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2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke Flugzeugtriebwerke können in zwei Kategorien eingeteilt werden: Turbostrahltriebwerke 1 Wellenleistungstriebwerke Innerhalb dieser beiden Kategorien können jeweils die folgenden weitergehenden Unterscheidungen getroffen werden: Einwellentriebwerke Mehrwellentriebwerke (Zwei- oder Dreiwellentriebwerke). Unter dem Begriff Welle (shaft) wird eine solche verstanden, die sowohl eine Verdichter- als auch eine Turbinenbeschaufelung trägt. Bild 2-1 verdeutlicht diese Definition. Beide dort dargestellten Triebwerke sind sog. Wellenleistungstrieb- werke, die über eine Welle einen Propeller bzw. einen Rotor antreiben und primär 1 Der Begriff „Turbo“ leitet sich von dem lateinischen Ausdruck „turbare“ ab, der in etwa „sich drehen, wirbeln“ bedeutet. Turbo-Strahltriebwerke sind also Triebwerke mit sich drehenden Bauteilen, nämlich Verdichter und Turbine, die als Turbomaschinen bezeichnet werden. Bild 2-1: Zur Unterscheidung von Mehrwellentriebwerken; oben Zweiwelliges Turboproptrieb- werk, unten Zweiwelliger Turboshaft mit einer Arbeitsturbine auf einer dritten, separaten Welle

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2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke

Flugzeugtriebwerke können in zwei Kategorien eingeteilt werden:

– Turbostrahltriebwerke1 – Wellenleistungstriebwerke

Innerhalb dieser beiden Kategorien können jeweils die folgenden weitergehenden Unterscheidungen getroffen werden:

– Einwellentriebwerke – Mehrwellentriebwerke (Zwei- oder Dreiwellentriebwerke).

Unter dem Begriff Welle (shaft) wird eine solche verstanden, die sowohl eine Verdichter- als auch eine Turbinenbeschaufelung trägt. Bild 2-1 verdeutlicht diese Definition. Beide dort dargestellten Triebwerke sind sog. Wellenleistungstrieb-werke, die über eine Welle einen Propeller bzw. einen Rotor antreiben und primär

1 Der Begriff „Turbo“ leitet sich von dem lateinischen Ausdruck „turbare“ ab, der in etwa „sich

drehen, wirbeln“ bedeutet. Turbo-Strahltriebwerke sind also Triebwerke mit sich drehenden Bauteilen, nämlich Verdichter und Turbine, die als Turbomaschinen bezeichnet werden.

Bild 2-1: Zur Unterscheidung von Mehrwellentriebwerken; oben Zweiwelliges Turboproptrieb-werk, unten Zweiwelliger Turboshaft mit einer Arbeitsturbine auf einer dritten, separaten Welle

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30 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke

keinen schnellen Gasstrahl zur Schuberzeugung produzieren, so wie es bei den Turbostrahltriebwerken der Fall ist. Der untere Bildteil zeigt ein Triebwerk, das zwar drei Wellen hat, aber dennoch zu den Zweiwellentriebwerken zu zählen ist, da die zentrale dritte Welle nur eine Turbinen- aber keine Verdichter-Beschaufelung trägt. Diese Turbine ist eine sog. Arbeitsturbine (free power turbine), die dem Gasge-nerator nachgeschaltet ist und über deren separate Welle Leistung nach außen abge-geben wird. In den Fällen, in denen Wellenabschnitte durch Kupplungen oder Getrie-be miteinander verbunden sind, sind diese als eine einzige Welle aufzufassen.

Mehrwellige Triebwerke kommen praktisch immer dann zur Anwendung, wenn das Druckverhältnis des Verdichters (compressor) größer als 8 oder 10 ist und auf verstellbare Leitschaufeln (variable inlet guide vanes) in dessen ersten Stufen2 verzichtet werden soll. Andernfalls müssten etwa 40% der Verdichtereingangsstu-fen eine Leitschaufelverstellung erhalten. Zusätzlich kann auch das Ausblasen von Verdichterluft (bleed air) aus den mittleren und/oder hinteren Stufen erforderlich sein. Sowohl Leitschaufelverstellung als auch Abblasen von Verdichterluft sind nur für das Anlassen und den unteren Drehzahlbereich, oberhalb des Leerlaufs (idle) relevant. Vielstufige Verdichter mit hohen Druckverhältnissen könnten an-sonsten nicht in ihren oberen Drehzahlbereich gefahren werden. Die obere Hälfte des möglichen Schubbereichs eines Triebwerks wird von Drehzahlen oberhalb von 80 ... 90% der maximal möglichen Verdichterdrehzahl abgedeckt. Nicht nur 1-wellige Triebwerke machen eine Leitschaufelverstellung und das Abblasen von Verdichterluft erforderlich, sondern auch die modernen Mehrwellentriebwerke mit ihren sehr hohen Verdichterdruckverhältnissen von 35 und mehr. Hier ist insbe-sondere der Hochdruckverdichter angesprochen. 2 Eine Stufe ist bei einem Verdichter die direkte Reihenfolge von Lauf- und Leitrad (Rotor und

Stator). Bei einer Turbine sind die Stufen in der Reihenfolge Leit- und Laufrad angeordnet.

Bild 2-2: Prinzipieller Aufbau eines modernen Mehrwellen-Turbofan-Triebwerks mit Nieder-,Mittel- und Hochdruckteil. Dreiwellen-Triebwerke sind grundlegende Auslegungsphilosophieder britischen Firma Rolls-Royce

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2.1 Turbostrahltriebwerke 31

Bei zweiwelligen Triebwerken teilt sich der Verdichter in einen Niederdruck- und einen Hochdruckverdichter auf (low pressure and high pressure compressor). Die zugehörigen Turbinen heißen entsprechend Niederdruck- und Hochdruckturbine (low pressure and high pressure turbine). Dem Niederdruck- folgt der Hoch-druckverdichter und dann – nach der zwischengeschalteten Brennkammer – folgen Hochdruck- und Niederdruckturbine. Sowohl Niederdruckverdichter und Nieder-druckturbine als auch Hochdruckverdichter und Hochdruckturbine befinden sich jeweils auf einer gemeinsamen, separaten Welle, Bild 2-2. Die Begriffe Hoch- und Niederdruck beziehen sich auf das im jeweiligen Bauteil vorliegende Druckniveau.

Dreiwellige Triebwerke sind i. Allg. nur bei den Zweistromtriebwerken zu finden und eine ausgesprochene Spezialität der britischen Firma Rolls-Royce. Der Gasge-nerator erhält dabei zwei Wellen. Die dritte Welle ist für den Fan oder Bläser vorbe-halten. Bei dieser Anordnung werden dann bei Verdichter und Turbine zwischen Niederdruck-, Mitteldruck- (intermediate pressure) und Hochdruckteilen unter-schieden. Der Fan, der in seiner Funktionsweise wie eine Axialverdichterstufe anzu-sehen ist, ist hierbei meist der Niederdruckverdichter selbst oder sitzt zumeist mit dem Niederdruckverdichter auf einer gemeinsamen dritten Welle. Die ersten Stufen eines Niederdruckverdichters, die direkt dem Fan folgen, werden auch als Booster oder Booster-Stufen bezeichnet und zeichnen sich konstruktiv durch schräg nach hinten geneigte Leit- und Laufschaufeln (canted vanes and blades) aus.

Der Niederdruckteil eines Triebwerks dreht langsamer als sein Hochdruckteil. Diesen Umstand macht der auf der Niederdruckwelle installierte Fan mit seinem großen Außendurchmesser erforderlich. An seinen Blattspitzen soll nach dem der-zeitigen Stand der Technik aus Gründen der Festigkeit, der Aerodynamik und des Lärms die Geschwindigkeit 1 450 m/s nicht überschreiten. Je größer also der Durchmesser eines Fans ausfällt, umso langsamer muss konsequenterweise die Niederdruckwelle drehen. Die Steuerung der Wellendrehzahl erfolgt dabei über die Aerodynamik der zugehörigen Niederdruckturbine. Geringe Drehzahlen bei gleichzeitig großen Leistungen, die ebenfalls der große Fan impliziert, führen von daher zu einer Vielzahl von Turbinenstufen, die das Triebwerk zum einen schwe-rer und zum anderen auch teurer werden lassen.

2.1 Turbostrahltriebwerke

Unter den Begriff der Turbostrahltriebwerke fallen alle bereits in Kap. 1 definier-ten Turbojet-, Turbofan- und Propfantriebwerke (mit und ohne Nachbrenner), also solche, die ihren Schub ausschließlich durch die aerothermodynamische Be-schleunigung des sie durchströmenden Gases erzeugen. Prinzipiell könnten auch die Turboproptriebwerke hier eingeordnet werden, da sie in gewisser Weise eine Art Sonderfall der Turbofantriebwerke sind. Es ist jedoch üblich, die Tur-boproptriebwerke den Wellenleistungstriebwerken zuzuschlagen, da die bei ihnen zur Verfügung stehende Wellenleistung klar definiert werden kann, wogegen aber ihr Schub zur Hauptsache von der Wahl des ver wendeten Propellers abhängt. Turbostrahltriebwerke weisen drei weitere Unterscheidungsmerkmale auf:

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– Ein- und Zweistromtriebwerke (Turbojet, Turbofan, Propfan) – Ein- oder Mehrwellentriebwerke (1, 2 oder 3 Wellen) – Ein- und Zweistromtriebwerke mit Nachbrenner

2.1.1 Einstromtriebwerke

Einstromtriebwerke werden auch als Einkreis- oder Turbojettriebwerke bezeichnet. Es wird zwischen ein- und zweiwelligen Ausführungen unterschieden. Den grund-sätzlichen Aufbau verdeutlicht das Triebwerk GE CJ 610 in Bild 2-3, das die zivile Version des militärischen Turbojets GE J85 ist. In diesem vergleichsweise einfach gehaltenen Triebwerk erhöht der achtstufige Axialverdichter, der von einer zweistu-figen Turbine mit einer Drehzahl von n 16 500 min 1 angetrieben wird, den Druck der angesaugten Luft um den Faktor 6.8, man sagt sein Verdichterdruckver-hältnis beträgt V 6.8. In der anschließenden Ringbrennkammer wird die komp-rimierte Luft auf eine Turbineneintrittstemperatur (TIT turbine inlet temperature) von etwa Tt4 1 150 K erhitzt. Bei einem Startschub (take-off thrust) von FTO 12.7 kN ist dieses Triebwerk mit einem spezifischen Brennstoffverbrauch (SFC specific fuel consumption) von etwa BS 100 (kg/h)/kN im Vergleich zu Zweistromtriebwerken zwar nicht besonders wirtschaftlich, dafür aber in Herstel-lung, Wartung und Reparatur unübertroffen einfach. Der Luftmassendurchsatz durch das Triebwerk beträgt m 20 kg/s. Das ursprüngliche militärische GE J85 Turbojettriebwerk war als Kurzzeitantrieb für unbemannte Flugkörper (missile) ge-plant, gewann im Laufe der Jahrzehnte aber mehr und mehr an Bedeutung für Kampf- und Trainingsflugzeuge (fighters and trainers). In der zivilen Version GE CJ 610 wurde es gerne in Geschäftsflugzeugen (business jets or bizjets) eingesetzt.

Bild 2-3: Beispiel für ein einfaches einwelliges Turbojettriebwerk, GE CJ610. Bild mit freundli-cher Genehmigung von General Electric Aircraft Engines

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Alle jemals von diesem Triebwerk hergestellten Varianten überdeckten einen Schubbereich von 12.7 kN ... 22.3 kN. Eine Version mit Nachbrenner, das J85-GE-5H, erreichte sogar einen ver-stärkten Schub von 71.2 kN. Die Produktion der gesamten J85 Triebwerkspalette, die 1953 begann, endete immerhin erst 1988.

Weitere klassische Vertreter von bedeutenden Turbojettriebwerken – die bis heute noch in Betrieb sind bzw. noch gebaut werden – sind das mehr oder weniger franzö-sische Triebwerk Snecma ATAR, das britische Triebwerk Rolls-Royce Viper und das britisch-französische Nachbrennertriebwerk Rolls-Royce/Snecma Olympus.

Von dem militärischen ATAR3 Turbojettriebwerk, das bis zu einer maximalen Flugmachzahl von 2.2 zum Einsatz kam, wurden mehr als 5 000 Exemplare gebaut. Es ist bzw. war der Antrieb Kampfflugzeuge Dassault-Breguet Mirage F.1/III-V/50 und der Super Étendard. Fast alle ATAR-Triebwerke waren mit Nachbrenner aus-gerüstet, lediglich das ATAR 8K-50 für die Super Étendard war eines der wenigen Modelle ohne Nachbrenner. Das ATAR 9K-50 (Bild 2-4 oben), die letzte Version

3 ATAR bedeutet „Atelier Technique Aéronautique Rickenbach“. Rickenbach ist ein Ort in der

Schweiz (ca. 20 km von der Kantonshauptstadt Luzern entfernt), wo 1945 in einem kleinen Inge-nieurbüro vom früheren Chefkonstrukteur des BMW 003 Triebwerks, Dr. H. Oestrich, zusam-men mit einigen seiner ehemaligen Mitarbeiter, dieses Turbojettriebwerk entwickelt wurde. Das somit ursprünglich deutsche Triebwerk wurde 1946 vom französischen Luftfahrtministeri-um gekauft und die Weiterentwicklung und Produktion nach Frankreich verlagert, wo es im März 1948 in den damals völlig neuen Werksanlagen in Melun Villaroche montiert wurde. Im Jahr 1950 wurde das ATAR-Triebwerk Eigentum der Firma SNECMA (Société Nationale d’Études et de Construction des Moteurs d’Aviation).

Bild 2-4: Zwei Beispiele für sehr erfolgreiche Einwellen-Turbojettriebwerke; oben das französi-sche Nachbrennertriebwerk ATAR 9K-50, unten der heute noch gebaute britische Turbojet Rolls-Royce Viper 632. Bilder mit freundlicher Genehmigung von SNECMA und Rolls-Royce plc

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dieses Triebwerktyps, ist bzw. war der Antrieb aller je produzierten Mirage F1 und Mirage 50 Kampfflugzeuge. Es ist das leistungsstärkste dieses Typs, das bei ei-nem Gewicht von 1 587 kg und einer Drehzahl von 8 700 min 1 einen Schub zwi-schen 49.2 kN (ohne Nachbrenner) und 70.6 kN (mit Nachbrenner) produzieren kann. Bei einem Verdichterdruckverhältnis von V 6.2 ist das Triebwerk in der La-ge, einen Luftmassenstrom von bis zu m 72 kg/s aufzunehmen. Aus dem ATAR-Triebwerk wurde später das sog. Super ATAR, aus dem sich das M53 entwickelte, das schließlich in das einwellige M53-P2 Turbofantriebwerk überging, den Antrieb der Mirage 2000. Wegen der starken konstruktiven Anlehnung dieses Triebwerks an den ATAR-Turbojet, wird es auch manchmal als M53-P2 Bypass-Turbojet bezeichnet.

Ein heute noch immer produziertes, seit über 40 Jahren im Dienst befindliches und in weit mehr als 5 000 zivilen und militärischen Exemplaren ausgeliefertes Turbojettriebwerk ohne Nachbrenner ist das Rolls-Royce Viper, Bild 2-4 unten. Alle je gebauten Viper Triebwerke zusammen dürften im Laufe der Zeit auf eine Laufleitung von mehr als zwölf Millionen Betriebsstunden kommen. Die Viper 600 Serie hat einen achtstufigen Axialverdichter, der von einer zweistufigen Axi-alturbine angetrieben wird. Das Viper 601 ist eine zivile Version, die den Bizjet BAe 125-600 mit einem maximalen Schub von 16.7 kN antreibt. Die militärische Version, der Turbojet Viper 632 mit einem Schub von 17.8 kN, wird u. a. in Lizenz in Italien, Rumänien und in Ex-Jugoslawien gebaut. Auf der Basis des Vipers 632 wird das Viper 633 produziert, das einzige Triebwerk dieses Typs, das mit einem Nachbrenner ausgestattet ist. Sein maximaler Nachbrennerschub beträgt 22.3 kN. Das leistungsstärkste Triebwerk der Typen ohne Nachbrenner ist das Viper 680, das den Trainer Aermacchi MB339 antreibt und das bei einem Gewicht von 379 kg

Bild 2-5: Einwellen-Turbojettriebwerke mit Nachbrenner; oben GE J79-11A, das Nachbrenner-triebwerk Lockheed F104 Starfighter, unten das GE J79-J1K, das ebenfalls im Starfighter zumEinsatz kam. Bilder mit freundlicher Genehmigung von General Electric Aircraft Engines

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einen Schub von bis zu 21.7 kN produzieren kann. Bei einem Verdichterdruckver-hältnis von V 6.8 ist das Triebwerk in der Lage, einen Luftmassenstrom von bis zu m 26.5 kg/s aufzunehmen.

Soll ein Triebwerk häufig im Überschallflug zum Einsatz kommen, so ist das Turbojettriebwerk mit Nachbrenner – u. a. wegen seiner geringen Stirnfläche – dafür besonders gut geeignet, Bild 2-5. Das oben dargestellte Triebwerk GE J79-11A war der Antrieb des Lockheed F-104G Starfighter. Das Einwellentriebwerk wurde in Deutschland bei der MTU-München in Lizenz gebaut. Mit Nachbrenner erreichte es einen Schub von FTO 80.8 kN und ohne Nachbrenner von FTO 53.5 kN. Der siebzehnstufige Axialverdichter mit einem Druckverhältnis von V 13.5 wurde von einer dreistufigen Axialturbine angetrieben und hatte einen Luftmassendurch-satz von rund m 77 kg/s. Das in Bild 2-5 unten dargestellte Triebwerk GE J79-J1K hat identische Leistungsdaten, ist aber eine hinsichtlich der Zuverlässigkeit wei-terentwickelte Variante des GE J79-11A und kam später als GE J79-17 in der McDonnell Douglas F-4E Phantom II zum Einsatz.

Eine weitere besondere Eignung des einwelligen Turbojettriebwerks als Hub-triebwerk (lift engine) zeigt Bild 2-6. Solche Triebwerke sollen senkrechten Schub in der Start- und Landephase von V/STOL-Flugzeugen (vertical and short take-off and landing) erzeugen. Da diese Triebwerke während der normalen Flugphase nicht benutzt werden, müssen sie möglichst leicht und kleinvolumig ausfallen. Die Firma Rolls-Royce hat hier mit dem in Bild 2-6 rechts dargestellten XJ99 ein zweiwelliges Exemplar mit einem Schub-zu-Masse-Verhältnis von 200 N/kg ent-wickelt (40 kN Schub bei 200 kg Masse). Dieser gute Wert wird durch einen mög-lichst simplen konstruktiven Aufbau und durch extensiven Gebrauch von Kompo-

Bild 2-6: Turbojettriebwerke als Hubtriebwerk; A) Turboprop/Turbojet-Mischantrieb (Fiat G-222 mit Rolls-Royce Dart Turboprop und drei RB-162/31 Lift Engines), B) einwelliges Hubtriebwerk Rolls-Royce RB-162, C) zweiwelliges Rolls-Royce Allison XJ99 Hubtriebwerk

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sitmaterialien erreicht. Das XJ99 hat mit einer Baulänge von nur 292 mm die kürzeste je gebaute Brennkammer. Die Brennkammeraustrittstemperatur liegt ty-pischerweise bei 1 635 K. Die der Brennkammer nachfolgende Turbine besteht aus einem Eintrittsleitrad, das Bestandteil der Brennkammer ist, und aus zwei ge-genläufigen Rotoren, sodass auf eine weitere Leitradreihe verzichtet werden kann. Bemerkenswert ist auch die sehr kurze Schubdüse dieses Triebwerks. Das XJ99 war für das deutsch-amerikanische Flugzeugprojekt AVS (advanced vertical strike aircraft) vorgesehen, das neben zwei links und rechts vor dem Tragflügel ange-ordneten Paaren an ein- und ausfahrbaren XJ99-Hubtriebwerken auch zwei Haupt-Nachbrennertriebwerke mit Strahlumlenkung haben sollte. Durch diese sog. Schwenknachbrenner mit „milder Nachverbrennung“, die bei 90° Umlenkung für eine Nachverbrennungstemperatur von ca. 1 300 K vorgesehen waren, sollte der Schub beim Vertikalstart zusätzlich erhöht werden. Das sehr komplexe AVS-Projekt wurde 1968 eingestellt und war, was die Kompliziertheit betrifft, das ge-naue Gegenstück zu dem viel simpleren Harrier Senkrechtstarterprojekt der Bri-ten, auf der Basis des Rolls-Royce Pegasus Triebwerks (Turbofan mit vier Deflek-tordüsen), das bekanntlich noch bis heute Bestand hat.

Bei Verdichter und Turbinen können bei Turbojettriebwerken in Abhängigkeit des Luftmassenstroms 0m folgende groben Unterscheidungen getroffen werden:

– 0m 3 bis 5 kg / s : Radialverdichter, angetrieben von einer Axialturbine – 05 kg / s m 20 kg / s : Kombinationsverdichter, bestehend aus mehreren

Axialstufen und einer abschließenden Radialstufe, die von einer Axialturbine angetrieben werden.

– 0m 20 kg / s : ausschließlich Axialverdichter, angetrieben von Axi-alturbinen.

Bei Luftmassenströmen deutlich unter 20 kg/s würden die Schaufelhöhen im Aus-trittsbereich des Verdichters, auf Grund der Volumenverringerung durch den Ver-dichtungsvorgang, sehr klein ausfallen, sodass hier Radialverdichter bevorzugt

100 %

Schaufel-höhe

Blattspitzenspalt / Schaufelhöhe

Wirk

ungs

gra

dver

hältn

is

/re

f zunehmender Triebwerksmassenstrom

10 %0 %

Blattspitzenspalt

Bild 2-7: Einfluss des Verhältnisses von Blattspitzenspalt zu Schaufelhöhe auf den Wirkungs-grad von Axialverdichtern

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werden. Je kleiner der Massenstrom ist, umso unumgänglicher wird die Verwen-dung eines Radialverdichters, da in diesen Fällen der Spalt zwischen Schaufel und Gehäuse im Vergleich zur Schaufelhöhe sehr groß werden würde, wodurch sich die Verdichterwirkungsgrade signifikant verschlechtern, Bild 2-7. Ansonsten be-kommen Axialverdichter i. Allg. immer den Vorzug gegenüber Radialverdichtern, da sie bei vergleichbarem Triebwerksaußendurchmesser mehr Luftmassenstrom fördern können, was für den Triebwerksschub von Bedeutung ist, und bei höheren Verdichterdruckverhältnissen, die den spezifischen Brennstoffverbrauch des Triebwerks senken, den besseren Wirkungsgrad aufweisen.

Einstromtriebwerke werden bis hin zu Flugmachzahlen von Ma0 2.5 ... 3.0 und in Flughöhen von bis zu H0 25 km eingesetzt. Es gibt sehr kompakte Turbojet-triebwerke mit Schüben im Bereich von 1 kN F 10 kN (z. B. KHD T117 oder MTU ETJ 1081), die in militärischen Waffensystemen, wie unbemannten Lenk-waffen und Drohnen, Einsatz finden. Etwas größere Turbojettriebwerke mit Schü-ben im Bereich von 10 kN F 25 kN finden Einsatz bei Reise- und Geschäfts-flugzeugen, wie dem Learjet 24/25 (GE CJ610-8A), oder bei militärischen Trai-nern, wie dem Aermacchi MB339 (RR Viper 680). Noch größere Turbojettrieb-werke mit Schüben von 25 kN F 75 kN sind in Kampfflugzeugen, wie der Mi-rage F1 (Snecma ATAR 9K-50), oder in Transportflugzeugen, wie der B707-320 oder DC8-20 (PW JT4A-3), zu finden. Das PW J58P (Lockheed SR71) und das RR-Olympus 602 (BAC Concorde) schließlich sind sehr leistungsstarke Nach-brennertriebwerke mit 145 bzw. 170 kN Schub.

Die Turbojettriebwerke mit Schüben von bis zu etwa 20 kN weisen im Ver-gleich zu Turbofantriebwerken i. Allg. immer den höheren spezifischen Brenn-stoffverbrauch auf. Da aber die Wartungskosten dieser einfach aufgebauten Tur-bojettriebwerke im Vergleich zu den aufwändiger ausgestatteten Turbofantrieb-werken geringer sind, können sie – je nach Einsatzaufgabe – durchaus den Vorzug bekommen. Soll ein Turbojettriebwerk häufiger im Überschallflug zum Einsatz kommen, wie es z. B. bei Kampfflugzeugen der Fall sein kann, so ist die im Ver-gleich zu Turbofantriebwerken kleinere Stirnfläche hinsichtlich des Flugwider-standes ein bedenkenswerter Aspekt. Werden solche Triebwerke zudem mit hohen Verdichterdruckverhältnissen ausgeführt, so sind durchaus kleinere und damit günstigere spezifische Brennstoffverbräuche zu erzielen. Zusätzlich angebrachte Nachbrenner erhöhen zwar den Schub dieser Triebwerke um 30 ... 70%, steigern aber gleichzeitig auch deren spezifischen Brennstoffverbrauch um 80 ... 120%.

Einstromtriebwerke haben hohe Düsenaustrittsgeschwindigkeiten, die im Über-schallbereich liegen und dadurch sehr lärmintensiv (Strahllärm) sind. Die sich ständig verschärfenden Lärmvorschriften (z. B. FAR 36 oder Annex 16 of ICAO, Volume I) schränken die Verwendung von Turbojettriebwerken zunehmend ein und/oder verlangen aufwändige Lärmreduzierungsmaßnahmen.

2.1.2 Zweistromtriebwerke

Zweistromtriebwerke werden auch als Zweikreis-, Bläser-, Bypass- oder Turbo-fantriebwerke bezeichnet. Einige europäische Beispiele für diesen Triebwerkstyp

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zeigt Bild 2-8. Beim Turbofantriebwerk wird der Fan oder Bläser (Sekundärkreis oder Nebenstrom), den man auch ganz grob als eine Art ummantelten Propeller ansehen kann, von einer hinter dem Kerntriebwerk (Primärkreis) angeordneten mehrstufigen Niederdruckturbine angetrieben und so ein großer Anteil der vom

Bild 2-8: Beispiele für aktuelle große und moderne Zweistromtriebwerke. Triebwerksfamilie TrentTurbofan der Firma Rolls-Royce mit Triebwerken in einem Schubbereich zwischen 236 kN (Trent500) und 423 kN (Trent 800). Bilder mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc

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2.1 Turbostrahltriebwerke 39

Triebwerk angesaugten Luftmasse am Kerntriebwerk (core engine) vorbei be-schleunigt. Die Strahlgeschwindigkeiten im Primär- und Sekundärkreis sind im Vergleich zum Turbojet deutlich geringer, was den Vortriebswirkungsgrad ver-bessert und sowohl die Lärmemission als auch den spezifischen Brennstoff-verbrauch senkt. Wie viel Luftmasse am Kerntriebwerk vorbeigeführt wird, be-schreibt das sog. Bypass- oder Nebenstromverhältnis (bypass ratio) :

0 0 IIFan 0 Core II

Core Core I I

m m mm m m m

m m m m (2.1)

0 I II Core Fanm m m m m angesaugter Luftmassenstrom (2.2)

Fan IIm m Luftmassenstrom im Sekundär- oder Nebenstrom (2.3)

Core Im m Luftmassenstrom im Primärstrom (2.4)

Bypassverhältnisse von derzeit praktisch ausgeführten Turbofantriebwerken liegen in einem Bereich von etwa 0.3 9. Die Auslegung von Zweistromtriebwer-ken bringt es mit sich, dass zu einem kleinen Bypassverhältnis stets ein großes Fandruckverhältnis ( Fan 2) mit mehreren Fanstufen (2 … 5) und zu einem gro-ßen Bypassverhältnis ein kleineres Fandruckverhältnis Fan mit nur einer einzi-

Bild 2-9: Militärische Turbofantriebwerke mit kleinem Bypassverhältnis; oben Turbo-Union RB 199 Mark(Mk) 103 ( 0.97, Panavia MRCA Tornado), unten Pratt & Whitney F100-PW-129 ( 0.42, Lockheed Martin F16C Fighting Falcon). Bilder mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines und United Technologies Pratt & Whitney

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gen Fanstufe gehört. So haben die beiden in Bild 2-9 dargestellten Triebwerke, RB199 und PW F100-PW-229, bei Bypassverhältnissen von 1 bzw. 0.42, je-weils drei Fanstufen und Fandruckverhältnisse zwischen drei und vier. Die zu der in Bild 2-8 dargestellten Triebwerksfamilie Rolls-Royce Trent gehörenden Trieb-werke Trent-500 bis -900 haben Bypassverhältnisse von 5 … 8.7 und Fan-druckverhältnisse (fan pressure ratio) von Fan 1.7 und dementsprechend auch nur eine einzige Fanstufe. Für die zukünftigen Triebwerke Trent-1000 und Trent-1700 (XWB) sind Bypassverhältnisse zwischen 10 und 11 geplant.

Zweistromtriebwerke mit Bypassverhältnissen von 2 sind für Verkehrsflug-zeuge im Mittelstreckenbereich ebenso geeignet wie für Mehrzweckkampfflugzeu-ge. Militärische Triebwerke sind i. Allg. zusätzlich noch mit einem Nachbrenner ausgestattet, Bild 2-9. Triebwerke für große Verkehrs- und Transportflugzeuge, die so ausgelegt sind, dass sie in einem Flugmachzahlbereich von bis zu Ma0 0.85 sehr günstige spezifische Brennstoffverbräuche aufweisen (BS 35 (kg/h)/kN), haben hohe Nebenstromverhältnisse im Bereich von 5 … 8.

Gewöhnlich ist der Fan vor dem Kerntriebwerk angeordnet und verdichtet mit den nabennahen Schaufelbereichen die dem Gasgenerator zuströmende Luft vor. Der durch den Fan strömende Luftmassenstrom ( vom Triebwerk angesaugter Luftmassenstrom) wird hinter dem rotierenden Teil des Fans – aber noch vor des-sen Leitapparat – durch einen sog. splitter in den sekundären und primären Luft-massenstrom aufgesplittet. Da der Außendurchmesser des Fans größer ist als der Eintrittsdurchmesser des Kerntriebwerks, darf – damit an den Spitzen der Fanbe-schaufelung aus aerodynamischen und lärmtechnischen Gründen keine zu hohen Umfangsgeschwindigkeiten auftreten – die Welle, auf der der Fan sitzt, nicht so schnell drehen wie die anderen Wellen des Gasgenerators. Für den Fanaußen-durchmesser ist wegen der durchströmenden Luftmasse das Bypassverhältnis maßgeblich, sodass sich auch die Drehzahlabstimmung zwischen Fan und Gasge-nerator nach dem jeweiligen Nebenstromverhältnis richtet. Eine relativ geringe Fandrehzahl ist die Folge. Im Vergleich zur Hochdruckturbine erhält die Nieder-druckturbine dazu eine größere Anzahl von Stufen (5 … 7), was eine Gewichtszu-nahme für das Triebwerk bedeutet. Eventuell kann es günstiger sein, anstelle einer Vielzahl von Turbinenstufen lieber zwischen Niederdruckturbine und Fan ein Un-tersetzungsgetriebe zur Drehzahlreduzierung anzuordnen (geared fan). Moderne Auslegungs- und Fertigungsverfahren erlauben es inzwischen, kompakte und da-mit auch leichte und dennoch leistungsfähige Getriebe zu konstruieren. So sieht z. B. das Engine-3E-Triebwerkskonzept (E3E) der Firma MTU Aero Engines eine 3-stufige, schnell laufende transsonische Niederdruckturbine vor, die einen eben-falls schnell laufenden Niederdruckverdichter antreibt. Zum Fan hin wird dann die Drehzahl durch ein kompaktes Getriebe reduziert, Bild 2-10.

Bild 2-11 zeigt zwei Turbofantriebwerke kleiner Schubklasse. Das Triebwerk PWC 530A ist der Nachfolger des sehr erfolgreichen PWC JT15D. Unter dem Ge-sichtspunkt, Einfachheit mit moderner Technologie zu verbinden, begann 1966 die Konstruktion des zweiwelligen Turbofantriebwerks JT15D. Das ursprüngliche JT15D-1, das 1971 zertifiziert wurde und erstmals in der zweistrahligen Cessna Citation zum Einsatz kam, hatte einen Fan, der aerodynamisch vom viel größeren PW-JT9D übernommen und auf einen Massenstrom von 34 kg/s herunter skaliert

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2.1 Turbostrahltriebwerke 41

worden war. Die letzten beiden Typen dieses Triebwerks, das JT15-5D und das JT15D-5F, wurden 1993 zertifiziert. Alle je hergestellten Typen des JT15D de-cken einen Schubbereich von 9.3 kN ... 14.9 kN ab. Das Triebwerk, das eine By-passverhältnis von 3.3 bei einem Fandruckverhältnis von Fan 1.5 aufweist, hat einen Kombinationsverdichter, der aus einem einstufigen Axialverdichter (booster) und einem abschließenden Radialverdichter besteht. Das gesamte Ver-dichterdruckverhältnis des Gasgeneratorteils (nabennaher Fanbereich, Booster und Radialverdichter zusammen) beläuft sich auf V 10. Der Massenstrom durch das Kerntriebwerk beträgt I 0m m / (1 ) 34 / 4.3 7.9 kg / s . Der Radialverdichter (Hochdruckverdichter) wird von einer einstufigen Hochdruck-turbine und der Fan und die Booster-Stufe werden von einer zweistufigen Nie-derdruckturbine angetrieben. Beim JT15D-5 ist die Hochdruckturbine mit ein-kristallinen Schaufeln versehen. Die Brennkammer ist, wie bei sehr vielen Triebwerken mit Radialverdichter üblich, eine sog. Umkehrbrennkammer. Der Fan und das Laufrad der Booster-Stufe sind in der sog. Blisk-Technologie (bladed disk) ausgeführt, d. h., die Laufräder werden durch Hochgeschwindig-keitsfräsen aus dem Vollen gefertigt. Die Blisk-Technologie ermöglicht eine Reduzierung der Triebwerksmasse durch Wegfall der einzelnen Schaufelfüße und damit einen Nutzlast/Reichweitengewinn für das Flugzeug. In der Kombina-tion von geringen Herstellungs- und Reparaturkosten sind sowohl der Ersatzteil- als auch der Wartungsaufwand gering.

Die zweiwelligen Turbofantriebwerke der Serie PWC 500 von Pratt & Whit-ney of Canada sind die Nachfolger der PWC-JT15D Triebwerke für Bizjets im Schubbereich zwischen 13.3 kN und 18.5 kN. Die PWC 500 Triebwerke haben mit einem spezifischen Reiseflug-Brennstoffverbrauch von BS 72 (kg/h)/kN

Bild 2-10: Engine 3E Triebwerkskonzept (E3E) der MTU Aero Engines als Basis fortschrittli-cher Komponententechnologien. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines

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einen rund 15% günstigeren Verbrauch als ihre JT15D Vorgänger. Bei einem Bypassverhältnis von 4.1 ist das 347 kg schwere Triebwerk, das einen Fan-durchmesser von 693 mm hat, in der Lage, einen Luftmassenstrom von bis zu m 58.5 kg/s aufzunehmen. Die Turbineneintrittstemperatur wird mit 1 625 K an-gegeben. Das PWC 530A mit einem Starschub von 13.2 kN ist der Antrieb für das Flugzeug Cessna Citation Bravo. Für die Cessna Citation Excel ist das PWC 545A mit FTO 16.2 kN Startschub gedacht.

Das in Bild 2-12 oben dargestellte zweiwellige Turbofantriebwerk Honey-well/AlliedSignal TFE 109 mit einem Bypassverhältnis von 2.2 und einem Startschub von FTO 5.9 kN war ursprünglich als Antrieb für das vorzeitig gestopp-te US Air Force Schulungsflugzeug Fairchild T-46A vorgesehen und ist nun bzw. war für die Prototypen der Promavia Jets Squalus 1300 als TFE 109-1 und Squalus 1600 als TFE 109-3 (FTO 7.1 kN) angedacht. Das TFE 109 basiert – versehen mit diversen Leistungsverbesserungen – auf dem Kerntriebwerk des Garrett Tur-boproptriebwerks TPE 331 (militärische Bezeichnung T76), das im Übrigen das ers-te Garrett Triebwerk im Bereich der Flugzeugantriebe überhaupt war. Bis dahin hat-te Garrett nur Erfahrungen im Bereich der Hilfstriebwerke (APU’s) gewonnen. Das Kerntriebwerk des TFE 109 wiederum ist identisch mit dem Hubschraubertriebwerk LHTEC T800 (Light Helicopter Turbine Engine Company).

Bild 2-11: Turbofantriebwerke kleiner Schubklasse der Firma Pratt & Whitney of Canada; oben PWCJT15D, unten PWC 530 A. Bilder mit freundlicher Genehmigung von Pratt & Whitney of Canada

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Erfolgreicher als das TFE 109 in der Vermarktung ist das in Bild 2-12 unten dar-gestellte zweiwellige TFE 731, von dem schon weit mehr als 7 000 Exemplare existieren, die zusammen mehr als 15 Millionen Flugstunden zu verbuchen haben. Das Triebwerk hat eine dreistufige Niederdruckturbine, die – zur Drehzahlreduzie-rung – den Fan aus Titan und einen vierstufigen Niederdruckverdichter über ein Planetengetriebe antreibt. Der als Hochdruckverdichter fungierende Radialverdich-ter wird von einer einstufigen Hochdruckturbine angetrieben, die hinter einer Um-kehrbrennkammer mit zwölf Brennstoffdüsen angeordnet ist. Das TFE 731-5B, das die Bizjets BAe 125-800 und Dassault Falcon 900B mit einem maximalen Schub von 21.1 kN antreibt, hat bei einem Fandurchmesser von 716 mm und einem By-passverhältnis von 3.5 einen sekündlichen Massendurchsatz an Luft von 65 kg. Das Verdichterdruckverhältnis von Fan, Nieder- und Hochdruckverdichter zu-sammen beträgt 14.6 und die Turbineneintrittstemperatur 1 225 K.

Das in Bild 2-13 dargestellte Zweistromtriebwerk Garrett ATF3-6-2C heißt in sei-ner militärischen Version F104-GA-100, hat ein Bypassverhältnis von 2.8 und einen Startschub von FTO 24.2 kN. Damit ist es schubstärker als die in Bild 2-11 und 2-12 dargestellten Turbofantriebwerke. Dieses vom Aufbau her sehr unge-wöhnliche Aggregat setzt einen Luftmassenstrom von 73.5 kg/s durch und kombi-niert dabei eine Dreiwellenkonstruktion mit einer Umkehrbrennkammer, umge-

Bild 2-12: Zweiwellige Turbofantriebwerke kleiner Schubklasse der Firma Honeywell/AlliedSignal(früher: Garrett); oben Turbofan F109, unten Turbofan TFE 731. Bilder mit freundlicher Genehmi-gung der Firma Garrett/Honeywell

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kehrt durchströmten Turbinen und einem gemischten Abgasstrom, d. h., die aus Primär- und Sekundärkreis ausströmenden Massenströme werden im Neben-stromkanal miteinander vermischt. Das Triebwerk dient als Antrieb für den Das-sault Mystère-Falcon 200 Bizjet bzw. für den HU-25 Guardian, der entsprechen-den Falcon Version für die US-Coast-Guard.

Beim ATF3 Triebwerk strömt die eintretende Luft durch einen einstufigen Fan und einen anschließenden fünfstufigen Mitteldruckverdichter, der von einer zwei-stufigen Niederdruckturbine angetrieben wird. In Bild 2-13 sind dies die beiden im Turbinenteil ganz vorne liegenden Turbinenstufen (etwa in der Mitte des Trieb-werks). Die aus diesem Mitteldruckverdichter kommende Luft wird seitlich um das Triebwerk herumgeführt und strömt ganz hinten im Triebwerk in einen Hoch-druck-Radialverdichter, der von einer einstufigen Hochdruckturbine (unterhalb der Umkehrbrennkammer) angetrieben wird. Dieses Hochdrucksystem, bestehend aus Radialverdichter, Umkehrbrennkammer und Axialturbine, ist vom übrigen Teil des Triebwerks mechanisch vollkommen unabhängig. Aus der Hochdruckturbine strömen die heißen Abgase dann in die im Triebwerk mittig liegende dreistufige Mitteldruckturbine, die den Fan antreibt. Von der Mitteldruckturbine strömt das Heißgas in die zweistufige Niederdruckturbine, die – wie bereits erwähnt – den fünfstufigen Mitteldruckverdichter antreibt. Alle Turbinenstufen werden entgegen der sonst bei Triebwerken üblichen Strömungsrichtung durchströmt. Am Austritt der Niederdruckturbine wird das aus dem Triebwerk ausströmende Heißgas mit-tels zwei Reihen von Umlenkschaufeln um 180° nach hinten umgelenkt und so im Nebenstromkanal mit dem Sekundärstrom vermischt. Mit dieser unkonventionel-len Anordnung der einzelnen Triebwerkskomponenten werden relativ große Ver-dichterdruckverhältnisse von V 25 bei kleinen Luftmassenströmen im Primär-kreis von 19.4 kg/s erreicht, wodurch sich ein guter spezifischer Brennstoff-verbrauch von BS 50 (kg/h)/kN ergibt, der in dieser Größenordnung sonst nur von Turbofantriebwerken mit großen Bypassverhältnissen erzielt wird. Die kon-

Bild 2-13: Drei-Wellen-Turbofan ATF 3-6-2C von Honeywell/AlliedSignal (ehemals: GarrettAiResearch) mit gemischtem Abgasstrom und Umkehrbrennkammer. Bild mit freundlicher Ge-nehmigung der Firma AlliedSignal/ Honeywell

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struktive Anordnung mit drei Wellen ist zwar aufwändig, erspart aber ein Ge-triebe zum Antrieb des Fans, sodass dieser weitestgehend unabhängig von der Gasgeneratordrehzahl betrieben werden kann und so schließlich ein Betrieb bei optimierten Fandrehzahlen möglich wird. Nieder-, Mittel- und Hochdruckwelle drehen bei 8 900, 14 600 bzw. 34 700 min 1. Die Mischung von Sekundär- und Primärstrom ermöglicht zudem einen relativ leisen Triebwerksbetrieb.

Deutlich schubstärkere Triebwerke als die bisher behandelten zeigt Bild 2-14. Das im Bild oben dargestellte zweiwellige GE CF34 ist ein ziviler Ableger des militärischen TF34 Turbofantriebwerks, das von der US Navy als TF34-GE-400 für die zweistrahlige Lockheed S-3A Viking (ASW, anti-submarine warfare) und von der US Air Force als TFE34-GE-100 für die ebenfalls zweistrahlige Fairchild A-10A Thunderbolt (ground attack) verwendet wird. Die beiden TF34 Triebwerke haben 41.3 kN bzw. 40.3 kN Schub. Das in Bild 2-14 dargestellte CF34-8C1 ist gegenüber dem TF34 aerodynamisch durch und durch neu ausgelegt worden und hat eine vollkommen neue Brennkammer erhalten, die dem des F414-GE-400 ent-spricht, dem im Augenblick wohl neuesten und fortschrittlichsten Triebwerk in-nerhalb der US Navy. Das CF34-8C1, das für den Canadair Regional Jet 700 aus-gewählt wurde, hat einen Startschub von FTO 56.4 kN und das CF34-8D10, das im

Bild 2-14: Turbofantriebwerke mittlerer Schubklasse; oben CF34-8C1 von General Electric mit 56.4 kN Schub, unten BR 715 von Rolls-Royce Deutschland, das einen Schubbereich von 75.6 kN ... 102.3 kN abdecken kann

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Fairchild-Dornier 928Jet fliegen sollte, hat einen Starschub von FTO 68.8 kN. Bei einem Fandruckverhältnis von Fan 1.8 und einem gesamten Verdichterdruck-verhältnis von V 27 kann das CF34-8C1, das einen Fandurchmesser von 1.32 m und ein Bypassverhältnis von 6.2 hat, sekündlich 200 kg Luft aufneh-men. Das Schub-zu-Gewicht-Verhältnis dieses Triebwerks beträgt 49 N/kg. Der zehnstufige Hochdruckverdichter wird von einer zweistufigen, luftgekühlten Hochdruckturbine – mit einer Beschaufelung aus gerichtet erstarrtem Material – angetrieben. Die Laufräder der ersten drei Verdichterstufen sind in Blisk-Technologie ausgeführt. Eine dreistufige Niederdruckturbine treibt einen lärmre-duzierten Fan an, der aus sog. wide chord blades besteht. Der spezifische Brenn-stoffverbrauch des Triebwerks wird mit 36.4 (kg/h)/kN angegeben.

Das in Bild 2-14 unten dargestellte zweiwellige Turbofantriebwerk BR 715 von Rolls-Royce Deutschland (ehemals BMW-Rolls-Royce) wurde als Antrieb für die zweistrahlige, hundertsitzige Boeing B717-200 ausgewählt. Das Triebwerk ist Be-standteil der BR700 Familie, die einen Schubbereich von 62.3 kN ... 102.3 kN ab-deckt. Die BR700 Triebwerksfamilie ist ein weiterentwickeltes und in zahlreichen Details optimiertes Konglomerat aus bereits bestehenden Rolls-Royce Triebwer-ken. Da die Boeing B717-200 für kurze Strecken und zahlreiche Starts- und Lan-

Bild 2-15: Turbofantriebwerke gehobener Schubklasse; oben PW 2037 von Pratt & Whitney mit170.1 kN Schub, unten CFM56-5C2 von CFM-International, das einen Schubbereich von138.8 kN ... 160.2 kN abdecken kann

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dungen pro Tag gedacht ist, wurde das BR715 gerade hinsichtlich dieser verschärf-ten Anforderungen (high-cycle operation) optimiert. Der vom IAE-V2500 abgelei-tete zehnstufige Hochdruckverdichter des BR715, dessen erste vier Stufen mit verstellbaren Leitschaufeln versehen sind, wird von einer zweistufigen Hoch-druckturbine angetrieben, deren Schaufeln aus einkristallinem Material gefertigt sind. Die dreistufige Niederdruckturbine, die aus der Rolls-Royce Trent Trieb-werksfamilie abgeleitet und hinsichtlich geringen Lärms optimiert wurde, treibt zwei Niederdruckstufen, die als Booster-Stufen aus massivem Titan in Blisk-Technologie ausgeführt sind, und den Fan an, der einen Durchmesser von 1.473 m hat. Die Fanbeschaufelung, die als wide chord blading gestaltet ist, besteht aus massivem Titan. Im Fanbereich ist das Gehäuse aus Sicherheitsgründen aus mas-sivem Stahl gefertigt. Der daran anschließende Gehäuseteil besteht aus Titan. Das Triebwerk hat ein Bypassverhältnis von 4.5 und ein gesamtes Verdichterdruckver-hältnis von 32, sein spezifischer Brennstoffverbrauch wird mit 64.2 (kg/h)/kN an-gegeben. Das Schub-zu-Gewicht-Verhältnis – inkl. des Gewichts der von der Fir-ma BF Goodrich gefertigten Aluminiumgondel – beträgt 36.5 N/kg.

Von dem in Bild 2-15 oben dargestellten Triebwerk aus der PW2000 Familie gibt es auch eine militärische Version mit der Bezeichnung F117-PW-100 für die vier-strahlige McDonnell Douglas C-17 Globemaster III. Die Firmen Pratt & Whitney, Avio und MTU Aero Engines entwickeln und fertigen das PW2000 in den Versio-nen PW2037 (Boeing B757-200), PW2040 (Boeing B757-200 PF) und in der zuvor genannten militärischen Version F117-PW-100. Der einstufige Fan dieser Triebwer-ke und deren vierstufige Niederdruckverdichter werden von einer fünfstufigen Nie-derdruckturbine angetrieben. Eine zweistufige Hochdruckturbine treibt den zwölf-stufigen Hochdruckverdichter an, dessen erste fünf Stufen mit verstellbaren Leit-schaufeln versehen sind. Superkritische Schaufelprofile im Hochdruckverdichter und aktive Spaltkontrollen in beiden Turbinen und im Hochdruckverdichter führen zu verbesserten Wirkungsgraden im Reiseflug. Die Schaufeln der Hochdruckturbine einkristallin ausgeführt und die Rotorscheiben der Turbinen und des Hochdruckver-dichters aus Pulvermetall mit einem isostatischen Heißpressverfahren hergestellt. Das PW2037 hat einen Schub von FTO 170.1 kN bei einem Luftmassenstrom von 549 kg/s und einem Bypassverhältnis von 6; das gesamte Verdichterdruckver-hältnis von Fan und Gasgeneratorverdichter ist Vges 27 und die Turbineneintritts-temperatur Tt4 1 678 K. Der Außendurchmesser des Fans beträgt 1 994 mm und die Länge des Triebwerks – das 3 250 kg schwer ist – 3 590 mm.

Das in Bild 2-15 unten dargestellte CFM56 Triebwerk entstammt der Gemein-schaftsfirma CFM-International, die von den beiden Mutterfirmen General Electric Aircraft Engines (USA) und Snecma (Frankreich) 1974 gegründet wurde. Das Kern-triebwerk der CFM56 Triebwerke hat sich aus dem des militärischen Turbofan-triebwerks F101-GE-102 entwickelt, das für den vierstrahligen Bomber Rockwell B-1B vorgesehen war. Das in Bild 2-15 unten dargestellte CFM56-5C2 ist das Trieb-werk des vierstrahligen Airbus A340. Bei einem angesaugten Luftmassenstrom von 465.8 kg/s, einem Bypassverhältnis von 6.6 und einem gesamten Verdichterdruck-verhältnis von 31.5 entwickelt das zweiwellige Triebwerk einen Schub von 138.8 kN. Der Fan des Triebwerks, der einen Außendurchmesser von 1.836 m hat, besteht aus 36 massiven Titanschaufeln, mit einer sog. mid-span shroud. Die Nie-

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derdruckwelle läuft bei einer Drehzahl von 4 800 min 1 und die Hochdruckwelle bei 15 180 min 1. Eine fünfstufige Niederdruckturbine treibt den Fan und vier Booster-Stufen an. Eine einstufige Hochdruckturbine, deren Stator und Rotor jeweils luftge-kühlt sind und die aus gerichtet erstarrtem Material bestehen, ist der Antrieb eines neunstufigen Hochdruckverdichters, dessen erste vier Stufen mit verstellbaren Leit-schaufeln versehen sind. Die Rotoren der ersten drei Stufen des Hochdruckverdich-ters sind aus Titan gefertigt und die verbleibenden Rotoren sowie alle Leiträder aus Stahl. Der spezifische Brennstoffverbrauch wird mit 55.6 (kg/h)/kN angegeben.

Seit über 30 Jahren ist das CF6-Triebwerk von General Electric, Bild 2-16, an weit über tausend Großflugzeugen, wie z. B. Airbus A300, A310, A330, Boeing B747, B767 und McDonnell Douglas MD-11, mit weit mehr als vierzig Millionen Flugstunden im Einsatz. Es überdeckt in seinen verschiedenen Varianten einen weiten Schubbereich von 175 kN ... 300 kN. In der dreistrahligen McDonnell Douglas DC-10 kam das CF6-Triebwerk 1971 erstmals zum Einsatz. Bei den CF6-80 Triebwerken, die alle einen einstufigen Fan haben, wird der vierzehnstufi-

Bild 2-16: Turbofantriebwerke hoher Schubklasse; oben CF6-80C2 von General Electric AircraftEngines, das einen Schubbereich von 234 kN ... 283 kN abdeckt (A300, A310, B767, B747,MD11), unten das älterer CF6-80A, das einen Schubbereich von 214 kN ... 223 kN abdeckt

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ge Hochdruckverdichter, dessen ersten sechs Stufen mit verstellbaren Leitschau-feln versehen sind, von einer zweistufigen Hochdruckturbine angetrieben. Die CF6-80A-Triebwerke haben einen dreistufigen Niederdruckverdichter, angetrieben von einer vierstufigen Niederdruckturbine und die CF6-80C Triebwerke haben einen vierstufigen Niederdruckverdichter, angetrieben von einer fünfstufigen Niederdruck-turbine. In den Niederdruckturbinen wird der radiale Blattspitzenspalt im Reise-flug minimiert. Dazu strömt Luft, die vom Verdichter abgezapft wird, in Ringlei-tungen um das Turbinengehäuse herum, von denen sie durch kleine Bohrungen auf das Gehäuse gelangt und dieses kühlt. Die thermische Ausdehnung des Ge-häuses wird damit reduziert. Das CF6-80C2A8, der Antrieb des Airbus A310-300, hat einen Schub von FTO 262.5 kN bei einem Luftmassenstrom von 796 kg/s und einem Bypassverhältnis von 5.2. Das gesamte Verdichterdruckverhältnis ist 30.4 und die Turbineneintrittstemperatur Tt4 1 553 K. Der Außendurchmesser des Fans beträgt 2.362 m und die Länge des 4 066 kg schweren Triebwerks beträgt 4.087 m. Der spezifische Brennstoffverbrauch in 11 km Flughöhe beträgt bei einer Flugmachzahl von Ma0 0.8 etwa 60 (kg/h)/kN. Der dabei erzielbare maximale Reiseschub wird mit 56 kN angegeben.

Der neuste Abkömmling der erfolgreichen CF6 Serie ist das CF6-80E1. Es wurde entwickelt, um höhere Schubniveaus zur Verfügung zu stellen, die insbesondere für die fortschrittlicheren und gestreckten Versionen der Flugzeuge des Typs A330 von Airbus erforderlich wurden. Das Triebwerk ist dem CF6-80C2 zwar sehr ähnlich, hat aber einen neuen Fan mit einem Durchmesser von 2.44 m Durchmesser und einen neuen 4-stufigen Niederdruckverdichter (Booster) fortschrittlicher aerodynamischer Auslegung, der ein höheres Druckverhältnis aufweist als das Vorgängermodell. Das CF6-80E1A2 wurde ursprünglich im Jahr 1993 für einen Schub von 300 kN ausge-legt. Das CF6-80E1A4 aus dem Jahr 2001 hat dann bereits einen Schub von 311.4 kN und das CF6-80E1A3 aus dem Jahr 2003 sogar einen Schub von 320.3 kN.

Das Bild 2-17 zeigt zwei ausgewählte 3-wellige Turbofantriebwerke des Typs Trent4 der Firma Rolls-Royce. Die ursprüngliche Bezeichnung der Trent Trieb-werksfamilie war RB211-524L, was zeigt, dass sie eine Weiterentwicklung der er-folgreichen RB211 Triebwerke sind. Die verschiedenen Typen der derzeit existie-renden Trent Triebwerke decken einen Schubbereich von 235.8 kN (Trent 500) ... 422.6 kN (Trent 800) ab. Das Trent 800, Bild 2-17 oben, zählt damit – zusammen mit den Pratt & Whitney Triebwerken der 4000-er Serie (112 inch Fan, PW 4084) – zu den leistungsstärksten konventionellen Flugzeugtriebwerken auf der Welt und ist für die 2-motorigen Boeing B777-200 und B777-300 gedacht. Das Trent 800 ist das leichteste Triebwerk seiner Schubklasse und hat damit weltweit das beste Schub-zu-Gewicht-Verhältnis von 51.5 N/kg. Das vergleichbare PW4084, das ebenfalls für die B777 gedacht ist, hat ein Schub-zu-Gewicht-Verhältnis von 58.7 N/kg. Gegenüber seinen Mitkonkurrenten hat das Trent 800 den weiteren Vorteil, dass seine Turbineneintrittstemperatur gut 100 Grad niedriger ausfällt, was

4 Der Triebwerksname Trent wurde von Rolls-Royce erstmals für den Turboprop RB 50 Trent

verwendet. Mit zwei dieser Triebwerke ausgestattet war eine Gloster Meteor am 20. September 1945 das erste turbopropangetriebene Flugzeug der Welt. Der Name Trent ist der Name des Flusses, der durch die englische Stadt Derby fließt, in der sich die Rolls-Royce Entwicklungs- und Produktionsstätte für Triebwerke befindet.

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einen signifikanten Vorteil bei der Lebensdauer, bei der Wartung und beim spezifi-schen Brennstoffverbrauch bedeutet. Das Trent 800 hat einen Fan mit einem Au-ßendurchmesser von 2 794 mm, der beim Starten zwischen 1 079 und 1 778 kg Luft pro Sekunde ansaugt. Das Triebwerk hat ein Bypassverhältnis von ca. 6, bei einer Triebwerkslänge von 4 369 mm. Der Fan auf der zentralen Welle wird von einer 5-stufigen Niederdruckturbinen angetrieben. Der Verdichter besteht aus einem 8-stufigen Mitteldruckteil und einem 6-stufigen Hochdruckteil. Beide Verdichter werden von jeweils einer 1-stufigen Turbine angetrieben.

Das in Bild 2-17 unten dargestellte dreiwellige Rolls-Royce Trent 772 Turbo-fantriebwerk ist der Antrieb des Airbus A330 und kam erstmals 1995 an Flugzeu-gen der Airline Cathay Pacific zum Einsatz. Das Trent 700 ist das erste Triebwerk der Trent Turbofanfamilie und wurde ausschließlich für den Airbus A330 entwi-ckelt. Bei einem Bypassverhältnis von 5.0, einem Fanaußendurchmesser von 2.474 m, einem gesamten Verdichterdruckverhältnis von 35.5 und einem ange-saugten Luftmassenstrom von 919.5 kg/s entwickelt das Triebwerk einen Start-schub von 316.4 kN. Der spezifische Brennstoffverbrauch in 11 km Flughöhe be-

Bild 2-17: Zwei ausgewählte 3-wellige Turbofantriebwerke der Rolls-Royce TriebwerksfamilieTrent; oben Trent 800 (Boeing B777) mit einem Schubbereich zwischen 332 und 423 kN, untenTrent 772 (Airbus A330) mit einem Schubbereich zwischen 236 und 249 kN. Bilder mit freund-licher Genehmigung der Rolls-Royce plc

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trägt bei einer Flugmachzahl von Ma0 0.85 etwa 57.3 (kg/h)/kN. Der dabei er-zielbare maximale Reiseschub wird mit 53.4 kN angegeben.

Das Trent 500 Triebwerk (Bild 2-8) wurde von der Firma Airbus 1997 als An-trieb für den Typ A340 ausgewählt und wurde für einen Schub von 287 kN ausge-legt. Auf dieser Grundlage sollten die, für die gestreckten Flugzeugtypen des Baumusters A340, A340-500 und A340-600 angestrebten Schubanforderungen von 236 kN bzw. 249 kN eingehalten werden können. Das Trent 500 konnte im De-zember 2000 zertifiziert5 werden und hatte im August 2002 bzw. im Dezember 2003 seinen sog. entry into service (EIS)6. Das Trent 500 hat zwar dieselben Fanabmessun-gen wie das zuvor beschriebene Trent 700, aber dennoch nicht dasselbe Bypass-verhältnis. Das Zentraltriebwerk des Trent 500 wurde nämlich vom Trent 800 her-unterskaliert, sodass sich dadurch das Bypassverhältnis gegenüber dem Trent 700 auf 7.5 erhöht hat. Das Trent 500 saugt beim Starten zwischen 860.5 und 879.5 kg Luft pro Sekunde an. Das Triebwerk hat eine Triebwerkslänge von 3 937 mm.

Das Trent 900 (Bild 2-8), das für das Großraumflugzeug Airbus A380 gedacht ist, stellt die 4. Generation der Trent Triebwerke dar. Das Triebwerk wurde für ei-nen Schub von 356 kN zertifiziert, sodass geplanten Schubanforderungen von 311.5 ... 340.5 kN gut eingehalten werden können. Das Trent 900 hat einen Fan mit einem Außendurchmesser von 2 946.5 mm, der beim Starten zwischen 1 204 und 1 245 kg Luft pro Sekunde ansaugt. Das Triebwerk hat ein Bypassverhältnis von ca. 8.5, bei einer Triebwerkslänge von 4 545 mm. Der Fan auf der zentralen Welle wird von einer 5-stufigen Niederdruckturbinen angetrieben. Der Verdichter besteht aus einem 8-stufigen Mitteldruckteil und einem 6-stufigen Hochdruckteil. Beide Verdichter werden von jeweils einer 1-stufigen Turbine angetrieben. Das gesamte Verdichterdruckverhältnis liegt bei 44.

In Bild 2-8 sind unten die zwei zukünftigen Trent Triebwerke zu sehen. Das Trent-1000 ist für die Boeing B787 (Dreamliner) geplant und das Trent-1700 für den Airbus A350. Das Trent-1000 ist für einen Schub zwischen 236 und 334 kN geplant und soll ein Bypassverhältnis zwischen 10 oder 11 bekommen. Beim Star-ten wird das Triebwerk etwa 1 089 … 1 211 kg Luft pro Sekunde ansaugen. Der Fanaußendurchmesser soll 4 064 mm betragen. Das Triebwerk wird 5 409 kg schwer und 4 064 mm lang sein. Der 3-wellige Aufbau des Triebwerks wird – was die Anzahl der Verdichter- und Turbinenstufen betrifft – identisch mit dem des Trent-900 sein. Dieses trifft auch für das Trent-1700 zu. Das Trent-1700 ist für einen Schub zwischen 280 und 334 kN geplant und soll ein Bypassverhältnis zwischen 10 oder 11 bekommen. Beim Starten wird das Triebwerk etwa 1 179 … 1 247 kg Luft pro Sekunde ansaugen. Der Fanaußendurchmesser soll 4 064 mm betragen. Das Triebwerk wird 5 659 kg schwer und 4 064 mm lang sein.

5 Zertifizierung ist ein Prozess, bei dem eine oder mehrere unabhängige Stellen schriftlich versi-

chern, dass ein Produkt, Service oder Verfahren bestimmte Anforderungen erfüllt. In Europa war hier bisher die JAA (Joint Aviation Authorities) als übergeordnete Behörde maßgeblich. Mit Wirkung vom 28. 9. 2003 hat die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA, Euro-pean Aviation Safety Agency) ihren Betrieb aufgenommen und wird zukünftig für Zertifizie-rungen in Europa maßgeblich sein.

6 Entry into service (EIS) ist ein in der Luftfahrt häufig verwendeter Begriff (Datum) dafür, wann ein spezielles Flugzeug oder ein Bauteil davon (Triebwerk) betriebsfähig wird bzw. wurde.

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Im Mai 1998 hatten die Firma Airbus und die Engine Alliance eine Übereinkunft unterzeichnet, für den Airbus A380 ein weiteres Triebwerk zu liefern, um Kunden die Möglichkeit zu geben – neben dem Trent 900 – auch ein weiteres Triebwerk wählen zu können, das in Bild 2-18 dargestellte GP7200. Die Engine Alliance war anfänglich ein Zusammenschluss der weltweiten Triebwerkhersteller Nummer 1 und der Nummer 3, General Electric und Pratt & Whitney, zum Bau des Trieb-werks GP 7000, das ursprünglich einmal für den Boeing B747-Nachfolger B747X gedacht war. Inzwischen ist auch die französische Firma Snecma Moteurs (ein in-ternationaler Partner von GE im CFM56 Programm) zu 10% an der Engine Alli-ance beteiligt. In seiner Grundstruktur basiert das Triebwerk auf dem Niederdruck-teil des Triebwerks PW4084 (Bild 2-19) sowie dem Hochdruckteil des Triebwerks GE 90 (Bild 2-20). Darüber hinaus beinhaltet das Triebwerk aber auch eine Viel-zahl weiterer neuer Technologien, um so den Kunden ein sehr modernes Antriebs-aggregat zur Verfügung zu stellen, das die ursprünglich geforderten Leistungen nicht nur erfüllt, sondern in vielen Bereichen sogar übertrifft. Mit dem offiziellen Start des Airbusprogramms A380 im Dezember 2000 bekam auch das GP 7000 neuen Schwung. Dieses manifestierte sich in einer ganzen Reihe von Modifikatio-nen, wie z. B. einem größeren Durchmesser des Fans, Fanschaufeln mit ge-schwungenen Vorderkanten und jeweils einer zusätzlichen Stufe im Niederdruck-verdichter und in der Hochdruckturbine. Das GP 7000 hat ein Bypassverhältnis von 8.7, einen maximalen Startschub von 311 kN und in 11 km Höhe einen Rei-seflugschub von 56 kN. Der gesamte Verdichter, der aus 5 Niederdruck- und 9 Hochdruckstufen besteht, hat ein Druckverhältnis von 45.6. Fan und Nieder-druckverdichter werden von einer 6-stufigen Niederdruckturbine angetrieben und der Hochdruckverdichter von einer 2-stufigen Hochdruckturbine. Das 4.75 m lan-

Bild 2-18: Das 2-wellige Turbofantriebwerk GP7270 der amerikanischen Engine Alliance (Gen-eral-Electric und Pratt & Whitney), das neben dem Rolls-Royce Trent 900 der Antrieb für denAirbus A380 ist. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines

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2.1 Turbostrahltriebwerke 53

ge Triebwerk hat einen maximalen Durchmesser von 3 160 mm, wobei der Fan einen Außendurchmesser von 2 960 mm hat.

Das Bild 2-19 zeigt im oberen Teil das Triebwerk PW4084 aus der Triebwerks-reihe PW4000 der Firma Pratt & Whitney. Das Triebwerk PW4084 ist das zweite Derivativ der 4000-er Reihe und wurde mit einem Fandurchmesser von 2.845 m für die 2-motorige Boeing B777 mit einem Schub von 386 kN zertifiziert. Im Juni 1995 hatte das Triebwerk seinen entry into service (EIS) bei der Fluggesellschaft Uni-ted Airlines. Das PW4090 für die Boeing B777-200ER hat einen maximalen Schub von 408 kN und das PW4098 für die Boeing B777-300 einen Maximalschub von 440.6 kN. Das Bypassverhältnis dieses Triebwerks liegt zwischen 5.8 und 6.4 und das gesamte Verdichterdruckverhältnis bei 34 ... 43. Der Fan macht dabei ein Druckverhältnis zwischen 1.7 und 1.8.

Das Bild 2-19 zeigt im unteren Teil das Triebwerk PW6124 aus der Trieb-werksreihe PW6000 der Firma Pratt & Whitney. Das Triebwerk ist der Antrieb für den „Mini“-Airbus A318 und wird in Lizenz bei der MTU-Maintenance in Han-nover-Langenhagen gebaut. Der Hochdruckverdichter HDV12 dieses Triebwerks kommt ebenfalls aus dem hause MTU Aero Engines in München. Dieser Verdich-ter entstand ursprünglich in dem von der Bundesregierung geförderten Technolo-

Bild 2-19: Zwei aktuelle Turbofantriebwerke der Firma Pratt & Whitney; oben PW 4098, eineder Antriebsalternativen für die Boeing B777 mit bis zu 436 kN Schub, unten PW 6124, der An-trieb für den „Mini“-Airbus A318, mit dem Hochdruckverdichter HDV12 der MTU. Bilder mitfreundlicher Genehmigung der Firma MTU Aero Engines

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gieprogramm Engine 3E (Bild 2-10). Der Verdichter hat sechs Stufen mit transso-nischer Strömung und liefert ein Druckverhältnis von 11. Er zeichnet sich durch das höchste Stufendruckverhältnis und den besten Wirkungsgrad seiner Klasse aus. Positiver Effekt einer solchen Wirkungsgradoptimierung ist eine drastische Reduzierung beim Kraftstoffverbrauch und im Emissionsausstoß. Entworfen wur-de der neue Verdichter mittels dreidimensionaler aerodynamischer Rechenverfah-ren. In seinen anschließenden Versuchsläufen traf er alle vorhergesagten Leis-tungsdaten punktgenau. Seine robuste Auslegung sorgt dafür, dass Produktions- und Instandhaltungskosten im Vergleich zu ähnlichen Verdichtern deutlich sinken. Ein weiterer Vorzug ist die teilweise Anwendung der besonders leichten Blisk-Bauweise, d. h. Scheibe und Schaufeln sind integral gefertigt. Diese Technologie wurde bei der MTU ursprünglich für das Eurofighter-Triebwerk EJ200 entwickelt.

Das in Bild 2-20 dargestellte Triebwerk GE90 der Firma General Electric und die schon behandelten Triebwerke CF6 und CFM56, an denen GE ebenfalls betei-ligt ist, treiben mehr als 50% aller weltweit neu georderten Flugzeuge mit einer Sitzkapazität von über 100 Passagieren an. Das Triebwerk war 1995 mit einem ur-sprünglichen Schub von 377 kN zertifiziert worden. Das heute an der Boeing B777-300ER installierte GE90-115B erreicht einen Schub von 511.5 kN. Im

Bild 2-20: Das 2-wellige Turbofantriebwerk GE90 der amerikanischen Firma General ElectricAircraft Engines, das neben dem PW 4084 der Antrieb für die Boeing B777 ist. Bild mit freund-licher Genehmigung von General Electric Aircraft Engines

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2.1 Turbostrahltriebwerke 55

Jahr 2001 kam dieses letztgenannte Triebwerk sogar in das Guinness-Buch der Rekorde als „World’s most powerful commercial jet engine“ nach dem es während eines Bodenstandlaufes im Testbetrieb einen Schub von 547 kN entwickelt hatte. Im Jahr 2002 wurde dieser Rekord sogar noch mit 569 kN im Rahmen einer Zerti-fizierung übertroffen. Neben der Firma General Electric sind noch die Firmen Snecma in Frankreich, IHI in Japan und Avio in Italien an dem GE90 Programm beteiligt. Der Fan hat einen Außendurchmesser von 3.25 m und das Triebwerk einen maximalen Durchmesser von 4.19 m. Eine Fanschaufel des Triebwerks GE90-115B steht sogar im Museum of Modern Art in New York. Das GE90-115B ist mehr als 7 m lang und über 8 t schwer.

Eine weitere Variante des Turbofantriebwerks ist der sog. Aft-Fan, der als GE CF700 in Bild 2-21 dargestellt ist und auf dem Gasgenerator des Turbojets GE CJ610 (Bild 2-3) basiert. Bei dem Aft-Fan ist der Fan hinter dem Austritt des Gasgenerators angeordnet. Die Fanschaufeln sind als Verlängerung auf die Schau-feln der separaten Niederdruckturbine (Arbeitsturbine) außen aufgesetzt. Durch ein geschlossenes Deckband, das durch die nebeneinander angeordneten einzelnen Fußplatten der Fanschaufeln entsteht, wird der Sekundärkreis (Fanluftstrom) vom Strömungskanal der Niederdruckturbine getrennt. Der Vorteil dieser Anordnung besteht darin, dass das Triebwerk einwellig ausfallen kann, da die ansonsten benö-tigte Welle zwischen Fan und Niederdruckturbine entfällt. Aus Festigkeitsgründen (hohe Drehzahlen und dadurch hohe Fliehkräfte) dürfen aber die Fanschaufeln nicht zu lang sein, sodass die Bypassverhältnisse praktisch auf Werte von rund zwei begrenzt sind. Das CF700 hatte ein Bypassverhältnis von 1.6. bei einem Luft-massenstrom von 40 kg/s wurde ein Schub von 18.7 kN erreicht. Gegenüber dem ursprünglichen Turbojet CJ610 hatte der CF700-Aft-Fan einen um gut 35.5% redu-zierten spezifischen Brennstoffverbrauch von ca. 63.3 (kg/h)/kN.

Bild 2-21: Zweistrom-Aftfan-Triebwerk GE CF700 von General Electric (Dassault Falcon 20).

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Neben dem in Bild 2-21 dargestellten Aft-Fan-Triebwerk ist außerdem auch noch das GE CJ-805-23 zu erwähnen, das an der Convair 990 zum Einsatz kam und ein ziviler Ableger des erfolgreichen J79 Turbojets war. Ende der 60-er Jahre war von der Firma Daimler-Benz in Stuttgart ebenfalls ein Aft-Fan-Triebwerk unter der Bezeichnung DB 730H projektiert worden, das als Antrieb für einen Schnellhub-schrauber mit separatem Hubrotor dienen sollte. Der Fan wurde in diesem Fall nicht der Arbeitsturbine aufgesetzt, sondern am Heck des Gasgenerators mittels einer Welle angeordnet, sodass ein Bypassverhältnis von 5.5 vorgesehen wer-den konnte, Schubert (1999).

2.1.3 Turbo-Strahltriebwerke mit Nachbrenner

Die Verwendung eines Nachbrenners (afterburner) bei Ein- und Zweistromtrieb-werken führt zu bemerkenswerten Schubsteigerungen (thrust augmentation), die bei Einstromtriebwerken zwischen 30% und 40% und bei modernen Zweistrom-triebwerken zwischen 50% und 70% betragen können. Der Vorteil muss aber durch die Zunahme des spezifischen Brennstoffverbrauchs in einer Größenord-nung von ca. 100% teuer erkauft werden.

Zweistromtriebwerke mit Nachverbrennung sind praktisch immer so ausgeführt, dass die Nachverbrennung nach einer Mischung des Primär- und Sekundärstromes erfolgt. Es gibt Projektstudien, die eine getrennte Nachverbrennung in beiden Strö-men mit einer anschließenden Mischung der Ströme bevorzugen würden, Oates (1988). Praktische Ausführungen sind aber bisher nicht bekannt geworden.

Beispiele von Triebwerken mit Nachverbrennung sind bereits in Bild 2-4 oben, und in den Bildern 2-5 und 2-9 gezeigt worden, wobei es sich in Bild 2-4 und 2-5 jeweils um Einstromtriebwerke handelt. Die Triebwerke in Bild 2-9 sind Zwei-stromtriebwerke. Zwei weitere sehr aktuelle Zweistromtriebwerke mit Nachbren-ner zeigen ergänzend die Bilder 2-18 und 2-19.

Das in Bild 2-5 dargestellte J79 Triebwerk von General Electric flog erstmals am 8. Dezember 1955. Seitdem sind 16 950 Triebwerke dieses Typs gebaut wor-den, die zusammen mehr als 36 Millionen Betriebsstunden verbuchen können und der Firma General Electric einen Gewinn von mehr als 4.5 Milliarden Dollar ein-gebracht haben. Die wesentlichen technischen Daten des Triebwerks sind bei der Beschreibung von Bild 2-5 angegeben worden. Der Nachbrenner des Triebwerks schließt mit einer verstellbaren Schubdüse ab, die mittels vier schmierölgetriebe-ner Hydraulikzylinder eingestellt werden kann. Aus dem J79 gingen die stationäre Gasturbine LM-1500 und das vereinfachte zivile Flugtriebwerk CJ-805 hervor, das der Antrieb der Convair 880 war. Die Version CJ-805-23 war eine Aft-Fan-Version dieses Triebwerks, die vom Prinzip her ähnlich aufgebaut war, wie das in Bild 2-21 dargestellte Triebwerk. Dieser Turbofan war Antrieb des Flugzeuges Convair CV-990 Coronado.

Das in Bild 2-9 oben dargestellte Triebwerk RB 199 ist ein dreiwelliges Turbo-fantriebwerk mit Nachbrenner, dessen Auslegungsziel es war, einen höchstmögli-chen Grad an Kompaktheit bei extrem geringem Gewicht zu erreichen. Die Gesamt-länge des Triebwerks, einschließlich Nachbrenner und integriertem Schubumkehrer,

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beträgt somit auch nur 3.232 m bei einem Komplettgewicht von lediglich 1 084 kg. Der Eintrittsdurchmesser beträgt 0.731 m und der größte Durchmesser im hinteren Bereich des Triebwerks 1.02 m. Verantwortlich für das RB199 Trieb-werk (RB Rolls-Royce-Bristol), das der Antrieb der Typen IDS, ADV und ECR7 des europäischen Kampfflugzeuges Tornado ist, ist die Firma Turbounion, deren Mutterfirmen zu jeweils 40% Rolls-Royce-International und MTU Aero Engines sind und zu weiteren 20% die Firma Avio. Der offizielle Geschäftssitz der Firma ist in Bristol in Großbritannien. In München existiert ein Direktionsbü-ro. Alle Versionen des RB199 haben einen dreistufigen Fan (Niederdruckverdich-ter), einen dreistufigen Mitteldruck- und einen sechsstufigen Hochdruckverdichter. Die jeweils auf einer separaten Welle angeordneten Verdichter werden von einer einstufigen Hochdruck- und einer einstufigen Mitteldruckturbine angetrieben, der sich eine zweistufige Niederdruckturbine anschließt. Die Hoch- und Mitteldruck-turbine ist jeweils luftgekühlt. Die Turbineneintrittstemperatur liegt oberhalb von 1 600 K und die Nachbrennertemperatur oberhalb von 1 900 K. Alle RB199 Triebwerke haben eine Ringbrennkammer mit jeweils 13 T-förmigen Verdamp-fern (vaporizers) als Brennstoffdüsen. Je nach Bautyp (Mark 103 oder Mark 105) des Triebwerks schwankt sein Massenstrom zwischen 72.6 und 75.3 kg/s und sein 7 IDS Tornado Interdictor Strike (RB 199 Mark(Mk) 101, Mk 103, Mk 104) ADV Air Defense Variants (RB 199 Mark(Mk) 101, Mk 103, Mk 104) ECR Tornado Electronic Combat and Reconnaissance (RB 199 Mark(Mk) 105)

Bild 2-22: Das militärische EJ200 Turbofantriebwerk mit Nachbrenner der Eurojet Turbo GmbH, München

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Verdichterdruckverhältnis zwischen 23.5 und 24.5, ohne Nachbrenner wird ein Schub zwischen 40.5 kN und 42.5 kN erreicht. Mit Nachbrenner betragen die Werte 72.6 kN bzw. 75.3 kN. Das Bypassverhältnis variiert dabei zwischen 1.08 und 0.97.

Das in Bild 2-22 dargestellte Triebwerk EJ200 ist das derzeit fortschrittlichste Nachbrennertriebwerk in Europa. Verantwortlich für die Koordination der Ent-wicklung, Serienfertigung und Produktbetreuung dieses Triebwerks ist das Fir-menkonsortium Eurojet Turbo GmbH. Konsortiumspartner sind zu jeweils 33% die Firmen MTU Aero Engines und Rolls-Royce-International, zu 21% Avio und zu 13% die spanische Firma ITP. Das EJ200 wurde auf der Basis des XG 40 Trieb-werks von Rolls-Royce entwickelt, dessen Erprobung 1986 begann und das in der 90-kN-Schubklasse (mit Nachbrenner) weniger als 900 kg wiegen sollte. Das zweiwellige EJ200 Turbofantriebwerk hat ein Bypassverhältnis von 0.4 und be-steht aus einem dreistufigen Fan (Niederdruckverdichter), einem fünfstufigen Hochdruckverdichter, einer Ringbrennkammer mit Verdampfern als Brennstoff-düsen sowie einer jeweils einstufigen Hochdruck- und Niederdruckturbine, wo-durch das Triebwerk sehr robust und einfach gestaltet ist. Das Verdichterdruck-verhältnis beträgt 26, was für insgesamt nur acht Verdichterstufen (Niederdruck- und Hochdruckverdichter) ein beachtliches Ergebnis ist und einem mittleren Stu-fendruckverhältnis von etwas mehr als 1.5 entspricht (26 1.58). Die Verdichter, die von der MTU entwickelt wurden, demonstrieren den eindrucksvollen Fort-schritt, der in den letzten Jahren in der Verdichterentwicklung erreicht wurde. Moderne numerische Aerodynamik hat zu einer dreidimensionalen Auslegung von superkritischen Verdichterschaufelprofilen geführt. Obwohl das EJ200 leistungs-stärker als das RB199 ist, hat es auf Grund dieser Fortschritte, die u. a. zu Schau-feln mit größeren Sehnenlängen (wide chord blades) geführt haben, rund 50% we-niger Schaufeln. Ein Novum bei diesem Triebwerk ist u. a. auch der von Avio entwickelte rotierende Öltank, der auch bei negativen g-Beschleunigungen des Flugzeugs im Öltank positive g-Belastungen, und damit eine sichere Schmierung des Treibwerks bei allen möglichen Flugmanövern, gewährleistet. Eine digitale Triebwerksregelung (FADEC), einkristalline Turbinenschaufeln, Pulvermetall-scheiben und neuartige Bürstendichtungen sind weitere hochmoderne technologi-sche Merkmale dieses Triebwerks.

Das in Bild 2-23 dargestellte Snecma M88-2 ist das Triebwerk für das Flug-zeug Rafale ACT/ACM der französischen Luftwaffe und Marine. Dieses Trieb-werk erreicht in der Basiskonfiguration einen Schub von 50 kN ohne Nachbrenner und von 75 kN mit Nachbrenner. Das Bypassverhältnis ist 0.25 bei einem ins Triebwerk eintretenden Massenstrom von 65 kg/s und einem Verdichterdruckver-hältnis von 24.5, der dreistufige Fan (Niederdruckverdichter) hat dabei ein Druck-verhältnis von 3.9 und besitzt ein verstellbares Vorleitrad, ebenso wie die folgen-den Stufen des Niederdruckverdichters auch. Die ersten drei Stufen des anschlie-ßenden sechsstufigen Hochdruckverdichters sind ebenfalls mit verstellbaren Leit-schaufeln versehen. Die Turbineneintrittstemperatur erreicht den beachtlichen Wert von Tt4 1 850 K. Dieser Wert kann nur deswegen realisiert werden, weil die Brennkammer eine Keramikbeschichtung besitzt und weil die anschließende Hochdruckturbine aus einkristallinen Schaufeln mit Luftkühlung und aus Pulver-metallscheiben besteht.

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2.1 Turbostrahltriebwerke 59

Mit der Beschreibung der letzten beiden Triebwerke werden die Anforderungen offensichtlich, die an solche Aggregate heute gestellt werden:

– leicht und kompakt – extreme Leistungen und optimale digitale Regelung über den gesamten Flugbe-

reich und auch bei extremen Flugmanövern – geeignet für jeden Einsatz bei Luftwaffe und Marine – hohe Zuverlässigkeit und optimale Wartbarkeit bei geringen Lebensdauerkosten – ein möglichst großes Ausbaupotenzial für verstärkte Triebwerksversionen

Mit dem EJ200 oder dem M88-2 hat sich gegenüber einem Vorgängertriebwerk gleicher Schubklasse das Volumen um 35%, die Masse um 45% und die Länge um 40% verringert. Dagegen hat sich das Schub-zu-Gewicht-Verhältnis um bis zu 90% verbessert und erreicht beim EJ200 einen Spitzenwert von 100 N/kg und beim M88-2 immerhin beachtliche 84 N/kg. Dank des modularen Aufbaus der Triebwerke können die Wartungsarbeiten sehr schnell und wirtschaftlich durchge-führt werden, sodass sich die Materialerhaltungsmaßnahmen am Triebwerk und die Anzahl der ersatzweise vorzuhaltenden Reservetriebwerke deutlich verringert werden können. Ein integrierter Wartungsrechner überwacht den Lebensdauer-verbrauch wesentlicher Triebwerksbauteile und zeichnet ihn auf, sodass periodi-sche Inspektionen ausgedehnt werden können.

Bild 2-23: Das militärische M88-2 Turbofantriebwerk mit Nachbrenner der Firma SNECMA für das französische Kampfflugzeug Rafale

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60 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke

2.2 Wellenleistungstriebwerke

Wellenleistungstriebwerke, die auch Turbomotoren genannt werden, ermöglichen vielseitige Anwendungen, die sich in ihrem Einsatzspektrum widerspiegeln:

– Hilfstriebwerke (APU auxiliary power unit) – Propellerturbinentriebwerke (turboprop) – Hubschraubertriebwerke (turboshaft)

Um die Leistungsfähigkeit dieser Triebwerksart zu spezifizieren, ist die Angabe des Schubes ungeeignet. Vielmehr ist es hier üblich, die sog. Wellenleistung anzugeben, die das Triebwerk mittels seiner Welle – die von einer separaten Arbeitsturbine (free power turbine) angetrieben wird – nach außen abgibt. Diese Leistung wird i. Allg. über ein zwischengeschaltetes Getriebe auf eine Welle zum Antrieb von Impellern, Propellern, Hubschrauberrotoren oder Generatoren übertragen. Da in einigen Fällen – wie z. B. bei den Turboproptriebwerken – nicht alle aus dem thermodynamischen Triebwerkskreisprozess zur Verfügung stehende Leistung vollständig an die Welle abgegeben wird, sondern auch immer noch eine gewisse Restleistung im Heißgas verbleibt und in Strahlschub umgesetzt werden kann, ist es üblich, aus diesen beiden Leistungsanteilen (Wellenleistung, Strahlleistung) eine sog. äquivalente Leistung, die auch Wellenvergleichsleistung genannt wird, zu definieren.

Es wird zwischen Ein- und Zweiwellenmaschinen unterschieden. Einwellenma-schinen, bei denen die leistungsübertragende Welle identisch mit der Gasgenera-torwelle ist, werden bevorzugt dort eingesetzt, wo es auf Drehzahlkonstanz und die Möglichkeit schneller Leistungsänderung ankommt, wie z. B. beim Generator-betrieb für die elektrische Stromerzeugung. Zweiwellenmaschinen, bei denen dem Gasgenerator eine separate Arbeitsturbine nachgeschaltet ist, werden bevorzugt dort eingesetzt, wo es auf ein hohes Anfahrdrehmoment (Drehmomentenüberhö-hung) und ein gutes Beschleunigungsverhalten ankommt. Hinsichtlich des spezifi-schen Brennstoffverbrauchs ist die Einwellenmaschine bei Volllast zwar etwas günstiger als die mit zwei Wellen, dafür kehren sich diese Verhältnisse im Teil-lastbereich aber deutlich zu Gunsten der Zweiwellenmaschine um.

2.2.1 Hilfstriebwerke

Hilfstriebwerke, sog. APUs8 liefern elektrische und pneumatische Energie für ein Flugzeug und sind bei Verkehrsflugzeugen i. Allg. in deren Heckkonus installiert. 8 Der ehemalige Leiter des Instituts für Strömungsmaschinen der Deutschen Versuchsanstalt für

Luftfahrt (DVL), Professor Werner von der Nüll, übernahm 1948 bei Garrett-AiResearch in Los Angeles die Projektleitung der Gas- und Luftturbinen. Unter seiner technischen Leitung entstan-den die ersten kleinen APUs in den USA. Die Arbeiten wurden 1951 von Helmut Schelp, dem ehemaligen Referatsleiter im Reichsluftfahrtministerium für Sondertriebwerke, weitergeführt. Unter seiner Leitung entstand die APU GTCP 85, die in den Verkehrsflugzeugen B-727, B-737 und DC9 eingesetzt wurde. Darauf basierend entstand die leistungsstärkere APU GTCP 700, die in der DC10 und in der A300 Verwendung fand, Gersdorff et. al. (1995).

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2.2 Wellenleistungstriebwerke 61

Die APU ist eine autonome Gasturbine, die das Flugzeug von einer externen Ver-sorgung mit Druckluft und Elektrik unabhängig macht. Am Boden liefert die APU sowohl Luft für den Triebwerkstart und die Klimatisierung des Flugzeuges als auch elektrische Energie für das Bordnetz. Im Flug kann die APU – mit gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Flughöhe und den etwas später noch zu diskutie-renden EROPS-Regeln – als Reservequelle zur Versorgung der Flugzeugsysteme mit Luft und elektrischer Energie genutzt werden. Die APU lässt sich alleine mit den bordeigenen Batterien eines Flugzeuges starten.

Die Luft wird durch eine seitlich zu öffnende, im hinteren Rumpfbereich angeord-nete Klappe angesaugt und das Heißgas aus der Heckspitze wieder ausgeblasen. Eine solche APU besteht aus zwei Radialverdichtern, wovon der eine zur APU-Antriebseinheit (power section) und der andere zur Drucklufterzeugung (load com-pressor) für die Klimaanlage bzw. zum Starten der Haupttriebwerke dient, Bild 2-24. Modernere APUs laufen mit konstanter Drehzahl (constant speed APU), die auf einen Generator zur Stromerzeugung übertragen wird und so das Flugzeug am Boden mit Energie versorgt. Der spezifische Brennstoffverbrauch solcher Kleingasturbinen ist relativ ungünstig und nur dann zu rechtfertigen, wenn kurze Laufzeiten vorliegen, al-so dann, wenn der Brennstoffverbrauch von sekundärer und eher das Gewicht von primärer Bedeutung ist, was ein typisches Anforderungsprofil für APUs ist. Die in Bild 2-24 dargestellte APU ist ein von der Firma AlliedSignal Aerospace (heute Honeywell) entwickeltes Hilfstriebwerk für Verkehrsflugzeuge. Die APU besteht aus drei Hauptbaugruppen: der Antriebseinheit (power section), der Einheit für die

Bild 2-24: Auxiliary Power Unit (APU). Das Hilfstriebwerk GTCP36-280 von AlliedSignal-Garrett (heute Honeywell)

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Druckluftversorgung (load compressor) und der Hilfsgeräteträgereinheit (acces-sory gearbox section). Der Antrieb erfolgt durch eine Radialturbine und wird über eine gemeinsame Welle sowohl auf zwei separate einstufige Radialverdich-ter ( V 6.1: power section und V 5.6: load compressor) als auch auf den Hilfsgeräteträger mit zwischengeschaltetem Getriebe übertragen. Die Brennkam-mer ist als Umkehr-Ringbrennkammer ausgeführt und liefert eine Turbinenein-trittstemperatur von Tt4 1 315 K. Der Luftdurchsatz der Antriebseinheit beträgt 0.6 kg/s und die Wellenleistung 335.5 kW. Die APU hat eine Trockenmasse (d. h. ohne Schmier- und Kraftstoffe) von 130 kg. Das Starten der APU ist bis in Flug-höhen von ca. 12 000 m möglich. Die Material- und Öltemperaturen können dann – speziell nach längeren Flugzeiten – bis zu –40 °C erreicht haben.

Der Load Compressor, der mit derselben Drehzahl läuft wie die Antriebseinheit (power section), liefert Druckluft an das pneumatische System eines Flugzeuges. Die vom Flugzeug jeweils benötigte Menge an Luft für die Klimatisierung und den Start der Haupttriebwerke wird durch verstellbare Leiträder im Eintrittsbe-reich des Load Compressor reguliert. Die Verstellung der Leitschaufeln erfolgt hydraulisch. Als Hydraulikflüssigkeit dient Kraftstoff.

Für die Flugzeuge Airbus A330 und A340 wurde ebenfalls von AlliedSignal das Hilfstriebwerk GTCP 331-350 mit einer Leistung von ca. 745 kW entwickelt. Es ba-siert auf der leistungsschwächeren GTCP 331-250, die für den Airbus A300-600 und A310 gebaut wurde. Die A320 APU besteht in der Antriebseinheit aus einem zweistufigen Radialverdichter, einer Umkehr-Ringbrennkammer und einer drei-stufigen Axialturbine. Der Load-Compressor ist ein einstufiger Radialverdichter mit verstellbaren Eintrittsleitschaufeln zur Massenstromregelung der Druckluftsei-te, ihm angeschlossen ist die Hilfsgeräteeinheit (accessory gearbox) mit Elektro-starter, Kraftstoff- und Ölpumpe, Kühlgebläse und 115 kVA Generator.

Von der Firma Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) in Oberursel (heute Rolls-Royce Deutschland) wurde die Einwellen-APU T-312 (Bild 2-25) für das Kampf-

Bild 2-25: Schnittdarstellung der APU T 312-04 von KHD (heute Rolls-Royce Deutschland) fürdas Kampfflugzeug MRCA Tornado

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2.2 Wellenleistungstriebwerke 63

flugzeug MRCA Tornado zur kombinierten Abgabe von Wellenleistung und Druckluft entwickelt. Die APU ist außerdem Bestandteil des sog. Sekundärener-giesystems (secondary power system, SPS). Das SPS wird im Bodenbetrieb des MRCA Tornado von der T 312 APU angetrieben und besteht aus zwei jeweils an Steuer- und Backbord angeordneten Hilfsgeräteträgern, die untereinander über eine Welle (cross drive) verbunden sind. An jedem Geräteträger sind ein Generator, eine Hydraulikpumpe und eine Kraftstoffvordruckpumpe angebracht. Letztere versorgt den Ölkühler, in dem das Öl mit Kraftstoff gekühlt wird. Der Radialverdichter hat ein Druckverhältnis von V 5 und wird von einer zweistufigen Axialturbine ange-trieben. Über seine Welle und ein zwischengeschaltetes Planetengetriebe wird eine maximale Leistung von 114 kW bei einer Drehzahl von 8 000 min 1 nach außen ab-gegeben. Die größte Entnahmeluftmenge ist 0.22 kg/s, bei einem Druck von 3.8 105 Pa. Bei einer Gasgeneratordrehzahl von 64 000 min 1 hat die 36 kg schwere APU einen Gesamtluftdurchsatz von 0.87 kg/s.

Nach den Erfahrungen im Golfkrieg hat KHD bzw. Rolls-Royce Deutschland eine leistungsstärkere Tornado APU mit 136 kW unter der Bezeichnung T 312-04 entwickelt, die seit 1994 in Serie gefertigt wird. Der Leistungszuwachs wurde so-wohl durch eine Steigerung des Luftdurchsatzes auf 0.975 kg/s als auch eine Er-höhung des Verdichterdruckverhältnisses auf V 5.6 erreicht.

Für das europäische Jagdflugzeug EFA-2000 wurde von AlliedSignal (heute Honeywell) die APU EFA 36-170 entwickelt, Bild 2-26. Wegen der außerordent-lichen militärischen Anforderungen hinsichtlich Masse, Zuverlässigkeit, Lebens-dauer und Leistungskonzentration wurden bei der 36-170 APU ganz neue kon-struktive Lösungswege beschritten. Zur Reduzierung der Gesamtmasse wurde eine integrale Bauweise gewählt, bei der mehrere Bauteile miteinander kombiniert sind, was zwar die Anzahl der Verbindungselemente reduziert aber den Ferti-

Bild 2-26: Hilfstriebwerk APU 36-150 von AlliedSignal/Garrett (heute Honeywell). Eine modi-fizierte Version dieses Aggregats, die APU 36-170, kommt im europäischen Jagdflugzeug Euro-fighter Typhoon zum Einsatz und an der Dornier DO328

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gungsaufwand verkompliziert. So wurde z. B. das Einlass- mit dem Verdichterge-häuse kombiniert und die Rückwand des Getriebes gleichzeitig zur Aufnahme des Rotorlagergehäuses vorgesehen. Diese APU wird ausschließlich im Bodenbetrieb des Flugzeuges verwendet. Seine Druckluft wird zum Starten der beiden EJ200 Haupttriebwerke verwendet, zum Betreiben der Klimaanlage und zur Versorgung des flugzeugseitigen Sauerstoffgewinnungssystems. Die APU liefert eine Genera-torleistung von bis zu 15 kW und einen Druckluftmassenstrom von 0.91 kg/s mit ei-nem Druck von 4.9 105 Pa.

Die drei größten Hersteller von Hilfstriebwerken dürften die Firmen Honey-well, Hamilton Sundstrand und inzwischen auch Pratt & Whitney of Canada (PWC) sein. Für die Boeing B747-400 hat PWC die APU PW 901A entwickelt, aus der die PW 901X für den Airbus A380 hervorgehen soll. Die Firma Hamilton Sundstrand ist der größte Hersteller von APUs für das US-Militär. Im zivilen Be-reich dominiert die Firma Honeywell (vormals: Garrett, später AlliedSignal) mit der 131-Serie, die in den wesentlichen Flugzeugen von Airbus und Boeing zum Einsatz kommt. Von Rolls-Royce Deutschland (vormals KHD) wurde die APU RE 220 für Regional- und Exekutivejets mit einer Leistung von 220 kW in Zusammenarbeit mit Honeywell, Kawasaki, Singapore Aerospace und Avio entwickelt, Bild 2-27. Honeywell hat mit 20% – nach Rolls-Royce Deutschland mit 18.6% – den größten Anteil an diesem Programm. Der Firma obliegen dabei die Systemführung, das Marketing und die Endmontage. Die APU RE 220 hat einen einstufigen Radial-verdichter, von dem bis zu 50% der durchströmenden Luft entnommen und so auf einen separaten Load-Compressor verzichtet werden kann. Die APU kann bis zu Flughöhen von 14 500 m gestartet werden und gibt in dieser Höhe noch eine Leis-tung von ca. 40 kW ab.

Bild 2-27: Schnittdarstellung der APU RE 220 von Honeywell für Regional- und Exekutivejets

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2.2 Wellenleistungstriebwerke 65

Entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der APUs haben in den letzten zehn Jahren die sog. EROPS/ETOPS9-Regeln genommen. Nach den EROPS-Regeln müssen u. a. im Flug stets zwei unabhängige Generatoren zur Stromerzeugung existieren. Bei zweimotorigen Flugzeugen sind dies die jeweiligen Generatoren an den Haupttriebwerken. Fällt aber eines der Haupttriebwerke aus, so muss die APU zusätzlich zur Stromversorgung zugeschaltet werden. Dieses muss bis hin zu einer Flughöhe von ca. 12 500 m (41 000 ft) geschehen können. In dieser Höhe ist eine APU nach mehreren Stunden Flugzeit aber sehr kalt, sodass ein zuverlässiges Starten des Hilfstriebwerks hohe Anforderungen an die Brennstoffsteuerung, das Ölsystem, die diversen Regelventile und Schalter und an den APU-Starter stellt. Darüber hinaus muss eine sehr hohe mechanische Zuverlässigkeit der APU garan-tiert werden können, was u. a. durch eine konsequente Reduzierung der APU-Bauteile erreicht wird.

2.2.2 Propellerturbinentriebwerke

Ein Beispiel für ein Propeller-Turbo-Luftstrahltriebwerk (PTL oder Turboprop) zeigt Bild 2-28. Triebwerke dieser Art können vom Prinzip her auch als eine Art von nicht ummanteltem Zweistromtriebwerk angesehen werden, das ein sehr ho-hes Bypassverhältnis von 40 hat. Auf Grund des mit zunehmender Flugge-schwindigkeit stark abfallenden Propellerwirkungsgrades haben sich Tur-boproptriebwerke nur im unteren Flugmachzahlbereich bis zu Ma0 0.7 durch-setzen können. Einsatzhemmend ist auch der hohe technische Aufwand, den die Propelleranlage mit ihrem Getriebe verlangt. Da der Gasgenerator stets deutlich schneller dreht als der große Propeller, ist ein Untersetzungsgetriebe immer unver-meidlich. Demgegenüber steht aber ein niedrigerer spezifischer Brennstoffverbrauch im Vergleich zu Turbojet- und Turbofantriebwerken, vgl. hierzu Bild 1-12. Wesent-liche Hauptmerkmale von Turboproptriebwerken sind:

– Propellerdrehzahlen im Bereich von 1 000 ... 3 500 min 1 – Propellergetriebe, die große Kräfte und Momente aufnehmen müssen:

9 ETOPS-Regeln (Extended-Range Twin-Engine Operation Performance Standards) schreiben

insbesondere in den USA vor, dass im gewerblichen Einsatz 2-motorige Flugzeuge mit einer nachgewiesenen Zuverlässigkeit lange Strecken über Wasser oder unbewohnte Gebiete beflie-gen dürfen. Im europäischen Bereich ist in diesem Zusammenhang durch die JAA der analoge Begriff EROPS (Extended Range Operations) eingeführt worden. EROPS wird scherzhaft auch übersetzt als: Engines Run Or Passengers Swim. Bereits in den 50-er Jahren wurde festgelegt, dass 2-motorige Flugzeuge von jedem Punkt einer Route aus in der Lage sein sollen, innerhalb von 60 Minuten mit einem Motor einen Ausweichflugplatz zu erreichen. Diese Regel hat sich als Grundlage bis heute erhalten. Mit zunehmender Zuverlässigkeit der Triebwerke empfahl die ICAO aber immer länger werdende Zeitenspannen, die sukzessive von 90 Minuten über 120, 150 und auf heute 180 Minuten ausgeweitet wurden. Mit der 180-Minuten-Regel ist der Nordat-lantik heute praktisch uneingeschränkt 2-motorig befliegbar. Inzwischen formuliert man aber bereits zukünftige ETOPS 207 und 240 Regeln, was insbesondere für die USA mit ihrer 2-motorigen Boeing 777 von Interesse ist. Darüber hinaus sind als Ersatz der bisherigen Regu-larien die sog. LROPS-Regeln (Long Range Operational Performance Standards) in Planung, die dann schließlich auch für 3-, 4- und 6-motorige Flugzeuge gelten sollen.

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66 2 Klassifizierung der Flugzeugtriebwerke

– Spezielle Regler zur Synchronisation der Propeller bei mehrmotorigen Flug-zeugen

– Eignung des Gasgenerators zum Gondeleinbau am Flugzeug

Der Schub von Turboproptriebwerken setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, ei-nem dominanten Propellerschub und einem Restschub infolge des aus dem Gas-generator austretenden Heißgases. Von daher ist es wichtig, Propeller und Gasge-nerator so aufeinander abzustimmen, dass ein möglichst optimaler Gesamtschub erreicht werden kann. Ein Optimum an Vortriebsleistung wird erreicht, wenn Pro-peller- und Vortriebswirkungsgrad etwa gleich groß sind.

Das in Bild 2-28 dargestellte Turboproptriebwerk gilt bislang als die leistungs-stärkste westliche „Propellerturbine“. Dieses vergleichsweise alte Rolls-Royce Triebwerk wurde von 1965 bis Ende 1986 mit einer Stückzahl von 1 860 bei der MTU in München in Lizenz gefertigt. Es ist der Antrieb des militärischen Trans-portflugzeugs C 160 Transall und des Seeaufklärungsflugzeuges Breguet Atlantic. Im zivilen Bereich kommt es an den Flugzeugen Aerospace Vanguard Merchant-man, Canadair CL 44 und Short Belfast zum Einsatz. Das zweiwellige Triebwerk hat einen sechsstufigen Niederdruckverdichter, der von einer dreistufigen Nieder-druckturbine angetrieben wird. Den neunstufigen Hochdruckverdichter treibt eine einstufige, luftgekühlte Hochdruckturbine an. Die Brennkammer ist als Ring-Rohr-Brennkammer mit zehn Flammrohreinsätzen ausgeführt. Der Propeller wird über ein Planetengetriebe angetrieben, das integraler Bestandteil des Triebwerks ist. Die leistungsstärksten Typen Mark (Mk) 21, Mark 22 und Mark 515-101W des Tyne-Triebwerks haben eine Wasser-Methanol-Einspritzanlage, die am Boden bis zu einer Umgebungstemperatur von 30 °C die maximal mögliche Triebwerks-leistung garantiert. Die Typen Mark21/22 geben eine maximale Wellenleistung von 4 226 kW ab und haben dabei einen Restschubanteil von 5 kN. Die Dauerleis-tung beträgt 3 872 kW bei einem Restschubanteil von 4.42 kN. Der Luftdurchsatz bei Maximalleistung des Treibwerks beträgt 21.1 kg/s bei einem Verdichterdruck-verhältnis von 13.5 und einer Turbineneintrittstemperatur von 1 272 K. Die Hoch-

Bild 2-28: Zwei-Wellen-Turboprop-Triebwerk Rolls-Royce Tyne. Bild mit freundlicher Genehmi-gung der Firma MTU Aero Engines

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2.2 Wellenleistungstriebwerke 67

druckwelle des Triebwerks dreht mit 18 150 min 1 und die Niederdruckwelle mit 15 250 min 1, während der Propeller eine Drehzahl von 975 min 1 erreicht. Das Triebwerk hat bei einem Gewicht von 1 129 kg eine Länge von 2.76 m und einen größten Durchmesser von 1.4 m.

Das in Bild 2-29 dargestellte Turboproptriebwerk (Wellenleistung beim Start 1 305 kW, im Reiseflug 1 114 kW, im Notfall kurzzeitig 1 395 kW) hat einen Kombinationsverdichter, der aus fünf Axialverdichterstufen und einer abschlie-ßenden Radialverdichterstufe besteht. Es schließt sich eine normale Ringbrenn-kammer an, die trotz der Verwendung eines Radialverdichters keine Umkehr-brennkammer ist. Es folgt eine gekühlte zweistufige Gasgeneratorturbine und da-nach eine 2-stufige Arbeitsturbine. Die Gasgeneratordrehzahl beträgt beachtliche 45 000 min 1 und die der Arbeitsturbine 21 000 min 1. Das Getriebe reduziert die Drehzahl der Arbeitsturbine auf 1 384 min 1. Der Luftmassenstrom durch das Triebwerk beträgt 4.5 kg/s, das Verdichterdruckverhältnis V 18 und die Turbi-neneintrittstemperatur Tt4 1 100 K.

Bei Turboproptriebwerken kann gezeigt werden, dass der spez. Brennstoff-verbrauch in Abhängigkeit der Turbineneintrittstemperatur ein Minimum hat. Die sich bei diesem Minimalwert einstellende Temperatur ist deutlich niedriger als bei Turbo-jet- oder Turbofantriebwerken, wo der günstigste spezifische Verbrauch mehr vom Verdichterdruckverhältnis bestimmt wird als von der Turbineneintrittstemperatur.

Das Bild 2-30 zeigt den Turboprop TP400-D6, der den militärischen Airbus A400M antreibt. Der TP400-D6 ist die leistungsstärkste „Propellerturbine“ der westlichen Welt und löst hinsichtlich dieser Eigenschaft den Rolls-Royce Tyne Turboprop (Bild 2-28) ab. Vermarktet wird das Triebwerk von der Europrop In-ternational (EPI) mit Hauptsitz in München. Dieses ist ein Zusammenschluss der Firmen Rolls-Royce, Snecma in Frankreich, MTU Aero Engines in München und der ITP (Industria de Turbo Propulsores) in Spanien. Der TP400-D6 ist ei-ne 3-wellige Konstruktion, die 8 200 kW Wellenleistung an einen 8-Blatt-Ratier-Figeac FH386 Propeller (Durchmesser 5.33 m) abgibt. Zwischen dem Gasgenera-tor und der Turbine ist ein Untersetzungsgetriebe angeordnet, das die Propeller-

Bild 2-29: Turboproptriebwerk GE T700/CT7 (Saab 340 Regional Airliner, CASA CN235-M Military Transport, CN235 Regional Airliner). Bild mit freundlicher Genehmigung von General Electric Aircraft Engines

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drehzahl auf Werte zwischen 655 min 1 (low attitude cruise), 730 min 1 (normal cruise) und 842 min 1 (take-off and special maneuvers) einstellt. Das Getriebe kann die Propeller links oder rechts herum drehen lassen. Beim A400M wird es erstmals so sein, dass auf der linken Flugzeugseite die Propellerpaare eine andere Drehrichtung haben als auf der rechten Seite. Die sich daraus ergebende gegenläu-fige Charakteristik wird als DBE (down between engines) bezeichnet. Die Vorteile des DBE haben weit reichende Effekte sowohl auf die Aerodynamik als auch auf die Struktur des Flugzeugs. Die Strömung über die Tragflügel wird dadurch sym-metrisch, was die Auftriebseigenschaften und die Seitenstabilität des Flugzeuges positiv verbessert. Das gesamte Flügel- und Leitwerkdesign kann symmetrisch op-timiert werden, da die sonst üblichen Effekte durch die Propellernachläufe und Pro-pellerdrehmomente nicht mehr so dominant sind. Darüber hinaus reduziert DBE den Giermomenten-Effekt, wenn ein sog. kritisches, d. h. außen liegendes Triebwerk ausfällt. Solche Giermomente bei einem Triebwerksausfall müssen durch den Pilo-ten über das Seitenruder ausgeglichen werden. Die Größe des Giermomenten-Effekts beeinflusst damit die Dimensionen des Seitenruders und damit des gesam-ten Leitwerks. In der Summe verbessert also DBE den Auftrieb der Flügel und die Handhabung des Flugzeugs durch den Piloten. Durch eine Reduzierung des Leit-werks nimmt DBE einen verbessernden Einfluss auf die Flugzeugstruktur.

Das TP400-D6 besteht aus einem 5-stufigen Mitteldruckverdichter, mit einem Druckverhältnis von 3.5, der von einer 1-stufigen, gekühlten Mitteldruckturbine angetrieben wird. Der anschließende 6-stufige Hochdruckverdichter, mit einem Druckverhältnis von 7, wird von einer 1-stufigen, gekühlten Hochdruckturbine angetrieben. Die 3-stufige, nicht gekühlte Niederdruckturbine, gibt als separate Arbeitsturbine (power turbine) die Wellenleistung in das Getriebe ab.

Bild 2-30: Der Turboprop TP400-D6 der Firma EPI (Europrop International GmbH). Antrieb desmilitärischen Airbus A400M.

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2.2 Wellenleistungstriebwerke 69

2.2.3 Hubschraubertriebwerke

Mit Wellenleistungen zwischen 300 kW und 3 500 kW werden Hubschrauber-triebwerke gebaut. Die Bilder 2-26 und 2-27 zeigen zwei typische Baumuster die-ser Triebwerksklasse. Hubschraubertriebwerke sind reine Wellenleistungstrieb-werke, die, im Gegensatz zu vielen Propellerturbinentriebwerken, keinen Rest-schubanteil haben. Wegen dieser Eigenschaft, praktisch nur wie eine Kraftma-schine (Motor) zu wirken, werden sie auch manchmal als Turbomotor bezeichnet. Der Turbomotor treibt über ein direkt angekoppeltes Zwischengetriebe und über eine danach folgende Kupplung das Hauptrotorgetriebe an. Dieses Getriebe über-trägt die Wellenleistung auf den Hauptrotormast und sorgt zudem auch noch für den Antrieb des Heckrotors.

Bei niedriger Leistung werden Hubschraubertriebwerke aus Sicherheitsgründen zu Doppeltriebwerksanlagen zusammengefasst. Wegen der schon zu Beginn des Kapitels Wellenleistungstriebwerke erwähnten guten Drehzahlkonstanz der ein-welligen Turbomotoren finden diese speziell bei kleinen Einheiten den Vorzug. Triebwerk und Hubschrauberrotor sind bei diesem Aufbau über Fliehkraftkupp-lungen miteinander gekoppelt. Vor dem Drehen der Rotoren, zum Starten des Hubschraubers, laufen die Triebwerke bei konstanter Drehzahl im Leerlauf. Für den Parallelbetrieb von Hubschraubertriebwerken, der heute die überwiegende konstruktive Lösung darstellt, werden zweiwellige Treibwerke eingesetzt, die oh-ne Fliehkraftkupplung arbeiten.

Das in Bild 2-31 dargestellte Wellenleistungstriebwerk mit der Bezeichnung MTR-390 (MTR MTU, Turboméca und Rolls-Royce) ist für militärische und

Bild 2-31: Das Turboshafttriebwerk MTR 390 ist der Antrieb für die Eurocopter Hubschrauber Ti-ger UHT/HAP/HAC und Panther. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines

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zivile Anwendungen sowohl in Hubschraubern als auch in Flächenflugzeugen als Einzel- und Doppeltriebwerk geeignet. Entwicklungsziele für dieses Triebwerk, das ursprünglich MTM 380 hieß und für den Panzerabwehrhubschrauber PAH 2 vorgesehen war, waren neben einer hohen Lebensdauer und Zuverlässigkeit eine geringe Triebwerksmasse, ein niedriger spezifischer Brennstoffverbrauch im Teil-lastbereich, geringe Schadstoffemissionen, eine einfache Wartbarkeit und hohe Leistungsreserven. Der zweistufige Radialverdichter mit einem Druckverhältnis von

V 13, der einen Luftmassenstrom von 3.2 kg/s durchsetzt, wird von einer ein-stufigen, luftgekühlten Axialturbine angetrieben, der eine zweistufige Arbeitstur-bine folgt. Wie es häufig bei Triebwerken mit Radialverdichter der Fall ist, ist die Brennkammer eine Umkehr-Ringbrennkammer. Die Startleistung des Triebwerks beträgt 958 kW (kurzzeitig für 30 Sekunden 1 160 kW in Notfällen). Der spezifi-sche Brennstoffverbrauch liegt bei BS 0.27 (kg/h)/kW.

Das in Bild 2-32 dargestellte Triebwerk Allison 250-C20 kommt speziell in kleineren Hubschraubern zum Einsatz, stellt eine Startleistung von 313 kW (Reise-leistung 276 kW) bereit und setzt einen Luftmassenstrom von 1.56 kg/s durch. Der Verdichter hat sechs Axialstufen und eine Radialstufe, mit denen im Startfall ein Druckverhältnis von V 7.1 produziert wird. Der Kombinationsverdichter wird von einer zweistufigen Turbine bei einer Drehzahl von 51 600 min 1 angetrieben, der eine weitere zweistufige Arbeitsturbine folgt, die mit 35 000 min 1 dreht. Der spezifische Brennstoffverbrauch liegt bei BS 0.4 (kg/h)/kW. Ungewöhnlich an

Bild 2-32: Das Turboshafttriebwerk Allison 250-C20B war der Antrieb der Hubschrauber MBB BO 105C, Bell Jet Ranger und Hughes 500. Bild mit freundlicher Genehmigung der MTU Aero Engines

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2.2 Wellenleistungstriebwerke 71

dem Triebwerk ist dessen Luftführung, die, wenn die Luft aus dem Verdichter austritt, außen um das Triebwerk herumgeführt wird, zu der am Triebwerksende angeordneten Rohrbrennkammer. Von hier strömt dann das Heißgas in Richtung Triebwerksmitte, wo die Gasgeneratorturbine und die anschließende Arbeitsturbi-ne angeordnet sind. Von der Arbeitsturbine wird die Nutzleistung des Triebwerks über ein Getriebe zu dem seitlich angeordneten Abtriebsteil geführt. Hier liegt dann eine Drehzahl von 6 000 min 1 vor.

Das Allison 250-C20 Turboshafttriebwerk wird bei der MTU-München als 250-MTU-C20B in Lizenz gebaut und ist/war für den Panzerabwehrhubschrauber PAH-1 und den Verbindungs- und Beobachtungshubschrauber VBH vorgesehen, die beide auf der Basis des MBB BO-105 Hubschraubers aufbauen.

Bild 2-33 zeigt das RTM 322 Turboshafttriebwerk, das die Hubschrauber EH101 Merlin und WAH-64 Apache antreibt und für den Transporthubschrauber NH90 vorgesehen ist. Das sehr kompakte Zweiwellentriebwerk besteht aus sechs Einzelmodulen. Der Kombinationsverdichter aus drei Axialstufen und einer Radi-alstufe hat ein Druckverhältnis von V 15 und wird von einer zweistufigen Tur-bine, deren erste Stufe gekühlt ist, angetrieben. Der Gasgeneratorturbine folgt eine 2-stufige Arbeitsturbine. Die ersten beiden Verdichterstufen sind mit einem ver-stellbaren Leitapparat ausgestattet. Der Abtrieb erfolgt an der Stirnseite des Triebwerks ohne ein Zwischengetriebe direkt in das Rotorgetriebe des Hub-schraubers. Der Einlauf des Triebwerks ist ringförmig und mit einem Sandab-scheider ausgerüstet.

Bild 2-33: Hubschraubertriebwerk RTM 322-01 des Firmenkonsortiums Rolls-Royce, Turbomé-ca und MTU Aero Engines. Antrieb der Hubschrauber EH 101, NH 90, Kamov Ka62R. Bild mit freundlicher Genehmigung der Rolls-Royce plc

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2.3 Zusammenfassung

Turbo-Strahl-Triebwerke

Turbojet ohne Nachbrenner Eine „aussterbende“ Triebwerksklasse im Unterschallflug, die heute, wenn man vom RR Viper 632 evtl. einmal absieht, praktisch nicht mehr gebaut wird. Turbojets sind vergleichsweise simpel und robust aufgebaut und dadurch einfach zu warten, was sie ausgesprochen preisgünstig macht. Ihr kleine Stirnfläche und einige Besonderheiten ihres thermody-namischen Kreisprozesses prädestinieren sie aber für den Überschallflug. Für die Zivilfliegerei sind der relativ hohe Brennstoffverbrauch und die inakzeptablen Lärmemissionen als wesentliche Nachteile zu vermerken.

Turbojet mit Nachbrenner Die ideale Triebwerksklasse für den Reiseflug bei hohen Überschallflug-machzahlen. Seit der Einstellung des Concorde Flugbetriebs gibt es diesen Typ im zivilen Bereich nicht mehr. Im militärischen Bereich gibt es diese Triebwerksklasse immer noch im praktischen Flugbetrieb. Neuere militäri-sche Nachbrennertriebwerke werden zwar als Turbofantriebwerke ausgelegt, sind aber auf Grund ihrer sehr kleinen Nebenstromverhältnisse einem Turbo-jet nach wie vor sehr ähnlich. Die hohen Überschallmachzahlen am Trieb-werksaustritt verlangen eine verstellbare Schubdüse.

Turbofan ohne Nachbrenner Die typische Triebwerksklasse im zivilen Transportbereich. Hohe Neben-stromverhältnisse und hohe Verdichterdruckverhältnisse ergeben sehr verbrauchsgünstige und sehr leise Triebwerke. Zusätzliche Lärmminde-rungsmaßnahmen im Schubdüsenbereich und ein extensiver Gebrauch von lärmdämmenden Auskleidungen machen sie zur optimalen Lösung im Bereich hoher Unterschallflugmachzahlen. Wegen der großen Stirn-flächen nicht für den Überschallflug geeignet. Im Bereich kleinerer Rei-seflugmachzahlen dem Turboprop hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit ein-deutig unterlegen.

Turbofan mit Nachbrenner Die typische Triebwerksklasse aller modernen Kampfflugzeuge. Wegen ihrer sehr kleinen Nebenstromverhältnisse sind sie einem Turbojet sehr ähnlich. Die kleinen Nebenstromverhältnisse verlangen, im Gegensatz zum zivilen Turbofan ohne Nachbrenner, stets einen mehrstufigen Fan mit einem entsprechend hohen Fandruckverhältnis. Ein Großteil der Luft des Fankreises wird zur Kühlung des Nachbrenners und der nachfolgen-den Schubdüse verwendet. Die hohen Überschallmachzahlen am Trieb-werksaustritt verlangen eine verstellbare Schubdüse.

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2.3 Zusammenfassung 73

Wellenleistungstriebwerke

Turboprop Wegen ihrer unschlagbaren Wirtschaftlichkeit die optimale Triebwerks-klasse im zivilen und militärischen Transportbereich, wenn die Flug-machzahlen unterhalb von 0.7 liegen. Beste Verbrauchswerte werden bei vergleichsweise niedrigen Turbineneintrittstemperaturen erreicht, was die thermische Belastung der Turbinen minimiert. Es ist immer ein schweres Getriebe erforderlich, das die hohen Gasgeneratordrehzahlen für den Propellerbetrieb adäquat reduziert. Der Schub wird im Wesentlichen durch den Propeller bestimmt und weniger durch den Gasgenerator. Über den Abgasstrahl steht ein gewisser zusätzlicher Anteil an Strahlschub zur Verfügung.

Turboshaft Wird auch als Turbomotor bezeichnet, der über eine Welle zu Antriebs-zwecken Leistung an ein anderes Bauteil oder eine andere Maschine ab-gibt. Im Bereich der Luftfahrt ist diese Triebwerksklasse der typische An-trieb von Hubschraubern. Die Wellenleistung wird über ein Umlenkge-triebe auf den Hubschrauberrotor übertragen. Auf Grund der hohen Gas-generatordrehzahlen ist ein Untersetzungsgetriebe erforderlich. Es wird ausschließlich Wellenleistung abgegeben und keinerlei Strahlschub pro-duziert. Hinsichtlich der generellen Funktionsweise liegt hierin der we-sentliche Unterschied gegenüber dem ebenfalls Wellenleistung abgeben-den Turboprop.

APU Kann als eine Sonderform des Turboshaft angesehen werden. Die APU gibt zum einen Wellenleistung an einen zusätzlichen Verdichter ab, der Druckluft für das Flugzeug erzeugt, und zum anderen Wellenleistung in ein zusätzliches Getriebe, an dem Hilfsgeräte angeflanscht sind. Für das Flugzeug ist der Generator zur Stromerzeugung hier das wesentliche Hilfsgerät. APU’s werden für vergleichsweise kurze Laufzeiten bei klei-nen Abmessungen und Gewichten konzipiert. Im Vergleich zu allen an-deren Triebwerkstypen ist bei einer APU ein geringer Brennstoff-verbrauch eher von untergeordneter Bedeutung.