2 eineOpen-Access-Publikation. Muskel-Skelett-Belastungen … · 2017-08-28 · Zusammenfassung...

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Originalien Zbl Arbeitsmed 2017 · 67:64–77 DOI 10.1007/s40664-016-0150-4 Online publiziert: 26. Oktober 2016 © Der/die Autor(en) 2016. Dieser Artikel ist eine Open-Access-Publikation. M. Brütting 1 · I. Hermanns 1 · A. Nienhaus 2 · R. Ellegast 1 1 Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin, Deutschland 2 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Hamburg, Deutschland Muskel-Skelett-Belastungen beim Schieben und Ziehen von Krankenbetten und Rollstühlen Kranken- und Pflegepersonal ist auf- grund der körperlich belastenden Tä- tigkeiten hohen gesundheitlichen Bean- spruchungen ausgesetzt. Bei der statio- nären Krankenpflege müssen beispiels- weise Patienten und Pflegebedürſtige angehoben, umgelagert, mobilisiert, ge- stützt und transportiert werden. Laut dem Bundesministerium für Gesund- heit und dem BKK Bundesverband [5] wird sich die Zahl der Pflegebedürſtigen bis 2050 auf etwa 4,4 Mio. etwa ver- doppeln. Allein 500.000 Pflegefachkräſte müssten in den kommenden 20 Jahren zusätzlich qualifiziert werden. „In der Altenpflege wird bis zum Jahr 2050 eine Zunahme der Altenpflegekräſte um le- diglich 30 % prognostiziert – während aber die Anzahl der Pflegefälle um vor- aussichtlich etwa 270 % steigen soll. Eine vom Forschungsinstitut Betriebliche Bil- dung (f-bb) durchgeführte bundesweite Befragung von Pflegedienstleitungen in Krankenhäusern [16] unterstreicht die BrisanzderAlterungvonBeschäſtigtenin der Pflege: Mehr als die Hälſte (56 %) der befragten Pflegedienstleister bestätigen schon heute ein hohes Durchschnitts- alter bei den Belegschaſten. Hierbei rechnen 59 % mit zunehmenden Leis- tungseinschränkungen und Fehltagen angesichts des prognostizierten Anstiegs älterer Pflegekräſte. Insgesamt 29 % der Krankheitstage bei Krankenschwestern sind auf Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) zurückzuführen [11]. Immer mehr ältere Patienten und Pflegebe- dürſtige werden von weniger und älter werdenden Fachkräſten gepflegt wer- den müssen.“ [5]. Mit der Aufhebung der Wehrpflicht 2011 ging ein weite- rer Verlust von Pflegekräſten (Zivil- dienstleistende) einher. Bezogen auf in Krankenhäusern und Kliniken Beschäf- tigte entfallen laut dem Fehlzeitenreport von 2004 [1] 608 Krankheitstage je 100 bei der AOK Versicherte bei einer Krankheitsdauer von durchschnittlich 19,2 Tagen auf MSE (Branchendurch- schnitt: 556 Krankheitstage bzw. 11,8 Tage Krankheitsdauer). Um den Pflege- beruf zukünſtig attraktiv zu gestalten, müssen Arbeitsabläufe ergonomisch und belastungsoptimiert gestaltet sein. Dabei ist als Ausgangspunkt eine detaillierte- re Analyse der körperlich belastenden Tätigkeiten in Pflegeberufen notwendig. Abb. 1a,b 8 Krankenbett und Rollstuhl mit Kraftgriffen zur Handkraftmessung. c CUELA-Messwert- darstellung Inzwischen liegen einige Erkennt- nisse über dauerhaſte Fehlbelastungen durch Heben oder Tragen und Arbeiten in ungünstigen Oberkörperhaltungen bei Beschäſtigten in pflegenden Berufen vor [1215, 25, 2730]. Das Ziehen und Schieben von Lasten wird ebenfalls all- gemein als Risikofaktor angesehen [20, 22]. Über die Höhe der Belastungen des Muskel-Skelett-Systems beim Ziehen und Schieben von Krankenbetten und Rollstühlen in Pflegeberufen ist aller- dings bisher nur wenig bekannt. In dieser Studie wurden daher in standardisier- ten Laboruntersuchungen Messungen physischer Belastungen beim Ziehen, Schieben und Manövrieren von Kran- 64 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2 · 2017

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Originalien

Zbl Arbeitsmed 2017 · 67:64–77DOI 10.1007/s40664-016-0150-4Online publiziert: 26. Oktober 2016© Der/die Autor(en) 2016. Dieser Artikel isteine Open-Access-Publikation.

M. Brütting1 · I. Hermanns1 · A. Nienhaus2 · R. Ellegast1

1 Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), Sankt Augustin,Deutschland

2 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst undWohlfahrtspflege (BGW), Hamburg, Deutschland

Muskel-Skelett-Belastungenbeim Schieben und Ziehen vonKrankenbetten und Rollstühlen

Kranken- und Pflegepersonal ist auf-grund der körperlich belastenden Tä-tigkeiten hohen gesundheitlichen Bean-spruchungen ausgesetzt. Bei der statio-nären Krankenpflege müssen beispiels-weise Patienten und Pflegebedürftigeangehoben, umgelagert, mobilisiert, ge-stützt und transportiert werden. Lautdem Bundesministerium für Gesund-heit und dem BKK Bundesverband [5]wird sich die Zahl der Pflegebedürftigenbis 2050 auf etwa 4,4 Mio. etwa ver-doppeln. Allein 500.000 Pflegefachkräftemüssten in den kommenden 20 Jahrenzusätzlich qualifiziert werden. „In derAltenpflege wird bis zum Jahr 2050 eineZunahme der Altenpflegekräfte um le-diglich 30% prognostiziert – währendaber die Anzahl der Pflegefälle um vor-aussichtlich etwa 270% steigen soll. Einevom Forschungsinstitut Betriebliche Bil-dung (f-bb) durchgeführte bundesweiteBefragung von Pflegedienstleitungen inKrankenhäusern [16] unterstreicht dieBrisanzderAlterungvonBeschäftigteninder Pflege: Mehr als die Hälfte (56 %) derbefragten Pflegedienstleister bestätigenschon heute ein hohes Durchschnitts-alter bei den Belegschaften. Hierbeirechnen 59% mit zunehmenden Leis-tungseinschränkungen und Fehltagenangesichts des prognostizierten Anstiegsälterer Pflegekräfte. Insgesamt 29% derKrankheitstage bei Krankenschwesternsind auf Muskel-Skelett-Erkrankungen(MSE) zurückzuführen [11]. Immermehr ältere Patienten und Pflegebe-dürftige werden von weniger und älterwerdenden Fachkräften gepflegt wer-den müssen.“ [5]. Mit der Aufhebung

der Wehrpflicht 2011 ging ein weite-rer Verlust von Pflegekräften (Zivil-dienstleistende) einher. Bezogen auf inKrankenhäusern und Kliniken Beschäf-tigte entfallen laut dem Fehlzeitenreportvon 2004 [1] 608 Krankheitstage je100 bei der AOK Versicherte bei einerKrankheitsdauer von durchschnittlich19,2 Tagen auf MSE (Branchendurch-schnitt: 556 Krankheitstage bzw. 11,8Tage Krankheitsdauer). Um den Pflege-beruf zukünftig attraktiv zu gestalten,müssenArbeitsabläufe ergonomisch undbelastungsoptimiert gestaltet sein. Dabeiist als Ausgangspunkt eine detaillierte-re Analyse der körperlich belastendenTätigkeiten in Pflegeberufen notwendig.

Abb. 1a,b8 Krankenbett und Rollstuhlmit Kraftgriffen zur Handkraftmessung. c CUELA-Messwert-darstellung

Inzwischen liegen einige Erkennt-nisse über dauerhafte Fehlbelastungendurch Heben oder Tragen und Arbeitenin ungünstigen Oberkörperhaltungenbei Beschäftigten in pflegenden Berufenvor [12–15, 25, 27–30]. Das Ziehen undSchieben von Lasten wird ebenfalls all-gemein als Risikofaktor angesehen [20,22]. Über die Höhe der Belastungen desMuskel-Skelett-Systems beim Ziehenund Schieben von Krankenbetten undRollstühlen in Pflegeberufen ist aller-dings bisher nurwenig bekannt. In dieserStudie wurden daher in standardisier-ten Laboruntersuchungen Messungenphysischer Belastungen beim Ziehen,Schieben und Manövrieren von Kran-

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Page 2: 2 eineOpen-Access-Publikation. Muskel-Skelett-Belastungen … · 2017-08-28 · Zusammenfassung ·Abstract ZblArbeitsmed2017·67:64–77 DOI10.1007/s40664-016-0150-4 ©Der/dieAutor(en)2016.DieserArtikelisteineOpen-Access-Publikation.

Abb. 28 Ziehen und Schieben über einen langen Flur undManövrieren in einemZimmer

kenbettenundRollstühlendurchgeführt.Ziel war es, äußere Belastungsfaktorendes Muskel-Skelett-Systems zu quantifi-zieren und tätigkeitsspezifische Lumbal-belastungen (Kompressionskräfte undDrehmomente im Lendenwirbelsäulen-bereich L5/S1) durch biomechanischeModellrechnungen abzuschätzen.

Methodik

Material

Für die Schiebe- und Ziehversuche wur-den ein typisches Krankenbett (Herstel-ler: Joh. Stiegelmeyer & Co. GmbH, Her-ford, Modell Vivendo) und ein Kranken-rollstuhl (Hersteller: Handicare GmbH,Minden, Modell Cirrus) verwendet. DieVersuche wurden überwiegend auf ge-fliestemBodendurchgeführt;einigeMes-sungen mit dem Rollstuhl fanden teil-weise auf Teppichboden (Rampe) statt.Experten der Berufsgenossenschaft fürGesundheitsdienst und Wohlfahrtspfle-ge (BGW) schätzten die Rollreibungsei-genschaften der Laborböden zuvor alsvergleichbar mit denen in Krankenhäu-sern und Pflegeeinrichtungen ein.

Probanden

Die Versuche wurden von 10 Probanden(5 Männer und 5 Frauen, Alter: 22 bis43 Jahre, Frauen: 24,2 ± 2,2 Jahre, Män-ner: 32,4 ± 7,0 Jahre), bei denen es sichumMitarbeiter des IFA und keine ausge-bildeten Pflegekräfte handelte, je 3-maldurchgeführt. Der Mittelwert der Kör-

perhöhe betrug bei den Frauen 170,4 ±3,7 cm, bei den Männern 185,2 ± 9,3 cmbei einem mittleren Körpergewicht von65,4 ± 3,2 kg der Frauen und 90,8 ±16,9 kg der Männer.

Messtechnik

Handkräfte beim Ziehen und Schiebenwurden mit einem im IFA entwickel-ten 3D-Handkraftmesssystem (HKMS,[17]) gemessen, welches am o. g. Kran-kenbett und Rollstuhl angebracht wurde(. Abb. 1). Dabei wurde darauf geachtet,dass die Kraftmessgriffe der ursprüngli-chenPositionundLagederAnfasspunkteam Rollstuhl und Bett entsprechen. DieHöhe der Kraftgriffe wurde durch dieVerstellmechanismen an Bett und Roll-stuhl jeweils entsprechend der Körper-höhe der Probanden variiert. Die indivi-duelle Griffhöhe war somit für die ein-zelnen Probanden bei allen Versuchstei-len gleich und entsprach der Mitte zwi-schen Handgelenk und Ellenbogen beiaufrechtem Stand und nach unten ausge-streckten Armen. Somit wurde eine etwaannähernd horizontale Krafteinwirkung,die nach Looze et al. [4] ein effizientesSchieben und Ziehen ermöglicht, einge-halten. Identische Griffhöhen hätten zurFolge gehabt, dass unterschiedliche Kör-perhöhenderProbandenzuunterschied-lichen Winkeln der Krafteinleitung ge-führt hätten. Als Resultat würde z. B. beigrößeren Probanden die Berechnung derKompressionskraftaufL5/S1beimSchie-ben proportional kleinere Werte liefernals bei kleineren Probanden, bei denen

die Kraftrichtung in diesem Fall wenigernach unten gerichtet gewesen wäre. Derhorizontale Abstand der beiden Kraft-griffe voneinanderbliebkonstantundbe-trug bauartbedingt beimRollstuhl 40 cmund beim Bett 50 cm.

» In dieser Studie wurden ins-besondere die Neigungswinkelan Brust- und Lendenwirbelsäulebetrachtet

Weiterhin wurde die Körperhaltung derProbandenwährendderVersuchemit ei-nem Körperhaltungsmesssystem aufge-zeichnet. Das hierfür verwendete CUE-LA-System [9, 10] erfasst mit einer Fre-quenz von 50 Hz die Gelenkwinkel derBeine, des Rumpfes und der Arme sowiedie Daten der Kraftgriffe. Mit diesen Da-ten lassen sich die Körperhaltung, derzeitliche Verlauf der Bewegungen unddie Aktionskräfte dreidimensional dar-stellen. In dieser Studie wurden insbe-sondere die Neigungswinkel an Brust-(BWS)undLendenwirbelsäule (LWS)be-trachtet. Aus diesen beiden Neigungs-winkeln wurden mittlere Rumpfneigun-gen (= [LWS-Winkel + BWS-Winkel]/2)und Rückenkrümmungen (= BWS-Win-kel – LWS-Winkel) berechnet und de-skriptiv ausgewertet.

Versuchsdesign: Bett

Die typischen Fahrwege im Kranken-hausbetrieb sind der Transport zwischenverschiedenen Räumen (z. B. zwischenKrankenzimmer und Operationssaal),und sie beinhalten das Schieben und/oder Ziehen über Flure sowie das Ma-növrieren in einem Raum oder um Hin-dernisse herum (z. B. Sitzmöbel oderkurzzeitig abgestellte technische Geräteim Flur, Flurabzweigung o. Ä.). Für dieexperimentellen Versuche wurde des-halb die Fahrt über eine längere, geradeStrecke mit einer Kurve (Schieben bzw.Ziehen,Gesamtstreckeca.30m;.Abb.2)simuliert. Das Manövrieren (Kombina-tion aus Schieben und Ziehen) erfolgteinnerhalb eines Rechtecks von etwa 4 ×5,5 m und stellte die Situation in einemKrankenzimmer nach.

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Zusammenfassung · Abstract

Zbl Arbeitsmed 2017 · 67:64–77 DOI 10.1007/s40664-016-0150-4© Der/die Autor(en) 2016. Dieser Artikel ist eine Open-Access-Publikation.

M. Brütting · I. Hermanns · A. Nienhaus · R. Ellegast

Muskel-Skelett-Belastungen beim Schieben und Ziehen von Krankenbetten und Rollstühlen

ZusammenfassungHintergrund. In dieser Pilotstudie wurdenstandardisierte Labormessungen physischerBelastungen beim Ziehen, Schieben undManövrieren von Krankenbetten undRollstühlen durchgeführt. Ziel war es, äußereBelastungsfaktoren des Muskel-Skelett-Sys-tems zu quantifizieren und tätigkeitsbezogeneLumbalbelastungenabzuschätzen.Methodik. Zehn Probanden führtenstandardisierte Schiebe- und Ziehtätigkeitenim Labor mit einem typischen Krankenbettund einemKrankenrollstuhl durch. Handkräftewurden mit einem 3D-Handkraftmesssystemgemessen. Mit dem CUELA-Messsystemwurde der zeitliche Verlauf von Änderungender Körperhaltungen, Gelenkwinkel deroberen und unteren Extremitäten undRumpf/Rücken aufgezeichnet. ResultierendeDrehmomente und Kompressionskräfteim Lendenwirbelsäulenbereich (L5/S1)

wurden mit einfachen biomechanischenModellrechnungen abgeschätzt.Ergebnisse. Das Schieben, Ziehen und Manö-vrieren von Krankenbetten und Rollstühlenmit einem Gesamtgewicht von 240 bzw.135 kg auf einer geraden Strecke erforderteim Mittel Handkräfte (Gesamtkraftvektor)von bis zu 79 ± 7 N (max. 368 N). DieHandkraftmessung beim Überwinden einerStufe mit einem Rollstuhl (Dummygewicht:100 kg) ergab einen Maximalwert von 856N (Median: 128 ± 86 N und 221 ± 184 N).Das Schieben und Ziehen des Bettes unddes Rollstuhls verursachte im 95. PerzentilWerte von bis zu 45 Nm Drehmoment anund 1,2 kN Kompressionskraft auf L5/S1.BeimManövrieren wurden teilweise lumbaleMomente von über 80 Nm und Kompres-sionskräfte über 1,6 kN berechnet. DieDrehmomente und Kompressionskräfte beim

Schieben und Ziehen des Bettes erreichtenwährend der Startphase höhere Werte als inden übrigen Phasen, was auf ungünstigereKörperhaltungen zurückgeführt werden kann.Diskussion. In dieser Untersuchung konntenäußere Muskel-Skelett-Belastungen undLumbalbelastungen beim Ziehen undSchieben von Krankenbetten und Rollstühlenquantifiziert werden. Die Ergebnisse frühererStudien wurden mit Einschränkungen bestä-tigt. Zur Verifizierung der Ergebnisse solltenweitere Untersuchungenmit einem größerenProbandenkollektiv und unterschiedlichenBodenbelägen durchgeführt werden.

SchlüsselwörterKrankenbett · Rollstuhl · Handkraft ·Körperhaltung · Bandscheibendruckkraft

Musculoskeletal stress during pushing and pulling hospital beds and wheelchairs

AbstractBackground. In this pilot study the physicalstresses associated with pushing, pullingand maneuvering of hospital beds andwheelchairs were measured and recordedunder standardized laboratory conditions.This enabled initial observations of theexternal stress on the musculoskeletal systemto be quantified and the lumbar stress to beestimated.Methods. A typical hospital bed and a hospitalwheelchair were used by 10 subjects forstandardized pushing and pulling tests. Handforces were measured by a 3D measurementsystem in handles fitted to the hospital bedand wheelchair. The CUELA measurementsystemwas used to record body posture, jointangles of the upper and lower extremitiesand of the torso/back. The resulting torques

and compression forces in the lumbar spineregion (L5/S1) were estimated using simplebiomechanicalmodel calculations.Results. The pushing, pulling and maneuve-ring of hospital beds and wheelchairs witha total weight of 240 and 135 kg duringstraight line travel required mean hand forcesof up to 79 N ± 7 N (maximum value 368N). Measurement of the hand force duringnegotiation of a step with a wheelchair and adummyweight of 100 kg yielded a maximumvalue of 856 N (mean 128 N ± 86 N and 221 N± 184 N, respectively). Pushing and pullingof the bed and wheelchair resulted in torquevalues of up to 45 Nm and compression forcesof up to 1.2 kN at the 95th percentile. Torquesof over 80 Nm and compression forces of over1.6 kN were measured in some cases during

maneuvering. The torques and compressionforces generated at the L5/S1 level duringpushing and pulling of the bed were higher atthe beginning of pulling than in other phases.This can be attributed to unfavorable posture.Discussion. In this study forces and stressesarising during the pulling and pushingof hospital beds and wheelchairs weremeasured. The results of earlier studies wereconfirmed, subject to the constraints derivingfrom differences between the methods. Theresults should be verified by further studiesemploying a larger collective of test subjectsand different floor coverings.

KeywordsHospital bed · Wheelchair · Handforce ·Posture · Disc compression force

Ein Versuchsdurchgang „Flur“ be-stand aus jeweils einem Hin- und Rück-weg, einVersuchsdurchgang „Manövrie-ren im Zimmer“ aus Hin- und Rückwegmit jeweils einer Halteposition, vor-wärts schiebend und rückwärts ziehend(. Abb. 2).

Das Ziehen des Bettes erfolgte rück-wärtsgehend. Die Rollen bzw. Räderstanden zuVersuchsbeginn in Fahrtrich-

tung. Die Lenksperren der kopfseitigenLaufrollen des Bettes wurden für denGeradeauslauf eingerastet und für dieManövriervorgänge frei beweglich ein-gestellt. Das Leergewicht des Bettes(ohne Auflagen wie Matratze, Bettgarni-tur usw.) betrug 140 kg, die Kraftgriffewogen inkl. Befestigung 5,6 kg. Unter-schiedliche Patientengewichte wurdendurch verschieden schwere Dummys (80

und 100 kg) realisiert. Für die Ausfüh-rung der Zieh- und Schiebeaufgabenwurden keine Zeitlimits vorgegeben, dieGanggeschwindigkeit konnte somit freigewählt werden. Zwischen den Wieder-holungen standen den Probanden kurzePausen zur Verfügung, während denendie Startbedingungen (Positionierungdes Bettes bzw. des Rollstuhls und Aus-

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Abb. 39 VerschiedeneKraftfälle in der Draufsicht,resultierendeMomente (M)und vektorielle Gesamt-kräfte. Die Pfeile der Hand-kräfte entsprechen den

Kraftvektoren (���→

KGRF ) und(���→

KGLF ), die Positionender Kraftgriffe entsprechen����→

KGLPos und����→

KGRPos . DerUrsprung der Gesamtkraft

entspricht�����→

KGGesPos

richtung der Rollen) wiederhergestelltwurden.

Versuchsdesign: Rollstuhl

Auf die Kombinationen „Rollstuhl zie-henauf langemFlur“und„Rollstuhl leer“wurde verzichtet, da diese im täglichenPflegebetriebkaumvorkommenbzw.kei-ne relevante körperliche Belastung dar-stellen. Ansonsten wurde derselbe Par-cours wie mit dem Bett verwendet. Ineinem Zusatzversuch wurde mit einemProbanden exemplarisch das Schiebenüber eine Rampe (Neigungswinkel: 3,5°)sowie die Überwindung einer Stufe (Hö-he: 13 cm) mit dem Rollstuhl und dem100 kg schweren Dummy durchgeführt.

Das Leergewicht des Rollstuhls be-trug 35 kg, die Kraftgriffe wogen inkl.Befestigung 5,6 kg. Unterschiedliche Pa-tientengewichte wurden auch hier mitverschieden schweren Dummys (80 und100 kg) simuliert.

Aufgrunddesanzunehmendenvariie-renden Kraftverlaufs innerhalb der Ver-suchsteilewurde beimZiehenund Schie-ben auf gerader, längerer Strecke (Flur)eineUnterteilung inverschiedenePhasenvorgenommen, die als Startphase, Roll-phase und Bremsphase bezeichnet wer-den und folgendermaßen definiert sind:4 Die Startphase („Start“) beginnt mit

dem Start des Versuchs und endetnach dem 4. Schritt des Probanden,der durch eine Mustererkennungdes Kniewinkelverlaufs mit demCUELA-System erfasst wurde.

4 Die Rollphase („Roll“) beginnt mitdem Abschluss des 4. Schritts und

endet vor Beginn der letzten 4 Schrit-te. Eine Unterteilung der Rollphasein Geradeausfahrt und Kurvenfahrtwurde anhand der einsetzendenund endenden Lenkbewegungenvorgenommen.

4 Die Bremsphase („Brems“) beinhaltetden Zeitraum der letzten 4 Schrittebis zum Stillstand des Bettes bzw.Rollstuhls.

Das Manövrieren stellt eine Ansamm-lung mehrerer aufeinanderfolgenderStart-,Roll-undBremsphasenmitgleich-zeitigenLenkbewegungendarundwurdenicht in einzelne Phasen untergliedert.

Auswertungsparameter

Als Grundlage für die Abschätzung derMuskel-Skelett-Belastungen dienen indieser Studie die im Folgenden aufge-führten Parameter.

Gesamtkraft an Kraftgriffen (N)Die Gesamtkraft beider Hände ist defi-niertalsdievektorielleSummeder jeweils3 Komponenten beider Handkräfte (X-,Y- und Z-Richtung). Es werden folgendestatistische Werte berechnet: Mittelwert(MW), Standardabweichung (SD),Maxi-mum (Max) sowie die Perzentilwerte 5%(P05), 25% (P25), 50% (Median, P50),75% (P75) und 95% (P95). Eine Bewer-tung der Kräfte erfolgt nach ISO 11228-2[23] und DIN 33411-5 [6].

Moment an Kraftgriffen (Nm)Das resultierende Moment zwischenbeiden Kraftgriffen (KGR, KGL) dient

als Maß für die Differenz hinsichtlichKraftrichtung und -höhe (bei asym-metrischen Kraftaufwendungen beiderHände) und wird bei der BerechnungderLumbalmomenteundKompressions-kräfte an L5/S1 berücksichtigt. . Abb. 3zeigt beispielhaft verschiedene vorkom-mende Kraftfälle für die Berechnungdes resultierenden Handkraftmoments.Es wird in 2 Schritten berechnet. Imersten Schritt erfolgt die Berechnung derPosition eines virtuellen Gesamtkraft-griffs (

�����→

KGGesPos) aus den Positionender Kraftgriffe (

����→

KGLPos ,����→

KGRPos) undden gemessenen Kräften beiderKraftgriffe (

���→

KGRF ,���→

KGLF):

�����→

KGGesPos =����→

KGLPos + (����→

KGRPos −����→

KGLPos)

���→

KGRF ∣

���→

KGRF ∣ + ∣���→

KGLF ∣

∗ (

���→

KGRF +���→

KGLF) .

Im zweiten Schritt wird das Momentaus der Position des Gesamtkraftgriffs(�����→

KGGesM) und dem Kreuzprodukt derbeiden Hebelarme der Kraftgriffe undderen Kräfte berechnet:

�����→

KGGesM =

(

����→

KGRPos −�����→

KGGesPos) ×���→

KGRF

+ (

����→

KGLPos −�����→

KGGesPos) ×���→

KGLF

a) Bei entgegengesetzten Kraftrich-tungen an den Kraftgriffen entstehtein maximales Moment um denUrsprung, da beide Kräfte mit dem

Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2 · 2017 67

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Originalien

Tab. 1 SchemazurKlassifikationvonMomentennachTichauer [35,36]undKriteriennachHeck-tor und Jäger [19]

Moment anL5/S1 (ML5/S1)in Nm

Belastung,Arbeits-schwere

Anforderungen oderEinschränkungen

Belastungs-stufe

Belastungs-intensität

ML5/S1 < 40 Leicht,mühelos

Ungeübte Personen,Frauen oder Männer,Konstitution unerheblich

1 Geringbelastend

40 ≤ML5/S1 < 85 Mittelschwer Guter Körperbau, einigeÜbung

2 Überlastungmöglich

85 ≤ML5/S1 <135

Schwer Ausgewählte Personen,eingehende Schulung,Ruhepausen

3 Überlastungwahrscheinlich

135 ≤ML5/S1 Sehr schwer Große Sorgfalt bei derPersonenauswahl undSchulung, Schichtab-schnitte

4 Überlastungsehr wahr-scheinlich

Tab. 2 Mittlerer Zeitaufwand (min) für Schiebe- und Ziehvorgänge (je 3 Hin- und Rückwege =̂180m) undmittlere Ganggeschwindigkeit (ms–1) für Frauen (w) undMänner (m)

Ziehen (w/m)

Leer 80 kg 100 kg

4,05/3,86min (0,74/0,77ms–1) 4,02/4,08min (0,75/0,74 ms–1) 3,86/4,15min (0,78/0,72 ms–1)

Schieben (w/m)

Leer 80 kg 100 kg

3,16/3,25min (0,95/0,92ms–1) 3,46/3,61min (0,87/0,83 ms–1) 3,35/3,68min (0,90/0,82 ms–1)

maximalen Hebelarm in die Be-rechnung eingehen. Die vektorielleGesamtkraft kann in diesem Fall auch0 sein.

b) Bei Kraftausübung an nur einemKraftgriff entsteht kein Moment,da der Ursprung der Gesamtkraftgleich dem Ursprung der einzelnenKraft ist und somit kein Hebelarmexistiert. Die vektorielle Gesamtkraftentspricht der Kraft an dem einzelnenKraftgriff.

c) Bei gleichgerichteter Kraftausübungan beiden Kraftgriffen ist der Ur-sprung der Gesamtkraft mittigzwischen beiden Kraftgriffen undjede Kraft geht mit ihrem Hebelarmin das Moment ein. Das Momentkann 0 sein, wenn die Kräfte inbeiden Kraftgriffen gleich hoch undgleich gerichtet sind. Die Gesamtkraftentspricht der vektoriellen Summebeider Kraftgriffe.

Ein resultierendes Moment von 50 Nmzwischen den 50 cm voneinander ent-fernten Kraftgriffen kann z. B. durch dasZiehen in waagerechter Richtung mit100 N an einem Kraftgriff und gleich-

zeitiges Schieben am anderen Kraftgriffmit 100 N entstehen.

Moment an L5/S1 (Nm)Die Körperhaltungen und Gelenkwin-kel sind wesentlicher Bestandteil derBerechnung des Moments an und derKompressionskraft auf L5/S1. Das zurMessung und Aufzeichnung dieser Pa-rameter verwendete CUELA-Systemliefert mit seinen unterschiedlichen amKörper angebrachten Sensoren Winkel-werte für die Kopfhaltung, Armhaltung,Rumpfhaltung und Beinhaltung. Ausden Körperhaltungs- und Kraftgriffda-ten wurden mittels dreidimensionalerbiomechanischerModellrechnungenmit8 Segmenten (je 3 Armsegmente, Kopfund Rumpf mit jeweils definierten Mas-sen, Maßen und Segmentschwerpunk-ten) oberhalb von L5/S1 das Momentan der Bandscheibe L5/S1 (

���→

ML5S1)berechnet (in Anlehnung an Glitschet al. [18]). Dieses Moment besteht zumeinen aus dem Körpermoment (Sum-me aller Segmentgewichte multipliziertmit dem jeweiligen Hebelarm des Seg-mentschwerpunkts von L5/S1) und zumanderen aus dem Moment resultierend

aus den Kraftgriffen (Gesamtkraft derKraftgriffe multipliziert mit dem Hebel-arm). Das Moment wird quasistatischberechnet, d. h. dynamische Effekte auf-grund der Massenträgheit werden alsvernachlässigbar klein angenommen:

���→

ML5S1 =

8∑

l=1(

��→

L5S1 −��→

Segl)×(mSegl∗�→g )

+

�����→

KGGesM + (��→

L5S1 −�����→

KGGesPos)

×

����→

KGGesF

Der Betrag des lumbalen Gesamt-momentenvektors wurde nach dem vonTichauer [36] definierten Schema zurKlassifikation von Momenten an L5/S1bewertet (. Tab. 1):

Kompressionskraft auf L5/S1 (kN)Basierend auf dem Moment an L5/S1wird anhand eines sehr einfachen Mus-kelmodells die Kompressionskraft abge-schätzt. Das Muskelmodell enthält zureindeutigen Lösung der Momentenglei-chung für die zu kompensierenden Mo-mente einen Rückenstreckermuskel mitfest definierter anatomischer Geometrie[9]. Hiermit erfolgte die Abschätzungder Kompressionskraft auf L5/S1 unterVernachlässigung der Seitbeuge- undTorsionsmomente – verursacht durchasymmetrische Körperhaltungen und/oder Kraftausübungen. Eine BewertungderKräfte erfolgt nachden„DortmunderRichtwerten“ [24].

Statistische Auswertung

Die Auswertung der Versuchsdaten er-folgte mit den folgenden statistischenVerfahren und Programmen: Die Dar-stellungvonVerteilungenderMittelwerteerfolgt in Boxplots. Die Box entsprichthierbei dem Wertebereich, in dem diemittleren 50% der Daten liegen. Siewird durch das 25. und 75. Perzentilder Daten begrenzt. Der Median (50.Perzentil) ist als durchgehender Quer-strich in der Box eingezeichnet. DieAntennen (Whiskers) markieren jeweilsdas 5. und 95. Perzentil der Wertever-teilung. Die Boxplots wurden mit derim IFA entwickelten Auswertesoftware

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Tab. 3 Gesamtkräfte (N) für dasManövrieren (M), Schieben (S) und Ziehen (Z) des BettesmitunterschiedlichenDummygewichten (leer, 80 und100kg).Werte sind zeitgewichteteMittelwerteder Einzelversuche; AusnahmeMax (absolutermaximaler Einzelwert)

Gewicht Leer Leer Leer 80 kg 80 kg 80 kg 100 kg 100 kg 100 kg

Richtung M S Z M S Z M S Z

P05 20 32 25 23 34 26 23 37 28

P25 39 49 36 48 53 39 48 59 41

P50 54 61 44 69 68 49 71 74 52

P75 76 77 54 95 86 62 103 93 65

P95 122 106 72 144 119 84 161 124 86

MW 60 64 46 74 71 51 79 77 54

SD 7 17 15 8 19 18 7 20 19

Max 272 301 273 330 326 368 327 334 327

MWMittelwert, SD Standardabweichung, P05 bis P95 Perzentilwerte

Tab. 4 Gesamtkräfte (N) fürdasManövrieren (M)undSchieben(S)desRollstuhlsmitDummyge-wichten von80und100 kg.Werte sind zeitgewichteteMittelwerteder Einzelversuche; AusnahmeMax (absolutermaximaler Einzelwert)

Gewicht 80 kg 80 kg 100 kg 100 kg

Richtung M S M S

P05 20 27 17 28

P25 37 40 36 44

P50 51 49 52 54

P75 70 61 75 67

P95 106 80 125 88

MW 55 51 59 56

SD 12 19 10 18

Max 175 240 264 272

MWMittelwert, SD Standardabweichung, P05 bis P95 Perzentilwerte

Tab. 5 Gesamthandkräfte beim Befahren einer RampeundÜberwinden einer Stufemit demRollstuhl und einemDummygewicht von 100 kgGesamtkraftan Kraft-griffen (N)

Rampe Stufe

Abwärts Aufwärts Abwärts,Schieben

Abwärts,Ziehen

Aufwärts,Schieben

Aufwärts,Ziehen

P05 33 88 42 53 63 24

P25 44 108 70 126 100 88

P50 54 129 98 169 170 172

P75 68 157 153 214 288 316

P95 102 193 320 336 431 561

MW 59 133 128 174 203 221

SD 22 33 86 79 121 184

Max 189 251 405 361 504 856

MWMittelwert, SD Standardabweichung, P05 bis P95 Perzentilwerte

für CUELA-Messwerte (WIDAAN) er-zeugt. Die Unterschiede zwischen derBewegungsart (Ziehen, Schieben, Ma-növrieren) und den Gewichten (leer,80 kg, 100 kg) wurden mit einem t-Test(2-seitig, Signifikanzniveau p = 0,05)

auf ihre Signifikanz hin getestet (SPPS,Version 18).

Ergebnisse

Allgemein

Die Schiebe- und Ziehvorgänge unter-schieden sich hinsichtlich der Ausfüh-rungsdauer; für das Ziehen des Bettesüber den Flur wurde im Mittel etwasmehr Zeit aufgewendet als für das Schie-ben (. Tab. 2).

Es zeigt sich auch, dass die Unter-schiede bezüglich des Geschlechts nurmarginal sind. Aufgrund der individuel-len Höhenanpassung der Kraftgriffe wa-ren Körperhöhenunterschiede in diesemVersuchsdesign ebenfalls ohne Bedeu-tung.InsofernwirdimFolgendenaufeinegetrenntgeschlechtlicheAuswertungver-zichtet.

Auswertungsparameter

Im Folgenden werden jeweils die Er-gebnisse der Messungen mit den Hand-kraftgriffen (Gesamtkraft beider Einzel-kraftgriffe, Kraftrichtung und resultie-rendesKraftmomentzwischendenKraft-griffen) und dem CUELA-Messsystemdargestellt (Körperhaltungen). Aus die-senDatenwerdendieWerte fürdieKom-pressionskraftaufL5/S1unddasMomentan L5/S1 berechnet.

Gesamtkraft an Kraftgriffen (Flurund Zimmer)Die Werte der Handkräfte (Gesamtkraftbeider Kraftgriffe) von jeweils 3 Ver-suchsdurchgängen aller Probanden unddie daraus resultierenden Mittelwertesind in . Tab. 3 und 4 dargestellt.

Die P50-Werte aller Schiebe- undZiehversuche (ohne Rampe und Stufe)lagen in einem relativ engen Bereichzwischen 44 und 74 N. Die Werte desP05 lagen zwischen 20 und 37 N, diedes P95 zwischen 72 und 161 N. DieZunahme der Kraftwerte mit steigen-dem Bett- bzw. Rollstuhlgesamtgewichtist deutlich zu erkennen, ebenso dieUnterschiede zwischen den Bewegungs-arten. Innerhalb der Gewichtsgruppenwurde jeweils beim Manövrieren diegrößte Spanne zwischen dem P5 undP95 gemessen, die geringste Variationgab es beim Ziehen. Die höchstenWertedes P95 wurden jeweils beim Manövrie-

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Originalien

Abb. 49 Perzentile derGesamthandkräfte beiden Start- (s), Roll- (r) undBremsphasen (b) beimSchieben des Bettes unddes Rollstuhlsmit verschie-denenDummygewichten(0 kg, 80 kg und 100 kg)

Abb. 58 BoxplotsderGesamthandkräftebeidenStart- (s),Roll- (r)undBremsphasen(b)beimZiehendes Bettesmit verschiedenenDummygewichten (0 kg, 80 kg und 100 kg)

ren erfasst, die geringsten ausschließlichbeim Ziehen. Als maximaler Einzelwertwurde 368 N beim Ziehen des mit ei-nem 80 kg schweren Dummy beladenenBettes gemessen.

Nach den Ergebnissen des t-Testsunterscheiden sich die Kraftwerte beimZiehen, Schieben und Manövrieren hin-sichtlich des Gewichts nur zwischen leerund 80 kg (p < 0,001) sowie zwischenleer und 100 kg (p < 0,001). Zwischen80 und 100 kg Gewicht wurde kein sig-nifikanter Unterschied festgestellt. Auchfür den Rollstuhl wurde kein signifi-kanter Unterschied zwischen 80 und100 kg Dummy berechnet. Hinsichtlichder Bewegungsarten Schieben, Ziehenund Manövrieren bestand zwischen

Manövrieren und Schieben kein signifi-kanter Unterschied (Bett und Rollstuhl),während der t-Test für die Kombina-tionen Ziehen-Schieben und Ziehen-Manövrieren beim Bett hochsignifikantunterschiedliche Werte lieferte (jeweilsp < 0,001). Dies gilt jeweils für alle Ge-wichtsbeladungen (leer, 80 und 100 kg).

In Anbetracht des variierenden Kraft-verlaufs innerhalbderVersuchsteilewur-de beim Ziehen und Schieben eine Un-terteilung in Startphase, Rollphase undBremsphase vorgenommen. Da währendder Rollphase ebenfalls ein Manövrier-vorgang in Form einer Kurve vorzuneh-men war, wurde dieser Lenkvorgang indie Auswertung nicht mit einbezogen. In. Abb.4und5 sindBoxplot-Verteilungen

der charakteristischenPerzentilwerte dergemessenen Gesamthandkraftwerte dereinzelnen Start-, Roll- und Bremsphasendargestellt.DiePerzentilwerte berechnensich aus den Mittelwerten der Perzenti-le aller 10 Probanden. Erwartungsgemäßtraten die höchstenWerte und der größ-te Wertebereich beim Schieben und Zie-hen während der Startphase auf. Wäh-rend bei den Schiebeversuchen im Mit-tel höhere Werte in der Rollphase alsin der Bremsphase gemessen wurden,verhält es sich bei den Ziehversuchenumgekehrt. Hier wurden in der Brems-phase höhere Werte als in der Rollphasegemessen. Für die Rollphasen wurdeneinheitlich vergleichsweise nur geringeKraftwerte und Standardabweichungenermittelt. Die Werte des P95 betrugenzwischen 63 N (Bett, 0 kg, Ziehen, Roll-phase)und207N(Bett, 100kg, Schieben,Startphase).

Kraftgriff Gesamtkraft (Rampe undStufe)Mit dem Rollstuhl wurde mit einemProbanden neben der Schiebe- und Ma-növrierversuche auch exemplarisch dasÜberwinden einer Stufe und das Be-fahren einer Rampe mit jeweils 3 Wie-derholungen und schwerem Dummy(100 kg) durchgeführt. Beim Befahrender Rampe wurden dabei Kraftwertezwischen 33 N (P05) und 107 N (P95)beim Abwärtsschieben und 85 N (P05)und 193 N (P95) beimAufwärtsschiebengemessen (. Tab. 5). Beim Überwindender Stufe betrug das 50. Perzentil bei

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Tab. 6 Momente an Kraftgriffen beim Schieben, Ziehen undManövrieren des KrankenbettesunddesRollstuhls indenverschiedenenPhasen (Start-, Roll-, undBremsphase)mitverschiedenenDummygewichten (0 kg, 80 kg, 100 kg)

Kraftgriffmoment (Nm) MW SD P5 P25 P50 P75 P95 Max

Bett_0_Manoever 13 13 1 3 8 18 39 103

Bett_0_Schieben_Roll 4 3 0 1 3 5 11 54

Bett_0_Schieben_Brems 3 2 0 1 2 4 7 16

Bett_0_Schieben_Start 3 2 0 1 2 4 7 18

Bett_0_Ziehen_Roll 4 3 1 2 3 6 10 33

Bett_0_Ziehen_Brems 3 2 0 1 2 4 7 21

Bett_0_Ziehen_Start 4 3 0 1 3 5 9 31

Bett_80_Manoever 12 11 1 3 8 16 35 109

Bett_80_Schieben_Roll 4 3 0 1 3 5 10 38

Bett_80_Schieben_Brems 2 2 0 1 2 4 7 27

Bett_80_Schieben_Start 3 3 0 1 3 5 8 20

Bett_80_Ziehen_Roll 3 3 0 1 3 4 8 35

Bett_80_Ziehen_Brems 2 2 0 1 2 3 6 22

Bett_80_Ziehen_Start 2 2 0 1 2 3 6 19

Bett_100_Manoever 12 13 1 3 8 17 39 111

Bett_100_Schieben_Roll 4 3 0 1 3 5 10 47

Bett_100_Schieben_Brems 2 2 0 1 2 4 7 22

Bett_100_Schieben_Start 3 2 0 1 2 4 7 22

Bett_100_Ziehen_Roll 4 3 1 1 3 5 9 27

Bett_100_Ziehen_Brems 2 2 0 1 2 3 6 29

Bett_100_Ziehen_Start 3 2 0 1 2 4 8 24

Rollstuhl_80_Manoever 4 4 1 1 3 5 11 32

Rollstuhl_80_Schieben_Roll 2 2 0 1 2 3 6 21

Rollstuhl_80_Schieben_Brems 2 1 0 1 1 2 4 12

Rollstuhl_80_Schieben_Start 2 1 0 1 2 3 5 13

Rollstuhl_100_Manoever 4 4 0 1 3 6 14 43

Rollstuhl_100_Schieben_Roll 2 2 0 1 2 3 6 24

Rollstuhl_100_Schieben_Brems 2 2 0 1 1 3 5 14

Rollstuhl_100_Schieben_Start 2 2 0 1 2 3 5 32

MWMittelwert, SD Standardabweichung, MaxMaximum, P05 bis P95 Perzentilwerte

Tab. 7 Momente an Kraftgriffen beim Bewegen des Rollstuhls über eine Rampebzw. Stufemit100 kgDummygewicht

Kraftgriffmoment (Nm) MW SD P05 P25 P50 P75 P95 Max

Rampe abwärts 3 2 0 1 2 4 7 32

Rampe aufwärts 4 3 1 2 4 6 10 24

Stufe abwärts rückwärts 3 3 1 1 2 4 11 14

Stufe abwärts vorwärts 5 4 1 2 4 7 11 16

Stufe aufwärts rückwärts 5 8 0 1 2 5 27 39

Stufe aufwärts vorwärts 5 4 1 2 4 7 13 25

MWMittelwert, SD Standardabweichung, MaxMaximum, P05 bis P95 Perzentilwerte

allen Kombinationen mit Ausnahme desAbwärtsschiebens (98 N) etwa 170 N,während das 95. Perzentil und die Ma-ximalwerte deutlich unterschiedlicherausfielen. Maximal wurden 856 N er-reicht (Stufe, aufwärts, Ziehen).

KraftrichtungNeben der Körperhaltung und der überdie Hände eingeleiteten Kräfte ist eineweiterenotwendigeKomponente zurAb-schätzungderkörperlichenBelastungdieKraftrichtung.DiemittlereKraftrichtungder einzelnen Phasen aller Kombinatio-nen ist in. Abb. 6, 7und8dargestellt. Dieblauen Pfeile markieren die Kraftrich-tungen der einzelnenBeladungsgewichte(0 kg, 80 kg, 100 kg). Die Länge der Pfeilestellt denMittelwert der Gesamtkraft derjeweiligen Phase dar.

Die mittlere Kraftrichtung beim Ma-növrierenist füreineBelastungseinschät-zung nur bedingt aussagekräftig, da eineEinteilung in Roll-, Schub-, und Zug-phasen kaum möglich ist und sowohlSchiebe- als auch Ziehvorgänge in ähn-lichem Maße und auch gleichzeitig überdie beiden Hände vorkommen können.Die resultierende mittlere Kraftrichtungist hier eine geringe, nahezu senkrechtnach unten wirkende Kraft.

Kraftmomente zwischen denKraftgriffenDie resultierenden Momente zwischenden Kraftgriffen erreichten beim Manö-vrieren des Bettes erwartungsgemäß diehöchsten Werte (. Tab. 6). Sie lagen imMittel bei 12 Nm (80 und 100 kg Dum-my) bzw. 13 Nm (leeres Bett) und beimManövrieren des Rollstuhls bei 4 Nm (80und 100 kg Dummy). Im 95. Perzentilwurden beim Schieben und Ziehen übereinegeradeStreckeWerte zwischen4und11Nm erreicht. Maximal wurden für dasManövrieren des Bettes 103 bis 111 Nmberechnet. Beim leichterenundeinfacherzu manövrierenden Rollstuhl lagen dieMaximalwerte bei 32 Nm (80 kg Dum-my) und 43 Nm (100 kg Dummy).

Für das Bewegen einesRollstuhls übereine Rampe oder Stufe wurden imMittelähnliche Werte wie beim Schieben oderZiehen über eine gerade Strecke berech-net (. Tab. 7). Asymmetrische Schiebe-oder Ziehvorgänge, die hohe Momente

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Originalien

Abb. 68 Mittlere Kraftrichtungenwährend Start- (links), Roll- (Mitte) und Bremsphase (rechts)beim Schieben des Bettesmit unterschiedlichenDummygewichten (0 kg, 80 kg, 100 kg). Blaue PfeileKraftrichtungen der einzelnen Beladungsgewichte (0 kg, 80 kg, 100 kg). Länge der PfeileMittelwertderGesamtkraft der jeweiligenPhase. (Mit freundl.GenehmigungdesVerlagesBussert&Stadeler, [2])

Abb. 78 Mittlere Kraftrichtungenwährend Start- (links), Roll- (Mitte) und Bremsphase (rechts) beimZiehendesBettesmit unterschiedlichenDummygewichten (0 kg, 80 kg,100kg).Blaue PfeileKraftrich-tungendereinzelnenBeladungsgewichte (0kg,80kg,100kg).Länge der PfeileMittelwertderGesamt-kraft der jeweiligen Phase. (Mit freundl. Genehmigungdes Verlages Bussert & Stadeler, [2])

Abb. 88 Mittlere Kraftrichtungwährend Start- (links), Roll- (Mitte) und Bremsphase (rechts) beimSchiebendesRollstuhlsmitunterschiedlichenDummygewichten(80kg,100kg).BlauePfeileKraftrich-tungender einzelnenBeladungsgewichte (80 kg, 100 kg). Längeder PfeileMittelwert derGesamtkraftder jeweiligen Phase

zur Folge haben könnten, wurden dabeinicht durchgeführt.

KörperhaltungenWährend der verschiedenen Versuchewurden in den Start-, Roll- und Brems-phasen die Häufigkeitsverteilungen derRückenkrümmung und Rumpfneigung

berechnet. Für die Rückenkrümmungwurden,mitAusnahmederVersuchemitdem100 kg schwerenDummy (bis zu 24°im 95. Perzentil) im Bett, ausschließlichWinkel zwischen 3° (P5) und 20° (P95)gemessen. Die Unterschiede zwischenden einzelnen Phasenwaren hinsichtlichderRückenkrümmungkaumausgeprägt.

Im Gegensatz dazu waren die Un-terschiede zwischen den unterschiedli-chen Phasen beim Rumpfneigungswin-kel deutlicher zu erkennen. Bei Schiebe-vorgängen kommen „leicht überstreck-te Haltungen“, d. h. Körperhaltungen mitRumpfneigungen nach hinten (bis maxi-mal –5°) regelmäßigwährendderBrems-phase vor, während bei den Ziehversu-chen leicht überstreckte Haltungen nurwährend der Start- und Rollphasen auf-traten. Leicht gekrümmte Haltungen mitRumpfneigungen nach vorne von über20° traten nur während der Startphasenbeim Schieben des Bettes auf. Für al-le anderenVersuchskombinationen wur-den Rumpfneigungen im neutralen Be-reich verzeichnet.

Bei denManövriervorgängen wurdeninnerhalb der Perzentilgrenzen (P5 bisP95) keine negativen Rumpfneigungs-und Rückenkrümmungswinkel gemes-sen. Die Neigung und Krümmung nachvorne ist auch hier abhängig von der zubewegenden Masse und steigt mit dieserleicht an.

Die Neigungen, Krümmungen undTorsionen des Oberkörpers zur rechtenund linken Seite waren auch bei denMa-növriervorgängen,beidenenes zuerwar-ten gewesen wäre, nur sehr gering aus-geprägt und lagen beim 5. und 95. Per-zentil jeweils deutlich unterhalb von 10°,die laut Delleman [3] die Grenze zwi-schen neutraler und leicht gekrümmterHaltung bzw. Torsion darstellen.

Die mit demKörperhaltungsmesssys-tem CUELA gemessenen Gelenkwinkelund Körperhaltungen gehen zusammenmit den berechnetenMomenten aus denKraftgriffdaten in die Berechnung derLumbalmomente und Kompressions-kräfte an L5/S1 ein.

Kompressionskräfte undLumbalmomente an L5/S1Während für das Schieben und Ziehendes Bettes und des Rollstuhls auf geraderStrecke im 95. Perzentil Werte von biszu 45 Nm Drehmoment und 1,2 kNKompressionskraft berechnet wurden(. Abb. 9 und 10), erreichten die P95-Werte beim Manövrieren teilweise über80 Nm und über 1,6 kN Kompressi-onskraft. Im 95. Perzentil wurden beimManövrieren des Bettes bei allen Ge-

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Abb. 98 Boxplots derMomente an L5/S1 beim Schieben (S), Ziehen (Z) undManövrieren (M) des Bettes unddes Rollstuhlsmit verschiedenenDummygewichten (0 kg, 80 kg und 100 kg)

Abb. 108 Boxplots der Kompressionskraft an L5/S1 beim Schieben (S), Ziehen (Z) undManövrieren (M) des Bettes unddesRollstuhlsmit verschiedenenDummygewichten (0 kg, 80 kg und 100 kg)

wichtsbeladungen etwa 80 Nm erreicht.Die Mediane streuen bei den Versuchen(Bett und Rollstuhl, alle Bewegungsar-ten) in einem engen Bereich zwischen22 und 35 Nm Drehmoment und 0,7und 1,0 kN Kompressionskraft.

Die Drehmomente und Kompressi-onskräfte an L5/S1 in den verschiedenenPhasen beim Schieben und Ziehen desBettes (. Tab. 8 und 9) erreichten wäh-rend der Startphase des zu ziehendenBettes deutlich höhere Werte als in denübrigen Phasen. Im 95. Perzentil wer-den hier Werte zwischen 50 und 72 NmDrehmoment, bzw. 1,2 und 1,6 kN Kom-pressionskraft erreicht. Selbst im 75. Per-zentil wurden bereits Werte von 35 Nm(leeres Bett), 40 Nm (100 kg) und 48 Nm(80kg)gemessen.DieKompressionskräf-teerreichtenhierWertevon0,9kN(leeresBett), 1,0 kN (80 kg) und 1,2 kN (100 kg).

DieMomente beimSchiebenundZie-hen des Rollstuhls hingegen erreichenin allen Phasen Werte von weniger als40 Nm Drehmoment und bis zu 1,0 kNKompressionskraftim95.Perzentil (MW:22±4Nmbis 27± 7Nmbzw. 1,2 ± 0,7 kNbis 1,9 ± 0,8 kN;. Tab. 8 und 9), was nachTichauer [36] als „leichte Arbeit, die vonuntrainierten Männern und Frauen un-abhängig von der Körperstatur durchge-führt werden kann“ bezeichnet wird.

Die exemplarischen Messungen miteinem Probanden (3 Wiederholungen)beim Befahren einer Rampe und Über-winden einer Stufe mit dem Rollstuhlund einem 100 kg schweren Dummy er-gaben die höchsten gemessenen Wertefür die Lumbalbelastung. Für das Befah-ren der Rampe wurden durchschnittlich44 ± 9 Nm bzw. 1,2 ± 0,2 kN (abwärts)und 38 ± 13 Nm bzw. 1,0 ± 0,2 kN Dreh-

moment bzw. Kompressionskraft (auf-wärts) berechnet; das 95. Perzentil lagbei etwa 60 Nm bzw. 1,5 kN für beideBewegungsrichtungen. Erheblich höhereWerte von bis zu 290 Nm bzw. 5,8 kN im95.Perzentil (aufwärts,vorwärts)wurdenbeim Überwinden einer Stufe erreicht.Das 50. Perzentil für das Überwinden ei-ner Stufe abwärts lag bei 67NmDrehmo-ment (1,6 kN Kompressionskraft, rück-wärts) bzw. 48 NmDrehmoment (1,3 kNKompressionskraft, vorwärts; . Tab. 10und 11).

Diskussion

In verschiedenen Normen, Handlungs-anleitungen und Merkblättern werdenmaximal empfohlene Handkraftwertebeim Ziehen und Schieben angegeben.Die ISO11228-2 [23]unterscheidetdabei

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Originalien

Tab. 8 MomentanL5/S1beimSchiebenundZiehenwährendderStart-, Roll- undBremsphasenmit unterschiedlichenDummygewichten (0 kg, 80 kg und 100 kg)

Moment an L5/S1 Vektorsumme(Nm)

Max MW SD P05 P25 P50 P75 P95

Bett_0_Schieben_Startphase 82 23 8 12 17 23 28 37

Bett_0_Schieben_Rollphase 100 22 7 11 17 22 26 32

Bett_0_Schieben_Bremsphase 72 23 6 13 18 22 28 33

Bett_0_Ziehen_Startphase 87 30 10 17 22 28 36 50

Bett_0_Ziehen_Rollphase 63 21 5 14 18 21 24 30

Bett_0_Ziehen_Bremsphase 65 21 5 13 17 21 24 30

Bett_80_Schieben_Startphase 97 23 9 10 17 22 28 40

Bett_80_Schieben_Rollphase 74 23 7 12 18 23 27 33

Bett_80_Schieben_Bremsphase 81 28 8 17 22 27 33 43

Bett_80_Ziehen_Startphase 194 40 16 21 27 35 49 73

Bett_80_Ziehen_Rollphase 66 24 5 15 20 23 27 33

Bett_80_Ziehen_Bremsphase 56 23 6 13 19 23 27 34

Bett_100_Schieben_Startphase 83 24 8 12 18 23 30 39

Bett_100_Schieben_Rollphase 61 24 6 15 20 24 28 33

Bett_100_Schieben_Bremsphase 91 26 7 16 21 25 31 38

Bett_100_Ziehen_Startphase 135 34 11 20 25 31 41 56

Bett_100_Ziehen_Rollphase 69 23 4 16 20 23 26 31

Bett_100_Ziehen_Bremsphase 70 23 7 14 19 23 27 35

Rollstuhl_80_Schieben_Startphase 77 25 8 13 19 24 29 39

Rollstuhl_80_Schieben_Rollphase 50 24 5 16 21 24 27 31

Rollstuhl_80_Schieben_Bremsphase 90 27 7 18 22 27 32 38

Rollstuhl_100_Schieben_Startphase 71 23 8 11 17 22 27 38

Rollstuhl_100_Schieben_Rollphase 55 22 4 14 18 22 25 28

Rollstuhl_100_Schieben_Bremsphase 75 25 6 16 20 24 29 36

MWMittelwert, SD Standardabweichung, MaxMaximum, P05 bis P95 Perzentilwerte

die „initial force“ von der „sustained for-ce“, die mit den in dieser Untersuchungals Start- bzw. Brems- und Rollphasebezeichneten Zieh- und Schiebetätigkei-ten verglichen werden können. In derNorm werden die jeweils zurückgelegteDistanz und die Frequenz der Schiebe-und Ziehtätigkeiten berücksichtigt. Diemaximalen Kraftwerte für Frauen beiDistanzen von 2 bis 30 m und Häu-figkeiten von Schiebe-/Ziehtätigkeitenzwischen 1/5 min und 1/8 h werden hierzwischen 60 N (Schieben, Rollphase,30 m, 1/5 min) und 230 N (Ziehen,Startphase, 2 m, 1/8 h) angegeben. DieWerte des 95. Perzentils in der durchge-führten Untersuchung lagen im Bereichdieser Empfehlung bei 64N (P50 = 36N)bis 221 N und können diesbezüglich alsunkritisch eingestuft werden. Die ange-gebenen Maximalwerte der ISO 11228-2füreineFrequenzvonnureinemVorgangje 8 h wird im Alltag des Pflegepersonals

vermutlich deutlich überschritten. Dernächstniedrigere Tabellenwert, dessenFrequenz mit 1/5 min beispielsweise ineinem Klinikbetrieb kaum je erreichtwerden dürfte, beträgt dagegen 130 Nwährend der Startphase für das beid-händige Ziehen („maximum acceptableinitial force – 90% of population, fema-le, handle height 89 cm, 60 m pullingdistance“). Eine Handkraft von 130 N inder Startphase wurde während verschie-dener Versuchskombinationen mit demWert des 75. Perzentils erreicht (Bett mit80- und 100-kg-Dummy schiebend undBettmit80-kg-Dummyziehend;. Abb.4und 5). Da die Tabellenwerte der Normjedoch mehr auf zyklischere oder höher-frequente Tätigkeiten abzielen und eineInterpolation der Tabellenwerte nichtohne Weiteres vorgenommen werdenkann, ist eine Einordnung und Bewer-tung der Höhe der auftretenden Kräftebeim Ziehen und Schieben von Kran-

kenbetten und Rollstühlen nur unterVorbehalt möglich.

DieDIN33411-5 [6] gibt fürdiemaxi-mal aufzubringenden Kräfte Werte zwi-schen 258 und 403 N an (Frauen, P95,stehend, freie Körperhaltung, beidhän-dig,waagerechteGriffe). Eine BewertungderhierdurchgeführtenZieh-undSchie-betätigkeiten ist mit diesen Kraftwertenjedoch ebenfalls nicht empfehlenswert,da es sich um maximale statische Akti-onskräfte handelt, die im Stand und auchnur kurzzeitig aufgebracht werden kön-nen.

Eastman Kodak [8] geben als emp-fohlene Limits derHorizontalkraft 225Nfür die Startphase, 112 N für die Roll-phase und 360 N für Notstopps an.Steinberg et al. [34] empfehlen für einenschädigungsfreien Umgang mit Lastenbeim Ziehen und Schieben weniger alsetwa 15% der Maximalkraft bei längerandauernden Belastungen aufzuwen-den. Dies entspräche einer Kraft von34 N (Frauen) bis 45 N (Männer) fürdie Rollphase. Diese Werte wurden beiallen Versuchskombinationen bereits abdem 75. Perzentil überschritten, wobeifraglich ist, ob das Schieben eines Kran-kenbettes in einemKrankenhaus zu einerlänger andauernden Belastung gerechnetwerden kann. Nach der Leitmerkmal-methode [33, 34] zur Beurteilung vonSchiebe- und Ziehvorgängen wurde einPunktwert von 18 errechnet, der folgen-dermaßen definiert ist: „Erhöhte Belas-tung, körperliche Überbeanspruchungbei vermindert belastbaren Personenmöglich. Für den Personenkreis sindGestaltungsmaßnahmen sinnvoll.“

Die geringeren Kraftwerte der Hand-kräfte beim Ziehen, die in dieser Un-tersuchung im Vergleich zum Schiebengemessen wurden, können auf unter-schiedliche Ganggeschwindigkeiten undBeschleunigungen bei den verschiede-nen Tätigkeiten zurückgeführt werden,da für die Versuchsdurchführung kei-ne zeitlichen Limits vorgegeben wurden.Die Fahrstrecke imFlurwurde rückwärtsziehend (im Mittel 0,75 ms–1) langsamerdurchschritten als vorwärts schiebend(imMittel 0,88ms–1;. Tab. 2.). Die Ursa-che für die nur marginal höheren Kom-pressionskräfte und Momente an L5/S1beim Ziehen gegenüber dem Schieben

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Page 12: 2 eineOpen-Access-Publikation. Muskel-Skelett-Belastungen … · 2017-08-28 · Zusammenfassung ·Abstract ZblArbeitsmed2017·67:64–77 DOI10.1007/s40664-016-0150-4 ©Der/dieAutor(en)2016.DieserArtikelisteineOpen-Access-Publikation.

Tab. 9 Kompressionskraft auf L5/S1 beim Schieben undZiehenwährendder Start-, Roll- undBremsphasenmit unterschiedlichenDummygewichten (0 kg, 80 kg und 100 kg)

Kompressionskraft L5/S1 (kN) Max MW SD P05 P25 P50 P75 P95

Bett_0_Schieben_Startphase 1,8 0,7 0,1 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9

Bett_0_Schieben_Rollphase 1,7 0,6 0,1 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8

Bett_0_Schieben_Bremsphase 1,6 0,7 0,1 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9

Bett_0_Ziehen_Startphase 2,0 0,8 0,2 0,6 0,7 0,8 0,9 1,2

Bett_0_Ziehen_Rollphase 1,4 0,7 0,1 0,5 0,6 0,6 0,7 0,8

Bett_0_Ziehen_Bremsphase 1,5 0,6 0,1 0,5 0,6 0,6 0,7 0,8

Bett_80_Schieben_Startphase 2,1 0,7 0,2 0,4 0,5 0,6 0,8 1,0

Bett_80_Schieben_Rollphase 1,4 0,6 0,1 0,5 0,6 0,6 0,7 0,8

Bett_80_Schieben_Bremsphase 1,8 0,8 0,1 0,6 0,7 0,8 0,9 1,1

Bett_80_Ziehen_Startphase 3,7 1,0 0,3 0,7 0,8 0,9 1,2 1,6

Bett_80_Ziehen_Rollphase 1,5 0,7 0,1 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9

Bett_80_Ziehen_Bremsphase 1,3 0,7 0,1 0,5 0,6 0,7 0,7 0,9

Bett_100_Schieben_Startphase 1,8 0,7 0,2 0,5 0,6 0,7 0,8 1,0

Bett_100_Schieben_Rollphase 1,4 0,7 0,1 0,5 0,6 0,7 0,7 0,8

Bett_100_Schieben_Bremsphase 1,9 0,7 0,1 0,6 0,7 0,7 0,8 0,9

Bett_100_Ziehen_Startphase 2,9 0,9 0,2 0,7 0,8 0,9 1,0 1,3

Bett_100_Ziehen_Rollphase 1,5 0,7 0,1 0,6 0,6 0,7 0,7 0,8

Bett_100_Ziehen_Bremsphase 1,6 0,7 0,1 0,5 0,6 0,7 0,7 0,9

Rollstuhl_80_Schieben_Startphase 1,7 0,7 0,1 0,5 0,6 0,7 0,8 1,0

Rollstuhl_80_Schieben_Rollphase 1,2 0,7 0,1 0,6 0,6 0,7 0,7 0,8

Rollstuhl_80_Schieben_Bremsphase 1,9 0,8 0,1 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0

Rollstuhl_100_Schieben_Startphase 1,6 0,7 0,1 0,4 0,6 0,6 0,8 0,9

Rollstuhl_100_Schieben_Rollphase 1,3 0,6 0,1 0,5 0,6 0,7 0,7 0,8

Rollstuhl_100_Schieben_Bremsphase 1,7 0,7 0,1 0,6 0,6 0,7 0,8 0,9

MWMittelwert, SD Standardabweichung, MaxMaximum, P05 bis P95 Perzentilwerte

könnte ebenso in den unterschiedlichenDurchführungsgeschwindigkeiten be-gründet sein. Bei genauerem Betrachtender resultierenden Drehmomente undKompressionskräfte beim Manövrierenfällt auf, dass mit steigendem manö-vriertem Gewicht nicht unbedingt einhöheres Moment einhergeht (. Abb. 9und 10). Eine Erklärung hierfür könn-te wiederum die Art der Handhabungsein. Geringere Gewichte werden mög-licherweise schneller und mit höherenasymmetrischen Hebelbewegungen derArme bewegt bzw. manövriert, was zuhöheren mechanischen Belastungen imLWS-Bereich führen kann. Grundsätz-lich könnendie imVergleich zumZiehenund Schieben relativ hohen Kräfte undMomente beim Manövrieren auf meh-rere Faktoren zurückgeführt werden.Es finden häufige Wechsel von Zieh-und Schiebevorgängen und damit ent-sprechend viele Startphasen mit hohenKraftaufwendungen statt. Neben höhe-

ren Kraftaufwendungen bedingt durchdie Überwindung des Anfangswider-standes müssen oftmals auch zusätzlicheWiderstände durch quer zur Fahrtrich-tung stehende Laufrollen überwundenwerden. Asymmetrische Kraftaufwen-dungen über beide Hände bei den Rich-tungswechseln verursachen ein relativhohes Drehmoment zwischen den Hän-den und in der Lumbalregion L5/S1, wassich auf die Kompressionskraft auswir-ken kann.

Hoozemans et al. [21] geben an, dassder Zusammenhang von Ziehen undSchieben und Beschwerden im LWS-Be-reich zum größten Teil auf gebeugte undverdrehte Haltungen zurückzuführensei. Während gebeugte Haltungen beian die Körperhöhe angepassten Griff-positionen weitestgehend vermiedenwurden, traten verdrehte oder tordierteHaltungen nur in geringem Maße beimManövrieren des Bettes auf. Für dieseTätigkeit wurden dennoch, neben dem

Ziehen rückwärts in der Startphase (nachhinten geneigte/überstreckte Körperhal-tung), die höchsten Lumbalmomenteund Kompressionskräfte berechnet. DieErgebnisse dieser Studie zeigen somit,dass hohe Belastungen im LWS-Bereichnicht unbedingt an der Körperhaltungallein erkennbar sein müssen oder kön-nen. Hohe diagonal wirkende Kräfteund Momente sind u. U. nur durch Nut-zung anderer Messmethoden, wie z. B.Kraftmessgriffe, erkennbar und für eineüber eine Abschätzung hinausgehendedetaillierte Berechnung von Momen-ten und Kompressionskräften an L5/S1müsste ein entsprechend komplexeresMuskelmodell angewendet werden.

Lee et al. [31, 32] gaben an, dassdas Rückwärtsziehen den Lumbalbe-reich L5/S1 grundsätzlich höher belasteals das Vorwärtsschieben. Diese Ergeb-nisse werden in dieser Untersuchungmit geringen Unterschieden von bis zu0,1 kN Kompressionskraft (. Abb. 10)grundsätzlich bestätigt. Die Unterschie-de sind dabei hauptsächlich auf dieresultierenden Kompressionskräfte undDrehmomente während der Startphase(. Tab. 9) zurückzuführen.

Die Drehmomente und Kompressi-onskräfte an L5/S1 in den verschiedenenPhasen beim Schieben und Ziehen desBettes (. Tab. 8 und 9) erreichten wäh-rend der Startphase des zu ziehendenBettes deutlich höhere Werte als in denübrigenPhasen.Dies ist plausibelmit un-günstigeren Körperhaltungen zu erklä-ren. Im 95. Perzentil werden hier Wertezwischen 50 und 72 Nm Drehmoment,bzw. 1,2 und 1,6 kN Kompressionskrafterreicht. Selbst im 75. Perzentil wurdenbereits Werte von 35 Nm (leeres Bett),40 Nm (100 kg) und 48 Nm (80 kg) ge-messen (die sich teilweise schon immitt-leren Bereich nach der Einteilung vonTichauer befinden [36]). Die Dortmun-der Richtwerte [24] wurden allerdingsnur beim Ziehen des Bettes (mit 80 und100kgDummygewicht) inderStartphaseund beim Überwinden einer Stufe (nachoben) bei einzelnen Maximalwerten er-reicht bzw. überschritten. Für die Wertedes 95. Perzentils wurden diese nur beiderÜberwindung von Stufen überschrit-ten.

Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2 · 2017 75

Page 13: 2 eineOpen-Access-Publikation. Muskel-Skelett-Belastungen … · 2017-08-28 · Zusammenfassung ·Abstract ZblArbeitsmed2017·67:64–77 DOI10.1007/s40664-016-0150-4 ©Der/dieAutor(en)2016.DieserArtikelisteineOpen-Access-Publikation.

Originalien

Tab. 10 MomentanL5/S1beimBefahreneinerRampeundÜberwindeneinerStufemitRollstuhlund 100-kg-Dummy

Moment an L5/S1 Vektor-summe (Nm)

Max MW SD P05 P25 P50 P75 P95

Rampe abwärts 95 44 9 31 38 43 48 60

Rampe aufwärts 97 38 13 20 28 36 44 62

Stufe abwärts rückwärts 134 63 29 22 39 67 81 119

Stufe abwärts vorwärts 258 60 41 14 31 48 80 144

Stufe aufwärts rückwärts 366 122 77 49 64 85 163 277

Stufe aufwärts vorwärts 453 144 85 33 70 111 212 290

MWMittelwert, SD Standardabweichung, MaxMaximum, P05 bis P95 Perzentilwerte

Tab. 11 Kompressionskraft an L5/S1 beim Befahren einer RampeundÜberwinden einer Stufemit Rollstuhl und 100-kg-Dummy

Kompressionskraft aufL5/S1 (kN)

Max MW SD P05 P25 P50 P75 P95

Rampe abwärts 2,2 1,2 0,2 0,9 1,1 1,2 1,3 1,5

Rampe aufwärts 1,8 1,0 0,2 0,7 0,8 1,0 1,1 1,4

Stufe abwärts rückwärts 3,0 1,5 0,6 0,6 1,0 1,6 1,9 2,8

Stufe abwärts vorwärts 5,1 1,5 0,8 0,6 0,9 1,3 1,8 3,1

Stufe aufwärts rückwärts 7,6 2,6 1,5 1,3 1,6 1,9 3,3 5,6

Stufe aufwärts vorwärts 8,9 3,1 1,7 0,8 1,7 2,4 4,4 5,8

MWMittelwert, SD Standardabweichung, MaxMaximum, P05 bis P95 Perzentilwerte

Limitationen

Bei der Interpretation der Ergebnisseder hier durchgeführten Untersuchungsind einige Limitationen zu berücksich-tigen. Die Zieh- und Schiebeversuchewurden unter standardisierten Labor-bedingungen (z. B. mit weitestgehendidealen Bodenoberflächen) mit lediglich10 Probanden, die nicht als Kranken-pflegefachkräfte ausgebildet waren, beiHandhabung eines spezifischen Bett-und Rollstuhltyps durchgeführt. DieAbschätzung der Kompressionskräfteerfolgte mit einer einfachen biomecha-nischen Modellrechnung. Insbesonderefür Manövriertätigkeiten und für dieStartphase könnte deshalb die Anwen-dung komplexerer Muskelmodelle (wiez. B. bei Jäger et al. 26) zu höherenMuskel- und Kompressionskräften füh-ren, da diese zusätzlich asymmetrischeKörperhaltungen und Kraftausübungenberücksichtigen. Die situationsbedingtneben der Kompressionskraft auf L5/S1entstehenden Scherkäfte, die in ver-schiedenen Raumrichtungen auftretenkönnen, werden in dieser Studie nichtbehandelt. Daher erscheint die Nutzungder hier ermittelten Belastungswerte als

Eingabegrößen für komplexere biome-chanische Modelle empfehlenswert.

Fazit für die Praxis

4 Die Ergebnisse und Empfehlungenfrüherer Studien zu Muskel-Skelett-Belastungen bei Zieh- und Schiebe-tätigkeiten konnten mit Einschrän-kungen wegen unterschiedlicherMethoden bestätigt werden.

4 Weitere Untersuchungen mit ei-nem größeren Probandenkollektivsollten jedoch zur Verifizierung derErgebnisse durchgeführt werden.

4 In einer Folgestudie sollte auchder Einfluss von unterschiedlichenBodenbelägen untersucht werden,der in dieser Untersuchung auseiner idealen, glatten und harten,Oberfläche (Fliesen) bestand.

4 Andere Untergründe, wie z. B. Linole-um, mit einer flexibleren Oberflächekönnten möglicherweise zu einerdeutlich höheren Kraftaufwendungführen.

Korrespondenzadresse

M. BrüttingInstitut für Arbeitsschutz der DeutschenGesetzlichen Unfallversicherung (IFA)Alte Heerstr. 111, 53757 Sankt Augustin,[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. M.Brütting, I.Hermanns,A.Nien-haus undR. Ellegast geben an, dass kein Interessen-konflikt besteht.

Alle imvorliegendenManuskript beschriebenenUn-tersuchungenamMenschenwurdenmitZustimmungder zuständigen Ethik-Kommission, imEinklangmitnationalemRecht sowie gemäßderDeklaration vonHelsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeitetenFassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Proban-den liegt eine Einverständniserklärung vor.

Open Access.Dieser Artikelwird unter der CreativeCommonsNamensnennung4.0 International Lizenz(http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche dieNutzung, Vervielfäl-tigung, Bearbeitung, VerbreitungundWiedergabein jeglichemMediumundFormat erlaubt, sofernSie den/die ursprünglichenAutor(en) unddieQuelleordnungsgemäßnennen,einenLinkzurCreativeCom-mons Lizenz beifügenundangeben, obÄnderungenvorgenommenwurden.

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Buchbesprechung

Walter K.H. HoffmannStimmen der MachtBekenntnisse und Erkenntnisse ausUnternehmen

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Interviews einen

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auch der Leser zur Selbstreflexion und-analyse ermutigt.

Zudem der Ausblick in die Zukunft: wiesehen die Werte künftiger mächtiger Fir-

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und Teamgeist statt Geld und Status imVordergrund?

D.A. Groneberg (Frankfurt amMain)

Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2 · 2017 77