25.September2013...

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15. Beilage ANZEIGER FÜR HARLINGERLAND 25. September 2013 September warm und klar, verheißt ein gutes nächstes Jahr. ALTE BAUERNREGEL Sahen Bomber auf Esens zufliegen BOMBENANGRIFF Am 27. September jährt sich Ereignis von 1943 zum 70. Mal Anna Meents ist vom Detonationsdruck vom Rad gefegt worden. 165 Menschen starben – auch im Schulkeller. VON ANNEUS BUISMAN ESENS Am 27. September jährt sich die Bombardierung auf Esens zum 70. Mal. Der Esenser Pastor i. R. Anneus Buisman hat zu diesem Anlass eine Textkollage zusammen- gestellt, wofür er in Nachmit- tagsveranstaltungen des Hei- matvereins für Stadt und Amt Esens eine Reihe von Zeitzeu- gen befragt hat. Ausführlich beschreibt auch das Buch „Als die Stadt Esens weinte“ von Hans Folkers das Geschehen. Aus ihm wurden für diesen Be- richt Informationen und er- gänzende Zeitzeugenberichte verwendet. Der 27. September 1943 war ein schöner Herbsttag. Die Sonne schien, es war mild. Die älteren Schüler hatten schulfrei. In den „Kartoffelfe- rien“ sollten sie bei der Kartof- felernte zuhause oder bei Bauern helfen. Manche aber nutzten den Tag, um einfach mal frei zu machen. Einige der jüngeren Kinder hatten da- gegen Unterricht in ihren Schulen. Der 15-jährige Theo Sjuts half an diesem Tag sei- nem Vater beim Einbringen der Vorräte für den nächsten Winter. Theo Sjuts: Dort wo ich heute wohne, war damals ein Kartoffelfeld. Wir hatten Herbstferien. Ich war mit mei- nem Vater und einem Land- jahrmädchen auf dem Acker beim Kartoffelroden. Da sahen wir einen Verband von Bom- bern aus einem Wolkenloch plötzlich auf Esens zufliegen. Wir beobachteten das gebannt. Dann fielen auch schon die Bomben. Mein Vater, als alter Weltkriegssoldat, rief „Hinle- gen“ und dann sahen wir die Fontänen der Bombenabwür- fe. Danach kreisten die Flug- zeuge um Esens herum und ka- men noch einmal zurück. Da stieg unsere Angst ungemein. Anna Gerdes, heute Meents, stand damals kurz vor ihrem 13. Geburtstag. Sie hatte in der Stadt etwas für Zuhause zu erledigen. In der Schule hatte sie gelernt, wie sie sich bei eventuellen Bombenan- griffen zu verhalten habe. Anna Meents: Wenn es Flie- geralarm gab, dann gab es erst einmal Voralarm. Wir packten unsere Bücher, zogen die Ja- cken an. Wenn der Alarm kam, hatten wir unseren genau vor- geschriebenen Weg nach Hause zu gehen. Damit –wenn etwas passierte– die Eltern Bescheid wussten. Auch schon vorher hatte es hin und wieder einmal Bom- benalarm gegeben. Theo Sjuts war dann immer auf dem schnellsten Weg nach Hause gerannt. Einmal hatte ihn da- bei der Baustoffhändler Hed- lefs gesehen und ihn und die anderen Jungs in seiner Be- gleitung aufgefordert, doch in seinen Keller zu kommen, da seien sie sicher. In Esens so dachte man, würde doch sicher nicht viel passieren. In jenem unbedeu- tenden kleinen Städtchen an der Nordseeküste, in dem es so gut wie keine militärischen Ziele gab. Und doch hatte Anna Ger- des die gesamte Kriegszeit über eine unbestimmte Angst. So jung sie war, sie spürte, dass die scheinbare Idylle des Städtchens Esens mitten in einem Weltenbrand trügerisch war. Sie war an dem schulfrei- en Tag von der Mutter losge- schickt worden, um von Schlachter Gerdes ein wenig Brühe für zuhause zu ergat- tern. Vielleicht schwammen in dem Wasser, in dem die Würs- te gekocht worden waren, an diesem Tag ein paar mehr Fettaugen als sonst. Meents: Ich holte gerade Brühe von Schlachter Gerdes, da sah ich schon die Bomber wie ein schwarzer Schatten am Himmel, so fünf oder sechs im Tiefflug. Ich bin von dem Druck vom Rad gefegt worden und in einem Graben gelandet. Die Brühe war ausgelaufen. Überall war Staub. Ich holte mein Rad aus dem Graben und fuhr schreiend nach Hause, am ganzen Körper zitternd. Günter Rose, damals neun Jahre alt, war in seinem Eltern- haus am Schützenplatz. Er hörte den Alarm, der um 10.04 Uhr ausgelöst worden war und erlebte, wie bereits elf Minu- ten später die ersten Bomben fielen. FORTSETZUNG SEITE 2 Auf dem Esenser Marktplatz gab es kurz nach dem Bombenabwurf am 27. September 1943 eine große Trauerfeier für die Hinterbliebenen der Getöteten. BILD: ARCHIV DETLEF KIESÉ

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Page 1: 25.September2013 SahenBomberaufEsenszufliegenharlinger.info/Portals/5/Friesische_Heimat/heimat_afh_25_9_13.pdf · Harms in Marx sowie die SchafböckedesHerrnCassens inEtzelundLükeninDykhau-sen.Prämienerhielten15Mark

15. Beilage ANZEIGER FÜR HARLINGERLAND 25. September 2013

September warm und klar, verheißt ein gutes nächstes Jahr. ALTE BAUERNREGEL

Sahen Bomber auf Esens zufliegenBOMBENANGRIFF Am 27. September jährt sich Ereignis von 1943 zum 70. Mal

Anna Meents ist vomDetonationsdruck vomRad gefegt worden.165 Menschen starben –auch im Schulkeller.

VON ANNEUS BUISMAN

ESENS – Am 27. Septemberjährt sich die Bombardierungauf Esens zum 70. Mal. DerEsenser Pastor i. R. AnneusBuisman hat zu diesem Anlasseine Textkollage zusammen-gestellt, wofür er in Nachmit-tagsveranstaltungen des Hei-matvereins für Stadt und AmtEsens eine Reihe von Zeitzeu-gen befragt hat. Ausführlichbeschreibt auch das Buch „Alsdie Stadt Esens weinte“ vonHans Folkers das Geschehen.Aus ihm wurden für diesen Be-richt Informationen und er-gänzende Zeitzeugenberichteverwendet.

Der 27. September 1943war ein schöner Herbsttag.Die Sonne schien, es war mild.Die älteren Schüler hattenschulfrei. In den „Kartoffelfe-rien“ sollten sie bei der Kartof-felernte zuhause oder beiBauern helfen. Manche abernutzten den Tag, um einfachmal frei zu machen. Einige derjüngeren Kinder hatten da-gegen Unterricht in ihrenSchulen. Der 15-jährige TheoSjuts half an diesem Tag sei-nem Vater beim Einbringender Vorräte für den nächstenWinter.

Theo Sjuts: Dort wo ichheute wohne, war damals einKartoffelfeld. Wir hattenHerbstferien. Ich war mit mei-nem Vater und einem Land-jahrmädchen auf dem Ackerbeim Kartoffelroden. Da sahenwir einen Verband von Bom-bern aus einem Wolkenlochplötzlich auf Esens zufliegen.Wir beobachteten das gebannt.

Dann fielen auch schon dieBomben. Mein Vater, als alterWeltkriegssoldat, rief „Hinle-gen“ und dann sahen wir dieFontänen der Bombenabwür-fe. Danach kreisten die Flug-zeuge um Esens herum und ka-men noch einmal zurück. Dastieg unsere Angst ungemein.

Anna Gerdes, heuteMeents, stand damals kurz vorihrem 13. Geburtstag. Sie hattein der Stadt etwas für Zuhausezu erledigen. In der Schulehatte sie gelernt, wie sie sichbei eventuellen Bombenan-griffen zu verhalten habe.

Anna Meents: Wenn es Flie-geralarm gab, dann gab es ersteinmal Voralarm. Wir packtenunsere Bücher, zogen die Ja-cken an. Wenn der Alarm kam,hatten wir unseren genau vor-geschriebenen Weg nach Hausezu gehen. Damit –wenn etwaspassierte– die Eltern Bescheidwussten.

Auch schon vorher hatte es

hin und wieder einmal Bom-benalarm gegeben. Theo Sjutswar dann immer auf demschnellsten Weg nach Hausegerannt. Einmal hatte ihn da-bei der Baustoffhändler Hed-lefs gesehen und ihn und dieanderen Jungs in seiner Be-gleitung aufgefordert, doch inseinen Keller zu kommen, daseien sie sicher.

In Esens so dachte man,würde doch sicher nicht vielpassieren. In jenem unbedeu-tenden kleinen Städtchen ander Nordseeküste, in dem esso gut wie keine militärischenZiele gab.

Und doch hatte Anna Ger-des die gesamte Kriegszeitüber eine unbestimmte Angst.So jung sie war, sie spürte,dass die scheinbare Idylle desStädtchens Esens mitten ineinem Weltenbrand trügerischwar. Sie war an dem schulfrei-en Tag von der Mutter losge-schickt worden, um von

Schlachter Gerdes ein wenigBrühe für zuhause zu ergat-tern. Vielleicht schwammen indem Wasser, in dem die Würs-te gekocht worden waren, andiesem Tag ein paar mehrFettaugen als sonst.

Meents: Ich holte geradeBrühe von Schlachter Gerdes,da sah ich schon die Bomberwie ein schwarzer Schatten amHimmel, so fünf oder sechs imTiefflug. Ich bin von demDruck vom Rad gefegt wordenund in einem Graben gelandet.Die Brühe war ausgelaufen.Überall war Staub. Ich holtemein Rad aus dem Graben undfuhr schreiend nach Hause, amganzen Körper zitternd.

Günter Rose, damals neunJahre alt, war in seinem Eltern-haus am Schützenplatz. Erhörte den Alarm, der um 10.04Uhr ausgelöst worden war underlebte, wie bereits elf Minu-ten später die ersten Bombenfielen. FORTSETZUNG SEITE 2

Auf dem Esenser Marktplatz gab es kurz nach dem Bombenabwurf am 27. September 1943eine große Trauerfeier für die Hinterbliebenen der Getöteten. BILD: ARCHIV DETLEF KIESÉ

Page 2: 25.September2013 SahenBomberaufEsenszufliegenharlinger.info/Portals/5/Friesische_Heimat/heimat_afh_25_9_13.pdf · Harms in Marx sowie die SchafböckedesHerrnCassens inEtzelundLükeninDykhau-sen.Prämienerhielten15Mark

FORTSETZUNG VON SEITE 1Günther Rose: Als der Alarmkam, sind wir mit den wich-tigsten Papieren unten in denFlur gegangen. Da knallte esauch schon. Die Türen flogenheraus, die Glassplitter flogenuns um die Ohren. Auf demSchützenplatz war ein gewalti-ger Bombenkrater. Wären sieauf das Gaswerk, ein paarHäuser nur von uns entfernt,gefallen, dann hätte es unsund unsere Umgebung auchgetroffen.

Was aber war in der Innen-stadt los? Theo Sjuts machtesich auf den Weg.

Theo Sjuts: Ich ging in dieStadt und sah nach und nachdas ganze Elend. Wo heute dieAOK ist, lag ein Mann ausWittmund tot am Straßen-rand, keiner kümmerte sichdarum, weil alle zum ehemali-gen Waisenhaus strömten.

Das ehemalige Waisenhauswar in jenen Jahren zumLandjahrlager geworden.Mädchen aus verschiedenenRegionen Deutschlands ka-men für ein Jahr hierher, leb-ten zusammen, arbeiteten aufumliegenden Bauernhöfenoder als Hilfe bei Familien mitvielen Kindern und sollten soauf ein Dasein als Hausfrauund Mutter vorbereitet wer-den. Als der Alarm kam, gin-gen die anwesenden Land-jahrmädchen in den Keller desGebäudes. Dazu stießen achtbis zehnjährige Schülerinnenund Schüler von zwei Volks-schulklassen mit ihrer Lehre-rin. Hier fühlten sie sich si-cher. – Zu den Kindern gehör-te auch Ewald Donker, damalsacht Jahre alt.

Ewald Donker: In demZweietagenkeller mussten wirdurch einen Vorraum hin-

durch ganz tief nach unten ineinen weiteren Kellerraum.Der war nicht allzu groß undkonnte uns alle kaum fassen.

Dann haben wir – das wa-ren einige Jungs – versucht, ausdiesem Keller wieder in denVorkeller zu gelangen. Das istuns auch geglückt. EinigeSchüler sind sogar ganz nachdraußen und haben dadurchüberlebt.

Durch zwei Volltreffer stürz-te das Gebäude ein und wirwurden verschüttet. Man fandmich mit den anderen Jungensin einem Schuttberg. Ich hatteeine Hand gehoben, ein Fingerragte aus dem Schutt heraus,unter dem wir sieben Jungenlagen. Das sah einer der Helfer,er schlug Alarm und wir wur-den befreit. Von denen, die sichim tiefen Keller aufgehaltenhatten, ist niemand lebend he-rausgekommen.

Neben 22 Landjahrmäd-chen starben 64 Schulkinderund ihre Lehrerin Nanny Saat-hoff. Nicht weit davon wohnteFamilie Andreesen. Auch ihreTochter war in der Schule, liefaber lieber zu ihren Angehöri-gen nach Hause und kam sodavon. Ihre Schwester, AlmutAndreesen, heute Gier, die da-mals acht Jahre alt war, erin-nert sich.

Almuth Gier: MeineSchwester kam beim Alarm so-fort aus der Schule nach Hauseund setzte sich zwischen einigeder russischen Zwangsarbeiter,die in der alten Turnhalle unsgegenüber untergebracht wa-ren und denen es verboten war,sich wie wir im Kirchenkellerzu schützen. Auch unser Opasaß da, weil er nicht in denKeller gehen wollte. So hatmeine Mutter sie nach demAngriff, bei dem ja unsere Um-gebung zerstört wurde, vorge-funden.

Um das Haus Andreesenherum, hatte es zahlreicheHäuser getroffen. Im „siche-ren“ Keller des Hauses Hedlefsstarben 17 Menschen. Als derals Soldat eingezogene Textil-kaufmann Hermann HeiseFronturlaub bekam, fand erseine Frau Frieda und seineKinder Heinz, Georg und Hel-ma nicht mehr vor.

Auch das Nachbarhaus, dasSchuhgeschäft Oelrichs wargetroffen worden. HinrichOelrichs, damals 14 Jahre alt,hatte den schulfreien Tag zumAusschlafen genutzt.

Hinrich Oelrichs: Als dieSirenen heulten und Flieger-alarm gegeben worden war,bin ich mit meinem BruderHero, seinem Freund BernhardBehrends und meiner Mutterin den Hofraum zwischenunserem Haus und dem Nach-barhaus. Als wir in RichtungSüden sahen, tauchten plötz-

lich unter großem Motorenge-räusch 35 amerikanischeBomber am Himmel auf.

Die Bomber gehörten zum8. US-Bomber Command.Auftrag an diesem Tag, dem27. September 1943: Bomben-abwürfe auf Emden, Aurich –und Esens.

Hinrich Oelrichs: Wirrannten ins Haus zurück undkamen bis zur Küche, bezie-hungsweise ich bis zum Laden,als die Bomben fielen. EineBombe war auf der Hauptstra-ße, eine am Ende unseres Hofesund die dritte direkt vier Metervon uns entfernt in das Nach-barhaus Heise eingeschlagen.Alle vier waren wir von Mauer-steinen, Balken und so weiterverschüttet worden. Über mirlagen etwa 1,50 Meter Schuttund Geröll, damit vermischtauch mehrere Schuhkartons.Bald kam auch schon meinVater und rief nach uns. Zu-sammen mit drei Soldaten be-mühte er sich, uns aus unsererNotlage zu befreien. Ich wurdeals letzter gefunden. Als meinGesicht vom Schutt befreit warund ich wieder sehen und hö-ren konnte, erfuhr ich, dassmein Bruder Hero tot war. Ihmwar die Lunge durch den Luft-druck geplatzt. Meine Mutterund Bernhard Behrends hattenstarke Verletzungen erlitten.Ich selber hatte „nur“ leichteVerletzungen abbekommen.

In dem Bericht der EsenserStadtverwaltung lesen sich dieEreignisse so: Abgeworfenwurden auf Esens 225 mittlereund schwere Sprengbomben.Die meisten Bomben fielen indas Stadtinnere und richtetenan Häusern, Straßen, Gas-,Wasser-, Licht- und Fern-sprechleitungen großen Scha-den an. Gefallen sind 165 Per-sonen. 23 Männer, 34 Frauen,23 Landjahrmädchen, anSchulkindern 29 Knaben, 47Mädel; an noch nicht schul-pflichtigen Kindern: drei Kna-ben, sechs Mädel. Verwundetwurden 62 Personen, vermisstwerden zwei.

Die Toten (außer denen imLandjahrlager) wurden gefun-den: elf auf öffentlichen Stra-ßen, 17 im Keller Hedlefs,neun im Zollamt, sieben inder Molkerei, sechs im Split-tergraben, fünf im Geschäfts-haus Heise, vier in der Volks-bank und 19 in Privathäusern.Sachschäden: total zerstört 66Häuser, schwer beschädigt100 Häuser, mittelschwer bisleicht beschädigt 167 Häuser.490 Personen wurden obdach-los (seinerzeit mehr als 15 Pro-zent der Bevölkerung. Im Ver-hältnis zur Bevölkerung warEsens ebenso stark zerstörtwie Hamburg, Köln, Frankfurtoder Dresden).

FORTSETZUNG SEITE 3

In der südlichen Steinstraße wurden mehrere Wohn- und Ge-schäftshäuser zerstört. In der Bildmitte die frühere Ge-schäftsstelle der Oldenburgischen Landesbank.

Auf einem westlich gelegenen Areal auf dem Friedhof am Jü-chertor wurden die getöteten Esenser Schulkinder in einemGemeinschaftsgrab beigesetzt. BILDER: ARCHIV DETLEF KIESÉ

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FORTSETZUNG VON SEITE 2Der Bericht des Bomberkom-mandos an seine Einsatzstellelautete: „Bombing results atEsens are believed to havebeen good, but due to thecloud over no damage assess-ment photographs are availa-ble.“ (Übersetzung: Bombar-dierungsergebnis wahrschein-lich gut...auch wenn wir wegender Wolken keine Fotos derZerstörungen machen konn-ten).

Am Donnerstag, dem 30.September gab es auf demEsenser Marktplatz eine großeTrauerfeier. Auf dem Markt wa-ren 154 Särge, bedeckt mit Ha-kenkreuzfahnen, aufgereiht.Drumherum standen Forma-tionen von Soldaten, Hitlerjun-gen, BDM-Mädchen, Feuer-wehr und vor allem viele Trau-ernde aus der Bevölkerung.

Kurt Rose: Bei der Trauerfei-er muss ich dabei gewesen sein,denn das Bild der Särge ist im-mer noch in meinem Gedächt-nis. Auch die höheren Nazirän-ge erinnere ich noch.

Und auch Theo Sjuts siehtden Tag noch vor sich:

Theo Sjuts: Bei der Trauer-feier auf dem Markt sprach derGauleiter für den Gau Weser-

Ems. Als Hitlerjungen warenwir geschlossen angetreten undbegleiteten die Särge zumFriedhof.

In gewohnter Kriegsrhetorikrief Gauleiter Wegner in seinerAnsprache: „Jeder nimmt vondieser Trauerfeier die festeÜberzeugung mit, dass wir al-

lesamt nur gemeinsam zum si-cheren Siege schreiten können,wenn wir trotz aller Not undtrotz allen Schmerzes unsereHaltung bewahren. Wir wollennicht nachlassen und mit allerKraft dafür sorgen, dass unsereSoldaten siegreich heimkehrenkönnen, selbst wenn von der

Heimat noch große Opfer ge-fordert werden.“

Auf dem Friedhof war eingroßes Massengrab ausgeho-ben worden. In ihm lagen dieSärge der meisten Bombenop-fer. Superintendent Schome-rus wollte sich mit tröstendenWorten an die Trauerndenwenden, wurde aber zunächstvom Ortsgruppenleiter Stef-fens beiseitegeschoben undangeschnauzt: „Das ist jetztunsere Sache“. Die Deutungs-hoheit über das Geschehenwollte sich die Partei nichtnehmen lassen.

Als Sonderzuteilung für dieEsenser Bevölkerung gab esTee, Branntwein und Süßwa-ren. Wie es den Esensern tiefdrinnen ging, das durfte nichtausgesprochen werden.

Es folgten weitere Bombar-dierungen. Am 5. Oktober 1944wurden zwei Frauen getötet,sechs Häuser total zerstört. Am27. April 1945 wurden im Nord-teil der Stadt zwei Frauen getö-tet. Am 4. Mai 1945 fiel die letz-te Sprengbombe und zerstörtedas Haus des Rentners Tam-men in der Bahnhofstraße: Eswerden drei Frauen getötet. –Am 5. Mai 1945 ist für Esensder zweite Weltkrieg zu Ende.

Bomben zerstörten auch Häuser in der Jücherstraße, EckeButterstraße/Schmiedestraße. rechts das GeschäftshausAndreesen. BILD: ARCHIV DETLEF KIESÉ

Viel Wissenswertes zum SchützenvereinNEUERSCHEINUNG Hans Dieter Onken schrieb Chronik – Verein ist 425 Jahre alt

WITTMUND/DK/CARE – „Der In-halt dieses Buches gibt allenInteressierten die Möglich-keit, Vergangenes und Tradi-tionelles zu erkunden unddie Entwicklung sowohl desSchützenvereins als auch derStadt Wittmund nachzuvoll-ziehen. Ich wünsche den Le-sern interessante und unter-haltsame Stunden...“ Dasschreibt Wittmunds Bürger-meister Rolf Claußen in sei-nem Grußwort über eineNeuerscheinung der beson-deren Art.

Hans Dieter Onken, selbstseit 60 Jahren Mitglied desSchützenvereins von 1588,hatte sechs Jahre lang recher-chiert und konnte kurz vordem Jubiläumsschützenfestin diesem Jahr eine Chroniküber den Schützenvereinvorlegen. „Für einen Fleckenwie Wittmund ist Traditionund Gemeinschaft sehr wich-tig“, sagte Heinz Feldmann,Vorstandsvorsitzender derSparkasse LeerWittmund, beider Buchvorstellung. „DieseWerte werden durch dasSchützenwesen hochgehal-ten.“ Die SparkassenstiftungHarlingerland förderte dasambitionierte Projekt. AuchWittmunds Bürgermeister

Rolf Claußen würdigte dasSchützenwesen als wichtigenBestandteil der Stadt. „DasGemeinschaftswesen derSchützen hat Symbolcharak-ter.“ Es sei eine großartigeLeistung, die vergangenen425 Jahre in eine lesenswerteForm zu bringen. Lust aufsLesen machte auch Schüt-zenvereinspräsident Dr. Ge-rold Hecht. „Sicher kann manim Buch das eine oder anderebekannte Gesicht aus ver-gangenen Tagen entdecken.Vielleicht ist man dort sogarselber als Jungschütze zu se-hen.“

2007 war Hans Dieter On-ken, der sich als„voll auf dasVereinswesen programmiert“sieht, die Idee gekommen,die Geschichte des Schützen-vereins Wittmund in einemBuch zusammenzufassenund wertete danach zahlrei-che Quellen aus – Urkunden,Fotos und Satzungen. Aufinsgesamt 158 Seiten fassteer die 425-jährige Historiedes Schützenvereins zusam-men.

Der Verfasser geht ineinem Werk auch auf die Ge-schichte des früheren Fle-ckens Wittmund und die An-fänge des Schützenwesens

ein. Schwerpunktthemensind das Reglement von 1728,die Satzung des Vereins von1883, die Kinder- und Ju-gendarbeit sowie die im Jahr1848 bei der königlichenLanddrostei beantragtenBürgerwehr. Interessant auchdie Ausführungen zum Prä-sentiergriff des WittmunderSchützencorps, über tragi-sche Unfälle beim Böller-schießen zum Ende des 19.Jahrhunderts, zum Jubilä-umsschützenfest 1888, der

Jugendkompagnie und diejunge Schützengilde.

Schlussendlich sind ineiner Übersicht alle Witt-munder Schützenkönige,Präsidenten des Schützen-vereins und Bürgermeisterder heutigen Kreisstadt auf-geführt. Eine Vielzahl vonFotos und Reproduktionenvon diversen Dokumenten,Schützenfesten, handelndenPersonen und den Schützen-vereinsfahnen zwischen 1709und 2006 rundet das Buch ab.

DAS BUCH

Der Band 425 JahreSchützenverein Wittmunde. V. hat 158 Seiten mitzahlreichen Farb- undSchwarz-Weiß-Bildern.Hergestellt wurde es beiJanssen-Druck inWittmund.

Erhältlich ist die Neu-erscheinung aus derFeder von Hans-DieterOnken in den Sparkasse-Filialen zum Preis von15 Euro.

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Verantwortlich für diese Beilage:Redakteur Detlef KieséTelefon 0 44 62 / 9 89-1 83Manuskripte senden Sie an:Redaktion Friesische Heimat,Am Markt 18,26409 Wittmundoder per E-Mail:[email protected]

hierselbst 50 Stück Zuchtbul-len und Ochsen liefern.“

Horsten, 3. September:„Schneidermeister J. Michels,der seinen Wohnsitz von Neu-stadtgödens nach hier verlegthat und die bislang von seinerMutter geführte Gastwirtschaftzu übernehmen gedenkt, läßteinen neuen Gasthof errich-ten.“

Esens, 16. September:„Herr Kanzlist Focken verkauf-te seine an der Bürgermeister-Becker-Straße belegene Besit-zung an den Lokomotiv-HeizerOmmen, Moorweg, zum An-tritt auf den 1. Mai 1914.“

Neustadtgödens, 16. Sep-tember: „In vergangenerNacht ist das Wohn- und Wirt-schaftsgebäude des Landge-bräuchers J. Oeltermann inAltgödenserhörn ein Raub derFlammen geworden. Die Mit-glieder der Feuerwehr, sowiesonstige Hilfsmannschaften,welche durch das Brandsignalund die Brandglocke gewecktworden, begaben sich schleu-nigst zur Brandstätte. (...) Oel-termann ist bei der ElberfelderFeuer-Versicherungs-Gesell-schaft versichert.“

Westerholt, 17. September:„Es wird beabsichtigt, für Wes-terholt und Umgebung einenTurnverein zu gründen undwerden Turnfreunde, die sichfür die Sache interessieren, ge-beten, sich am Sonnabend,den 20. September, abends6.30 Uhr, in der Folkers’schenGastwirtschaft zwecks Grün-dung eines solchen versam-meln zu wollen.“

Schweindorf, 19. Septem-ber: „Im hiesigen Gehölze wur-de von Herrn Gemeindevorste-her Garmers ein Dachs im Ge-wicht von ca, 40 Pfund erlegt.“

Wittmund, 23. September:„In diesem Jahre hat unser Fle-cken wieder einen nennens-werten Zuwachs an Neubau-ten zu verzeichnen. Außer dembereits in diesem Frühjahr fer-tiggestellten Neubau des Fak-tors Julius sind zurzeit noch 2Wohnhäuser im Bau begriffen.Und zwar hat Bauunterneh-mer Wagner ein herrschaftli-

ches Haus auf dem früherSchwitter’schen Kamp nebendem Bahnhofshotel errichtet,das am 1. Oktober von Kreis-schulinspektor Dr. Gindler be-zogen wird, und auch der Neu-bau für Frau Witwe Melchert,Uthörn, am Tjarks’schen Wegegeht seiner Vollendung ent-gegen. Hier am Tjarks’schenWege beginnt man jetzt auchmit dem Neubau des Land-wirts Joh. Herren, Updorf, undaußerdem beabsichtigen nochBauunternehmer Abels, Ton-warenfabrikant Janßen, Zim-mermann Mennen und Vieh-händler B. Tjarks neuzubau-en.“

Berdum, 25. September:„Als Seltenheit mag erwähntwerden, daß ein Schaf desLandwirts D. Beckmann in Ber-dumer Riege in diesem Jahrzwei mal gelammt hat. Dassel-be brachte bereits im Frühjahr2 Lämmer und hat jetzt kürz-lich wiederum 2m Lämmer ge-worfen.“

Friedeburg, 25. September:„Zur heutigen Eber-, Schaf-bock- und Ziegenbockkörunghierselbst wurden 11 Eber, 16Schafböcke und 7 Ziegenböckezugeführt. (...) In den engerenAusschuß kamen die Eber derHerren Kickler in Horsten undHarms in Marx sowie dieSchafböcke des Herrn Cassensin Etzel und Lüken in Dykhau-sen. Prämien erhielten 15 MarkKickler, 10 Mark Cassens undje ein Diplom Harms und Lü-ken.“

Utgast, 26. September:

„Daß die Viehzucht in unsererGemeinde in Blüte steht, zeugtdavon, daß Herr Landwirt Fre-rich Edzards hierselbst eineKuh für den hohen Preis von775 Mark ablieferte.“

Wittmund, 29. September:„Unser Kreishaus hat Zentral-heizung erhalten. Die Anlagelieferte die Firma Fritz Kaefele,Hannover, Vertreter IngenieurJoh. Janßen hierselbst. Diesel-be ist jetzt fertig gestellt undzur vollen Zufriedenheit aus-gefallen.“

Carolinensiel, 29. Sep-tember: „Donnerstag undFreitag fand hier der diesjähri-ge Krammarkt statt. Leider warder Besuch nur sehr gering, sodaß die anwesenden Marktbu-den und das Karussell keinegroßen Einnahmen zu ver-zeichnen hatten. In den Lokali-täten Hotel zur Traube, Hotelzum Deutschen Hause und inder Gastwirtschaft zur Erho-lung, wo abends großer Tanzstattfand, war das Publikumzahlreich vertreten.“

September 1913

Wittmund, 1. September: „Amletzten Sonnabend fand im R.Onnen’schen Gasthofe diediesjährige ordentliche Gene-ralversammlung der hiesigenMolkereigenossenschaft statt,die von den Genossen sehrstark besucht war. Der Vorsit-zende des Aufsichtsrats, Herr J.Oncken, Asel, eröffnete dieVersammlung und wies ein-gangs nochmals darauf hin,daß seit dem 3. August der bis-herige Geschäftsführer der Ge-nossenschaft und zugleichVorsitzender des Vorstandes G.Köster dies seine Ämter nie-dergelegt habe und daraufhinvom Vorstand und Aufsichtsratvorläufig eine provisorischeGeschäftsführung eingerichtetsei.“

Rispel, 2. September: „DieErben des Wilke Ricklefs in Ris-pel verkauften durch den kö-niglichen Auktionator Fr.Eggers hier ihre zu Rispel bele-gene Besitzung zur Größe von16,2057 Hektar für 41500 Markab die Landwirte GebrüderHermann und Adolf Wehmeierin Rispel.“

Dornum, 2. September:„Eine gräfliche Verwaltung ausPosen ließ sich durch denViehkommissionär M. Haase

Berichte, Anzeigenund Vermischtes ausdem Archiv des Anzeigerfür Harlingerlandausgesucht vonDetlef Kiesé