20170819 MM 13 MM-MITTE 2 - Burg Guttenberg · 2019. 10. 16. · Klasse die Folterkammer erklärt....

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ZEIT-REISE 13 SAMSTAG 19. AUGUST 2017 Landmarke und Blickfang: Die Burg Guttenberg liegt hoch über den Neckartal. Im 13. Jahrhundert errichtet, wurde sie nie zerstört. Seit 1449 ist sie im Besitz der Familie von Gemmingen. BILD: BACKES Richtschwert, Henkersaxt und Fesseln in der „Folterkammer“. BILD: BACKES Den Marienaltar stahlen Diebe 1976 aus der Burgkapelle. BILD: BACKES Keine Angst vor Raubvögeln: Silke von Gemmingen mit einem Tier, das in der Greifvogelwarte auf der Burg seine Heimat hat. BILD: PRIVAT Der Privatfriedhof der Familie liegt unterhalb der Burg unweit der Kapelle, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts errichtet wurde. BILD: BACKES Ein Hort der Reformation Die hoch über dem Neckar gelegene Burg Guttenberg blieb von Zerstörungen verschont. Die Freiherren von Gemmingen investieren viel Zeit und Geld, um die spektakuläre Anlage zu erhalten. VON KLAUS BACKES Silke Freifrau von Gemmingen lebt mit ihrer Familie auf Guttenberg, ei- ner nie zerstörten Burg hoch über dem Neckar. Viele dürften sie darum beneiden. Doch so einfach ist es nicht. Einerseits: „Es ist eine schöne, sinnvolle und abwechslungsreiche Aufgabe, die Burg zu erhalten, also ein Privileg“, erzählt die Freifrau. An- dererseits: „Es ist eine Riesenaufga- be, und man lebt auf einer Dauer- baustelle. Dass in diesem Jahr mal kein Gerüst steht, ist eine Ausnah- me.“ Eine teure Dauerbaustelle, in die sämtliche Einnahmen aus dem Tou- rismus fließen. Die Erhaltung des Stammsitzes – das war auch der Grund, weshalb die Adelsfamilie be- reits in den 1950er Jahren ihre Burg für Besucher geöffnet hat. Der Le- bensunterhalt kommt dagegen aus den Erlösen des familieneigenen Holzfachhandels, in dem auch Holz aus dem rund 400 Hektar großen Waldbesitz vermarktet wird. Familie führt Besucher Die Privaträume der Familie bleiben Besuchern verschlossen. Doch die Gemmingen schotten sich nicht ab – im Gegenteil. „Mein Mann, andere Familienmitglieder und ich machen die Führungen. Es ist einfach au- thentischer“, erläutert die Freifrau, die bei unserem Besuch gerade einer 7. Klasse die Folterkammer erklärt. Ein Mädchen deutet auf die Abbil- dung, die einen Mann auf der Streck- bank und seine Peiniger zeigt: „Was kriegt der in den Mund?“ Silke von Gemmingen: „Im besten Fall Was- ser, im schlimmsten Fall den ‘Schwedentrunk“, also Gülle.“ Die gute alte Zeit. Seit 1449 sitzt die Familie von Gemmingen auf Guttenberg. Doch die Anlage ist älter, wie der Burgen- freund leicht erkennt: Im 2. Viertel des 13. Jahrhunderts dürften Berg- fried und Schildmauer entstanden sein. Aus dem Spätmittelalter stam- men Ringmauern und ein Wohnbau, weitere Gebäude aus dem Barock. Bauherren sind wohl die Herren von Weinsberg, ihre Auftraggeber die Bi- schöfe von Worms, denen Grund und Boden gehört. 1449 stecken die Weinsberger in finanziellen Problemen und verkau- fen die Burg an Hans von Gemmin- gen. Der hat Katharina Landschad von Steinach geheiratet, die viel Geld mit in die Ehe bringt, das nicht nur für den Erwerb, sondern auch für ei- nen Ausbau der Anlage reicht. Der Kaiser greift ein Bereits 1521 zählen die Gemmingen zu den Anhängern der Reformation, was den Lehnsherren, den Bischö- fen von Worms, natürlich überhaupt nicht gefällt. Die Burg entwickelt sich zu einem Zentrum der Lehre Lu- thers am Neckar. Viele verfolgte Pfarrer finden hier Zuflucht. Johan- nes Brenz, der Reformator Württem- bergs, ist ein Freund der Familie. Kaiser Karl V. nimmt an all dem An- stoß. Bei einem Gespräch in Heil- bronn versucht er, die Gemmingen für den Katholizismus zurückzuge- winnen. Vergebens. Die Brüder Die- trich, Wolf und Philipp sollen geant- wortet haben: „Es täte ihnen herzlich leid, seine Kaiserliche Majestät als ihr nächst Gott oberstes Haupt zu betrüben oder etwas zuwider han- deln, so wollen sie doch solches eher tun, als Gott zu erzürnen und seine reine Lehre abschaffen.“ Das 16. und vor allem das 17. Jahr- hundert gilt als Epoche der Kriege. Die Gemmingen müssen einen äu- ßert regen Schutzengel gehabt ha- ben. Zahllose Heere ziehen vorbei, aber die Burg wird nie zerstört. Gele- genheiten hätte es genug gegeben: Bauernkrieg (1524/25), der Dreißig- jährige Krieg (1618 bis 1648), der Pfälzische Erbfolgekrieg (1688 bis 1697), dem unter anderem Heidel- berg und Speyer zum Opfer fallen, und etliche andere mehr. Einmal aber dürfte es ganz knapp gewesen sein: 1622 tobt wenige Kilo- meter von Guttenberg entfernt die Schlacht bei Wimpfen. Die Truppen des kaiserlichen Feldherrn Tilly tre- ten gegen die des Markgrafen von Baden an. Insgesamt nehmen etwa 36 000 Mann an dem Gemetzel teil, von denen rund 5000 fallen. Dass die katholischen Sieger die protestanti- sche Burg verschonen, grenzt an ein Wunder. Oder sollten da Geldzah- lungen im Spiel gewesen sein? Es kommen friedlichere Zeiten. Guttenberg wird umgebaut, wohnli- cher gemacht. Aber ihren Wehrcha- rakter bewahrt die Burg. Kurzzeitig arbeitet der jung verstorbene Dich- ter Wilhelm Hauff (1802 bis 1827) als Hauslehrer auf Guttenberg, was Spuren in seinen Werken hinterlässt. Ein Besuch der Burg ist ein Spa- ziergang durch die Jahrhunderte. Denn alle Generationen ihrer Besit- zer haben bauliche Spuren hinter- lassen. In den für Besucher zugäng- lichen Räumen ist ein Museum zum Thema „Leben auf der Ritterburg“ eingerichtet. Auch viele Gegenstän- de aus Familienbesitz zählen zu den Exponaten. Besonders interessant: die seltene Holzbibliothek, die ein Alter von rund 230 Jahren aufweist. In den 93 hölzernen Kästchen liegen Zweige, Blätter und anderes mehr von der jeweiligen Baum- oder Strauchart. Eine besondere Geschichte ha- ben die beiden um 1480 entstande- nen Altäre. Sie stehen fast 500 Jahre lang in der Kapelle, die unterhalb der Burg liegt und nach einem etwa fünf- minütigem Spaziergang erreicht wird. Dann stehlen 1976 Diebe den Marienaltar, werden aber in Mann- heim erwischt. Aus Sicherheitsgrün- den ziehen danach beide Altäre ins Burgmuseum um. Die Kapelle ist verschlossen. Trotzdem lohnt ein Besuch, denn außerhalb des Bau- werks stehen alte Grabdenkmäler. Und hier befindet sich der Familien- friedhof der Gemmingen. Dass die Altäre überdauert ha- ben, zeigt auch: Die Burgherren sind zwar überzeugte Protestanten, aber keine Eiferer. Sonst wären die Altäre zu Brennholz verarbeitet worden, ein Schicksal, das Bilderstürmer vie- len Kunstwerken bereitet haben. Ein Raum bietet Informationen über die Gerichtsbarkeit in alten Zeiten. Eine Streckbank erinnert an unsägliche Foltermethoden, Richtschwert und Henkersbeil daran, dass die Burg- herren Inhaber der Hohen Gerichts- barkeit waren, also auch Todesstra- fen verhängen durften. Weiße Frau ging um Dass zum Inventar einer alten Burg ein Geist zählt, dürfte nicht überra- schen. Es soll sich um eine weiße Frau handeln. Sie gehört nicht zu den Schreckgespenstern, sondern zu den eher freundlichen Vertretern der Gattung. Fleißigen Mägden, so erzählt die Sage, soll sie bei der Ar- beit geholfen haben. Mit der Zeit fällt auf, dass die weiße Frau immer in ei- ner Ecke des Waschraums ver- schwindet. Der Schlossherr befiehlt, an der Stelle zu graben, wobei die Skelette einer Frau und eines Kindes gefunden werden. Nachforschun- gen ergeben, dass die Frau ihren Nachwuchs getötet hatte und beide an dieser Stelle verscharrt worden waren. Nach dem Begräbnis auf dem Friedhof hat niemand mehr den Geist gesehen. Trotz aller Mühen sollte der Auf- stieg auf den 40 Meter hohen Berg- fried nicht gescheut werden. Denn von hier bietet sich ein grandioser Blick über das Neckartal und auf die Hänge des Odenwalds. Zu den At- traktionen zählt auch die berühmte Greifvogelschau. Adler und Geier zeigen ihre Flugkünste. Und es ist schon ein spezielles Gefühl, wenn die respekteinflößenden Tiere im Zentimeterabstand über die Köpfe der Zuschauer gleiten. Dass es die Falkner zudem verstehen, das Ganze unterhaltsam zu gestalten und mit interessanten Informationen zu würzen, erhöht den Reiz. Seit rund 570 Jahren befindet sich Guttenberg nun im Besitz der Fami- lie. Ob es noch lange so bleibt? Silke von Gemmingen möchte keine Prognose wagen: „Wie es mit unse- ren Kindern ist, wissen wir nicht.“ INFORMATIONEN ZUR BURG GUTTENBERG IM NECKARTAL Kleingruppe: 75 Euro), Schulklas- se:vier Euro (Mindestpreis Klein- gruppe: 60 Euro), Kindergarten- Gruppe:drei Euro (Mindestpreis Kleingruppe: 60 Euro. Flugvorführungen der Greifvogel- warte: April bis Oktober 11 und 15 Uhr (bei jedem Wetter). Informationen über Eintrittspreise und Kombiti- ckets (Museum und Flugschau) unter https://museum.burg-gutten- berg.de Kontakt: Rufnummer 06266-388, [email protected]. Literatur: Christoph Frhr. v. Gemmin- gen-Guttenberg: Leben auf der Ritter- burg. Ein Burgmuseumsführer durch die Geschichte der Burg Guttenberg und ihrer Bewohner von der Ritterzeit bis in die Gegenwart, 1998. G. Ulrich Großmann, Hans-Heinrich Häffner: Burg Guttenberg am Neckar, Verlag Schnell & Steiner, 2007. kba ren persönlich durchgeführt und sind ganzjährig (auch außerhalb der Öff- nungszeiten) nach Absprache mög- lich. Gruppenpreise: (die Erlebnis- führung durch das Burgmuseum umfasst alle fünf Ausstellungsräume und dauert rund eine Stunde. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, den Bergfried erklimmen.) Erwach- sene:sechs Euro (Mindestpreis Fahrzeit: etwa 1 Stunde Öffnungszeiten und Preise: Von April bis Oktober ist das Museum täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, von November bis März nur auf Anfrage oder an besonderen Tagen, die Sie auf der Startseite aufgelistet finden. Eintrittspreise Burg (ohne Greifvo- gelschau): Die Eintrittskarte umfasst die Besichtigung des Museums und des Burgturms. Erwachsene: fünf Euro, Kinder (fünf bis 16 Jahre):vier Euro, Familien: 14 Euro (der vergüns- tigte Preis für Familien kann für maxi- malzwei Erwachsene und drei Kinder genutzt werden. Abvier Kindern gibt es dann den vergünstigten Preis für Familien, allerdings nur unter Vor- lage des Landesfamilienpasses. Gruppen (ab 15 Personen): Erwach- sene: vier Euro, Kinder (5 – 16 Jah- re):drei Euro. Führungen durch das Museum: Führungen werden von den Burgher- Anfahrt von Mannheim: Auf der A656 in Richtung Heidelberg, am Autobahnkreuz Mannheim auf die A6 in Fahrtrichtung Stuttgart. Ausfahrt Bad Rappenau nehmen und weiter in Richtung Bad Rappenau/Bad Wimp- fen/Schwaigern, Nach etwas mehr als einem Kilometer links abbiegen auf die L 1107 (Bad Rappenau/Bad Wimpfen/Bonfeld/ Siegelsbach. Geradeaus auf L 549. Rechts abbie- gen auf Babstadter Straße und nach Bad Rappenau hinein, den Kreisver- kehr passieren. Weiter auf Heinshei- mer Straße. Im Kreisverkehr zweite Ausfahrt nehmen, um auf Heinshei- mer Straße zu bleiben. Weiter auf Mayerhof, dann auf Ehrenbergstraße und dann auf K2148. Liks abbiegen. Weiter auf Ortsstraße, dann auf Burgstraße. Eingabe in Navi: Burg- straße 1, 74855 Haßmersheim. Entfernung von Mannheim: etwa 76 Kilometer Neckar Mosbach Mosbach Bad Rappenau Bad Rappenau Gundelsheim Gundelsheim 27 27 292 MM-Grafik 1 km Burg Guttenberg

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  • ZEIT-REISE 13SAMSTAG19. AUGUST 2017

    Landmarke und Blickfang: Die Burg Guttenberg liegt hoch über den Neckartal. Im 13. Jahrhundert errichtet, wurde sie nie zerstört. Seit 1449 ist sie im Besitz der Familie von Gemmingen. BILD: BACKES

    Richtschwert, Henkersaxt und Fesseln inder „Folterkammer“. BILD: BACKES

    Den Marienaltar stahlen Diebe 1976 ausder Burgkapelle. BILD: BACKES

    Keine Angst vor Raubvögeln: Silke von Gemmingen mit einem Tier, das in derGreifvogelwarte auf der Burg seine Heimat hat. BILD: PRIVAT

    Der Privatfriedhof der Familie liegt unterhalb der Burg unweit der Kapelle, die gegenEnde des 15. Jahrhunderts errichtet wurde. BILD: BACKES

    Ein Hort der ReformationDie hoch über dem Neckar gelegene Burg Guttenberg blieb von Zerstörungen verschont. Die Freiherren von Gemmingen investieren viel

    Zeit und Geld, um die spektakuläre Anlage zu erhalten.

    VON KLAUS BACKES

    Silke Freifrau von Gemmingen lebtmit ihrer Familie auf Guttenberg, ei-ner nie zerstörten Burg hoch überdem Neckar. Viele dürften sie darumbeneiden. Doch so einfach ist esnicht. Einerseits: „Es ist eine schöne,sinnvolle und abwechslungsreicheAufgabe, die Burg zu erhalten, alsoein Privileg“, erzählt die Freifrau. An-dererseits: „Es ist eine Riesenaufga-be, und man lebt auf einer Dauer-baustelle. Dass in diesem Jahr malkein Gerüst steht, ist eine Ausnah-me.“

    Eine teure Dauerbaustelle, in diesämtliche Einnahmen aus dem Tou-rismus fließen. Die Erhaltung desStammsitzes – das war auch derGrund, weshalb die Adelsfamilie be-reits in den 1950er Jahren ihre Burgfür Besucher geöffnet hat. Der Le-bensunterhalt kommt dagegen ausden Erlösen des familieneigenenHolzfachhandels, in dem auch Holzaus dem rund 400 Hektar großenWaldbesitz vermarktet wird.

    Familie führt BesucherDie Privaträume der Familie bleibenBesuchern verschlossen. Doch dieGemmingen schotten sich nicht ab –im Gegenteil. „Mein Mann, andereFamilienmitglieder und ich machendie Führungen. Es ist einfach au-thentischer“, erläutert die Freifrau,die bei unserem Besuch gerade einer7. Klasse die Folterkammer erklärt.Ein Mädchen deutet auf die Abbil-dung, die einen Mann auf der Streck-bank und seine Peiniger zeigt: „Waskriegt der in den Mund?“ Silke vonGemmingen: „Im besten Fall Was-ser, im schlimmsten Fall den‘Schwedentrunk“, also Gülle.“ Diegute alte Zeit.

    Seit 1449 sitzt die Familie vonGemmingen auf Guttenberg. Dochdie Anlage ist älter, wie der Burgen-freund leicht erkennt: Im 2. Vierteldes 13. Jahrhunderts dürften Berg-fried und Schildmauer entstandensein. Aus dem Spätmittelalter stam-men Ringmauern und ein Wohnbau,

    weitere Gebäude aus dem Barock.Bauherren sind wohl die Herren vonWeinsberg, ihre Auftraggeber die Bi-schöfe von Worms, denen Grundund Boden gehört.

    1449 stecken die Weinsberger infinanziellen Problemen und verkau-fen die Burg an Hans von Gemmin-gen. Der hat Katharina Landschadvon Steinach geheiratet, die viel Geldmit in die Ehe bringt, das nicht nurfür den Erwerb, sondern auch für ei-nen Ausbau der Anlage reicht.

    Der Kaiser greift einBereits 1521 zählen die Gemmingenzu den Anhängern der Reformation,was den Lehnsherren, den Bischö-fen von Worms, natürlich überhauptnicht gefällt. Die Burg entwickeltsich zu einem Zentrum der Lehre Lu-thers am Neckar. Viele verfolgtePfarrer finden hier Zuflucht. Johan-nes Brenz, der Reformator Württem-bergs, ist ein Freund der Familie.Kaiser Karl V. nimmt an all dem An-stoß. Bei einem Gespräch in Heil-bronn versucht er, die Gemmingenfür den Katholizismus zurückzuge-winnen. Vergebens. Die Brüder Die-trich, Wolf und Philipp sollen geant-wortet haben: „Es täte ihnen herzlichleid, seine Kaiserliche Majestät alsihr nächst Gott oberstes Haupt zubetrüben oder etwas zuwider han-deln, so wollen sie doch solches ehertun, als Gott zu erzürnen und seinereine Lehre abschaffen.“

    Das 16. und vor allem das 17. Jahr-hundert gilt als Epoche der Kriege.Die Gemmingen müssen einen äu-ßert regen Schutzengel gehabt ha-ben. Zahllose Heere ziehen vorbei,aber die Burg wird nie zerstört. Gele-genheiten hätte es genug gegeben:Bauernkrieg (1524/25), der Dreißig-

    jährige Krieg (1618 bis 1648), derPfälzische Erbfolgekrieg (1688 bis1697), dem unter anderem Heidel-berg und Speyer zum Opfer fallen,und etliche andere mehr.

    Einmal aber dürfte es ganz knappgewesen sein: 1622 tobt wenige Kilo-meter von Guttenberg entfernt dieSchlacht bei Wimpfen. Die Truppen

    des kaiserlichen Feldherrn Tilly tre-ten gegen die des Markgrafen vonBaden an. Insgesamt nehmen etwa36000 Mann an dem Gemetzel teil,von denen rund 5000 fallen. Dass diekatholischen Sieger die protestanti-sche Burg verschonen, grenzt an einWunder. Oder sollten da Geldzah-lungen im Spiel gewesen sein?

    Es kommen friedlichere Zeiten.Guttenberg wird umgebaut, wohnli-cher gemacht. Aber ihren Wehrcha-rakter bewahrt die Burg. Kurzzeitigarbeitet der jung verstorbene Dich-ter Wilhelm Hauff (1802 bis 1827) alsHauslehrer auf Guttenberg, wasSpuren in seinen Werken hinterlässt.

    Ein Besuch der Burg ist ein Spa-ziergang durch die Jahrhunderte.Denn alle Generationen ihrer Besit-zer haben bauliche Spuren hinter-lassen. In den für Besucher zugäng-lichen Räumen ist ein Museum zumThema „Leben auf der Ritterburg“eingerichtet. Auch viele Gegenstän-de aus Familienbesitz zählen zu denExponaten. Besonders interessant:die seltene Holzbibliothek, die einAlter von rund 230 Jahren aufweist.In den 93 hölzernen Kästchen liegenZweige, Blätter und anderes mehrvon der jeweiligen Baum- oderStrauchart.

    Eine besondere Geschichte ha-ben die beiden um 1480 entstande-nen Altäre. Sie stehen fast 500 Jahrelang in der Kapelle, die unterhalb derBurg liegt und nach einem etwa fünf-minütigem Spaziergang erreichtwird. Dann stehlen 1976 Diebe denMarienaltar, werden aber in Mann-heim erwischt. Aus Sicherheitsgrün-den ziehen danach beide Altäre insBurgmuseum um. Die Kapelle istverschlossen. Trotzdem lohnt einBesuch, denn außerhalb des Bau-werks stehen alte Grabdenkmäler.Und hier befindet sich der Familien-friedhof der Gemmingen.

    Dass die Altäre überdauert ha-ben, zeigt auch: Die Burgherren sindzwar überzeugte Protestanten, aberkeine Eiferer. Sonst wären die Altärezu Brennholz verarbeitet worden,ein Schicksal, das Bilderstürmer vie-

    len Kunstwerken bereitet haben. EinRaum bietet Informationen über dieGerichtsbarkeit in alten Zeiten. EineStreckbank erinnert an unsäglicheFoltermethoden, Richtschwert undHenkersbeil daran, dass die Burg-herren Inhaber der Hohen Gerichts-barkeit waren, also auch Todesstra-fen verhängen durften.

    Weiße Frau ging umDass zum Inventar einer alten Burgein Geist zählt, dürfte nicht überra-schen. Es soll sich um eine weißeFrau handeln. Sie gehört nicht zuden Schreckgespenstern, sondernzu den eher freundlichen Vertreternder Gattung. Fleißigen Mägden, soerzählt die Sage, soll sie bei der Ar-beit geholfen haben. Mit der Zeit fälltauf, dass die weiße Frau immer in ei-ner Ecke des Waschraums ver-schwindet. Der Schlossherr befiehlt,an der Stelle zu graben, wobei dieSkelette einer Frau und eines Kindesgefunden werden. Nachforschun-gen ergeben, dass die Frau ihrenNachwuchs getötet hatte und beidean dieser Stelle verscharrt wordenwaren. Nach dem Begräbnis auf demFriedhof hat niemand mehr denGeist gesehen.

    Trotz aller Mühen sollte der Auf-stieg auf den 40 Meter hohen Berg-fried nicht gescheut werden. Dennvon hier bietet sich ein grandioserBlick über das Neckartal und auf dieHänge des Odenwalds. Zu den At-traktionen zählt auch die berühmteGreifvogelschau. Adler und Geierzeigen ihre Flugkünste. Und es istschon ein spezielles Gefühl, wenndie respekteinflößenden Tiere imZentimeterabstand über die Köpfeder Zuschauer gleiten. Dass es dieFalkner zudem verstehen, das Ganzeunterhaltsam zu gestalten und mitinteressanten Informationen zuwürzen, erhöht den Reiz.

    Seit rund 570 Jahren befindet sichGuttenberg nun im Besitz der Fami-lie. Ob es noch lange so bleibt? Silkevon Gemmingen möchte keinePrognose wagen: „Wie es mit unse-ren Kindern ist, wissen wir nicht.“

    INFORMATIONEN ZUR BURG GUTTENBERG IM NECKARTAL

    Kleingruppe: 75 Euro), Schulklas-se:vier Euro (Mindestpreis Klein-gruppe: 60 Euro), Kindergarten-Gruppe:drei Euro (MindestpreisKleingruppe: 60 Euro.

    Flugvorführungen der Greifvogel-warte: April bis Oktober 11 und 15 Uhr(bei jedem Wetter). Informationenüber Eintrittspreise und Kombiti-ckets (Museum und Flugschau)unter https://museum.burg-gutten-berg.de

    Kontakt: Rufnummer 06266-388,[email protected].

    Literatur: Christoph Frhr. v. Gemmin-gen-Guttenberg: Leben auf der Ritter-burg. Ein Burgmuseumsführer durchdie Geschichte der Burg Guttenbergund ihrer Bewohner von der Ritterzeitbis in die Gegenwart, 1998. G. UlrichGroßmann, Hans-Heinrich Häffner:Burg Guttenberg am Neckar, VerlagSchnell & Steiner, 2007. kba

    renpersönlichdurchgeführtund sindganzjährig (auch außerhalb der Öff-nungszeiten) nach Absprache mög-lich. Gruppenpreise: (die Erlebnis-führung durch das Burgmuseumumfasst alle fünf Ausstellungsräumeund dauert rund eine Stunde. ImAnschluss besteht die Möglichkeit,den Bergfried erklimmen.) Erwach-sene:sechs Euro (Mindestpreis

    Fahrzeit: etwa 1 Stunde

    Öffnungszeiten und Preise: VonApril bis Oktober ist das Museumtäglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, vonNovember bis März nur auf Anfrageoder an besonderen Tagen, die Sieauf der Startseite aufgelistet finden.Eintrittspreise Burg (ohne Greifvo-gelschau): Die Eintrittskarte umfasstdie Besichtigung des Museums unddes Burgturms. Erwachsene: fünfEuro, Kinder (fünf bis 16 Jahre):vierEuro, Familien: 14 Euro (der vergüns-tigte Preis für Familien kann für maxi-malzwei Erwachsene und drei Kindergenutzt werden. Abvier Kindern gibtes dann den vergünstigten Preis fürFamilien, allerdings nur unter Vor-lage des Landesfamilienpasses.Gruppen (ab 15 Personen): Erwach-sene: vier Euro, Kinder (5 – 16 Jah-re):drei Euro.

    Führungen durch das Museum:Führungen werden von den Burgher-

    Anfahrt von Mannheim: Auf derA656 in Richtung Heidelberg, amAutobahnkreuzMannheimaufdieA6in Fahrtrichtung Stuttgart. AusfahrtBad Rappenau nehmen und weiter inRichtung Bad Rappenau/Bad Wimp-fen/Schwaigern, Nach etwas mehrals einem Kilometer links abbiegenauf die L 1107 (Bad Rappenau/BadWimpfen/Bonfeld/ Siegelsbach.Geradeaus auf L 549. Rechts abbie-gen auf Babstadter Straße und nachBad Rappenau hinein, den Kreisver-kehr passieren. Weiter auf Heinshei-mer Straße. Im Kreisverkehr zweiteAusfahrt nehmen, um auf Heinshei-mer Straße zu bleiben. Weiter aufMayerhof, dann auf Ehrenbergstraßeund dann auf K2148. Liks abbiegen.Weiter auf Ortsstraße, dann aufBurgstraße. Eingabe in Navi: Burg-straße 1, 74855 Haßmersheim.

    Entfernung von Mannheim:etwa 76Kilometer

    Neckar

    MosbachMosbach

    Bad RappenauBad Rappenau

    GundelsheimGundelsheim

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    27292

    MM-Grafik

    1 km

    Burg Guttenberg