2. Energie und Temperatur - ak-schmitt.hhu.de · Prinzip: Gasförmiger Stickstoff wird mit einem...

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1 2. Energie und Temperatur 2.1 Ideales Gasgesetz Das Volumen eines Gases erhöht sich bei konstantem Druck mit der Temperatur und der Anzahl der Gasteilchen. Zunehmender Druck führt bei konstanter Temperatur zur Verringerung des Gasvolumens. Vorlesungsversuch 2a: Gesetz von Gay-Lussac Prinzip: Das Gesetz idealer Gase (Teilchen ohne Wechselwirkung und Eigenvolumen) wird durch Messung von Gasvolumen V, Druck p, Tem- peratur T und Teilchenzahl n bestimmt: p V = n R T Messmethode: Das Luftvolumen in einer Gasspritze mit kalibriertem Volumen wird bei konstantem Druck (Atmosphärendruck) mit einem Wasserbad erwärmt und die Zunahme des Gasvolumens an Hand der Kolbenverschiebung gemessen. Empirisch: Volumen ~ Temperatur (V~T) Temperatur ϑ in °C (Eis: 0 °C; siedendes Wasser: 100°C) nach Celsius. Extrapolation der V(ϑ)-Kurve führt zu einem Volumen von Null bei einer Temperatur von -273,15°C. Neue Temperaturskala (Kelvin): T=0K bei V=0ml ->T/K = ϑ/°C + 273,15 Ergebnis: V 1 =50ml, ϑ 1 =20,8°C [T=294K] V 1 /T 1 =0,170ml/K Steigung aus Abbildung ΔV/ΔT=0,135ml/K Vorlesungsversuch 2b: Gesetz von Boyle-Marriot Prinzip: Gasförmiger Stickstoff wird mit einem Kolben in einem Zylinder zusammengedrückt und der Druck als Funktion des Volumens bei ver- schiedenen Temperaturen (p-V Isotherme) gemessen.

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2. Energie und Temperatur 2.1 Ideales Gasgesetz Das Volumen eines Gases erhöht sich bei konstantem Druck mit der Temperatur und der Anzahl der Gasteilchen. Zunehmender Druck führt bei konstanter Temperatur zur Verringerung des Gasvolumens. Vorlesungsversuch 2a: Gesetz von Gay-Lussac Prinzip: Das Gesetz idealer Gase (Teilchen ohne Wechselwirkung und Eigenvolumen) wird durch Messung von Gasvolumen V, Druck p, Tem-peratur T und Teilchenzahl n bestimmt: p ⋅ V = n ⋅ R ⋅ T Messmethode: Das Luftvolumen in einer Gasspritze mit kalibriertem Volumen wird bei konstantem Druck (Atmosphärendruck) mit einem Wasserbad erwärmt und die Zunahme des Gasvolumens an Hand der Kolbenverschiebung gemessen. Empirisch: Volumen ~ Temperatur (V~T)

Temperatur ϑ in °C (Eis: 0 °C; siedendes Wasser: 100°C) nach Celsius. Extrapolation der V(ϑ)-Kurve führt zu einem Volumen von Null bei einer Temperatur von -273,15°C. Neue Temperaturskala (Kelvin): T=0K bei V=0ml ->T/K = ϑ/°C + 273,15 Ergebnis: V1=50ml, ϑ1=20,8°C [T=294K] V1/T1=0,170ml/K Steigung aus Abbildung ΔV/ΔT=0,135ml/K Vorlesungsversuch 2b: Gesetz von Boyle-Marriot Prinzip: Gasförmiger Stickstoff wird mit einem Kolben in einem Zylinder zusammengedrückt und der Druck als Funktion des Volumens bei ver-schiedenen Temperaturen (p-V Isotherme) gemessen.

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Messmethode: Eine thermostatisierte, druckfeste Glaskapillare mit Vo-lumenskala wird evakuiert, mit N2 auf Atmosphärendruck gefüllt und ge-schlossen. Die Messkapillare ist auf eine mit Quecksilber gefüllte, stäh-lerne Druckkammer montiert. Mit einem Handrad wird über einen Spin-deltrieb ein Kolben in der Druckkammer bewegt und über den Kolbenhub das Gasvolumen verkleinert. Der Gasdruck in der Kapillare wird von ei-nem Manometer angezeigt.

Ergebnisbeispiel: N2 V/cm3 p/105Pa 40°C 4,0 10,1 3,8 10,5 3,6 10,9 3,4 11,5 3,2 12,1 Weitere Experimente: • Zunahme der Temperatur bei konstantem Gasvolumen führt zu linea-

rer Druckzunahme: p~T. • Zunahme der Zahl der Moleküle bzw. Molzahl n (n=1: 6,022⋅1023 Mo-

leküle;V=22414ml) führt bei konstanter Temperatur und konstantem Druck zu linearer Volumenzunahme V~n.

Es folgt pV~nT. Ergebnisbeispiel: Welchen Wert hat die Proportionalitätskonstante (”allgemeine Gaskonstante” R) dieser Gleichung? p.V = R.n.T, also R = p.V/n.T R = (1,01325·105 N/m2 · 53.65·10-6m3) / (53.65ml/22414ml)mol · 293K = 8,315 J/mol K Literatur: R = 8,3145 J/mol K

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R = 8.314 J/mol.K = allgemeine Gaskonstante k = 1.38.10-23 J/K = Boltzmankonstante R = k . NA Mit NA = Avogadrokonstante = Anzahl der Atome oder Moleküle in einem Mol des jeweiligen Materials. NA = 6.022⋅1023 mol-1 Davon zu unterscheiden: die Loschmidtkonstante NL = Anzahl der Atome oder Moleküle pro Volumeneinheit eines idealen Gases unter Normalbe-dingungen NL = 2.686.1025 m-3. In der älteren Literatur werden Avogadrozahl und Loschmidtzahl zum Teil (fälschlicherweise) synonym verwendet. Sie hängen über folgende Beziehung zusammen:

mit dem molaren Volumen bei Normalbedingungen Beispiel: Ein Gas hat bei einem Druck von 75 kPa ein Volumen von 360 ml. Wie ist sein Volumen bei 100 kPa (bei gleicher Temperatur)? Lösung:

p1 ⋅ V1 = p2 ⋅ V2 →

Beispiel: Ein Airbag wird durch Zersetzung von Natriumazid aufgeblasen:

2 NaN3(s) → 2 Na (l) + 3 N2 (g) Die Treibladung enthält 120 g NaN3; es entsteht N2 bei 25°C und p = 125 kPa (leichter Überdruck). Wie groß ist das Volumen des Prallsackes? Lösung:

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N(N2)=2,77mol

2.2 Drücke in einer Mischung idealer Gase

p = pA + pB + pC + . . . Gesamtdruck ist Summe der Partialdrücke der Gase A, B, C…

1 l Gas A bei 20 kPa 1 l Gas B bei 40 kPa 1 l Gas (A + B) bei 60 kPa

Stoffmengenanteil (früher auch Molenbruch genannt) von A

xA + xB = 1

= xA ⋅ p Partialdruck des Gases A

Beispiel: Ein Gemisch von 40,0 g O2 und 40,0 g He hat einen Druck von 90,0 kPa. Wie groß ist der O2-Partialdruck? Lösung:

l

l

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= 10,0 kPa 2.3 Interpretation von Druck und Temperatur Die Aufschläge der Teilchen auf die Gefäßwände verursachen den Druck des Gases. Mit zunehmender Geschwindigkeit bzw. kinetischer Energie der Teilchen steigt bei konstantem Volumen der Druck und unter Berücksichtigung der idealen Gasgleichung die Temperatur. Es gilt (ohne Ableitung):

Ekin,x=1/2 RT Mittlere kinetische Energie von 1 mol Teilchen pro Bewegungs-Freiheitsgrad(Flug in x-Richtung)

Bei 3 Freiheitsgraden der Bewegung (in x-, y- und z- Richtung) gilt dann: EKin=3/2 RT pro Mol (oder 3/2 kT pro Molekül) Die Temperatur ist also der mittleren kinetischen Energie der Teilchen eines Gases proportional. Wärme ist eine Art der (unkoordinierten) Be-wegung. Mechanische Energie wird sichtbar, wenn die Bewegung der Teilchen koordiniert in eine Richtung erfolgt. Beispiel: Wie hoch ist die mittlere kinetische Energie und die mittlere Geschwin-digkeit eines mol H2-Gases bei Normbedingungen? Lösung:

NA = 6.022⋅1023 Teilchen/Mol

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Mittlere Geschwindigkeit eines Teilchens

0°C → =

= 1,84 ⋅ 103 m/s 100°C → = 2,15 ⋅ 103 m/s Grahamsches-Effusionsgesetz 2 Gase A, B haben also die gleiche mittlere kinetische Energie, wenn sie die gleiche Temperatur haben:

Diffusion durch Loch in ein Vakuum (”Effusion”)

Trennung eines Gasgemisches nach den Massen auf Grund der unter-schiedlichen Diffusionsgeschwindigkeiten durch ein Loch oder eine Membran (z.B. Urantrennung) Beispiel: Welche Molmasse hat ein Gas X, das 0,876 mal so schnell wie N2(g) ef-fundiert? Lösung:

MX = 36,5 g/mol

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2.4 Geschwindigkeitsverteilung und mittlere Geschwindigkeit In einem Gas haben die Moleküle unterschiedliche Geschwindigkeiten. Der Mittelwert dieser Geschwindigkeiten verschiebt sich mit zunehmen-der Temperatur zu höheren Werten und liegt für Moleküle kleiner Masse höher als für schwere Moleküle. Da die Fläche unter der Verteilung die Gesamtzahl der Moleküle angibt und diese konstant bleibt, wird die Ver-teilung mit zunehmender Temperatur und abnehmender Masse flacher. Vorlesungsversuch 3: Maxwell-Boltzmann Geschwindig-keits-verteilung Prinzip: Atome und Moleküle haben eine Verteilung der Größe ihrer Geschwindigkeiten, die von ihrer Masse und der Temperatur abhängt. Die Geschwindigkeitsverteilung ist auf die statistisch erfolgenden Stösse der Teilchen untereinander zurückzuführen, die durch Rütteln von vielen kleinen Glasbällen simuliert werden kann. Ihre Geschwindigkeiten wer-den durch ihre Fluglängen bestimmt. Messmethode: 400 Glasbälle werden mit 50 Hz (Stroboskopmessung) durch einen Motor geschüttelt und durch eine Öffnung in einen Behälter mit 24 ringförmig angeordneten Auffangrillen zunehmenden Durchmes-sers geschleudert. Die Anzahl der Glasbälle in jeder der Rillen wird durch Auswiegen bestimmt (die durchschnittliche Masse einer Glaskugel wurde vorher durch Auszählen und Wiegen ermittelt).

Aus der Flugstrecke s (Abstand Austrittsöffnung-Auffangrille) und der Höhe h der Austrittsöffnung über der Rillenebene wird die Kugelge-schwindigkeit v bestimmt. Es gilt nämlich shor=v t svert=h=½ g t2 Flugzeit t=√2h/g v=shor√g/2h h=8cm g=9,81ms-2 (Erdbeschleunigung) Die Rillenbreite Δs=1cm entspricht einer Geschwindigkeitsbreite Δv=0,078 ms-1. ∑Nv=400.

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Ergebnisbeispiel: shor[cm] v[ms-1] Nv Nv/∑Nv Δv 0 0 0 0 0,5 0,039 16 0,5 1,5 0,117 19 0,6 2,5 0,196 20 0,65 3,5 0,274 21 0,67 usw.: Tabelle mit 24 Zeilen… Der theoretische Ausdruck für die Maxwell-Boltzmannverteilung ist dN/N=√2/π⋅(m/kT)3/2⋅v2⋅exp(-m⋅v2/2kT) ⋅dv Die graphische Auftragung führt zu einem ähnlichen Kurvenverlauf wie im Glaskugelversuch: Anstieg der Kurve mit v2 (parabelförmig) und gloc-kenförmiger Verlauf (Gausskurve exp(-ax2)) bei größerem v.

Beispiel: Berechnen Sie für Wasserstoffatome bei 300K den Anteil ΔN/N≅dN/N an Atomen im Geschwindigkeitsintervall 1000-1100 ms-1. v=1050ms-1 Δv=100ms-1 T=300K m=1.67262158⋅10-27kg (H-Atom) Boltzmannkonstante k=1.3806503⋅10-23JK-1; Anteil ΔN/N=0,018 (1,8%)

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2.5 Innere Energie und Enthalpie Wärme (eine Form der Energie mit der Einheit [J]) fließt vom Körper mit höherer Temperatur zu dem Körper mit niedrigerer Temperatur, denn System und Umgebung streben maximale Unordnung (Gleichverteilung) an. Wärme in atomaren Gasen: Bewegungsenergie der Teilchen; Wärme im Festkörper: Schwingungsenergie der Teilchen; Wärme in Flüssigkeiten: beides. 2.5.1 Erster Hauptsatz: Erhaltung der Energie 1. Hauptsatz der Thermodynamik: ”Die Energie eines isolierten Systems bleibt konstant.” ΔU = Änderung der inneren Energie Q = Wärmeaustausch W = Arbeit (z.B. differentielle Volumenarbeit –pdV oder

elektrochemische Arbeit) 2.5.2 Reversible und irreversible Prozesse Thermodynamische Prozesse wie Wärmeaustausch und Arbeit können isotherm, isochor oder isobar ablaufen (Temperatur, Volumen oder Druck sind konstant). Thermodynamische Prozesse können reversibel oder irreversibel ablau-fen. reversibel: ständig im Gleichgewicht Beispiel: Fahrradpumpe → langsame Kompression, dann innerer Druck ≙ äuße-rer Druck. Wenn bei Kompression der innere Druck (Gasdruck) steigt, muss auch mehr äußerer Druck für die Kompression aufgewandt werden. Im Gleichgewicht kann dann für den äußeren Druck p der innere Druck

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des Gases p = nRT/V in dW = -pdV eingesetzt werden: dW = -(nRT/V)dV. Nach Integration folgt die

reversible isotherme Volumenarbeit

Bei Expansion ist VB > VA , so dass W < 0 ist: Das System (Gas) gibt Volumenarbeit nach außen ab (negatives Vorzeichen) und erhält die Energie dafür aus einem Wärmereservoir. Dabei ändert sich die innere Energie des Gases nicht (isothermer Prozess). Bei Kompression ist VB < VA , so dass W > 0 ist: Am Gas wird Volumen-arbeit geleistet, wobei die dabei zugeführte Energie an das Wärmere-servoir abgegeben wird. Wiederum ändert sich die innere Energie des Gases nicht (isothermer Prozess). Beispiel: Wie groß ist die Arbeit für schnelles, irreversibles und für langsames, reversibles Expandieren von 1 mol Gasvolumen von 1l auf 2l bei Atmo-sphärendruck? Lösung: Irreversibel: ΔWirr = -pE⋅ΔV = 1,013⋅105N/m2 ⋅ 10-3m3 = 101 Nm ΔWirr = -101 J. Reversibel: ΔWrev = -nRTln(VE/VA) ΔWrev = -1729J

Pfeilrichtung: Expansion Die Volumenarbeit ist jeweils die Fläche unter der reversiblen und irre-versiblen Isotherme: WAB

rev hat größere Fläche, also . Bei reversibler isothermer Expansion wird mehr Wärme aus der Umge-bung aufgenommen als bei irreversibler Expansion.

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2.5.3 Wärmekapazität Wenn man nur Volumenarbeit zulässt, gilt für die Änderung der inneren Energie eines geschlossenen Systems ΔU=Q – pΔV. Bei konstantem Volumen (Autoklav) gilt ΔV=0 und damit ΔU=Q, d.h. die ausgetauschte Wärmemenge unter isochoren Bedingungen entspricht der Änderung der inneren Energie des Systems. Die Wärmemenge, um die Temperatur eines Körpers mit Masse m um 1°C zu erhöhen, ist die

Wärmekapazität C

Die durch die Masse m dividierte Wärmekapazität ist die spezifische Wärmekapazität c [J/kg.K]=C/m Beispiel: Wasser hat eine spezifische Wärmekapazität c von 4,184 Jg-1K-1. Wie groß ist die Wärmekapazität von 125 g Wasser? Lösung:

C = 125 g · 4,184 Jg-1K-1 = 523

Beispiel: Wie groß ist die Wärmemenge, um 125 g Wasser von 20,0°C auf 25,0°C zu erwärmen? Lösung:

Q = C ⋅ ΔT = 523 JK⋅ 298,15K − 293,15K( )

5K

= 2615 J = 2,615 kJ

Ein Mikrowellenofen mit 300 Watt = 300 J/s Leistung braucht dazu 9 s [ohne Berücksichtigung von Verlusten]. 1 W = 1 V · 1 A (300 W = 220 V · 1,4 A) Die durch die Stoffmenge n dividierte Wärmekapazität ist die molare Wärmekapazität Cm [J/mol K]=C/n. Ein Kalorimeter misst die Wärme, die bei chemischen Reaktionen frei-gesetzt oder aufgenommen werden.

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Cgesamt = CWasser + CGerät → Eichung durch Verbrennung einer Substanz mit bekannter Wärmemenge.

→ oder: Berechnung CWasser, CGerät aus Temperaturerhöhung nach Zufuhr einer bekannten Wärmemenge durch elektrische Heizung.

Q = Cgesamt (T2 – T1) Beispiel: Im Bombenkalorimeter wird Traubenzucker verbrannt. Wieviel Wärme wird pro Mol Traubenzucker frei?

C6H12O6(s) + 6 O2 (g) → 6 CO2 (g) + 6 H2O (l) T1 = 19,00°C; T2 = 25,50°C bei 3,00 g Traubenzucker/1,20 kg Wasser-Füllung

CGerät = 2,21 kJ/K Lösung:

Cgesamt = 1,20 kg ⋅ 4,184 kJkg-1K-1 + 2,21 kJK-1 = 7,23 kJK-1 Q = 7,23 kJ ⋅ K-1 ⋅ (25,5 – 19,0)K = 47,0 kJ

Bei 1 mol Traubenzucker

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Zu erwarten ist die folgende Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazi-tät bei konstantem Volumen cv für ein ideales Gas aus 2-atomigen Mo-lekülen: Die Energie pro Freiheitsgrad ist ½ RT (für 1 Mol Gas) Die Wärmekapazität pro Freiheitsgrad ist dann ½ R. Bei 3 Freiheitsgraden für Translation, 2 für Rotation und 2 für Schwingung (potentielle und kinetische Energie) folgt für das 2-atomige Molekül cv=7/2R.

Die Molwärmen (molare Wärmekapazitäten) von Flüssigkeiten cv,fl sind i.a. größer als bei Gasen.

z.B. flüssiges Wasser bei 100°C: cv,fl =

Wasserdampf bei 100°C: cv,Gas =

Die Ursache liegt in der größeren Zahl von inneren Freiheitsgraden, in die Energie deponiert werden kann (z.B. intermolekulare Schwingungen in der Flüssigkeit). Die Wärmekapazität nimmt bei Flüssigkeiten mit steigender Temperatur zu (zunehmende Anregung von Freiheitsgraden). Für die Molwärme von Festkörpern gilt die Dulong-Petitsche Regel (1819): cv,solid = 3 R = 25 J/K ⋅ mol konstant N ⋅ 3 Gitterschwingungen bei N-Atomen,

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k Wärmekapazität pro Schwingungfreiheitsgrad, 2 Freiheitsgrade pro Schwingung (kinetische und potentielle Energie)

cv (298 K) bei Nichtmetallen Ausnahmen: Al 23,8 Cu 23,4 Graphit: 8,4 J/K ⋅ mol Pb 24,7 Silizium: 19,7 J/K ⋅ mol Bi 25,9 Bor: 11,7 J/K ⋅ mol

Bei höheren Temperaturen nähert sich cv dem Wert von 25 J/K ⋅ mol an.

Bei kleineren Temperaturen gilt cv = a T3, da nicht alle Gitterschwingun-gen des Festkörpers angeregt werden können (nur die niederfrequenten Schwingungen) und ihre Anregung stark mit der Temperatur ansteigt. Bei T = 0K ist cv = 0 J/mol.K. 2.5.4 Isobarer Wärmeaustausch und Enthalpie Enthalpie H = U + pV Zustandsfunktion ΔH = ΔU + pΔV + VΔp = ΔQ – pΔV + pΔV + VΔp isobar: Δp = 0 → ΔΗ=ΔQ Bei konstantem Druck (z.B. chemische Reaktionen bei Normaldruck) ist Δp=0 und damit ΔH=ΔQ, d.h. die ausgetauschte Wärmemenge unter

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isobaren Bedingungen entspricht der Änderung der Enthalpie des Sy-stems (griechisch: en = darin, thalpos = Wärme). Diese Gleichung ist nur für unendlich kleine Änderungen exakt: Ersatz von Differenz durch Differential → dH=dQ. Differentiale dieser Art werden in der GPC-Vorlesung im 4.Semester behandelt. Standard-Bildungsenthalpie ΔHf

0: ΔH-Wert, der zur Bildung von 1 mol reiner Substanz aus den reinen Elementen in ihrer stabilsten Form unter Standard-Bedingungen (Norm-druck = 1 atm = 101,325 kPa; Standardtemperatur: meist 25°C) gehört. Messung von ΔH mit dem Bombenkalorimeter, siehe Kapitel 2.5.3. Beispiel:

ΔHf0 (CH4) = - 74,9 kJ/mol

f = Formation 0 = Normbedingungen

Die Reaktionsenthalpien können aus den tabellierten ΔHf

0 nach dem Satz von Hess berechnet werden:

ΔHR0 = ΔHf

0 (Produkte) - ΔHf0 (Edukte)

® ΔHf

0 mit Koeffizienten (Zahl der Mole) aus Reaktions-gleichung multiplizieren

® ΔHf0 (Elemente in stabilster Form) = 0

Beispiel:

ΔHR

0 = {(6 · [- 92,3]) – (2 · [- 46,19])}kJ/mol = - 461,4 kJ/mol werden bei dem angegebenen molaren Stoffumsatz frei.

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Beispiel: Die Bildung von Methan aus den Elementen in stabilster Form C (Graphit) + 2 H2 (g) → CH4 (g) ΔHR =ΔHf

0=? bzw. die Umkehrreaktion läuft im Bombenkalorimeter nicht direkt ab. Deshalb wird ΔHR über eine ausgewählte Folge von Reaktionen mit meßbarer Reaktionsenthalpie bestimmt. 1) C (Graphit) + O2 (g) → CO2 (g) ΔHR = -393,5 kJ/mol

2) 2 H2 (g) + O2 (g) → 2 H2O (l) ΔHR = -571,8 kJ/mol

3) CO2 (g) + 2 H2O (l) → CH4 (g) + 2 O2 (g) ΔHR = +890,4 kJ/mol Gl. 1 + Gl. 2 + Gl. 3 = C + O2 + 2 H2 + O2 + CO2 +2 H2O → CO2 +2 H2O + CH4 + 2 O2 C + 2 H2 → CH4 ΔHR = -393,5 kJ/mol - 571,8 kJ/mol + 890,4 kJ/mol = - 74,9 kJ/mol Die Bildungsenthalpie von CH4 erhält man also indirekt aus den im Bombenkalorimeter oder mit anderen Methoden gemessenen Reaktion-senthalpien ausgewählter Reaktionen. 2.6 Wärmeleitfähigkeit Die Erwärmung von Gas, Flüssigkeit oder Festkörper (Wärmeaustausch) dauert eine gewisse Zeit, die u.a. von der Wärmeleitfähigkeit der Sub-stanz, der Querschnittsfläche des Wärmeüberträgers und der Tempera-turdifferenz zwischen warmer und kalter Stelle abhängt. Die Wärme fließt dabei immer von der wärmeren zur kälteren Seite, also in Richtung nied-rigerer Temperatur. Zum Transport der Energie durch Wärmeleitung ist ein Medium erforderlich, da sich der Energieaustausch durch Schwin-gung der Festkörperatome und Stoß nur zwischen unmittelbar benach-barten Teilchen vollzieht.

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2.7 Reale Gase und Dampfkondensation Bisher haben wir Gase als Ansammlung punktförmiger Atome oder Mo-

leküle ohne Eigenvolumen und ohne Wechselwirkung aufgefasst (ideales

Gas).

Tatsächlich kondensieren reale Gase aber bei niedrigen Temperaturen

und hohen Drücken spontan, d.h. die Teilchen üben bei geringem Ab-

stand eine anziehende Wechselwirkung aufeinander aus. Das Kondensat

hat ein (relativ zum Gas kleines) Volumen, d.h. die Gasmoleküle haben

ein endliches Eigenvolumen und sind keine Punkte. Das Kondensat lässt

sich nur bei sehr hohen Drücken weiter komprimieren, weil sich bei den

noch kleineren Teilchenabständen einer Flüssigkeit die Teilchen absto-

ßen: abstoßendes Wechselwirkungspotential.

Oberhalb einer kritischen Temperatur Tc lässt sich das Gas auch bei ex-

tremer Verkleinerung des Volumens und entsprechendem Druckanstieg

nicht mehr verflüssigen – es existiert keine Phasengrenze flüs-

sig-gasförmig mehr. Am kritischen Punkt Tc,pc,Vc existiert diese Phasen-

grenze gerade nicht mehr. Jenseits des kritischen Punktes sind die Ab-

stände zwischen den Molekülen im Dampf genau so groß wie in der

Flüssigkeit – es liegt ein überkritischer Zustand vor ohne Unterschied

zwischen Dampf- und Flüssigkeitsdichte. Die Verdampfungswärme ist

knapp unterhalb des kritischen Punktes sehr gering, so dass die Sub-

stanz dauernd zwischen Gas- und Flüssigzustand wechselt (siehe

Schlierenbildung in Vorlesungsversuch 5)

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Vorlesungsversuch 5: Reale Gasgleichung und kritischer Punkt Prinzip: Gasförmiges SF6 wird mit einem Kolben in einem Zylinder zu-sammengedrückt und der Druck als Funktion des Volumens bei ver-schiedenen Temperaturen (p-V Isotherme) gemessen. Oberhalb der kri-tischen Temperatur Tc lässt sich das Gas auch bei den höchsten Drücken nicht mehr verflüssigen. Wenn unterhalb Tc das Gas kondensiert, steigt der Druck mit abnehmendem Volumen nicht mehr an, bis aller Dampf kondensiert ist (Plateaugebiet). Am kritischen Punkt Tc,pc,Vc ist das Pla-teau gerade nicht mehr zu erkennen. Aus den kritischen Daten lassen sich die Konstanten der van der Waals Gleichung für reale Gase und die Parameter des SF6-Wechselwirkungspotentials berechnen. Messmethode: Eine mit einem Wasserumwälzer thermostatisierte, hochdruckfeste Glaskapillare mit Volumenskala wird evakuiert und dann mit SF6 auf Atmosphärendruck gefüllt und geschlossen. Die Mess-kapillare ist auf eine mit Quecksilber gefüllte, stählerne Druck-kammer montiert. Mit einem Handrad wird über einen Spindeltrieb ein Kolben in der Druckkammer bewegt und über den Kolbenhub das SF6-Gasvolumen verkleinert ( hydraulischer Druck: Beispiel p=F/A =10kg⋅9,81ms-2/1cm2=0,98MPa ≈10bar). Der Gasdruck in der Kapillare wird von einem Federmanometer angezeigt.

Ergebnisbeispiel: SF6 V/cm3 p/105Pa 20°C p/105Pa 30°C p/105Pa 40°C 4,0 10,1 10,3 10,6 3,8 10,5 10,8 11,1 3,6 10,9 11,3 11,7 3,4 11,5 11,9 12,3 3,2 12,1 12,5 13,0 usw. bis 0,2cm3 und 5MPa

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Der Versuch ergibt die folgenden kritische Daten: ϑc = 46° C(Tc = 319 K), pc = 3,8 MPa. Aus diesen Daten lassen sich die Parameter der pV Glei-chungen für reale Gase bestimmen. Van der Waals Gleichung:

p ⋅ Vm = R ⋅T

p +aVm

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⋅ Vm − b( ) = R ⋅T

a = Konstante für Binnendruck durch Molekülanziehung. Der Binnendruck ist a/V2. b = Eigenvolumen der Moleküle

Vc = 3/8 ⋅ RTc/pc = 3/8 ⋅8,314Jmol-1K-1 ⋅ 319K/3,8⋅106Pa = 2,62⋅10-4m3mol-1

a = 9/8 ⋅ RTcVc = 9/8 ⋅ 8,314Jmol-1K-1 ⋅ 319K ⋅ 2,62⋅10-4m3mol-1 =

0,78Jm3mol-2 = 0,78m6Pa mol-2

Korrektur des idealen Gasgesetzes für 1 mol Gas mit V = 1m3 bei 300K:

p = RT/V = 8,314Jmol-1K-1 ⋅ 300K/1m3 = 2494Pa = 25mbar

Binnendruck a/V2 = 0,78m6Pa mol-2/1m6 mol-2 = 0.78Pa → minimal bei kleinen Drücken/großen Volumina.

Bei Kompression auf V = 1l = 10-3m3 ist p = 25bar und a/V2 = 0,78Mpa = 7,8bar

Eigenvolumen b = 1/3 ⋅ Vc = 1/3 ⋅ 2,62⋅10-4m3mol-1 = 8,73⋅10-5m3mol-1 Auch bei Kompression auf V = 10-3m3 bleibt die Korrektur des idealen Gasgesetzes durch das Eigenvolumen b klein.

b/6,022⋅1023Moleküle/mol = 1,45⋅10-28 m3/Molekül SF6~kugelförmig 4/3⋅π⋅r3 r = [3/(4π ⋅ 1,45⋅10-28 m3)]1/3 = 3,26⋅10-10m = 3,26 Å

Die molekularen Wechselwirkungen des realen Gases lassen sich formal auch durch eine Expansion der idealen Gasgleichung mit einer Potenz-reihe des Drucks mit den Virialkoeffizienten B(T), C(T) usw. beschreiben. Virialgleichung: pV=RT + B(T)p + C(T)p2 + …… Bei Vernachlässigung der quadratischen und höheren Terme erhält man durch Koeffizienten-vergleich mit der Van der Waals Gleichung:

B(T)=b – a/(RT)= 8,73⋅10-5m3mol-1 - 0,78m6Pa mol-2/(8,314Jmol-1K-1⋅T[K]) B(300K)= - 2,25⋅10-4m3mol-1

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Aus den kritischen Daten lassen sich auch die Wechselwirkungspoten-tiale von Molekülen bestimmen: E(r) = 4ε[(r0/r)12 - (r0/r)6] = ε[(rm/r)12 - 2(rm/r)6] Lennard-Jones-Potential

1.Term: Pauli-Abstoßung, wenn sich Elektronen gleichen Spins soweit nähern, dass die Orbitale übereinander geschoben werden. 2.Term: Anziehung der Moleküle bei größeren Abständen r durch (indu-zierte) Dipol-Dipol Wechselwirkung. r0: Abstand der Nullstelle des LJ-Potentials E(r= r0)=0, wo sich Anziehung und Abstoßung gerade aufheben. rm: Abstand des Energieminimums vom Ursprung. ε: ”Tiefe” der Potentialmulde, die durch Anziehung und Abstoßung ent-steht.

2.8 Adiabatische Prozesse Adiabatische Prozesse: kein Wärmeaustausch mit der Umgebung ΔQ = 0 ΔU = -pΔV Wenn System von Umgebung isoliert ist oder Prozesse zu schnell für Wärmeaustausch ablaufen. Bei infinitesimal kleinen Änderungen gilt dQ = 0 und dU = -pdV. Die Energie für die Gasexpansion kann bei der adiabatischen Expansion wegen dQ = 0 nur aus der inneren Energie des Gases kommen, also dU = cvdT.

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reversible Expansion: äußerer Druck p = innerer Druck nRT/V

Variablenseparation

Unbestimmtes Integral:

+ const Integrationskonstante: const

+ const´ Abkürzung: nR/cv=a const’=const/cv

(neue Konstante) Mit cp - cv = nR folgt nR/cv = cp-cv/cv = γ-1 mit γ = cp/cv, also

Für ein Gas folgt dann für die Temperaturen TA und TB und die Volumina VA und VB Mit T=pV/nR folgt und daraus die Poissonsche Gleichung

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Die Adiabate liegt unterhalb der Isothermen, denn wegen cp=cV+nR ist cp>cv, also γ=cp/cv > 1, so dass die Adiabate mit einer höheren Potenz als die Isotherme abfällt. Physikalische Ursache: Bei der adiabatischer Expansion sinkt die Gas-temperatur und somit auch der Druck stärker als bei der isothermen Ex-pansion (gleichbleibende Gastemperatur). 2.9 Adiabatische Expansion realer Gase (Joule-Thomson Effekt) Joule-Thomson Effekt: Temperaturabnahme eines realen Gases bei schneller Druckabnahme, also ΔT/Δp>0. Beispiel: Unterhalb der Inversionstemperatur von 866K für N2 ist (ΔT/Δp)>0 bei einem zur Verflüssigung nötigen Mindestdruck von 3,39 Mpa. (ΔT/Δp) = 0,25 K bar-1 für N2. Die Inversionstemperaturen einiger Gase: Helium 35 K, Wasserstoff 224 K, Sauerstoff 1041 K, Kohlenmonoxid 908 K. Technische Anwendung: Luftverflüssigung nach Linde.

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Nach Wikipedia: Linde-Verfahren Flashanimation zur Luftverflüssigung auf der Linde-Homepage: Luftver-flüssigung Vorlesungsversuch 6: Joule Thomson Effekt Prinzip: Wenn ein unter Druck stehendes reales Gas durch eine Düse in einen Niederdruckbereich schnell (ohne Wärmeaustausch mit der Um-ge-bung) entspannt wird, kühlt sich das Gas dabei ab (adiabatische Ex-pan-sion; Sprühdoseneneffekt). Bei der Expansion erfolgt das ener-gie-aufwändige Trennen der attraktiven intermolekularen Wechselwir-kungen auf Kosten der inneren Energie des Gases und seiner Translati-ons-energie: Abkühlung. Bei verschiedenen Expansionsdrücken p wird die Abkühlung ΔT gemessen und der molekülspezifische Joule-Thomson Koeffizient µ als Steigung ΔT/Δp bestimmt.

Messmethode: Der Stahlzylinder der Joule-Thomson-Apparatur wird mit 100kPa (1bar) CO2 -Überdruck gegen Umgebungsdruck gefüllt , durch einen Luftwärmetauscher auf Raumtemperatur gebracht, dann durch Öffnen eines Drosselventils (Fritte) auf Umgebungsdruck entspannt und dabei die Temperaturdifferenz vor und hinter dem Drosselventil nach 1 Minute Druckentspannung (Gleichgewichtseinstellung!) gemessen. Diese Prozedur wird für eine Reihe sukkzessiv abnehmender Drucke wieder-holt.

Ergebnisbeispiele: µCO2=(ΔT/Δp)adiab=1,084K/bar µN2 =0,253K/bar

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Literatur µCO2=1,16K/bar µN2=0,25K/bar Positiver Joule-Thomson-Koeffizient: Bei Druckerniedrigung Δp<0 kühlt sich das Gas ab ΔT<0, so daß µ>0 ist. Oberhalb der so genannten In-versionstemperatur (z.B. 866K für N2) wird µN2<0, also führt Druck-erniedrigung dann zur Temperaturerhöhung. Berechnung von µ aus van der Waals Konstanten und Wärmekapazität: µ =(ΔT/Δp)=1/cp⋅(2a/RT – b) CO2: a=3,60Pa m6/mol2 b=42,7cm3/mol cp= 366,1J/molK µCO2=0,795K/bar