2020 so leben wir in der Zukunft

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Trendforschung „Deutschlands innovativster Trendforscher“ skizziert, wie die Zukunft der Energie auch unsere Wohnungen des Jahres 2020 prägen wird. 38 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature 24 25 23 26 15 16 172 3 21129 10 11 18 19 204 5 6 7 81 13 14 22 27 28 3029 Von Sven Gábor Jánszky

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24 2523 2615 16 172 3 21129 10 11 18 19 204 5 6 7 81 13 14 22 27 28 3029

„Deutschlands innovativster Trendforscher“ skizziert, wie die Zukunft der Energie auch unsere Wohnungen des Jahres 2020 prägen wird.

Von Sven Gábor Jánszky

Der Morgen des 1. September 2020 wird kein besonderer sein. Von der Sonne ist noch nichts zu sehen, als Peter Seedorf ins Bad schlurft. Ein kurzer Blick in den Spiegel sagt ihm, dass es kurz nach 6 Uhr ist. Während Peter den Rasierer ansetzt, schaltet er den Badspiegel an. Sofort erscheinen die üblichen Programme: Die wichtigen Börsenkurse, das Wetter in Leipzig. Auch sein Energieassistent meldet sich mit einem gelben, blinkenden Punkt im Spiegel. Bei seinem Umzug vor ein paar Wochen hat Peter festgestellt, dass Wohnungen in seiner Preisklasse nur noch mit diesen „Smart Mirrors“ angeboten werden. Wie in Schrankwänden, Betten und Kühl-schränken sind auch in Badspiegeln verschiedene Monitore integriert, die über WLAN vom Zentral-

computer der Wohnung versorgt werden. Auch die alten, weißen Rauhfasertapeten gibt es nicht mehr in den neuen Wohnungen. Stattdessen hängt hier jetzt eine neuartige Lichttapete, die aus Textilfasern besteht. Diese Textilien kann man zum Leuchten bringen, wenn man sie elektronisch ansteuert. Damit werden nicht nur Helligkeit und Raumatmosphäre gesteuert, sondern auch der TV-Screen ist in der Tapete integriert. Noch bevor Peter mit dem Rasieren fertig ist, fes-selt ihn die Übertragung des Tokio-Marathons, die ihm jemand, anstelle des normalen Nachrichten-zusammenschnitts, in den Hauptmonitor seines Spiegels gebracht hat. Präsentiert von GilletteTV! Woher weiß sein Spiegel, dass er Marathon mag? „Manchmal übertrifft Rob sich selbst“, denkt Peter dankbar über die Aufmunterung.

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Rob ist nichts weiter als eine Software. Vor ein paar Jahren haben sich die Fernsehsender und die Betreiber der Electronic Program Guides (EPG) mit den Internet-Technologen der Behavioral-Targeting-Anbieter zusammengesetzt und Rob entwickelt. Rob beobachtet und analysiert über Wochen und Monate hinweg die Gewohnheiten seines Besitzers. Nach einer kurzen Zeit kennt er dessen Bedürfnisse und stellt ihm aus den Millio-nen Text-, Audio- und Video-Angeboten im Internet sein persönliches Fernsehprogramm zusammen, sowohl zuhause in Wohnzimmer, Bad und Küche, unterwegs in Auto und Sonnenbrille oder im Büro und Konferenzraum.

lebenswelten 2020: Virtuelle WeltenWeiterhin bestimmt die Technologie das Schrittmaß der Entwicklungen. Wenn Chiphersteller heute davon sprechen, jeden Chip mit einer Antenne auszustatten, wenn eine flächendeckende Breit-bandverbreitung realisiert wird, wenn Computer kleiner und in Alltagsgegenstände eingebaut werden, dann bekommt jeder Gegenstand eine IP-Adresse und ist individuell ansteuerbar. Schritt für Schritt wird in den kommenden Jahren die heute bereits bestehende Internetlogik auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens überge-stülpt. Das ganze Leben in Form von iPhone-Apps und doch ist das iPhone nur ein Zwischenschritt. Bildanalyse, Bilderkennung und beobachtende Interfaces sorgen dafür, dass Alltagsgegenstän-de das Verhalten ihrer Benutzer beobachten, die

Realwelt-Daten mit virtuellen Daten kombinieren und bedürfnisgerechte Angebote in den Alltag der Nutzer einspielen. Wir werden 2020 nicht nur die physischen Gegenstände als Teil unserer Wohnung empfinden, sondern ebenso alle virtuellen Infor-mationen und Bilder, die über die verschiedensten Geräte in unser Heim eingespielt werden. Grenzen zwischen Realität und Virtualität verschwinden.

Die Devaluation des ExpertentumsFür die Lebenswelten der Menschen steigt damit die Komplexität ins Unbeherrschbare. Wir werden von Informationsfluten umgeben sein, die kein Mensch verwalten kann und will. Wesentliche Ge-schäftsmodelle der Zukunft werden Aggregatoren und intelligente Filter sein, die die Überfülle der Informationen nach individuellen Vorlieben und situativen Bedürfnissen vorfiltern. Augmented Reality Applikationen werden zum Filtern und zum Ein- und Ausschalten von Informationen genutzt. Dies ist nichts Ungewöhnliches, denn Filtersysteme kennen wir in unserem Leben bereits. Auch heute verlassen wir uns schon auf Informationsfilter, unsere so genannten Experten: Lehrer, Redak-tionen, Makler, Trainer, Einkäufer, Reiseführer, Marken und Berater. Deren Geschäfte basieren auf der asymmetrischen Verteilung von Informationen. Das heißt: Sie haben exklusivere Informationen als ihre Kunden oder sie haben die Informationen eher als ihre Kunden – also einen Informations-vorsprung. Doch mit diesem Expertentum könnte es 2020 vorbei sein.

Zukunft

elektronischer Energieassistenten

Facebooks, Twitters & Co

individueller Energietarif

smart metering

symmetrische InformationsverteilungAggregatoren

Informationsfluten

Realwelt

iPhone-Apps

Internetlogik

Electronic Program Guides

SoftwareLichttapete

Zentralcomputer

WLANSmart Mirrors

Zukunft

Zukunft

2020

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2020: So leben wir in der Zukunft!

Sven Gábor Jánszky (37) ist Trendforscher und Leiter

des 2b AHEAD ThinkTanks. Auf seine Einladung treffen

sich bereits seit neun Jahren jährlich 250 CEOs und

Innovations-Chefs der deutschen Wirtschaft zum

innovativsten Business-ThinkTank Deutschlands.

Unter Jánszkys Leitung entwerfen sie ein Szenario

für das Leben in 10 Jahren und entwickeln Ideen für

die Geschäftsmodelle der Zukunft. Als Berater und

Trainer coacht Jánszky Manager und Unternehmen in

Prozessen des Trend- und Innovationsmanagements,

führt und moderiert Kreativprozesse zu Produktent-

wicklung und Geschäftsmodellen der Zukunft.

unser Autor

Auf dem Weg zur ‚profigesellschaft‘Die symmetrische Informationsverteilung in den Lebenswelten des Jahres 2020 versetzt jedermann in die Lage, zu jeder Zeit auf alle Informationen zugreifen zu können. Denn diese werden durch intelligente Assistenten situationsgerecht in den Alltag eingespielt: Jeder Amateursportler trainiert mit Profimethoden, jeder Kunde hat das Wissen des Fachberaters und jeder Fernsehzuschauer bekommt sein individuelles Programm. Menschen und Kunden werden sich Schritt für Schritt daran gewöhnen, dass sie ihre Alltagsdinge künftig mit einer Professionalität tun, die bislang nur Profis nutzen konnten. Ob das der Hobbysportler ist, der per Herzfrequenz, aerober Zone und intelligentem Assistenten in jeder Sekunde seines Joggings gecoacht wird oder der Hausbesitzer, der mittels Smart Metering und intelligentem Assistenten seinen Stromverbrauch nicht nur steuern kann, sondern sekundengenau kaufen und verkaufen, wie früher nur die Trader an der Strombörse. Doch wie verhalten sich Energieversorger, wenn ihre Kunden zu Energieprofis geworden sind?

Aus Flexibilität wird AdaptivitätDer Energie-Profi-Kunde der Zukunft wird daran gewöhnt sein, dass er in allen Bereichen seines Lebens seine Produkte selbst gestalten kann. Es wird selbstverständlich für viele von uns sein, dass unser individueller Energietarif nach der persönlichen Nutzung gestaltet ist und durch

den elektronischen Energieassistenten täglich unseren Nutzungsänderungen angepasst wird. Die Herausforderung für Produkte der Zukunft heißt also nicht mehr Flexibilität, sondern Adap-tivität! Der Unterschied ist einfach: Flexibel sind Produkte, die innerhalb eines bei der Produktion vorgedachten Rahmens veränderbar sind. Adap-tiv dagegen sind Produkte, die neue Nutzungs-szenarien adaptieren können, auch wenn diese nicht vorhergesehen und vorhergeplant wurden. Energieversorger werden überlegen müssen, wie sie ihre Produkte adaptiv machen.

Ihre Aufgabe: Schneller als Echtzeit!Strategisch bringt diese Entwicklung für Ener-gieunternehmen einen neuerlichen Paradigmen-wechsel mit sich: Kaum haben wir uns an den Gedanken gewöhnt, dass mit dem Web2.0 und seinen Facebooks, Twitters & Co. die Echtzeitkom-munikation mit dem Kunden zum Standard wird, steht nun ein neuerliches Umdenken bevor. Denn Echtzeit ist nicht mehr schnell genug! Wir werden erleben, dass die Energieversorger der Zukunft als neues Paradigma ausrufen, schneller zu sein als Echtzeit. Dies bedeutet: Wenn der Kunde per elektronischem Energieassistenten Kontakt auf-nimmt, dann werden die Energieversorger künftig bereits wissen, was der Kunde von ihnen will. Wenn Peter am Morgen des 1. September 2020 auf den kleinen gelben Punkt des Energieassistenten im Badezimmerspiegel tippt, wird er sich sicher sein, dass dieser Assistent seine persönliche Energie-situation analysiert hat und ihm empfiehlt, was er tun soll: Etwas Energie aus dem Wohnungsspei-cher verkaufen, weil der Verkaufspreis günstig ist! Etwas zukaufen, weil der Marktpreis gering ist! Den Stromtarif für die nächsten 6 Stunden wechseln, weil ein neues Sonderangebot eines Versorgers vorliegt! Wenn Peter mit dem Rasieren fertig ist, wird er den Energieassistenten auf ‚Automatik‘ stellen. Er hat heute keine Lust, sich mit Strompreisen zu beschäftigen. Er vertraut seinem Energie-assistenten. Doch die entscheidende Frage ist: Wessen Energieassistent wird Peter nutzen? Wem wird er vertrauen? Dem von Google, SAP, den Stadtwerken, oder, oder, oder? Die Frage über die Energie in der Wohnung der Zukunft ist eine Vertrauensfrage!