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2. Gesteinsaufbau und Landschaftsformen 2.1 Geog rafisch-geolog ische G liede ru ng Geologie als Gesteinskunde und Morfologie als Lehre von den Landschaftsformen sind in unserem Gebiet recht eng verknüpft, so dass wir deren Besprechung mit Vorteil gemeinsam vornehmen. Vorangestellt sei als Übersicht die natürllche Glie- derung des Oberaargaus, einerseits aus räumlich- geografischer wie andrerseits aus erdgeschicht- lich-geologischer Sicht, womit der Landesteil gleichzeitig in grössere räumlich-zeitliche Zusam- menhänge eingeordnet wird (Abb. 1 2). Landschaftsgürtel Die wesentlichen Formgrenzen lm Landschaftsbild sind an Grenzen verschiedener Gesteinsschichten gebunden; bei Moränenschwärmen und Schotter- flächen sind die Formen unmittelbar Ausdruck von Bau und Material des Untergrunds. Auch die Oro- grafie, die Gliederung nach Höhenzonen, ent- spricht weitgehend den geologisch-morfologi- schen Gürteln. Die nachstehende Einteilung zeigt einerseits den Zusammenhang von Aufbau-, Form- und Höhenzonen, andrerseits im Uberschneiden der Höhen das lneinanderübergehen der Gebiete. ln vereinfachter Übersicht reihen sich diese strei- fenförmig wie folgt von Norden nach Süden: 1 . Der Bipper Jura. Er ist ein Ausschnitt des Ketten- juras mit Mittelgeblrgshöhen von 500m (Jurafuss) bis 1 200 m (Kammzone). Die Gesteine, vorwiegend Kalke und Mergel, entstanden in der Jura- und Triaszeit, wobei fur die letztgenannte zudem Gips und Steinsalz bezeichnend sind, als älteste Bildun- gen des Oberaargaus. Es wird noch zu zelgen sein, wie das Auftreten solch tiefliegender Gesteine als Spezialität des Bipper Juras zustande kam (Falten- stauchung, Bergschlipf). Als Kalklandschaft weist der Bipper Jura Karsterscheinungen auf . 2. Das Moränen-Hügelland des tiefern Oberaar- gaus. Dem Jura entsprechend ist auch dieser gla- ziale Gürtel Südwest-Nordost gerichtet. Auf Höhen von 450-600 m breitet er sich beidseits der Aare aus, vom Jurafuss bis zur Molassehügel- grenze (Abb. 14). Als charakteristische Erscheinung zeigt sich der schöne Moränenkranz des letzteis- zeitlichen Rhonegletschers. Sowohl bau- wie bild- bestimmend ist das Nebeneinandervon Moränen- hügeln und fluvioglazialen Schotterebenen; da diese vielfach fluviale Zerschneidung erfuhren, \ \ 8 1 4 3 2 0 Þ 1p 15 20 km 12 Geologìsche Übersichtskarte des Oberaargaus mit morfo- logischen Grenzen 1 :300000 Nach Geologischer General- karte der Schweiz, Blatt ll. Legende: 1 Schwemm-Schotter- Ebenen der Flüsse (2. T. f luviogla ztall ; 2 Glaztalboden m it Moränenwällen der letzten Eìszeit; 3 Obere SÜsswasser- Molasse; 4 Obere N/eeres-Molasse, Helvétien; 5 Obere Meeres-lVolasse, Burdigalien ; 6 U ntere Sússwasser- Molasse; 7 Untere Süsswasser-Molasse und ev. untere Meeres-Molasse; 8 Kalke und Mergel des Kettenjuras (_> 4Ð?- 13 Schulausflug <Wer angesichts dieser Geländestruktur nicht in das Lied ausbricht, O Täler weit, o Höhen, beweist, dass lhm das Verständnis f ür geologische Schichtungen man- gelt r Zeìchnung F. Reinhardt (mit Originalkommentar) 19

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2. Gesteinsaufbau und Landschaftsformen

2.1 Geog rafisch-geolog ischeG liede ru ng

Geologie als Gesteinskunde und Morfologie alsLehre von den Landschaftsformen sind in unseremGebiet recht eng verknüpft, so dass wir derenBesprechung mit Vorteil gemeinsam vornehmen.Vorangestellt sei als Übersicht die natürllche Glie-derung des Oberaargaus, einerseits aus räumlich-geografischer wie andrerseits aus erdgeschicht-lich-geologischer Sicht, womit der Landesteilgleichzeitig in grössere räumlich-zeitliche Zusam-menhänge eingeordnet wird (Abb. 1 2).

Landschaftsgürtel

Die wesentlichen Formgrenzen lm Landschaftsbildsind an Grenzen verschiedener Gesteinsschichtengebunden; bei Moränenschwärmen und Schotter-flächen sind die Formen unmittelbar Ausdruck vonBau und Material des Untergrunds. Auch die Oro-grafie, die Gliederung nach Höhenzonen, ent-spricht weitgehend den geologisch-morfologi-schen Gürteln. Die nachstehende Einteilung zeigteinerseits den Zusammenhang von Aufbau-, Form-und Höhenzonen, andrerseits im Uberschneidender Höhen das lneinanderübergehen der Gebiete.ln vereinfachter Übersicht reihen sich diese strei-fenförmig wie folgt von Norden nach Süden:1 . Der Bipper Jura. Er ist ein Ausschnitt des Ketten-juras mit Mittelgeblrgshöhen von 500m (Jurafuss)bis 1 200 m (Kammzone). Die Gesteine, vorwiegendKalke und Mergel, entstanden in der Jura- undTriaszeit, wobei fur die letztgenannte zudem Gipsund Steinsalz bezeichnend sind, als älteste Bildun-gen des Oberaargaus. Es wird noch zu zelgen sein,wie das Auftreten solch tiefliegender Gesteine alsSpezialität des Bipper Juras zustande kam (Falten-stauchung, Bergschlipf). Als Kalklandschaft weistder Bipper Jura Karsterscheinungen auf .

2. Das Moränen-Hügelland des tiefern Oberaar-gaus. Dem Jura entsprechend ist auch dieser gla-ziale Gürtel Südwest-Nordost gerichtet. AufHöhen von 450-600 m breitet er sich beidseits derAare aus, vom Jurafuss bis zur Molassehügel-grenze (Abb. 14). Als charakteristische Erscheinungzeigt sich der schöne Moränenkranz des letzteis-zeitlichen Rhonegletschers. Sowohl bau- wie bild-bestimmend ist das Nebeneinandervon Moränen-hügeln und fluvioglazialen Schotterebenen; dadiese vielfach fluviale Zerschneidung erfuhren,

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0 Þ 1p 15 20 km

12 Geologìsche Übersichtskarte des Oberaargaus mit morfo-logischen Grenzen 1 :300000 Nach Geologischer General-karte der Schweiz, Blatt ll. Legende: 1 Schwemm-Schotter-Ebenen der Flüsse (2. T. f luviogla ztall ; 2 Glaztalboden m itMoränenwällen der letzten Eìszeit; 3 Obere SÜsswasser-Molasse; 4 Obere N/eeres-Molasse, Helvétien; 5 ObereMeeres-lVolasse, Burdigalien ; 6 U ntere Sússwasser-Molasse; 7 Untere Süsswasser-Molasse und ev. untereMeeres-Molasse; 8 Kalke und Mergel des Kettenjuras

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4Ð?-13 Schulausflug <Wer angesichts dieser Geländestrukturnicht in das Lied ausbricht, O Täler weit, o Höhen, beweist,dass lhm das Verständnis f ür geologische Schichtungen man-gelt r Zeìchnung F. Reinhardt (mit Originalkommentar)

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14 Ersigen und Kirchberg von Westen. Molassehügelgrenze zwischen quartärer Schotterebene und tertiären Molassehügeln

wurde die Terrasse zur häufigen Form dieses Gür-tels.3.Die Schwemmlandebenen der Aare und ihrerZuflüsse stellen im allgemeinen die jringste undtiefstgelegene Zone dar (400-550m). Es handeltsich um spät- und nacheiszeitliche Schotterablage-rungen. Sie treten als topfébene Flächen oder nachlhrer Zerschneidung in Terrassengestalt auf . DieseZone gehört einerseits zum glazialen Gürtel,andrerseits verfingert sie sich südseits mit denTalsohlen von Oenz, Langete und Rot in die Molas-sehügel hinein.4. Das Sandstein-Hügelland des höhern Oberaar-gaus beginnt nordseits an der Molassehügel-grenze, am markanten Anstieg zu den tertiärenPlateaux der Buchsi-, Wynigen- und Langeten-berge und weist Höhen von 500-800m auf (Abb.15). Es geht südseits ins Napfmassiv über, wobeidas nordwestliche Napfringtal Sumiswald-Huttwilals Grenze gelten kann.5. Das Nage lf I u h - Be rg I a n d d e s N a pfs ist wie d er J u raein Mittelgebirge; seine Höhen reichen von 700mbei Huttwil bis 1 100 m auf dem Ahorngrat. Der Napfist der Rest des riesigen Deltas der tertiären Aare

im r<Mittellandmeer>. Die Molasseschichten, die inder Eiszeit lange unvergletschert blieben, sinddurch Flüsse und Bäche in radialer Richtung undreicher Verästelung zur reifen Erosionslandschaftder <Gräben und Eggen> zertalt worden.

Erdgeschichte

Anhand von Tabelle 1 ist der Oberaargau in dengrossen Rahmen der geologischen Entwicklungder Erde zu stellen. Die Erdgeschichte des Oberaar-gaus beginnt vor fast 200 Millionen Jahrén mitTrias- und Juraformation (Mesozoikum, Erdmittel-alter). Dabei ¡st zu beachten, dass Jura sowohl alsOrtsbegriff für das Gebirge verwendet wird, wiedavon abgeleitet als Zeitbegriff für die Formation,da deren Ablagerungen und Fossilien in diesemBergland besonders schön und vielseitig ausgebil-det sind.Das Alter der Erde wird heute mit 4,6 MilliardenJahren angegeben, dasjenige der ersten Krusten-bildung mit 3,5 Milliarden, das der frühesten Spu-ren von Lebewesen mit 3 Milliarden Jahren. Die

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15 Plateaulandschaft bei Brächershüsere in den Wynigenbergen

gewaltigen Zeiträume können mittels modernerradiometrischer Methoden ermittelt werden, daradioaktive Elemente wie Uran durch Strahlung inbestimmten Zeiten auf die Hälfte zerfallen (Halb-wertszeit).Mit der geologischen Uhr, einem Zeitmodell derErdgeschichte, wird versucht, die unvorstellbargrossen Abläufe anschaulich zu machen, indemman die Jahrmilliarden auf 1 2 Stunden eines Uhrta-ges überträgt. Abb. 16 macht deutllch, dass dergrösste Teil der Schwelz, und damit der Oberaar-gau, in der Erdneuzeit entstanden und als geolo-gisch jung zu bezeichnen ist - trotzdem die älternMolasseablagerungen unsrer Gegend ein Alter vonrund 50 Millionen Jahren aufweisen. Der alte kri-stalline Sockel liegt im Oberaargau gemäss demnachstehenden Profil von Pfaffnau noch in verbor-gener Tiefe; er tritt erst in Schwarzwald und Voge-sen, andrerseits in den Granitmassiven der Alpen,zutage.

16 Geologische Uhr als Zeitmodell der Erdgeschichte. DerOberaargau mit vorwiegend neozoischen Blldungen ist einegeologisch junge Region. 1 Urzeìt, 2 Erdf rühzeit, 3 Erdalter-tum, 4 Erdmittelalter, 5 Erdneuzeit

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Die Bohrung von Pfaffnau

Erst seit der Tief bohrung von Pfaff nau 1 963, die derSuche nach Erdöl und Erdgas gewidmet war undbis 1843m abgeteuft wurde, wissen wir um dieMächtigkeit der Ablagerungen und die Tiefe desgranitischen Unterbaus im tieferen zentralen Mit-telland. Die folgenden Angaben basieren auf Büchiund Wiener (1965).

17 Erdöl-Bohrung von Pfaff nau 1963. Abfackelung des an-gebohrten Erdgases in <texanischerr Abendstimmung

Tabelle'1 ErdgeschichtlicherÜberblick

Zeitalter Formation Epoche(Ara)

Ouartär HolozänAlluvium

Kreide

Trias

Perm

Karbon

Devon

Silur

Kambrium

PleistozänDiluviumPliozänMiozänOligozänEozänPaläozän

Herausbildung derheutigen Meer- undLandgrenzen

WeisserJ.; Malm ErgüssevonBraunerJ. : Dogger Basaltlava auf dieSchwarzerJ. : Lias FestländerKeuper NurMuschelkalk geringeBuntsandstein Krustenbewegung

VereisungSudhalbkugelVarisklscheGebÌrgsfaltung

Vulkanismus

KaledonischeFaltungAusdehnungder FlachmeereGebirgs-bildungenSchiefer(Erdrinden-bildung)

Pflanzenwelt

Wie heute

Wie heuteBlütenpf lanzenBraunkohlewälder

Steinkohlewälder(Farne, Schachtel-halme)

- Früheste Land-pflanzenNiedere Gefàss-pflanzenErste Gefässpflanzen

Algen

Algen

Entstehung des Le-bensUndeutliche Spuren

Tierwelt

Wie heuteRùckgang der grossen Säuge-tiere

(Menschwerdung?)Niedere Tiere: wie heuteEntfaltung der höheren Säuge-tiere und derVögel und lnsekten

Früheste Landwirbeltiere(Amphibien). Ersre höhereFische

Alteste Wirbeltiere(Panzefische)Wirbellose Meerestiere

Spärliche, niedere Meerestiere(Kieselschwämme. Radiolarien)7

Tert är

E=-V'õNoc

:(Þvoc)ENodõEZ. IJJ

trqlv -l!'= O)NÈo-Øtro!2ru

BesondereVorkommnisseNacheiszeit

Alter inMio Jahren

0,01

70

140

180

220

260

350

400

500

600

1200

Erstebedecktsamige KnochenfischeBlütenpflanzen Früheste höhere Säugetiere(Laubhölzer) Aussterben dergrossen SaurierHöhere Nadelhölzer Blüte der Saurier

MeeressaurierRiesige Landsaurier, FlugsaurierNadelhölzer Früheste niedere Säugetiere

u.a.Gymnospermen Ammoniten

Erste Nadelhölzer Entfaltung der SaurierAltamphibien (Blüte)Erste ReptiIen (Saurier)U rinsekten ( Riesenformen)

EEÉ=ñsl*Eo- ul

22

4600

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Bohrung Pfaffnau 1 : 6. 10. bis 12. 12. 1963 (Abb. 17).6327001231 790; 500m ü. lVl. Erbohrtwurden

von 0 bis ca. 691 m Untere SússwassermolasseSchichtlückeKimmeridgienSéquanien

lm folgenden werden die einzelnen erdgeschicht-lichen Bildungsepochen des Oberaargaus in geolo-gischer Altersfolge, d. h. von unten nach oben,beschrieben.

2.2DerBipperJuraWenige Gebirge der Erde haben das frühe lnter-esse der Forscher derart angezogen wie der Jura,und dles trotz der bescheidenen Höhe und des eherzurückhaltenden Landschaftscharakters. Falten-bau, Formenbild und Versteinerungen des Jurage-birges gelten in der Wissenschaft wie in der Schuleals Lehrbuchbeispiele (Abb. 18).Als Vorgebirge der Alpen - oder deren Seitenast -zieht das Mittelgebirge von Grenoble bis in denschwäbischen Jura. Falten und Ketten sind beson-ders schön entwickelt entlang des schweizeri-schen Mittellandes. Ein allgemeinerWesenszug istdie starke Bewaldung, worauf der Name zurückge-führt wird: keltisch jor bedeutet Waldgebirge; beiden Römern finden wir dazu den Namen mons jura.Von Aufbau und Formenbild aus lassen sich im Juradeutlich drei Gebiete unterscheiden :

5¡"J"?ïJL ] r'*uni"uTafeljura (mit Überschiebungszone)

Deutlich lassen sich die drei allgemeinen Phasender Landschaftsgeschichte aufzeigen, wobei

augenfällig wird, dass diese zeitlich ungemein weitauseinanderliegen können :

Gesteinsbildung:Jurameer, Erdmittelalter, vor ca. 150 Mio. Jahren

Gebirgsbildung:Jurafaltung, Erdneuzeit, vor ca. 10 Mio. Jahren

Abtragung (Erosion):Bildung von Ketten und Klusen, seit Beginn der Faltung

Der Bipper Jura oder Leberberg stellt den durch dieKantonsgrenze Bern-Solothurn umfangenen Teilder sudlichsten Jurafalte, der Weissensteinkette,dar. Es handelt sich um den Gewölberücken unddie zugehörige sonnseitige Flanke zwischen Hof-bergli-Schmidematt und der Klus von Oensin-gen-Balsthal (Abb. 21 ).

Jurameer und Jurafaltung

Geologische Karten und Profile zeigen, dass derJura vorwiegend von Kalkgesteinen aufgebaut ist,die aus Ablagerungen im Jurameer entstanden.Zwischen die Kalkbänke schalten sich stets wiedertonige Schichten ein, Mergel; seltener kommenSandsteine vor. Kalkausscheidung im Meerwas-ser, dazu die abgesunkenen Schalen und Skelettekleiner Tiere verfestigten in Jahrmilllonen zu Kalk-stein (Abb. 19).lm klassischen Werk <Die Urwelt der Schweiz> hatOswald Heer das Jurameer lebendig werden las-sen. (Einst lebten Myriaden von Tierchen, welchegeschäftig waren, diese Kalkfelsen aufzubauen;Baumeister, die trotz ihrer Kleinheit Bauten aufführ-ten, welche alle Wechsel der Zeiten überdauerthaben und noch jetzt Felswände bilden, wunderba-rer in ihrer Struktur und grossartiger in der Masseals die grössten Bauwerke menschlicher Hand. Wirsehen ganze Massen von Muscheln und Meer-

18 Schematisches Blockbild der Landschaftsformen im Fal-tengebirge des Kettenjuras

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1 9 Lebewesendes Jurameers:Belemnit, Ammonìtund Seelilie

schnecken, von Seeigeln und Strahltierchen, ganzso w¡e sie jetzt stellenweise den Saum der Küstenbedecken, und uns so das einstige Uferverkünden,wo von Sturm und Wellen Tausende von Seebe-wohnern ans Land geworfen wurden. Diese See-tiere führen uns in jene Zeit zurück, wo noch eineunermessliche Meeresfläche über einen grossenTeil von Europa sich ausbreitete und in unsermLande nur einzelne lnseln aus derselben empor-ta uchten.lAufgrund bestimmter Versteinerungen und vor-herrschender Farbigkeit der Gesteine hat sich diefolgende Dreigliederung eingebü rgert :

o lValm (Weisser Jura)Juraformation j Dogger (Brauner Jura)\ Lias (Schwarzer Jura)

Die hellen Malmkalke, die aus den Bergwäldernüber Solothurn leuchten, gaben Anlass zum NamenWeissenstein. Weiss bis gelb sind die harten,dichten Kalksteine, die an seinem Fusse gebrochenwerden, der <Solothurner Marmonr. Sein besonde-rer Schmuck sind Abdrücke von Lochmuscheln und

20 ZurZeiT des Jurameeres. Zeichnung eines Fünftklässlers

Turmschnecken. Die Kalke des Doggers dagegenenthalten oft Eisen und sind dadurch gelb, braunund rot gefärbt. Für den Lias sind auch im BipperJura schwarze Mergel-, Belemniten- und Gry-phäenkal ke bezeichnend.ln einer späten Gebirgsbildungsphase der Alpenwurde deren Vorland zum schwungvollen Wellen-bogen der jurassischen Faltenzuge aufgepresst(Abb.22l. <Der Jura ist das Muster eines durcheinseitige Bewegung erzeugten, durch Stauung anfremden Massen festgehaltenen Gebirgss.r Solautet kurz die wissenschaftliche Fassung von Fdu-ard Suess. Die <BeweQUnQr erfolgte in seitlichemStoss und Schub von Südosten her; als <rfremde,festhaltende Massenr wirkten die Kristallinmas-sive vom Plateau Central bis zum Schwarzwald. -Auch in (unsern)) Klusen von Oensingen, Balsthalund Mümliswil ist einerseits mustergültige Ge-birgsfaltung augenfällig, andrerseits wird ebensodeutlich, dass diese Gewölbe doch nicht so lehr-buchhaft <einfache Falten> darstellen. Die Geolo-gen wiesen nach, dass die Schichten oft nur leichtgebogen, recht häufig abergestaucht, geknickt undgebrochen wurden.

Ketten, Tàler, Klusen

Die Abtragung, vorwiegend durch Flüsse, hat dasmustergültige Faltengebirge auch zu elnem bei-spielhaften Erosionsphänomen ausgestaltet. Ket-ten, Täler und Klusen sind die morfologischenHauptmerkmale, lm grossen besteht nocht heuteeine deutliche Ubereinstimmung von innerem Bauund äusserem Bild; im einzelnen betrachtet wurdemanche Falte aufgebrochen und damit in kammar-tige Ketten aufgelöst (Abb.18).Von entscheidender Bedeutung f ur das Formenbilddes Juras ist, wie vielerorts auf der Erde, die

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21 Blick über dìe Aarelandschaft von Wynau und Wolfwil zum Jura (Kette des Roggen)

auswahlende Erosion; Schlchtwechsel von Kalkund Mergelsind im Jura die Regel; deren ungleicheWidersta ndsfä h i g keit gegen ü be r Verwitteru n g u ndErosion führen zu einer Fülle von Einzelformen:< Harte> Kalkschichten lassen Erhebungen und Vor-sprunge, Rücken, Kämme, Rlppen und Stufen ent-stehen. <Weiche> Mergellagen geben Anlass zuVertief ungen.Die Ouertäler der Klusen kamen durch ihre Demon-stration des musterhaften Faltenbaus zu weltwei-ter Berühmtheit. Zahlreiche Entstehungstheorienwurden aufgestellt, zwei davon stehen im Vorder-grund, Anschaulich ist die ldee, wonach ein Fluss,vom Scheitel eines Gewölbes abfliessend, diesesdurch rückschreitende Erosion zersägte. Diezweite Theorie holt weiter aus und nimmt an, dass

Flüsse, die vor der Faltung bereits bestanden, dieZerschneidung vorgenommen hätten.Das Blockblld Abb. 18 zeigt die Entwicklungsstufenvon Embryonal-, Halb- und Vollklus. Die erste Formf inden wir zum Beispiel auf dem Balmberg; hier hatdie Erosion bloss einen höhern Teil des Gewölbeszerschnitten. Die Halbklus zeigt zumeist einen kes-selartig durch Rückwärtserosion erweiterten Tal-zirkus.Die Klusen von Oensingen-Balsthal und Mümliswilstellen Vollformen dar: Die engen Ein- und Aus-gänge boten ursprünglich nur dem Bache Platz, dersie bloss einige Meter weit geöffnet hatte (dermoderne Strassenbau machte Aussprengungennötig).Von entscheldender Bedeutung für die mensch-

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22 Der Jura, Mustereines Faltengebirges,entstanden alsFolge alpiner Schubkräfte

lich-geografische Gestaltung des Kettenjuras wardie Öffnung der Klusen für den Verkehr. Damitwurde der typisch jurassische Rostgrundriss desFlussnetzes von jenem der Strassen und Bahnenüberlagert und verstärkt: Flüsse und Verkehrslinienlaufen gemeinsam durch die Längstäler und querenrechtwinklig dazu die Ketten in den Klusen. Die Klus-eingänge wurden zu humangeografischen Angel-punkten. Hier, am Tälerkreuz, konzentrierten sichSiedelung, Verkehr, Wirtschaft und Kulturleben.

Karsterscheinungen

Der Begriff <<Karst> stammt aus Jugoslawien, wodie zufolge von Lösung des Kalksteins entstehen-den Erscheinungen besonders schön ausgebildetsind, so Verwitterungstrichter (Dolinen), Höhlen,unterirdische Bäche und Stromquellen. Sie tretenin allen Kalklandschaften der Erde auf, bei unsvorwiegend im Jura und in den Kalkvoralpen.Bezeichnend für die Karstlandschaft ist die unterir-dische Entwässerung. Oberflächengewässer sindselten. Durch Spalten und Kluftfugen im Gesteindringt kohlensäurehaltiges Regenwasser in dieTiefe und löst das Karbonat auf. Die oberirdischenKennzeichen dieser <abwärts gerichteten> Land-

23 Dolinen, Verurritterungstrìchter von einigen Metern Durch-messer Typische oberirdische Bildung in Karstlandschaften

24 Hofbergli-Höhle am Weg zwischen Schmidematt undBalmberg Karsthöhlen sind charakteristische unterirdischeBildungen in Kalklandschaften

schaft sind Mulden, Dolinen, Einsturzschächte undLöcher aller Art (Abb.23).lm lnnern der Kalklandschaften aber bilden sich dieHöhlen und Grotten, teils von Bächen durchflos-sen, teils trockengelegt. Verdunstet Wasser, wennes über Wände oder Stufen sprüht oder aus Spal-ten tropft, entstehen im umgekehrten chemischenVorgang, durch Kalkausscheidung. die Tropfsteine.Aus dem Bipper Jura sind bisher keine Tropfstein-grotten bekannt geworden, wenn auch Höhlenein-gänge recht zahlreich vorkommen (Abb.24).Berühmt ist das benachbarte <Nidleloch> auf demWeissenstein, dessen Schächte bis unter die Höheder Solothurner Aare reichen! Auf den Weidenbegegnen wir mithin Karren oder Schratten imAnfangsstadium. Sie entstehen du rch Auslaugungauf geneigten Kalkf lächen, uber die das Regen- undSchneewasser rinnt. (ln den Alpen, so auf derSchrattenfluh, bildeten sich ganze Karrenfelder.)Auf den Höhen zwischen Schwängimatt undSchmiedenmatt sind Dolinen zu beobachten, derenVersickerungswasser teils bis zu den Ouellen des

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Gehängeschutt. Junge Bergstürze. Schotter

Eìszeitlicher Bergsturz

Gesackte Blöcke und Schichtpakete.¡ Malm. r Dogger

Moränen der letzten Vergletscherung

Moränen der vorletzten Vergletscherung

MolasseBoh nerzformation

KìmmeridgeOberes und mittleres SequanUnteres SequanArgovienOxfordien

CallovienHauptrogensteinUnterer DoggerOpalinuston

Lias

Keuper

Oberer MuschelkalkAusserberg-U bersch iebu ng

G ü nsberg-U nterschiebungMutmassliche interglaziale Rinne des Siggerntales

911

Bergfusses die Kalkschichten durchdringt. Fröhli-cher (1980) berichtet von einer Färbung beim Kur-haus Weissenstein, worauf u.a. die Gärbiquelle inder Oensinger Klus nach 216 Stunden reagierte.Ein späterer Nachweis erbrachte für die Distanz(Luftlinie) von 15,5km eine Durchlaufzeit von 365Stunden. Die Durchlaufgeschwindigkeit dieserHöhlenwasser liegt also zwischen 1,2 und 1,7 m/min, was andern bekannten Werten von unterirdi-schen K¿Srstabflüssen recht gut entspricht.

Der Bipper Bergrutsch

Am Bipper Jura zeigt der Berghang eine ausserge-wöhnliche Gestaltung. lm Gegensatz zu den stei-len, waldreichen Ketten der Nachbarschaft istdiese Kettenseite aufgelöst in Wellen, Kuppen,Tälchen und Terrassen. Dieses äussere Bild weisthin auf den komplizierten innern Bau, wie er in denProfilen Abb.25 dargestellt ist.Die Kammzone ist durchzogen von Brüchen, dasGewölbe derart aufgerissen, dass Gesteine, diesonst In der Tiefe liegen, wie Mergel, Gips und Salzder Triasformation an die Oberfläche treten. Dieskam wie folgt zustande: Durch den Schub von denAlpen her wurde die Frontfalte arg gestaucht,schief gestellt und von den Sandsteinpaketen desMittellandes unterfahren (Günsberg-Unterschie-bung). lm Osten dagegen fuhr eine abgerissene

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25 Geologische Prof ile durch den Bipper Jura. Aus Wiedenmayer, 1923

Däh lenhubel

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26 Schloss Bipp auf einer Sackungsterrasse des eiszeitlichen Bergrutsches an der Südflanke der Leberberg-Kette

Gesteinsplatte bei der Schwäng¡matt über dennördlichen Faltenteil auf (Ausserberg-Überschie-bung). Vorerst bot die Molasse dieser geschwäch-ten, nach Süden gekippten Falte Halt. ln der Eiszeitaber wurde durch einen dem sudlichen Kettenrandfolgenden Urfluss, Aare oder Siggern, der stüt-zende Hangf uss abgegraben. Der glaziale Erosions-beitrag der letzten beiden Eiszeiten machte nachZimmermann (1963) im Jurafusstrog des Bipper-amtes ca. 40m aus. Dadurch gerieten gewaltigeGesteinsmassen der Scheitelpartie auf ihrer Ton-unterlage ins Gleiten und fuhren ab; rutschten,stürzten und sackten nieder zum Jurafuss, wo siedie alte Flussrinne überdeckten.Das Ereignis fand nach Zimmermann (1963) undHantke (1980) in der Riss-Eiszeit statt. Der Berg-rutsch ging in Form von Rutschungen und Sackun-gen vor sich, eigentliche Sturzmassen waren selte-ner. Die Abrissnischen hoch in der Bergkette überFarnern, Rumisberg und Wolfisberg sind nochheute gut erkennbar; es sind die langgezogenenFluhränder, die von den Felswänden unter Hof-bergli bis zur Randfluh ziehen.Der Sturz- und Sackungsschutt, in bekannterWeise in Wellen gelegt, gab Anlass zu den schönenTerrassen und Tälchen, die den Menschen die

Besiedelung der Juraflanke überhaupt ermöglich-ten (Walden, Wolfisberg, Rumisberg, Farnern).Tonige Gesteine, aus der Tiefe hochgepresst, tra-gen zur Fruchtbarkeit des bäuerlichen Bodens bei.Aus denselben Gründen ist die Südflanke rechtwasserreich. Am Bergfuss dagegen konnten schönfolgerichtig auf den geschützt erhobenen Schuttke-geln der Hangbäche und an ihrer Wasserkraft diebeiden Bipp, Wiedlisbach und Attiswil angelegtwerden. Oben aber auf der Kette ergaben dieentblössten Mergelhorizonte die saftigen Weide-hochtäler von Buechmatt, Hinteregg, Schmide-matt, Hofbergli und Teuffelen.

2,3 MolasseDer Begriff Molasse wird von lateinisch molareabgeleitet und bedeutet: das Gemahlene, Zerrie-bene, Gerollte. Die Bezeichnung soll indessendirekt von jenen Sandsteinen stammen, die alsMahlsteine in Mühlen Verwendung fanden.Molasse ist ein Sammelbegriff für Ablagerungenvon Urf lüssen: Gerölle, Sand und Schlamm wurdenin Jahrmillionen, unter dem Druck der überlagern-den Schichten, durch Kalkbindemittel zementiert

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Tabelle 2 Gliederung der Oberaargauer lVlolasse (nach Rutsch und Sch/¿ichter, 1973, vereinfacht)

Zeit- und G esteinsstuf en Alterin Mäch- VorkommenMio tigkeitJahren in m

Fossilien

Ahorn bis Huttwil Mastodon (Tschäppelb Huttwil)

Tortonien

Helvétien

Burdigalien

Aquitanien

Stam- Chat-pìen tien

Obere Süss-wassermolasse

Obere Meeres-molasse

ReidenPfaffnauStouffenbachOschwand

Murgufersüdl.von MurgenthalLochgrabenAareufer nördl.von WynauMùrgenthalSteìnbruchMùhlebühl/Aar-wangenKellenboden-wald beiWynauOberwynauRufshausenWynaubergevtl. Aare beiWynauOensingen

PectenTapesOstreaCardiumScute//a

Lamnawirbel und -zähne

ElomeryxminorAce rath e ri u m I e m a ne n seCa en oth e ri u m lat¡ cur ratu mTapirus brönnimanniD ic e rathe ri u m a pshaltenseD icerath e ri u m p I e u roce ros

ArchaeomysPlebecula ramondi

Plebecula ramondiCepaea subsulcosaPomatias antíquumElomeryx borbonicusArchaeomys sp.

Pomatìas antiquumPlanorbis cornuCepaea subsulcosa

?

Mio-zän 7

20 120

200

300

30

? Obere bunteMolasseWischberg-schichten

Kalksandstei'n

Untere bunteMolasse

AarwangerMolasse

500 Wischbergb. LangenthalSt. Urban

10025

UntereSüsswasser-molasse

Wynauer Süss-wasserkalk

Rupé-lien Untere

Meeres-molasse

zu neuen Gesteinen (Diagenese), zu Nagelfluh,Sandstein und Mergel. Solche Gesteine bauen zumgrössten Teil das schweizerische Mittelland auf,aber auch die angrenzenden deutschen und franzö-sischen Alpenfussgebiete, die Poebene und wei-tere Gebirgsvorländer der Erde. Unter der Molasseliegen die Schichten des Erdmittelalters, über ihrlagern eiszeitliche und nacheiszeitliche Bildungen.

Meere und Seen im Mittelland

Die Mittelland-Molasse entstand während des Ter-tiärs, vor 10-40 Millionen Jahren, im grossen Trog,der sich von den Alpen gegen Schwarzwald und

40

Vogesen ausdehnte (Abb. 27). Die Flussablagerun-gen standen in unmittelbarem Zusammenhang mitder Gebirgsbildung der Alpen, indem deren pha-senweise Falten- und Deckenbildung Senkungendes Vorlandes zur Folge hatte, worauf das Meereindringen konnte (Transgression), von Westen herdas Rhonetal hinauf, wle auch von Osten her.Unter zwei Malen trat das gewaltige Naturereignisvon Trogsenkung - Meeresüberflutung - Ablage-rung eln, wie die beiden mächtigen Schichtkom-plexe von unterer und oberer Meeresmolasserekonstruieren lassen. Dlesen Epochen marinerSedimente folgten Landzeiten oder solche vonSüsswasserablagerungen: Nach Hebung des Vor-

?

?

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Schwarzwald Al penVogesen

27 Schematisches Blockbild des tertiären M¡ttellandesMolassemeer mit alpinen Ürflüssen

landes trat das Meer zurück, und in grossen Seenkamen untere und obere Süsswassermolasse zurAblagerung. Als Überblick der zeitlichen undgesteinsmässigen Gliederung ist Tabelle 2 ge-dacht.Wie die alpinen Urflüsse ihr Material im Molasse-trog sortierten, finden wir heute die daraus entstan-denen Gesteine: die Gerölle, als schwerste Kom-ponenten, in riesigen Schuttfächern am Alpenrandverkittet zu Nagelfluh. Ein solches Delta, das derUr-Aare, ist das Napfbergland. Nordwärts wiegenSandsteine und Mergelvor, die letztern als charak-teristische Gesteine des tiefern Oberaargaus, wosie früher für zahlreiche Ziegelwerke ausgebeutetwurden. Wie unsere Landschafl zur Molassezeitausgesehen haben mag, hat Zimmermann (1969)anschaulich beschrieben :

<Solange bei uns die Bildung neuer Gesteineandauerte, d. h. in der mittleren Tertiärzeit, war dasLand recht eintönig. Zweitausend Meter hoheBergketten ohne markante Gipfel schlossen esnach Süden hin ab; vergleichbardem heutigen Juramündete hin und wieder auch ein Fluss aus einerArt Klus heraus. Gegen Norden stieg das Geländeganz unmerklich vom Molassemeerufer in denSchwarzwald hinüber an, vom Jura war noch nichtszu erkennen. Das Mittelland war ein grossesSchwemmgebiet. Beträchtliche Flächen, beson-ders am Nordrand, standen ständig unter Wasser,das allerdings nur selten den Salzgehalt des offe-nen Meeres erreichte.Da hinein tauchten gewaltige Schwemmfächer,über welche verwilderte Flüsse irrten, welche sichwährend der Hochwasser des Winterhalbjahresständig neue Wege bahnten, Altwasser hinterlies-sen und durch Schuttwälle ganze Gebieteabschnürten und zu Sumpf und See machten. Einerdieser Flüsse war die Ur-Aare, die vom Simplon herüber Grimsel- und Brüniggebiet floss und in derGegend des Entlebuchs ausmündete, einen beson-ders grossen Schwemmkegel aufschüttend.

Von dieser Landschaft sind heute kaum mehr Spu-ren zu erkennen. Schuld daran ist die seitherigegewaltige Hebung Zentraleuropas, die im Kern derAlpen einige Kilometer ausmacht, beim Napf nochmehr als tausend Meter und im Aaretal am Jura-fuss vielleicht noch 700 Meter. Und diese Auf-wärtsbewegung dauert heute noch an! lm Juralässt sich die Hebung nicht bestimmen, da das Ge-biet g leichzeitig gefaltet wu rde (i m späten Tertiä r). l

Gesteinszonen

Die zwischen Napfnagelfluh und Jurakalken gele-gene Molasse des Oberaargaus ist geologischrecht deutlich zweigetelti Am Aufbau des tiefernOberaargaus sind vor allem Mergel beteiligt, anjenem des höhern vorwiegend Sandsteine. Wasdie Tektonik (Gefüge und Lagerung der Schichten)betrifft, ist eine ähnliche Gliederung vorhanden:Der tiefere Oberaargau befindet sich in der subju-rassischen Faltenzone. Diese leichte Wellung derMolasse entstand im Zusammenhang mit derGebirgsbildung von Alpen und Jura und ist imGelände nicht herauspräpariert, aber im geologi-schen Profil Abb.28 deutlich erkennbar. Die Aareverläuft über der Falte von Wynau, Langenthal sitztauf der Falte von St. Urban. Südwärts klingen dieseWellen ab und gehen über in die flachliegendenMolasseschichten des höhern Mittellandes.Die Grenze zwischen den beiden Teilen des Ober-aargaus ist durch eine markante Geländestufegegeben. Da sie weitgehend den tiefern, von Gla-zialschutt bedeckten Oberaargau vom höhernMolasseland scheidet, bezeichnen wir sie alsMolassehügelgrenze. Diese wesentlichste geolo-gisch-morfologische Grenze im Oberaargau ver-läuft im allgemeinen südseits entlang der Zürich-Bern-Strasse von Kirchberg über Seeberg, Herzo-genbuchsee nach Langenthal. DerAnstieg überdieSchichtstufe zum höhern Oberaargau ist durch dierelativ harten Sandsteine der oberen Meeresmo-lasse gebildet, während im tiefern Oberaargau dievorherrschenden bunten M ergel sta rk a usgerä u mtwurden, insbesondere in der Eiszeit.Gerber (1978) hat eine geologische Neubearbei-tung der Oberaargauer Molasse vorgenommen,worauf sich weitgehend die folgenden Erörterun-gen abstützen, insbesondere auch bezüglich derAufschlüsse (Stellen, wo der Felsuntergrund sicht-bar ist, z. B. Bachrunsen, Terrassenränder oderAbbaugruben). Ein Blick auf die geologische Kartelässt erkennen, dass die einzelnen Molassekom-

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28 GeologìschesOuerprofilvomBipperJurazumNapf.'1 ObereSüsswassermolasse,2/3ObereMeeresmolasse,4UntereSüss-*assermòlasse, 5 Untere Meeresmolasse, 6Juraformation, T Kristallìner Untergrund. Vereinfacht n ach Baumberger(1934)u. a.

plexe in typischer Weise als von SÜdwest nachNordost streichende Gürtel und Stufen den Ober-aargau durchzlehen (Abb.29). Die Schichtkom-plexe liegen dachziegelartig übereinander, indemimmer der nächsthöhere, jüngere, dem ältern süd-wärts folgt, d. h. ihm aufgelagert ist. Gleichsam alsKappe sitzt obenauf der flache Kegel des Napf-schuttfächers (obere Süsswassermolasse).Die Molasseschichten fallen allgemein in leichterNeigung (mit 3 bis 10 Grad) gegen Sud-Südostenein, d. h. gegen die Alpen zu. Die Belastung durchdie randalpinen Deckenmassen hat diese Rücksen-kung veranlasst.Durch Flussarbeit erhielten die Sandsteinplateausdes höhern Oberargaus jene Hügelzüge, die imweitern Sinne als Napf-Ausläufer angesprochenwerden können. Das randlich zum Napf gelegeneBergland der Lueg stellt ein sekundäres Bergzen-trum dar, dessen Ausläufer ebenfals in den Ober-aargau ziehen.Ein Blick über die Buchsiberge zeigt deutlich die inPlateauberge zerlegte Landschaft. Ziehen wir eineVerbindungslinie über die Hochfläche, so weist sieeine allgemeine Neigung dem Jura zu auf, die imGegensatz zum Einfallen der Schichten gegenSüden steht. Es liegt eine Gegenläufigkeit, eineDiskordanz, zwischen innerem Bau und äusseremBilde vor, was in den Profilen von Abb.28 und 29augenfällig wird: Die Molasseschichten werdenunter spitzem Winkel von der Landoberflächegeschnitten, die demnach eine Erosionsfläche dar-stellt.Dieser landschaftlichen Grossgestaltung ist ein rei-cher Detailformenschatz untergeordnet. So führtinsbesondere die Wechsellagerung von <wei-chen> Schichten und solchen aus erosionswider-ständiger Molasse zu verstärkter Wirkung derselektiven (auswählenden) Erosion: Mergelhori-zonte bilden flache Böden und Terrassen, dazwi-schen steigen Stufen aus Sandstein oder Nagelfluhan, nicht selten durch kleine Wasserfälle verziert.

Rippenstruktur ist immer wieder an Wegrändern, inBachtobel n oder verwitterten Steinbrüchen aufge-schlossen (Abb.30).Dem Alter nach beginnt die Stratigrafie oderSchichtenkunde am Jurafuss mit der unterenMeeresmolasse (Alttertiär). Ob diese im Raum derAa re (Aarwangen-M u rgenthal) vorkommt, ist woh I

fraglich. (Einzelne Autoren glaubten, sie im Aare-bett nachgewiesen zu haben.)Die untere Süsswasse rmolasse ist längs der Ober-aargauer Aare, und vor allem auch im Flusse selbst,durchwegs aufgeschlossen. Es finden sich Mergelund in der <Aanuanger Molasse) vor allem Knauer-Sandsteine. Zu dieser Zeit bestanden im Mittel-landtrog Schwemmlandebenen mit Seen, worin eszur Bildung von Süsswasserkalken kam (Wynau).Die untere Süsswassermolasse wird abgeschlos-sen durch die bunten Mergel der Wischbergschich-ten von Langenthal, deren berühmte Säugerfundegleich zu besprechen sind. (Zu beachten ist, dassdie Aqultanstufe neuerdings dem jungtertiärenMiozän zugezählt wird.)Sobald der Mergelfreigelegt ist, vermag erWasseraufzusaugen, wobei er quillt und in eine tonigeMasse zerfällt. Deshalb ist der Mergeluntergrundzumeist humus- und vegetationsbedeckt, Auf-schlüsse sind selten. Mergel sind stark wasser-undurchlässig, weshalb sich auf ihnen Ouellhori-zonte bilden. Mergelgesteine fallen leicht der Ero-sion anheim und geben Anlass zu weichen Landfor-men, zu flachen, oft rutschgefährdeten Gleithän-gen und zu Vertiefungen. Der tiefere Oberaargauals Ganzes stellt sozusagen eine in tonigen Gestei-nen ausgeräumte Talung dar.

Napf S

29 Schema der Molassestufen im Oberaargau

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30 Sandstein-Aufschluss am Strässchen Loch-RiedtwilSchichtenpräparation durch auswählende Erosion

31 Profil aus dem grossen Steinbruch südwestlich LindenAus Gerbe¿ 1978

Homogener, gelber Sandstein mit harten,hellgrauen Bänken, an der Basis vereinzelteingeschwemmte Holzreste

Sandstein mit härtern Bänken, z.T. fossil-reich, mergelige Linsen, einzelne Mergel-gerölle und Geröllschnüre, Holzreste, Rìp-pel und Kreuzschichtung. Gegen Basis inGeröllhorizont übergehend

Plattiger, harter SandsteinGraugelber Sandstein mit Knauern undhärtern Bänken sowie mergeligen Lagenund Bändern

Kompakter Knauersandstein mit vielenmergeligen Einlagerungen, stellenweiseFlasertextur

Massiger Sandstein

Knauriger Sandstein mit viel Pflanzen-häcksel, z.T mergelig

Die obere Meeresmoiasse stammt von einer über-flutung, die den ganzen Molassetrog erfüllte; derSalzgehalt wird mit 30-40% NaCl angegeben. lnBänken von Muschelsandstein können unzähligeFossilreste aufgesammelt werden; der Paläonto-loge bezeichnet sie als <individuenreich, aberartenarm)). Die Burdigalienstufe istvon den Buchsi-bergen ins Langetental zu verfolgen, und überallwurden ihre recht harten Sandsteine ausgebeutet.Am Steinenberg befand sich sogar eine Grube furM uhlestein e (Sch malz, 1 966). Die <Typlokalitäten ))

der Steinbruche beidseits von Madiswil führten zuden lokalen Bezeichnungen (Bisig-Stein> und <Hir-seren-Steinr. So ist im Protokolldes Kirchturmbausvon Madiswil, 1810, zu lesen:

Wie stolz ist dieser Thurm geziertM it H irsernsteinen aufgef ü hrt.

Bereits zur Helvétienstufe werden die durch Nagel-fluhhorizonte unterteilten Sandsteine im Gebietzwischen Leimiswil und Ochlenberg gezählt(Abb.31). Ein schönes Beispiel stellt der grosse

32 Nagelfluh und Sandstein in der Kiesgrube zwischen Fer-renberg und Friesenberg

3r--å

32

Sandstein vom < lVlösli-Typusl

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Steinbruch südwestlich von Linden dar, den Gerber(1978) wie folgt beschreibt: < An der Basis desAufschlusses sehen wir Sandsteine, darüber folgtein rascher Wechsel von Sandsteinen, Mergelbän-dern, Geröllschnüren und Muschelsandsteinen.Beachtenswert sind die Sedimentstrukturen, dieviele Aussagen über das Ablagerungsmilieu erlau-ben. Aus Rippeln lässt sich die Fliessrichtung dermarinen Strömungen bestimmen. Flaser-Struktu-ren, wie sie in Linden ausgebildet sind, könnenheute in Gebieten mit Wattenmeercharakter beob-achtet werden und lassen auf wenig tiefes Wasserschliessen. Auch andere Beobachtungen (einge-schwemmte Hölzer, Pflanzenhäcksel usw.) weisendarauf hin, dass zur Zeit, als diese Gesteine ent-standen, ein wenig tiefes, landnahes Meer mitbrackischem Charakter herrschte. lln die obere Sússwasse rmolasse des Napf massivshinein reicht der Oberlauf der Langete. Hier hat diejungtertiäre Ur-Aare ihren alten, riesigen Schutt-fächer abgelagert. Sein Kegel aus <bunter Nagel-fluh> wurde durch starke Flusserosion zum charak-tervollen <Land der Gräben und Eggen> modelliert.lm höhern Mittelland wird aus NagelfluhgrubenKies ausgebeutet (Abb.32). Über die < Kiesel-steine> der Nagelfluh schreibt Gerber (1978):<Sehr interessant ist die Beheimatung der einzel-nen Gerölle, die durch Flüsse aus den werdendenAlpen ins Molassemeer transportiert wurden. Her-kunftsgebiet der roten und grünen Granite ist dasBernina-Err-Albula-Gebiet. Schwieriger oder un-möglich zu lokalisieren sind Gesteine wie Gang-quarze und Ouarzite, die nicht typisch sind für eineDeckeneinheit in den Alpen.>

Die Säugerfunde von Langenthal

Am Wischberg oder Hochrain südwestlich vonLangenthal befanden sich die Lehmgruben derehemaligen Ziegelwerke (Abb.33). Ausgebeutetwurden die bunten Aquitan-Mergel der unterenSüsswassermolasse, die stellenweise überaus rei-che Farbnuancen aufweisen, von rot über violett-blau - grün bis gelb und braun. Dies ist heute nochin den entsprechenden Schichten des Rottäli zubeobachten, so in der Grube der Zlegelei Roggwilbei St. Urban.Ouasi als Nebenprodukt der Lehmausbeutung wur-den wesentliche Fossilfunde gemacht. Die Lan-genthaler (Lätti)) am östlichen Wischberg gilt alsTyplokalität, als eine der bedeutendsten Fundstel-len von Säugetieren aus dem Aquitan (Abb.34, 35).

Der Name <Wischberg-Schichtenrr ist als Begriff indie geologische Literatur eingegangen. Nach demlangjähringen Betreuer von Fundstelle und Sam-melgut, Friedrich Brönnimann, wurde eine hier neugefundene Tierart bezeichnet. Dazu die Speziali-sten Schaub und Hürzeler (1948): trEs handelt sichum eine neue Art von der ungefähren Grösse desTapirus helveticus, die bisher nicht benannt wor-den ist. Wir schlagen vor, sie inskünftig alsTapirusB rö n n i man n i zu bezeich nen. >

Einem Fundbericht von Fritz Brönnimann ist zuentnehmen: <Um Ostern 1936 konnte in der Mate-rialgrube der Ziegelei in etwa 8m Tiefe ein grosserFund gemacht werden. Es zeigten sich schon aufeiner Strecke von 10m vor der HauptfundstelleKnochenteile, die leider nicht gemeldet wurden.Am Samstag vor Ostern aber kam ein schönbezahnter Unterkiefer links ans Tageslicht. Leiderwurde er aus Unwissenhe¡t völlig zertrümmert' Dahörte der Sohn des Direktors, Nerr Fritz Hämmerli,von dem Fund; er sammelte einige Trümmer undberichtete mir. Noch am gleichen Tage hoben wirdie Oberkieferzähne und die linke Hälfte des Schä-dels mit sehr gut erhaltenem Nasenbein. Der ober-ste Teil dieser Schädelhälfte lag zerbrochen in derSchicht; aber wir sammelten vorsichtig auch diekleinen Splitter. lch berichtete sofort nach Bern.Am Montag gingen wir mit Herrn Dr. Ed. Gerbernochmals ans Werk. Zum Schluss hoben wir nocheine Platte, die Fossilspuren aufwies und auf dieHerr Fritz Hämmerli hingewiesen hatte. Plötzlichentfuhr allen wie auf Kommando ein Schrei, dennwir deckten den vollständig erhaltenen Unterkieferrechts eines Rhinoceriden ab. Feuchtglänzend lagder rötliche Kieferknochen, über einen halbenMeter lang, mit schwarz leuchtender Zahnreihe,die zwtschen dem ersten Vorbackenzahn und demlangen <rStosszahn)) vorne eine Lücke zeigte, voruns. Unter der kundigen Leitung des Herrn Dr'Gerber wurde das Stück eingegipst und der präch-tige Rest eines sympathischen Säugetieres, dasetwa vor 50 Millionen Jahren dort seinen Erdenlaufbeschlossen hatte, aus dem von der Natur bereite-ten Sarkophag gehoben.lDer erste Fund wurde 1931 am westlichen Wisch-berg, in der Sängeligrube, gemacht. Die Knochenund Zähne stammten vom <hornlosen Nashorn>Aceratherium, das der berühmte PaläontologeStehtin als <Rhinoceride von Langenthal> bezeich-nete. lm Lauf der Jahrzehnte konnten sodanninsgesamt 19 Säugetierarten nachgewiesen wer-den. Die Fundstücke des <paarhörnigen Nashornsrr(Diceratherium asphaltense) und des <kleinen Nas-

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33 Die <Lättir am Wischberg,Langenthal um 1936.Lehmgrube der damaligenZiegelwerke und bedeutendeFossilf undstelle.Foto Ed. Gerber, Bern

34 Nashorn-Kieferknochen vomWischberg. Geologische Samm-lung des Museums Langenthalund Naturhistorisches lVluseumBern

35 Das <Langenthaler Nas-hornr Modell von MarianneSchläfli nach Rekonstruktionvon Präparator G. Ruprecht,Naturhistorisches MuseumBern. Natürliche Widerristhöheca. 1,5 m.Foto Th. Schwärzel, Burgdorf

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hornsr (Diceratherium pleuroceras) stellten Neu-funde für unser Land dar. Bedeutungsvoll warsodann das Zutagefördern von schön erhaltenenSchildkröten, die der neuen Spezies von Ptychoga-ster reinachi zugeordnet wurden (Bräm, l9S2) Als<hochinteressanten Fund> beschrieb Schaub(1948) den eines Elomerix, eines Zweihufers vonder Grösse einer Ziege. All diese Versteinerungenvon Tieren und Pflanzen - darunter auch prächtigerhaltene Blattabdrücke der Fächerpalme - bezeu-gen für die Tertiärzeit in unserer Gegend ein subtro-pisches Klima.Die Wischberg-Fossilien sind die wertvollstenStücke des Heimatmuseums Langenthal, dessengeologische Sammlung sie zu überregionalerBedeutung brachten; auch die grossen Museenvon Bern, Basel und Zürich bezogen die meistenihrer Aquitansäuger von Langenthal.

2.4Yersteinerungen aus Jura undMolasse

ln andern Kapiteln wird verschiedentlich auf dieerdgeschichtliche Lebewelt der einzelnen geologi-schen Epochen hingewiesen. So fanden die spe-ziellen Wischbergfunde eben ihre WLirdigung, jeneder Eiszeit kommen im entsprechenden KapitelzurSprache. Zu Übersicht und zeitlicher Einordnungder Versteinerungen oder Fossilien dient Tabelle 1

(lat. fossi I is - a usgeg raben). Nachd rückl ich erwähntseien die einschlägigen Arbeiten von Bieri (1974,1978), Brönnimann (1937, 1958), Büchi, WienenHofmann (1967), Gerber (1978) und Bühler (1980).lm folgenden geht es um die Entstehung derVersteinerungen, die Fossilisation, und insbeson-dere um jene Fundstellen, wo auch der Laie undsogar der Anfänger mit Sicherheit fündig werdenkann.Als erdgeschichtliche Zeugen liefern Versteinerun-gen wesentliche Angaben zur geografisch-geologi-schen Landschaftskunde. Die Paläontologie oderVersteinerungskunde ist zudem ein besonders reiz-volles Fachgebiet zwischen Asthetik und Wissen-schaft, zwischen Staunen und Verstehen. Vielfaltund Schönheit in Farbe und Form derVersteinerun-gen lassen auch den <einfachen Mann aus demVolker zum erfolgreichen Sammler werden, wobeiBruchteile von Fossilien ebenso wertvolle Fundesein können wie Stücke aus Sternstunden(Abb.36).

Ohne gewisse Kenntnisse über Schichtenbau,Anstehendes (der sog. gewachsene Felsunter-grund) und Orte, wo das anstehende Gesteinzutage tritt (Aufschlüsse), kommt auch der Laiebald nicht mehr aus - obwohl reine Zufallsfundemithin besonders glückhaft empfunden werden.Sehr zu empfehlende Requisiten des Fossilien-sammlers sind neben einem währschaften Ham-mer topografische und geologische Karte. Letztlichaber wird über den Erfolg stets ein gewisserbeharrlicher Spürsinn entscheiden, wie ihn Kinderund andere findige Leute besitzen. Bei offenemAuge und Sinn kann er sich zu einer besonderenpersönlichen Fähigkeit entwickeln, und es istbezeichnend, dass diese gerade oft bei einfachen,naturverbundenen Menschen, in die der zündendeFunke fiel, zu finden ist.

Entstehung von Sedimenten und Versteinerungen

Über die allseits wirksame, landschaftsverän-dernde Erosion befördert die Schwerkraft, unter-stützt durch Wasser, Wind, Schnee und Eis dieStoffe in Vertiefungen der Erdoberfläche, wo siewieder abgelagert, d.h. sedimentlert werden. lnden meisten Fällen geschieht dies im Meer, dochkönnen die Verwitterungsprodukte auch schonunterwegs in Senken, Süsswasserseen oderTälern abgelagert werden, was auch f ür die Verstei-nerungen gilt.Alle Sedimente sind zunächst locker. DerWeg zumverfestigten Gestein führt uber die sog. Diagenese.Dazu gehören die Auspressung von Wasser, Kri-stallisation, Ausfüllung der Poren mit Bindemittel(2.8. Calziumkarbonat, Tonerdeminerale, Kiesel-säure usw.), diese Umwandlung oder Metamor-fose geschah und geschieht bei hohen Temperatu-ren, unter riesigem Druck in unvorstellbaren Zeit-räumen.Je nach Entstehung unterscheidet man dreigrosseHauptgruppen von Sedimenten:- klastische Sedimente oder Trümmergesteine- chemische Sedimente- organogene SedimenteDie ersteren bestehen, wie der Name sagt, ausTrümmern von kleinstem bis zu grossem Korn, diedurch Bindemittel, z.B. Kalk oder Kieselsäure,zusammengekittet sind. Bei der zweiten Gruppeder chemischen Sedimente erfolgt eine Ausfällungauf chemischem Wege, z. B. Kalksandstein, Gips,Steinsalz. Die organogenen Sedimente bestehenzu einem überwiegenden Prozentsatz aus tieri-

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schen oder pflanzlichen Rückständen plus Binde-mittel.Sedimente können sich in Meeren, Seen, Flüssenoder auf dem Festland bilden. lm Verlaufe derJahrmillionen kam Schicht um Schicht auf die orga-nischen Überreste; die verschiedenartigsten For-mationen verfestigten sich.Fossile Überreste können die verschiedensten For-men aufweisen: Sie kommen vor als Steinkerneund Ausgüsse von Schalen und Gehäusen, alsAbdrücke und Umrisse ihrer Form, als Negativeund Positive, als Schalen- und Panzerexemplare,deren Substanz sich während der Fossilisationspe-riode chemisch umgewandelt hat, in der Form aberso erhalten geblieben sind, dass wir die Uberrestein die richtigen Tierklassen oder Tiergruppen ein-stufen können. Die wenigsten Organismen wur-den als Fossilien erhalten, denn in der Regel wer-den Lebewesen nach ihrem Tod rasch vernichtet.Besonders Weichkörper verwesen bald.lm folgenden zitieren wir zum komplizierten Fach-gebiet der Fossilisation auszugsweise Wegner(1965). <Die Versteinerungen liegen im Normalfallin einer Einbettungsmasse, die sie mehr oderweni-ger fest umgibt. Einbettung und Erhaltungszu-stand sind somit eng miteinander verknüpft. Erstder möglichst schnelle Einbettungsprozess ergibteine ausreichende Fossilisation, da der Sauerstoff,den viele Bakterien, aber auch Aasfresser benöti-gen, vom Fossil abgehalten wird. Jedes Fossil stelltsomit eine Ausnahme dar, das der Zersetzung undVerwitterung entgangen ist.Die Hartteile ergeben die zahlreichsten Fossilien.Durch Kalziumkarbonatablagerung entstehen dieSchalen der Muscheln. Nicht nur die Weichteileunterliegen der Zerstörung nach dem Tode, son-dern auch die Hartteile erfahren trotz günstigerEinbettung eine mehr oder weniger starke Verän-derung. Zuerst werden die organischen Bestand-teile (Chitin, Chondrin usw.) herausgelöst und nurdie später eingelagerten anorganischen Mineral-salze bleiben zurtick.Mit der Stärke der Ablagerung steigt die Tempera-tur, entsprechend der geothermischen Tiefenstufedurchschnittlich um 3 Grad Celsius bei 100 MeternTiefe. Dadurch erhöht sich die Temperatur desGrundwassers, das verstärkt auslaugend wirkt.Besonders die im Tonschiefer oder Ouarzit einge-schlossenen Kalkfossilien, aber auch jüngere Ab-

< 36 Turmschnecke, Koralle, Seeigel und Muschel von Hof-bergli-Schmidematt. Bütikofer-Sam mlung der Seku ndar-schule Wiedlisbach. Foto H. Scheidiger, Langenthal

37 Versteinerungen von Teuffeleweid, Wauleralp und Hof-bergli: Gryphäenmuschel, Ammonit (Negativ) und Armfüss-ler. Zeichnung Rolf Bär, Langenthal

lagerungen, werden sehr bald aufgelöst, wobei nurder Stelnkern, der aus dem Einbettungsmaterialals Hohlraumausfüllung besteht, aber auch derAussenabdruck des Tieres im Gestein übrig-bleiben.l

Fundstellen im Bipper Jura

Versteinerungen aus dem Juragebirge, insbeson-dere jene von Herznach im Fricktal, sind welt-berühmt geworden durch ihre Zahl, Vielfalt undSchönheit. Sie zieren die grossen Museen in allerWelt. Hinweise für den lokalen Sammler geben mitebenfalls sehr schönen Stücken die Nünlist-Samm-lung auf Schloss Alt Falkenstein, Balsthal, dasHeimatmuseum Langenthal und die Schulsamm-lungen der Sekundarschule Wiedlisbach (Bütikofer-Sammlung) und des Seminars Langenthal. Sozu-sagen überall am BipperJura zwischen Hofbergli-Schmidematt und der Klus von Balsthal sind Fossil-funde zu machen. Die folgenden Stellen erachtenwir als besonders empfehlenswert (Abb.39).

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38 Ammonit vom Leberberg. Bütikofer-SammlungWiedlisbach Foto H Scheidlger, Langenthal

Fundstelle Hofbergli, Gunsberg SO: Erosionskes-sel (ähnlich einem Wildbach-Einzugstrichter) unter-halb des Weges Balmberg-Gasthaus Hofbergli(Willi Ritschard Weg)-schmidematt. Zugang vonder östlichen Seite gut; vom Wege herab gefähr-lich, da mit steilen Felsbändern durchsetztl Kalk-bänke und Schutthalden (Steinschlaggefahr). Koor-dinaten 609 500/235 400. Kalke und Mergel vonMalm (vor allem Argovien) und Dogger.Fundstelle Teuffelenweid, Farnern: Felswand imWald östlich des Weidhofes Teuffelen, unterhalbBättlerchuchi (Zugang vom Brunnen am östlichenWeidgatter über Fussweg aufwärts). 10 bis 20mhohe Austernbank, gespickt mit Gryphäen-Muscheln (Abb.37). Koordinaten 612 3001235 400.Kalke des Doggers und vor allem des Lias.Fundstelle Schorenweid, Rumisberg: Felsbandunterhalb Hinteregg-Strässchen, von dort und vonunten her (ab alte Gipsgrube in der Trias (!) zwi-schen den Höfen Schorenweid und Lucheren) mit

etwas Mühe erreichbar, starke Verwachsung.Koordinaten 6145001236000. Kalke und Mergelvon Dogger und Lias.Fundstelle Walden, Wolfisberg: Kleine Felsbänder,Bachanrisse und vor allem Aufschlüsse an neuemWeg oberhalb des Weilers Walden. Koordinaten617 6001236 500. Kalke und Mergel von Doggerund Lias.Fossilfunde: Durchwegs lassen sich an dengenannten Stellen die folgenden Versteinerungenals häufigste Vertreter aufheben oder heraus-sch lagen:Ammoniten oder Ammonshörner: Tintenfische(Kopff üssler).Belemniten oder rr Donnerkeiler : Harttelle vonlanggestreckten Tintenfischen.Muscheln: ähnliche Arten wie unter Molassefossi-lien erwähnt, dazu besonders die Auster Gryphäaarcuata (Leitfossil des Lias).Schnecken : vor al lem Turritel len (Tu rmschnecken).Seeigel (vor allem Stacheln von solchen) und See-lilien: Stengelglieder, Wurzel- und Kelchf ragmente(Echinodermen).Korallen, z. B. Becherkorallen.Brachiopoden: (Armfüssler) Rhynchonellen undTerebrateln.Wu rm röh ren von Borstenwürmern.

39 Topografische Skizze des BipperJuras mìt Fossilfundstel-len Hinteregg, Teuffeleweid und Hofbergli-Schmidenmatt

ntereggdem

Hofbergl¡Teuffelen

Ba lm berg Ru m isberg

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Tabelle 3 Die fossilreichen Muschelsandstein-Schichten des Oberaargaus

Muschelsandstein lll

'OberesBurdigalien Muschelsandsteinll

UnteresBurdigalíen Muschelsandsteinl

Ried h o lz

RiedtwilSchmidigen

Kappelenbad

0 500 1000m

Ochlenberg

Südlich undsüdöstlich Thörigen

Wied lisbach

Ursenbach

38

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Fundstellen in der Molasse

Über die versteinerungsreichen Molassestufendes Oberaargaus mit t<sicherenr Fossilfundstellengibt Tab. 3 von Gerber (1978) Auskunft.Fundstelle Linden, Ochlenberg/Leimiswil: Örtlich-keiten siehe Kartenskizze Abb.40. Alte, grosseStelnbrüche im Wald oberhalb von Neuhaus, sehrgut zugänglich (Abb.41 ), Koordinaten 623 7001222200. Dazu verschiedene kleine Gruben undAnriss-Aufschlüsse in der nahen Umgebung desWeilers Linden. Obere Meeresmolasse, Helvétien.Fu ndstel le Loch, Oschwand : Ka rtenskizze Abb. 42.Glanzmann-Steinbruch der <Schwarzen Perlen vonOschwand( (Abb.43); am Waldrand beim WeilerLoch, halb verwachsen, doch gut zugänglich. Koor-dinaten 620 2251220 425. Obere Meeresmolasse,Burdigalien.Ahnlich der Fundstelle Loch sind diejenigen vonStouffenbach, nahe der Käserei. Koordinaten6223151222 000. Dazu schreibt Gerber (1978):<Dieser Muschelsandstein ist reich an Geröllenund Fossilien. Neben versteinerten Muscheln fin-den wir Haifischzähne und Überreste von Schild-chenseeigeln (Scutella paulensis Agassiz). Auffal-lend sind grüne, weiche Körper des Minerals Glau-konit, das typisch ist für Sedimente, die im Meerabgelagert wurden. ln den obersten Schichten desMuschelsandsteins finden wir <Schwarze Perlenr(Abb.43).,,Die Geschichte der <Schwarzen Perlen> (oder<Glanzmannsche Kugeln>) ist von Bier| 1977,nacherzählt worden. Entdecker war Ernst Glanz-mann, Loch/Oschwand, der In seinem Sandstein-bruch 1960 die ersten Funde machte. Er betrach-tete sie als <versteinerte> Perlen, und in der Tatwurde auch Schmuck daraus hergestellt. NachBüchiu.a. (1967) drlrfte es sich um Koprolite, d.h.um versteinerte Exkremente (Kotballen) von See-igeln handeln.

40 Topografìsche Skizze der Fossilfundstellesüdwestlich von Linden. Grosser Steìnbruch oberhalb desSträsschens Linden-Ochlenberg

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Leim¡swil

Fundstelle Bisig, Madiswil: Alte Steinbrüche undErosionsrand, vor allem im Gumpele-Tälchen sÜd-lich von Oberi Bisig. 200m lange Bänke. <Typlokali-tät> des in der Gegend namengebenden Sand-steins < Bisigstei> (ehemals häuf iger Baustein).Koordinaten 626 0001223 450. Weitere Angabenwie zu Loch/Oschwand und Stouffenbach.

41 Muschelsandstein aus dem grossen Steinbruch Linden,gefunden von H. Frautschi Foto H. Scheidiger, Langenthal

Riedtwil 0 500m

fi42 f opografische Skizzeder FossilfundstelleSteinbruch Glanzmann,Loch/Oschwand

Fundstelle Färech, Madiswil: Sandsteinbruch imWald östlich von Madiswil, unterhalb des WeilersGhürn; in Landeskarte der Schweiz, 1 :25000, Blatt1 128 Langenthal, als Felsstufe kartiert. Über Wegab Strasse Färech-Ghürn gut zugänglich. Derabge-baute Muschelsandstein wird lokal als <Hirsere-stel> bezeichnet. Koordinaten 628 9001224 500.Weitere Angaben wie zu Loch/Oschwand undStouffenbach.Funde: Versteinerungen aus der Molasse sindsowohl in den grossen Naturhistorischen Museen(2. B. Basel, Bern, Zürich) ausgestellt, wie auch imHeimatmuseum Langenthal und in der Schul-sammlung des Seminars Langenthal. ln den obenangeführten Aufschlüssen sind im allgemeinen diein Tabelle 2 angegebenen Versteinerungen anzu-treffen.Fundstellen an der Aare: Steinbrüche und Ero-sionsanschnitte am Terrassenabfall zur Aare, nord-und sudseits, heute vor allem noch aufgeschlossen

Lochi

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0 10 20 30 40 50m

Thörigen

39

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43 Fossilien aus Muschelsand-steinen des höhern OberaargausHaifischzähne und <SchwarzePerlen von Oschwand>(Glanzmann-Grüebli, Loch).Natürliche Grösse.Foto H. Scheidiger, Langenthal

im Wald bei Schrännen, Oberwynau, als typischeKnauer-Molasse (Koordinaten 625 900/233 200)und im Kellenboden, Wynau, unterhalb von Birch,teils direkt am Aareufer (nur bei Niederwasser zubegehen). Dies gilt ebenso für das nordseitigeWolfwiler Ufer, vis-à-vis von Birch. Weitere Fund-stellen siehe bei Brönnimann (1966). Stufe: UntereSüsswassermolasse, Stampien.Als Funde aus dieser <Blättermolasser¡ (Abb.44), inder geologischen Literatur unter <Aanruanger-schichten¡r bekannt, kommen vor allem Blattab-drücke auf Sandsteinplatten in Frage. Nach Brönnr-mann (1937) konnten an der Aare zwischen Aar-wangen und Murgenthal, vor allem aber in derehemaligen Mülibüelgrube (Aarwangen) 28 ver-schiedene Pflanzenarten nachgewiesen werden,so Eiche, Fichte, Zimtbaum, Kampferbaum, Lor-beer, Ahorn, Hagebuche und Weiden. - Brönni-mann erwähnt 1937 auch den Fund eines Kohlen-tiers Anthracotherium von der Mrilibuelgrube undsolche der Landschnecke Helix oxystoma bei Birch,Wynau.

2.5 Eiszeit

ln der Eiszeit wurden im wesentlichen die Formenund der Charakter unserer Landschaft begründet.Der tiefere Oberaargau mit den Endmoränen desletzteiszeitlichen Rhonegletschers ist die Heimatglazialgeschichtlicher Typlokalitäten, haben dochbedeutende Eiszeitforscher wie Penck, Brückner,lVussbaum, Graul und Zimmermann hier gear-beitet.

Die Eiszeittheorie

Weltweite Eiszeiten sind im Laufe der Erdge-schichte mehrere aufgetreten, so vor allem imPräkambrium, Perm-Karbon und Ouartär. Um dieseletztgenannte grosse Vereisung, die wesentlich zurGestaltung auch unseres Alpenlandes beigetragenhat, geht es im folgenden. Die Zeitepoche wirdgemäss Tabelle 1 als P/erstozän bezeichnet; derentsprechende ältere Begriff, der indessen nochweithin gebräuchlich ist, lautet Diluvium, was Sint-flut bedeutet. Denn nach früherer Auffassungwaren es gewaltige Wasserfluten, die beispiels-weise für den Transport der Findlinge verantwort-lich gemacht wurden.Seit dem bahnbrechenden Werk von Penck undBrückner (1909), <Die Alpen im Eiszeitalteru, wer-den vier klassische Eiszeiten unterschieden(Abb.45): Günz, Mindel, Riss und Würm.

44 Blättermolassevom Aareufer bei Wolfwil.Sammlung W. Multerer,Langenthal.Foto Hans Zaugg, Langenthal

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Ze¡tliche Gliederungim alpinen Vereisungsgebiet

Gün/Mindel-lnterglazial

Günz-Eiszeit

? Donau-Eiszeit

? Biber-Eiszeit

45 Zeitlìche Gliederung und Klimakurve des OuartärsNach verschìedenen Autoren, aus Hantke, 1978

ln der reichen Literatur finden wir Angaben überzwei bis rund zehn Eiszeiten. lm Oberaargau konn-ten bisher deutliche Spuren nur für die beidenletzten Eiszeiten Riss und Würm nachgewiesenwerden. Das Ende des Eiszeitalters wird mit 1 0 000bis 20000 Jahren angegeben, der Beginn mit 1 bis

46 Zeìchnung von P. Hürzeleraus dem rrNebelspalterrr,mit dem Kommentar: Die Zeitschrift <Alpen> meldet, dassdie Gletscher wachsen

2 Millionen Jahren (dies entspricht der klassischenZahl von 600000 Jahren).Unmittelbare Ursache der Eiszeiten sind Klima-schwankungen. Nach der Theorie fÜhren Tempera-turschwankungen von 5 bis 10 Grad gegenüberdem heutigen Durchschnitt zu Vorstössen der Alp-engletscher bis ins Mittelland hinaus. Die astrono-mischen Grundursachen (Achsenstellung, Erd-bahn) sind noch heute nicht abgeklärt, ihr <ErgrÜn-den ist noch immer Ziel einer intensiven For-schung> (Hantke, 1 978).Einer der wissenschaftlichen Begründer der Eis-zeit-Theorie war der Walliser lngenieur lgnazVenetz. Hoch in den Seitentälern des Wallis erhielter nach zwei Jahrzehnten Beobachtens und Uber-prüfens Gewissheit über Gletscherbewegung undBlocktransport; dann verfolgte er die ältern Morä-nen, als Zeugen der Gletschervorstösse, weiter bisins Alpenvorland hinaus.Gerber und Schmalz (1948) berichten dazu:<Venetz teilte seine Gedanken dem Geologen Jeande Charpentier mit, der als Direktor der Salinen vonBex tätig war. Dieser hielt sie vorerst als <réelle-ment folle et extravaganter (<vollständig verrücktund ausgefallenr). Er gedachte, seinen Freund vondiesem lrrtum abzubringen und machte sich selbst

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an die genaue Erforschung. Diese aber führte ihnumgekehrt gerade zu der gleichen festen überzeu-gung seines Freundes Venetz: Nur mit der Eiszeit-Theorie war die Frage der Findlinge und der Mittel-land-Moränen zu lösen.Der Jahresversammlung der SchweizerischenNaturforschenden Gesellschaft in Luzern, 1834,legte Charpentier seine Ergebnisse vor. Auf demWege dorthin kam er auf der Brünigstrasse miteinem Holzer aus Meiringen ins Gespräch. Alsdieser sah, wie der fremde Herr einen am Wegeliegenden Granitblock betrachtete, sagte er ihm:<Solche Steine hat es viele hier oben; aber siekommen von weit her, von der Grimsel; denn es istGeisberger, und die Berge hier sind es nicht.¡ Aufdie Frage, wie denn diese Steine hierher gelangtseien, antwortete der Meiringer ohne Zögern: <DerGletscher von der Grimsel hat sie hergefuhrt; denndieser reichte einst bis zu der Stadt Bern; dasWasser hätte sie nicht hier oben, so hoch über demTal, ablagern können.rWelch ein Zusammentreffen! Der berühmte Pro-fessor, der seinen Vortrag über die Gletschertheo-rie in der Tasche trägt, hört von einem nameniosgebliebenen Holzer mit grösster Selbstverständ-lichkeit die Ansicht aussprechen, um die sich dieGelehrten noch einige Jahre strelten, bis sie zumerkannten Wissensgut der Welt gehören wird. -Charpentier traf auch im Ferret-Tal und in derGegend von Yverdon Bauern, die aus eigenerBeobachtung und Überlegung den Blocktransportden Gletschern zuschrieben. Möge diese Tatsacheden Unstudierten auch heute Mut zu eigenemDenken verleihen - und die Gelehrten vor üi¡er-schätzung ihrer Bildung bewahrenl Hoch erfreuthat Charpentier damals am Brünig mit dem unbe-kannten Holzer ein Glas getrunken und angestos-sen auf die Erhaltung der Findlinge.>Was neuere Forschungsarbeiten über die eiszeitli-chen Verhältnisse des Oberaargaus betrifft, sei aufBeck (1957), Graul (1 962) und Zimmermann (1 9G3/1969) verwiesen. Hans Zimmermann, der leiderFrühvollendete, hat sowohl fundiert wie anschau-lich-phantasievoll die Eiszeitgeschichte des zentra-len Mittellandes beschrieben. lnsbesondere seinArtikel im ((Jahrbuch Oberaargaur 1969 ist zuempfehlen. Zudem sei hervorgehoben das neuezweibändige Handbuch von R. Hantke (1978,1980): Eiszeitalter.Die Molasse bildet den Felsuntergrund, den inne-ren Bau unserer Gegend; das äussere Bild aberwurde entscheidend in der Eiszeit geprägt. Dies giltinsbesondere für den tiefern Oberaargau, wo die

47 Gekritztes Geschiebe, Alpenkalk aus der BützbergerEndmoräne mit Schrammspuren des Gletschertransports

schöne glaziale Serie - Endmoränenbögen, dahin-ter Zungenbecken und davor Schotterfelder - dieNaturlandschaft gestaltete. Zahlreiche Findlings-blöcke sprechen eine beredte Sprache; zudemlassen sich <gekritzte Geschieber finden, alpineGesteinsbrocken mit Reibungsspuren, die ihnenauf dem Gletschertransport (elngeschriebenlwurden (Abb.47).

Der Rhonegletscher im Oberaargau

lmmer wieder staunt der Laie, dass in unser Aare-gebiet der Rhonegletscher vorstiess. BeimBetrachten der Abb.48 löst slch allerdings dieFrage. Der gewaltig entwickelte Rhonegletscherteilte sich beim Ausgang aus den Alpen im Genfer-seeraum, der südliche Eisarm floss weiter rhoneab-wärts, der nördliche ins M¡ttelland. Dieser nahmjeweils auch den Aaregletscher auf, dessen Schuttauf der Sudseite mittransportiert wurde.Das präglaziale Relief des Oberaargaus ist kaum zurekonstruieren. Für die Zwischeneiszeit Mindel-Riss (2.lnterglazial) wird das Talnetz wie folgt an-genommen: Der Oberlauf der Langete verlief viaRottäli, jener der Wyssache über Rohrbach-Aus-wil-Wyssbach zum Langetental. Die Emme nahmden Weg uber Ersigen-Aeschisee-Bannwil, wo sieins damalige Aaretal mündete, das von Bern zurUrtenen und über Wangen-Niederbipp-Gäu-Olten verlief. Dieses grosse ursprüngliche Aaretalwird in seinem untern Teil naturgemäss eng demJura gefolgt sein, wohl in der ersten Molassesynkli-nale vor der Weissensteinkette. Die Schmelzwas-serrinne wurde gutteils mit Schottern und Moräneaufgefüllt, stellenweise bis 100m tief, und bildet

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das heutige Bipper Trockental. Der heutige Aare-lauf unterhalb von Wangen a. A. wurde erst imSpätglazial epigenetisch angelegt (Epigenese:<Neugeburt> einer Talrinne).Die heutigen Reliefverhältnisse des Oberaargauswurden vorwiegend in den beiden letzten Eiszeitengeschaffen. Während der grössten oder Fiss-Eis-zeit überflutete der Rhonegletscher die westlicheMittellandmulde fast vollständig und vereinigtesich im Raume von Olten mit dem Reussgletscher-eis. Am Südrand des Rhonegletschers f loss der beiThun abgedrängte Aaregletscher mit. Nur der Napf-gipfel ragte zeitweise zum Eis heraus, was inAnlehnung an die grönländischen Verhältnisse als<Nunatakr bezeichnet wird. Ahnlich war es an derersten Jurakette, wo das Eis über Abschwüngeund Lücken hinüberlappte In die inneren Täler. Diesbezeugen Findlinge in den Hochtälern von Schmie-denmatt und Hinteregg.Am Rüttelhorn konnte der Eisrand auf 1100m ü.M., am Napf auf über 1200m festgelegt werden.Die Dicke der gewaltigen lnlandeismasse betrugbei der Emmemündung ca. 1000m, über Langen-thal gegen 700m. Das Mittelland bot ein demheutigen Grönland ähnliches Bild.lm höhern Oberaargau schliff der Gletscher diePlateauhöhen zurecht. lm tieferen Oberaargau kames vor allem zu starker Ausräumung der anfälligenSchuttmassen und Mergelgesteine. Schmelzwas-serflüsse lagerten die 40 bis 50 m mächtigen

48 Vergletscherung des westlichen Mittellandesin der letzten Eiszeit, Maximalstand. Ausbreitungdes Rhonegletschers vom Genferseeraum aus

49 Alte Kiesgrube UnderWynigshus, OchlenbergAnsicht nach Schmrd (1933) aus Gerber (1978J,1 Humus. 2, 2a, 3Schotter der Hochterrasse (Riss-Eiszeit).4tertiärer Sandstein. 5 künstliche Deponie. Stern: Fundstelleeines Mammutzahns.

G e rö I lsch ichten de r H o chte rra ssenschotter ab. Siesind heute in den höherliegenden Kiesgruben anzu-treffen, z. B. am Moosrain bel Langenthal, am Müli-berg bei Madiswil, zwischen Rohrbach und Auswil(Naturschutzgebiet), bei Leimiswil und UnderWynigshus/Ochlenberg (Abb. a9).Gerber (1 978) beschreibt die Hochterrassenschot-ter als von der tertiären Nagelfluh kaum unter-scheidbar, <was darauf hindeutet, dass die Schot-ter gutteils aus aufgearbeiteten, umgelagerten undkurz transportierten tertiären Konglomeratenzusammengesetzt sind r. Eigentliche Wallmoränender grossen Vergletscherung, sogenannte Altmo-ränen, sind heute im allgemelnen nur schwer aus-zumachen. Nach Gerber (1978) bedecken riss-eis-zeitliche Moränen eine grosse Fläche der Buchsi-berge: <lhre Mächtigkeit und Ausbildung sind sehrverschieden. Am Humberg ist eine riss-eiszeitlichewallartige Moräne stellenweise trotz der Bewal-dung recht gut sichtbar und ist von Punkt 583.7 innordöstlicher Richtung zu verfolgen. Ein weitererMoränenzug verläuft von der VersuchsanstaltSpych in nordöstlicher Richtung bis zum Rand desG uldisberges. >

ln der Riss-Eiszeit wurde dem Südrand des Glet-schers entlang das nördliche Napfringtal Sumis-wa ld-Häusern moos-H uttwi l-Zel I gebi ldet. Äh nl ichder ebenso auffälligen letzteiszeitlichen RinneBurgdorf-Langenthal, schnitten Schmelzwasserdieses randglaziale Urstromtal ein, das nach denheutigen Flussverhältnissen als Trockental be-zeichnet wird. Die Rinne ist stellenweise bis über60m tief mit Schutt aufgefüllt. Sie hatte alle Aare-zuf lüsse der Napfnordseite ihrer Oberläufeberaubt. Einzig die Langete fand später den Durch-bruch via Rohrbach.

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Die letzte Eiszeit

Die letzte oder Würm-Eiszeit wurde für den tiefernOberaargau landschaftsbestimmend (Abb. 50). DerRhonegletscher reichte gerade bis in unser Gebietund lagerte im Bereich von Solothurn - Attiswil -Wiedlisbach - Wangen - Oberbipp - Niederbipp -Ba nnwi I - Bützberg -Th u nstetten - H erzogen buch-see - Riedtwil einen weitgestreuten Schwarm vonMoränen ab. Dieser klassische <Endmoränenzir-kus von Wangen a. A.r bildet eine grossangelegte,reich gegliederte glaziale Serie, bestehend ausStirnmoränen, den Zungenbecken und Schotterfel-dern. Eine einzelne Dreiheit wird als glazialer Kom-plex bezeichnet (Abb.51). ln den Zungenbeckenkam es zum Aufstau von Seen oder Sümpfen.Schöne Beispiele liegen vor bei Aeschi- und lnkwi-lersee, beiOberbipp (Erlimoos) und Bützberg (Ried-see; verlandet und melioriert).Wie die vordersten Moränen zeigen, floss die Glet-scherzunge an den von Rissmoräne überhöhtenMolassehügeln von Längwald und Spichigwald indrei Teilzungen auseinander, den Bipper-, Aare-und Langetelappen (Abb.52). Kurzzeitig dürfte sichauch ein kleiner Bleienbachlappen gebildet haben;der abgeschliffene Südhang des Thunstetter Plate-aus deutet darauf hin, dass der Gletscher beimMaximalstand ins Trockental <rhinunterhing)), wasauch für das Gebiet südlich und sogar südöstlichvon Riedtwil angenommen wird (Ledermann,1977 , in Hantke, 1980.)Die Anschlüsse der einzelnen Lappen sind rechtschwierig herzustellen. Für den Längwaldruckenzwischen Bipper- und Aarelappen kann nach Graul

50 Der Rhonegletscher in der letzten Eiszeit. Modellbildmit Flussablenkung bei Burgdorf (Bildung des randglazialenOenz-Trockenta ls)

(1962) die Höhe über 500m nicht uberflossenworden sein. Zwischen Aare- und Langetelappendürfte die Moräne von Rain als Anhaltspunkt die-nen. Zur spätern Zeit des Gletscherhalts bei Wied-lisbach dürften wieder drei Teilzungen bestandenhaben, ein Aarelappen bei Wangen, sodann einI nkwilersee- und Aeschiseelappen.Die Maximalstände des Rhonegletschers waren

51 Glazialer Komplex: Zungenbecken, Stirnmoränenund Schotterfeld

52 Ausserste Endmoränen des Rhonegletschersin der letzten Eiszeit. Strichsignatur: Moränenwälle.Kreisgruppen: Gebiete mit Nachweis von <ertrunkenenlMoränen (Findlingshorizont) Landeskarte 1 :100000

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mit Haltezeiten verbunden und führten zur Ablage-rung der äussersten Moränengürtel (älteres Wan-gener Stadium). Als charakteristische Details tre-ten Findlinge und <gekritzte Geschieber auf, jenedurch den Gletschertransport bearbeiteten Ge-steinsstücke. An der Aare sind nur wenige Spurendes maximalen Gletscherrandes erhalten; eine deräussersten Moränen dürfte über die Höhenkoten484m - 478m - 471m über den Bannerain verlau-fen. Um so deutlicher lassen sich die Verhältnisseam Bipper- und Langete-Lappen rekonstruieren.Kommen wir gegen Westen durch das Bipperfeld,sind die ersten Moränen, obwohl nur sanfte Hügel-wellen, leicht erkennbar, da sie aus dem topfebe-nen Schotterfeld auftauchen. Wie weit sich aller-dings unter diesem noch ertrunkene Moränen be-finden, muss dahingestellt bleiben, bis Bohrungenvorliegen. (lm lndustriegebiet von Bützberg-Tann-wäldli sind jedenfalls die abgetauchten Moränenvon Längmatt-Thunstetten in Bohrungen angetrof-fen worden.)Die Höchstlage derWürm-Seitenmoränen am Jura-hang kann mit 630m bei Günsberg und 595m beiEichholz-Attiswil angegeben werden. Dann zieht

GLETSCHER.."

TROMPETENTAL OBERGANGsKEGEL

NIEDERTERRASSE

53 Randlage des letzteiszeitlichen Rhonegletscherssüdwestlich von Niederbipp. Schematisiertes Blockbild nachZimmermann, 1969

OBEROENZ

55 Kiesgrube Schwängi, Unterwald bei GrabenSchotter und <wilde Schichtr (Moräne)

der äusserste Moränenkranz über Dettenbuhl,unmittelbar nördlich von Wiedlisbach und derBahnlinie gegen Oberbipp entlang, wo er schliess-lich umbiegt gegen Süden zum eigentlichen End-moränenkranz (Abb. 53). Westl ich des B ipperfeldesliegen hintereinander drei Systeme von Wallmorä-nen: 1. Niederbipp (Ränkholz-Weidrain), 2.Ober-bipp (Lerchen-Staltenhubel) und 3.Wiedlisbach(Einisbüel-Steiacher-G ürbu).Ebenso deutlich sind drei Staffeln um Bützberg zubeobachten: l.Thunstetten Schloss - Längmatt-Rain, 2. Humberg-Station SBB-Wältschland und3.Oberwald-Wyssenrled. Diese Moränenzügekonvergieren südostwärts gegen Herzogenbuch-see und laufen aus in das deutliche Wallsystem derüber Rängershüseren-Moos-Eigen ziehendensüdlichen Seitenmoränen, die ihre Fortsetzung auf

56 Kiesgrube Walliswil b. Bìpp mit Findlingshorizont

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KIESGRUBE AN DER STRASSEH ERZOG EN BU CH SEE-

BETTENHAUSEN

BETTENHAUSEN

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54 Stauch-Endmoräne des letzteiszeitlichen Rhone-gletschers zwischen Bettenhausen und HerzogenbuchseeAus Zimmermann, 1969

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Steinhof und Steinenberg finden und den Haupt-stand des Würm-Maximums gegen das Oenz-Trockental markieren.Den besondern Fall einer Stauchendmoräne diesesGebiets zeigt (Abb.54). Zimmermann (1969) beob-achtete <ein mächtiges, über das Akkumulationsni-veau gehobenes Paket von Niederterrassenschot-tern, in welchem die Schichten jetzt steil nachNorden einfallenr. Heute ist der Einblick in dieMoräne gutteils verdeckt.Damit ist auf das weitgehende Fehlen von Auf-schlüssen in Moränen unseres Gebietes hingewle-sen, da ihre guten Böden zuerst humus- undvegetationsbedeckt sind und neue Kiesgrubenmöglichst in Schotter und nicht in den <wildenSchichten> der Moränen angelegt werden. Ge-wisse Einsichten bieten noch die Gruben von

Graben, Berken, Walliswil b. Bipp und Bannwil(Abb.55, 56).Was die maximale Ausdehnung des letzteiszeitli-chen Rhonegletschers betrifft, haben wir seinerzeiteine vor den genannten äussersten Wallmoränenangedeutete Langenthaler Schwankung postuliert(BinggelL 1971). Nach Zimmermann (1962) hataufgrund von Toteishinweisen in der Ruefshuse-grube bei Schwarzhäusern ein Vorstoss nochungleich weiter ostwärts gereicht (ca. 4km). Daaber bisher keine weiteren entsprechenden Beob-achtungen gemacht werden konnten, bleiben wirvorerst bei dem bloss rund 2 km vor die Endmoräneerfolgten Vorstoss, der mit den 3 Gletscherlappenungefährvon Bützberg bis Langenthal, Bannwil bisAarwangen und von Oberbipp bis Niederbippreichte (Abb.57). Erster Hinwels auf diese super-

57 Ausdehnung und Stände des Rhonegletschers in der letzten Eiszeit. 1 Langenthaler Schwankung.2 Alteres Wangener Stadium. 3 Jüngeres Wangener Stadium. 4 Brestenberg-Stadium. Topografie: Landeskarte 1 : 100000Repro-Bewilligung L+T vom 26.4. 1983

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maximale Würm-Etappe waren grosse erratischeBlöcke- u.a. der <Kasthoferstein> von Langenthal

die aus einem auffälligen Findlingshorizontstammten, der innerhalb der Niederterrassen-schotter auftritt. lm allgemeinen liegt er einigeMeter unter Terrainoberkante, zwischen wohlge-schichteten Kieshorizonten. Es dürfte sich um dreigeringmächtige G letscherlappen gehandelt haben,die, getrennt durch die genannten Hügelzuge vonLäng- und Spichigwald, vorgestossen sind und indem kurzzeitigen Schnaufer-Vorstoss zur Bildungder Moränendecke führte, die in Form des markan-ten Findlingshorizontes nachzuweisen ist.Zusammengefasst betrachtet, müssen wir unsalso den Rückzug des letzteiszeitlichen Rhoneglet-schers in phasenweiser Staffelung vorstellen.Dabei spricht man von Stadien bei grossen Morä-nenzügen, die auf längere Halte- und Ablagerungs-zeiten zuruckgeführt werden können. lm Oberaar-gau lassen sich die folgenden Phasen unter-scheiden:

Langenthaler SchwankungErtrunkene Moränen des <Findlingshorizonts>Niederbipp (Waldchilchefeld)-Bannwil(Station)-Langenthal (Mittelhard).

2. Alteres Wangener StadiumMaximalstand der Wal l-Endmoränen

2a. N iederbi pp-Th unstetten-EtappeAusserste, meist wenig mächtlge Wall-moränen, teils ertrunken. Niederbipp(Weidrain)-Bannwil (Bannerain)-Thun-stetten (Längmatt).

2b. Oberbipp-B ützberg-EtappeMarkantes Moränenwallsystem. Oberbipp(Lerchen)-Bützberg (Station SBB).

2c. Wied I isbach-Wyssen ried-EtappeMoränenwallsystem von Wiedlisbach (Erli-moss)-Wyssenried bei Bützberg.

3. Jüngeres Wangener StadiumMoränenwallsystem von Wangen-l nkwil-Aeschisee.

Westwärts fol gen das B restenberg-Stadiu m west-lich von Wangen und das Solothurnstadium (Stadt-zentrum, beidseits der Aare bald rückwärts umbie-gend).lm Gebiet des Aarelappens, wo Moränenwälle

weitgehend fehlen, hat Zimmermann (1963) dieEreignisse des Würm-Hochglazials anhand vonAkkumulations- (Aufschüttungen) und Erosions-Phasen (Eintiefungen) untersucht. Die letzteiszeitli-chen N iederterrassenschotter werden in unseremGebiet stellenweise bis 100m mächtig. WährendMoränenaufschlüsse sehr selten sind, lassen sichSchotter in zahlreichen Kiesgruben an hohen Wän-den gut zeigen (Niederbipp, Aarwangen, Bannwil,Berken, Walliswil-Bipp, Attiswil, Walliswil-Wan-gen, Niederönz, Seeberg-Aeschisee, Huttwil, Hüs-wil).

G laziale La nd schaftsf o rm en

Als ein für die Gestaltung des heutigen Mittellan-des entscheidendes Ereignis trat nach dem Tertiärdie Eiszeit ein. Die Gletscher dürften im Molasse-trog eine bereits durch weite Talungen zerschnit-tene, aber doch recht monotone Landschaft vorge-funden haben, von der heute nur mehr Spuren zuerkennen sind. Gletscher und Gletscherflussepassten sich dem präglazialen Relief an und schu-fen mit Abtrag und Ablagerungen einen neuenreichen Formenschatz.ln der grossen Eiszeit blleb das Napfbergland un-gleich länger vom Gletscher unbedeckt als dastiefer gelegene Land aarewärts, und in der letztenEiszeit war es überhaupt eisfrei. Hier konnten alsodie Flüsse ihr Zerschneidungswerk früher begin-nen und darin liegt der Grund des Unterschiedeszwischen dem Emmentaler Gräben- und Eggen-land und den flachern Hügeln des Oberaargaus.lnsbesondere der tiefere Oberaargau erhielt alleMerkmale einer in der Eiszeit gestalteten Land-schaft. Dies gilt nicht nur im naturgeografischenBereiche; mit Gesteins- und Formenbildung ver-bunden sind zahlreiche für den heutigen Menschenwichtige landschaftliche Gegebenheiten, die in denGrundlagen ebenfalls eiszeitlicher Herkunft sind:Fruchtbarkeit der glazialen Böden, Leitlinien vonSledelungen und Verkehr durch die Schmelz-wassertäler, fruhe Siedelungsplätze und moderneErhol ungsgebiete an Seen, Tri n kwasserreservoi reder Grundwasservorkommen in f luvioglazialenKiesschichten. Die Hauptwirkung der Eiszeit aberliegt in ihrer landschaftlichen Formgebung.Es sind hier vier Formtypen der glazialen Land-schaft zu unterscheiden: Hügel, Ebenen, Beckenund Täler. Hügelkönnen einerseits durch Ablage-rungen entstehen (2. B. Moränen, Drumllns), ande-rerseits als Reste derAbtragung (2. B. Rundhöcker).

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Die typische sanft gewellte Moränen- und Drumlin-landschaft des Oberaargaus wurde bereits be-schrieben. Drumlins heissen jene stromlinienför-mig modellierten Hügel mit meist elliptischemGrundriss, deren Längserstreckung in der Glet-scherfliessrichtung liegt. Sie bestehen im Kern ausMoräne oder Schotter, welche in einer späternVereisung überfahren wurden und damit eineDeckschicht von Grundmoräne erhielten.Die Hügel des höhern Oberaargaus sind als Pla-teaux ausgebildet (Abb. 15). Die flachliegendenMolasseschichten gaben teils bereits Anlass dazu,die grosse Vergletscherung wirkte in der gleichenRichtung. Es entstanden jene trapezförmigenHügel, deren Anhöhen mit recht ausgedehntenEbenheiten die Plateaulandschaft charakterisieren.Sie steht in deutlichem Gegensalz zum Eggen-Land des südlich anschliessenden Napfgebiets.Als Rundhöcker oder Rundbuckel im weiterenSinne bezeichnen wir alle die aus anstehendemFelsgrund herauspräparierten und glazial gerunde-ten Hügel, die ähnliche Formen wie die Drumlinsaufweisen. Sie treten selten vereinzelt, meist inBuckelfluren auf und sind im ganzen Oberaargauverbreitet, wie ein Blick auf die topografische Karteergibt. Längwald- und Spichigwaldhugel dürfen inihrer Gesamtheit als solche betrachtet werden,zudem tragen sie scharenweise kleinere Rundhök-ker aufgesetzt. Dasselbe gilt für die Erhebungenvon Steinhof, Steinenberg und der Buchsiberge.Deutlich wird wiederum die häufige EinregelungSüdwest-Nordost, entsprechend der Fliessrich-tung des Rhonegletschers.Ebenen, gebildet aus fluvioglazialen Schotterfel-dern, sind insbesondere im Bipperfeld, der Aareentlang und in den Talweitungen von Langete undOenz landschaftsbestimmende Elemente. DieSchotterfelder sind meist topfeben, und häufigwurden sie erst durch spätere Zerschneidung zuTerrassen. Die fluvioglazialen Niederterrassen-schotter der letzten Eiszeit sind nacheiszeitlichweithin von Schottern der heutigen Flusse zuge-deckt worden.Hinter den Stirnmoränen kam es in den ehemaligenZungenbecken der Eiszeitgletscher in vielen Fällenzur Bildung von Seen. Über den durch Grundmorä-nenlehm zumeist abgedichteten Muldenbödenkönnen Seen entstehen, entweder zufolge vonMoränenstau oder von Toteis (Abb. 59). Nach Graul(1962) bildete der rückschmelzende Rhoneglet-scher der Würmzelt bald nur mehr <schmächtigeEiszungenr und er bezeichnet <alle Abschmelzeis-zungen in Bausch und Bogen als Toteisr. ln der

Literatur wird die Entstehung der Seen von Aeschiund lnkwil allgemein mit der Toteistheorie erklärt.ln flachen ehemaligen Seebecken sind die zahlrei-chen Torflager und Möser entstanden, so jene vonGondiswil, Bleienbach, Bützberg (Riedsee), Ober-bipp (Erlimoos) und Wangen a A. (Dägimoos).Schliesslich sel hingewiesen einerseits auf dieunzähligen glazial bedingten Weiherbildungen, andie heute oft nicht mehr als ein Flurname erinnert(<Weiher>, Langenthal), andrerseits auf den<grössten Schweizersee>, den spät- bis nacheis-zeitlichen <Solothurner See>, der sich von denstauenden Endmoränen Solothurns 100km weitwestwärts ins Tal der Orbe erstreckte.Was den vierten, wichtigsten Formtyp, die Täler,betrifft, so sind sie in der Mehrzahl als eiszeitlicheSchmelzwasserrinnen angelegt worden (Abb. 60).Die Täler sind allgemein von weitem, kastenför-migem Trapezprofil (\-J) und stehen in klaremKontrast zu den fluvial entstandenen Kerbtälerndes Napfs. Vielfach handelt es sich heute umTrockentäler, also um Urstromtäler, gebildet durchgrosse eiszeitliche Schmelzwasserflüsse. Sie sindsozusagen fossil geworden und streckenweise vonsich ablösenden Flüsschen benützt, die dem relativgrossen Taleinschnitt in keiner Weise entsprechen.Die a usgeprägte Ta I richtu n g Südwest-Nordost, diesowohl die grossen Talzüge wie kleinere Bäche inden Buchsibergen aufweisen, dürfte in den Grund-zügen bereits vor und in der Riss-Eiszeit angelegtworden sein.Die Entstehung des Napf-Trockentals, des risszeit-lichen Randglazialtals Sumiswald-Huttwil, ist be-reits angedeutet worden. Eine entsprechende Ent-stehung hat die 10km weiter nordwestlich verlau-fende, zum Teilvon der Oenz durchf lossene grosseRinne, die wir als Oenz-Trockentalbezeichnen wol-len. Schön zeigt sich fur diesen Fall in Abb.61 dieZugehörigkeit zu den Seitenmoränen der Würm-Eiszeit.Der auffällig stattliche Talzug des Oenz-TrockentalsBurgdorf-Langenthal, dem die alte Kastenstrassewie die SBB-Linie folgen, stellt also die randglazialeEmme-Rinne des letzteiszeitlichen Rhoneglet-schers dar. Der Gletscher staute die südlichenAarezuflüsse. lnsbesondere oberhalb von Burgdorfbildete sich ein ausgedehnter See, dessen Über-lauf einen Weg über die Sommerhaus-Senke undweiter dem Gletscher entlang fand. <Die kräftigenSerpentinen des eigentümlichen Tales weisen aufeinen grössern Strom als Urheber hin>, heisst esim klassischen Standardwerk der Glazialforschung,<Die Alpen im Eiszeitalterr von Penck und Brück-

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58 Erlimoos bei Oberbipp Rest eines Zungenbeckensees im Endmoränenbogen von Wangen a.A. Naturschutzgebiet

ner (1909). Sobald der Durchbruch durch die Sand-steine stattgefunden hatte und die erosionsanfälli-gen Aqu¡tan-Mergel erreicht waren, schritt die Tal-bildung durch die Schmelzwasserfluten beschleu-nigt voran.Die <Trockentallinier ist mithin als Grenze zwi-schen tieferem glazialem und höherem Molasse-Mittelland angegeben worden. Dies stimmt nurbedingt: Diese <Molassehügelgrenze> ist besserausserhalb der Hügelzone Steinhof-Steinenberganzusetzen. Sie folgt ungefähr der Zürich-Bern-Strasse nordwestlich dieser Plateauanhöhen, dieim Sockel aus Mergel und Sandstein bestehen,denen die Moränen aufgesetzt sind.Das durch Schmelzwasserrinnen vielfach zerteilte<Vorplateau> zwischen Burgdorf und Herzogen-buchsee einerseits, Molassehügelgrenze undOenz-Trockental andrerseits, setzt sich im wesent-lichen zusammen aus den Erhebungen Düttisberg,Ruedisberg, Ouen berg, Längenberg, Fü rstlenberg,

lschberg, Grossholz, Steinenberg und Steinhof(Abb.62). Es stellt eine morfologische wie siede-lungsgeografische Ü bergangslandschaft zwischenGlazialland und Molassebergland dar. Die altehr-würdige Blockbild-Reihe von Nussbaum (191 0) ver-anschaulicht auch heute noch gut die fÜr unser

59 Schema zur Toteis-Theorie. Bildung einesToteiskörpers (oben) und dessen Entwicklung zu einerBodensenke (Seemulde)

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Gebiet typische Talentwicklung und -neubildung,die indessen auch für alle ähnlichen eiszeitlichenZungengebiete Geltung hat (Abb. 61 ).ZurZeit des Jüngeren Wangener Stadiums, als derRhonegletscher bis in den Raum Wiedlisbach-Wangen-lnkwil-Aeschi zurückgeschmolzen war,kam es im Oenz-Trockental bei Bollodingen zueiner eigentümlichen Tal-Bifurkation, einer talab-wärts erfolgenden Gabelung. Die Ablenkung derUr-Emme wird durch Stauung im Bleienbach-Talastzustande gekommen sein: Diese ältere Teilrinnewurde durch Schotterablagerungen beim Ausgangins Langetental durch abgleitende Hangstücke undSchuttkegel von Seitenbächen erhöht. Die Ur-Oenzfand einen nordseitigen Ausgang gegen Herzogen-buchsee durch, wo sie die verschiedenen Schotterder Oenztalterrassen aufführte (Abb. 63).lm verlassenen Teilstück bildete sich ein Flachsee,dessen Verlandung zu den Torf moosbildungen zwi-schen Thörigen, Bleienbach und Langenthal führte.Gemäss der Reliefumkehr, dem rückläufigenGefälle, entwässerte dessen Abf luss nun südwest-wärts zur Oenz zurück (Abb.64). lm Volksmundheisst es deshalb, die Altache sei der einzige Flussauf der Welt, der aufwärts fliesse! lndessen ken-nen wir ja zahlreiche ähnliche Fälle von rückläuf igenFlusswegen, die ebenfalls in der Eiszeit angelegtwurden.

ln tha I

60 Abf lussrinnen des Rhonegletsch ers zur ZeiI des jüngerenWangener Stad iu ms (Wü rm-Eiszei t). Nach Zi m m e rm a n n(1 969). Topografie: Landeskarre 1 :200000.Repro-Bewilligung L+T vom 26.4. i9B3

61 Blockbild-Serie zur Landschaftsgeschichte. NachNussbaum (1910): <Entstehung von Flussablenkungen zurEiszeit im Gebiet des diluvialen Rhonegletschersl

Pflanzen- und Tierwelt

lm Gletschervorfeld hat man sich eine Tundraland-schaft mit Moosen, Flechten, Silberwurz, Sand-dorn und Wollgras vorzustellen, die in etwas wär-meren Zeiten mit Zwergsträuchern, Birken, Wei-den und Legföhren durchsetzt war. Die Pflanzen-decke ist mit derjenigen der heutigen Pionierregionin den Alpen zu vergleichen, und auch zur Eiszeitdurfte im Hochsommer jene kontrastreiche Blüten-pracht eingetreten sein, wie wir sie von den hochal-pinen Weidematten kennen.Eiszeitliche Tierfunde sind im Oberaargau rechthäufig vorgekommen, vorwiegend beim Kiesab-bau. (Beim raschen maschinellen Vortrieb werdensie heute meistens übersehen oder zerstört.) Alsspektakuläre Funde seien jene von Mammut, Woll-haar-Nashorn, Bison, Wildpferd, Ren und Stein-bock aufgeführt (Abb.65-68). Funde eiszeitlicher

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2,0m2,0m0,5 m0,5 m0,2m

3,0 m

m

0,3-0,4m1,5-2,0m0,6m

Tiere und Pflanzen unserer Gegend sind durchBrönnimann (1937, 1958) beschrieben worden,woraus wir im folgenden zitieren. (Brönnimannseinerseits fusst auf Darstellungen von Ed. Gerbe1Th. Studer und W. Rytz.)lnteressante Funde aus der lnterglazialzeit Riss/Würm und der frühen Würm-Eiszeit (Lüdi, 1953;Wegmüller, 19gA wurden beim Abbau der Schie-ferkohlelager von Gondiswil-Zell gemacht (1 91 7-1920). Wir geben als Beispiel das Profil HaltestelleGondiswil der zwei Hauptgruben wieder:

62 Randglaziale Talrinnen der letzten Eiszeit (Würm)zwischen Burgdorf und Herzogenbuchsee.Nach Zimmermann, 1969

Huttwil ebenfalls im Hochterrassenschotter gefun-den, 18m tief.Und nun die Funde von Tieren, die in der letztenEiszeit unsere Gegend belebten. Die Fossllien fin-den sich in den zahlreichen Niederterrassen, also inden Abschwemmungsprodukten der Moränen der

63 Tal-Bifurkation von Bollodingen, Gabelung des Trocken-tals. Punktraster: Molasseplateaux, weitgehend glazialbedeckt. Strichraster: Molasseplateaux mit geringer glazialerBedeckung

64 Bleienbacher Trockental mlt Moosweiher. Flugbild vonOsten, nach dem Hochwasser vom 21 .122. November 1972Talwasserscheide zwischen Oenz- und Langetegebìet

55 m

gelber und grauer Sandblauer LehmKohle. Flöz I

blaue LettenKohle. Flöz ll. Elephas primigenius.24. Oktober'l 91 8: Elephas Antiquusbläulicher, grober Molassesand. Zahlrei-che RottannenzapfenKohle. Flöz lll (Hauptflöz)bläulicher, sandiger Lehm. Unterer Teilmit Foss/ien von Mollusken und Bäu-menKohle. Flöz lV. Wirbeltieresandiger LehmKohle. Flöz V. Fossilien, namentlich ffr-beltiereSand und Ton. Wildpferd, Rothirsch,Reh, Urstier, Biber, Hase, Schildkröte,Hecht

2,0m

Nach den genannten Autoren (aus Brönnimann,1937)dürften <<zeitlich neben die letzte Gruppe derTiere aus der Gondiswiler Schieferkohle wohl dieFunde am Moosrain, Langenthal, gehören)), wo inmehreren Gruben seinerzeit die Hochterrasseabgebaut wurde. <Ca. 15m unter der Oberflächewurde 1933 ein Stosszahnfragment (der obersteTeil des Zahnes mit deutlich sichtbarem Ernäh-rungskanal) eines riesigen Elephanten durch denKnaben des Grubenvorarbeiters aus der Schotter-wand herausgegraben. Leider alles nur Trümmer;diese wogen 19k9, und der Umfang des Zahneskonnte gemessen werden; er betrug 45cm. DieBestimmung des Fundes und die Begutachtungdes Fundplatzes besorgte Ed. Gerber. Das Zahn-fragment gehört wahrscheinlich dem Elephas pri-migenius zu, also dem Mammut. lm September1935 sodann schickte mir der Grubenvorarbeiteraus der nämlichen Grube ein Backenzahnfragmenteines Rh¡noceros tichorhinus. - Die gleiche Tierartwurde in einer Kiesgrube nordöstlich Fiechten bei

KIRCNBERG uruX.r,

HELLSAU

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65/66 CharakteristischeVertreterdereiszeitlichenTierwelt,dieauchimOberaargaudurchFossilfundebestätigtwerdenkonnten: Mammut und Wollhaariges Nashorn. Nach Rekonstruktionen. Gezeichnet von Wilhelm Liechti, Langenthal

Würmeiszeit. Dieser Abschwemmung verdankenwir in unserer Gegend die ausgedehnten Kiesla-gen, d¡e zugleich vorzügllche Leiter der Grundwas-serströme sind. Die nicht aus der Niederterrassestammenden Tiere bemerken wir besonders. DieBestimmung der Fundstucke aus Langenthal hatmeist Ed. Gerber besorgt.Rentier. Ceruus tarandus. Aus einer Kiesgrube vonLangenthal, 1892 (möglicherweise Dennllgrube).3 Bruchstücke, zusammen fast eine ganze Geweih-stange. Gleiche Tierart zweimal nachgewiesen inder Burri-Grube, Hopfernfeld bei Langenthal. linGeweihstück der nämlichen Tierart von Wynigs-haus bei Ochlenberg.R i nd. B i so n priscus. Naher Verwandter des Wisent,hatte aber längere, nach der Seite gerichtete Hör-ner. Fundort: Kiesgrube in Ochlenberg bei Herzo-genbuchsee, wohl bei P.649 Unter-Wynigshaus.Fundstücke: Hornzapfen und Schädelfragment.Mittelhandknochen (vielleicht Bison priscus) in derBurri-Grube, Langenthal, (1 935)Wildpferd. Equus caballus. Zweimal in der Burri-grube, LangenthaL l. Mal Schulterblatt rechts undlinks und Beckenfragment. 2.lrtal mit Backen-zahn3 rechts unten. Verschiedene Funde in Rogg-wil, Wynau, Busswil und Gondiswil.Wollhaariges Nashorn. Rhinoceros tichorhinus.Eggergrube auf dem Hopferenfeld bei Langenthalzweimal: Schädelfragment, Hinterhauptskamm.Prämolar links oben, stark abgekaut, aber prächtigerhaltenes Stück, mit 4 vollständigen Wurzeln. Bur-rig ru be auf dem Hopf erenfeld in La n ge ntha I : 3. P rä-molar rechts oben. Bannwil, Kiesgrube der Nie-derterrasse, 300m nordöstlich der Kirche: rechteBeckenhälfte. Roggwil, ca. 400m nordöstlich derKirche: Atlas. Wynau,5 m tief im Kies. Leider keine

67 Weidendes Rentler. Gravierung auf Rengeweihaus dem Kesslerloch bei Thayngen, Kt. SchaffhausenNach A. Heim aus Guyan (19541

nähere Ortsangabe: 2. Backenzahn oben. Wanzwil,3m tief im Kies an der Strasse Herzogenbuchsee-Wanzwil, am Terrassenabfall bei Reckenburg.Mammut. Elephas primigenius. lm Ouartär sinddrei Arten von Elephanten zu unterscheiden: Ele-

,)/rlr,t a

iit ffiþ'I ,ift,68 Zeichnung eines Fünftklässlers: Die Eiszeit imOberaargau

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69 Steinhof, solothurnische Enklave im Oberaargau. Links <Menhir>; rechts Grosse Fluh, mächtìgster Findlìng desMittellandes

phas antiquus: Der Alt-Elephant. Elephas primige-nius: Das Mammut. Elephas meridionalis: DerSüdelephant (Poebene, Frankreich, Spanien). Wiedas Mammut aussah, wissen wir ganz genau vonKadavern solcher Tiere, die im Eis Sibiriens voll-ständig erhalten blieben.ln der Kiesgrube des Landwirtes E.Sommer inUnter-Wynigshaus bei Ochlenberg,2 Meter tief imKies gelagert: ein guterhaltener Mammutstoss-zahn von 3,15m Länge und 56,5cm Umfang.November 1933. Es muss ein riesiges Tier gewe-sen sein. DerZahn ist ein Prunkstück der paläonto-logischen Sammlung des naturhistorischen Mu-seums in Bernr (Brönnimann, 19371.

Erratische Blöcke

Findlinge sind als Zeugen der Eiszeit gleichermas-sen aufschlussreich fur den Forscher wie eindrück-lich für den Laien. Zählen wir zum geografischenLandesteil auch die solothurnische Enklave Stein-hof, so stellt der Oberaargau eine der wichtigsten

Findlingsregionen dar. Typische erratische Ge-steine, die der Rhonegletscher aus dem unterenWallis in unsere Gegend verfrachtete, sollen nach-stehend einzeln zur Besprechung kommen, soHornblende, Granitgneise (2. B. Stelnhof, Steinen-berg), Arollagneis (Langenthal, Bannwil), Mont-Blanc-Granit (Attiswil, Wiedlisbach, Langenthal),Va I lorci ne-Kong lomerat (Wied I isbach, Aerbol ligen,Nyffel) und Smaragdit-Gabbro (Oberbipp, Rohr-bach, Zell).Wie kamen die zum Teil riesigen Alpenblöcke weithinaus ins Mittelland? Das war lange Zeit diegrosse Frage. Dass sie wurzellose Findelkindersind, sich verirrt haben, war schon früher erkanntworden, und davon stammen auch die NamenFindling, lrrblock, erratischer Block (errare - irren).Die Zuflucht der ratlosen Volksmeinung war land-läufigeruueise der Teufel, daher die Namen Teufels-brücke, Heidenstein.Nach der Sage hat der Teufel in seinerWut über dasfruchtbare Mittelland hoch von den Schneegipfelndie steinerne Zerstörung in die schönen Acker undMatten geschleudert. (Paradox: Gerade mit den

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Findlingen zusammen ist der gute Boden ins Mittel-land gekommenl) ln diesem Sinne lässt Goethe im<rFaust> den Mephisto sagen:

Noch starrt das Land von f remden Zentnermassen;Wer gibt Erklärung solcher Schleudermacht?Der Philosoph, er weiss es nicht zu fassen;Da liegt der Fels, man muss ihn liegen lassen,Zuschanden haben wir uns schon gedacht. -Das treu-gemeine Volk allein begreift,Und lässt sich im Begriff nicht stören;lhm ist die Weisheit längst gereift:Ein Wunder ist's, der Satan kommt zu Ehren.Mein Wandrer hinkt an seiner GlaubenskrückeZum Teufelstein, zur Teufelsbrücke.

Bis in die Mitte des l9.Jahrhunderts war wissen-schaftlich sehr angesehen die Drift-Theorie:Gewaltige Wassermassen (Sintflut!) wurden fürdie gewichtige Fracht verantwortlich gemacht. -70 Landschaft von nationaler Bedeutung Aus KLN-Inventar(< Objekt 2.43 Steinhof-Steinenberg-Burgäschiseer ).Topografie: Landeskarte'1 : 50 000

Die <Plutonistenr nahmen fur das Schleuderwerkvulkanische Ausbrüche in Anspruch. - Noch 1870hatte sich Prof . Bachmann sogar zu wehren gegendie <rziemlich hirnlose gedruckte Behauptung, dassdie Fundlinge vom Mond stammen)).lm Jahre 1841 veröffentlichte der Lausanner Geo-logieprofessor Jean de Charpenfier das klassischeWerk, das die Gletschertheorie begründete: Essaisur les glaciers et sur le terrain erratique du bassindu Rhône. Heute zweifelt kein gesunder Men-schenverstand mehr an der glazialen Herkunft derFindlinge.

Steinhof und Steinenberg

Kaum irgend anderswo können Naturdenkmälerwie diejenigen der Findlinge von Steinhof undSteinenberg südwestlich von Herzogenbuchseebewundert werden, Zeugen der Eiszeit, die ein-zigartig sind an Zahl wie Grösse. Auf dem Rückendes Rhonegletschers kamen sie aus dem Wallishergeritten. Alle ubertrifft bei weitem die GrosseFluh, der hausgrosse Block mit über 1 000 m3 lnhalt,der weitaus grösste Findling des Mittellandes(Abb.69). Nicht von ungefähr wurden Steinhof undSteinenberg zusammen mit dem anschliessendenAeschiseebecken bereits ins erste KLN-Inventar1963 aufgenommen als <schützenswerte Natur-denkmäler von nationaler Bedeutungr (Abb.70).Die beiden Findlingshügel bestehen im Sockel ausMergel und Sandstein, darauf sitzen die Seitenmo-ränen der letzten Eiszeit.Uber Gesteinsart und Herkunft der Blöcke findetman in der f rüheren Literatur Angaben, die auf einegrosse Vielfalt schliessen liessen. Eine 1966 vonProf . Th.Hügi unlernommene Neuuntersuchungergab jedoch, dass die grossen Findlinge durch-wegs ähnlicher Art sind: <rAlle 26 untersuchtengrossen Findlinge bestehen aus einem grunlichenHornblendegranit, der in ein und demselben Blockin scharfer, aber unregelmässig verlaufenderGrenzfläche gegen einen helleren Gneis grenzt.lDazu Schmalz, 1966 < Uber die Herkunft sagt Prof .

Hrjgi, dass sowoh I die meh r ode r wen iger versch ie-ferten Hornblendegranite (früher Arkesin genannt)wie die hellen Gneise (sogenannte Arollagneise),die neben Ouarz und Feldspäten einen charakteri-stischen grünen Glimmer enthalten, in verschiede-ner Ausbildung vorkommen im Dent-Blanche-Kri-stallin des südlichen Wallis.>lm Sommer 1966 wurde eine Blockzählung vorge-nommen, die folgendes Ergebnis zeitigte:

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Blöcke ca.

SteinhofSteinenberg

2-3m' >3m3 Total33 20 25073 79 495

Zur Feststellung der frühern Findlingshäufigkeitbesitzt der Steinhof eine einzigartige Möglichkeit,indem 1850 die drei Lehrer U.J.Scheidegger,V.Scheidegger und F.Schläfli eine Aufnahmedurchführten (Gedenkstein im Weiler Steinhof).K. L. Schmalz (1966) hat den Plan bekannt gemacht.ln besonders starkem Masse erfolgte die Ausbeu-tung der erratischen Blöcke im 19. Jahrhundert, zurBauzeit der Centralbahn. Dazu eine Episode, diePfr. O.Widmer erzählt:<Lehrer und Landwirt Scheidegger lieferte Granit-stein an den Neubau der Bahnlinie Olten-Bern. AmVorabend von St.-Anna-Tag (die hl. Anna ist Kir-chenpatronin der Pfarrei Aeschi) sagte er zu seinenandersgläubigen Arbeitern: <Morgen wird nichtgearbeitet; es ist Feiertag !r Der Vorarbeiter sprichtaber hinterrücks zu seinen Genossen: <Was gehtuns das Anneli an? Wir gehen auch morgen auf denTaglohn.r Gesagt, getan. Aber schon der ersteSchuss geht nicht los. Sie machen sich daran, ihnherauszubohren. Plötzlich kracht's. Verwundetsind alle, am schwersten derjenige, der diese fre-velhafte Feiertagsarbeit verschuldete. . .nDie grösste Findlingsgruppe des Steinhofs, GrosseFluh und <Menhir>, wurde 1896 <auf alle Zeiten>unter Schutz gestellt, nachdem sie von der Natur-forschenden Gesellschaft der Schweiz erworbenworden war. Eine lnschrift lautet: <Diese Block-gruppe steht unter der Obhut der SchweizerischenNaturforschenden Gesellschaft und ist demSchutze des Publikums empfohlen. > 1909 erfolgteauch die Unterschutzstellung des Kilchlifluehlis(auch Rütschistei genannt, 300m westlich derGrossen Fluh).Nach einer Frühzeit der Verehrung und kultischenVerwendung und der Ausbeutung im l9.Jahrhun-dert, setzte neu eine Ehrungsepoche dieser land-schaftlich und wissenschaftlich bedeutungsvollenNaturdenkmäler ein. Dazu aus Joseph Viktor vonScheffe/s <Gaudeamus> :

Nun lagern wir EiszeitschubistenNutzbringend als steinerne SaatUnd dienen den Heiden wie ChristenAls Baustoff für Kirche und Staat.

Die Grosse Fluh hat der frühen Rodungssiedelungwie dem heutigen Dörfchen Steinhof den Namengegeben, überdies einem Adelsgeschlecht, <viel-

71 Einer der erratischen Blöcke auf Steinenberg,Findling Nr. 19. Staatlich geschütztes Naturdenkmal

leicht dem mächtigsten Geschlecht in unsern Ber-ner Landen im 1 5. und 1 6. Jahrhundert>. (Derlesenswerten Geschichte ist K. L. Schmalz im<Jahrbuch des Oberaargaus)) 1966 nachgegan-gen.)Dass sich auf Steinhof eine uralte Kultstättebefand, darf nach den Ausgrabungen als sichergelten. Mit etwas Phantasie können wir uns vor-stellen, wie keltische Druiden den mächtigenNaturaltar der Grossen Fluh zu sonnenanbeteri-schen Opfern benutzten.Ungewiss bleiben weiterhin Sinn und Zweck derSchalensteine mit den rundlichen Vertiefungen,etwa halb handgross, die Kultzwecken gedienthaben sollen.Altes Brauchtum umwebt das Kilchliflüehli, denzweitgrössten Block des Steinhofs. Seine grinstigschiefe Oberseite lädt rechte Buben zu Rutschpar-tien auf dem Hosenboden ein. Früher aber soll derRütschistein Wunderkraft besessen haben : Durcheinen nächtlichen Rutsch glaubten junge Weiberihren Wunsch nach einem Manne oder Kind ver-wirklicht zu erhalten. - Jedenfalls war hier auch inder alten Frage der Kinderherkunft eine Enklave:Nach den Grossmüttern des Steinhofs kommendie kleinen Kinder nicht vom Storch, sondern ausder grossen Spalte der Grossen Fluh.Auch Stern enberg trägt seinen Namen zurecht, wieunsere Zählung zeigte. lm Gegensatzzum Steinhofmit seiner gerodeten Anhöhe blieb der Steinenbergfast völlig bewaldet, wodurch weniger Findlinge alsim Ackerland weggeschafft wu rden (Abb. 7 2). 1 951wurden 25 dieser Findlinge unter Schutz gestellt(Schutzbeschluss siehe folgendes Kapitel).<Der vorhandene reiche Bestand darf nun nichtdarüber wegtäuschen, dass auch auf dem Steinen-

%m'119213

1m3

78130

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berg eine Ausbeutung der Findlinge stattgefundenhat. Der f rüheste uns bekannte Hinweis f indet sichim Grasswil-Urbar des Bernischen Staatsarchivsvom 31 .lr4ärz 1666: <Wan aber ein Statt oderBurgerschaft (von Burgdorf) etwan alda hertesgstein zebrechen begerte, zu pfolmenten, pfylerenoder anderen dingen, mögendt sy es wol thunr>(Schmalz, 1966).

Geschützte Findlinge

Findlingsreservat SteinenbergAuszug aus dem Protokoll des Regierungsrates vom 5.Okto-ber 'l 951 : 5314. Naturdenkmal; Findlingsreservat Ste¡nen-berg; Gemeinde Seeberg.Der Regierungsrat des Kantons Bern, gestützf aufbeschliesst: 25 Findlinge im Steìnenbergwald, Gemeinde See-berg, werden gesamthaft als r< Findlingsreservat Steinenberg ldauernd unter den Schutz des Staates gestellt und unterNummer N102G99 in das Verzeichnis der Naturdenkmäleraufgenommen. Die geschützten Blöcke tragen die Nummern1-l , 9-24, 26 und 27 Die Blöcke sind in einem vom Grund-buchgeometer hergestellten Situationsplan vom 24.Februar1949 im Massstab 1:2500 eingezeichnet; dieser Plan bildeteinen Bestandteìl dieses Beschlusses, ein Exemplar dlesesPlanes ist beim Grundbuchamt zu hinterlegen. Jede rechtlicheoder tatsächliche Veränderung an den Blöcken ohne Einwilli-gung der Forstdirektion ist verboten.

<Die meisten Findlinge slnd grösser als ein Ofen-haus; wir flnden darunter Längen von 12, ja sogar15m. Durch die Findllnge im bernischen Steinen-bergwald erhalten wir ein Bild vom ursprünglichenBlockreichtum dieser Gegend. Besondere Erwäh-nung verdient der grösste Block, Nr.19, <<Moor-blutti,, genannt, auf dem K. L.Schmalz 15 künstlichgeschaffene Schalen entdeckte, wovon zwei durcheine Rinne miteinanderverbunden sind> (Mitteilun-gen der Naturforschenden Gesellschaft Bern,1e53).

Freistein Attiswil (Abb. 73)Regierungsratsbeschluss (RRB) 9. 12. 1920. Mont-blanc-Granit. Gemeinde Attiswil. Koordinaten613 360/232 625. Die Altertumskundigen betrach-ten diesen Stein als Menhir: als zu kultischenZwecken aufgestel lten Langstei n (breton isch : men: Stein, hir : lang), Vor hundert Jahren hatA. Mor-/of daselbst Nachgrabungen vorgenommen, dieergaben, dass er ebenso tief im Boden steckt, wieer diesen überragt (Gesamtlänge 3,6m). Die ge-machten Funde, Bruchstücke von Gefässen undFeuersteininstrumente, wurden als Weihegabenan eine Gottheit gedeutet. Aus einer uralten Kult-

72 Ubersichtsplan des Steinenbergs mit Bezifferungder unter Schutz stehenden erratischen Blöcke desFindlingsreservats. Plan 1 : 10000; leicht reduziert.Repro-Bewilligung V+ D vom 23 3 1983

stätte wäre demnach in späterer Zeit eine Frei-stätte geworden, was in Übereinstimmung stehtmit der Tatsache, dass Asyle vielerorts bei Kirchenund Klöstern sich befanden, welche ihrerseits nichtselten auf der Stelle heidnischer Kultübung errich-tet worden sind. Es ist also dieser Stein sowohl infrühgeschichtlicher wie in rechtsgeschichtlicherHinsicht ein äusserst interessantes Denkmal, wiesie heute in unserem Lande nur selten mehr anzu-treffen sind.Die religiöse Bedeutung hätte sich dann - nachdem Urteil von Prof , O.Tschumi- in veränderter

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73 Freistein von Attiswil. Findling aus Mt. Blanc-Granit in der glazialen Landschaft zwischen Juraf uss und Aare

Form erhalten, indem der Menhirals <<Freistein> imAnsehen blieb: Durch die Berührung mit dem Steinsei der Verfolgte gleichsam unter göttlichen Schutzgestellt und der irdischen Gerechtigkeit entzogenworden. Der <r Freisteinr wäre demnach selbst eineFreistätte, nicht bloss Grenzstein einer <Freiheit>gewesen wie die Steine zu Rapperswil.Leider fehlen urkundliche Belege für diese Frei-stätte. Eines aber darf als sicher angenommenwerden: Der Menhir wäre wohl längst, wie so vieleseinesgleichen, dem Landbau zum Opfer gefallen,wenn nicht seine im Volksbewusstsein verankerteBedeutung als <Freistein> ihn davor bewahrt hätte.Diese Ehrfurcht blieb auch lebendig, als die Frei-stätte nicht mehr Rechtskraft besass, und weil erein <Freistein> war, istwohl dieser Menhir erhaltengeblieben als <der einzige und letzte Zeuge> imKanton Bern.(Aus K. L.Schmalz, Freistätten im Bernbiet. <Derkleine Bundr Nr.555 vom 17. 11. 1953 und: Der-selbe, lnteressante Steine am Jurarand. Sonderbei-lage zur Solothurner Zeitung Nr.253 vom 31. 10.1953.)Die Sage erzählt, dass ein Bipper Vogt in grauer

Vorzeit am Attiswiler Freistein einen Flüchtigenerstochen habe. Nach einem Jahr voll Siechtumstarb auch er, und kommt seither in den wildenFrühlingsnächten zurück an die Stätte seiner Tat.

Bernstein AttiswilRRB 14. 6. 1940. Montblanc-Granit. GemeindeAttiswil, westlich Eichholz unter dem Bleuerhof.Koordinaten 613 9201233 680. Die Bestrebungen,den Bernstein von Attiswil als Naturdenkmal auchkünftigen Geschlechtern zu erhalten, gehen in diesechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück.Der bernische Gelehrte lsidor Bachmann schreibtin den Mitteilungen der Naturforschenden Gesell-schaft von Bern aus dem Jahre 1870 über denfraglichen Block folgendermassen :

<Bei meinen geologischen Untersuchungen derGegend fand ich nordwestlich ob Attiswyl in einerHöhe von etwa 500m im Burchwald, zunächstunter dem Bleuerhof, den grössten der noch Indiesen Bezirken existierenden Blöcke von Mont-blanc-Granit. Es ist eine parallelipipedische Massevon annähernd 8000 Kubikfuss, von Ouarzaderndurchzogen und zerklüftet, die bei einem allfälligen

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74 Kasthoferstein auf dem Moosrain, Langenthal.Der Granitgneis stammt aus der <ertrunkenenr Moräne desHardfeldes (ehemalige Gemeinde-Kiesgrube)

Sprengversuch nur unregelmässigen Zerfall be-wirkt hätten. Dlesem Umstande und der wohl zuberücksichtigenden höhern Lage ist es besonderszu verdanken, dass der Block noch nicht in Angriffgenommen worden ist.>

Grauflühli NiederbippRRB 25. 6. 1940. Montblanc-Granit. GemeindeNiederbipp, Heiterenmooshöhe im Längwald.Koordinaten 621 0001232970. Das Grauflühli giltals äusserster Block der Rhonejungmoränen zwi-schen Jura und Aare.

Schalenstein im Kleinhölzli, WiedlisbachRRB 10. 6. 1949. Vallorcine-Konglomerat. Ge-meinde Wiedlisbach, 2km südöstlich der Station.Koordinaten 617 0501232 300. Liegende Platte mit14 Schalen.Vallorcine-Konglomerat ist eine Art uralte, zäheNagelfluh, welche die Anthrazitformation des Wal-lis in der Gegend des Rhoneknies bei Martignybegleitet.

Graufluh NiederbippRB 1Q. 6. 1949. Gneis. Gemeinde Wiedlisbach,Längwald. Koordinaten 620 0651232 360. Chlorit-M uskovit-haltender Augengneis.

Arol lagneis LangenthalRRB 14. 6. 1949. Gemeinde Langenthal, beimHirschpark. Koordinaten 627 2101228980. DerFindllng liegt hier auf dritter Lagerstätte; vorher lager in der Moräne nördlich Schulhaus Bannwil, seineursprüngliche Heimat ist in den südlichen WalliserTälern zu suchen, in der Umgebung von Arolla.

Kleiner Menhir WledlisbachRRB 20. 1. 1950. Montblanc-Granit. GemeindeWiedlisbach, westlich Städtchen.Der kleine Menhir von Wiedlisbach wurde schon1855 von Morlot in seiner Schrift <Der Freysteinvon Attiswil> erwähnt, und F.E.Koby macht inseinem Aufsatz <Les vestiges de Mégalithes dansle nord du Jura> im Jahr 1948 neuerdings auf denDoppelgänger des Steines von Attiswil aufmerk-sam. (Nach Bericht der Naturschutzkommission,1950.)

Kasthoferstein Langenthal (Abb. 74)RRB 5. 10. 1951. Hornblende-Granitgneis. Ge-meinde Langenthal (Moosrain). Koordinaten627 2201228 290. Aus der ehemaligen Gemeinde-kiesgrube auf dem Hopfernfeld (Findlingshorizont).Auf dem Moosrain Denkstein für den verdienten

75 Schiffstein von Bannwil. Kiesgrube hlnter Schulhaus,mit Findlingshorizont, Zustand 1971 . Leider wurde der vonGrösse, Form, Farbe und Struktur her besonders schöne undseltene Findling wieder zugedeckt

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76 Hard-Findling, hier auf dem Transport vom Fundort Bannwil nach dem Hardschulplatz Langenthal, Mai 1963

Förderer des bernischen Forstwesens, Karl Alb-recht Kasthofer, 1777 -1 855.

Gabbro an der Lohhalde, RohrbachRRB 5. 10. 1951 . Gemelnde Rohrbach. Koordinaten629180t219 325.Der grunlich-graue Gabbro ist ein feldspathaltigesTiefengestein wie Granit, besitzt aber wenig Ouarzund Glimmer. Diese Ausbildung findet sich im Al-lalingebiet (Saastal). Der interessante Findling wur-de durch den Rhonegletscher der vorletzten odergrossen Eiszeit in den Oberaargau transportiert.Nicht immer lag er auf seiner jetzigen Stelle. Ur-sprünglich lag er höher in einem zu Rutschungengeneigten Waldgraben. lm Herbst 1940 schlepptenihn Einwohner von Rohrbach mit Hilfe internierterPolen an den Waldrand hinunter und stellten ihndort auf einen Zementsockel, um ihn für <alleZeihen zu sichernr. (Nach Bericht der Naturschutz-kommission, 1951 .)

Eklogit HerzogenbuchseeRRB 17. 8. 1954. Gemeinde Herzogenbuchsee,Hotel Bahnhof. Koordinaten 619 9251226 380.

Der Stein lag ursprünglich in der Niederönz-Grube,links an der Strasse von Niederönz nach Aeschi.Der mannshohe Findling wurde vor einigen Jahrenals Sehenswürdigkeit in den Garten des HotelsBahnhof verbracht. Eklogit ist ein grünliches Ge-stein, beheimatet in den südlichen Teilen derVispertäler. Das seltene Gestein ist aus der nähernUmgebung bisher nicht bekannt geworden. (NachBericht der Naturschutzkommlssion, 1 954.)

Ouarzitblock MadiswilRRB 21 .12.1956. Gemeinde Madiswil, Bürgiswei-her. Koordinaten 628 3201224 860.Dieser Findling liegt am Rande des St.Walden-burgswaldes an der Strasse Madiswil-Bürgiswei-her. Der anfangs der 1 940erJahre in dieser Gegendkartierende Geologe A. Erniwurde seinerzeit durchFörster König auf diesen kaum aus dem Erdreichherausragenden Block aufmerksam gemacht. Mitseinen 2x2x1 m handelt es sich um einen dergrössten Ouarzitblöcke. Er wurde in der Risseiszeitan seinen heutigen Standort verbracht. (Nach Mit-teilungen der Naturforschenden Gesellschaft Bern,1957.)

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Schliesslich sei hingewiesen auf zwei besondereFindlinge, deren Erhaltung gesichert sein dürfte,die jedoch nicht unter staatlichem Schutz stehen.ln der Schulhaus-Grube von Bannwil trat im vornbesprochenen Findlingshorizont der <schiffsteinlzutage (Koordinaten 6223b01232 000). Der Find-ling rutschte im Juli 1 971 aus seiner ursprünglichenLage im Findlingshorizont, wobei die Anwohnervorerst ein Erdbeben verspürt zu haben glaubten.Und in der Tat ist die erschütternde Ursache elnGesteinsblock von ganz ungewöhnlichen Ausmas-sen. Die Länge des schiffähnlichen Kolosses, wieihn Abb.75 wiedergibt, beträgt 1 5 m, eingerechnetder bugartige Vorbau von 2m, die Breite 5,6-7m,die Höhe gegen 4m. So resultiert ein Volumen von330m'. Damit dürfte es sich, nach einer erstenDurchsicht der Literatur, um den grössten Erratikerdes Berner Mittellandes handeln (selbstredendimmer ausgenommen die in der Solothurner En-klave liegende Grosse Fluh auf Steinhof). Der Bann-wiler ((Schiffsteinr besteht aus schiefrigem Horn-blende-Granitgneis. Er ist ausgezeichnet durchhellfarbige Einschlüsse und Adern mit deutlichenKleinfältelungen. Leider wurde er im Rahmen derRekultivierung der Grube gutteils zugedeckt.Der Hard-Findling wird nach seiner jetzigen Lagebeim Hardschulhaus in Langenthal bezeichnet, woer den Kindern als natürliches Klettergerüst sehrwillkommen ist. Er weist einen lnhalt von ca. '14m.auf. Wiederum handelt es sich um einen Horn-blende-G ranitgneis aus dem Dent-Blanche-Massiv.Er stammt aus der Grube Burri-Scheidegger inBannwil, wo er 1961 zum Vorschein kam (Koordi-nalen 6221001231 750). Da er die Abbauarbeitstörte, unternahmen wir unter Mitarbeit der FirmaU.Ammann, Langenthal, den Transport an einenruhigeren Ort. Am 14.\Aai 1963 wurde der Blockmittels Autokran in Bannwilverladen. Unter Polizei-begleitung musste der Tiefgang-Lastenzug denUmweg über Olten nehmen. Für die Brücke vonAaruuangen wären die zweimal 40 Tonnen eineetwas schwere Ehre gewesen (Abb.76).

2.6 Nacheiszeit

Al I uvia les Schwem m lan d

Für die Nacheiszeit, die vor rund 10000 Jahrenbegann und bis heute gerechnet wird, sind ver-schiedene Bezeichnungen geläufig: Jetztzeit,Postglazial, Holozän oder Alluvium. Das letzterebedeutet sinngemäss <Zeit der Schwemmland-Ablagerungen > (Abb. 77). ln der Tat ist diese jüng-ste erdgeschichtliche Epoche die Zeit der Flüsse,Bäche und Seen. Was die landschaftsgestaltendenKräfte betrifft, kehrte nach den Eiszeiten wiedereine Ruhezeit ein, vergleichbar den Zwischeneis-zeiten. Die Flüsse fanden bald ihre heutigen Läufeund verloren nach dem Gletscherrückgang wesent-lich an Wasserführung und Transportkraft. EineVielfalt an Bäumen entwlckelte sich, und es kamausserhalb der Flussniederungen zu einerfastvölli-gen Bewaldung.Die Gliederung der Nacheiszeit wird nach denPollenzonen von Firbas (in Eicher, 1978) wie folgtvorgenommen:

Präboreal (Von¡vä rmezeit)8300-ca.7000 v.Chr.

Dichte Kiefern-Birkenwälderbreiten sich aus. Die ersten wär-meliebenden Bäume erscheinen: Haseln, Ulmen und Eichen

Boreal Haselhaine breiten sich aus. Ein-(Frühe Wärmezeit) gestreut finden sich die Vertreterca. 7000-5500 v.Chr. des Eichenmischwaldes.Alteres Atlantikum Der Eichenmischwald(MittlereWärmezeit) beherrscht das Landschaftsbild.5500-ca. 4000 v. Chr.Jüngeres Atlantikum(Mìttlere Wärmezeit)ca. 4000-2500 v. Chr

Die Weisstanne und die Buchetreten auf.

Subboreal(Späte Wärmezeit)2500-800 v.Chr.

Die Wärmezeit klingt aus.Die Fichte breitet sich aus

Alteres Subatlantìkum(Nachwärmezeit)800 v Chr.-

Die Rotbuche beherrscht dieWälder. Die menschlìche Beein-f lussung derVegetatìon wirddeutlich.ca 1000 n. Chr

Jüngeres Subatlantìkum(Nachwärmezeit)ca 1000 n. Chr.-Gegenwart

Zeit stärkster menschlicher Be-einflussung der Vegetation.

Versuchen wir, uns am Beispiel der Langete einBild der Landschaft zu machen, wie sie vor derdauernden und mehr als punktförmigen Besiede-lung vorlag: Das nacheiszeitliche Flüsschen hatteüber der fluvioglazialen Niederterrasse eine Deckereiner Fluss-Schotter aufgeführt, sich dabei imUnterlaufe stellenweise und stets neu den eigenen

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Humus

Kies und Sand,verschiedene Korngrössen

5m

Ton, siltig

10m

Kies, mittelgrob

Kies, leicht lehmig

15m

Kìes, wenig Sand

Steine Ø 30-40cm

Silt, tonig

77 Typisches Profilmit vorwiegendnacheiszeitlichenFlussablageru ngen.Bohrung WasserfassungBützberg im Tannwäldli(Hard)

78 Langete-Grien (Kies, Flussschotter). Foto H.Zaugg, Langenthal

wffi79 Feuerstein-Werkzeuge von Langenthal. MittelsteinzeitZeichnung Landesmuseum Zürich. Aus Bier| 1974

80 Widder. Tonfigürchen vom Fürsteiner, Aeschisee.Mittelsteinzeit. Als mögliche Zwecke werden angegebenDämonsbannung oder Votivgabe an den Widdergott.Aus Flükiger, Tschumi u.a.,1948

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81 Harpune vom Fürsteiner, Aeschisee. MittelsteinzeitLänge ca. 22 cm. Aus Flükiger, Tschumiu. a., i 948

Lauf versperrt. ln einer Wasser-, Schutt- und Ge-büschwüste zerteilte sich der Bach beim Ausgangin die Hardebene in verschiedene Arme. Hochwas-ser lief Richtung Aarwangen und Murg ab; beimittlerem Stande dürfte es im Grienland zu fastvölliger Versickerung gekommen sein. Alte Kartenund Beschreibungen enthalten verspätete Darstel-lungen dieser Verhältnisse (Schoepf, 1578).

Frühe Sied/er

Gegen Ende der Eiszeit tritt im Oberaargau alsjungster Faktor der Landschaftsgeschichte derMensch auf . Über die ersten < Oberaargauer> lesenwir bei K.H.Flatt (1971): <Mit der riesigen ZeiT-spanne vom frühesten Auftreten des Menschenund seiner kulturellen Hinterlassenschaft bis zum

82 Aeschisee, Grabung 1957 auf Bernerseite.Freilegung von Pfahlbau-Häusern. lm Vordergrund Palisade.Die neolithische Seeufer-Siedelung wurde als rtältestes Dorfder Schweizr bezeichnet

Einsetzen der ältesten schriftlichen Überlieferungbefasst sich die Urgeschichtsforschung. Nach denMaterialien, aus denen der Mensch seine Geräteund Waffen vornehmlich herstellte, unterteilt mandie Urgeschichte in Steinzeit, Bronzezeit und Eisen-zeit (Abb.79). Die A/tsteinzeit war im alpinenBereich weitgehend mit dem Zeitalter der Eiszeitenund Zwischeneiszeiten identisch: es ist deshalbnaheliegend, dass Spuren menschlicher Siedlungnur in den eisfreien Zonen des Säntisgebietes,Simmentals und Jura gefunden wurden. lm Verlaufder Wurmeiszeit trat an die Stelle des Wildbeuters(Neanderthaler) ein neuer Kulturträger, der sichdem höhern Jägertum widmete. Die Siedlungen

83 Bild ohne Worte. Serre-lllustration aus TAM 28, 1982

oder Jagdplätze des Rentierjägers des letzten Zeit-abschnlttes, des sog. Magdalénien (1 5 000-8000 v.Chr.), finden sich vorwiegend im Kanton Schaff hau-sen, im Birstal, bei Olten und - vereinzelt imMittelland - bei Villeneuve, bei Moosseedorf undvielleicht am Burgäschisee. Diese Streuung mageine zufällige sein, da noch nicht alle Gebietesystematisch erforscht sind. lDass auch bei uns Rentierjäger wohnten und amRande des Rhonegletschers im Bipperamt auf Jagdgegangen sein dürften, erwiesen die Funde aus derRislisberghöhle in der Klus von Oensingen, die alsurgeschichtliche Sensation zu werten sind: Schülervon Oensingen spielten an freien Nachmittagen ineinem Felsunterschlupf der nahen Klus. Dabei lern-ten sie den Höhlenraum, den Höhlenboden, denVorplatz und die weitere Umgebung recht gutkennen. lhr Lager prägte sich ihnen bis in Einzelhei-ten eln. Dazu ein Bericht von E. Müller (1978):<ln der Schule behandelte man die Steinzeit. DieLehrerin erklärte, dass die Steingeräte nicht ausdem Kalkstein des Juras hergestellt wurden, son-dern aus Feuersteinknollen. Dieses gut spaltbareRohmaterial hätte Klingen mit glatten Flächen

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84 Höhlenbewohner Schulwandbild SLVvon Ernst Hodel

geliefert. Hier hakten die Schüler eln. Sie berichte-ten der Lehrerin, dass in ihrem Lager derartigedünne und glatte Steine vorkommen. Die Lehrerinforderte die Schüler auf, einige Muster mitzubrin-gen. Die Steine erwiesen sich tatsächlich alsGeräte steinzeitlicher Jäger. Die Feststellungwurde der Kantonsarchäologie gemeldet. DieAbklärung ergab eindeutig, dass die Schüler einensteinzeitlichen Fundplatz entdeckt hatten.Die Höhle beflndet sich in der Klus, die von Oensin-gen Richtung Balsthal-Oberer Hauenstein die süd-lichste Jurakette unterbricht. Der Höhlenmund öff-net sich am Westhang etwa zwanzig Meter überdem Tal. Die Lage war günstig gewählt. Die stein-zeitlichen Jäger konnten den Wildwechsel vomMittelland in die Täler des Juras überwachen. DieHöhle bot ihnen Schutz.Um exakten Aufschluss über die Höhlenablagerun-gen zu gewinnen, wurde eln Sondierschnitt durchdie Höhlenmitte gelegt. Eine dunkle Kulturschichtmit den Hinterlassenschaften altsteinzeitlicherJäger liess es angezeigt erscheinen, die Höhlevol lständig auszugraben.Die Höhle wurde mit verschiedenen Methoden

naturwissenschaftlich untersucht. Sedimentpro-ben sollten aufgrund der verschiedenen Korngrös-senfraktionen und der mineralogisch-organischen

85 Rislisberg-Höhle, Klus von Oensingen. Altsteinzeit(Magdalénien) Steinbock-Kopf, in Rentier-Schulterblattgraviert. Aus Müller, 1978

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Zusammensetzung Aufschluss geben über die Ent-stehungsgeschichte der Höhle. Pollenanalysenwerden die Vegetatlon der Höhlenumgebung cha-rakterisieren. Die Auswertung der vielen Tausen-den von Knochenstücken ergab die Anwesenheitvon Schneehase, Steinbock, Murmeltier, Ren, Els-fuchs, Braunbär, Wildpferd, Vielfrass und Dachs.Mehr als 20 000 Jaspis- und Hornsteinstücke liefer-ten wertvolle lnformationen. Etwa 10 % sind Werk-zeuge. Sie sind ins späte Magdalénien zu datieren.Absolutwäre dies dieZeit um 1 0000 v. Chr. Klingenwurden als Messer verwendet.Verschiedene Funde belegen das Schmuckbedürf-nis der späteiszeitlichen Jäger. Durchbohrte Zähneund Muschelschalen dienten als Anhänger. Mög-licherweise wurden auch die Haifischzähne imgleichen Sinn verwendet. Die perlenähnlichen Kro-nen der Renschneidezähne wurden als Schmuck-kette getragen.Der Fund, der die Rislisberghöhle rasch über dieLandesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat, ist einKleinkunstwerk. Auf einem Sch u lterblattf ragmentist die Kopfpartie eines Steinbocks graviert(Abb.85). Es ist der erste Zeuge jungpaläolithischer

86 Höhlengravierung von Combière, Dordogne(Magdalénien): Wollhaariges Nashorn, von Pfeilen getroffenVerkleinert. Aus Guyan, 1954

Kunst im Gebiet der Schweiz seit mehr als einemhalben Jahrhundert. Zudem ist es die einzige Dar-stellung eines Steinbocks, die in der Schweizgefunden wurde. Das Kunstwerk schlägt eineBrücke zwischen den bekannten Kleinkunst-Fund-stellen bei Schaffhausen und bei Genf. Ohne dieAufmerksamkeit der Kinder und ohne jene ihrerLehrerin hätten wir vielleicht nie Kenntnis erhaltenüber die Rentierjäger unserer Klus.l

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