20 Jahre Astronomie-AG am AEG-Buchholz€¦ · unbeheizten Abstellraum in der Mühlenschule in...

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20 Jahre Astronomie-AG am AEG-Buchholz Wer schon immer wissen wollte, „wie viel Sternlein steh-e-en, an dem blau-au-en Himmelszelt“ und nicht mit einer Zahl (10^23) zufrieden ist, kann bei uns glücklicher werden. Sie und er müssen bereit sein, noch einmal zur Schule zu kommen, denn wir treffen uns seit nunmehr 20 Jahren jede Woche am Donnerstag für eine Unterrichtsstunde der besonderen Art: wir „hantieren“ – meist am Computer – mit unanfassbaren Gegenständen und reden auch noch darüber. Wenn es dann in Norddeutschland manchmal einen klaren Nachthimmel gibt, ziehen wir kurzfristig um in einen unbeheizten Abstellraum in der Mühlenschule in Holm-Seppensen, bauen die notwendigen Teleskope und Gerätschaften auf der vorgelagerten Terrasse auf und genießen den Blick in den dunkelsten Sternhimmel über dem Großraum Buchholz. Eine Kleingruppe der „Nachtaktiven“ tut sich diesen Genuss auch zu unsäglichen Tageszeiten an, u.U. auch bei minus 17 Grad Celsius (bisheriger Rekord), um am 15. Januar jeden Jahres eine astronomische „Jugend-forscht“-Arbeit abzuliefern. Da wir seit 2002 eine technisch hochwertige Sternwarte betreiben, gibt es für Praktiker und Theoretiker jede Menge Möglichkeiten, sich zu engagieren. Wer sich traut, an einem Astronomie- Wettbewerb teilzunehmen, lässt die Konkurrenz dann auch häufig hinter sich. Meist kommt dabei Freude auf – so ab der 7. Klassenstufe. Aber auch die ganz schlauen „couchpotatoes“, die schon in der Grundschule die Astro-Fachbücher aufsagen konnten, dürfen mitmachen. Nicht zuletzt „gönnt“ uns die Schulleitung gelegentliche Sonderunterrichte in Form von Bildungsreisen zu astronomischen Forschungsstandorten wie AIP-Potsdam, Effelsberg bzw. Hoher List/Bonn und der Sternwarte HH-Bergedorf.

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20 Jahre Astronomie-AG am AEG-Buchholz

Wer schon immer wissen wollte, „wie viel Sternlein steh-e-en, an dem blau-au-en Himmelszelt“ und nicht mit einer Zahl (10^23) zufrieden ist, kann bei uns glücklicher werden. Sie und er müssen bereit sein, noch einmal zur Schule zu kommen, denn wir treffen uns seit nunmehr 20 Jahren jede Woche am Donnerstag für eine Unterrichtsstunde der besonderen Art: wir „hantieren“ – meist am Computer – mit unanfassbaren Gegenständen und reden auch noch darüber. Wenn es dann in Norddeutschland manchmal einen klaren Nachthimmel gibt, ziehen wir kurzfristig um in einen unbeheizten Abstellraum in der Mühlenschule in Holm-Seppensen, bauen die notwendigen Teleskope und Gerätschaften auf der vorgelagerten Terrasse auf und genießen den Blick in den dunkelsten Sternhimmel über dem Großraum Buchholz.

Eine Kleingruppe der „Nachtaktiven“ tut sich diesen Genuss auch zu unsäglichen Tageszeiten an, u.U. auch bei minus 17 Grad Celsius (bisheriger Rekord), um am 15. Januar jeden Jahres eine astronomische „Jugend-forscht“-Arbeit abzuliefern.

Da wir seit 2002 eine technisch hochwertige Sternwarte betreiben, gibt es für Praktiker und Theoretiker jede Menge Möglichkeiten, sich zu engagieren. Wer sich traut, an einem Astronomie-Wettbewerb teilzunehmen, lässt die Konkurrenz dann auch häufig hinter sich. Meist kommt dabei Freude auf – so ab der 7. Klassenstufe. Aber auch die ganz schlauen „couchpotatoes“, die schon in der Grundschule die Astro-Fachbücher aufsagen konnten, dürfen mitmachen.Nicht zuletzt „gönnt“ uns die Schulleitung gelegentliche Sonderunterrichte in Form von Bildungsreisen zu astronomischen Forschungsstandorten wie AIP-Potsdam, Effelsberg bzw. HoherList/Bonn und der Sternwarte HH-Bergedorf.

Unsere Erfolge in den Wettbewerben “Jugend-forscht”, “Catch a star” der ESO, Einladungen der ESA zu Workshops und das Engagement bei www.science-on-stage.de mussten schließlich 2010/11 mit dem “Reiff-Preis für Schulastronomie” ausgezeichnet werden: € 3000.- für eine Computer gesteuerte Führung der Teleskope. Ganz frisch ist ein Preisgeld von €1000.- für unsere Platzierungen bei “Jugend-forscht/Schüler experimentieren”, dass wir in eine Spezialkamera investiert haben. Nachteile hat die Nachtarbeit dennoch: Wir Lehrer verstoßen jedes mal gegen die Ruhezeitenverordnung der Landesschulbehörde – im Volksmund “Lehrerarbeitszeit”. Das Geld ist auch immer knapp, weil unsere guten Gerätschaften nicht im Baumarkt zu haben sind und der technische Fortschritt der ältesten Naturwissenschaft aufdie Sprünge zum „beobachtbaren Horizont“ verhilft. Sprünge und Horizont sind bei Schulsternwarten eher bescheiden, aber ohne „Sponsoren“ (s.u.) ginge es gar nicht.Eigentlich liebt uns nur das nordische Wetter nicht!

Jetzt wird es „historisch“ und „fachspezifisch“:Am Anfang war ein Klönschnack über Astronomie bei Keksen mit privaten Fachbüchernals Lehrmittel. Die erste Astronomie-Software ermöglichte dann eine Vorstellung der Geschichte des Weihnachtssterns mittels (schwachem) Beamer in einer zentralen Weihnachtsfeier des AEGs (im letzten Jahrhundert). Ein „Zaungast“ war ein damaliger Ausstauschlehrer vom Gymnasium am Kattenberge – Herr Plitzko - , mit dem trickreich die Idee einer Sternwarte für die Buchholzer Gymnasialschüler weitergesponnen wurde. Kurzum – wir hatten es ziemlich bald geschafft, sogar mit einem Auftritt in der ARD: wir durften Ranga Yogeshwar die Hand schütteln zum Jubiläum seiner „Kopfball“-Wissenschaftsshow in Bonn und kehrten mit einem „Preisgeld“ von ~DM16.666.- zurück. Das „Grundstein-Geld“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft wurde unverzüglich in ein Teleskop für die Buchholzer Sternwarte angelegt und der Bügermeister/Stadtdirektor spendete wenig später den passenden Raum (mit dem hintersinnigen Ausspruch „man kann ja auch mal Jugendliche fördern, bevor sie in den Bach gefallen sind“).Seit unserer Gründung (als „Gemini-Astronomie“) erfahren wir also eine Art Höhenflug, der uns nicht nur "den Sternen näher bringt", sondern durch die semi-professionellen Instrumente auch die Ansprüche an die Arbeitsergebnisse in die Höhe treibt. Wir produzieren fleißig astronomische Bildung, profitieren dabei von dem Gespenst der PISA-Problematik. Denn wer nun Naturwissenschaft betreibt, darf mit Förderung rechnen: TUHH-Prof. Dr. Ulrichs Faszination für Astrophysik färbte auf uns ab - und unsere Begeisterung auf ihn - und seit 10 Jahren können wir sogar messen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, zumindest ein bißchen, was Sterne betrifft. Über den mathematisch-physikalischen Formalismus (der in AGs an Gymnasien natürlich

nicht verwässert werden darf) wacht seit Jahren mit Dr. Stefan Naler auch ein richtiger Physiker.Bereits mit der ersten Facharbeit eines Schülerpaares im Jahr 2001 zur Analyse einfacher Übersichtspektren gelang der Sprung in den Bundeswettbewerb von Jugend-forscht 2002, so dass der AG nichts anderes übrig blieb, als es jährlich erneut zu versuchen.Es folgten Arbeiten zur Astrometrie, Beobachtungen von Bedeckungsveränderlichen, spektroskopische Messungen von Radialgeschwindigkeiten und sogar ein Blick zum „Ende“ der beobachtbaren Welt auf der Suche nach Quasaren – Galaxien-Kerne im frühen Universum. Nebenher gelang einer Schülergruppe der Bau eines Interferometrischen Radioteleskops.Seit 2003 entfallen daher für den „Sternwarten-Operator“ und die jeweiligen Schülerteams praktisch die Weihnachtsferien, da der Januartermin des Jugend-forscht-Wettbewerbes letzte Messungen, Korrekturlesungen und Probeläufe erforderlich macht. Mit dem ersten Erfolg beim ESO-Wettbewerb "Catch-a-star" 2005 nutzen wir die jeweiligen Arbeiten mit der Englisch-Fassung zwar doppelt, konnten aber auch gut über Termindruck klagen. Heute blicken wir auf eine lange Liste erfolgreicher Arbeiten zurück (die als pdf in der Mediothek interessierten SchülerInnen als Vorlage für „Nachtaktivität“ dienen könnte).Mit unseren Astronomie-Projekten erhielten wir Einladungen zu den internationalen (Lehrer)Festivals zwecks Förderung der Naturwissenschaften (s.o. www.science-on-stage.eu) in Noordwijkerhout(ESA), Genf(CERN), Grenoble (ILL) und zu den jeweiligen nationalen Vorauswahlen in Berlin – auf der Basis von didaktischen Konzepten für aufgeweckte SchülerInnen.In den Sommerferien 2010 war sogar Platz in einem ESA-Workshop “Human Space Flights“.

Besonders erfreut sind wir über eine Veröffentlichung der Arbeit von 2008 in der Fachzeitschrift „Astronomie und Raumfahrt“ Nr. 115 1/2010; S.18 „Die rasende Venus“.Zum Reiff-Preis gab es auch noch ein Honorar für einen Fachartikel zur Schulastronomie in „Sterne und Weltraum“ Nr.7/2011.

Natürlich tun wir auch etwas für „Gäste“: Dank der Berichte in der Lokalpresse kommt auch jemand zu den Beobachtungsabenden und Vorträgen unserer „Öffentlichkeitsarbeit“.

Dass ausgerechnet Schüler auf Lernangebote neben dem Stundenplan „speziell reagieren“, ist in vernetzten Zeiten nichts Neues: wofür sind denn Smartphones mit Apps da. Für alle Fans der Buchholzer „Astro-Freaks“ und die, die es doch noch werden wollen, gibt es zum Jubiläum eine CD mit (kommentierten) Bildern aus 20 Jahren Nachtarbeit.Ironie der „social media“-Zeiten: unsere Website ist dafür im Dauerschlafmodus.

Martin Falk c/o aeg-astronomie