2 Hemisphären – 1 Gehirn Das Grosshirn ist anatomisch in eine rechte und eine linke Hemisphäre...

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Das Grosshirn ist anatomisch in eine rechte und eine linke Hemisphäre geteilt. Beide Hemisphären sind vom Aussehen her sehr ähnlich aufgebaut.

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Verbunden werden beide Hemisphären von einem Balkenmit ca. 200 bis 800 Millionen Nervenzellen, dem Corpus Corpus CallosumCallosum.

Das Corpus Callosum ist das grösste Nervenfaserbündelgrösste Nervenfaserbündel im ganzen Nervensystem und dient dem Informationsaustausch zwischen den beiden Hemisphären

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In Lernratgebern wird viel diskutiert zum Thema unterschiedliche unterschiedliche Funktionen der rechten und linken Hemisphäre Funktionen der rechten und linken Hemisphäre und die Konsequenzen, die sich daraus für Lernprozesse angeblich ergeben sollen.

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Annahmen über die Spezialisierungen der Hemisphären und der Zusammenhang dieser Spezialisierungen mit Lernprozessen zeigen eine bedeutende Schwachstellebedeutende Schwachstelle in der Bewegung für eine auf der neurobiologischen Lernforschung basierende Schulbildung auf.

Annahmen wie ‚die linke Hemisphäre ist der logische Teil des Gehirns‘ oder ‚die rechte Seite der kreative Teil‘ haben zu der Behauptung geführt, dass die kognitive Verarbeitung von Sprache oder Musikhören ausschliesslich in der einen oder anderen Hemisphäre stattfindet.

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Neuere Ergebnisse der neurobiologischen Forschung haben aber zum Beispiel zeigen können, dass beide Hemisphärenbeide Hemisphären aktiv sindaktiv sind, sowohl während der Sprachverarbeitung – eine der linken Hemisphäre zugeschriebene Fähigkeit – als auch während der Verarbeitung von räumlichen Relationen – der rechten Hemisphäre zugeschrieben.

Die funktionelle Zweigliederung der Hirnhälften ist zwar vorhanden, aber weniger ausgeprägt als dies lange Zeit angenommen wurde.

Beide Hemisphären sind Teil eines Beide Hemisphären sind Teil eines grösseren Hirnsystems. grösseren Hirnsystems. Für Für Verhalten und Denken ist die Verhalten und Denken ist die Zusammenarbeit der rechten und Zusammenarbeit der rechten und linken Hemisphärelinken Hemisphäre unerlässlich. unerlässlich.

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Vor mehr als 100 Jahren ging man davon aus, dass beide Hirnhälften die gleichen Funktionen erfüllen, mit Ausnahme der Motorik. Man wusste dass die linke Hemisphäre im wesentlichen die rechte Körperseite und die rechte Hemisphäre die linke Körperseite steuert.

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Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten die Physiologen BrocaBroca und WernickeWernicke bei Unfallopfern, dass ganz bestimmte Teile der linken Hemisphäre für grundlegende Sprachfunktionen wichtig sind, während ein Ausfall der entsprechenden Teile auf rechten Seite keinen Einfluss auf die Sprache hat. Daraus ergab sich die These, dass die linke und rechte Hirnhälfte teilweise verschiedene Funktionen erfüllen.

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Diese Vermutung wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts durch Experimente von Roger SperryRoger Sperry bekräftigt.

Er hat bei Epileptikern, die unter so starken Anfällen litten, dass das gesamte Gehirn in Mitleidenschaft gezogen war, der Corpus

Callosum operativ durchtrennt, damit die in einer Hirnhälfte auftretenden Anfälle nur auf dieser Hirnhälfte bleibt.

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Bei diesen "split-brainsplit-brain"-Patienten entdeckte Sperry eine Reihe kognitiver Ausfälle, aus denen er auf die unterschiedlichen Funktionen der beiden Hirnhälfte schliessen konnte.

So können einige Patienten zum Beispiel ein Wort, dass auf der linken Seite ihres Gesichtfeldes steht (Löffel), mit Hilfe der rechten Hirnhälfte lesen und mit der linken Hand, die ebenfalls von dieser Seite kontrolliert wird, schreiben -- sie können aber nicht sagen, was sie gelesen und geschrieben haben, solange sie das Wort nicht auch mit der linken Hirnhälfte ‚sahen‘. Das primäre Sprachzentrum scheint also wie vermutet auf der linken Seite zu liegen.

Apfel

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Sprache wird beim Menschen vorwiegend von der linken Hemisphäre erkannt. Es wird vermutet, dass diese Asymmetrie angeboren ist. Die Forscherin Marcela PeñaMarcela Peña konnte jetzt zeigen, dass Spracherkennung bereits bei zwei bis fünf Tage alten Neugeborenen in der linken Hemisphäre angelegt ist. Sie untersuchte dazu zwölf Babys mit einem Verfahren welches Veränderungen in der Durchblutung verschiedener Gehirnteile sichtbar machen kann (optischen Topografie). Während der Messung spielten die Forscher den schlafenden Neugeborenen Bänder vor, auf denen eine Frau ein Kinderbuch vorlas.

Lateralisierung der Sprache: Neuere Untersuchungen

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Dabei verstärkte sich die Durchblutung in der linken Hemisphäre der Kinder deutlich mehr als in der rechten. Interessanterweise reagierten die Gehirne der Kleinen nicht, wenn das Band rückwärts abgespielt wurde.

Das Gehirn ist bereits bei der Geburt so organisiert, dass es Sprache mit der linken Gehirnhälfte verarbeitet.

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Pena, Marcela et al. (2003) Proc. Natl. Acad. Sci. USA 100, 11702-11705

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Besonders die fehlende Reaktion auf rückwärts gesprochene Sätze beweist eindrucksvoll, dass bestimmte Eigenschaften von bestimmte Eigenschaften von Sprache Bereiche der linken Gehirnhälfte aktivierenSprache Bereiche der linken Gehirnhälfte aktivieren, die bei anderen Geräuschen keine Rolle spielten.

Dies wird durch Versuche mit Erwachsenen bestätigt, deren linke Gehirnhälfte bei ihnen unbekannten Sprachen ebenfalls nur dann aktiv wurde, wenn die Aufzeichnung der Sprache vorwärts ablief.

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Den Artikel dieser Studie finden Sie auf der Modul-Webseite

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Der Forscher Jerzy SzaflarskiJerzy Szaflarski fand bei der Untersuchung von Probanden im Alter zwischen 5 und 67 Jahren, dass sich mit zunehmendem Alter das Sprachzentrum im Gehirn immer gleichmäßiger auf beide Hemisphären verteilt.

Mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz untersuchte Szaflarski die Gehirnaktivität von 155 gesundenProbanden im Alter von 5 bis 67Jahren, während diese Sprach-aufgaben absolvierten.

Es zeigte sich dabei ein klarerTrend: Je älter die Teilnehmerwaren, desto stärker aktiviertensie beide Gehirnhälften.

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Ab einem Lebensalter von etwa 25 Jahren löst sich die Konzentration des Sprachzentrums auf eine Hemisphäre immer mehr auf, sodass ältere Erwachsene zunehmend beide Hemisphären für ihre sprachlichen Fähigkeiten nutzen.

Szaflarski führt dies auf eine nachlassende Leistungsfähigkeit des Sprachzentrums zurück, wobei dieser Verlust durch eine teilweise Auslagerung in die andere Hemisphäre ausgeglichen wird.

Artikel: Szaflarski JP, Holland SK, Schmithorst VJ, et al. fMRI study of language lateralization in children and adults. Human Brain Mapping. 2006 Mar;27(3):202-12.

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Man geht davon aus, dass die linke Hirnhälfte mehrmehr für die gesprochene und geschriebene Sprache sowie mathematische Fähigkeiten zuständig ist, die rechte hingegen mehrmehr für räumliches Vorstellungsvermögen und das Erkennen von Mustern.

Mit dem mehrmehr sind wir aber auch schon beim Kern. Es gibt keine ‚Links‘- oder ‚Rechtshirnler‘. Mathematiker sind nicht ‚linkshirnig‘ und Künstler nicht ‚rechtshirnig‘. Sogar bei Sperry wies die Mehrzahl der untersuchten Patienten keine deutlichen Unterschiedekeine deutlichen Unterschiede in der Funktion der beiden Hirnhälften auf. Bei anderen waren sie sogar vertauscht.

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Aus der Spezialisierung der Hemisphären eindeutige Schluss-Schluss-folgerungen für das Lernenfolgerungen für das Lernen abzuleiten, ist nicht möglich.

Denken und Lernen ist weniger die Frage des Gebrauchs einer oder der anderen Hemisphäre, sondern das hochkomplexe das hochkomplexe Zusammenspiel beider Zusammenspiel beider HemisphärenHemisphären..

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In den letzten Jahrzehnten hat sich eine Vielfalt an unseriösen unseriösen MethodenMethoden entwickelt, die auf so genannten ‚Erkenntnissen der

Gehirnforschung‘ basieren. Tatsächlich wurzeln viele dieser Methoden in der

wissenschaftlichen Psychologie. Allerdings werden diese losgelöst aus ihrem ursprünglichen Kontext angewandt - insbesondere von

Menschen, die den fachlichen Rahmen der Ursprünge nicht kennen.

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Erkennbar sind diese unseriösen Methoden unter anderem daran, dass

- sie komplizierte Sachverhalte auf simple Aussagen reduzieren (z.B. die Annahme, dass die rechte und linke Hemisphäre nicht "richtig" miteinander arbeiten würden)

- sie eine "ganzheitliche" Behandlung der Ursachen einer Störung versprechen, ohne die vermeintlichen Ursachen klar benennen und ihren Zusammenhang mit den beobachteten Symptomen erklären zu können

- die gleiche "Heilmethode" für sehr viele und sehr unterschiedliche Störungen angepriesen wird

- eine empirische Fundierung der Methode fehlt

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