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27.6 Diagnostik und Differenzialdiagnostik zerebraler Durchblutungsstörungen Das typi- sche Bild der Großhirninfarkte ist das moto- rische oder sensomotorische Halbseitensyn- drom mit oder ohne Aphasie. Oft schwierig zu erkennen sind die selteneren isolierten Kleinhirninfarkte mit einer ipsilateralen Ata- xie und zerebellären Dysarthrie. Das klassische Syndrom der Hirnstammin- farkte ist die Hemiplegia alternans (S. 132), häufiger jedoch prägen dabei allgemeine Hirnstammsymptome wie Hinterkopf- schmerzen, Nystagmus, Schwindel, Doppel- bildersehen, Ataxie und Dysarthrie das klini- sche Bild. Bei Verschluss der A. basilaris entwickelt sich zunächst ein ventrales Pons- syndrom mit Tetraplegie, Pseudobul- bärparalyse und evtl. mit einem „Locked-in- Syndrom“, dann treten mit fortschreitender Erweichung tiefes Koma und rascher Tod ein. Der Hirninfarkt stellt sich im CCT als hypodense Zone dar, nicht sofort, sondern frühestens nach weni- gen Stunden. Später kommt es zu typischen Demarkierungen (siehe Abb. 27.12). Nach Kontrastmittelgabe zeigt das Infarktareal im CCT späterhin eine Dichteanhebung (sog. Luxusperfusion) als Auswirkung einer Schrankenstörung. Noch früher als im CCT lassen sich ischämische Bezirke mit der Kernspintomographie darstellen. Ergibt das CCT einen Befund, der für das Vorliegen einer Makroangiopathie spricht, ist mit Dopplersonographie und bildgeben- der Diagnostik (Angiographie) nach zuvor erfolgtem Ausschluss kardiogener Embolie- quellen nach der Lokalisation von Stenosen, atheromatösen Plaques oder Verschlüssen in den extra- und intrakraniellen Bereichen der großen Hirnarterien zu suchen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gelehrt, dass die CCT/MRI- Befunde bei Hirn- infarkten eine differenziertere Klassifizie- rung des Infarkttyps ermöglichen. So ist es möglich geworden, anhand des CCT/MRI- Befundes zwischen Mikro- und Makroangio- pathien zu unterscheiden (Abb. 27.13). Im Einzelfall lassen die CCT-Befunde allein jedoch keine eindeutigen Rückschlüsse auf die pathogenetische Entwicklung (embo- lisch–nichtembolisch) zu. Hier ist vielmehr eine Zuordnung zur Anamnese, zum klini- schen Befund und zu dopplersonographi- schen (evtl. auch zur transkraniellen Dopp- lersonographie!), zu angiographischen sowie internistischen Befunden erforderlich. Differenzialdiagnosen der zerebralen Ischämie Intrazerebrale Blutungen (Enzephalorrhagien) Ungefähr 15 % aller apoplektischen Insulte liegt eine Hirnblutung zugrunde. Hauptsitz der hypertensiven Hirnblutung ist die Putamen-Claustrum-Region, die zum Versorgungsgebiet der Aa. lenticulostriatae gehört, während kleinere (Kugel-)Blutungen vorwiegend in der Großhirnrinde anzutref- fen sind. Die häufigste Ursache der intraze- rebralen Massenblutung ist die chronische arterielle Hypertonie, welche zur Rhexis- blutung aus Mikroaneurysmen führt. Des Weiteren kommen Angiome und Makro- aneurysmen ätiologisch in Betracht, eben- falls Tumoren, Blutkrankheiten, chronischer Vitamin-B 1 -Mangel und entzündliche Gefäß- krankheiten. Rezidivierenden, multilokulä- ren Blutungen liegt häufig eine Amyloidan- giopathie (kongophile Angiopathie) zugrun- de. Auch als Komplikation einer Antikoagu- lantientherapie kann eine Hirnblutung auf- treten. 310 27 Zerebrale Durchblutungsstörungen Delank, Neurologie (ISBN 3131297719), © 2006 Georg Thieme Verlag

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27.6 Diagnostik undDifferenzialdiagnostikzerebralerDurchblutungsstörungen

Das typi-sche Bild der Großhirninfarkte ist das moto-rische oder sensomotorische Halbseitensyn-drom mit oder ohne Aphasie. Oft schwierigzu erkennen sind die selteneren isoliertenKleinhirninfarkte mit einer ipsilateralen Ata-xie und zerebellären Dysarthrie.

Das klassische Syndrom der Hirnstammin-farkte ist die Hemiplegia alternans (S. 132),häufiger jedoch prägen dabei allgemeineHirnstammsymptome wie Hinterkopf-schmerzen, Nystagmus, Schwindel, Doppel-bildersehen, Ataxie und Dysarthrie das klini-sche Bild. Bei Verschluss der A. basilarisentwickelt sich zunächst ein ventrales Pons-syndrom mit Tetraplegie, Pseudobul-bärparalyse und evtl. mit einem „Locked-in-Syndrom“, dann treten mit fortschreitenderErweichung tiefes Koma und rascher Tod ein.

Der Hirninfarktstellt sich im CCT als hypodense Zone dar,nicht sofort, sondern frühestens nach weni-gen Stunden. Später kommt es zu typischenDemarkierungen (siehe Abb. 27.12). NachKontrastmittelgabe zeigt das Infarktareal imCCT späterhin eine Dichteanhebung (sog.Luxusperfusion) als Auswirkung einerSchrankenstörung. Noch früher als im CCTlassen sich ischämische Bezirke mit derKernspintomographie darstellen.

Ergibt das CCT einen Befund, der für dasVorliegen einer Makroangiopathie spricht,ist mit Dopplersonographie und bildgeben-der Diagnostik (Angiographie) nach zuvorerfolgtem Ausschluss kardiogener Embolie-quellen nach der Lokalisation von Stenosen,atheromatösen Plaques oder Verschlüssen inden extra- und intrakraniellen Bereichen dergroßen Hirnarterien zu suchen.

Die Erfahrungen der letzten Jahre habengelehrt, dass die CCT/MRI- Befunde bei Hirn-infarkten eine differenziertere Klassifizie-rung des Infarkttyps ermöglichen. So ist esmöglich geworden, anhand des CCT/MRI-Befundes zwischen Mikro- und Makroangio-pathien zu unterscheiden (Abb. 27.13).

Im Einzelfall lassen die CCT-Befunde alleinjedoch keine eindeutigen Rückschlüsse aufdie pathogenetische Entwicklung (embo-lisch–nichtembolisch) zu. Hier ist vielmehreine Zuordnung zur Anamnese, zum klini-schen Befund und zu dopplersonographi-schen (evtl. auch zur transkraniellen Dopp-lersonographie!), zu angiographischensowie internistischen Befunden erforderlich.

Differenzialdiagnosen derzerebralen Ischämie

Intrazerebrale Blutungen(Enzephalorrhagien)

Ungefähr 15 % aller apoplektischen Insulteliegt eine Hirnblutung zugrunde.

Hauptsitz der hypertensiven Hirnblutungist die Putamen-Claustrum-Region, die zumVersorgungsgebiet der Aa. lenticulostriataegehört, während kleinere (Kugel-)Blutungenvorwiegend in der Großhirnrinde anzutref-fen sind.

Die häufigste Ursache der intraze-rebralen Massenblutung ist die chronischearterielle Hypertonie, welche zur Rhexis-blutung aus Mikroaneurysmen führt. DesWeiteren kommen Angiome und Makro-aneurysmen ätiologisch in Betracht, eben-falls Tumoren, Blutkrankheiten, chronischerVitamin-B1-Mangel und entzündliche Gefäß-krankheiten. Rezidivierenden, multilokulä-ren Blutungen liegt häufig eine Amyloidan-giopathie (kongophile Angiopathie) zugrun-de. Auch als Komplikation einer Antikoagu-lantientherapie kann eine Hirnblutung auf-treten.

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Das klinische Bild der Hirn-massenblutung unterscheidet sich von demdes Hirninfarktes vor allem durch die Hoch-druckanamnese, die meist akut einsetzendeschwere Bewusstseinsstörung und den häu-fig (durch Blutungseinbruch in die Liquor-räume) blutigen Liquor. Sehr ausgeprägt sind

in der Regel die zerebralen Herdsymptomemit (zunächst schlaffer) Halbseitenlähmung,evtl. Aphasie, Déviation conjuguée (Patient„schaut“ den Blutungsherd an) und Pupillen-erweiterung auf der Herdseite. Auch epilep-tische Anfälle können in der akuten Phaseauftreten.

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KapfhammerGündel

Abb. 27.12 3 Wochen alter A.-cerebri-media-Totalinfarkt im CCT in mehreren Schichten. DasInfarktareal demarkiert sich deutlich.

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� Schlagartige Trias bei intrazerebraler Mas-senblutung:� Bewusstseinsstörung� Hemiplegie� Déviation conjuguée �

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Zerebrale Mikroangiopathien

a (multiple) lakunäre Infarkte

umschriebene, hypodense Defekte im Versorgungsgebiet kleinerer intrazerebraler Arterien

b subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (M. Binswanger)

lakunäre Infarkte und zusätzlichdiffuse, periventrikulär betonte Dichteminderung der weißen Substanz sowie mäßige, allgemeine Hirnatrophie

Zerebrale Makroangiopathien

c Endstrominfarkte

unterschiedlich große, hypo-dense Areale im terminalen Versorgungsgebiet der langen, penetrierenden Markarterien, streng subkortikal!

d Grenzzoneninfarkte

hypodense Areale auf der „Wasserscheide“ zwischen zwei großen Gefäßterritorien; hier: rechts: zwischen A. cerebri ant. und A. cerebri medialinks: zwischen A. cerebri media und A. cerebri post.

e Territorialinfarkte

mehr oder weniger große hypo-dense Areale im Versorgungs-bereich der großen Hirnarterien (Pia-Arterien) oder deren größerer Ästelinks: A. cerebri media-Äste-Infarkterechts: Infarkt des gesamtenMediaterritoriumsunten: A. cerebri ant.-undA. cerebri post.-Infarkte

Abb. 27.13 Klassifizierung des Infarkttypsanhand des CCT/MRT-Befundes (modifiziertnach E. B. Ringelstein [Fortschr. Neurolog.Psychiat. 53, 1985]).

a

b

Abb. 27.14 Hypertensive intrazerebrale Mas-senblutung mit Ventrikeleinbruch.a CCT-Aufnahme.b Sektionsbefund.

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Die einzig sichere Möglichkeitzur Differenzierung zwischen einem Hirnin-farkt und einer intrazerebralen Blutung gibtjedoch das CCT: hypodenses Areal beimInfarkt (nach wenigen Stunden) – hyperden-ses Blut-Areal (unmittelbar nach dem Insult)bei einer intrazerebralen Blutung, das mehroder weniger raumfordernd wirkt (Abb.27.14).

Die der Massenblutung ist erheb-lich schlechter als die des Hirninfarktes. BeiBlutungen in der Capsula interna beträgt dieFrühletalität etwa 80 %. Die meisten Patien-ten sterben innerhalb der ersten drei Tagedurch einen Ventrikeleinbruch der Blutung(Ventrikeltamponade), der klinisch zu Koma,Tetraplegie, Streckkrämpfen, zentralen Regu-lationsstörungen und blutigem Liquor führt,oder durch ein rasch progredientes perifoka-les Hirnödem und einer dabei eintretendenMittelhirneinklemmung im Tentorium-schlitz. Die CCT hat in den letzten Jahrengelehrt, dass Einblutungen in das Ventrikel-system aber auch überlebt werden können.

Neben einer konservativenBehandlung, mit der vor allem die intrakra-nielle Drucksteigerung bekämpft, der Blut-druck normalisiert, die vitalen Funktionenstabilisiert und die Herzkraft gestärkt wer-den müssen, ist eine operative Ausräumungdes Hämatoms in Erwägung zu ziehen. Aller-dings ist das Operationsergebnis bei denperakuten Verläufen und insbesondere beiden Hirnstammblutungen erfahrungsgemäßsehr schlecht. Die einzig immer akute Opera-tionsindikation stellen raumfordernde Klein-hirnblutungen dar.

Spontane Subarachnoidalblutung (SAB

Auch eine spontane Blutung in den Sub-arachnoidalraum kann einem akuten Schlag-anfall – vor allem im jüngeren und mittlerenLebensalter – zugrunde liegen.

Die Blutungsquelle bilden in überder Hälfte der Fälle sackförmige Aneurys-men, welche ganz vorwiegend (zu 90 %) imStromgebiet der A. carotis und hier vor alleman der Hirnbasis liegen. Als weitere Blu-tungsursache kommen Angiome und anderearteriovenöse Missbildungen, primär intra-zerebrale Blutungen, Tumoren (auch spinaleTumoren und Angiome!), Blutkrankheiten,Antikoagulantien, Avitaminosen und Hirnve-nen- bzw. Sinusthrombosen in Betracht.Neben den kongenitalen, sackförmigenAneurysmen können sich – sehr viel selte-ner – fusiforme, segmentale Hirngefäßer-weiterungen auch auf dem Boden einererworbenen (arteriosklerotischen) Gefäß-wanderkrankung entwickeln. MykotischeAneurysmen der Hirnarterien, die auf einerbakteriellen Infektion der Arterienwandnach septischer Hirnembolie beruhen, kön-nen ebenso wie traumatische Aneurysmenselten Ursache einer Subarachnoidalblutungsein.

Die der SAB, die in der Regelplötzlich aus völliger Gesundheit heraus auf-treten, sind:� schlagartig einsetzende, heftigste Kopf-

schmerzen, vorwiegend in der Nacken-,aber auch in der Stirnregion;

� Meningismus mit Nackensteifigkeit undpositivem Lasègue-, Kernig- und Brudzins-ki-Zeichen;

� Übelkeit und Erbrechen;� mehr oder weniger ausgeprägte Bewusst-

seinsstörungen, evtl. Krampfanfälle;� evtl. Anstieg von Temperatur und Blut-

druck und Auftreten weiterer zentral-vegetativer Regulationsstörungen.

Häufige Vorboten einer Aneurysmablu-tung sind Kopfschmerzen und Augenmus-kellähmungen, evtl. unter dem Bild einerophthalmoplegischen Migräne, während derAngiomblutung nicht selten neben migräne-artigen Kopfschmerzen und zerebralen

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Herdsymptomen auch epileptische Anfällevorausgehen.

Auslösende Faktoren, wie Heben schwererLasten, Defäkation, Bücken, Husten oderKoitus, werden in ihrer Bedeutung vielfachüberschätzt, denn in 2

3 der Fälle tritt die Sub-arachnoidalblutung bei völliger Ruhe auf.

Eine Graduierung des klinischen Bildeskann nach dem Schema von Hunt und Hesserfolgen (Tab. 27.3).

Herdsymptome können auch durch lokaleZirkulationsstörungen infolge der durch dieSAB ausgelösten Gefäßspasmen (gelegent-lich angiographisch oder vor allem mit der

transkraniellen Dopplersonographie fass-bar!) bedingt sein.

Die diagnostische Klärungerfolgt durch das CCT/MRI (Abb. 27.15) und/oder den Nachweis eines autochthon bluti-gen Liquors (S. 176). Zu beachten ist, dassdas CCT bei Subarachnoidalblutungen dortversagen kann, wo diese nur gering odernach einigen Tagen schon wieder ausgewa-schen sind. In diesen Fällen ist die Liquorun-tersuchung unerlässlich.

Die Angiographie (Abb. 27.16–27.18) sollteso bald wie möglich, jedoch nicht vor beste-hender Operationsfähigkeit des Patientenerfolgen, also erst nach Stabilisierung dervitalen Funktionen.

Auch sollte vor einer Angiographie mit dertranskraniellen Dopplersonographie einVasospasmus ausgeschlossen werden, da

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Tab. 27.3 Klinische Graduierung der SAB nachHunt und Hess

Grad I:

� asymptomatisch oder leichter Kopfschmerz� leichte Nackensteifigkeit

Grad II:

� mäßiger bis heftiger Kopfschmerz� Meningismus� keine neurologischen Ausfälle� ggf. Hirnnervenausfälle

Grad III:

� Bewusstseinstrübung� Verwirrtheit� leichte neurologische Ausfälle

Grad IV:

� Sopor� mäßige bis schwere Hemiparese� vegetative Störungen

Grad V:

� tiefes Koma� Strecksynergismen� schwerste vegetative Störungen

Abb. 27.15 Subarachnoidalblutung im CCTmit hyperdensen Arealen im Bereich der basa-len Zisterne sowie entlang der vorderen undmittleren Hirnarterien.

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dieser durch die Angiographie verstärkt oderauch ausgelöst werden kann.

In jüngster Zeit wird von Neurochirurgenauf eine computertomographische bzw.angiographische Suche der Blutungsquellenoch am Blutungstag gedrängt, weil opera-tionstechnische Verbesserungen wie Mikro-chirurgie, Spezialclips und bipolare Koagula-

tion eine risikoarme Frühoperation erlaubenund somit verhängnisvolle Komplikationen(Zweitblutungen und Spasmen der Hirngefä-ße) verhindern können. Eine Frühoperationim Stadium IV und V nach Hunt und Hess istjedoch kontraindiziert. Dieses Vorgehen ent-spricht inzwischen der Auffassung der meis-ten neurochirurgischen Kliniken.

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Abb. 27.17 Großes Aneurysma der A. cerebrimedia, digitale Subtraktionsangiographie

Abb. 27.18 Angiom der A. cerebri media,Angiographie

a

b

Abb. 27.16 Aneurysma der A. cerebri medialinks.a Digitale Subtraktionsangiographie.b In der T2-gewichteten MRT-Aufnahme stelltsich das Aneurysma als hypodenses Areal dar.

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In nicht seltenen Fällen entziehtsich ein Aneurysma der radiologischen Dar-stellung, weil es bei der Ruptur zerstört oderhernach thrombotisch verschlossen wurde.Gelingt der Nachweis eines Aneurysmasoder eines Angioms, ist grundsätzlich alsbalddie Möglichkeit einer operativen Beseiti-gung der Blutungsquelle zu erörtern, dennAneurysma- und Angiomblutungen besitzenzweifelsohne eine ausgeprägte Rezidivnei-gung. Anstelle einer neurochirurgisch-ope-rativen Entfernung von intrakraniellenAneurysmen und Angiomen kann neuer-dings in Einzelfällen auch eine interventio-nelle neuroradiologische Ausschaltung die-ser Blutungsquellen mittels superselektiverKathetertechnik angestrebt werden.

Zu den allgemeinen Behandlungsmaß-nahmen im akuten Krankheitsstadium derSubarachnoidalblutung gehören strikte Bett-ruhe, Schmerzbekämpfung, Vermeidung vonHusten und Pressen, Sedativa bei motori-scher Unruhe und Stabilisierung der Herz-Kreislauf-Situation, vor allem Senkung hoherBlutdruckwerte.

Zur Prophylaxe und Therapie der meistvom 3.–10. Tag nach der Blutung stärkerenVasospasmusneigung wird mit guten Erfol-gen der Kalziumantagonist Nimodipin gege-ben. Dauer und Ausmaß des Vasospasmusund die dadurch bedingte Behandlungsbe-dürftigkeit lassen sich gut mit der transkra-niellen Dopplersonographie erfassen.

Die Letali-tät der Aneurysmablutung ist hoch. Fast dieHälfte der nicht operierten Kranken stirbtin den ersten 4 Wochen nach der Blutung,meist durch Rezidivblutungen. Gefürchtete,aber seltene Spätfolgen nach Subarachnoi-dalblutungen sind der bereits erwähnteHydrocephalus aresorptivus (S. 220 f. u. 288)sowie Hirninfarkte durch Vasospasmus.

� Komplikationen nach Subarachnoidal-blutung:früh:� Blutungsrezidiv� Hirninfarkt („vasospastische Ischämie“)spät:� Hydrocephalus aresorptivus �

Hirnvenen- und SinusthrombosenThrombosen der Sinus und intrakraniellenVenen sind weitere wichtige Hirngefäß-krankheiten.

Sie entwickeln sich entweder pri-mär als blande Thrombosen (z. B. bei Gerin-nungsstörungen) oder fortgeleitet von eitri-gen Prozessen, vorwiegend aus dem Ohr-Nasen-Bereich, als septische Thrombosen

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Tab. 27.4 Ursachen der Hirnvenen- undSinusthrombosen

bei blanden Thrombosen:

� Schwangerschaft und Wochenbett

� Blutkrankheiten

� Allgemeininfektionen

� Schädel-Hirn-Traumen

� intrakranielle Tumoren

� Rechtsherzinsuffizienz

� Kachexie

� erhöhte Thromboseneigung(auch durch Ovulationshemmer)

� Neoplasien

� Hypertonie

bei septischen Thrombosen:

� Infektionen im Ohrbereich

� Infektionen der Nasennebenhöhlen

� Infektionen im Gesicht und an der Kopfhaut

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(Tab. 27.4). Der Ablauf der Erkrankung wirdmaßgeblich vom Grundleiden bestimmt.

� Jugularisthrombosen mit nachfolgenderThrombose des Sinus sigmoideus/transversussind auch gefürchtete Komplikationen einesJugulariskatheters. �

In den Quellgebieten der thrombosiertenHirnvenen kommt es zu Abflussstauungen,diapedetischen Blutungen und schließlich zuhämorrhagischen Infarkten. Diese Infarktewerden von einem Ödem begleitet, das inder Mehrzahl der Fälle zu einer rasch pro-gredienten intrakraniellen Drucksteigerungführt.

Der zunehmende Hirndruckbestimmt im Wesentlichen auch die Allge-meinerscheinungen der Hirnvenen- bzw.Sinusthrombosen, zu denen Kopfschmerzen,Übelkeit, Erbrechen, Nackensteifigkeit, Be-wusstseinsstörungen, Papillenschwellungoder Stauungspapille, evtl. auch fokale odergeneralisierte Anfälle gehören. Häufig sindauch Temperatursteigerungen, Leukozytose,Beschleunigung der Blutsenkung sowie inetwa 50 % der Fälle blutiger oder xantho-chromer Liquor zu finden. Der Hirndruckkann schließlich zu einer Tentoriumein-klemmung mit allen Folgen führen.

Darüber hinaus sind zerebrale Herdsymp-tome anzutreffen, die vom Ort der venösenStrombahnbehinderung bestimmt werden.

Die diagnostische Klärung er-folgt mit neuroradiologischen Untersu-chungsmethoden (Abb. 27.19). Der kenn-zeichnende CCT-Befund bei einer Sinus-sagittalis-superior-Thrombose ist ein „EmptyTriangle Sign“ nach Kontrastmittelgabe, d. h.eine Aussparung im deltaförmigem Conflu-ens sinuum auf den transversalen Schnittbil-dern. Weitere, auf eine Sinusvenenthrom-bose verdächtige CCT-Auffälligkeiten sind

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a

b

Abb. 27.19 Thrombose des Sinus sagittalissuperior bei einer 31-jährigen Patientin.a T1-gewichtete transversale Spinechose-quenz. Signalreiche Darstellung des hinterenSinus sagittalis superior (Pfeilspitzen) als Hin-weis auf die Thrombose.b Selektive Karotisangiographie rechts: Bestäti-gung der Diagnose. Füllungsdefekt des Sinussagittalis superior (Pfeilspitzen). Ausgeprägtervenöser Umgehungskreislauf.

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vermehrte Kontrastmittelanreicherungen imParenchym entlang der Sinus, Stauungs-ödeme, Blutungen und ein „gyrales En-hancement“, d. h. eine girlandenförmigeKontrastmittelanreicherung in einzelnenHirnwindungen.

Für die Symptomatik der Sinusthromboseist grundsätzlich das Übergreifen der Throm-bose auf die vorgeschalteten Hirnvenen unddie sich daraus entwickelnden Infarktbezirkeentscheidend. So können lokal begrenzteThrombosen des Sinus sagittalis superior (imvorderen Drittel) oder des Sinus transversusauch nur spärliche klinische Erscheinungenhervorrufen oder gar symptomlos bleiben.Thrombosen des Sinus cavernosus bieten inder Regel eine sehr typische Herdsymptoma-tik mit Protrusio bulbi, Lidschwellung,Schmerzen im Auge, Stauungspapille,Venenstauung und Blutungen am Augenhin-tergrund und schließlich auch eine Ophthal-moplegia totalis als Folge einer Schädigungdes III., IV. und VI. Hirnnervs im Sinus caver-nosus (vergleiche auch Carotis-Sinus-caver-nosus-Fistel S. 153 u. 287 f.).

Die der venösen zerebralenThrombosen erfordert eine Behandlung desHirnödems und schon bei Verdacht auf einseptisches Geschehen eine antibiotischeBehandlung, evtl. auch Gabe von Antikonvul-siva. Eine so rasch wie möglich einsetzendeAntikoagulantientherapie, anfänglich mitHeparin (initialer Bolus von 5000 IE,anschließend i. v.-Heparingabe bis zum 2-bis 3-fachen PPT-Wert), später mit Cumarin-derivaten, ist nach heutigen Erkenntnissenunverzichtbar. Bei septischen Thrombosenist darüber hinaus evtl. eine chirurgischeBehandlung der Quellregion notwendig.

27.7 Therapie zerebralerDurchblutungsstörungen

Das therapeutische Bemühen bei den zere-bralen Durchblutungsstörungen muss sichan dem multifaktoriellen Bedingungsgefügeihrer Ätiopathogenese orientieren und hatdaher eine exakte diagnostische Analyse derUrsachenfaktoren des Einzelfalles zur Vor-aussetzung. Therapeutische Leitlinien sind:

Behandlung in der Akutphase

� Therapeutische Aufgaben beim akutenHirninfarkt:� Herzleistung verbessern;� Atemsituation optimieren;� Blutdruck stabilisieren (auf hohem

Niveau);� evtl. in den ersten Stunden Lysetherapie;� Hämodilution;� Hirnödem verhindern (bzw. behandeln);� Fiebersenkung;� Blutzuckernormalisierung;� evtl. Exsikkosebehandlung;� evtl. Anfälle behandeln. �

In der Akutphase eines Schlaganfalls lässtsich – mit Ausnahme einer nur Minutenbestehenden TIA, die bereits vor Eintreffendes Arztes wieder abgeklungen sein kann –oft nicht entscheiden, ob sich die Ausfällerasch, allmählich oder gar nicht zurückbil-den werden. Erst der Verlauf gibt dann dieMöglichkeit zu einer Differenzierung zwi-schen einem transitorischen Geschehen undeinem voll ausgebildeten Hirninfarkt. Auchdie Kardinalfrage Hirninfarkt oder Hirnblu-tung lässt sich ohne CCT in der Akutphasehäufig nicht mit ausreichender Sicherheitbeantworten. Wegweisend für diese thera-peutisch und prognostisch bedeutsame Dif-ferenzialdiagnose können sein:

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Für die weitere wichtige Frage, ob es sich umeinen Hirninfarkt durch Arterienthromboseoder Hirnembolie handelt, können zunächstebenfalls klinisch nur Faustregeln helfen:

Den Erfordernissen des Einzelfalls entspre-chend sind folgende therapeutische Maß-nahmen beim ischämischen Hirninfarktsinnvoll:� Allgemeinmaßnahmen, Kopfhochlage-

rung, Freihalten der Atemwege, evtl. Beat-mung (Vermeidung von Hypoxien).

� Fiebersenkung.� Blutzuckereinstellung.� Herzinsuffizienzbehandlung nach kardio-

logischen Gesichtspunkten.� Vorsichtige Blutdrucksenkung, wenn der

Blutdruck über 220/120 mmHg liegt(„Erfordernishochdruck“). Hierzu eignensich z. B. Urapidil oder Nitrospray.

� Behandlung hypotoner Krisen, z. B. durchvermehrte Flüssigkeitszufuhr intravenösoder Gabe von Dopamin.

� Thromboseprophylaxe, vor allem beiParalysen durch Anlegen von Antithrom-

bosestrümpfen und Gabe von Heparin inniedriger Dosierung (Low-Dose-Heparini-sierung), falls keine Antikoagulation er-folgt.

� Innerhalb eines Zeitfensters von etwa3 Stunden zwischen dem Ereignis undBeginn der Therapie ist eine i. v.- oder i. a.-Thrombolyse im Karotiskreislauf in Ein-zelfällen möglich, bei der i. a.-Thrombolyseauch etwas später, wobei jedoch ein Zeit-fenster von 6 Stunden nicht überschrittenwerden darf. Wenn eine Thrombolysenicht möglich ist, wird die Gabe von Ace-tylsalicylsäure (z. B. 100 mg) empfohlen.Bei einer Basilaristhrombose wird wegender schlechteren Prognose des Spontan-verlaufs auch noch später, d. h. nach Ablaufvon 6 Stunden, in Einzelfällen eine Throm-bolyse durchgeführt, insbesondere beiprogredienter Symptomatik.

� Nicht selten wird auch eine Vollheparini-sierung empfohlen, z. B. bei kardialerEmboliequelle, Dissektion der hirnzufüh-renden Gefäße oder progredienter Symp-tomatik im Hirnstammbereich, jedochauch bei rezidivierenden TIAs bis zur Klä-rung der zugrundeliegenden Pathogenesebzw. auch bei hochgradigen Stenosen derhirnzuführenden Gefäße bis zum Zeit-punkt der operativen Intervention (beiInfarkt etwa 3–4 Wochen nach Insultbe-ginn).

� Bei einem raumfordernden Mediainfarktkann auch eine Hemikraniektomie zurDekompression hilfreich sein. Kleinhirnin-farkte mit raumfordernder Wirkung soll-ten neurochirurgisch behandelt werden.

� Rheologische Maßnahmen zur Verbesse-rung der Blutfließeigenschaften oder zurBlutviskositätserniedrigung werden außerim Rahmen einer Hypotonie- oder Exsik-kosebehandlung heute kritisch gesehen.

27.7 Therapie zerebraler Durchblutungsstörungen 319

Symptomvorausge-gangene TIABeginnKopfschmerzVigilanz-störungHypertonie

Hirninfarkt+

in Ruhe(+)(+)

(+)

Hirnblutung(+)

bei Aktivität++++

++

Vor-erkran-kungen

Beginnepilepti-scheAnfälle

Thrombose� Hypertonie� Arterio-

sklerose� Diabetes

mellitussubakutselten

Hirnembolie� Herzfehler� Herzrhythmus-

störungen� Endokarditis� Immunopathienakuthäufiger

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Behandlung in der postakutenPhase

Neben der medikamentösen Weiterbehand-lung von eventuellen Störungen der Herz-tätigkeit und des Blutdrucks steht einekonsequente tägliche Physiotherapie im Vor-dergrund, auch unter dem Gesichtspunkt derFrührehabilitation. Der Behandlungsplankonzentriert sich insbesondere auf eine frü-he Mobilisierung des Patienten mit Bewe-gungsübungen, Gehschule, Schulung derSelbstständigkeit in Alltagsverrichtungen,Aphasiebehandlung und medikamentöseMinderung einer entstehenden Spastizitätder paretischen Extremitäten neben einerspeziellen Physiotherapie, z. B. nach Bobath.

InErwägung zu ziehen ist ferner eine medika-mentöse Sekundärprophylaxe. Genannt sei-en hier:� Thrombozytenaggregationshemmung, in

erster Linie Acetylsalicylsäure, die unver-züglich nach Eintreten des Insultes, außerbei Vollheparinisierung, indiziert ist,wobei Dosen zwischen 100 und 300 mg/Tag gegeben werden. Bei Kontraindikationsollte eine Behandlung mit Clopidogrelerfolgen.

� Antikoagulanzientherapie mit Cumarinenist bei zerebralen Insulten umstritten,außer bei kardiogenen Embolien (z. B. imRahmen einer absoluten Arrhythmie) undbei Dissektion der hirnversorgenden Arte-rien, falls keine ausgeprägte zerebraleMikroangiopathie vorliegt. In Einzelfällenwird bei Mehrfach-Stenosen, die einerOperation oder einer Stent-Behandlungzugänglich sind, auch eine Behandlungmit Cumarinen diskutiert.

Behandlung der chronischenzerebralenDurchblutungsstörungen

Auch hier muss zunächst – wo erforderlich –die Behandlung einer Herzinsuffizienz, einerHypertonie oder anderer, möglicherweiseinterkurrenter Erkrankungen, die zur Ver-stärkung der zerebralen Hypoxidose beitra-gen können, im Vordergrund stehen. Weiter-hin sind alle notwendigen rehabilitativenMaßnahmen fortzusetzen. Schließlich kannbei Kranken mit einem Multiinfarktsyndromoder einem hirnatrophischen Prozess einTherapieversuch mit sog. enzephalotropenPräparaten unternommen werden, auchwenn deren durchblutungsfördernde oderstoffwechselaktivierende Effekte noch um-stritten sind.

Bei schwerer Unruhe und Agitiertheit kannauch die Anwendung von Basisneuroleptika(z. B. Thioridazin, Chlorprothixen und Levo-mepromazin) unvermeidbar werden. Auchstärkere Verstimmungszustände bei zerebro-vaskulärer Insuffizienz lassen sich in derRegel mit diesen Basisneuroleptika günstigerbeeinflussen als mit trizyklischen Thymolep-tika.

Operative Behandlungpräzerebraler Makroangiopathien

Grundsätzlich handelt es sich hierbei ledig-lich um prophylaktische Maßnahmen gegen-über weiteren Insulten, da eine einmaleingetretene Enzephalomalazie, also einirreversibler Gewebsschaden, auch durcheine operativ verbesserte Blutzufuhr nichtmehr zu beeinflussen ist. Bislang liegen sta-tistisch abgesicherte Beweise für die Progno-severbesserung bei Hirn(re)infarkt-gefähr-deten Patienten durch diese operativenEingriffe nur unzulänglich vor, sodass allge-meinverbindliche Indikationen für dieses

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Delank, Neurologie (ISBN 3131297719), © 2006 Georg Thieme Verlag

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therapeutische Vorgehen noch nicht beste-hen.

Ein operatives Vorgehen sollte vornehm-lich bei Gefäßverengungen (von mindestens70–80 %) im extrakraniellen Bereich der A.carotis, vor allem an der Bifurkation undauch an der A. subclavia, in Betracht gezogenwerden. Die Erwägung einer Operationsindi-kation erwächst aus folgender Stadieneintei-lung:� Stadium I: Asymptomatische Stenosen, die

noch nicht hämodynamisch wirksam oderdurch einen Umgehungskreislauf ausrei-chend kompensiert sind.

� Stadium II: Stenosen mit intermittieren-der Insuffizienz in Form ischämischertransitorischer Attacken (TIA).

� Stadium III: Frischer ischämischer Infarktmit bereits gestörtem Strukturstoffwech-sel.

� Stadium IV: Definitiver Infarkt mit Ge-websuntergang.

Berechtigte Aussicht auf Erfolg einer Opera-tion besteht vor allem im Stadium II beiKarotisstenosen von über 70 %, wenn rezidi-vierende TIAs ein baldiges, manifestesInfarktereignis befürchten lassen. Zur Beur-teilung der Operationschancen ist fernerhin

wichtig zu klären, in welchem Ausmaß auchKoronarstenosen vorliegen oder die intra-kraniellen Arterien am Obliterationsprozessbeteiligt sind, um enttäuschenden gefäß-chirurgischen Bemühungen im extrakraniel-len Gefäßbereich vorzubeugen.

Alternativ zur Operation ist eine Behand-lung mit einem Stent zur Aufweitung derA. carotis interna in der Diskussion.

Grundlegende Voraussetzung für die Ope-rationsplanung ist daher eine eingehendediagnostische Erfassung der zerebrovaskulä-ren Gesamtsituation sowie der kardiologi-schen Befunde. Neben exakten neurologi-schen Befunderhebungen können hierzuEEG, Szintigraphie, Dopplersonographie, CCTund vor allem eine adäquate Angiographie –möglichst mit Darstellung des gesamtensupraaortalen Gefäßbereichs – entscheidendbeitragen.

Die Erfolge extra-intrakranieller Bypass-Operationen (zwischen A. temporalis super-ficialis und kortikalem Ast der A. cerebrimedia) sind nach den Erfahrungen der letz-ten Jahre sehr zweifelhaft geworden, sodassdieser mikroneurochirurgische Eingriff nurnoch in seltenen Einzelfällen erwogen wird.

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