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Bindegewebsmassage Neuronale Abläufe – Befund – Praxis Herausgegeben von Roland Schiffter Elke Harms 16. Auflage physiofachbuch

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BindegewebsmassageNeuronale Abläufe – Befund – Praxis

Herausgegeben vonRoland SchiffterElke Harms

16. Auflage

Schiffter / Harm

sBindegew

ebsmassage

16. Auflage

Dieses Buch stellt Ihnen die Bindegewebsmassage (BGM) nach Elisabeth Dicke vor.

Sie verstehen die Wirkung dieser Therapie: · Segmentaler Aufbau des Körpers und reflexphysiologische Mechanismen.· Auf der Ebene der Körpersegmente sind das sensible, motorische und vege-

tative System in besonderer Weise miteinander verschaltet. Komplexe Reflex-mechanismen werden möglich und über die Bindegewebsmassage auchtherapeutisch nutzbar.

Sie lernen die Technik kennen: · manuelle Strichführungen, · Befunderhebung mit den Haut-, Bindegewebs- und Muskelzonen, · Grundaufbau, Aufbaufolgen und die Behandlung der Extremitäten.

Sie lernen, die BGM bei unterschiedlichen Krankheitsbildern und Symptomen anzuwenden.

Zahlreiche Abbildungen und Fotos, lese- und lernfreundliche Texte führen Sie mühelos durch das Buch, das Sie zum Lernen, Nachschlagen oder Vertiefen Ihrer BGM-Kenntnisse einlädt.

www.thieme.de

ISBN 978-3-13-240301-7

physiofachbuch

9 783132 403017

Schiffter_Bindegewebsmassage_16A_3132403017.indd 1 19.05.16 15:29

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Physiofachbuch

Bindegewebsmassage

Neuronale Ablaufe – Befund – Praxis

Herausgegeben vonRoland SchiffterElke Harms

16 . Auflage

142 Abbildungen

Georg Thieme VerlagStuttgart · New York

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Bibliographische InformationDer Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikationenin der Deutschen Nationalbibliographie; detailliertebibliographische Daten sind im Internet uberhttp://dnb.ddb.de abrufbar

1. Auflage 19532. Auflage 1954

9. Auflage 1976

3. Auflage 195610. Auflage 1977

4. Auflage 195811. Auflage 1982

5. Auflage 196212. Auflage 1996

6. Auflage 196913. Auflage 2001

7. Auflage 197214. Auflage 2005

F 1953, 2016 Georg Thieme Verlag KGRudigerstraße 14D-70469 StuttgartUnsere Homepage: http://www.thieme.de

Printed in Germany

Umschlaggestaltung: Thieme VerlagsgruppeGrafiken: Gusta, Piotr u. Malgorzata,Champigny sur Marne, FrankreichUmschlagfotos: AutorenSatz: Mitterweger & Partner, PlankstadtDruck: FIRMENGRUPPE APPL, aprinta druck, Wemding

ISBN 978-3-13-240301-7 1 2 3 4 5 6

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medi-zin standigen Entwicklungen unterworfen. Forschungund klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse,insbesondere was Behandlung und medikamentose The-rapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierungoder eine Applikation erwahnt wird, darf der Leserzwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber undVerlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass dieseAngabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Wer-kes entspricht.Fur Angaben uber Dosierungsanweisungen und Applika-tionsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewahr uber-nommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durchsorgfaltige Prufung der Beipackzettel der verwendetenPraparate und gegebenenfalls nach Konsultation einesSpezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfeh-lung fur Dosierungen oder die Beachtung von Kontrain-dikationen gegenuber der Angabe in diesem Buch ab-weicht. Eine solche Prufung ist besonders wichtig beiselten verwendeten Praparaten oder solchen, die neuauf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierungoder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benut-zers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer,ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mit-zuteilen.

Geschutzte Warennamen (Warenzeichen) werden nichtbesonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines sol-chen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dasses sich um einen freien Warennamen handele.Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheber-rechtlich geschutzt. Jede Verwertung außerhalb derengen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zu-stimmung des Verlages unzulassig und strafbar. Dasgilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verar-beitung in elektronischen Systemen.

Auch erh ltlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-240302-4

8. Auflage 197515. Auflage 2009

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Anschriften

Prof. Dr. med. Roland Schiffter (Hrsg.)Wiesenerstr. 5312101 Berlin

Elke Harms (Hrsg.)

Rauthgundis Gleich von Munster

Prof. Dr. Michael WeberEichhalde 1479104 Freiburg

Prof. Dr. Mahmoud MesrogliBrinckmannstr. 1625813 Husum

Prof. Dr. med., Dr. vet. Paul Hutzschenreuter =

Prof. Dr. med. Axel GehrkeEiskeller 122956 Gronwohld

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Vorwort zur 14. Auflage

„Meine Bindegewebsmassage“ - so nannte Elisa-beth Dicke selbstbewusst ihr Buch - erschienzum ersten Mal vor 50 Jahren, kurz nach ihremTod. Alexander Sturm, der bedeutende Internisthatte das Geleitwort geschrieben. Das Werk warungewohnlich erfolgreich. In dem verflossenenhalben Jahrhundert ist viel Neues und Revolutio-nares in der medizinischen Forschung und auchin den Therapiemoglichkeiten hinzu gewonnen,vieles als uberholt ad acta gelegt worden. Die„BGM“ ist in ihren Grundprinzipien unverandertgeblieben, auch unverandert wirksam, es gilt al-lenfalls, noch besser zu klaren und zu erklaren,warum dies so ist. Dieses Lehrbuch richtet sichan Physiotherapieschuler, an Therapeuten in derPraxis und an Arzte.

Mit einem neuen Herausgeber, aber den gleichenbewahrten Ko-Autoren, legen wir unseren Lesernnun die 14., wiederum neu und wesentlich uberar-beitete Auflage vor, bei der wir uns bemuht haben,

den Inhalt weiterhin gut verstandlich und gleich-wohl wissenschaftlich fundiert darzustellen. Diebisherigen Illustrationen und Abbildungen habenwir im wesentlichen ubernommen, einige hinzugefugt.

Besonderen Dank sagen wir Herrn Prof. Dr. HansSchliack, dem langjahrigen Mitherausgeber, derdie neurowissenschaftliche Grundlegung undStrukturierung des Buches vollzogen hat, auf diewir uns weiterhin stutzen und dessen „Hand-schrift“ auch in der Neuauflage unubersehbarbleibt.

Unser Dank gilt auch allen Mitarbeitern des Ver-lages, besonders danken wir Frau Dorothee Seiz,die sich stets sehr um die erfolgreiche Verbreitungdes Buches gekummert hat.

E. Harms, R. SchiffterOldenburg, Berlin, Fruhjahr 2005

Vorwort zur 14. Auflage VII

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Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Roland Schiffter

1.1 Entstehung und Entwicklung . . . . . . . 1Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2 Theoretische Grundlagen zurWirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

1.2.1 Anatomie, Physiologie und Patho-physiologie des Bindegewebes . . . . . . . . 3Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.2.2 Neuroanatomische und neurophysio-logische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 4Sensibles System . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Motorisches System . . . . . . . . . . . . . . . . 7Vegetatives (autonomes) System . . . . . . 8

1.2.3 Segmentaler Aufbau des Körpers undreflexphysiologische Mechanismen . . . . . 12

1.2.4 Globale Wirkungen von Bindegewebs-massagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2 Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19Elke Harms

2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.1.1 Anatomische Grundlagen zur Technik . . . 19Manuelle Durchführung . . . . . . . . . . . . . 20Dosierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Lagerung und Haltung . . . . . . . . . . . . . . 21Reaktion des Patienten auf die BGM . . . . 23Abhilfe bei Fehlreaktionen undMissempfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2.2 Grundsätze der BGM . . . . . . . . . . . . . . 26

2.2.1 Aufbau und Behandlung . . . . . . . . . . . . . 26Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Weitere Hinweise für den Grundaufbaunach Hendrikx/Klein . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.2.2 Befunderhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Sichtbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29Tastbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

2.2.3 Palpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312.2.4 Ausgleichsstriche und Ableitungen . . . . . 332.2.5 Grundaufbau (kleiner Aufbau) . . . . . . . . . 34

Grundaufbau im Sitzen . . . . . . . . . . . . . . 34

Grundaufbau in der Seitenlage . . . . . . . . 40Grundaufbau in Bauchlage . . . . . . . . . . . 42

2.2.6 I. Aufbaufolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Behandlung des Interkostalgebietes . . . . 43

2.2.7 II. Aufbaufolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45Behandlung des Schulter- undAchselgebietes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

2.2.8 III. Aufbaufolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50Behandlung des Hals-/Nackengebietes . . 50

2.2.9 Behandlung der oberen Extremität . . . . . 52Oberarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Unterarm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

2.2.10 Behandlung der unteren Extremität . . . . 58Oberschenkel/Knie (Patella) . . . . . . . . . . 59Unterschenkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Fuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

2.2.11 Behandlung des Kopfes. . . . . . . . . . . . . . 62Gesicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62Kopf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

3 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

3.1 Indikationen, Kontraindikationen,Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65Roland Schiffter

3.2 Heilmittel-Richtlinien. . . . . . . . . . . . . . 65

3.3 Orthopädische Erkrankungen . . . . . . . 66Michael Weber, Rauthgundis Gleichvon Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

3.3.1 Erkrankungen der Wirbelsäule . . . . . . . . 66Akutes und chronisches Zervikal-syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67Thorakalsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69Lumbago und chronisches Lumbal-syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Spondylitis ankylosans(Morbus Bechterew) . . . . . . . . . . . . . . . . 73Skoliose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75Angeborener Schiefhals . . . . . . . . . . . . . 77

3.3.2 Frakturen und Kontrakturen der oberenExtremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79Frakturen und Kontrakturen der Schulter 79Frakturen und Kontrakturen desEllenbogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Inhaltsverzeichnis IX

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3.3.3 Frakturen und Kontrakturen derunteren Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . 82Frakturen des Oberschenkels unddes Schenkelhalses . . . . . . . . . . . . . . . . 82Frakturen des Unterschenkels undder Knöchelgabel, Distorsionder Sprunggelenke . . . . . . . . . . . . . . . . 83Kontrakturen des Hüft- undKniegelenkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

3.3.4 Amputationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85Amputation des Armes . . . . . . . . . . . . . 85Amputation des Beines . . . . . . . . . . . . . 87

3.3.5 Arthrosis deformans . . . . . . . . . . . . . . . 88Arthrosen der oberen Extremität. . . . . . 89Koxarthrose und Hüftgelenk-operationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90Arthrosen der Knie- und Sprung-gelenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

3.3.6 Weitere Erkrankungen des Bewegungs-apparates und der Haut . . . . . . . . . . . . 92Periarthritis humeroscapularis. . . . . . . . 92Epicondylitis humeri . . . . . . . . . . . . . . . 95Reizgelenke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96Muskelrheumatismus (Fibromyalgie) . . . 99Morbus Sudeck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101Narbenbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 105Sklerodermie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106Dekubitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

3.4 Neurologische Erkrankungen . . . . . . 109Roland Schiffter, Rauthgundis Gleichvon Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

3.4.1 Zerebrale Läsionen . . . . . . . . . . . . . . . . 1093.4.2 Parkinson-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . 1123.4.3 Multiple Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . 1143.4.4 Querschnittlähmungen . . . . . . . . . . . . . 1153.4.5 Polyneuropathien . . . . . . . . . . . . . . . . . 1173.4.6 Nervenwurzelläsionen. . . . . . . . . . . . . . 1203.4.7 Periphere Einzelnervenlähmungen. . . . . 1253.4.8 Muskelerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 1263.4.9 Kopfschmerzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Spannungskopfschmerz . . . . . . . . . . . . 128Migräne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130Zervikaler Kopfschmerz . . . . . . . . . . . . 131

3.4.10 Psychosomatische Syndrome . . . . . . . . 134Psychosomatische Nacken-Schulter-Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134Psychosomatische Kreuzschmerzen . . . . 135

3.5 Innere Erkrankungen. . . . . . . . . . . . . 136Axel Gehrke, Michael Weber,Rauthgundis Gleich von Münster . . . . . . . . 136

3.5.1 Erkrankungen des Herzens . . . . . . . . . . 136Koronare Herzerkrankung . . . . . . . . . . . 137Funktionelle Herzbeschwerden . . . . . . . 141Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . 141Angeborene und erworbeneHerzklappenfehler . . . . . . . . . . . . . . . . 142Herztransplantationen . . . . . . . . . . . . . 142

3.5.2 Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1433.5.3 Hypotonie, orthostatische

Dysregulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1443.5.4 Erkrankungen der Lungen und

der Atemwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146Akute Bronchitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147Chronische Bronchitis . . . . . . . . . . . . . . 148Spastische Bronchitis . . . . . . . . . . . . . . 149Pleuritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149Pneumonie (Lungenentzündung). . . . . . 149Mukoviszidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150Bronchiektasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151Asthma bronchiale . . . . . . . . . . . . . . . . 151Thoraxdeformierungen . . . . . . . . . . . . . 156

3.5.5 Erkrankungen des Magen-Darm-traktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158Akute Gastritis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158Chronische Gastritis . . . . . . . . . . . . . . . 161Ulcus ventriculi et duodeni . . . . . . . . . . 161Dünndarmerkrankungen . . . . . . . . . . . . 162Hirschsprung-Krankheit(Megacolon congenitum) . . . . . . . . . . . 162

3.5.6 Funktionelle Magen-Darm-Störungen . . 164Meteorismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164Obstipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

3.5.7 Erkrankungen der Leber undder Gallenblase. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

3.5.8 Erkrankungen der Nieren undder ableitenden Harnwege . . . . . . . . . . 172Akute und chronischeGlomerulonephritis . . . . . . . . . . . . . . . . 175Akute und chronische Pyelonephritis. . . 176Blasenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . 177

3.5.9 Durchblutungsstörungen derExtremitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Paul Hutzschenreuter, Elke Harms. . . . . . . . 180

Periphere arterielle Verschluss-krankheit (AVK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

X Inhaltsverzeichnis

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Thrombendangiitis obliterans(Winiwarter-Buerger-Krankheit) . . . . . . 185Diabetische Gefäßerkrankungen . . . . . . 185Raynaud-Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . 188Venöse Durchblutungsstörungen. . . . . . 188

3.6 Frauenheilkunde und Geburtshilfe . . 191Mahmoud Mesrogli, Elke Harms . . . . . . . . . 191

3.6.1 Die wichtigsten Indikationen. . . . . . . . . 1923.6.2 Kontraindikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1923.6.3 Hormonelle Störungen . . . . . . . . . . . . . 193

Menstruationsstörungen . . . . . . . . . . . . 193Oligomenorrhö, Hypomenorrhö,sekundäre Amenorrhö . . . . . . . . . . . . . 193Dysmenorrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196Prämenstruelles Syndrom (PMS) . . . . . . 197Sterilität und Infertilität . . . . . . . . . . . . 198Klimakterische Beschwerden . . . . . . . . . 198

3.6.4 Adnexitis und Parametritis . . . . . . . . . . 1993.6.5 Beschwerden nach operativen

Eingriffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2003.6.6. Kreuzschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2013.6.7 Bindegewebsmassage in der

Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 202Kreuzschmerz und Ischialgie . . . . . . . . . 202Sonstige Indikationen . . . . . . . . . . . . . . 202

3.6.8 Bindegewebsmassage unter derGeburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203Spasmolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203Wehenförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

3.6.9 Bindegewebsmassage im Wochenbett. . 204Laktationsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . 204Weitere Indikationen . . . . . . . . . . . . . . 204

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Inhaltsverzeichnis XI

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1 GrundlagenRoland Schiffter

1.1 Entstehung und Entwicklung

Elisabeth Dicke hat selbst dargestellt, wie sie ihreBehandlungsmethode entdeckt und weiterentwi-ckelt hat. Ihr Text wirkt heute schon fast wieeine Legende und soll deshalb im wörtlichen Zitatübernommen werden:„Die Behandlungsweise einer ,Massage reflektori-scher Zonen im Bindegewebe’ wurde von mir beieigener Krankheit gefunden. 1929 litt ich anschweren Durchblutungsstörungen des rechtenBeines. Das Bein war eiskalt, die Färbung grauweiß,die Zehen waren wie von Ringen eingeschnürt, siestanden unmittelbar vor einer Nekrose. Die Arteriadorsalis pedis war nicht mehr fühlbar. Man sprachärztlicherseits zu mir von der Notwendigkeit einerAmputation als der letzten Möglichkeit einer Be-handlung.

Unter diesen bedrückenden Aussichten ver-suchte ich, nach fünf Monate langem Liegen, mirselbst eine Erleichterung der begleitenden hefti-gen Rückenschmerzen zu verschaffen. Seit zweiJahren war ich als Krankengymnastin tätig. Ich tas-tete aus der Seitenlage über Kreuzbein und Be-ckenkamm ein verdichtetes ,infiltriertes’ Gewebeund eine gegenüber links erhöhte Spannung derHaut und der Unterhautpartien. Ich versuchte,die Spannung durch ziehende Striche zu verteilen.An diesen Stellen bestand eine Überempfindlich-keit, das einfache Streichen mit der Fingerkuppebewirkte große Schmerzhaftigkeit. Die Spannungwich jedoch allmählich; die Rückenschmerzenschwanden unter den lösenden Strichen zuse-hends, ein starkes Wärmegefühl setzte ein. Nacheinigen Versuchen spürte ich anhaltende Linde-rung der Beschwerden.

Es setzte nun ein Kribbeln und Stechen im kran-ken Bein bis zur Sohle ein, abwechselnd mit Wär-mewellen. Das Bein besserte sich stetig. Danachbezog ich auch die Regionen über dem rechten Tro-chanter und dem seitlichen Oberschenkel – Trac-tus iliotibialis – in die Strichführung ein. Dort be-stand eine auffallende ,Verhaftung’ der Haut unddes Unterhautgewebes. Nach dieser Behandlungwurden die Venen des Oberschenkels wiedersichtbar, sie füllten sich spontan mit Blut.

Im Verlaufe eines Vierteljahres bildeten sich dieschweren Krankheitserscheinungen vollkommenzurück. Die Behandlung wurde über längere Zeitvon einer Kollegin fortgeführt. Meine Tätigkeitals Krankengymnastin konnte ich nach einemJahr wieder voll ausüben.

Aus den Erfahrungen dieser Erkrankung entwi-ckelte sich allmählich eine systematisch aufge-baute Behandlungsmethode. Im Verlauf der Er-krankung hatten sich außerdem eine Reiheschwerer Störungen an den inneren Organen ein-gestellt: eine chronische Gastritis, eine entzündli-che Leberschwellung, anginöse Beschwerden desHerzens, zuletzt eine Nierenkolik. Alle diese orga-nischen und funktionellen Störungen konnte ichmit Erfolg durch die neu gefundene Behandlungs-weise beheben. Die Magenbeschwerden sowie dieBeschwerden in der Herzgegend, die von Atemnotund starken Beklemmungen begleitet waren, lie-ßen unter der Behandlung nach. Die Nierenkolik,bei der der gerufene Arzt nicht zu erreichen war,ließ sich innerhalb von fünf Minuten lösen, wobeiein Nierenstein und eine Menge Harngrieß abging.

Die behandelnde Kollegin arbeitete nach meinenAngaben. Durch die Anwendung dieser Behand-lungsweise erweiterte sich die Methode. Die anmir entdeckten Zonen der Körperoberfläche, vondenen aus die einzelnen Organe beeinflusst wer-den konnten, fanden sich auch bei meinen Patien-ten. Nach den von mir entdeckten und ausgearbei-teten Erfahrungstatsachen bestehen solchereflektorischen Zonen nicht nur im Bereich derHaut und der Skelettmuskulatur, sondern ganzvornehmlich auch im Bereich des Unterhautbinde-gewebes. Hier fand ich bei funktionellen oder ge-wissen organischen Störungen im Bereich der in-neren Organe Quellungen, Einziehungen, erhöhteSpannungen, intensive Schmerzen, die so genann-ten Maximalpunkte, die umgangen werden muss-ten, weil der Reiz von dort aus auf das erkrankteOrgan zu stark war.

Nachdem ich in dieser Weise für mich eine sys-tematische Behandlungsweise ausgebildet hatte,erfuhr ich, dass der englische Arzt Head entspre-chende Hautzonen beschrieben hat, die zu den in-neren Organen in Beziehung stehen. Mit dieser

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Feststellung konnte die von mir analog gefundeneBehandlungsmethode auf bekannte Grundlagender Pathophysiologie gestellt werden.

1935 suchte ich Herrn Professor Veil in Jena auf,um meine Arbeit in seiner Klinik und an seinen Pa-tienten zu demonstrieren. Er erkannte den Wertder Methode und legte mir nahe, mich zur weite-ren Auswertung an eine krankengymnastischeSchule zu wenden. Im Jahre 1938 wurde ich vonFrau Dr. Teirich-Leube, Leiterin der Krankengym-nastikschule Freiburg i. Br., aufgefordert, meineBehandlungsweise dort zu demonstrieren. Die Me-thode ist dann ein Jahr lang von Herrn ProfessorKohlrausch und Frau Dr. Teirich-Leube klinischüberprüft worden. Meine Erfahrungen wurdenbestätigt. Das Ergebnis dieser Arbeit wurde ge-meinsam herausgegeben in dem Buch ,Massagereflektorischer Zonen im Bindegewebe bei rheu-matischen und inneren Erkrankungen’. Aus dervorwiegenden Bearbeitung des Bindegewebes er-gab sich der Name ,Bindegewebsmassage’, dersich trotz der nicht vollständig exakten Ausdrucks-weise eingebürgert hat.“

Am Anfang der Entwicklung ihrer Methode stan-den also Erfahrungen am eigenen Körper und Be-obachtungen von Veränderungen der Haut unddes Unterhautfettgewebes an sich selbst und ananderen Patienten, die sie als Krankengymnastinbehandelt hatte. Die Spontanverläufe und die Re-aktionen dieser Veränderungen auf Massagereizehat sie systematisch registriert und darausSchlüsse gezogen. Sie meint sogar, die segmenta-len sensiblen Hautzonen entdeckt zu haben, bevorsie von Henry Head Kenntnis bekommen hatte.Später hat sie dann dessen wissenschaftliche Er-kenntnisse durchaus studiert und verarbeitet.Zur Erklärung der unübersehbaren Therapieeffekteihrer Massagemethode können wir heute außerden Forschungsergebnissen von Head und Mac-kenzie auch das umfangreiche Werk von K. Hansenund seinem Schüler Hans Schliack heranziehen,der bisher dieses Buch über die Bindegewebsmas-sage mit herausgegeben hatte. Wir wollen die Bin-degewebsmassage von Frau Dicke vorrangig neu-rophysiologisch begründen, müssen aberfesthalten, dass das Bindegewebe als solches vielweniger bedeutsam ist als Frau Dicke es seinerzeitangenommen hat. Hans Schliack hat diese Tat-sache schon in der 5. Auflage 1962 festgestellt,hier soll sie fortgeführt und verstärkt werden.

Geschichte

Massage in jeglicher Form ist eine uralte Behand-lungsmethode. Der chinesische Kaiser Jaune pro-klamierte in seinem medizinischen Werk 2598 v.Chr. die Massage als eine von den vier wesentli-chen Fundamenten der Medizin. Hippokrates(460 v. Chr.), der Urvater der abendländischen Me-dizin, empfahl sie bei Gelenkerkrankungen. Imklassischen Griechenland gehörte sie zum Betreu-ungsspektrum der Sportler. Asklepiades (124 v.Chr.) beschrieb zur frühen Römerzeit in seinemLehrbuch der Massagen die „Wohltat der kreisen-den Handbewegungen“. In den römischen Ther-men befanden sich Massage- und Gymnasti-kräume. Ali Ibn Sina, genannt Avicenna (979–1037), der große Arzt und Philosoph im alten Per-sien, verordnete den Athleten die Massage „zurAuflösung von Ablagerungen in den Muskeln“.Francis Bacon, englischer Philosoph (1561–1626), riet zur Massage und Gymnastik, um demgesunden Körper seine selbstheilenden Kräfteund Fähigkeiten zu erhalten. Schließlich gab es1797 eine Schrift des französischen Arztes A. C.Lorry über Dermatologie, in der die Massage derHaut empfohlen wird unter der modernen Vorstel-lung, dass die Haut ein Organ des ganzen Körpersund mehr als nur seine Hülle sei. War das schon derVorläufer der Bindegewebsmassage?

1.2 Theoretische Grundlagenzur Wirkungsweise

Eine durch Erfahrung gefundene und in der Praxisbewährte Behandlungsmethode soll grundsätzlichauch rational verständlich, plausibel und wenn ir-gend möglich wissenschaftlich begründbar sein.Dies ist bei der Bindegewebsmassage in gewissenGrenzen durchaus der Fall, obwohl nicht soforteinsehbar ist, warum das Durchziehen und Anha-ken von der Haut an weit entfernten Organen undGeweben funktionell heilsame Wirkungen entfal-ten soll. Alte Erfahrungen aus der Volksmedizinsprechen seit langem dafür, dass solche Beziehun-gen bestehen.

Der krampflösende Effekt der Wärmflasche aufdem Bauch bei schmerzhaften Spasmen von Ma-gen, Darm oder Harnblase, die entspannende Wir-kung der weichen, warmen Hand der Mutter aufdem Leib des von Nabelkoliken geplagten Babys,gar das Bügeleisen der hilfreichen Frau Böck aufdem verkühlten und durchnässten Abdomen ihres

2 1 Grundlagen

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Mannes Schneider Böck in Wilhelm Buschs „Maxund Moritz“ (Abb. 1.1) sind nur einige Beispiele.

Die Fernwirkung von lokalen Hautreizen wieMassagen, Wärmeapplikationen, von Senfpflas-tern oder Akupunkturstichen spricht dafür, dassvor allem anderen ein neuraler Reflexmechanis-mus wirksam sein muss. Hier kommen nebenden mehr lokalen Effekten über so genannte Axon-reflexe ganz besonders die segmentalen spinalenReflexe und schließlich auch globale Reflexschal-tungen mit generalisierender Wirkung in Betracht.Dies soll weiter unten noch näher ausgeführt wer-den.

Im Wesentlichen sind folgende Effekte von einerBindegewebsmassage zu erwarten und auch ver-nünftig zu begründen:& Bindegewebsmassage kann unmittelbar lokal

auf das Netz der kleinen subkutanen Blutgefäßeeinwirken, was sich regelmäßig in eindrucksvol-ler Hautrötung (Gefäßerweiterung) äußert undsowohl die lokale Hautdurchblutung, aberauch strömungsdynamisch den Gesamtkreislaufbeeinflusst. Hierbei spielen neben Reflexmecha-nismen auch die Freisetzung von Gewebshormo-nen und diversen zell- und gewebewirksamenSubstanzen eine wichtige Rolle.

& Sie kann vor allem über Segmentreflexe Funkti-onsänderungen (Spasmuslösung u. a.) an ent-fernten Organen bewirken.

& Sie kann über die gesetzten aufsteigenden sen-siblen Stimuli im zentralen Nervensystem vege-tative und psychische Ganzkörperreaktionenauslösen, die heilsam sein können (Projektionder sensiblen Bahnen in die Formatio reticularisdes Gehirns und direkt ins limbische System undins Großhirn).

Zunächst sind aber Vorbemerkungen zu Anatomieund Physiologie des Bindegewebes selbst voraus-

zuschicken, wobei uns hier vor allem das Bindege-webe der Unterhaut interessiert.

1.2.1 Anatomie, Physiologie und Patho-physiologie des Bindegewebes

Wie erwähnt, sind bei der Wirksamkeit der Binde-gewebsmassage vorwiegend neuronale Mechanis-men, also Reflexvorgänge, wichtig und weniger dieKomponenten, die sich im Bindegewebe befinden.Trotzdem müssen außer den Nerven auch dieseanatomischen und physiologischen Fakten darge-stellt und mitbedacht werden.

Wie in Abb. 1.2 erkennbar, gliedert sich diemenschliche Haut in eine Oberhaut (Epidermis),die darunter liegende Lederhaut (Korium) unddie meist dickere Unterhaut (Subkutis), die fürdie Bindegewebsmassage wahrscheinlich die we-sentliche Rolle spielt, weil hier die Rezeptorenund freien Nervenendigungen liegen. Die Ober-haut wird von Plattenepithelzellen gebildet, diesich ständig von den untersten Schichten her rege-nerieren und in den obersten Schichten verhornen.

Unter der relativ dünnen Lederhaut, die für dieMassageeffekte nicht bedeutsam ist, liegt diewichtige Unterhaut.

In der Unterhaut befinden sich die Blutgefäße,die Rezeptoren, die Nerven und Nervenendingun-gen in einem lockeren Gewebe, das im Folgendennoch genauer dargestellt werden soll.

Elisabeth Dicke hatte für ihre Methode die Be-zeichnung „Bindegewebsmassage“ gewählt, weildie durch die Massage verursachten Zugvorgängesich im Wesentlichen in diesem lockeren Bindege-webe der Subkutis abspielen.

Das Bindegewebe macht beim Menschen unge-fähr 16 % des Körpergewichts aus, enthält etwa23 % des Gesamtkörperwassers und erstreckt sichdurch die Subkutis, die Umhüllungen der Musku-latur, Sehnen und Bänder. Es befindet sich in Ge-fäßwänden und Nervenscheiden und in den zwi-schenzelligen Gerüststrukturen der innerenOrgane. Lockeres und festes Bindegewebe (Stütz-gewebe) ermöglicht Stabilität, aber auch Elastizi-tät in gleitenden Grenzen für alle Bewegungendes Körpers. Im Bindegewebe findet man unter-schiedliche Faserstrukturen, Zellen und kom-plexere Organstrukturen wie Gefäße und Nerven,die alle hoch differenzierte Funktionen haben.Zellen im Bindegewebe. Die so genannten Fibro-blasten und Fibrozyten sind die Mutterzellen derFaserstrukturen.

Abb. 1.1 Schneider Böck in Wilhelm Buschs „Max und Moritz“.

Entstehung und Entwicklung 3

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& Histiozyten sind „ruhende Wanderzellen“, diebei Reizung, etwa Entzündungen, beweglichwerden und Abfallprodukte diverser Erkran-kungsprozesse aufnehmen und unschädlich ma-chen.

& Mastzellen findet man vor allem in der Umge-bung der kleinen Gefäße, sie haben Funktionenbei der Erweiterung der Kapillaren und bei Ge-rinnungsvorgängen.

& Plasmazellen (Antikörperbildung), Lymphozy-ten, Monozyten und Leukozyten, haben wichtigeFunktionen bei der Immunabwehr und der Orga-nisation von Entzündungsvorgängen.

& Retikulumzellen bilden Zellnetze und übenebenfalls Abwehrfunktionen aus.

& Ferner ist die amorphe Grundsubstanz im Binde-gewebe zu erwähnen, die Wasser bindet. DieWasserbindung ist wesentlich für den Span-nungszustand, also den Turgor des Gewebes.

Fasern des Bindegewebes. Man unterscheidet kol-lagene, retikuläre und elastische Fasern. Sie bildendas Grundgerüst aller Stütz- und Bindegewebe.Kollagene Fasern bilden beim Kochen eine leimar-tige Substanz. Sie geben dem Gewebe Festigkeit.

Retikuläre Fasern haben eine gitterartige Anord-nung und bilden das Gerüst der Basalmembranen,überziehen Muskelfasern, Drüsenendstücke, Fett-zellen und anderes.

Die elastischen Fasern werden wahrscheinlichvon den Fibroblasten gebildet und können aufeine 2 1/2fache Länge gedehnt werden und wiederin ihre Ausgangsform zurückgehen. Sie finden sichin allen dehnbaren Geweben, wie z. B. in der Lunge,den Blutgefäßen, so auch in der Haut und häutigenÜberzügen der Organe.

Sehnen und Bänder bestehen aus annäherndparallel verlaufenden Kollagenfasern, die in Zug-richtung liegen und dem Zug Widerstand entge-gensetzen.

Die elastischen Fasern des Bindegewebes sind oftden kollagenen Fasern parallel geschaltet, sodassElastizität und Zugfestigkeit erreicht wird. Hiersind auch bestimmte Musterbildungen wichtigfür die einzelnen Funktionen der Gewebe.

In der Unterhaut kombinieren sich neben dengeschilderten Organstrukturen und Zellen die Bin-degewebsstrukturen mit Fettgewebszellen. Fett-gewebe ist verformbar, hat Polstereigenschaftenund wird ebenfalls von Kollagenfibrillen und elas-tischen Fibrillen in Form gehalten. Das Fettgewebehat also mechanische und die bekannten Energie-speicherfunktionen. Besonders das so genannteBaufettgewebe soll in Gelenken, an der Fußsohle

und verschiedenen anderen Körperstellen Polster-funktion ausüben.

Es gibt noch eine Fülle von Details zu den Binde-geweben, die sich in den jeweiligen Organregionenausbreiten, sie spielen jedoch für die Wirksamkeitder Bindegewebsmassage eine eher untergeord-nete Rolle.

Zusammenfassung

Das Bindegewebe ist einerseits Füll- und Stützge-webe, hat andererseits wesentliche Stoffwechsel-funktionen und bedeutende Aufgaben bei der Ab-wehr von entzündlichen und immunologischenProzessen. Ferner hat das Bindegewebe wichtigeFunktionen bei der Heilung von Verletzungen,Wunden usw. und reagiert lebhaft auf diverse hor-monelle Einflüsse, auf Gifte und schädliche Sub-stanzen verschiedenster Art.

1.2.2 Neuroanatomische und neuro-physiologische Grundlagen

Die Wirkungen der Bindegewebsmassage erfolgenvorrangig durch Vermittlung des Nervensystems.Wie schon angedeutet, sind dafür lokale, segmen-tale und globale Reflexmechanismen verantwort-lich, aber auch im weiteren Sinne psychosomati-sche und psychische Effekte.

Die ziehenden, anhaftenden und anhakendenTechniken, sowie die kreisenden oder streichen-den Handbewegungen bei der Bindegewebsmassa-ge stellen in jedem Falle sensible Hautreize dar, diezu Erregungen der nervösen Rezeptoren und Ner-venendigungen führen, die über die sensiblen Ner-ven (Afferenzen) zu Rückenmark und Gehirn gelei-tet werden. Dort werden einerseits segmentaleReflexe und reflektorische Globalreaktionen, abereben auch psychische Befindensänderungen aus-gelöst, die über die rückläufigen motorischenund vegetativen Bahnen und Nerven (Efferenzen)zu Muskelentspannung oder -anspannung, Gefäß-erweiterung oder -verengung, Peristaltikförde-rung und vielen anderen Effekten führen. AufRückenmarkebene (Hinterwurzeleintrittszone)können außerdem dadurch Schmerzreize blockiertwerden. In der Haut lösen die Reize lokale Rötun-gen (Gefäßerweiterungen) und andere Zustands-änderungen aus, die entweder über die etwasumstrittenen „Axonreflexe“ oder eher durch Aus-schüttung von Gewebshormonen und Überträ-gerstoffen aus den sensiblen und sympathischen

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Nervenendigungen (Prostaglandine und andereStoffe) verursacht werden.

Wesentliche anatomische Strukturen für dieseWirkungen sind also die Rezeptoren, die sensiblen,motorischen und vegetativen (sympathischen undparasympathischen) Nerven, das Rückenmark unddas Gehirn mit ihren Zellen- und Leitungsbahnen.Die sensiblen Nerven sind nichts anderes als dieempfangenden Fortsätze (Dentriden) der Spinal-ganglienzellen, die motorischen Nerven sind dieNeuriten der Vorderhornzellen des Rückenmarks.

Die motorischen Leitungsbahnen in Gehirn undRückenmark (Pyramidenbahn) sind hingegen dieNeuriten der motorischen Hirnrindenzellen inder motorischen Großhirnrinde. Die aufsteigendensensiblen Leitungsbahnen stellen Fortsätze vonRückenmarkzellen aus den Segmentebenen undder Spinalganglien dar.

Die vegetativen Impulse stammen aus Gehirnund Hirnstamm, besonders dem Hypothalamus,ziehen das Rückenmark hinab und dann mit peri-pheren Nerven zusammen hinaus zu den innerenOrganen, den Gefäßen, Drüsen, dem Magen-Darm-Trakt, dem Harntrakt usw., aber auch zurHaut und den Schweißdrüsen. Die sympathischenNerven haben dabei die Aufgabe, den Körper fürHochleistung wie Kampf und Flucht vorzuberei-ten. Bei Reizung des sympathischen Systems steigtalso Herzfrequenz und Herzleistung sowie Blut-druck und Atemfrequenz. Es kommt auch zumSchweißausbruch. Außerdem wird die Muskel-spannung der quer gesteiften Muskulatur dabei re-gelmäßig erhöht, und auf der psychischen Seitekommt es zu entsprechender Anspannung wieKampfstimmung oder Aggressivität.

Bei gesteigertem parasympathischen Systempassiert im Prinzip das Gegenteil, also Senkungvon Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenzund Atemtiefe, stattdessen Verstärkung von Pe-ristaltik, Drüsensekretion, Verdauungstätigkeit,Harn- und Stuhlentleerung. Die Muskulatur desKörpers erschlafft dabei, psychisch kehrt Ruheund Entspannung ein. Diese Strukturen sind engund komplex untereinander verschaltet und steu-ern in einem labilen Gleichgewicht mehr oderweniger unbewusst die Lebensvorgänge je nachErfordernis. Auch in diese Mechanismen kannBindegewebsmassage eingreifen und hilfreichwirken.

Eine Verletzung oder Durchtrennung von peri-pheren Nerven kann grundsätzlich durch Neuaus-wachsen der Axone repariert werden sofern die zu-ständige Zelle erhalten geblieben ist. Bei zentralen

Nervenbahnen in Rückenmark und Gehirn ist diespraktisch nicht oder nur in ganz geringem Maßemöglich. Hier müssen dann Ersatzschaltungentrainiert werden.

Sensibles System

Das sensible oder afferente System sorgt dafür,dass die durch die Bindegewebsmassage oder an-derweitig gesetzten sensiblen Reize von der Hautzum Rückenmark und Gehirn transportiert wer-den. In der Haut selbst bzw. vornehmlich in derSubkutis sind wichtige nervale Strukturen im Ein-zelnen zu beschreiben (Abb. 1.2):& Freie Nervenendigungen: Sie sind markarm und

verzweigen sich frei bis in die Epidermis hineinoder bilden kleine Geflechte, die so genanntenMerkel-Scheiben, oder kontaktieren gewisseTastzellen an den Wurzelscheiben der Haareoder münden auch in feinverzweigten Endnet-zen. Diese freien Nervenendigungen vermittelnSchmerzreize und Berührungsempfindungen.

& Eingekapselte Rezeptororgane des Unterhautge-webes:– Vater-Pacini-Lamellenkörperchen: hochemp-

findliche Mechanorezeptoren vor allem fürDruck und Berührungswahrnehmungen undfür die Wahrnehmung von Vibration und Kit-zelreizen.

– Meißner-Tastkörperchen, die dicht an der Epi-dermis liegen und sich auf die unbehaarteHaut beschränken. Sie finden sich also vor al-lem auf Lippen, den Augenlidern, der Zunge,den Fingerkuppen und an den Genitalien. Siesind ebenfalls sehr sensible Tastrezeptoren.

– Krause-Endkolben, die vornehmlich inSchleimhäuten zu finden sind.

– Das Endfasernetz der Haarbälge, die ebenfallsvor allem Berührungsreize vermitteln.

80 % der hier beteiligten Nervenfasern sind dünnmyelinisiert, also markarm oder marklos, und lei-ten deshalb eher langsam (1–2 m/sec.). 20 % vonihnen sind dick, markhaltig, also schnellleitend(10–60 m/sec.).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die ge-kapselten Rezeptoren vornehmlich für Druck-, Vi-brations- und Berührungsreize zuständig sind undschnell leitende A-Fasern haben. Die nicht gekap-selten Nervenendknäuel hingegen reagieren mehrfür Druck-, Wärme-, Kältereize und den so genann-ten ersten hellen Schmerz mit einer schnellen Lei-tung. Die gänzlich freien Nervenendigungen wie-derum leiten langsam und sind für Berührung,

Entstehung und Entwicklung 5

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Wärme-, Kälte- und Juckreize sowie den quälen-den dumpfen, so genannten zweiten Schmerzoder C-Faserschmerz zuständig. Nach neuerenschwedischen Untersuchungen sollen die C-Fasernbesonders sensibel auf langsame Bewegungen(Massagen) auf der Haut reagieren.

Sämtliche Impulse dieser Strukturen, also auchdie Reize der Bindegewebsmassage werden dannüber die peripheren Nerven und die Hinterwurzelnins Rückenmark geleitet. In der Hinterwurzelein-trittszone erfolgt eine Filterung und Selektionie-rung derart, dass ein Teil der Impulse Reflexschal-tungen auslöst, ein Teil zu Gehirn und Bewusstseinaufsteigt und ein Teil gelöscht wird. Gelöscht wer-den vor allem belanglose, sich wiederholendeReize. Die Reflexschaltungen können durch moto-rische Nerven zu den Muskeln oder durch vegeta-tive Nerven zu den Eingeweiden wie Gefäßen, Drü-sen usw. erfolgen.

Freie Nervenendigungen und die genannten Re-zeptoren liegen außer in der Unterhaut auch in den

Schleimhäuten, den serösen Häuten der Eingewei-de, der Muskeln und der Gefäßwandungen sowieder Knochen- und Knorpelhaut und in praktisch al-len bindegewebigen Strukturen. Sie sind also dieReizaufnehmer der Bindegewebsmassage. Auchderen Impulse münden über die Hinterwurzelnins Rückenmark, wo sie mit allen anderen sensib-len Erregungen über den Vorderseitenstrang, indem Schmerz, Temperatur-, Stuhl- und Harn-drangsgefühle geleitet werden, aber auch überdie Hinterstränge (für Berührung und hochdiffe-renzierte sensible Reize, aber auch Vibration undso genannte Tiefensensibilität) zum Gehirn auf-steigen (Abb. 1.3).

Die klinisch wichtigste sensible Qualität ist derSchmerz. Seine Rezeptoren heißen auch Nozizep-toren (von lat. noxa = der Schaden). Fast alle Gewe-be des Körpers verfügen über Schmerzrezeptoren(Ausnahmen: Die Knochensubstanz, das Band-scheibengewebe, das Gehirn selbst).

M

sym-patischeNerven(schwarz)

ekkrineSchweißdrüse

Haarbalg mitTalgdrüse undM. arrector pili

Vater-Pacini-Körperchen

freieNerven-

Endigungen

7

6

M K K

Blutgefäße(dunkelblau)

sensibleNerven

(blau-grau)

5

1

4

32

Abb. 1.2 Strukturschema der Haut und Rezeptoren.

6 1 Grundlagen

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Schmerz ist ein entwicklungsgeschichtlich altesSignalsystem, das über schnelle Reflexe und Weck-wirkungen Schädigungen des Körpers vermeidensoll. Er löst regionale, über das Rückenmarklaufende Schutzreflexe aus (z. B. das ruckartigeAnziehen des Beines bei Fußverletzungen etwadurch Treten auf eine Glasscherbe), aber auchsegmentale Muskelkontraktionen zur „Ruhigstel-lung“ der schmerzenden Region, wie z. B. dieskoliotische Schiefhaltung der Lendenwirbelsäulebzw. „Schonhaltung“ bei akuten Bandscheibenvor-fällen.

Schmerz löst mit Weckwirkung und Ingangset-zung eines erhöhten Sympathikotonus Fluchtreak-tionen aus, weil die Schmerzleitung auch in denHirnstamm (Formatio reticularis) sowie in den Hy-pothalamus und schließlich auch in das limbischeSystem projiziert, wo sie dann Unbehagen undAngst bewirkt.

Schließlich wird auch der Schmerz in das Groß-hirn übertragen, wo eine rationale Beantwortungmit Abwehrstrategien und eine vernunftmäßigeAnalyse des Schmerzerlebnisses möglich wird.

Für die Bindegewebsmassage ist die Tatsachewichtig, dass die segmentalreflektorischen Mus-kelverspannungen selbst Schmerz verursachenkönnen, sodass ein Teufelskreis entsteht, den esauch mittels Massage zu durchbrechen gilt.

Motorisches System

Es ist im vorangegangenen Text schon vieles zurMotorik gesagt worden. Einen Überblick überdas Gesamtsystem gibt die Abb. 1.4. Grundsätzlichist ein zentrales von einem peripheren motori-schen System zu differenzieren. Die Unterschei-dung ist wegen der zwei grundverschiedenen Läh-mungsmuster sehr wichtig.

Läsionen der motorischen Ursprungszellen inder Hirnrinde oder ihrer Fortsätze, also der Pyra-midenbahn in Hirn und Rückenmark, führen zuLähmungen, etwa Halbseitenlähmungen, Parapa-resen oder Tetraparesen mit zunehmender Mus-keltonusvermehrung (Spastik), Steigerung, alsoEnthemmung der Muskeldehnungsreflexe undpositivem Babinski-Reflex (Dorsalflektion derGroßzehe bei sensiblen Reizen an Fußsohle undFuß).

Verletzungen der peripheren Neurone, also derVorderhornzellen oder ihrer Fortsätze in den Vor-derwurzeln, den Nervenplexus und den Einzelner-ven, lösen ebenfalls Lähmungen aus, aber miteinem schlaffen Muskeltonus, erloschenen Mus-keldehnungsreflexen und rasch einsetzender Mus-kelatrophie.

Die krankengymnastische und physiotherapeu-tische Behandlung zentraler, also spastischer,und peripherer, also schlaffer, atrophisierenderLähmungen ist aus grundsätzlichen Erwägungensehr verschieden. Bei den zentralen spastischenLähmungen wird man neben dem motorischenTraining versuchen, die Spastik zu lösen. Bei peri-pheren schlaffen Lähmungen wird es mehr aufMuskelaufbau und Therapie von begleitenden va-

Tractusspinothalamicusanterior

Tractus gracilisu. cuneatus

Nucleus gracilisNucleus cuneatus

Lemnicus medialis

Lemnicus lateralis

Mesenzephalon

Thalamus dorsalis

Großhirn

parietale Hirnrinde

Tractusspinothalamicuslateralis

Medullaoblongata

Pons

Mark

Fasern für Schmerz u. TemperaturFasern der protopathischen SensibilitätFasern der taktilen Sensibilität und derbewussten Tiefensensibilität

Abb. 1.3 Das sensible System.

Entstehung und Entwicklung 7

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somotorischen, also Durchblutungsstörungen an-kommen.

Vegetatives (autonomes) System

Die Funktionen des vegetativen Systems gesche-hen weitgehend, aber keineswegs vollständig un-bewusst und „autonom“ und betreffen die Steue-rung und Kontrolle der „inneren Organe“, alsovor allem von Herzkraft und Herzfrequenz, Blut-druck und Blutverteilung, Atmung, Wärmehaus-halt, Magen-Darm-Tätigkeit, Harnentleerung, Se-xualität und Drüsensekretion. In der Haut, demwichtigsten Empfängerorgan der Bindegewebs-massage, kommen neben der Durchblutungsregu-lation noch Schweißsekretion und Gänsehautbil-dung (das Haaresträuben oder die Piloarektion)

hinzu. Das Gesamtsystem wird in 3 Subsystemegegliedert:& das sympathische,& das parasympathische und& das intramurale System (in den Wandstrukturen

der Hohlorgane).Die 3 Teile befinden sich in einem fein abgestimm-ten, mobileartigen dynamischen Gleichgewicht,das je nach Lebenserfordernis und Leistungsanfor-derung moduliert wird.

Die zentralen sympathischen und parasympa-thischen Bahnen entspringen vor allem im Hypo-thalamus, der seinerseits dem übergeordneten re-gelnden Einfluss des limbischen Systems (fürTriebe, Affekte und Gefühle) und des Großhirns(für zielgerichtetes rationales Denken und Han-deln, abwägendes Entscheiden) unterliegt. Die

vordere Zentralwindung

Globus pallidus

Tractus corticospinalis

Olive

Pyramide

Pyramidenbahnkreuzung

Pyramidenvorderstrang

1. motorisches Neuron

Interneuron

2. motorisches Neuron

Pyramidenbahn

Thalamus

innere Kapsel

Nucleus caudatus

Mittelhirn

Tractus corticonuclearis

Hirnnervenkerne

Brücke

Medulla oblongata

Pyramidenseitenstrang

motorischeEndplatte

quergestreifterMuskel

1. Rücken-marknerv

Abb. 1.4 Die Pyramidenbahn.

8 1 Grundlagen

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hinteren Zellansammlungen des in der Tiefe desGehirns gelegenen Hypothalamus schicken diesympathischen, die vorderen Zellgruppen die pa-rasympathischen Bahnen zum unteren Hirnstammund zum Rückenmark. Die parasympathischen Im-pulse gelangen vom Hirnstamm über die entspre-chenden Hirnnerven zu den Organen, wobei derVagusnerv das ausgedehnteste Versorgungsgebiethat und die überragende Rolle spielt. Die parasym-pathischen Nerven für das Harn-, Enddarm- undGenitalsystem entspringen aus dem Kreuzbeinteildes Rückenmarks (Abb. 1.5 und 1.6).

Die sympathischen Fasern für die Organe verlas-sen das Rückenmark über die motorischen Vorder-wurzeln zwischen dem letzten Halssegment (C8)

und dem 2. Lendensegment (L2), ziehen zum so ge-nannten Grenzstrang des Sympathikus zu Seitender ganzen Wirbelsäule, werden dort zur Versor-gung des Körpers noch umverteilt und ziehendann mit den Blutgefäßen zu den inneren Organenund mit den sensiblen Nerven zur Haut. In derHaut versorgen sie jeweils das gleiche Territoriumwie der sie begleitende sensible Nerv. Hier inner-vieren sie die Blutgefäße (verengende Wirkung),die Schweißdrüsen (Sekretion) und die Haarauf-richtemuskeln (Gänsehautbildung). Der Grenz-strang, den die Fasern durchlaufen, ist so aufge-baut, dass eine starke Aufsplitterung und dannNeuverteilung der Fasern erfolgt, damit die Kör-perzonen oberhalb des 8. Zervikalsegments und

Sympathikus Erfolgsorgan

Auge

Kopfgefäße

Herz

Lunge

Magen

Leber

Pankreas

Niere

Darm

Rektum

Ganglion mesentericum inferius

Ganglion mesentericum superius

Ganglioncoeliacum

Ganglion stellatum

Grenzstrang

Ganglioncervicalesuperius

parasympathischeKopfganglien

N. facialis N. oculomotorius

N. glossopharyngeus

N. vagusorgannaheparasympathischeGanglien

Hirnstammmit parasympa-

thischenKerngebieten

Th 1

Th 2

Th 3

Th 4

Th 5

Th 6

Th 7

Th 8

Th 9

Th 10

Th 11

Th 12

L 1

L 2

S 2S 3S 4

Blase

Genitale

Plexushypogastricus

prävertebraleGanglien

Tränen- undSpeicheldrüsen

Parasympathikus

Abb. 1.5 Das vegetative (autonome System).

Entstehung und Entwicklung 9

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unterhalb des 2. Lumbalsegments noch mitver-sorgt werden können. Andererseits bewirkt ereine vielsegmentale Überlappung der sympathi-schen Innervationszonen der Haut, sodass seg-mentale Reize eine breitflächige vielsegmentaleWirkung auslösen. Dies ist ein Grund für die sog.Fernwirkungen von Bindegewebsmassage (Abb.1.7).

Das sog. intramurale System ist ein komplexesNetzwerk aus Zellen und Nervenfasern in derDarmwand (von lat. murus = die Mauer/dieWand), den Wandungen der Harnblase und der

Harnwege, den Genitalorganen, aber auch demHerzen und den Gefäßen, den Bronchien und ande-ren Strukturen der inneren Organe. Es funktioniertweitgehend unabhängig vom sonstigen Nerven-system, wird aber gleichwohl auch erheblich vonübergeordneten sympathischen und parasympa-thischen Einflüssen moduliert.

Wie oben schon angedeutet, ist die globale sym-pathische Erregung von der globalen parasympa-thischen Erregung zu unterscheiden, wobei jeweilsdie psychischen, die motorischen und die vegeta-tiven Komponenten gleichzeitig und gleichsinnig

Ganglionmesentericumiferior

sym-pathischeEfferenzen

Nn. splanchnici pelvini(Nn. erigentes)

Grenzstrang

Ganglioncoeliacum

Ganglionmesentericumsuperior

Nn. vagi

Th 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

L 1

S 2

3

4

2

Abb. 1.6 Sympathische und parasympathischeInnervation des Magen-Darmtraktes.

10 1 Grundlagen