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Theologischer Kommentarzum Neuen Testament

Herausgegeben vonEkkehard W. StegemannPeter FiedlerLuise SchottroffKlaus Wengst

Band 4,2

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Verlag W. Kohlhammer

Das Johannesevangelium

2. Teilband: Kapitel 11–21

Klaus Wengst

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Umschlagbild entnommen aus„Nestle-Aland – Novum Testamentum Graece“, S. 31327. revidierte Auflage© 1898, 1993 Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten© 2001 W. Kohlhammer GmbH StuttgartStuttgart Berlin KölnVerlagsort: StuttgartUmschlag: Data Images GmbHGesamtherstellung:W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. StuttgartPrinted in Germany

Für Helga

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Wengst, Klaus:Das Johannesevangelium/von Klaus Wengst. -Stuttgart ; Berlin ; Köln :Kohlhammer (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament ; Bd. 4)

Teilbd. 2. Kapitel 11 – 21. – 2001ISBN: 978-3-17-0169815-0

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Ebook-pdf: 978-3-17-032125-0

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Für Helga

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Vorwort

Dass ich diesen zweiten Band ein Jahr nach dem ersten vorlegen kann, verdanke ich

besonders dem Rektorat der Ruhr-Universität Bochum. Es erlaubte mir, ein früher

mögliches Freisemester nach hinten zu verschieben und ein späteres vorzuziehen,

sodass ich nach meinem vierjährigen Dekanat ein ganzes Jahr lang ohne die Ver-

pflichtungen von Lehre und Selbstverwaltung arbeiten konnte. Davon wurde zwar ein

Teil für die Fertigstellung des ersten Bandes gebraucht, aber der in der verbliebenen

Zeit für die weitere Kommentierung gewonnene Schwung wirkte in den beiden

folgenden Semestern kräftig nach. So spreche ich dem Rektorat für dieses unbüro-

kratische Vorgehen auch hier meinen großen Dank aus.

Weiter danke ich einmal mehr meiner Sekretärin, Frau Ilse Bornemann, ganz herz-

lich für die Erstellung des Manuskripts, die durch unverhofft auftretende Tücken

erschwert war. Jens Maschmeier hat bis zum Beginn seines Vikariats als wiss. Hilfs-

kraft mitgearbeitet, Claudia Günther zunächst als studentische und nach ihrem

Examen als wiss. Hilfskraft und Hannah Schäfer als studentische Hilfskraft. Sie ha-

ben mir auch diesmal über die Nachprüfung der Stellenangaben und Zitate hinaus

geholfen, die beiden letztgenannten dazu das Register erstellt. Beim Register hat als

studentische Hilfskraft Angelika Angerer geholfen. Ihnen danke ich sehr. Für viele

hilfreiche Hinweise bin ich ein weiteres Mal Herrn Kollegen Prof. Dr. Ekkehard Ste-

gemann verpflichtet.

Auch wenn es mir bewusst ist, dass ich mit dem Johannesevangelium nicht „fer-

tig“ bin, kommt doch mit diesem Band ein langer Weg für mich zu einem zumindest

vorläufigen Abschluss. Er begann mit einer einstündigen Vorlesung im Sommer-

semester 1972 in Bonn, deren Gegenstand, den ersten Johannesbrief, ich eher aus

Verlegenheit gewählt hatte. Als ich bald danach den Auftrag erhielt, für den Ökume-

nischen Taschenbuchkommentar die Johannesbriefe zu kommentieren, wurde mir

schnell deutlich, dass ich das erst vermöchte, wenn ich einen Zugang zum Johannes-

evangelium gewönne. Die Richtung, in der ich dafür zu gehen hätte, ergab sich mir in

einem Seminar im Sommersemester 1973 und in einer Vorlesung über die Ab-

schiedsreden im Wintersemester 1973/74. Als vor nun bald zwanzig Jahren – ich war

noch nicht lange in Bochum – Prof. Dr. Heinz Schürmann aus Erfurt hier einen Gast-

vortrag hielt, fand ich mich anschließend im Fahrstuhl neben ihm. Ich stellte mich

ihm mit meinem Nachnamen vor, worauf er mit der Frage reagierte: „Johannes?“

Dass ich nicht antwortete: „Nein, Klaus“, sondern bejahte, nehme ich nun als Hin-

weis darauf, dass ich für diese Identifizierung durch „Johannes“ noch viel zu tun ha-

ben würde.

Bochum, im Juli 2001 Klaus Wengst

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Vorwort zur 2. Auflage

Auch bei diesem Band habe ich für die zweite Auflage den Text durchgesehen, Ver-

sehen und Druckfehler korrigiert und geringfügige Veränderungen vorgenommen

sowie einige Ergänzungen angebracht. Wie bei der Überarbeitung von Band 1 habe

ich von „den Alten“ zusätzlich auf Origenes, Augustin und Luther zu hören versucht.

Letzterer hat mich besonders fasziniert; dabei schmerzt es jedoch, wie sich tiefe und

schöne theologische Einsichten immer wieder mit Aussagen gegen „die Juden“ ver-

binden. Von „den Neueren“ habe ich auch hier die Dogmatik Marquardts, dieses pro-

duktiven und neue Wege bahnenden Querdenkers, auf ihre Rezeption des Johannes-

evangeliums hin durchgesehen. Was ich über Band 1 hinaus an neuerer Fachliteratur

wahrgenommen habe, ist im Literaturnachtrag verzeichnet. Am gewichtigsten er-

scheint mir der große Kommentar von Hartwig Thyen. Thyen ist mit dem Johannes-

evangelium einen langen Weg gegangen und hat mit dem Kommentar ein Lebens-

werk vorgelegt. Seine Zugangsweise – Joh 1–21 als Einheit unter Voraussetzung des

Vorliegens aller drei synoptischen Evangelien zu lesen – ist eine mögliche Lektüre.

Sie hat ihr unbestreitbares Recht und zudem den großen Vorteil, völlig unabhängig

von allen historischen und literarischen Hypothesen zu sein – ab dem Augenblick, da

es den Vier-Evangelien-Kanon gibt. Streiten kann man jedoch darüber, ob diese

Lektüre auch die von vornherein bei der Entstehung des Johannesevangeliums gege-

bene war. Falls ich eine dritte Auflage des ersten Bandes meines Johanneskommenta-

res erleben sollte, werde ich mich darüber mit Thyen in der Einleitung auseinander-

setzen. An dieser Stelle sei jedoch angemerkt, dass mich bei der außerordentlichen

Häufigkeit, mit der Thyen vom „intertextuellen Spiel“ und vom „Spielen“ mit Texten

spricht, der Verdacht beschlichen hat, ob hier nicht unter der Hand für die Entste-

hungsbedingungen des Johannesevangeliums eine etwas zu bürgerliche Welt voraus-

gesetzt ist. Dass dieses Evangelium nicht für eine „bedrängte Gemeinde“, sondern

sozusagen für den Markt geschrieben sei und „einer unvorhersehbaren Leser- oder

Zuhörerschaft allererst Wege zu einem christlichen Selbstverständnis erschließen“

wolle (540), will mir nicht in den Kopf. Aber vielleicht sind das alles auch nur zweit-

rangige Fragen. Ich freue mich jedenfalls über eine große sachliche Übereinstimmung

in der Auslegung des Johannesevangeliums mit Thyen. Und was besonders den Um-

gang mit den synoptischen Evangelien bei dieser Auslegung betrifft: Wichtiger als

jede Hypothese über deren literarisches Verhältnis zum Johannesevangelium er-

scheint es mir, dass die doch in jedem Fall uns vorliegenden Texte für das Verstehen

fruchtbar gemacht werden.

Das Stellenregister zu diesem Band hat als studentische Hilfskraft Andreas Seifert

angefertigt. Dafür sei ihm herzlich gedankt.

Bochum, im März 2007 Klaus Wengst

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Inhalt Band 1 Abkürzungen Quellenverzeichnis Abgekürzt zitierte Literatur Einleitung

1. Einige Erwägungen vorab 2. Die Entstehung des Johannesevangeliums in einer jüdisch-judenchristlichen Kontroverse 3. Konsequenzen für die Interpretation 4. Der zu interpretierende Text 5. Gattung und Gliederung Der Prolog (1,1–18)

1. Zur Frage einer Vorlage 2. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund 3. Aufbau 4. Funktion 5. Einzelauslegung

Erster Teil Das Wirken Jesu als des von Gott Gesandten findet Glaubende und Nichtglaubende (1,19–12,50) I. Die erste Woche (1,19–2,12)

1. Das indirekte Zeugnis des Johannes (1,19–28) 2. Das direkte Zeugnis des Johannes angesichts Jesu (1,29–34) 3. Die ersten beiden Schüler aufgrund des Zeugnisses des Johannes (1,35–39) 4. Das Hinzukommen des Simon Petrus (1,40–42) 5. Das Hinzukommen des Philippus und Natanael (1,43–51) 6. Hochzeit in Kana (2,1–12) II. Erste Wirksamkeit in Jerusalem und Judäa (2,13–3,36)

1. Die Austreibung aus dem Tempel und das Wort über ihn (2,13–22) 2. Die Geburt aus dem Geist (2,23–3,21) 3. Das letzte Zeugnis des Johannes (3,22–36)

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10 Inhalt

III. Durchreise durch Samarien und Wirken in Galiläa (4,1–54)

1. Einleitung: Aufbruch von Judäa nach Galiläa (4,1–3) 2. Jesus auf der Durchreise in Samarien (4,4–42) 3. Rückkehr nach Galiläa (4,43–54)

Exkurs: Ist die Textfolge in Kap.5–7 zerstört? IV. Zweites Wirken in Jerusalem: die Heilung eines Kranken am Teich Betesda (5,1–47)

1. Die Heilung eines Kranken (5,1–9a) 2. Überleitung (5,9b–16) 3. Christologische Weiterführung der Wundergeschichte (5,17–47) V. Letztes Wirken am galiläischen Meer. Rückzug und Bekenntnis angesichts Jesu als des Lebensbrotes (6,1–71)

1. Speisung und Überfahrt (6,1–25) 2. Die Deutung des Speisungswunders (6,26–58) 3. Die Folge: Trennung in der Schülerschaft (6,59–71)

VI. Drittes Wirken in Jerusalem. Von Sukkot bis Chanukka (7,1–10,42)

1. Jesu Teilnahme an Sukkot (7,1–52) [Nicht den Stab brechen über die, die sich verfehlen (7,53–8,11) 2. Diskussionen im Tempel (8,12–59) 3. Die Heilung eines Blindgeborenen (9,1–10,21) 4. Erneute Auseinandersetzung an Chanukka und Rückzug Jesu (10,22–42) Band 2 Literaturnachtrag ................................................................................................. 13 VII. Die Auferweckung des Lazarus und ihre Folgen (11,1–57) ................ 17

1. Einleitung (11,1–16) ....................................................................................... 18 a) Die Krankheit des Lazarus und der Hilferuf seiner Schwestern (11,1–3) ........... 19 b) Verschärfung der Situation durch den Tod des Kranken (11,4–16) .................... 20 2. Gespräch über die Auferstehung (11,17–27) .................................................. 27 3. Die Wundertat der Auferweckung (11,28–44) ............................................... 35 4. Die Folgen (11,45–57) .................................................................................... 43 a) Die gespaltene Reaktion der Zeugen: Glaube und Denunziation (11,45f.) ......... 44 b) Die Entschlossenheit des Synhedriums, Jesus zu töten (11,47–53) .................... 45

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Inhalt 11

c) Jesu Rückzug (11,54) ........................................................................................... 49 d) Erwartungen im Blick auf Pessach (11,55–57) .................................................... 51 VIII. Abschluss des öffentlichen Wirkens Jesu am Beginn der letzten Woche seines Lebens (12,1–50) ......................................... 53

1. Die Salbung in Betanien (12,1–11) ................................................................ 54 2. Jesu Einzug in Jerusalem (12,12–19) ............................................................. 60 3. Letzter Auftritt Jesu in der Öffentlichkeit (12,20–36) .................................... 66 4. Abschluss des ersten Teils (12,37–50) ........................................................... 80 a) Reflexion dessen, dass Jesus keinen Glauben fand (12,37–43) ........................... 80 b) Rede Jesu aus der Verborgenheit (12,44–50) ...................................................... 87 Zweiter Teil Der ans Kreuz gehende Jesus gibt sich den Glaubenden als zu Gott Zurückkehrender zu verstehen und verheißt seine Gegenwart im Geist (13,1–20,29) ................................................................................... 91 I. Das letzte Mahl Jesu mit seinen Schülern vor Pessach (13,1–17,26) ..... 93

1. Die Fußwaschung (13,1–20) ........................................................................... 94 2. Die Ansage des Verrats (13,21–30) ................................................................ 109 3. Die erste Abschiedsrede (13,31–14,31) .......................................................... 115 a) Einleitung: der Weggang Jesu (13,31–38) ........................................................... 118 b) Die Verheißung des Weggehenden (14,1–26) ..................................................... 125 c) Schluss: Zuspruch und Mahnung des Weggehenden (14,27–31) ........................ 144 4. Die zweite Abschiedsrede (15,1–16,33) ......................................................... 148 a) Die Liebe untereinander als Frucht des Bleibens bei Jesus (15,1–17) ................ 150 b) Jesu Schülerschaft unter dem Hass der Welt (15,18–16,4a) ............................... 159 c) Die Verheißung über das Kommen des Beistands (16,4b–15) ............................ 167 d) Ermutigung in der Bedrängnis (16,16–33) .......................................................... 175 5. Das Gebet Jesu (17,1–26) ............................................................................... 185 a) Einleitende Bitte um die Verherrlichung des Sohnes (17,1–3) ........................... 188 b) Jesu Bitte um seine Verherrlichung (17,4–5) ...................................................... 192 c) Jesu Bitte um Bewahrung der Seinen (17,6–11) .................................................. 193 d) Jesu Bitte um Bewahrung der Seinen vor dem Bösen und um ihre Heiligung (17,12–17) ........................................................................................... 198 e) Jesu Bitte um Einheit für die späteren Glaubenden (17,18–21) .......................... 202 f) Jesu Bitte um Verbundenheit mit den Seinen (17,22–24) ................................... 206 g) Abschließende Feststellungen (17,25f.) ............................................................... 208

II. Die Festnahme Jesu, sein Prozess und seine Hinrichtung als Rückkehr zum Vater (18,1–19,42) .................................................... 210

1. Die Festnahme Jesu, die Vernehmung vor Hannas und die Verleugnung durch Simon Petrus (18,1–27) .................................................. 211 a) Die Festnahme Jesu (18,1–14) ............................................................................. 213

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12 Inhalt

b) Die erste Verleugnung durch Simon Petrus (18,15–18) ...................................... 222 c) Die Vernehmung vor Hannas (18,19–24) ............................................................ 225 d) Die zweite und dritte Verleugnung durch Simon Petrus (18,25–27) ................... 228 2. Der Prozess Jesu vor Pilatus (18,28–19,16a) ................................................. 229 a) Einleitung: Überstellung Jesu ins Prätorium (18,28) ........................................... 233 b) Ankläger und Richter: die Anklage (18,29–32) ................................................... 236 c) Richter und Angeklagter: die Frage der Wahrheit (18,33–38a) .......................... 239 d) Ankläger und Richter: nicht Jesus, sondern Barabbas (18,38b–40) .................... 245 e) Der Angeklagte: Auspeitschung und Verspottung (19,1–3) ................................ 248 f) Richter, Ankläger, Angeklagter: die Vorführung (19,4–7) .................................. 250 g) Richter und Angeklagter: die Frage der Macht (19,8–11) ................................... 255 h) Ankläger und Richter: die Schwäche des Mächtigen (19,12) ............................. 258 i) Richter, Ankläger, Angeklagter: die Verurteilung (19,13–16a) .......................... 260 3. Die Hinrichtung und Bestattung Jesu (19,16b–42) ........................................ 265 a) Die Tafel am Kreuz (19,16b–22) ......................................................................... 267 b) Die Verteilung und Verlosung von Jesu Kleidern (19,23–24b) .......................... 271 c) Das Vermächtnis Jesu an seine Mutter und den Schüler, den er liebte (19,24c–27) ..................................................................................... 274 d) Der Tod Jesu (19,28–30) ..................................................................................... 276 e) Das Nichtzerschlagen der Schenkel Jesu und der Lanzenstich (19,31–37) ......... 279 f) Die Bestattung Jesu (19,38–42) ........................................................................... 285 III. Der auferweckte Gekreuzigte (20,1–29) ................................................. 291

1. Mirjam aus Magdala und die beiden Schüler am leeren Grab (20,1–10) ....... 292 2. Die Begegnung Jesu mit Mirjam aus Magdala (20,11–18) ............................ 299 3. Die Begegnung Jesu mit seinen Schülern (20,19–23) .................................... 308 4. Die Begegnung Jesu mit Thomas (20,24–29) ................................................ 314 Epilog (20,30f.) ............................................................................................... 322 Nachtrag (21,1–25) ........................................................................................ 327 1. Erneute Begegnung Jesu mit Schülern am Meer von Tiberias (21,1–14) ...... 328 2. Jesu Worte an Simon Petrus und über den Schüler, den er liebte (21,15–24) 337 3. Buchschluss (21,25) ....................................................................................... 346 Über- und Unterschrift .................................................................................. 349 Stellenregister ...................................................................................................... 353

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Literaturnachtrag

a) Kommentar THYEN, HARTWIG: Das Johannesevangelium, HNT 6, Tübingen 2005.

b) Übrige Literatur AUGENSTEIN, JÖRG: Das Liebesgebot im Johannesevangelium und in den Johannesbriefen,

BWANT 14 (134), Stuttgart 1993. BAUCKHAM, RICHARD: Messianism According to the Gospel of John, in: Challenging Per-

spectives on the Gospel of John, ed. by JOHN LIERMANN, WUNT 2. Reihe 219, Tübingen 2006, 34–68.

BAUM-BODENBENDER, ROSEL: Hoheit in Niedrigkeit. Johanneische Christologie im Prozeß Jesu vor Pilatus (Joh 18,28–19,16a), Würzburg 1984.

BORIG, RAINER: Der wahre Weinstock. Untersuchungen zu Jo 15,1–10, StANT XVI, Mün-chen 1967.

BUSSE, ULRICH: Das Johannesevangelium. Bildlichkeit, Diskurs und Ritual. Mit einer Bib-liographie über den Zeitraum 1986–1998, BEThL 162, Leuven 2002.

Ders., Metaphorik und Rhetorik im Johannesevangelium. Das Bildfeld vom König, in: Im-agery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figura-tive Language, ed. by JÖRG FREY, JAN G. VAN DER WATT a. RUBEN ZIMMERMANN, WUNT 200, Tübingen 2006, 279–317.

CULPEPPER, R. ALAN: Designs for the Church in the Imagery of John 21,1–14, in: Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, ed. by JÖRG FREY, JAN G. VAN DER WATT a. RUBEN ZIMMERMANN, WUNT 200, Tübingen 2006, 369–402.

FRETTLÖH, MAGDALENE L.: Christus als Gärtner. Biblisch- und systematisch-theologische, ikonographische und literarische Notizen zu einer königlichen Aufgabe, in: Jabboq VI, hg.v. JÜRGEN EBACH u.a., Gütersloh 2007, 161–203.

FREY, JÖRG: Zu Hintergrund und Funktion des johanneischen Dualismus, in: Paulus und Johannes. Exegetische Studien zur paulinischen und johanneischen Theologie und Lite-ratur, hg.v. DIETER SÄNGER u. ULRICH MELL, WUNT 198, Tübingen 2006, 3–73.

GNIESMER, DIRK F.: In den Prozeß verwickelt. Erzähltextanalytische und textpragmatische Erwägungen zur Erzählung vom Prozeß Jesu vor Pilatus (Joh 18,28–19,16.a.b), EHS.T 688, Frankfurt am Main 2000.

HIRSCH-LUIPOLD, RAINER: Klartext in Bildern. a)lhqino/j ktl., paroimi/a – parrhsi/a, shmei=on als Signalwörter für eine bildhafte Darstellungsform im Johannesevangelium, in: Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, ed. by JÖRG FREY, JAN G. VAN DER WATT a. RUBEN ZIMMERMANN, WUNT 200, Tübingen 2006, 61–102.

KNÖPPLER, THOMAS: Die theologia crucis des Johannesevangeliums. Das Verständnis des Todes Jesu im Rahmen der johanneischen Inkarnations- und Erhöhungschristologie, WMANT 69, Neukirchen-Vluyn 1994.

KOHLER, HERBERT: Kreuz und Menschwerdung im Johannesevangelium. Ein exegetisch-hermeneutischer Versuch zur johanneischen Kreuzestheologie, AThANT 72, Zürich 1987.

LIERMAN, JOHN: The Mosaic Pattern of John’s Christology, in: Challenging Perspectives on the Gospel of John, ed. by JOHN LIERMANN, WUNT 2. Reihe 219, Tübingen 2006, 210–234.

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14 Literaturnachtrag

LINDARS, BARNABAS: Essays on John, ed. by C. M. TUCKETT, Leuven 1992. MARQUARDT, FRIEDRICH-WILHELM: Was dürfen wir hoffen, wenn wir hoffen dürften? Eine

Eschatologie 1, Gütersloh 1993. Ders., Was dürfen wir hoffen, wenn wir hoffen dürften? Eine Eschatologie 3, Gütersloh

1996. NEUGEBAUER, JOHANNES: Die eschatologischen Aussagen in den johanneischen Abschieds-

reden. Eine Untersuchung zu Johannes 13–17, BWANT 20 (140), Stuttgart 1995. NIEMAND, CHRISTOPH: Die Fußwaschungserzählung des Johannesevangeliums. Untersuchun-

gen zu ihrer Entstehung und Überlieferung im Urchristentum, StAns 114, Roma 1993. ONUKI, TAKASHI: Gemeinde und Welt im Johannesevangelium. Ein Beitrag zur Frage nach

der theologischen und pragmatischen Funktion des johanneischen „Dualismus“, WMANT 56, Neukirchen-Vluyn 1984.

PETERSEN, SILKE: Die Ich-bin-Worte als Metaphern am Beispiel der Lichtmetaphorik, in: Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figu-rative Language, ed. by JÖRG FREY, JAN G. VAN DER WATT a. RUBEN ZIMMERMANN, WUNT 200, Tübingen 2006, 121–138.

POPLUTZ, UTA: Paroimia und Parabolē. Gleichniskonzepte bei Johannes und Markus, in: Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figu-rative Language, ed. by JÖRG FREY, JAN G. VAN DER WATT a. RUBEN ZIMMERMANN, WUNT 200, Tübingen 2006, 103–120.

REINHARTZ, ADELE: Freundschaft mit dem Geliebten Jünger. Eine jüdische Lektüre des Johannesevangeliums, Zürich 2005

RENZ, GABI: Nikodemus: An Ambiguous Disciple? A Narrative Sensitive Investigation, in: Challenging Perspectives on the Gospel of John, ed. by JOHN LIERMANN, WUNT 2. Reihe 219, Tübingen 2006, 255–283.

RUSCHMANN, SUSANNE: Maria von Magdala im Johannesevangelium. Jüngerin – Zeugin – Lebensbotin, NTA NF 40, Münster 2002.

SALIER, BILL: Jesus, the Emperor, and the Gospel According to John, in: Challenging Per-spectives on the Gospel of John, ed. by JOHN LIERMANN, WUNT 2. Reihe 219, Tübingen 2006, 284–301.

SCHLUND, CHRISTINE: “Kein Knochen soll gebrochen werden”. Studien zu Bedeutung und Funktion des Pesachfests in Texten des frühen Judentums und im Johannesevangelium, WMANT 107, Neukirchen-Vluyn 2005.

SPRECHER, MARIE-THERESE: Einheitsdenken aus der Perspektive von Joh 17. Eine exegeti-sche und bibeltheologische Untersuchung von Joh 17,20–26, EHS.T 495, Bern u.a. 1993.

TOLMIE, D. FRANCOIS: The (not so) Good Shepherd: The Use of Shepherd Imagery in the Characterisation of Peter in the Fourth Gospel, in: Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Language, ed. by JÖRG FREY, JAN

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Literaturnachtrag 15

ZUMSTEIN, JEAN: Bildersprache und Relektüre am Beispiel von Joh 15,1–17, in: Imagery in the Gospel of John. Terms, Forms, Themes, and Theology of Johannine Figurative Lan-guage, ed. by JÖRG FREY, JAN G. VAN DER WATT a. RUBEN ZIMMERMANN, WUNT 200, Tübingen 2006, 139–156.

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VII. Die Auferweckung des Lazarus und ihre Folgen

(11,1–57)

Nach der an Chanukka datierten letzten Auseinandersetzung in Kap.10 hatte sich

Jesus an den Ort der ersten Wirksamkeit Johannes des Täufers, zugleich Ort seines

eigenen ersten Auftretens, zurückgezogen, der in 1,28 als „Betanien jenseits des Jor-

dan“ (= Batanäa) bezeichnet worden war. Die Erzählung setzt in Kap.11 neu ein in

einem anderen „Betanien“, einem „Dorf“ (V.1), das „nahe bei Jerusalem“ liegt

(V.18). In zeitlicher Hinsicht bleibt sie zunächst unbestimmt. Erst gegen Ende erfährt

die Leser- und Hörerschaft, dass wieder ein Pessachfest bevorsteht (V.55). In der

Einleitung (V.1–16) lassen die Schwestern Mirjam und Marta aus Betanien Jesus die

Mitteilung zukommen, ihr Bruder Lazarus sei erkrankt (V.1–3). Jesus geht aber erst

von Betanien nach Betanien, als er weiß, dass Lazarus gestorben ist (V.4–16). Im

Gespräch mit den Schülern kündigt er von vornherein an, Lazarus „aufzuwecken“

(V.11). Bevor er diese Ankündigung ausführt, kommt es zu einem Gespräch mit

Marta über die Auferstehung (V.17–27), in dem er sich selbst als „die Auferstehung

und das Leben“ zu erkennen gibt (V.25f.). Als Zeichen dessen folgt, ausführlich er-

zählt, die tatsächliche Auferweckung des Lazarus aus dem Grab (V.28–44). Diese

Tat hat eine Reihe von Folgen (V.45–57), zunächst unterschiedliche Reaktionen un-

ter ihrer Zeugenschaft. Während es von den einen heißt, dass sie glaubten, machen

die anderen eine Meldung bei der Behörde (V.45f.). Das lässt diese zusammentreten

und aus Gründen politischer Opportunität beschließen, dass es besser wäre, wenn

Jesus stürbe (V.47–53). Jesus seinerseits unternimmt zusammen mit seinen Schülern

einen erneuten Rückzug, diesmal aber nicht so weit weg wie am Ende von Kap.10

(V.54). Schließlich wird die Nähe von Pessach festgestellt, das Eintreffen der ersten

Festpilger erwähnt, die sich fragen, ob Jesus komme, und deutlich gemacht, dass ihm

in diesem Fall die Festnahme droht (V.55–57).

Kap.11 hat einen wichtigen Platz in der Gesamtkomposition des Evangeliums.

Indem der Evangelist am Ende von Kap.10 Jesus an den Ort seines ersten Auftretens

zurückkehren und ihn so nun von dem einen Betanien zu dem anderen Betanien

kommen lässt, umgreift er dessen ganzes bisheriges Wirken und lässt es in der Auf-

erweckung des Lazarus kulminieren, bei der Jesus, nachdem er sich selbst als „die

Auferstehung und das Leben“ bezeichnet hat, als aus dem Tod ins Leben Rufender

dargestellt wird. Dass hier die bisherige Erzählung zu ihrem Höhepunkt kommt, da-

rauf deutet auch das zweifache „Nahe“, das sowohl in örtlicher als auch in zeitlicher

Hinsicht ausgesprochen wird: nahe bei Jerusalem (V.18) und nahe an Pessach (V.55).

Dieses zweifache „Nahe“ zeigt aber zugleich, dass Jesus noch nicht ganz am Ziel ist.

Pessach hat noch nicht begonnen, und Jesus ist noch nicht in Jerusalem. Dass Johan-

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18 1. Teil (1,19–12,50). VII. Die Auferweckung des Lazarus (11,1–57)

nes mit dem Rückverweis auf das erste Auftreten und mit dem Gang von Betanien

nach Betanien das ganze bisherige Wirken Jesu umgreift, macht aber auch deutlich,

dass jetzt das Pessach kommen wird, das „die Stunde“ Jesu ist, auf die schon so früh

und so oft hingewiesen wurde und in der sich sein Werk in seinem Tod vollendet.

Als Lebensspender wird so in Kap.11 der dargestellt, der auf dem Weg in seinen Tod

am Kreuz ist. Er kann nur als solcher Lebensspender dargestellt werden, weil er

selbst als lebendig und auferstanden bezeugt wird. „Anhalt“ hat die Erzählung von

der Auferweckung des Lazarus nicht in hypothetisch zu rekonstruierender „älterer

Überlieferung“ und irgendwie zu vermutendem historischem Geschehen1, ihren wirk-

lichen Anhalt hat sie einzig in dem Zeugnis, „dass Gott Jesus von den Toten auf-

erweckt hat“.

1. Einleitung (11,1–16)

1 Es war einer krank: Lazarus aus Betanien, aus dem Dorf der Maria und ihrer

Schwester Marta. 2 Mirjam aber war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und

seine Füße mit ihren Haaren abgetrocknet hatte. Deren Bruder Lazarus war

krank. 3 Da sandten die Schwestern zu ihm und ließen sagen: Herr, den du

liebst, siehe, der ist krank.

4 Als aber Jesus es gehört hatte, sprach er: Diese Krankheit führt nicht zum

Tod, sondern erfolgt um der Herrlichkeit Gottes willen, damit der Sohn Gottes

durch sie verherrlicht werde. 5 Jesus aber hatte Marta, ihre Schwester und

den Lazarus lieb. 6 Als er nun gehört hatte, dass er krank war, da blieb er

dennoch zwei Tage an dem Ort, an dem er war. 7 Dann, später, sagte er

seinen Schülern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen! 8 Seine Schüler sag-

ten ihm: Rabbi, gerade suchten die Juden (im Tempel), dich zu steinigen; und

du gehst wieder dorthin? 9 Jesus antwortete: Sind es nicht zwölf Stunden am

Tag? Wer am Tag umhergeht, stößt nicht an; denn er sieht das Licht dieser

Welt. 10 Wer jedoch in der Nacht umhergeht, stößt an; denn das Licht ist

nicht in ihm. 11 Das sprach er; und danach sagte er ihnen: Lazarus, unser

Freund ist eingeschlafen; aber ich gehe, damit ich ihn (vom Schlaf) aufwe-

cke. 12 Da sprachen seine Schüler zu ihm: Herr, wenn er eingeschlafen ist,

wird er gesund werden. 13 Jesus hatte jedoch von seinem Tod gesprochen;

sie aber meinten, dass er vom gewöhnlichen Schlaf spreche. 14 Da nun

sagte ihnen Jesus offen heraus: Lazarus ist gestorben; 15 und um euretwil-

len – damit ihr glaubt – freue ich mich, dass ich nicht dort war. Aber (jetzt) lasst

uns zu ihm gehen! 16 Da sprach Thomas, „Zwilling“ genannt, zu seinen Mit-

schülern: Lasst uns auch gehen, damit wir mit ihm sterben!

1 SCHNACKENBURG stellt die Frage, ob es für die hier „berichtete Totenerweckung“ , die er wie

viele andere der „Semeiaquelle“ zuweist, „einen Haftpunkt“ gebe oder ob sie „ohne jeden für uns greifbaren Anhalt“ sei (Komm. 2,428). Er versucht, „ältere Überlieferung“ wahrscheinlich zu machen (431), und vermutet: „Man kann sich vorstellen, daß ein außergewöhnliches Geschehen in Bethanien nahe Jerusalem in lokaler Tradition jerusalemer Kreise festgehalten wurde“ (433). Was ist damit gewonnen?

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1. Einleitung (11,1–16) 19

Dieser einleitende Teil benennt in einem ersten Abschnitt (V.1–3) den Ort des dann

ab V.17 erzählten Geschehens und führt – unter Klärung ihres Verhältnisses zueinan-

der – diejenigen Personen ein, die in ihm eine Rolle spielen werden und bisher im

Evangelium nicht genannt wurden. Von einer dieser Personen wird in jedem dieser

drei Verse gesagt, sie sei krank, worüber Jesus informiert werden soll. Das muss bei

denjenigen, die das Evangelium zum ersten Mal lesen oder hören, die Erwartung

hervorrufen, dass im Folgenden eine Krankenheilung erzählt werden wird (vgl. 4,46;

5,5; 9,1). In V.4 wechselt die Szene zu dem Ort, an dem sich Jesus nach 10,40 auf-

hält. Er reagiert nicht mit sofortigem Aufbruch, um unverzüglich zu dem Kranken zu

gelangen. Gleich sein erstes Wort (V.4) deutet an, dass mehr als eine Krankenheilung

ansteht. Die Leser- und Hörerschaft weiß in V.11, dass der Erkrankte gestorben ist

und dass Jesus ihn erwecken wird, während das den in der Szene befindlichen Schü-

lern Jesu noch verborgen ist (V.12f.). Selbst ihnen wird es schließlich aufgedeckt

(V.14f.). Schon von V.4 an erscheint diese bevorstehende Totenerweckung als mit

dem Schicksal Jesu verknüpft.

a) Die Krankheit des Lazarus und der Hilferuf seiner Schwestern (11,1–3)

In V.1 wird zunächst die Person eingeführt, die sozusagen den passiven Mittelpunkt

der folgenden Erzählung bildet. Sie kommt nirgends zu Wort und tritt nur ein einzi-

ges Mal selbst aktiv handelnd auf, indem sie einer Aufforderung Jesu nachkommt

(V.44). So wird auch hier zuerst gesagt, dass sie krank war, und dann ihr Name ge-

nannt: Lazarus2. Er wird durch eine Ortsangabe näher beschrieben: „aus Betanien“.

Durch V.18 ist klar, dass er damit nicht als jemand gekennzeichnet wird, der aus Be-

tanien stammt, aber jetzt anderswo lebt, sondern dass es sich bei Betanien um seinen

Wohnort handelt. Es liegt „nahe bei Jerusalem“; die Entfernungsangabe von 15 Sta-

dien entspricht ungefähr drei Kilometern3.

Indem der Evangelist anschließend den Ort Betanien näher kennzeichnet als „das

Dorf der Maria und ihrer Schwester Marta“, führt er zwei Frauen ein, die durch ihr

aktives Reden und Handeln – zuerst gemeinsam und dann je für sich – der folgenden

Erzählung ihre besondere Gestalt geben4. Vor ihrer ersten Handlung erhält die Leser-

und Hörerschaft des Evangeliums in V.2 jedoch noch eine weitere Information über

2 Das ist die gräzisierte Form eines gängigen hebräischen Namens. Lasár ist die Kurzfassung von

El-asár = „Gott hat geholfen“: Gotthilf. 3 Betanien wird mit dem am östlichen Ölbergabhang gelegenen Ort al-asarija in Zusammenhang

gebracht. Diese arabische Bezeichnung nimmt eine griechische auf: lazareíon = „Lazarus-Ort“; vgl. den Artikel Bethanien 1 in BHH I 230; G. DALMAN, Orte und Wege Jesu, 31924, 265f.

4 Maria ist die griechische Fassung des gängigen hebräischen Namens Mirjam, der dann im folgen-den Text in wichtigen Handschriften in der Form „Marjam“ gebraucht wird, Marta die feminine Form des aramäischen Wortes mar („Herr“, „Gebieter“), die als Name belegt ist.

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20 1. Teil (1,19–12,50). VII. Die Auferweckung des Lazarus (11,1–57)

Mirjam. Sie „war es, die den Herrn mit Salböl gesalbt und seine Füße mit ihren Haa-

ren abgetrocknet hatte“. Johannes schreibt hier einmal mehr ausdrücklich aus der

Retrospektive. Er blickt auf das Ereignis zurück, obwohl es in der Erzählung seines

Evangeliums noch bevorsteht. Davon wird er in 12,3–8 berichten. Er setzt bei seiner

Leser- und Hörerschaft entweder voraus, dass sie es als Tradition kennt5, oder erwar-

tet, dass sie es beim Weiterlesen und Weiterhören schon kennenlernen und beim

zweiten Lesen und Hören auch an dieser Stelle bereits informiert sein wird. Nur wer

schon darüber informiert ist, dass die Salbung einen Zusammenhang mit dem Tod

Jesu herstellt (12,7), kann durch diese Notiz dazu angeleitet werden, die mit der Er-

wähnung der Krankheit des Lazarus beginnende Geschichte von vornherein „in den

ihr angemessenen Kontext zu stellen, nämlich den des Todes Jesu“6. Das ist die

Funktion dieser Notiz. Deshalb wird durch sie die kaum begonnene Erzählung sofort

wieder unterbrochen. In sie führt der Schluss von V.2 zurück, wenn wiederholend

angemerkt wird, dass Mirjams Bruder Lazarus krank war. Zugleich ist damit auch

das Verhältnis der beiden Schwestern zu dem Erkrankten geklärt: Er ist ihr Bruder.

Nach V.3 übermitteln die Schwestern an Jesus eine kurze Botschaft. Es wird vor-

ausgesetzt, dass sie wissen, wo er sich aufhält. Der Bote oder auch die Boten treten

als handelnde Personen gar nicht auf; von einer Rückmeldung an die Schwestern

wird nichts erzählt. Nur die zu übermittelnde Botschaft steht da: „Herr, den du liebst,

siehe, der ist krank.“ Mit ihren beiden Aussagen benennt sie den Grund und den An-

lass dafür, dass die Schwestern sich an Jesus wenden. Beides zusammen impliziert

die Bitte, er möge kommen und ihren Bruder heilen7. Eine solche Jesus gegenüber

gemachte Feststellung, die zugleich eine Bitte enthält, kennt die Leser- und Hörer-

schaft des Evangeliums schon aus 2,3. So wird sie darauf gefasst sein, dass Jesus

auch jetzt der Bitte nicht sofort entspricht.

b) Verschärfung der Situation durch den Tod des Kranken (11,4–16)

Mit der Übermittlung der Botschaft der Schwestern wechselt die Szene wieder an den

Aufenthaltsort Jesu. Der reagiert mit einer sehr grundsätzlich gehaltenen Aussage, in

der er die Krankheit des Lazarus mit seinem eigenen Schicksal verbindet (V.4). Ob-

wohl der Grund für die Botschaft, die Liebe Jesu zu Lazarus, ausdrücklich bestätigt

5 Auch im Markus- und Matthäusevangelium ist die Erzählung von der Salbung Jesu in Betanien

lokalisiert und steht am Beginn der Passionsgeschichte: Mk 14,3–9; Mt 26,6–13. Sie spielt dort allerdings „im Haus Simons des Aussätzigen“, und die salbende Frau bleibt anonym.

6 BRODIE, Komm. 387. Vgl. auch die Annahme von WILCKENS, dass „der Name des Dorfes wie zugleich der vorgreifende Hinweis auf die Salbungsgeschichte in V.2 zu den literarischen Mitteln des Joh(annes)evangelisten gehören, die Nähe des Kreuzesgeschehens anzuzeigen“ (Komm. 176).

7 Vgl. CALVIN, Komm. 281: „Eine kurze Botschaft; aber Christus konnte leicht daraus entnehmen, was die Schwestern von ihm wollten.“

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1. Einleitung (11,1–16) 21

wird (V.5), bleibt Jesus noch zwei Tage an seinem Aufenthaltsort (V.6). Im Gespräch

mit seinen missverstehenden Schülern wird deutlich, dass Lazarus inzwischen ge-

storben ist. Die daher anstehende Totenerweckung verbindet Jesus mit dem inten-

dierten Glauben seiner Schüler (V.15).

„Als aber Jesus es gehört hatte, sprach er.“ Zu wem er spricht, wird in dieser Ein-

leitung von V.4 nicht gesagt. Das ist eigenartig, da ja seine Schüler, zuletzt in 9,2

erwähnt, in V.7 ausdrücklich als Adressaten seiner dort gesprochenen Worte genannt

werden. Johannes setzt wohl außer an den Stellen, an denen er vom Alleinsein Jesu

spricht8, immer voraus, dass sich die Schüler in Jesu Gegenwart aufhalten; und wenn

er sie braucht, führt er sie an. Hier braucht er sie offenbar nicht9. „Es scheint gera-

dezu, als wende sich Jesus im Sinne des Autors aus der Szene heraus an die Leser

und gebe ihnen eine Anweisung, wie die folgenden Ereignisse zu lesen und einzu-

ordnen sind“10. Das wird durch den Inhalt der Aussage Jesu gestützt, die weit über

die erzählte Situation hinausgreift.

Jesus stellt zunächst fest: „Diese Krankheit führt nicht zum Tod“11. Dass die

Krankheit des Lazarus zum Tode führe, war offenbar die Befürchtung seiner Schwes-

tern. Deswegen hatten sie Jesus die Mitteilung zukommen lassen. Die Aussage Jesu

bedeutet nun „gerade nicht, wie die Geschichte zeigt, daß die Krankheit keinen tödli-

chen Ausgang haben wird, sondern daß es nicht bei diesem tödlichen Ausgang bleibt,

daß also der Tod nicht das Letzte ist“12. Sie „erfolgt um der Herrlichkeit Gottes wil-

len“, die sich angesichts des Todes dieses Erkrankten und gegen den Tod erweisen

wird13. Lazarus muss nicht sterben, um als Demonstrationsobjekt dienen zu können.

Dass Menschen aufgrund von Krankheit sterben, ist vielmehr bittere Erfahrung. Dass

solche Erfahrung aber das Letzte sei, was gesagt werden könne, dagegen wird mit

dem Erzählen dieser Geschichte ein „Zeichen“ gesetzt.

In welchem Zusammenhang dieses Zeichen steht und woran es selber hängt, deutet

der abschließende Finalsatz an: „damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht

8 6,15 und in der Ankündigung 16,32. 9 Dass V.4 „natürlich“ an den Boten gerichtet sei, da der „doch Antwort bringen musste“ (so

WEISS, Komm. 401), trägt ein Problem ein, das den Evangelisten so wenig interessiert, dass er einen Boten nicht einmal erwähnt.

10 SCHENKE, Komm. 210; vgl. auch HAENCHEN, Komm. 398: „… sagt Jesus (eigentlich dem Leser!) …“; WILCKENS, Komm. 176.

11 In 2Kön 20,1 (parr. Jes 38,1; 2Chr 32,24) heißt es von Hiskija, dass er „erkrankte, um zu sterben“ – so wäre wörtlich zu übersetzen (besser: „erkrankte und drohte zu sterben“). In der Septuaginta wird das wiedergegeben mit: „erkrankte zum Tode“ (eís thánaton). Im babylonischen Talmud begegnet die Wendung „erkrankte und neigte zu sterben“ (bShab 32a; bEr 29b; bBB 11a).

12 BLANK, Komm. 1b,261. 13 Dass alles Handeln der Herrlichkeit bzw. Ehre (kavód) Gottes dienen soll, ist vorausgesetzt in

einem rabbinischen Satz, der in unterschiedlichen Zusammenhängen mit unterschiedlichen Ziel-bestimmungen begegnet: „Herr der Welt, offenbar und bekannt ist es vor Dir, dass ich es nicht für meine Ehre getan habe, und nicht für die Ehre meines Vaterhauses habe ich es getan, sondern für Deine Ehre habe ich es getan, damit …“ (ARN [A] 6 [SCHECHTER 16b]; par. bTaan 20a; bMeg 3a; bBM 59b).

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22 1. Teil (1,19–12,50). VII. Die Auferweckung des Lazarus (11,1–57)

werde“. Jesus wird im Folgenden als der dargestellt, der den gestorbenen Lazarus aus

dem Grab herausruft und ihn so von den Toten erweckt. Aber er handelt nicht in

eigener Vollmacht, sondern als der den Vater bittende Sohn, der sich gewiss ist,

ständig gehört zu werden (V.41f.). Deshalb ist in V.4 vom „Sohn Gottes“ die Rede.

Wenn es aber von ihm heißt, dass er durch die Krankheit des Lazarus „verherrlicht“

wird, greift das über dieses erzählte Zeichen hinaus; „vielmehr liegt hinter diesem

ersten Sinn der andere: Jesu Wundertat wird ihn ans Kreuz bringen, d.h. aber, sie

wird zu seiner endgültigen Verherrlichung führen“14. Im Fortgang des Evangeliums

dient die Erzählung von der Auferweckung des Lazarus gleichsam als Vehikel zur

eigenen Passion Jesu, die am Kreuz endet. Das Kreuz Jesu aber ist schon am Ende

von Kap.5 als der Ort in den Blick gekommen, an dem Gott seine Ehre, seine Herr-

lichkeit sucht. Indem er den negativen Umkehrschluss von 5,23 bei der Auslegung von 11,4 ins Spiel bringt, folgert CALVIN: „Deshalb mühen sich auch Juden und Türken vergeblich, Gott zu verehren, da sie Christus verschmähen“ (Komm. 282). Ich stelle neben die Aussage von 11,4 eine rabbinische Tradition aus MekhJ Beschallach (Wajassa) 2 (HOROVITZ/RABIN S.163): „‚Und siehe, die Herrlichkeit Adonajs erschien in der Wolke‘ (Ex 16,10). Rabbi Jose ben Schim‘on sagt: Immer wenn die Israeliten Mose und Aaron zu steinigen suchten, (heißt es) sofort: ‚Und die Herrlichkeit Adonajs erschien in der Wolke.‘ Und weiterhin sagt sie (die Schrift): ‚Da sprach die ganze Gemeinde, sie (Mose und Aaron) zu steinigen‘ (Num 14,10). Und was sagt sie (die Schrift) hier? ‚Und die Herrlichkeit Adonajs erschien in der Wolke.‘ Und warum all das? Der Heilige, gesegnet er, sprach: Es ist besser, dass die Wolkensäule geschlagen wird, als dass Mose und Aaron gesteinigt werden.“ Gott selbst tritt in der Gestalt der Wolkensäule, in der seine Herrlichkeit ist, für seine Beauftragten ein und zieht die ihnen geltenden Anschläge auf sich. Von Mose und Aaron ist nicht überliefert, dass sie umgebracht wurden; es blieb beim Versuch. Jesus ist am Kreuz umgekommen. So wird hier Gottes Herrlichkeit sozusagen bis in diesen Tod hineingezogen und mit ihm zusammen gedacht.

In V.5 bestätigt der Erzähler ausdrücklich den Grund der an Jesus gerichteten Bot-

schaft: Jesus hatte Lazarus lieb – und nicht nur ihn, sondern auch seine Schwestern

Mirjam und Marta. Obwohl er also dem Erkrankten und den indirekt für ihn Bitten-

den in Liebe verbunden ist, was erwarten ließe, dass er unverzüglich nach dem Dorf

Betanien aufbricht, bleibt er nach V.6 dennoch15 zwei weitere Tage an seinem Auf-

enthaltsort. Das wird die Leser- und Hörerschaft neugierig machen, aus dem Folgen-

den den Grund solchen Zögerns zu erfahren16. Johannes unterstreicht den Zeitabstand

von zwei Tagen, indem er die Aufforderung Jesu an seine Schüler mit einer doppel-

ten Zeitbestimmung einleitet: „Dann, später“. Die Aufforderung: „Lasst uns wieder

14 BULTMANN, Komm. 303. 15 Dieses „Dennoch“ zum Ausdruck zu bringen, ist die Funktion des mén, dem hier kein dé folgt. 16 Dass „man sich Werke denken (mag), die er hier noch vor seinem Ende vollbringen wollte“ (so

THOLUCK, Komm. 301), oder dass er in diesen zwei Tagen „betend den Willen des Vaters ge-sucht haben muß“ (so ZAHN, Komm. 476), sind historisierende Eintragungen.

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1. Einleitung (11,1–16) 23

nach Judäa gehen!“ ist in ihrer örtlichen Zielbestimmung in Bezug auf den vorange-

henden Kontext recht weit gefasst. Von daher ist für die Leser- und Hörerschaft

deutlich, dass das genaue Ziel das in Judäa liegende Betanien sein wird. Mit der

Nennung von Judäa wird jedoch auch die Notiz von 7,1 in Erinnerung gerufen, dass

Jesus dort nicht umherziehen wollte, weil ihm der Tod drohte; und diese Befürchtung

ist ja von der nachfolgenden Erzählung über den doch erfolgten Aufenthalt in Judäa

mehrfach bestätigt worden. Dementsprechend reagieren in der erzählten Situation die

Schüler in V.8, indem sie Jesus darauf hinweisen, dass „gerade erst“17 versucht wor-

den ist, ihn zu steinigen (10,31; vgl. 8,59), so dass es doch nicht sein Wille sein

könne, diesen Ort der Gefahr wieder aufzusuchen. Die Schüler erscheinen hier und

im Folgenden gewiss nicht als solche, die erkennen und verstehen, was Jesus vorhat.

Aber ihr Einwurf macht den Passionskontext deutlich, in dem diese Erzählung steht.

Dieser Zug Jesu nach Judäa wird ja auch schließlich tödlich für ihn enden18. Diesen

Zusammenhang einmal mehr anzudeuten, ist hier wieder genau die Absicht der jo-

hanneischen Darstellungsweise.

Jesus antwortet in V.9 zunächst mit einer rhetorischen Frage: „Sind es nicht zwölf

Stunden am Tag?“ Damit wird aufgenommen, was er in ähnlicher Weise in 9,4 ge-

sagt hat. Der durch die natürliche Helligkeit gekennzeichnete Tag, damit zugleich der

Arbeitstag, ist in zwölf gleich lange Stunden eingeteilt19. Der Tag kann metaphorisch

die Lebenszeit bezeichnen20, sodass die rhetorische Frage Jesu die Aussage enthält:

„Die Jesus zugemessene Zeit hat der Vater bestimmt und sie ist noch nicht abgelau-

fen“21; und sein Werk ist noch nicht vollendet. Gerade um der Vollendung dieses

Werkes willen, die am Kreuz erfolgen wird, muss er nach Judäa gehen.

An die rhetorische Frage schließt zum Stichwort „Tag“ ein Bildwort an, das auf

einer sehr schlichten und elementaren Erfahrung beruht: „Wer am Tag umhergeht,

stößt nicht an; denn er sieht das Licht dieser Welt.“ Die Formulierung des gegenteili-

gen Falles in V.10 durchbricht ganz am Schluss die Bildebene und verlangt so ge-

bieterisch ein metaphorisches Verständnis: „Wer jedoch in der Nacht umhergeht,

stößt an; denn das Licht ist nicht in ihm“22. Doch schon die Rede vom „Licht dieser

Welt“ erinnert daran, dass sich in 8,12 Jesus selbst als „das Licht der Welt“ bezeich-

net hatte; und dort war damit sofort das Thema der Nachfolge verbunden worden. Sie

besteht in einem „Lebenswandel“ im Lichte Jesu, das geradezu zu „verinnerlichen“

17 Das nýn darf nicht gepresst werden, als ginge es um eine zeitlich unmittelbar zurückliegendes

Ereignis (vgl. BAUER , Komm. 149). Im gelesenen Text liegt es allerdings in der Tat nicht weit zurück.

18 Der Rückzug nach Efraim (V.54) führt ihn nicht aus Judäa heraus. 19 Die Stundenlänge des Tages differierte je nach Jahreszeit. – Die Aussage: „Zwölf Stunden sind es

am Tag“ findet sich auch im Munde verschiedener Rabbinen: Vgl. bSan 38b; bAS 3b. 20 Vgl. zu 9,4. 21 SCHLATTER, Johannes 248. 22 Die in ganz wenigen Handschriften vorgenommene Korrektur „in ihr“, nämlich in der Nacht,

verbleibt auf der Bildebene.

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24 1. Teil (1,19–12,50). VII. Die Auferweckung des Lazarus (11,1–57)

ist. Das Problem der Nachfolge stellt sich verschärft und eigentlich angesichts der

Passion Jesu – und der seiner Schüler (vgl. 12,25f.). Das wird gleich in V.16 wieder

anklingen23. Für ein analoges metaphorisches Reden im Blick auf ein von der Tora erleuchtetes Leben verweist SCHLATTER, Johannes 249, auf ShemR 36,3 (Wilna 64b.c): „Siehe, wie die Worte der Tora den Menschen erleuchten, wann immer er sich mit ihnen beschäftigt! Und jeder, der sich nicht mit ihnen beschäftigt und sie nicht kennt, der strauchelt. Ein Gleichnis: Wer in der Finsternis steht und zu gehen anfängt, stößt an einen Stein und strauchelt; stößt er auf eine Rinne und fällt hinein, schlägt er mit dem Gesicht auf den Boden. Warum? Weil er keine Leuchte in der Hand hat. So verhält es sich mit dem Ignoranten, der die Worte der Tora nicht in seiner Hand hat. Er stößt auf eine (Gelegenheit zur) Übertretung und strauchelt an ihr und stirbt.“

Am Beginn von V.11 unterbricht Johannes die Rede Jesu, die danach an dieselben

Adressaten fortgesetzt wird, mit einer Bemerkung, die das gerade Gesagte und das

gleich Gesagte betont voneinander abhebt: „Das sprach er; und danach sagte er ih-

nen.“ Mit der Aufforderung von V.7, nach Judäa zu gehen, war der Passionskontext

angedeutet und zum Schluss mit dem doppelten Bildwort von V.9f. die erzählte Si-

tuation auf die Nachfolge Jesu hin transzendiert worden. In die erzählte Situation

wird mit dem Neueinsatz der Rede gleich mit deren erstem Wort zurückgelenkt, dem

Namen Lazarus. Ihn bezeichnet Jesus jetzt als „unseren Freund“. Er ist also nicht nur

Jesu Freund, sondern auch der seiner Schüler. Auch sie stehen damit in einem ganz

und gar nicht gleichgültigen Verhältnis zu ihm, sind von seinem Schicksal betroffen.

Das hat nach Jesu Mitteilung in V.11 eine dramatische Wendung genommen, der er

aber zugleich mit einer Ankündigung im Blick auf sein eigenes Handeln begegnet:

„Lazarus, unser Freund, ist eingeschlafen; aber ich gehe, damit ich ihn (vom Schlaf)

aufwecke.“ Dass Jesus aufbricht, um einen im wörtlichen Sinn eingeschlafenen

Kranken wieder wach zu machen, darauf werden die Lesenden und Hörenden nicht

verfallen, sondern die Aussage metaphorisch verstehen. Für sie ist „deutlich …, daß

Lazarus tot ist und Jesus ihn auferwecken wird“24.

Wenn schon vor Beginn der Rede Jesu in V.6f. der Abstand von zwei Tagen seit

Empfang der Nachricht über die Erkrankung des Lazarus herausgestellt wurde und

jetzt in V.11 die Mitteilung über dessen Tod so betont eingeführt wird, ist im Sinne

der Erzählung kaum vorausgesetzt, dass Lazarus schon vor den zwei Tagen gestorben

sei25. Vielmehr lässt sie damit annehmen, dass sein Tod erst jetzt nach den zwei Ta-

23 Nach THYEN ist die Lichtmetapher „an die Jünger gerichtet und will ihnen die Angst vor dem

erneuten Weg nach Judäa nehmen, weil ihnen doch der vorangeht, der das Licht der Welt und ihr guter Hirte ist“ (Komm. 516).

24 BARRETT, Komm. 391. 25 Die in V.17 und 39 erwähnten vier Tage, die Lazarus vor seiner Auferweckung schon tot ist,

werden nach einer verbreiteten Ansicht so erklärt: Lazarus starb unmittelbar, nachdem die Ge-sandtschaft an Jesus abgeschickt worden war. Sie brauchte einen Tag, um zu Jesus zu kommen. Der wartet zwei Tage und kommt dann nach einer Tagesreise nach Betanien (so z.B. FREY,

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1. Einleitung (11,1–16) 25

gen erfolgt ist. Und so, wie Jesus bisher schon dargestellt worden ist, lässt sie weiter

annehmen, dass er vom Tod des Lazarus weiß aufgrund seiner engen Beziehung zu

Gott als des Sohnes zum Vater – wie auch Chanina ben Dosa, von dem Gott in einer

Himmelsstimme zweimal sagt: „mein Sohn“26, davon weiß, dass die von Rabban

Gamliel ausgesandten Boten ihn über die Krankheit von dessen Sohn unterrichten

wollen, und er ihnen schon bei ihrem Eintreffen mitteilen kann, dass er bereits erfolg-

reich für ihn gebetet hat27.

Obwohl unter den das Evangelium Lesenden und Hörenden kaum jemand die Aus-

sage Jesu in V.11 im wörtlichen Sinn verstehen dürfte, lässt Johannes die Schüler

Jesu in der erzählten Situation genau das tun, indem sie sagen: „Herr, wenn er einge-

schlafen ist, wird er gesund werden.“ Der Kranke wird sich sozusagen gesund schla-

fen. Dieser Vorstellung entspricht es, wenn in bBer 57b unter den „sechs Dingen“,

die „ein gutes Zeichen für einen Kranken“ sind, auch der Schlaf genannt wird28.

In einer kommentierenden Bemerkung stellt Johannes in V.13 ausdrücklich klar,

dass Jesus vom Tod des Lazarus sprach, und macht damit für die Leser- und Hörer-

schaft ein Missverstehen ganz und gar unmöglich. „Sie aber (die Schüler) meinten,

dass er vom gewöhnlichen Schlaf spreche.“ Warum lässt er die Schüler so grob

missverstehen? Sie werden ja im Johannesevangelium immer wieder auch zum Spie-

gel der lesenden und hörenden Gemeinde. Hält ihr Johannes in diesem Bild der

Schüler vor, dass auch sie in ihren Notsituationen den ihr durch Jesus zugesagten

Beistand Gottes nur allzu leicht nicht wahrnimmt und sich von den bedrückenden

Realitäten die Hoffnungsperspektive verstellen lässt?

In V.14 erhalten auch die Schüler von Jesus unmissverständlich Aufschluss dar-

über, dass Lazarus gestorben ist. Darauf lässt Jesus in V.15 eine Bemerkung folgen,

die gleich wieder über die erzählte Situation hinausweist: „Und um euretwillen –

damit ihr glaubt – freue ich mich, dass ich nicht dort war.“ SCHNELLE merkt hierzu

an: „Jesus heilt nicht aus Mitleid, sondern um seine Macht zu demonstrieren und

Glauben hervorzurufen“29. Mir scheint das eine schiefe Gegenüberstellung zu sein.

Einmal sollte nicht vergessen werden, dass in der bisherigen Darstellung dreimal von

Eschatologie II 200–202; vgl. schon THOLUCK, Komm. 302). Bei SCHENKE, Komm. 213, ist da-mit eine eigenartige Apologetik verbunden: Es könne „gar keine Rede davon sein, daß Jesus den Freund durch sein Zögern absichtlich und geradezu zynisch habe sterben lassen. Selbst bei so-fortigem Aufbruch hätte er Lazarus nicht mehr lebend angetroffen. Darum kann er den Gang nach Judäa verzögern.“ Aber macht das die Sache so viel besser, Trauernde warten zu lassen? Vom johanneischen Text her völlig unbegründet ist die Annahme einer eintägigen Reise. Sie resultiert aus der – aus den synoptischen Evangelien gespeisten – altkirchlichen Verortung der Taufstelle des Johannes am Unterlauf des Jordan. Das passt aber nicht zu der in der ersten Woche des Wirkens Jesu im Johannesevangelium vorausgesetzten Topographie und Chronologie. Daher ist mit RIESNER ein Ort im Norden anzunehmen (vgl. die Angaben und Ausführungen zu 1,28). Die von FREY gegen RIESNER vorgebrachten Einwände verfangen nicht.

26 bTaan 24b. 27 Vgl. zu 4,46–54 in Band I 179. 28 Auf diese Stelle weist Bill. II 544 hin. 29 SCHNELLE, Komm. 188.

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26 1. Teil (1,19–12,50). VII. Die Auferweckung des Lazarus (11,1–57)

der Liebe bzw. Freundschaft Jesu zu Lazarus die Rede war. Zum anderen bezieht sich

die hier geäußerte Freude Jesu ausdrücklich nur auf die Schüler und ihren intendier-

ten Glauben. SCHENKE hat beobachtet, dass aber nach der Totenerweckung der

Glaube der Schüler gar nicht vermerkt wird, was die Frage provoziert: „Wann wer-

den die Jünger wirklich glauben?“30 Das weist, wie auch gleich die Aussage des

Schülers Thomas in V.16, über die Totenerweckung hinaus. So war ja auch schon in

V.4 diese Tat mit der „Verherrlichung“ Jesu am Kreuz verknüpft worden. Die

eigentliche Demonstration seiner Macht ist so der aus Liebe (vgl. 13,1) erfolgende

Gang in die Ohnmacht seines Todes, aus dem – im Vertrauen auf die neuschöpferi-

sche Macht Gottes – Leben erwächst31.

Auf die am Ende von V.15 stehende – gegenüber V.7 präzisierte – Aufforderung

Jesu: „Aber (jetzt) lasst uns zu ihm gehen!“ antwortet mit Thomas ein einzelner

Schüler, der hier erstmals im Evangelium erwähnt wird32, indem er zu seinen Mit-

schülern spricht: „Lasst uns auch gehen, damit wir mit ihm sterben!“ Er bekundet

damit Bereitschaft zu radikaler Nachfolge bis in den Tod. Das Thema der Nachfolge

war schon in V.9f. von Jesus selbst angeschlagen worden; und nach seinen Worten in

12,25f. kann die Nachfolge auch den Tod einschließen. Aber an der Aussage des

Thomas an dieser Stelle ist einmal klar: In dieser Form übernimmt sie sich genauso,

wie es die des Simon Petrus in 13,37 tut: So wenig wie dieser sein Leben für Jesus

geben wird, sondern Jesus das seine für ihn, so wenig werden seine Schüler mit ihm

sterben, sondern, wie Jesus in 16,32 ankündigt, sich zerstreuen und ihn allein lassen.

Zum anderen erweist sich die Bereitschaft des Thomas als voreilig – genauso wie der

kurz vor der eben erwähnten Ankündigung Jesu bekundete Glaube der Schüler

(16,30). Ihr Glaube, dass Jesus von Gott gekommen sei, ist voreilig, weil er das

Kreuz Jesu noch vor sich hat und nicht angesichts seiner gefasst worden ist. Auch die

von Thomas ausgesprochene Bereitschaft zur Nachfolge bis in den Tod ist voreilig,

weil sie den Weg Jesu ans Kreuz noch nicht als Verherrlichung durch Gott begriffen

hat. Das zeigt die nächste Stelle, an der Thomas im Evangelium begegnet. In 14,5 ist

gerade er es, der bekennt, nicht zu wissen, wohin Jesus geht, und damit auch den

Weg nicht zu kennen. Schließlich tritt er an einer dritten Stelle auf (20,24–29). Hier

spricht er angesichts der Wundmale des Gekreuzigten gegenüber dem Auferweckten

das Bekenntnis aus: „Mein Herr und mein Gott!“ (20,28) Mit der Gestalt des Thomas

spannt Johannes somit einen Bogen von der ersten Erwähnung in 11,16 bis fast zum

30 SCHENKE, Komm. 211. 31 Vgl. SCHNACKENBURG, Komm. 2,410: „Durch das Zeichen der Totenerweckung sollen sie den

erkennen, der den eigenen Tod überwindet, der Welt das Leben gibt und auch ihnen in ihren Be-drängnissen den Sieg verleiht.“

32 Der Name „Thomas“ ist gut griechisch. Indem aber hinzugefügt wird: „genannt Dídymos“ (= „Zwilling“), dürfte deutlich sein, dass hinter „Thomas“ das aramäische Wort für „Zwilling“ steht: t’omá. – Der Schüler Thomas begegnet außerhalb des Johannesevangeliums nur in den Aufzäh-lungen der zwölf Schüler in den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte.

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2. Gespräch über die Auferstehung (11,17–27) 27

Ende seines Evangeliums. Er beantwortet damit zugleich auch die Frage: „Wann

werden die Jünger wirklich glauben?“ Sie hatte sich dadurch ergeben, dass zwar in

V.15 als Ziel des Handelns Jesu an Lazarus der Glaube seiner Schüler angegeben

worden war, im Verlauf der Erzählung aber kein entsprechender Glaube festgestellt

wird. Die Frage des Glaubens stellt sich nach Johannes angesichts des Gekreuzigten,

der als von Gott auferweckt bezeugt wird.

2. Gespräch über die Auferstehung (11,17–27)

17 Als nun Jesus angekommen war, fand er ihn schon vier Tage im Grab lie-

gen. 18 Betanien lag nahe bei Jerusalem, ungefähr fünfzehn Stadien ent-

fernt. 19 Viele Juden waren zu Marta und Mirjam gekommen, um sie wegen

ihres Bruders zu trösten. 20 Als nun Marta hörte, dass Jesus komme, ging

sie ihm entgegen. Mirjam aber blieb zu Hause sitzen. 21 Da sprach Marta zu

Jesus: (Mein) Herr, wenn du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht ge-

storben. 22 Aber auch jetzt weiß ich: Was immer du Gott bittest, wird Gott dir

geben. 23 Jesus sagte ihr: Dein Bruder wird auferstehen. 24 Marta sagte

ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am letzten Tag.

25 Jesus sprach zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Die auf mich

vertrauen, werden leben, auch wenn sie sterben; 26 und alle, die im Vertrau-

en auf mich leben, sterben ganz gewiss nicht auf immer. Vertraust du darauf?

27 Sie sagte ihm: Ja, Herr, ich habe jetzt das Vertrauen, dass du der Gesalbte

bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.

Die Aussage des Schülers Thomas in V.16 bleibt ohne eine Reaktion Jesu. Wer das

Evangelium überblickt, weiß sie einzuschätzen. Die Schüler begegnen in dieser Er-

zählung nicht mehr. Sie werden erst wieder in V.54 beim Rückzug Jesu beiläufig

erwähnt. Die Szene wechselt nun wieder und kehrt dahin zurück, wo sie in V.1–3

schon war, in den Ort des Lazarus und seiner Schwestern. Jesus gelangt dort an, aber

es kommt noch lange nicht zur Aktion an dem gestorbenen Lazarus. Zunächst werden

die Umstände zur Zeit des Eintreffens Jesu in Betanien beschrieben (V.17–19). Es

folgt ein Gespräch mit Marta (V.20–27). Dieses Gespräch geht von der Situation aus,

dass Lazarus gestorben ist und Jesus nicht da war, und nimmt dann die Hoffnung auf

die Auferstehung der Toten in den Blick. In diesem Horizont bezeichnet Jesus sich

selbst als „die Auferstehung und das Leben“ und fragt Marta, ob sie darauf vertraue.

Sie beantwortet diese Frage mit einem Bekenntnis. Anders als in den Kapiteln 5, 6

und 9 wird hier nicht zuerst das Wunder erzählt, woran sich dann lange Gespräche

und Reden Jesu anschlossen, die es in seinen Dimensionen ausdeuteten. Das ge-

schieht hier vorher, nach dem Gespräch mit den Schülern, das es ja auch schon in

Kap.9 gab, diesmal noch weiter führend im Gespräch mit Marta. Die dann erzählte

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28 1. Teil (1,19–12,50). VII. Die Auferweckung des Lazarus (11,1–57)

Totenerweckung an Lazarus kann von daher gar nicht als isolierte Wiederbelebung

eines Toten gelesen werden, sondern steht im Horizont endzeitlicher Totenerwe-

ckung und der Auferweckung Jesu selbst, wodurch er zum Mittler von Leben gewor-

den ist.

V.17 hält fest, dass bei der Ankunft Jesu Lazarus schon vier Tage im Grab liegt.

Da das Begräbnis in der Regel am Todestag erfolgte und Lazarus, wie die Erzählung

nahelegt, nach den in V.6 erwähnten zwei Tagen starb, ist also eine viertägige Reise

vorausgesetzt. Das passt zu der Verortung des in 10,40 angegebenen Aufenthaltsortes

Jesu im nördlichen Ostjordanland, in Batanäa33. Zugleich gibt die Erwähnung der

vier Tage einen weiteren Hinweis. Damit ist es ausgeschlossen, dass Lazarus nur

scheintot sein könnte. Rabbinische Stellen belegen die Überzeugung vom definitiven Feststehen des Todes nach

drei Tagen. So heißt es in Sem 8,1: „Man geht zum Friedhof hinaus und sucht die Toten auf (gemeint: wendet sich ausdrücklich an sie) bis zu drei Tagen, ohne dass man besorgt ist wegen der Wege des Emoriters (d.h. man muss nicht fürchten, sich damit totenbeschwöreri-schen Verhaltens schuldig gemacht zu haben). Es geschah, dass man einen aufsuchte – und der lebte noch 25 Jahre, und danach starb er. Bei einem anderen war es so, dass er noch fünf Söhne zeugte, und danach starb er“34. Dem entspricht die an mehreren Stellen überlieferte und auf verschiedene Rabbinen zurückgeführte spätere Tradition: „Bis zu drei Tagen schwebt die Seele über ihrem Grab – in der Meinung, dass sie zurückkehre. Wenn sie sieht, dass der Glanz des Gesichtes sich verändert hat, geht sie weg und verlässt es.“ Deshalb „hat Bar Kappara gelehrt: Die ganze Heftigkeit der Trauer tritt erst am dritten Tag ein“ (BerR 100,7 [THEODOR/ALBECK S.1290])35.

V.18 kennzeichnet das Dorf Betanien als „nahe bei Jerusalem“ liegend und gibt eine

ungefähre Entfernung an36. Die Nähe begründet es, dass nach V.19 „viele Juden“ –

vor allem offenbar auch aus Jerusalem – gekommen sind, um die Schwestern zu

trösten. Trauernde zu trösten, gehört zur g'milút chassadím, was mit „Liebeswerke“ und „Wohl-tätigkeit“ nur unzureichend wiedergegeben ist. Es geht um den Erweis von Solidarität aus mitmenschlicher und sozialer Verpflichtung heraus in unterschiedlichen Bereichen. Dem nachzukommen, gilt nach bSot 14a als Nachfolge Gottes. Dort wird die Aufforderung von Dtn 13,5, Gott nachzufolgen, so interpretiert, dass man sich an dem von ihm durch sein eigenes Handeln gesetzten Normen zu orientieren hat. Dann wird Gott als einer dargestellt, der selbst die einzelnen Aspekte der g'milút chassadím ausgeübt hat. Darunter heißt es: „Der Heilige, gesegnet er, tröstete Trauernde – denn es steht geschrieben: ‚Und es geschah nach dem Tode Abrahams, da segnete Gott Isaak, seinen Sohn‘ (Gen 25,11). Auch du tröste Trauernde!“37

33 Vgl. z.St. und zu V.11. 34 Zitiert bei Bill. II 545. 35 Vgl. Bill. II 544f., wo auch die Parallelstellen vermerkt sind. 36 Vgl. o. zu V.1. 37 Vgl. den Artikel Gemilut Hasadim in EJ 7, 374–376; zum Trösten der Trauernden die ausführli-

che Zusammenstellung in Bill. IV 1, 592–607.

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2. Gespräch über die Auferstehung (11,17–27) 29

Die vielen Trauergäste werden Zeugen der Tat Jesu an Lazarus sein – und unter-

schiedlich reagieren (V.45f.). V.20 bildet die unmittelbare Exposition für das fol-

gende Gespräch. Während Mirjam im Haus sitzen bleibt, geht Marta Jesus entgegen.

Die Erzählung setzt voraus, dass nur sie von seinem Kommen erfährt. Sie eröffnet

das Gespräch in V.21 mit der Aussage: „(Mein) Herr, wenn du hier gewesen wärst,

wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Das ist „kaum als Vorwurf gedacht, vielmehr als

schmerzliches Bedauern“38, eher noch „als eine Vertrauensbekundung in die heilende

Kraft Jesu“39. Das wird durch die Fortführung ihrer Aussage in V.22 gestützt: „Aber

auch jetzt weiß ich: Was immer du Gott bittest, wird Gott dir geben“40. Jesus er-

scheint hier als jemand, der jederzeit unmittelbaren Zugang zu Gott hat und von ihm

alle Bitten erfüllt bekommt. Das entspricht der Erfüllung der Bitten herausragender Frommer in der rabbinischen Literatur. So wird Choni der Kreiszieher aufgefordert, um Regen zu beten, worauf er sagt: „Geht hinaus und bringt die (aus Lehm gemachten und im Freien stehenden) Pessachöfen hinein, damit sie nicht zerfließen!“ (mTaan 3,8) Er ist sich also gewiss, dass sein Gebet von Gott erhört werden wird – was dann auch geschieht. Von seinem Enkel Chanan dem Ver-borgenen heißt es: „Wenn die Welt Regen brauchte, sandten die Rabbanan die Schulkinder zu ihm, und sie ergriffen ihn am Saum seines Mantels und sagten ihm: Vater, Vater, gib uns Regen! Er sagte vor dem Heiligen, gesegnet er: Herr der Welt, tue es um dieser willen, die nicht zu unterscheiden wissen zwischen einem Vater, der Regen gibt, und einem Vater, der nicht Regen gibt!“ (bTaan 23b) Dass Chanina ben Dosa mit seinem Beten für Kranke Erfolg hat, erklärt Rabban Jochanan ben Sakkaj mit dem Gleichnis, dass er wie ein Kammerdiener vor dem König sei, der nicht erst eine Audienz braucht, um vorgelassen zu werden, sondern unmittelbaren Zugang zu ihm hat im vertrautesten Bereich (vgl. bBer 34b).

Diese Sicht Martas, wie sie sich in der Vertrauensaussage von V.22 äußert, wird vom

Evangelisten selbstverständlich nicht negativ gewertet41. Mit SCHNACKENBURG ist zu

38 BULTMANN, Komm. 306. 39 BLANK, Komm. 1b,267. 40 BRODIE erkennt in den Worten von V.21 eine gewisse Ambivalenz, „denn sie können als Aus-

druck von Vertrauen oder von Bitterkeit gelesen werden. Allerdings, wie sie zu reden fortfährt, ist es das Vertrauen, das die Oberhand gewinnt“ (Komm. 392f.).

41 Das zeigt sich auch daran, dass Jesus in den Abschiedsreden seinen Schülern mehrfach verheißt, dass ihnen gegeben werden wird, was immer sie in seinem Namen bitten (14,13f.; 15,16; 16,23f.; vgl. 15,7; 16,26f.) – Nach WELCK versteht Marta „Jesus als einen bei Gott in besonderer Gnade stehenden Gesundbeter. In V.22 signalisiert sie Jesus, daß sie an dieser ihrer bisherigen Ansicht trotz seines schmerzlichen, ja (für sie!) enttäuschenden … Zu-spät-Kommens festhält“ (Zeichen 215). „Diese scheinbar positive Meinung über Jesus“ sei aber „in Wirklichkeit unzulänglich“ (ebd.). Darauf wird bei V.27 und V.41f. noch einzugehen sein. Jetzt sei nur angemerkt, daß der von WELCK immer wieder gebrauchte Terminus „Gesundbeter“ in Bezug auf die im vorigen Ex-kurs skizzierten Gestalten unangemessen ist. – In anderer Weise erhält das Bild der Marta nega-tive Akzente in der Auslegung von CALVIN, wenn er davon spricht, „daß sich in ihr ungeordnete Gefühle vermischten“, „daß sie unbesonnen mehr ihren eigenen Wünschen nachgibt als sich Christus unterstellt“; ihr Glaube sei „mit maßlosen Wünschen vermischt und verquickt“, ja „sogar nicht ganz frei von Aberglauben“ (Komm. 287). Ob hier nicht vielmehr ein männliches Frau-enbild leitend ist, das gar nicht wahrnehmen kann und will, wie positiv diese Frau – im Unter-schied zu den Schülern! – dargestellt wird?

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