20 Jahre Gründungssysteme mit geokunststoffummantelten Säulen · 207 M. Raithel/V. Küster/D....

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205 © 2013 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · geotechnik 36 (2013), Heft 4 Gründungssysteme mit geokunststoffummantelten Säulen für Erdbauwerke auf gering tragfähigen Böden wurden vor rund 20 Jahren in der Geotechnik eingeführt und sind in Deutschland mittlerweile Stand der Technik. Das System bietet eine geotech- nische Lösung für Gründungen in stark verformbaren, sehr gering scherfesten Böden, in denen traditionelle Verfahren der Boden- verbesserung ihre Anwendungsgrenzen erreichen. In diesem Beitrag werden das System der geokunststoffummantelten Säu- len, die Berechnungsverfahren und insbesondere die Ergebnisse von Langzeitmessungen beschrieben. Weitere Informationen be- treffen die laufende Weiterentwicklung des Systems nach den technischen und wirtschaftlichen Anforderungen großer Tiefbau- projekte sowie weitere potenzielle Anwendungsmöglichkeiten. 20 years of foundation systems with geotextile encased columns. Foundation systems using geotextile encased columns for earth structures (e.g. embankments) on soft subsoil with a low bearing capacity were established in geotechnical engineering about 20 years ago and today are state-of-the-art in Germany. The system offers a geotechnical solution for foundations even in highly deformable soils of extremely low shear strength, in which traditional soil improvement techniques reach their limit of practi- cability. This paper gives a description of the system of geotextile encased columns, of design and construction procedures and in particular of the results of long-term measurements. Further in- formation is given on ongoing developments of the system corre- sponding to technical and economical requirements of major geotechnical projects as well as further application options. 1 Einführung Die Josef Möbius Bau-GmbH begann 1993 in Zusammen- arbeit mit der Huesker Synthetic GmbH und dem Fachge- biet Geotechnik der Universität Kassel sowie mit Kemp- fert + Partner Geotechnik, ein System für die Gründung von Erdbauwerken auf stark verformbaren, sehr gering scherfesten Böden zu entwickeln. Die Grundidee von Herrn Werner Möbius bestand darin, eine Alternative zu konventionellen Pfahl- oder Säulengründungen anzubie- ten und gleichzeitig den Einbau und die dauerhafte Stabi- lität von Säulen aus verdichtetem granularem Füllmate- rial auch in sehr weichen Böden zu ermöglichen, die eine unzureichende seitliche Stützung bieten (Bild 1). Granulare Säulen finden wegen der erforderlichen seitlichen Bodenstützung in weichen, bindigen und orga- nischen Böden mit einer undränierten Kohäsion von min- destens c u 15 kPa ihren Einsatz. Die Lösung für Böden mit geringerer Scherfestigkeit besteht in der durchgehen- den Ummantelung des verdichteten, nichtbindigen Säu- lenmaterials durch einen dehnsteifen Geokunststoff. Die allgemeine Funktionsweise der geokunststoffummantelten Säulen ist in Bild 2 dargestellt. In den 1990er-Jahren ging die Entwicklung von Technologie, Bemessungsverfahren [1] und geeigneten Geokunststoffen Hand in Hand; das erste Projekt wurde schließlich 1995 in Deutschland erfolgreich ausgeführt. Seit der Einführung des Systems konnten mehr als 30 Pro- jekte in verschiedenen Ländern, darunter Deutschland, Schweden, Niederlande, Polen, Spanien und Brasilien er- folgreich abgeschlossen werden. 2 Systembeschreibung Die geokunststoffummantelten Säulen werden in einem gleichmäßigen Raster angeordnet. Basierend auf dem Konzept der Einheitszelle (Bild 3) kann eine einzelne Säule in einem unendlich ausgedehnten, dreiecksförmi- gen Säulenraster betrachtet werden. Die zu einer einzel- nen Säule mit einer Querschnittsfläche A S gehörende Ein- flussfläche A E ist ein sechseckiges Element, das in einen flächengleichen Kreis D E umgewandelt werden kann (unit cell design concept). Durch die Gesamtbelastung und die Spannungskon- zentration über den Säulenköpfen wird in den Säulen eine nach außen gerichtete, radiale Horizontalspannung her- Fachthemen 20 Jahre Gründungssysteme mit geokunststoffummantelten Säulen Marc Raithel Volker Küster Dimiter Alexiew DOI: 10.1002/gete.201300014 Bild 1. GEC-Herstellung in extrem weichem Schlick von Pontons (Quelle: Josef Möbius Bau-GmbH) Fig. 1. GEC production from pontoons in very soft/fluid mud (Source: Josef Möbius Bau-GmbH) Pressebeleg geotechnik | 12/2013

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205© 2013 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · geotechnik 36 (2013), Heft 4

Gründungssysteme mit geokunststoffummantelten Säulen fürErdbauwerke auf gering tragfähigen Böden wurden vor rund20 Jahren in der Geotechnik eingeführt und sind in Deutschlandmittlerweile Stand der Technik. Das System bietet eine geotech-nische Lösung für Gründungen in stark verformbaren, sehr geringscherfesten Böden, in denen traditionelle Verfahren der Boden-verbesserung ihre Anwendungsgrenzen erreichen. In diesemBeitrag werden das System der geokunststoffummantelten Säu-len, die Berechnungsverfahren und insbesondere die Ergebnissevon Langzeitmessungen beschrieben. Weitere Informationen be-treffen die laufende Weiterentwicklung des Systems nach dentechnischen und wirtschaftlichen Anforderungen großer Tiefbau-projekte sowie weitere potenzielle Anwendungsmöglichkeiten.

20 years of foundation systems with geotextile encasedcolumns. Foundation systems using geotextile encased columnsfor earth structures (e.g. embankments) on soft subsoil with a lowbearing capacity were established in geotechnical engineeringabout 20 years ago and today are state-of-the-art in Germany.The system offers a geotechnical solution for foundations even inhighly deformable soils of extremely low shear strength, in whichtraditional soil improvement techniques reach their limit of practi-cability. This paper gives a description of the system of geotextileencased columns, of design and construction procedures and inparticular of the results of long-term measurements. Further in-formation is given on ongoing developments of the system corre-sponding to technical and economical requirements of major geotechnical projects as well as further application options.

1 Einführung

Die Josef Möbius Bau-GmbH begann 1993 in Zusammen-arbeit mit der Huesker Synthetic GmbH und dem Fachge-biet Geotechnik der Universität Kassel sowie mit Kemp-fert + Partner Geotechnik, ein System für die Gründungvon Erdbauwerken auf stark verformbaren, sehr geringscherfesten Böden zu entwickeln. Die Grundidee vonHerrn Werner Möbius bestand darin, eine Alternative zukonventionellen Pfahl- oder Säulengründungen anzubie-ten und gleichzeitig den Einbau und die dauerhafte Stabi-lität von Säulen aus verdichtetem granularem Füllmate -rial auch in sehr weichen Böden zu ermöglichen, die eineunzureichende seitliche Stützung bieten (Bild 1).

Granulare Säulen finden wegen der erforderlichenseitlichen Bodenstützung in weichen, bindigen und orga-nischen Böden mit einer undränierten Kohäsion von min-destens cu ≥ 15 kPa ihren Einsatz. Die Lösung für Böden

mit geringerer Scherfestigkeit besteht in der durchgehen-den Ummantelung des verdichteten, nichtbindigen Säu-lenmaterials durch einen dehnsteifen Geokunststoff. Dieallgemeine Funktionsweise der geokunststoffummanteltenSäulen ist in Bild 2 dargestellt.

In den 1990er-Jahren ging die Entwicklung vonTechnologie, Bemessungsverfahren [1] und geeignetenGeokunststoffen Hand in Hand; das erste Projekt wurdeschließlich 1995 in Deutschland erfolgreich ausgeführt.Seit der Einführung des Systems konnten mehr als 30 Pro-jekte in verschiedenen Ländern, darunter Deutschland,Schweden, Niederlande, Polen, Spanien und Brasilien er-folgreich abgeschlossen werden.

2 Systembeschreibung

Die geokunststoffummantelten Säulen werden in einemgleichmäßigen Raster angeordnet. Basierend auf demKonzept der Einheitszelle (Bild  3) kann eine einzelne Säule in einem unendlich ausgedehnten, dreiecksförmi-gen Säulenraster betrachtet werden. Die zu einer einzel-nen Säule mit einer Querschnittsfläche AS gehörende Ein-flussfläche AE ist ein sechseckiges Element, das in einenflächengleichen Kreis DE umgewandelt werden kann (unitcell design concept).

Durch die Gesamtbelastung und die Spannungskon-zentration über den Säulenköpfen wird in den Säulen einenach außen gerichtete, radiale Horizontalspannung her-

Fachthemen

20 Jahre Gründungssysteme mit geokunststoffummantelten Säulen

Marc RaithelVolker KüsterDimiter Alexiew

DOI: 10.1002/gete.201300014

Bild 1. GEC-Herstellung in extrem weichem Schlick vonPontons (Quelle: Josef Möbius Bau-GmbH)Fig. 1. GEC production from pontoons in very soft/fluidmud (Source: Josef Möbius Bau-GmbH)

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Damm

Bewehrung

Geokunststoffummantelte granulare Säule

Weichboden

Tragfähiger Untergrund

1

2

3

4

4

55

3

2

1

Bild 2. Funktionsprinzip von geokunststoffummantelten Säulen für Dämme auf weichen Böden (Quelle: Huesker Synthetic GmbH)Fig. 2. Functional principle of geotextile-encased columns for embankments on soft soils (Source: Huesker Synthetic GmbH)

σv,B

Säule Geokunststoff Ringzugkraft FR

σv,S

DSäule = 2 rS

hi

(lSäule ≥ Σhi)

Umgebende Weichschicht

σ0

σh,B,ges

Dgeo = 2 rgeo

DE = 2 rE

σh,B,ges σh,S

Rasterausschnitt

AS

AE

Bild 3. Tragsystem und Berechnungsmodell geokunststoffummantelter Säulen (aus [1])Fig. 3. Bearing system and calculation model geotextile-encased columns (from [1])

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vorgerufen. Das Spezifische am System ist, dass dieserSpannung nicht nur eine nach innen gerichtete Gegen-pressung vom Weichboden entgegenwirkt, sondern auchmaßgeblich eine radiale Gegenpressung von der entspre-chend dehnsteifen, geotextilen Umhüllung. Dabei werdenin der Ummantelung signifikante Ringzugkräfte bei einerDehnung in Ringrichtung zwischen 1 und 4 % mobilisiert,die die Säule radial zusammenhalten, letztendlich auchlangfristig das Gleichgewicht des Systems gewährleistenund die Anwendung auch bei sehr weichen Böden ermög-lichen.

Es entsteht ein duktiles Tragsystem, wobei ein Kni-cken bei den auftretenden Säulenbeanspruchungen nichtauftritt. Durch den Einsatz von geokunststoffummantel-ten Säulen werden die Absolutsetzungen und Setzungsun-terschiede stark reduziert und die Standsicherheit im Bau-und Endzustand signifikant erhöht. Weil die Säulen alslangfristig (durch die Umhüllung) filterstabile Vertikal -dränagen wirken, werden der Setzungsverlauf und dieKonsolidierung beschleunigt. Die im Wesentlichen durchVerkehrslasten und Kriechvorgänge initiierten Nachset-zungen sind gering und können im Bedarfsfall weitgehenddurch temporäre Überschüttungen vorweggenommenwerden.

Eine ausführliche Beschreibung der wesentlichentheoretischen und ausführungstechnischen Belange desSystems mit geokunststoffummantelten Säulen findet sichin [2]. Dort wird auch explizit auf die unterschiedlichen,zu diesem Zeitpunkt existierenden, System- und Ausfüh-rungsoptionen eingegangen. Mit diesen normenähnlichenRegelungen der Deutschen Gesellschaft für Geotechnikwird das Verfahren zur Gründung von Erdbauwerken mitgeokunststoffummantelten Säulen als Stand der Technikdefiniert.

3 Berechnung und Bemessung

Das Berechnungsverfahren spiegelt das Spannungs- undVerformungsverhalten des Systems, bestehend aus derSäulenfüllung, dem umgebenden Weichboden und derGeokunststoffummantelung, wider. Folglich beinhaltendie Ergebnisse nicht nur die radiale Ringzugfestigkeit undRingdehnsteifigkeit der Ummantelung, sondern z. B. auchdie Setzung der Säulenköpfe, die schließlich die Setzungdes darüber liegenden Damms bestimmt.

Die Analyse und Berechnung einer Gründung fürErdbauwerke auf geokunststoffummantelten Säulen bein-haltet in der Regel zwei Phasen.

Am Anfang steht eine, mitunter als vertikal bezeich-nete, Bemessung, die sich vor allem auf das vertikale Trag-und Verformungsverhalten des Systems konzentriert undFragen der Gesamtstabilität vorläufig außer Acht lässt.

Im zweiten Schritt muss die Gesamtstabilität unterBerücksichtigung der Ergebnisse der ersten Phase und einer geeigneten horizontalen Geokunststoffbewehrungüber den Säulen nachgewiesen werden.

Die Bemessung der Horizontalbewehrung über denSäulenköpfen (Bild 2) ergibt sich aus der globalen Stand -sicherheitsberechnung und unterliegt in der Regel nichtden Anforderungen an geotextile Bewehrungen überpfahlähnlichen, deutlich steiferen Traggliedern (Mem-branwirkung). Neben der Gewährleistung der Gesamtsta-

Bild 4. Herstellung im Verdrängungsverfahren (Quelle: JosefMöbius Bau-GmbH)Fig. 4. Production by displacement method (Source: JosefMöbius Bau-GmbH)

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bilität nimmt die horizontale Geokunststoffbewehrung imBedarfsfall Spreizkräfte auf und trägt zu einer Vergleich-mäßigung der Beanspruchung und der Setzungen in derGründungsebene bei.

Die Bemessung von Gründungen auf geokunststof-fummantelten Säulen erfolgt entweder analytisch oderdurch numerische Verfahren. Am häufigsten wird jedochdie analytische Methode verwendet, die ausführlich in [2]beschrieben wird.

4 Herstellungsverfahren

Zur Herstellung der geokunststoffummantelten Säulenwurden bis heute vorwiegend zwei Verfahren eingesetzt.Das erste ist das Verdrängungsverfahren (Bild 4). Hierbeiwird unterschieden in Verdrängung des Bodens bei derSäulenherstellung durch eine am Fuß geschlossene Ver-rohrung oder durch den Einsatz eines Tiefenrüttlers.

Bei Verwendung eines an der Spitze verschlossenenStahlrohrs (Klappen, Fußplatte) wird nach dem Erreichendes tragfähigen Bodens die zylindrische Geokunststoff -ummantelung eingelegt und diese mit nichtbindigem Ma-terial verfüllt. Anschließend wird das Rohr mit geöffnetemQuerschnitt am Fuß unter Vibration gezogen und die Säu-lenfüllung dabei verdichtet (Bild 4).

Bei der Anwendung eines Tiefenrüttlers wird die geo-textile Ummantelung auf die Außenhülle des Rüttlers ge-zogen und durch die Weichschicht bis auf den tragfähigenHorizont mitgeführt. Der Einbau des Säulenmaterials er-folgt über die Materialschleuse beim sukzessiven Ziehendes Tiefenrüttlers, wobei die Verdichtung über gezielteStopfvorgänge erreicht wird. Bei diesem Verfahren ist diemögliche Beschädigung der geotextilen Ummantelungbeim Einbauprozess projektabhängig zu bewerten unddurch Festlegung des entsprechenden Abminderungsfak-tors zu berücksichtigen.

Das Verdrängungsverfahren ist die Standardmetho-de zur Herstellung der geokunststoffummantelten Säulen.Mit ihr lässt sich die Gründung wirtschaftlich und kon-trolliert qualitativ hochwertig installieren.

Die zweite Methode ist das Aushubverfahren(Bild 5). Bei diesem wird ein offenes Rohr in den Bodeneingebracht und der Boden während oder nach dem Ein-bringen mithilfe spezieller Vorrichtungen (Bohrschnecke,Greifer) aus dem Rohr ausgehoben. Nach dem Einhängender Geotextilummantelung und der Befüllung wird das of-fene Rohr unter Vibration gezogen. Das Aushubverfahrenwird bei Böden mit hohen Eindringwiderständen (z. B.Sandauffüllungen und -zwischenlagen) eingesetzt oderwenn Vibrationen aufgrund der Nähe zu baulichen An -lagen gering zu halten sind.

5 Langzeitmessungen und Kriechverhalten

Zur Festlegung der Restsetzung nach Beendigung der Bau-phase müssen sowohl die Primärsetzung als auch die Se-kundär- oder Kriechsetzung berücksichtigt werden. Diesebestimmen meist das Setzungsverhalten der Säulengrün-dung unter Betrieb, da der Primärsetzungsverlauf durchdie Wirkung der geokunststoffummantelten Säulen alsgroße Vertikaldränagen beschleunigt wird und im Regel-fall schon während der Bauzeit beendet ist.

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Bild 5. Herstellung im Aushubverfahren (Quelle: Josef Möbius Bau-GmbH)Fig. 5. Production by excavation method (Source: Josef Möbius Bau-GmbH)

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In [3] und [4] wird beschrieben, wie sich Kriechsetzun-gen proportional zu den Belastungsänderungen ergeben,welche die Deformation erzeugen. Da die Weichschichtdurch die Spannungskonzentration über den Säulenköpfengeringer belastet wird, ist im Vergleich zum unverbessertenBaugrund durch den Einsatz der ummantelten Säulen ge-nerell von einer Kriechsetzungsreduktion auszugehen. Zu-dem unterliegt die Weichschicht, wenn Kriechsetzungen be-rücksichtigt werden, einer stärkeren Setzung als die Säule,und entzieht sich somit der Belastung.

Demzufolge kommt es durch das interaktive Tragsys-tem zu einer Lastumlagerung in Richtung ummantelterSäule und zu einem neuen Gleichgewichtszustand mit ei-nem noch niedrigeren Spannungsniveau in der Weich-schicht. Somit wird eine weitere Reduktion der Kriechset-zungen im Vergleich zum unverbesserten Zustand er-reicht.

Der Effekt der Kriechsetzungsreduktion wurdedurch Langzeitmessungen bestätigt. Nachfolgend sindexemplarisch die Langzeitmessungen bei der Airbus-Er-weiterung in Hamburg-Finkenwerder dargestellt, welchezwischen 2001 und 2004 realisiert wurde (vgl. auchBild  1). Der 2.500  m lange Umschließungsdeich um dieErweiterungsfläche wurde auf insgesamt ca. 60.000 geo-kunststoffummantelten Säulen gegründet und im Septem-ber 2002 fertiggestellt. Im Rahmen der erdstatischenNachweise wurden die Standsicherheits- und Verfor-mungsprognosen durch baubegleitendende Messungengeprüft. Das umfangreiche Messprogramm umfasste u. a.Horizontal- und Vertikalinklinometer, Setzungspegel undMessmarken sowie Wasserdruck- und Porenwasserdruck-geber. Ein Großteil der Messelemente wurde für eine fort-laufende messtechnische Überwachung nach Fertigstel-

lung des Deichs ausgebildet. Die Bilder 6 und 7 zeigen ty-pische Messergebnisse.

Die erste Überprüfung der Deichüberhöhung zumAusgleich von Langzeitsetzungen erfolgte nach etwa ei-nem Jahr und dem näherungsweise vollständigem Ab-schluss der Primärsetzungen. Dabei wurde eine rechneri-sche Prognose der zukünftigen Kriechsetzungen vorge-nommen. Eine weitere Überprüfung im Jahr 2004 ergabdeutlich geringere Kriechsetzungen als anfänglich prog-nostiziert. Daraufhin erfolgte eine neue Prognose anhandvon Kriechbeiwerten, die von den Messungen unter Zu-grundelegung von logarithmischen Regressionsfunktio-nen abgeleitet wurden. Im Jahr 2006 wurden dann die Set-zungsprognosen nach weiteren Setzungsmessungen er-neut korrigiert. Seit über ca. 10 Jahren ermöglichen sie eine zuverlässige Modellierung des gemessenen Kriechset-zungsverlaufs. Die Gründung des Finkenwerder Vordeichsauf geokunststoffummantelten Säulen, Letzterer eine Fort-setzung des Umschließungsdeichs der Airbus-Werkser -weiterung, zeigt ein ähnliches Verhalten. Die Bilder 6 und7 zeigen, dass für beide Maßnahmen eine Anpassung derKriechsetzungsprognosen mit einer Reduzierung der Rest-setzungen erforderlich wurde.

Bild  8 enthält eine zusammenfassende Auswertungder gemessenen und der auf Grundlage der im Baugrund-gutachten vorgegebenen Kriechbeiwerte berechnetenKriechsetzungen. Die für die Berechnung angesetztenKriechbeiwerte können dabei als realitätsnah angesehenwerden, da im Bereich der Flächenaufhöhung ohne geo-kunststoffummantelte Säulen die Prognosewerte anhandder Messungen bestätigt werden konnten.

Anhand der Setzungsmessungen konnte somit nach-gewiesen werden, dass der Ansatz von Kriechbeiwerten,

Bild 6. Ergebnisse von Langzeitmessungen und Vergleich der Kriechsetzungsprognosen für die Deichgründung zur Erweite-rung der Flugzeugwerft in Hamburg-Finkenwerder (Quelle: Kempfert + Partner Geotechnik)Fig. 6. Results of long-term measurements and comparison of creep settlement prognoses for the dyke foundation for the aircraft works expansion in Hamburg-Finkenwerder (Source: Kempfert + Partner Geotechnik)

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die für den unverbesserten Baugrund (d. h. ohne Säulen-gründung) angegeben bzw. aus diesen abgeleitet wurden,zu einer deutlichen Überschätzung der Kriechsetzungenim Vergleich zum tatsächlichen Setzungsverhalten einerGründung auf geokunststoffummantelten Säulen führt.Für eine realistische Prognose der Langzeitverformungenund Kriechsetzungen scheinen somit geeignete Laborver-suche (Kriechversuche) erforderlich. Diese würden eineAbleitung des Kriechverhaltens von Weichschichten un-ter verschiedenen Belastungsrandbedingungen und -stu-fen ermöglichen und so den kriechsetzungsreduzierendenEffekt der Säulengründungen ermitteln.

Sofern geeignete Versuchsergebnisse fehlen, wirdhäufig näherungsweise ein Reduktionsfaktor auf die fürden unverbesserten Baugrund ermittelten Kriechsetzun-gen verwendet, der aus den Messergebnissen abgeleitetwurde.

Durch den Vergleich von rechnerischen Prognosenund Messungen konnte dieser Reduktionsfaktor auf dieKriechsetzungen des unverbesserten Baugrunds anhandBild 8 zu etwa 0,5 ermittelt werden, d. h. durch die Grün-dung auf geokunststoffummantelten Säulen wurden dieKriechsetzungen um 50 % reduziert. Je nach Projektpara-metern können die Reduktionsfaktoren sogar Werte bis et-wa 0,25 annehmen (vgl. auch [5] und [6]). Des Weiterenkann eine weitere Reduzierung der Kriechsetzungendurch eine Vorbelastung bzw. temporäre Überschüttungerreicht werden, was im vorliegenden Fall allerdings nichterforderlich war.

6 Weiterentwicklung des Systems6.1 Dichtung gegen aufsteigendes Grundwasser

Werden die geokunststoffummantelten Säulen in einemwasserführenden Sand-Kieshorizont abgesetzt, entsteht

Bild 7. Ergebnisse von Langzeitmessungen und Vergleich der Kriechsetzungsprognosen für die Gründung des FinkenwerderVordeichs (Quelle: Kempfert + Partner Geotechnik)Fig. 7. Results of long-term measurements and comparison of creep settlement prognoses for the foundation of the Finken-werder outer dyke (Source: Kempfert + Partner Geotechnik)

Bild 8. Zusammenfassende Auswertung und Gegenüber -stellung der gemessenen und der ohne geokunststoffum -mantelte Säulen berechneten Kriechsetzungen (Quelle:Kempfert + Partner Geotechnik)Fig. 8. Combined analysis and comparison of measuredcreep settlement and creep settlement calculated withoutgeotextile-encased columns (Source: Kempfert + PartnerGeotechnik)

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durch das granulare Füllmaterial der Gründungselementeeine hydraulische Verbindung zwischen der Geländeober-fläche und dem Aquifer. Neben dem Risiko des Ver -sickerns grundwassergefährdender Stoffe im Untergrundkann es bei artesischem Druck zu einer dauerhaften, auf-wärts gerichteten Grundwasserströmung und einem Aus-fließen an der Geländeoberfläche kommen. Die Wasser-wegigkeit in den Säulen kann durch den Einbau einer lo-kalen, mindestens einen Meter hohen Dichtung aus einemSand-Bentonit-Gemisch im Säulenkörper minimiert wer-den. Bild 9 zeigt einen Ausschnitt aus der Ausführungspla-nung einer Gründung auf geokunststoffummantelten Säu-len für einen Straßendamm. In diesem Fall wurde die 1 mhohe wasserdichte Schicht am Fuß der Säulen eingebaut.Die Höhenlage der Dichtung kann an die konkrete Bau-grundschichtung angepasst werden (z. B. im Kopfbereichbei wasserführenden Sandzwischenlagen).

6.2 Geokunststoffummantelung

Die Weiterentwicklung und Optimierung des Gründungs-systems mit geokunststoffummantelten Säulen führte unter anderem auch zur Weiterentwicklung der Geokunst-stoffummantelung als wichtiges bewehrendes Tragele-ment. Sie besitzt großen Einfluss auf das Trag- und Ver-formungsverhalten der Säule und des Gesamtsystems.Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an Inte-grität, Dauerbeständigkeit, Robustheit, mechanischesKurz- und Langzeitverhalten usw. Von besonderer Bedeu-tung sind die Dehnsteifigkeit (Zugmodul) und die Zugfes-tigkeit in Ringrichtung, sowohl kurz- wie auch langfristig(geringes Kriechen). Aus baupraktischer Sicht sollen dieUmmantelungen leicht zu transportieren und einzubauensein. Unter Beachtung all dieser Aspekte wurde z. B. dieProduktfamilie Ringtrac entwickelt. Es stehen derzeit drei

nahtlose Ringtrac-Familien aus unterschiedlichen Poly -meren mit Durchmessern von 50 bis 100 cm, Kurzzeitfes-tigkeiten im Ring von 400 kN/m und mehr sowie Ring-dehnsteifigkeiten von 1.000 bis zu 8.000 kN/m zur Ver -fügung. Durch die Wahl des Polymers ist eine hohe Beständigkeit, z. B. auch in alkalischen Milieus, gewähr-leistet. Die breite Palette der Produkteigenschaften bietetein hohes Potenzial zur Systemoptimierung.

6.3 Säulenlänge

Für ein Bauprojekt in Polen war die Herstellung von geo-kunststoffummantelten Säulen mit einer maximalen Län-ge von knapp 30 m erforderlich. Diese, bisher noch nichtausgeführten, Säulenlängen konnten dank gerätetechni-scher Weiterentwicklungen realisiert werden. Die im De-zember 2011 dem Verkehr übergebene Autobahn A2 ver-bindet die polnische Stadt Poznan mit der deutsch-polni-schen Grenze und führt über eine ca. 300 m lange Rinnemit organischen Sedimenten. Der gering tragfähige Bodenaus Torf und Gyttja mit undränierten Scherfestigkeitenvon teilweise deutlich unter 10 kN/m² steht in einer Stär-ke von bis zu 28 m unter Geländeoberkante an. Die längs-ten Säulen mit einem Durchmesser von 800 mm konntenmit einem offenen Rohr und verlorener Fußplatte im Ver-drängungsverfahren dank eines leistungsstarken Gürtel-rüttlers hergestellt werden (Bild 10). Hierbei wurde zur Re-duzierung der Reibungskräfte zwischen Verdrängungs-rohr und Säule eine Innenschmierung mit einer sehr ma-geren Bentonitsuspension eingesetzt.

6.4 Probebelastung einer Säulengruppe

Im Jahr 2011 wurde zur gezielten Überprüfung und Fort-entwicklung der vorhandenen Berechnungsverfahren der

Bild 9. Geokunststoffummantelte Sandsäulen mit Fußdichtung (Quelle: Josef Möbius Bau-GmbH)Fig. 9. Geotextile-encased columns with base sealing (Source: Josef Möbius Bau-GmbH)

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Großversuch Berne (Belastungsgroßversuch) durchge-führt (Bild 11). Die ersten Ergebnisse und Analysen wur-den zwischenzeitlich publiziert [7].

Anhand dieses Großversuchs konnten zum einen dievorhandenen Bemessungsansätze und Berechnungsver-fahren in Bezug auf die Ringzugkraftbemessung des Geo-kunststoffs sowie auf die Setzungsprognosen bestätigt wer-den.

Zum anderen zeigte sich jedoch, dass in Bezug aufdie Berechnung der globalen Standsicherheiten und Ge-ländebruchnachweise in situ noch deutliche Tragreservendes Systems im Vergleich zu dem rechnerisch ermitteltenStandsicherheitsniveau vorhanden sind. Selbst bei direk-ter Erfassung der tatsächlich gemessenen Spannungskon-zentration über den Säulen und unter Berücksichtigungzusätzlicher räumlicher Effekte wurden dabei rechnerischBruchzustände ermittelt, obwohl diese in situ nicht auftra-ten. Diese Beobachtung korreliert mit den Erfahrungenim Zuge der Projektausführung, dass das tatsächlich vor-handene Standsicherheitsniveau offenbar bei Anwendungder üblichen Berechnungsverfahren häufig unterschätztwird. Derzeit erfolgt daher auf Grundlage der neuen Er-kenntnisse eine weitere Optimierung der Berechnungsver-fahren zur Erfassung der globalen Standsicherheit. Umauch mit den gebräuchlichen, analytischen 2-D-Berech-nungsverfahren künftig eine möglichst realitätsnahe, wirt-schaftliche, aber auch handhabbare Bemessung des Grün-dungssystems zu entwickeln, wird aktuell eine schrittweiseNachrechnung des Großversuchs vom genauesten Verfah-

Bild 10. LRB 255 mit 30 m langem Verdrängungsrohr aufeiner Baustelle in Polen (Quelle: Josef Möbius Bau-GmbH)Fig. 10. Pile driver LRB 255 with 30 m-long displacementpipe at a site in Poland (Source: Josef Möbius Bau-GmbH)

Bild 11. Großversuch zur Belastung einer Säulengruppe; systembedingte Maximallast [links] (Quelle: Josef Möbius Bau-GmbH) und Ausschnitt aus 3-D-FE-Modell [rechts] (Quelle: Kempfert + Partner Geotechnik)Fig. 11. Large-scale load test on a column group; systemic maximum load [left] (Source: Josef Möbius Bau-GmbH) and detail of FE model [right] (Source: Kempfert + Partner Geotechnik)

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ren, der numerischen 3-D-Berechnung, über eine numeri-sche 2-D-Berechnung, hin zur analytischen 2-D-Berech-nung vorgenommen. Zunächst werden mittels numeri-scher 3-D-Berechnungen (FEM) die Ergebnisse des Groß-versuchs mit einer möglichst detaillierten Eingabe der Sys-temrandbedingungen rechnerisch nachvollzogen. Dabeiwerden die Einzelsäulen mit ihrer tatsächlichen Geome-trie eingegeben, d. h. die Geokunststoffummantelung wirdmit dem tatsächlichen, ringförmigen Querschnitt und derentsprechenden axialen und radialen Steifigkeit/Festigkeiteingegeben, sodass auch die maßgebende Fläche der Säu-len/Geokunststoff bei einem Standsicherheitsversagenwirklichkeitsgetreu abgebildet wird. In einem nächstenSchritt findet die Überführung der Berechnungsergebnisseaus dem 3-D-Modell in ein 2-D-Modell statt, in welchemdie Säulen analog zu den analytischen Berechnungen ver-einfacht, mittels flächengleicher Ersatzwandscheiben, dar-gestellt werden. Mit diesem Bearbeitungsschritt kann dieUmrechnung des tatsächlichen Kreisquerschnitts in Er-satzwandscheiben kalibriert werden. Schließlich erfolgtdie Überführung der Berechnungsergebnisse aus den nu-merischen 2-D-Berechnungen in ein analytisches Berech-nungsmodell. Am Ende steht die Generierung eines ver-einfachten, analytischen Ansatzes mit Ersatzparameternzur Abbildung der standsicherheitserhöhenden Effekte,welcher anhand der vorangegangenen, numerischen Be-rechnungen abgesichert ist.

6.5 Akustische Verfahren zur Baugrunderkundung

In der Planungsphase werden üblicherweise zusätzlicheBaugrunderkundungen zur Verifizierung der Oberflächedes tragfähigen Baugrunds durchgeführt. Während derHerstellung der Säulen wird die Übereinstimmung der spe-zifizierten Absetztiefe mithilfe der Geräteparameter kon-trolliert. In der Regel lassen diese eine eindeutige Aussageüber das Erreichen des ausreichend tragfähigen Bodenszu. In Ausnahmefällen, wie sehr eng gestuften, locker ge -lagerten Feinsanden, lässt sich der Absetzhorizont nichteindeutig bestimmen. Dadurch werden Mehrlängen derSäulen und weitere Prüfungen zur Tragfähigkeit, z. B.durch zusätzliche Baugrunduntersuchungen, erforderlich.

In den Jahren 2010/2011 wurde von der Josef MöbiusBau-GmbH in Zusammenarbeit mit der TU Clausthal einakustisches Verfahren zur Identifikation ausreichend trag-fähigen Bodens zur Einsatzreife gebracht. Dabei werdenvon einem Beschleunigungsaufnehmer an der Spitze desRohrs über ein geschütztes Kabel Signale an einen Sen-der am Rohrkopf und von dort über eine Funkverbindungin das Führerhaus gesendet. Diese werden mit einer speziellen Software gefiltert und zeigen dem Geräteführerüber eine einfache optische Anzeige den Bodentyp an, in dem sich die Rohrspitze befindet (Bild  12). Das Ver -fahren stellt eine zuverlässige und wirtschaftliche Lösungdar.

Bild 12. Verdrängungsrohr mit Messtechnik für Erfassung akustischer Signale (Quelle: Josef Möbius Bau-GmbH)Fig. 12. Displacement pipe with instrumentation for measuring acoustic signals (Source: Josef Möbius Bau-GmbH)

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6.6 Einbau hinter Kaimauern

Für Hafenbauprojekte sind, bei neu zu bauenden Wänden,häufig Hinterfüllungen einzubringen und dabei oft geringscherfeste und stark kompressible Weichschichten zuüberschütten. Die in solchen Fällen typischerweise hohenErd- und Porenwasserdrücke erfordern eine kompakteWandausbildung.

Im Anfangszustand, d. h. vor Beginn der Setzungenund vor Einsetzen der konsolidationsabhängigen Lastum-lagerung, bewirken die geokunststoffummantelten Säulendurch den Sandanteil in der Weichschicht bereits eine Bo-denverbesserung. Die daraus resultierende, höhere Scher-festigkeit wird in den Konstruktionsberechnungen derweiteren Bauzustände berücksichtigt.

Darüber hinaus wird ein Teil der Hinterfüllungsbe-lastung über die Säulen in den tragfähigen Baugrund ab-geleitet, ohne einen horizontalen Erddruck auf die Wandzu erzeugen. Damit dieser Effekt ausgenutzt werden kann,ist allerdings eine genaue Steuerung der Hinterfüllung er-forderlich. Der Einbau muss lagenweise mit entsprechen-den Konsolidierungszeiten erfolgen. Die so erreichte Re-duzierung des Erddrucks führt zu einer optimierten undwirtschaftlichen Konstruktion der Kaimauer. Bild 13 zeigtschematisch einen Kaimauerquerschnitt unter Einbezie-hung des Gründungssystems mit geokunststoffummantel-ten Säulen zur Optimierung des Wandquerschnitts.

6.7 Erdbebengebiete

Bei der Untersuchung der Wirkungsweise des Gründungs-systems mit geokunststoffummantelten Säulen in Erdbe-bengebieten muss zwischen den Mechanismen bei ver-schiedenen Untergrundbedingungen unterschieden wer-den.

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Bei Böden mit höherem grobkörnigen Anteil, wieschluffigen oder eng gestuften Sanden, die bei Erdbeben-beanspruchungen aufgrund ihrer Kornabstufung und lo-ckeren Lagerungsdichte zur Verflüssigung neigen, ist derEinsatz von Bodenverbesserungsmaßnahmen, wie Rüttel -stopfsäulen (zur Verbesserung der Tragfähigkeit und Lage-rungsdichte), mittlerweile Stand der Technik.

Mit steigender Intensität und Dauer des Erdbebens,höherem Grundwasserstand und insbesondere bei gerin-gerer Lagerungsdichte nimmt das Verflüssigungsrisiko zu.Daher wird eine Verbesserung schon durch die Verdich-tung der anstehenden Böden beim Einbringen des Ver-drängungskörpers für den Einbau der geokunststoffum-mantelten Säulen im Verdrängungsverfahren erreicht.

Zusätzlich zu diesem Effekt ist maßgebend, dass imErdbebenfall ein entscheidender Anteil der Belastung bzw.Beanspruchung von den steiferen Säulen direkt aufge-nommen bzw. die Intensität der Beanspruchung auf dievorliegenden Böden zwischen den Säulen geringer wird.Auf diesem Ansatz basieren verschiedene Verfahren inder Literatur (z. B. [8]), wobei das einwirkende seismischeSpannungsverhältnis im Erdbebenfall (ableitbar aus derRichterskala und den auftretenden Erdbebenbeschleuni-gungen) durch einen Faktor reduziert wird. Der Vorteilvon geokunststoffummantelten Säulen gegenüber her-kömmlichen Rüttelstopfsäulen liegt darin, dass aufgrundder Ummantelung die Spannungskonzentration in derSäule und damit die Entlastung des vorliegenden Bau-grunds größer sind. In Bild  14 ist dies exemplarisch aufder Grundlage von [8], [9] und [10] dargestellt.

Ein weiterer Anwendungsbereich zur Erdbebensiche-rung liegt im Einsatz der geokunststoffummantelten Säu-len in weichen, bindigen oder organischen Böden, diegrundsätzlich nur eine geringe seitliche Stützung der Säu-len aufweisen. Der Einsatz von nicht ummantelten, granu-

Bild 13. Geokunststoffummantelte Sandsäulen hinter einer neuen Kaimauer im Hamburger Hafen (Quelle: Josef MöbiusBau-GmbH)Fig. 13. Geotextile-encased columns behind a new quay wall in Hamburg Harbour (Source: Josef Möbius Bau-GmbH)

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laren Säulen bewirkt in diesen Böden im Erdbebenfall kei-ne Erhöhung der Tragfähigkeit, da die Säulen aufgrundder unzureichenden seitlichen Stützung einen mehr oderweniger vollständigen Verlust ihrer Tragfähigkeit erfahrenkönnen. Mit geokunststoffummantelten Säulen wirddurch die Stützwirkung der Ummantelung, selbst bei ei-nem starken Abfall der seitlichen Bodenbettung währenddes Erdbebens, eine ausreichende Kurzzeit-Tragfähigkeitund Integrität sichergestellt, vgl. auch [11]. Zusätzlich zuden bekannten Vorteilen im Tragverhalten ermöglichenGründungen auf geokunststoffummantelten Säulen somitauch eine höhere Erdbebensicherheit.

6.8 Erhöhung der dynamischen Gebrauchstauglichkeit von Bahnstrecken

Bei der Bewertung von Erdbauwerken im Hinblick auf be-sondere Anforderungen bei zyklischen und dynamischenBeanspruchungen aus dem Eisenbahnverkehr spielt derBegriff der dynamischen Stabilität eine wichtige Rolle. Erwird auch für die mit der Zeit zunehmende Setzung desGleises verwendet, die durch das Bodenverhalten bei dy-namischer Beanspruchung infolge von Eisenbahnverkehrauftritt, obwohl dies weniger ein Stabilitätsversagen alseher einen allmählichen Verlust der Gebrauchstauglich-keit bedeutet.

Wie aus Erfahrungswerten und [12] hervorgeht, gel-ten weiche bindige Böden sowie organische und organo-gene Böden, insbesondere Torfe, hinsichtlich der dynami-schen Stabilität bzw. Gebrauchstauglichkeit als kritisch.

Die unter einer dynamischen Einwirkung im Boden auf-tretende Scherdehnung [13] wird als Schlüsselparameterfür die Beurteilung der dynamischen Langzeitstabilitätund der dynamischen Gebrauchstauglichkeit angesehen.Dabei ist zu untersuchen, ob unter dynamischen Einwir-kungen aus dem Eisenbahnverkehr die volumetrische zy-klische Scherdehnungsgrenze γtv,U erreicht wird. Bei de-ren Überschreitung ist schon nach kurzer Zeitdauer mitVerformungen zu rechnen, die sich nicht mehr kompen-sieren lassen. Die Berechnungsmodelle für diese Situationsind aufgrund der Interaktion zwischen gleisdynamischenBerechnungen und bodendynamischen FEM-Berechnun-gen [14] relativ komplex.

Durch den Einsatz von geokunststoffummanteltenSäulen in vorhandenen Weichschichten wird eine Redu-zierung der dynamischen Einwirkungen in den schwin-gungsempfindlichen Böden erreicht (Bild  15). Das be-wirkt eine deutliche Verbesserung der dynamischen Stabi-lität und Gebrauchstauglichkeit und ermöglicht auch Ge-schwindigkeitserhöhungen.

Dank ihrer höheren Flexibilität und des angepasstenReaktionsverhaltens des Untergrunds an den Gleisober-bau und die dynamischen Lasten des rollenden Materialsbieten geokunststoffummantelte Säulen durch ihr eherduktiles Verhalten gegenüber starren Systemen, wie Pfäh-len oder Betonsäulen, Vorteile. Des Weiteren minimierensie Probleme an den Übergängen von verbesserten undnicht verbesserten Bereichen. Anders als nicht ummantel-te Säulen aus nichtbindigem Material (z. B. Rüttelstopf-säulen) sind geokunststoffummantelte Säulen durch die

Bild 14. Beispiel für die Verringerung des seismischen Spannungsverhältnisses durch den Einsatz von geokunststoffumman-telten Säulen und erforderlicher Spitzendruck bei sandigen Böden zur Vermeidung von Verflüssigungserscheinungen (nach[8] [9] [10])Fig. 14. Example of reduction of the seismic stress ratio through the use of geotextile-encased columns and necessary endpressure for sandy soils to avoid the occurrence of liquefaction (according to [8] [9] [10])

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Filterstabilität der geotextilen Ummantelung über ihre ge-samte Lebensdauer, auch unter dynamischen Einwirkun-gen aus dem Eisenbahnverkehr, gegen ein Einwandern desumgebenden Bodens geschützt.

7 Zusammenfassung

Mit den geokunststoffummantelten Säulen steht etwa20 Jahre nach der Markteinführung ein ausgereiftes undtheoretisch sowie praktisch vollständig beherrschbaresGründungssystem für Erdbauwerke zur Verfügung. Dierechnerische Prognose des Systemverhaltens ist durchpraktische Erfahrungen und zahlreiche Messergebnisseabgesichert.

Aufgrund der Eigenschaften der Ummantelung kanndas System mit geokunststoffummantelten Säulen selbstin sehr weichen Böden (mit undränierten Scherfestigkei-ten unter cu = 2  kN/m²) eingesetzt werden. Auch dasLangzeitverhalten des Gründungssystems lässt sich heuteunter Berücksichtigung der üblichen Toleranzen fürKriechsetzungsberechnungen bei Gründungen auf organi-schen Böden zuverlässig vorhersagen.

In Deutschland erfolgt die Regelung des Gründungs-systems mit geokunststoffummantelten Säulen in Ab-schnitt 10 der aktuellen Fassung der EBGEO (Empfehlun-gen für den Entwurf und die Berechnung von Erdkörpernmit Bewehrungen aus Geokunststoffen [2]) der DeutschenGesellschaft für Geotechnik e.  V. (DGGT). Darin sind Terminologie, Verfahren, Anwendungen, Herstellungs -methoden, Bemessungsempfehlungen, Materialien, Be-rechnungsmethoden und Prüfkriterien beschrieben. InDeutschland sind geokunststoffummantelte Säulen mitt-lerweile als Stand der Technik anzusehen. Der Weiterent-wicklung des Systems widmen sich zurzeit mehrere For-

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schungs- und Entwicklungsarbeiten auf der Basis der EBGEO, die zu einer Verbesserung der Ausführungs -sicherheit und der Erweiterung der Einsatzmöglichkeitenfür das Gründungssystem mit geokunststoffummanteltenSäulen führen sollen.

Literatur

[1] Raithel, M.: Zum Trag- und Verformungsverhalten von geo-kunststoffummantelten Sandsäulen. Schriftenreihe Geotech-nik, Universität Gesamthochschule Kassel, H. 6, Kassel, 1999.

[2] DGGT (Hrsg.): Empfehlungen für den Entwurf und die Be-rechnung von Erdkörpern mit Bewehrungen aus Geokunst-stoffen (EBGEO). Berlin, Ernst & Sohn, 2010.

[3] Edil, T. B., Fox, P. J., Lan, L.-T.: Stress-Induced One-Dimen-sional Creep of Peat. Advances in Understanding and Model-ling the Mechanical Behaviour of Peat. Balkema, Rotterdam,1994.

[4] Krieg, S.: Viskoses Bodenverhalten von Mudden, Seeton undKlei. Veröffentlichungen des Instituts für Bodenmechanik undFelsmechanik der Universität Karlsruhe, H. 150, 2000.

[5] Küster, V., Raithel, M., Alexiew, D.: Zum Langzeitverhaltenvon Gründungen mit geokunststoffummantelten Säulen.Österreichische Geotechnik-Tagung 2011. Vortragsband, S.245–248, 2011.

[6] Raithel, M., Kirchner, A.: Calculation techniques and dimen-sioning of encased columns – Design and state of the art. Pro-ceedings of the 4th Asian Regional Conference on Geosynthet-ics, Shanghai, pp. 718–724, 2008.

[7] Raithel, M., Werner, S., Küster, V., Alexiew, D.: Analyse desTrag- und Verformungsverhaltens einer Gruppe geokunststof-fummantelter Säulen im Großversuch. Bautechnik 88 (2011),H. 9, S. 593–691.

[8] Priebe: Rüttelstopfverdichtung zur Vorbeugung gegen Boden-verflüssigung bei Erdbeben. Mitteilungen des Institutes undder Versuchsanstalt für Geotechnik der Technischen Univer -sität Darmstadt, H. 39, S. 79–92, 1998.

Bild 15. Beispiel für die Reduzierung der dynamischen Scherdehnungen im Unterbau/Untergrund von Eisenbahnverkehrs-wegen durch Einsatz von geokunststoffummantelten Säulen (Quelle: Kempfert + Partner Geotechnik)Fig. 15. Example of reduction of dynamic shear strain in the substructure/subsoil of railway traffic routes through the use of geotextile-encased columns (Source: Kempfert + Partner Geotechnik)

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[9] Technical Report TR-2077-SHR: Seismic Design Criteria forSoil Liquefaction. US Navy, June 1997.

[10] Stark, T. D., Olson, S. M.: Liquifaction Resistance UsingCPT and Field Case Histories. ASCE, Journal of GeotechnicalEngineering, vol. 121 (1995), pp. 856–869.

[11] Guler, E., Alexiew, D., Abbaspour, A., Koc, M.: Seismic Per-formance of Stone Columns and Geosynthetic EncasedColumns. Proceedings of the International Conference onEarthquake Geotechnical Engineering, Istanbul, pp. 1–4, 2013.

[12] DB Netz AG: Ril 836 – Erdbauwerke planen, bauen und in-stand halten. 20.12.1999.

[13] Vucetic, M.: Cyclic threshold shear strain soils. ASCE, Jour-nal of Geotechnical Engineering, vol. 120 (1994), pp.2208–2228.

[14] Kempfert, H.-G., Raithel, M., Krist, O.: Fahrweggründungen– Nachweise und Untersuchungen zur dynamischen Stabilität(Foundations for Permanent Railways – Investigation and Ver-ification of Dynamic Stability). ETR – EisenbahntechnischeRundschau (Railway Technical Review), Vol. 07+08/2010, S.469–472.

AutorenDr.-Ing. Marc RaithelKempfert Geotechnik GmbHGoerdelerstraße 497084 Wü[email protected]

Dipl.-Ing. Volker KüsterIAGDeichstraße 625335 [email protected]

Dr.-Ing. Dimiter AlexiewHUESKER Synthetic GmbH Fabrikstraße 13–15 48712 [email protected]

Eingereicht zur Begutachtung: 27. Juni 2013Überarbeitet: 30. August 2013Angenommen zur Publikation: 30. August 2013

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