argumenten kann man im Sinne von Bechtold und Freches entgegenhalten, dass ein Großteil

der Graffiti zwar auf Betonflächen landet, aber häufig mit Kunst wenig zu tun hat. Ein für jedermann

nachvollziehbares Beispiel bietet die Erfahrung, wenn man mit einem Zug in einen Bahnhof einfährt.

Die unzähligen, oft gleichförmigen Graffiti – auch auf Zügen – haben wenig mit Kunst zu tun, sondern

sind eher die Produkte pubertierender Sprayer. Diese Kritzeleien auf öffentlichen und privaten Flächen –

so lautet ein zentrales Argument – erfüllen nicht den Anspruch, authentische Kunst zu sein. Es handelt

sich um Sachbeschädigungen, für deren Behebung die Allgemeinheit oder Privatleute aufkommen

müssen. Deshalb ergibt sich als Schlussfolgerung, dass Kunst, die fremdes Eigentum beschädigt, kei-

nen Schutz beanspruchen kann. Im Gegenteil: Es handelt sich um Gewalt gegenüber fremdem Eigen-

tum, die auch strafrechtlich verfolgt werden muss.

(Schluss/Fazit) Obwohl das Thema „Graffiti – Kunst oder Krawall?“ strittig und eine rationale Positionie-

rung schwierig ist, vertrete ich die Ansicht, dass es sich bei Graffiti in der Regel um Sachbeschädigung

und nicht um einmalige künstlerische Ausdrucksformen handelt. Nach Abwägen der Argumente schlie-

ße ich mich der kritischen Sicht der beiden Autoren an. Dabei habe ich mich vor allem von meiner Be-

obachtung unzähliger Kritzeleien an Hauswänden oder Zügen in unserer Stadt leiten lassen. Für künst-

lerische Graffiti, die es ja durchaus auch gibt, sollten spezielle Wände, zur Verfügung stehen – warum

nicht auch im Museum?

Unabhängig davon, ob die Lernenden ihren Text im Unterricht oder zu Hause verfasst haben, sollte die

Lehrperson darauf achten, dass er wirklich überarbeitet wird. Die Checkliste auf S. 58 im Schülerband

mit den überschaubaren und nachvollziehbaren Kriterien bietet dafür die Basis.

Material zu diesem Kapitel auf den folgenden Seiten und auf der CD-ROM

– Vertiefen und üben – Erörtern im Anschluss an einen Text: Pro und Kontra Warnschussarrest –

Experten im Streitgespräch (auf zwei Differenzierungsniveaus, mit Lösungshinweisen auf der

CD-ROM)

– Klassenarbeit – Erörtern im Anschluss an einen Text: Gordon Wüllner / Niklas Dummer: Zensur in

Kinderbüchern? (mit Erwartungshorizont auf der CD-ROM)

– Klassenarbeit – Erörtern im Anschluss an einen Text: Oliver Trendkamp: Urteil: Mobbingopfer darf

nicht zuschlagen / Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin: Schulordnungsmaßnahme auch

bei Gewalt nach Provokation (mit Erwartungshorizont auf der CD-ROM)

– Lernstandstest – Argumentieren und erörtern (mit Lösungshinweisen und Förderempfehlung auf der

CD-ROM)

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Vertiefen und üben – Erörtern im Anschluss an einen Text

Pro und Kontra Warnschussarrest – Experten im Streitgespräch

Über die Verschärfung des Jugendstrafrechts und den Warnschussarrest gab es sehr kontroverse Dis-

kussionen. Unter Warnschussarrest versteht man eine kurze Haftstrafe, die ergänzend zu einer Bewäh-

rungsstrafe verhängt werden kann. Der folgende Text dokumentiert einen Auszug aus einer öffentlichen

Diskussion in Hamburg im Jahr 2011, in der der Kriminologe Professor Christian Pfeiffer und der

Jugendrichter Andreas Müller vor der Einführung des Warnschussarrests zu Wort kamen.

Pfeiffer: Das Entscheidende ist, dass der Jugend-

arrest höhere Rückfallquoten hat als die zur Be-

währung ausgesetzte Jugendstrafe, obwohl Letzte-

re die gefährlicheren Klienten1 kriegen […] Wa-

rum geht denn eigentlich die Jugendgewalt zu-

rück, aber in der öffentlichen Wahrnehmung

nicht? Die Menschen glauben zu 90 %, so muss-

ten wir feststellen, dass die Jugendgewalt steigt,

obwohl sie sinkt. […] Nein, ich bleibe dabei, den

Jugendarrest verstärkt einzusetzen, ist immer eine

Risikoerhöhung, dass die betroffenen Menschen

durch die Hafterfahrung erst richtig ins Abseits

geraten, ein schlechtes Image bekommen und die

falschen Freunde kennen lernen. […]

Müller: […] Ich will aber sehr wohl die Einfüh-

rung des Warnschussarrestes, der keine Verschär-

fung ist, sondern einfach ein weiteres Mittel, das

eben auch verhindern könnte, dass wir Hundert-

tausende Abiturienten haben, die bei ihren Abi-

feiern irgendeinen Scheiß bauen und dann nach

Erwachsenenstrafrecht beurteilt werden könnten.

Das ist die Wahl. […]

Pfeiffer: Ich möchte eine Frage an Sie stellen:

Warum glauben Sie – was bei Ihnen immer wie-

der zum Ausdruck kommt –, dass ein Mensch, der

für drei Wochen hinter Gittern sitzt, davon ir-

gendwie positiv beeindruckt wird? Ich kann nicht

nachvollziehen, was Sie sich von dem Jugend-

arrest für Heilwirkungen versprechen, wo die

Rückfallquoten doch eindeutig dagegen sprechen,

aber auch der gesunde Menschenverstand das

zweifelhaft erscheinen lässt. Ich selber habe Ju-

gendarrestanten2 interviewt über das, was sie dort

erlebt haben. Das war im Rahmen einer For-

schung, die zwar vor langer Zeit gelaufen ist, aber

Eingesperrtsein bleibt Eingesperrtsein. Wir haben

auch jetzt gerade wieder eine riesige Forschung

abgeschlossen über die Erfahrungen von Men-

schen, die im Gefängnis sitzen. Niemand behaup-

tet ernsthaft, dass er dort zu Läuterung und Besse-

rung gekommen ist.

Müller: Entschuldigen Sie, wenn Theorie auf

Praxis trifft. Ich bin, glaube ich, bei durchschnitt-

lich 700 Verfahren im Jahr über 16 Jahre auf

ca. 11.000 Fälle gekommen. Mit diesen Kindern

rede ich, denen höre ich zu. Darunter gibt es eine

ganze Menge, die sagen: „Gott sei Dank wurde

ich früh genug eingesperrt, sonst hätte ich weiter

geschlagen.“ Das ist das Erste. Das sind aber

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Foto: laif / Andreas Meichsner

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keine wissenschaftlichen Untersuchungen, Herr

Professor Pfeiffer, das ist einfach das Gefühl eines

Jugendrichters, und nicht nur das meinige. Dann

ist es so, dass manche Leute einfach zu schwere

Straftaten begangen haben. […] Normalerweise

soll ja auch die Öffentlichkeit einen gesunden

Menschenverstand haben. Die versteht es nicht,

wenn beispielsweise mehrere Personen brutal

zusammengeschlagen werden und gar nichts pas-

siert. Die Täter gehen raus mit 20 bis 30 Stunden

gemeinnütziger Arbeit und einer Bewährungsstra-

fe. Vielleicht müssen wir irgendwann einmal den

Gedanken wiederfinden, dass Erziehung auch ein

wenig mit Strafen zu tun hat. […] Wir machen –

und das ist ja diese Denke, entschuldigen Sie –

permanent nur ambulante Maßnahmen: Auflagen,

Anti-Gewalt-Trainingskurse, noch ein Sozial-

arbeiter und noch ein Sozialarbeiter usw. Die

unterschiedliche Denke, die wir haben, sieht so

aus: Sie, Herr Professor Pfeiffer, denken: Irgend-

wann wächst es sich raus. Und ich denke:

Irgendwann muss der rein, damit es rauswächst,

und in der Zwischenzeit kann weiter nichts pas-

sieren.

(Auszug aus der Dokumentation des Streitgesprächs

vom 16.06.2011, zitiert nach: Bucerius Law Journal,

Heft 2/2011, Juli 2011, S. 78–89, Zitate S. 83)

1 der Klient: Kunde eines Rechtsanwalts

2 der Arrestant: jemand, der sich im Arrest / im Gefängnis

befindet

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Hier übst du, wie du die folgende Aufgabenstellung bearbeiten kannst:

Stelle die Kerngedanken des Auszugs aus einem Streitgespräch zum Warnschussarrest dar.

Erörtere dann, was für (pro) und was gegen (kontra) den Warnschussarrest spricht.

Formuliere ein Fazit, welche der beiden Positionen zum Warnschussarrest dich mehr überzeugt,

und formuliere einen weiterführenden Gedanken oder sprich eine Empfehlung aus.

Lege zuerst eine Stoffsammlung an. Lies dafür das Streitgespräch genau und analysiere es sorgfältig.

a Kläre, welche Position Jugendrichter Müller und welche der Wissenschaftler Pfeiffer vertritt. Du

kannst dafür auch die folgenden Zitate nutzen. Übernimm die Satzanfänge aus dem Kasten in dein

Heft und ergänze sie.

„Ich kann nicht nachvollziehen, was Sie sich von dem Jugendarrest für Heilwirkungen versprechen

[…].“ (Z. 27–29)

„Ich will aber sehr wohl die Einführung des Warnschussarrestes, der keine Verschärfung ist, sondern

einfach ein weiteres Mittel […].“ (Z. 15–17)

Professor Pfeiffer vertritt die Auffassung, dass …

Im Gegensatz dazu erklärt Jugendrichter Müller, dass …

b Untersuche, wie die beiden Experten jeweils ihre Position begründen. Welche Argumente und Bei-

spiele verwenden sie? Übernimm dazu die Tabelle in dein Heft und ergänze sie.

Argumente pro Warnschussarrest

(Experte ? )

Argumente kontra Warnschussarrest

(Experte ? )

pädagogische Maßnahmen reichen nicht aus

? Wirkung des Warnschussarrests (vgl. Z. ? );

Möglichkeit, ? durch Warnschussarrest zu

erziehen (vgl. Z. ? )

? Rückfallquoten bei Arrest als bei ?

(Z. ? )

Warnschussarrest keine Verschärfung, sondern Mittel,

um Jugendliche vor ? zu bewahren (vgl. Z. ? )

Jugendkriminalität insgesamt rückgängig

(Z. ? )

kein Verständnis der ? , wenn jugendliche Gewalt-

täter nicht angemessen bestraft werden (Z. ? )

Risiko, durch Arrest an „falsche“ Freunde zu

geraten (Z. ? ): ? werden durch Gefängnis

nicht „besser“ (Z. ? )

c Setze dich kritisch mit den Positionen der beiden Experten auseinander: Bewerte ihre Argumente.

Ergänze die Tabelle in deinem Heft nach dem Muster unten.

– Ordne richtig zu, worauf die beiden Experten ihre Argumente stützen:

langjährige Berufserfahrung – Statistiken – eigene Interviews – 11.000 Jugendgerichtsfälle – For-

schungsergebnisse

– Untersuche den jeweiligen Argumenttyp: Entscheide, ob es sich eher um Faktenargumente oder

Wertargumente handelt.

Argumente pro Warnschussarrest Argumente kontra Warnschussarrest

stützen sich auf: ? , ? stützen sich auf: ? , ? , ?

Argumenttyp: eher ? Argumenttyp: eher ?

d Notiere in deiner Tabelle eigene Argumente pro und kontra Warnschussarrest.

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Formuliere in Stichpunkten ein Fazit, in dem du deinen Standpunkt zusammenfasst. Schreibe in dein

Heft.

Tipp: Du kannst dich eindeutig pro oder kontra aussprechen oder eine Einschränkung, Bedingung oder

Voraussetzung formulieren, unter der du dich für ein Pro oder ein Kontra entscheidest.

Nutze die Ergebnisse deiner Vorarbeiten und verfasse jetzt eine zusammenhängende Erörterung.

Schreibe sie vollständig in dein Heft. Du kannst die Formulierungshilfen, die unter jeder Teilaufgabe

stehen, verwenden.

a Formuliere eine Einleitung, in der du zum Thema hinführst und Angaben zur Textvorlage machst

(Gesprächspartner, Titel, Thema).

Aufsehen erregende Fälle von Jugendgewalt sorgen immer wieder für –

Einführung des so genannten Warnschussarrests – als Warnschussarrest bezeichnet man –

Beispiel für die kontroverse Diskussion – Dokumentation eines Streitgesprächs zwischen dem

Kriminologen … und dem Jugendrichter …, das im … in … stattfand – unterschiedliche Positionen

b Verfasse mithilfe deiner Stoffsammlung den Hauptteil der Erörterung. Fasse zunächst die Kernge-

danken der Diskussion zusammen.

in dem Streitgespräch wird schnell deutlich, dass der Kriminologe – während sich der Jugendrichter –

Müller sieht darin eine Möglichkeit –

aus seiner Erfahrung reichen dafür pädagogische Maßnahmen –

für ihn bedeutet der Warnschussarrest auch keine Verschärfung des Strafrechts, weil er –

dieser Auffassung widerspricht Professor Pfeiffer – dabei beruft er sich auf … sowie … –

sein Einwand gegenüber der erzieherischen Wirkung des Warnschussarrests lautet –

Einsperren führe nicht – ein weiteres Argument –

in den engagierten und teils zugespitzten Äußerungen beider Experten (vgl. z. B. …) –

Appell an die Zuhörenden

c Erörtere dann, was für den Warnschussarrest spricht und was dagegen. Überlege, wie du die Argu-

mente anordnen willst. Orientierung bieten im Deutschbuch die Methodenkästen auf den Seiten 47

und 49.

werde ich im Folgenden erörtern, welche Vorteile und welche Probleme der Warnschussarrest –

der Befürworter dieser Verschärfung des Jugendstrafrechts führt an, dass –

der Warnschussarrest könne – beruft sich dabei auf …, aber auch auf –

als weiteres wichtiges Argument nennt – dieses Argument kann man weiter zuspitzen –

das wesentliche Argument gegen den Warnschussarrest – diese sprechen gegen –

hinzu kommt, dass die Erfahrung des Eingesperrtseins – im Gegenteil: Während der Jugendhaft –

was die Gefahr einer weiteren kriminellen Karriere berge –

mit seinen Argumenten … stützt sich … neben Statistiken vor allem auf –

beruft sich ausdrücklich auf seine –

die beiden Positionen scheinen auch deshalb so unversöhnlich, weil –

der Befürworter des Warnschussarrests argumentiert eher mit …argumenten, während sich die

Kontraposition auf … beruft

d Ziehe abschließend ein Fazit, in dem du zu dem Thema Stellung beziehst. Formuliere danach einen

weiterführenden Gedanken, einen Wunsch oder eine Empfehlung.

wenn ich die Pro- und Kontra-Argumente abwäge, komme ich zu dem Schluss –

die … überzeugen mich mehr als die –

allerdings – nachdem – fände ich – außerdem würde ich mir wünschen, dass – trotzdem

Tausche deinen Text mit einer Lernpartnerin / einem Lernpartner und überarbeitet eure Texte in Part-

nerarbeit. Nutzt hierzu die Checkliste auf S. 58 des Deutschbuchs.

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Autor: Klaus Tetling

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Hier übst du, wie du die folgende Aufgabenstellung bearbeiten kannst:

Stelle die Kerngedanken des Auszugs aus einem Streitgespräch zum Warnschussarrest dar.

Erörtere dann, was für (pro) und was gegen (kontra) den Warnschussarrest spricht.

Formuliere ein Fazit, welche der beiden Positionen zum Warnschussarrest dich mehr überzeugt,

und formuliere einen weiterführenden Gedanken oder sprich eine Empfehlung aus.

Lege zuerst eine Stoffsammlung an. Lies dafür das Streitgespräch genau und analysiere es sorgfältig.

a Kläre, welche Position Jugendrichter Müller und welche der Wissenschaftler Pfeiffer vertritt. Über-

nimm die Satzanfänge in dein Heft und vervollständige sie.

Professor Pfeiffer vertritt die Auffassung, dass …

Im Gegensatz dazu erklärt Jugendrichter Müller, dass …

b Untersuche, wie die beiden Experten jeweils ihre Position begründen. Welche Argumente und Bei-

spiele verwenden sie? Übernimm dazu die Tabelle in dein Heft und ergänze sie.

Argumente pro Warnschussarrest

(Experte ? )

Argumente kontra Warnschussarrest

(Experte ? )

pädagogische Maßnahmen ?

? Wirkung des Warnschussarrests (vgl. Z. ? );

Möglichkeit, ? zu erziehen (vgl. Z. ? )

? Rückfallquoten bei ? als bei ?

(Z. ? )

Warnschussarrest keine Verschärfung, sondern Mit-

tel, um ? vor ? zu bewahren (vgl. Z. ? )

Jugendkriminalität insgesamt ? (Z. ? )

kein Verständnis der ? und der ? , wenn jugendliche

Gewalttäter ? (Z. ? )

Risiko, durch Arrest an „falsche“ Freunde zu

geraten (Z. ? ): ? werden durch Gefängnis

nicht „besser“ (Z. ? )

c Setze dich kritisch mit den Positionen der beiden Experten auseinander: Bewerte ihre Argumente.

Ergänze die Tabelle in deinem Heft nach dem Muster unten.

– Notiere, worauf die beiden Experten ihre Argumente stützen.

– Untersuche den jeweiligen Argumenttyp: Entscheide, ob es sich eher um Faktenargumente,

Wertargumente oder analogisierende Argumente handelt.

Argumente pro Warnschussarrest Argumente kontra Warnschussarrest

stützen sich auf:

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stützen sich auf:

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Argumenttyp:

eher ?

Argumenttyp:

eher ?

d Notiere in deiner Tabelle eigene Argumente pro und kontra Warnschussarrest.

Formuliere in Stichpunkten ein Fazit, in dem du deinen Standpunkt zusammenfasst. Schreibe in dein

Heft.

Tipp: Du kannst auch Alternativen zu einem eindeutigen Pro oder einem eindeutigen Kontra wählen.

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Nutze die Ergebnisse deiner Vorarbeiten und verfasse jetzt eine zusammenhängende Erörterung.

Schreibe sie vollständig in dein Heft. Du kannst die Formulierungshilfen, die unter jeder Teilaufgabe

stehen, verwenden.

a Formuliere eine Einleitung, in der du zum Thema hinführst und Angaben zur Textvorlage machst

(Gesprächspartner, Titel, Thema).

Aufsehen erregende Fälle von Jugendgewalt –

Einführung des so genannten Warnschussarrests – bezeichnet man –

Beispiel für die kontroverse Diskussion –

Dokumentation eines Streitgesprächs zwischen …, das im … in … stattfand –

unterschiedliche Positionen

b Verfasse mithilfe deiner Stoffsammlung den Hauptteil der Erörterung. Fasse zunächst die Kern-

gedanken der Diskussion zusammen.

In dem Streitgespräch wird schnell deutlich, dass …, während –

Müller sieht darin –

aus seiner Erfahrung reichen dafür … nicht –

für ihn bedeutet der Warnschussarrest auch keine …, weil er –

dieser Auffassung widerspricht … – dabei beruft er sich auf … sowie –

sein Einwand gegenüber – Einsperren führe – ein weiteres Argument

in den … Äußerungen beider Experten (vgl. z. B. …) – Appell an die Zuhörenden

c Erörtere dann, was für den Warnschussarrest spricht und was dagegen. Überlege, wie du die Argu-

mente anordnen willst. Orientierung bieten im Deutschbuch die Methodenkästen auf den Seiten 47

und 49.

werde ich im Folgenden erörtern, welche Vorteile und … – der Befürworter … führt an, dass –

der Warnschussarrest könne – beruft sich dabei auf …, aber auch auf –

als weiteres wichtiges Argument nennt – dieses Argument kann man weiter zuspitzen –

das wesentliche Argument gegen – diese sprechen gegen –

hinzu kommt, dass die Erfahrung des Eingesperrtseins – im Gegenteil –

was die Gefahr … berge –

mit seinen Argumenten … stützt sich … neben … vor allem auf –

beruft sich ausdrücklich auf seine – die beiden Positionen scheinen –

der Befürworter … argumentiert eher mit …argumenten, während sich die Kontraposition

d Ziehe abschließend ein Fazit, in dem du zu dem Thema Stellung beziehst. Formuliere danach einen

weiterführenden Gedanken, einen Wunsch oder eine Empfehlung.

wenn ich … abwäge, komme ich zu dem Schluss – überzeugen mich mehr als –

allerdings – nachdem – fände ich – außerdem würde ich – trotzdem

Tausche deinen Text mit einer Lernpartnerin / einem Lernpartner und überarbeitet eure Texte in Part-

nerarbeit. Nutzt hierzu die Checkliste auf S. 58 des Deutschbuchs.

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Klassenarbeit – Erörtern im Anschluss an einen Text

Aufgabenstellung

Stelle die Kerngedanken des Artikels „Zensur in Kinderbüchern?“ dar und erkläre, welche Absicht

(Intention) der Text verfolgt.

Erörtere, was für (pro) und was gegen (kontra) eine Zensur von Kinderbüchern spricht. Berücksichtige

dabei auch die Online-Kommentare zu dem Artikel. Ziehe zum Schluss ein Fazit und formuliere eine

Empfehlung.

Zensur in Kinderbüchern?

Von Gordon Wüllner und Niklas Dummer

In den letzten Jahren entwickelte sich eine kontroverse Debatte über den Zusammenhang von Sprache

und Gewalt. Dies führte auch zur Tilgung bestimmter Wörter und Begriffe in Kinder- und Jugendbü-

chern. Einige Verlage sind dazu übergegangen, beispielsweise in „Klassikern“ von Astrid Lindgren

oder Otfried Preußler diskriminierende Begriffe wie „Neger“ oder „Zigeuner“ durch neutrale zu erset-

zen. Der folgende Text dokumentiert nur den ersten Teil und damit nur eine Position in einem insgesamt

kontroversen Beitrag zum Thema.

Das sechsjährige deutsche Mädchen Anna besucht

zum ersten Mal seine halb nigerianische Freundin

Yamina. Als Anna mit Yaminas Familie am Ess-

tisch sitzt und eine nigerianische Spezialität ser-

viert bekommt, sagt sie: „Voll lecker, das Essen

von euch Negern.“ Yaminas Mutter lässt das Be-

steck auf den Boden klirren. „Was hat die Freun-

din meiner Tochter da gerade gesagt?“, fragt sie

sich völlig entsetzt. Aber was soll schon so

schlimm an einem Wort sein, das Jim Knopf1 auch

für den dunkelhäutigen Helden aus Annas Lieb-

lingsbuch benutzt?

Wenn wir über die Zensur in Kinderbüchern dis-

kutieren, dann geht es primär um die Streichung

des Wortes „Neger“. Klar, in Deutschland trägt

das Wort keine so negative historische Belastung

wie das englische Pendant „negro“ in Amerika,

dennoch empfinden viele dunkelhäutige Deutsche

das Wort heutzutage als pure Beleidigung – das

weiß ich aus meinem Bekanntenkreis.

Nicht mehr als ein kleines Update

Über die heutige, abwertende Kraft des Wortes

kann man aufklären: Wenn das Wort „Neger“ in

Kinderbüchern wie „Pippi Langstrumpf“ vor-

kommt, mag man das als Chance für Eltern be-

trachten, den Begriff mit ihren Kindern kritisch zu

reflektieren. Ich halte es allerdings für eine utopi-

sche Vorstellung, dass die Mehrheit der Eltern

diese Chance nutzen wird. Stattdessen werden die

meisten Kinder im Kindergarten- und Grund-

schulalter den Begriff in ihrem Wortschatz unre-

flektiert übernehmen und nicht über dessen Nut-

zung nachdenken, erst recht nicht, wo der „Ne-

gerkönig“ bei „Pippi Langstrumpf“ so gut gestellt

ist. Bis sie dann irgendwann merken, wie unge-

mütlich ihre dunkelhäutigen Mitmenschen reagie-

ren, wenn man sie „Neger“ nennt.

Warum sollte man vor so einer Begegnung nicht

präventiv schützen, indem man die wenigen, heu-

te als diskriminierend geltenden Wörter in Kin-

derbüchern ersetzt? Dabei geht es meiner Mei-

nung nach zu weit zu behaupten, man verfälsche

dadurch die Kunst als Ganzes oder untergrabe die

Meinungsfreiheit von Astrid Lindgren und ihren

Autorenkollegen. Schließlich bliebe die Wortwahl

zu 99,9 % erhalten. Man gäbe unseren Kinder-

buchklassikern lediglich ein kleines sprachliches

Update und würde sie damit gesellschaftsfähiger

für das Jahr 2013 machen.

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Political Correctness richtig nutzen

Gesellschaft wandelt sich, Sprache wandelt sich.

Auf diesen Wandel sollte man in Kinderbüchern

reagieren. Und zwar ausschließlich in Kinderbü-

chern und nicht in der Literaturwelt im Allgemei-

nen. Denn die meisten Kinder im Grundschulalter

werden den zeitgeschichtlichen Hintergrund und

die damit verbundene antiquierte Sprache eines

Literaturklassikers noch nicht kritisch hinterfra-

gen wie ein Erwachsener. Zwar geht es auch in

Kinderbüchern oft darum, den Kindern eine Welt

der Vergangenheit näherzubringen, diese kann

aber illustriert werden, ohne heute als verpönt

geltende Wörter zu nutzen. Hier darf und sollte

Political Correctness ansetzen.

In einer Gesellschaft, in der von „Krisenbewälti-

gung“ statt „Krieg“ gesprochen wird, hat das

Streben nach Political Correctness selbstverständ-

lich schon ein absurdes Maß angenommen. Ich

bin gegen Political Correctness, die zu solch ei-

nem manipulativen Euphemismus führt. Aber

Political Correctness darf und soll dafür genutzt

werden, Wörter in Kinderbüchern zu „zensieren“,

die bei unreflektierter Übernahme in den Wort-

schatz der Kinder zu echten Problemen führen

können. Kinder sind auf der ständigen Suche nach

Wörtern, mit denen sie ihre Welt beschreiben

können. Da braucht man ihnen ja kein Gift auf

dem Silbertablett kredenzen. [...]

(Aus: pflichtlektüre. Online-Magazin für Studierende,

03.05.2013, Auszug.

Quelle: www.pflichtlektuere.com/03/05/2013/

duell-am-donnerstag-zensur-in-kinderbuechern/, Stand 06.12.2016)

1 Jim Knopf: einer der Helden in zwei sehr bekannten

Kinderbüchern von Michael Ende

Kommentare aus verschiedenen Blogs

PIPPILOTTA (16): Ich bin immer noch ein sehr großer Fan von Astrid Lindgrens Kinder-

büchern. Pippi Langstrumpf hat es mir dabei besonders angetan. Es ist als zeitloses

Kinderbuch ein Kunstwerk, dem Respekt gebührt. Man sollte es nicht ändern, denn es ist

das Werk einer der weltweit bekanntesten Kinderbuchautorinnen.

ULRICH-G (17): Otfried Preußler oder Astrid Lindgren sind international bekannte Auto-

ren, deren Absicht es nicht gewesen ist, bestimmte Menschen zu diskriminieren. Sie

schrieben in der Sprache ihrer Zeit. Deshalb kann ich die Eingriffe der Verlage in den

Text nicht nachvollziehen. Die schwedische Bestsellerautorin Lindgren hat sich selbst

gegen eine Überarbeitung ihrer Bücher gewehrt, während Preußler kurz vor seinem Tod

Änderungen noch zugestimmt hat.

Harry Otter (23): Selbst wenn wir die Sprache in den Kinderbüchern an einigen Stellen

verändern, so ändert sich doch nicht zugleich auch der Umgang mit den diskriminierten

Personengruppen. Die neutralen Bezeichnungen führen nicht automatisch dazu, dass

Menschen nicht diskriminiert werden. Tolerantes Verhalten erfordert mehr, als nur die

Sprache zu ändern.

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Klassenarbeit – Erörtern im Anschluss an einen Text

Aufgabenstellung

Stelle die Kerngedanken des Artikels „Urteil: Mobbingopfer darf nicht zuschlagen“ von Oliver Trend-

kamp sowie des Auszugs aus der Pressemitteilung des Gerichts dar. Erkläre anschließend, welche

Absicht (Intention) die Texte jeweils verfolgen.

Erörtere am Beispiel des vorliegenden Urteils, was für (pro) und was gegen (kontra) die gleiche Bestra-

fung beider Schüler spricht. Berücksichtige dabei auch die Online-Kommentare. Ziehe zum Schluss ein

Fazit.

Urteil: Mobbingopfer darf nicht zuschlagen

Von Oliver Trendkamp

Er wurde gehänselt, wehrte sich, schlug zu – und

bekam einen Verweis. Dagegen klagten die Eltern

des Berliner Gymnasiasten und unterlagen: Auch

Mobbingopfer dürfen im Konflikt keine körperli-

che Gewalt anwenden, so das Gericht.

Mobbing schützt vor Strafe nicht, so in etwa lässt

sich ein Urteil zusammenfassen, das gerade veröf-

fentlicht wurde. Ein Schüler muss nämlich die

Konsequenzen tragen, wenn er sich mit Gewalt

gegen eine Hänselei wehrt. Das gilt auch, wenn

der Schüler ein Opfer von Mobbing ist, wie das

Verwaltungsgericht Berlin entschied.

Hintergrund ist eine Prügelei, die bereits 2012

stattfand. Zwei Schüler an einem Gymnasium in

Berlin-Charlottenburg waren aneinandergeraten.

Anlass des Streits war die Bemerkung eines Schü-

lers, er habe Läuse in den Haaren des anderen

gesichtet. Der so Gehänselte habe sich hierdurch

provoziert gefühlt, hieß es in einer Mitteilung des

Gerichts. Laut einem Sprecher war die anschlie-

ßende Prügelei nicht mehr rekonstruierbar. Beide

Jungen hätten Prellungen davongetragen. Die

Klassenkonferenz bestrafte beide, sie bekamen

einen Verweis und mussten zur Mediationssit-

zung.

Gegen die Strafe klagten die Eltern des einen

Schülers, sie fanden es ungerecht, ihren Sohn als

Mobbingopfer zu bestrafen. Das Gericht wies die

Klage ab.

Diese Entscheidung bestätigte das Verwaltungs-

gericht. Der Schüler habe durch sein Verhalten

die „ordnungsgemäße Unterrichts- oder Erzie-

hungsarbeit beeinträchtigt“, hieß es in der Ent-

scheidung. Zu den Zielen der Schule gehöre ins-

besondere, „zu lernen, Konflikte vernünftig und

gewaltfrei zu lösen“. Das Gericht ließ einen An-

trag auf Zulassung der Berufung beim Oberver-

waltungsgericht zu.

(Aus: Spiegel-Online, 25.02.2014, otr/AFP.

Quelle: www.spiegel.de/schulspiegel/mobbing-urteil-pruegelei-nicht-

durch-haenselei-zu-rechtfertigen-a-955577.html, Stand 04.07.2016)

Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin

Schulordnungsmaßnahme auch bei Gewalt nach Provokation (Nr. 12/2014)

Ein Schüler, der sich an einer gewalttätigen Prü-

gelei beteiligt, muss Schulordnungsmaßnahmen

auch dann hinnehmen, wenn die Tat von anderen

provoziert wurde. Das hat das Verwaltungsgericht

Berlin entschieden.

[…] Hiergegen wandten sich die Eltern des Ge-

hänselten mit ihrer Klage mit der Begründung, ihr

Sohn werde schon länger gemobbt; daher habe er

sich verteidigen müssen. Es sei ungerecht, ihn als

Mobbingopfer dafür zu bestrafen, dass er sich

gegen einen körperlichen Angriff verteidigt habe.

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Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die

Klage ab. Die Klassenkonferenz habe die ange-

griffene Ordnungsmaßnahme im Einklang mit

dem Berliner Schulgesetz getroffen. Der Schüler

habe durch sein Verhalten die ordnungsgemäße

Unterrichts- oder Erziehungsarbeit beeinträchtigt.

Voraussetzung für eine Ordnungsmaßnahme sei

allein eine objektive Pflichtverletzung des betref-

fenden Schülers, die hier darin liege, dass er durch

sein Verhalten elementare Bildungs- und Erzie-

hungsziele des Berliner Schulgesetzes missachtet

habe. Zu diesen Zielen gehöre insbesondere, zu

lernen, aktives soziales Handeln zu entwickeln

und Konflikte vernünftig und gewaltfrei zu lösen.

Durch sein Verhalten habe der Schüler gezeigt,

dass er nicht bereit gewesen sei, die Eskalation

eines Streits zu einer handgreiflichen Auseinan-

dersetzung zu verhindern. Gerade weil es hier

nicht um die Ahndung strafrechtlich relevanten

Verhaltens gehe, sei ein an einer körperlichen

Auseinandersetzung beteiligter Schüler nicht des-

halb vor schulischen Ordnungsmaßnahmen ge-

schützt, weil er sich möglicherweise auf eine

Notwehrsituation hätte berufen können.

(Auszüge aus der Pressemitteilung Nr. 12/2014 vom 25.02.2014.

Quelle: www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/vg/presse/archiv/

20140225.1005.394724.html, Stand 04.07.2016)

Kommentare aus verschiedenen Blogs

Justice15: Trauriges Urteil für Mobbingopfer

Werden nicht durch dieses Urteil psychische und verbale Gewalt verharmlost? Sollte es

nicht für Mobbingopfer ein Recht auf Notwehr geben, auch mit physischen Mitteln?

Ursula Richter (43): Ziemlich weltfremde Begründung

Die urteilenden Richter haben scheinbar niemals Mobbingfälle an einer Schule erlebt.

Als Mutter weiß ich, wie schwierig es ist, solche „Konflikte vernünftig und gewaltfrei zu

lösen“.

Emre Gundogan (17, Schüler der 10 b): Physische = körperliche Gewalt ≠ Mittel zu

gutem Zusammenleben

Psychische/verbale Gewalt muss mit körperlicher Gewalt gleichgestellt werden. Mobbing

als psychische Gewalt ist nicht so gut sichtbar, aber die Auswirkungen auf die Opfer

können genauso schlimm sein. Dennoch – oder gerade deshalb! – sollte ein Mobbing-

opfer andere Wege als die Gewalt suchen, um sich zu wehren. Körperliche Attacken

verbessern das Sozialverhalten genauso wenig wie sprachliche. Deshalb ist es richtig,

beide „Täter“ zum Nachdenken zu bringen.

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Haft- und Bewährungsstrafen: Weniger kriminelle Jugendliche

Deutsche Gerichte haben erneut weniger Men-

schen rechtskräftig verurteilt. Rund 773.900 Ju-

gendliche, Heranwachsende und Erwachsene

mussten 2012 eine Haft- oder Bewährungsstrafe

antreten, eine Geldstrafe bezahlen oder eine Ar-

beitsauflage erfüllen. Das waren 4 Prozent weni-

ger als im Vorjahr und 14 Prozent weniger als

2007 – dem ersten Jahr der flächendeckenden

Erhebung. Die größte Gruppe der Straftaten wa-

ren Delikte im Straßenverkehr (22 Prozent), wie

das Statistische Bundesamt in Wiesbaden […]

mitteilte.

Die Geldstrafe ist nach wie vor mit Abstand die

häufigste strafrechtliche Sanktion (72 Prozent).

Nur knapp jeder Fünfte (18 Prozent) wurde zu

einer Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt. Bei

sieben von zehn der Verurteilten wurde diese zur

Bewährung ausgesetzt. Zehn Prozent der Verur-

teilten wurden mit so genannten Zuchtmitteln und

Erziehungsmaßregeln nach dem Jugendstrafrecht

sanktioniert. Dazu gehören etwa Jugendarrest,

Arbeitsauflagen [...].

Die Jugendkriminalität geht nach der Statistik

ebenfalls weiter zurück. Fast 114.800 Jugendliche

und Heranwachsende wurden verurteilt,

26 Prozent weniger als 2007. Dennoch werden

junge Menschen – gemessen an ihrem Bevölke-

rungsanteil – weitaus häufiger verurteilt als Älte-

re: Jugendliche etwa eineinhalbmal so oft wie Er-

wachsene und Heranwachsende (18 bis 20 Jahre)

fast dreimal so häufig.

„Generell gilt, dass die Wahrscheinlichkeit einer

Verurteilung im Alter von Anfang bis Mitte 20

am höchsten ist“, berichten die Statistiker. „Da-

nach geht sie kontinuierlich zurück.“ Die meisten

verurteilten Angeklagten (81 Prozent) sind nach

wie vor Männer.

(Aus: Kölner Stadtanzeiger, 12.02.2014, Auszug.

Quelle: www.ksta.de/panorama/-haft--und-bewaehrungsstrafen-

weniger-kriminelle-jugendliche,15189504,26169136.html,

Stand: 04.07.2016)

Kommentare zu der Zeitungsmeldung

Birdy: Mich hat ein Vortrag des bekannten Kriminologen Christian Pfeiffer beeindruckt,

der die Aussagen aus dem Bericht stützt. Dieser Experte sagte: „90 Prozent der Bun-

desbürger glauben, dass die Kriminalität in den letzten zehn Jahren stark zugenommen

hat, besonders auch Jugendgewalt. [...] Nichts davon stimmt.“

Bavaria: Jugendgewalt darf man nicht verharmlosen wie in dem Artikel, auch wenn die

Jugendkriminalität statistisch zurückgeht. Es reicht nicht aus, nur die Zahlen im Blick zu

haben. Es gibt eine staatliche Verantwortung für die Opfer von Jugendgewalt. Wir sind

moralisch verpflichtet, die Perspektive der Opfer einzunehmen und sie zu schützen. Im-

merhin hat sich die Zahl an gefährlichen Körperverletzungen seit 1992 verdoppelt.

a Lies die Zeitungsmeldung. Kreuze an, um welches Thema es darin geht.

A Die Ursachen von Kriminalität, vor allem von Jugendgewalt

B Die Entwicklung der Wirtschaftskriminalität in Deutschland zwischen 2007 und 2012

C Die Entwicklung von allgemeiner Kriminalität und Jugendkriminalität in Deutschland

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b Ordne den zentralen Aussagen der Zeitungsmeldung Argumente/Beispiele zu, durch die sie gestützt

werden. Verbinde Zusammengehöriges durch Linien und ergänze jeweils die Zeilenangaben.

zentrale Aussagen stützende Argumente/Beispiele

A Die Kriminalität geht in Deutschland

insgesamt zurück.

(Z. )

1 Nach der Statistik wurden 2012 26 %

weniger Jugendliche verurteilt als 2007.

(Z. )

B Auch die Jugendkriminalität nimmt

weiter ab.

(Z. )

2 Statistiker sagen, dass die Wahrscheinlich-

keit, verurteilt zu werden, im Alter von An-

fang bis Mitte 20 am höchsten ist.

(Z. )

C Junge Menschen werden – gemessen

an ihrem Bevölkerungsanteil –

häufiger verurteilt als ältere.

(Z. )

3 Im Jahr 2012 sind 4 % weniger Menschen

gerichtlich verurteilt worden als 2011 und

14 % weniger als 2007.

(Z. )

Man kann eine Position oder These durch verschiedene Argumenttypen stützen. Zur Begründung

eignen sich Faktenargumente, Wertargumente, Autoritätsargumente und analogisierende Argumente.

Überfliege die Zeitungsmeldung noch einmal und lies außerdem die beiden Kommentare. Überlege,

welche Argumenttypen jeweils schwerpunktmäßig verwendet werden. Ordne die Argumenttypen den

Texten zu.

A Zeitungsmeldung 1 Autoritätsargument

B Kommentar von Birdy 2 Faktenargument

C Kommentar von Bavaria 3 Wertargument

In einer „Erörterung im Anschluss an einen Text“ beziehst du dich auf eine Textvorlage, in der eine oder

mehrere Positionen zu einer strittigen Frage entwickelt werden. Kreuze an, welche der folgenden Aus-

sagen auf diese Aufsatzform zutreffen.

A Die Erörterung im Anschluss an einen Text hat zwei Schwerpunkte: 1. die Analyse der

Textvorlage, 2. eine Erörterung.

B Beim Verfassen einer Erörterung im Anschluss an einen Text braucht man keine Einleitung

und keinen Schlussteil zu formulieren.

C Diese Aufsatzform verlangt eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Text. Erst dann ist

eine Stellungnahme möglich.

D Die Einleitung sollte auf das Thema hinführen sowie Autor, Titel und ggf. die Quelle der

Textvorlage nennen.

E In der Textanalyse fasst man die zentralen Gedanken und Positionen zusammen und stellt

die Intention sowie ggf. die verwendeten sprachlichen Mittel dar.

F In der Textanalyse fasst man die zentralen Gedanken und Positionen zusammen, die Intention

und die verwendeten sprachlichen Mittel spielen jedoch keine Rolle.

G Bei der anschließenden Erörterung nimmt man Stellung zu den zentralen Argumenten des

Ausgangstextes.

H In der eigenen Stellungnahme ist es sinnvoll, den Argumenten aus der Textvorlage grundsätz-

lich zu widersprechen, denn eine Zustimmung schwächt die eigene Argumentation.