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Oliver Sander · Christof Iking-Konert · Benedikt Ostendorf Taschenatlas Kapillarmikroskopie Leitfaden zur Durchführung und Interpretation von kapillarmikroskopischen Untersuchungen unter Mitarbeit von Walter Hermann, Cord Sunderkötter und Knut Kröger 3. Auflage

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Oliver Sander · Christof Iking-Konert · Benedikt Ostendorf

Taschenatlas Kapillarmikroskopie

Leitfaden zur Durchführung und Interpretation von kapillarmikroskopischen Untersuchungen

unter Mitarbeit von Walter Hermann, Cord Sunderkötter und Knut Kröger

3. Auflage

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Vorwort

Entzündlich-rheumatische Systemerkrankungen manifestieren sich oft an kleinsten Gefässen,

deren Veränderungen der konventionell radiolo-gisch-bildgebenden Diagnostik entgehen oder nur indirekt nachgewiesen werden können. Oft bleibt als Letztes nur die Gewebeentnahme zur mikro skopischen Aufarbeitung, um diagnostische Hinweise zu erfassen.

Die Kapillarmikroskopie hingegen stellt sich – im diagnostischen Algorithmus des Dermatologen, Angiologen und Rheumatologen – als nicht-invasives und Bedside-Verfahren und somit als sinnvolle Alternative und Ergänzung dar. Sie ermöglicht die Visualisierung und deutliche Vergrösserung von kapillaren Gefässmustern am Nagelfalz. Die Veränderungen, welche zu jeder Zeit der Erkrankung beim Patienten erhoben werden können, sind häufig spezifisch – wenn nicht sogar pathognomonisch. Oft erlauben diese Informationen einen Zugewinn in der bes seren Zuordnung, Definition und Prognose des Krank-

heitsbildes und dienen so der primären Diagnos-tik, respektive Differenzialdiagnostik. Aufgrund der technischen Weiterentwicklung, der moder-neren Bild- und Befunddokumentation und des inzwischen besseren Kenntnisstandes und der grösseren Erfahrungswerte gewinnt dieses Verfahren in der Rheumatologie immer mehr an Bedeutung. Die Kapillarmikroskopie hat sich bei zahlreichen neuen Indikationen als sinnvoll erwiesen.

Mit diesem Taschenatlas wollen wir der Bedeu-tung der Kapillarmikroskopie und ihrer aktuellen Entwicklung für die Rheumatologie Rechnung tragen und einen Beitrag zur Fort- und Weiter-bildung liefern.

Bei unserer ersten Auflage 2007 war die Kapillar-mikroskopie für viele Anwender in der Rheuma-tologie neu. Wir hatten daher die wichtigsten Informationen, Empfehlungen und Standards zur Beurteilung und Auswertung in der Rheumatolo-

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gie in einem kleinen «Nachschlagewerk» kompri-miert zusammengefasst, welches in jede Kittel- tasche passt. Das Interesse an dem kleinen Atlas war nicht nur in Deutschland sehr gross, Über-setzungen ins Englische und Anfragen aus Süd-korea, Argentinien, Niederlande, Norwegen und Griechenland folgten.

Inzwischen ist eine deutschsprachige Übersichts-arbeit zur Nomenklatur und Durchführung der Kapillarmikroskopie unter Mitarbeit der Autoren publiziert. Zahlreiche neue Studien und eine ei gene grosse Untersuchung der Normalpopulation haben den Wissensstand erweitert. Videokapilla-roskopie und preisgünstige USB-Mikroskope

werden in der neuen Auflage berücksichtigt, um ihrer wachsenden Bedeutung gerecht zu werden. Wir sind froh, mit den Koautoren renommierte Spezialisten der Videokapillaroskopie aus der Dermatologie und Angiologie gewonnen zu haben, denn die Diagnostik und Erforschung der Mikro zirkulation kann sich am besten im inter disziplinären Austausch weiterentwickeln.

Wir hoffen, dass dieser Kapillarmikroskopie- Taschenatlas Ihnen ein informativer Begleiter sein wird.

Düsseldorf und Hamburg, April 2014

Oliver Sander Benedikt OstendorfChristof Iking-Konert

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1. Geschichte der Kapillarmikroskopie . . . . . 6

2. Technik und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . 8

3. Anatomische Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . 14

4. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

4.1 Kapillarmorphologie: Haarnadelform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Torquierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kaliberschwankung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Ektasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Megakapillare. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Verzweigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Büschelkapillare. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30 Elongation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

4.2 Kapillardichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

4.3 Veränderungen des Blutflusses: Sludge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Thrombose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

4.4 Extrakapillare Veränderungen: Blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40 Ödem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

4.5 Pigmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .44

5. Befundinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46

5.1 Raynaud-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5.1.1 Diagnostischer Algorithmus aus angiologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

5.1.2 Diagnostischer Algorithmus aus dermatologischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . 55

5.1.3 Häufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

5.1.4 Kapillarmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Inhalt

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5.2 Systemische Sklerose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

5.2.1 Diagnostischer Algorithmus. . . . . . . . . . . . . 62

5.2.2 Klassifikationskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . .64

5.2.3 Kapillarmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .66

5.3 Kapillarmikroskopische Muster anderer Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

5.3.1 Systemischer Lupus Erythematodes . . . . . 70

5.3.2 Dermatomyositis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

5.3.3 Kryoglobulinämie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

5.3.4 Verbrauchskoagulopathie / Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80

6. Auswertung der Kapillarmikroskopie . . . 82

6.1 Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

6.2 Scores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84

6.2.1 CSURI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .84

6.2.2 «Microangiopathy evolution score» . . . . .86

7. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

8. Information (des Sponsors. . . . . . . . . . . . . . 92

8.1 Digitale Ulzerationen bei systemischer Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . 92

8.2 Tracleer® bei digitalen Ulzerationen . . . . .94

8.3 Kurzfassung Fachinformation Tracleer® 96

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .98

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1. Geschichte der Kapillarmikroskopie

Die Kapillarmikroskopie ist ein sehr altes Ver - fahren der Bildgebung. Bereits 1823 berichtete Purkinje über eine Untersuchung der Kapillaren des Nagelfalzes mit einer Lupe. Lombard beschrieb 1911 erstmals den Einsatz von Immer sionsöl und einem Mikroskop zur Beurteilung der Kapil-laren.

Die Standardisierung der Untersuchung und die erste Fotodokumentation wurden von Weiss 1916 veröffentlicht, ein erster Atlas von Müller 1922 publiziert. Über Jahrzehnte war die Kapillarmikros-kopie in Vergessenheit geraten. Deutschsprachige Nachschlagewerke, zuletzt aufgelegt 1983, sind vergriffen. Mit der technischen Weiterentwick-lung und der Etablierung der dynamischen Video-

kapillaroskopie durch Cutolo 2003 erlebte dieses Ver fahren eine Renaissance. Durch die Möglich-keit, Gefässalterationen bei rheumatischen Erkrankungen detailliert und insbesondere früh-zeitig im Krankheitsverlauf abzubilden, hat die Kapillarmikroskopie in Klinik und Praxis zuneh-mend an Bedeutung gewonnen.

Der Schwerpunkt der historischen Literatur zur Kapillarmikroskopie liegt bei der systemischen Sklerose (SSc). Eine bessere Auflösung und Doku-mentation sowie ein längeres Überleben der Patienten durch differenzierte therapeutische Möglichkeiten erlaubt die Fokussierung auf andere Systemerkrankungen wie den systemi-schen Lupus Erythematodes (SLE).

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Wir haben die in der ersten Auflage benutzten Definitionen kapillarmikroskopischer Veränderun-gen entsprechend den gleichlautenden Empfeh-lungen der AG Kapillarmikroskopie der DGRh (Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie) und der DDG (Deutsche Dermatologische Gesellschaft) zur deutschsprachigen Nomenklatur beibehalten. Ergänzend wurden die in der englischsprachigen Literatur üblichen Termini zusammengestellt und ergänzt. Es fehlen hier aber weiter international anerkannte Standards zur Nomenklatur.

Die Weiterbildung zum Rheumatologen und Angiologen trägt dieser Entwicklung Rechnung und sieht den Erwerb von Kenntnissen in der Kapillarmikrosk0pie vor. Durch die Arbeitsgruppe Kapillarmikroskopie der DGRh und der DDG ist hierfür ein standardisierter und zertifizierter Kurs entwickelt worden.

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2. Technik und Durchführung

Lupe mit eingebauter Lichtquelle

Einfaches Modell eines Stereo-Auflicht-Mikroskopes mit zwei Brennweiten

Stereo-Auflicht-Mikroskop einschl. Kaltlichtquelle (Kaltlichtring), Brenn-weiteneinstellung, Stativ, digitaler Kamera und hochauflösendem LCD- Bildschirm (Autor im Selbstversuch) Kaltlichtquellen, Kaltlichtring (unten)

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Foto: © Optilia Instruments AB

Mobiles hochauflösendes Videokapillarmikroskop mit eingebauter Optik und LED-Lichtquelle (Optilia). Es kann wie eine USB- Kamera oder als ein System mit Software genutzt werden. An dem Feintrieb wird die Fokussierung vorgenommen. Ferner kann die Lichtintensität angepasst und ein Standbild ausgelöst werden. Vergrösserungen von 100- und 200-fach können durch Wechsel der Linse erzeugt werden.

Das Gerät wird hier mit Computerarbeitsplatz und zugehöriger Software gezeigt. Das System kann als Handgerät oder an einem Stativ befestigt genutzt werden. Die Aufnahmen werden durch Drücken des kleinen Knopfes auf dem PC gespeichert. Die Software ermöglicht eine eindeutige Identifizierung der Region, Auswertalgorithmen erleichtern die Beurteilung. Optimal wäre eine Untersuchung ohne Nagellack, aller-dings ist die Entfernung mit mehr Artefakten behaftet als ein Belassen.Foto: © Optilia Instruments AB

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2. Technik und Durchführung

Untersuchung mit einem Videokapillarmikroskop (links) und einem USB-Mikroskop (rechts). Die praktische Durchführung ist bei beiden Untersuchungen ähnlich.

Mit einem USB-Mikroskop aufgenommene Übersicht des gesamten Nagelbettes. Bereits bei dieser Vergrösserung (ca. 50 x) lassen sich die Kapillaren orientierend beurteilen.

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Abbildung derselben Region mit einem einfachen USB-Mikroskop (links) und einem Videokapillar mikroskop (rechts), Vergrösserung 200 x. Auffallend sind beim USB-Mikroskop die vermehrten Lichtreflexe. Die Farben beim Videokapillarmikroskop erscheinen häufig rotstichig.

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2. Technik und Durchführung

Vorbereitung3 bis 4 Tage vor der Kapillarmikroskopie sollten keine Manipulationen an den Nagelfalzen vorge-nommen werden. Bei Hyperkeratose kann diese durch Salicylvaseline 5 % reduziert werden, die Behandlung sollte aber 1 Woche vor der Unter-suchung beendet sein. Die Raumtemperatur bei der Untersuchung und die Temperatur des Tisches sollte nicht unter 20 °C liegen. Der Patient sollte bequem sitzen und den Arm gut lagern können.

Die untersuchte Hand des Patienten liegt ohne Druck oder Spannung auf dem Untersuchungs-tisch, um Lagerungsartefakte zu vermeiden. Durch ein geeignetes Medium kann die Durch-sicht durch die oberen Hautschichten ermöglicht werden. Konventionelles technisches Immersions - öl kann zu Haut reizungen führen; pflanzliche

Öle wie z. B. Walnussöl oder Olivenöl sind besser verträglich, haben gute Brecheigenschaften, eine lange Verweilzeit und garantieren Farbechtheit. Ausreichend saugfähiges Material sollte den Arbeitsplatz schützen. Empfehlenswert ist die Untersuchung von mindestens drei Fingern (III. bis V. Finger). Die besten Ergebnisse liefert im Allgemeinen der IV. Finger.

Betroffene Finger sollten auf jeden Fall untersucht werden. Finger mit offensichtlicher mechanischer Alteration sollten ausgeschlossen werden.

Mit geschultem Auge, besser mit der Lupe oder durch ein Ophthalmoskop können bereits einige grobe Veränderungen, wie die sogenannten Megakapillaren (s. u.), gesehen werden. Der Nach-weis von kleinsten kapillaren Kaliberschwankun-gen oder Perfusionsstörungen bedarf hingegen

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eines hochauflösenden Mikroskopes. Der Gold-standard ist die direkte Beurteilung durch das bi-okulare Mikroskop. Es sollte mindestens eine 10- bis 100-fache Vergrösserung gewählt werden.

Moderne Geräte erlauben eine stufenlose Ver-stellung der Brennweite und somit komfortable Optimierung des Blickfeldes; zudem wird durch eine dezidierte Optik eine Vermessung ermöglicht. Die Lichtquelle (Kaltlicht zur Vermeidung von Verbrennungen) sollte das Gebiet von min destens 2 Seiten homogen ausleuchten. Es sollten jeweils pro Finger eine Übersicht und weitere Details ein gestellt und dokumentiert werden.

Mit dem Videokapillaroskop kann mit einer fixen 200-fachen Vergrösserung ein Millimeter Nagel-falz beurteilt werden. Es sollte daher, um einen Überblick zu erhalten, jeweils ein laterales und ein

paramedianes Bild jeweils links und rechts doku-mentiert werden (4 Aufnahmen), die Stelle am Nagelfalz sollte dann mit dem Bild dokumentiert werden.

Als preisgünstige Alternative zum Screening mit Möglichkeit der Dokumentation grober Ver änderungen bieten sich auch konventionelle USB-Mikroskope an. Hier sind im Allgemeinen Übersicht und Detail aufnahmen mit zufrieden-stellender Auflösung möglich. Mikrostrukturelle Veränderungen und Flussphänomene können aber der Diagnostik entgehen.

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3. Anatomische Grundlagen

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Grenze Immersionsöl

Nagel

Lichtreflex

Grenze der Haut

Grenze Dermis / Epidermis

50 x

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Nagel ohne / mit Immersionsöl

Hauptpapille (Lichthof)mit Kapillare

Arteriolen / venöse Plexus (quer)50 x

Lichtreflex der Lichtquelle

2

3

Grenze Epidermis / Dermis

100 x

3Lichthof

Ausschnitt

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3. Anatomische Grundlagen

Epidermis• Stratum corneum• Stratum granulosum/lucidum

Corium• Stratum papillare

afferenter/efferenter Schenkel 1. Plexus Stratum reticulare Brückenanastomose (Hoyer-Grosser’sche Organe)

präkapillare Sphinkteren (< 0.005 mm, quer verlaufende Muskeln)

2. Plexus

Subcutis

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Je Hautpapille ist eine Kapillare darstellbar. Sichtbar ist nur die blutgefüllte Kapillare. An dem Nagelfalz liegen diese parallel zum Lichthof, zur Hautober-fläche und der Fingerachse und ähneln einer Haarnadel. • Dichte: 7–17/mm • Länge: 200–300 µm • Lumen: 8–10 µm (afferent) bzw. 10–14 µm (efferent)

Die Flussrichtung ist bei ent-sprechender Vergrösserung gut sichtbar. Das dermale Gewebe um die Kapillare (Lichthof) grenzt sich gut von der Epider-mis ab.

Endothel-Zelle (25–50 µm lang)Dicke 50–500 nmGrenzen überlappend2–5 junctionsVesikel, Kanäle, Fenster, Poren

Basallamina (40–60 nm dick)

Perizyt (2. Reihe) umgreift die Kapillare locker kontraktil

Erythrozyt

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4. Terminologie ⁄ 4.1 Kapillarmorphologie: Haarnadelform

1 mm

1 2

Bilder von Probanden aus der Normalpopulation. Typische Haar-nadelform in regulärer Dichte. Es zeigt sich eine leichte physio-logische Variabilität der Füllung und Länge.

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Afferenter und efferenter Schenkel liegen parallel längs zum Finger und kreuzen sich höchstens einmal (Normalpopulation* 70–80% der Kapillaren).

Bei der Haarnadelform liegen beide Schenkel in einem Abstand von etwa 20 µm nebeneinander, aber auch übereinander, was in der 2-dimensiona-len Darstellung eine Verschmälerung bis zur Kreu-zung darstellt. Afferenter und efferenter Schenkel sind typisch gerade, können aber auch gestaucht

mäanderförmig verlaufen. Oft kann ein geringer Lumenunterschied zwischen afferentem und efferentem Schenkel erkannt werden. Der Scheitel bildet einen Rundbogen. (Sander et al. Arthritis Rheum 2010)

*Daten aus Rheuma Truck 2009, Querschnitt aus 9.800 Befundbildern

Definition «Haarnadelform» (hairpin-shape)

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1 mm

4.1 Kapillarmorphologie: Torquierung

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Torquierungen ( ) bei einem Patienten mit SLE; Zeichen der Einblutung ( ); zusätzlich Kaliberschwankungen und deutliche Formenvariabilität

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Afferenter und efferenter Schenkel kreuzen sich an mindestens 2 Stellen (Normalpopu-lation 18,2% der Kapillaren).

Torquierungen, d. h. Überkreuzungen afferenter und efferenter Schenkel finden sich häufig auch bei Gesunden, an bis zu 100% der Kapillaren eines Fingers und im Durchschnitt bei 18.2% der Kapil-laren. Für sich haben sie keinen Krankheitswert.

Sie können aber auch Folge einer Elongation sein; besonders auffällig sind sie bei gleichzeitiger Hyperämie oder Kaliberschwankung. Torquierun-gen sind bei SLE häufiger und bei SSc seltener als in der Normalpopulation.

Definition «Torquierung» (Tortuosity)

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Einengungen

Normales Lumen

Aufgeweitetes Lumen

100 µm

4.1 Kapillarmorphologie: Kaliberschwankung

1 2

3

Geringe ( 1 ), deutliche ( 2 ) und massive ( 3 ) Kaliberschwankungen bei Patienten mit SLE bei geringer ( 1 )bzw. hoher ( 2 , 3 ) Krankheitsaktivität

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Das physiologische Lumen der Kapillare variiert beim afferenten Schenkel zwischen 8 und 10 µm und beim efferenten Schenkel zwischen 10 und 14 µm ( 1 ). Innerhalb des Schenkels variiert das Lumen normalerweise kaum. Einzelne, auch be- nachbarte Kapillaren können gering unterschied-liche Dicken durch eine variable Rekrutierung auf-weisen, der Aspekt ist dennoch üblicherweise homogen.

Intraluminale inflammatorische Prozesse wie Aggregation von Antigen-Antikörper-Komplexen mit Aktivierung des Komplementsystems können auf die Gefässwand übergreifen und hier zu fokalen Architekturstörungen oder auch zu Variationen des Lumens führen (z. B. umschriebene kurzstreckige Einengungen ( 1 ) und Aufweitungen ( 2 )). Ausser bei Kollagenosen werden Kaliberschwankungen auch bei Virusinfekten gesehen.

Persistierende Variabilität der Dicke eines Schenkels um > 50% (Normalpopulation 0.7 % der Kapillaren)

Definition «Kaliberschwankung» (Irregular enlargement)

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Scheitelektasie

Ältere Blutung

1 mm

4.1 Kapillarmorphologie: Ektasie

1 2

Sehr roter (hyperämer) Hintergrund

SSc im frühen Stadium mit zahlreichen Ektasien der Scheitel, aus denen bereits Blutungen nachweisbar sind

Akrozyanose mit Ektasie insbesondere der efferenten Schenkel; dadurch scheinbar gesteigerte Dichte. Typisch ist die Rötung als Ausdruck der Hyperämie.

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Eine Ektasie des Scheitels zwischen afferentem und efferentem Schenkel ist ein typisches frühes Zeichen für eine Kollagenose, insbesondere für eine SSc ( 1 ).

Im Gegensatz zu den Kaliberschwankungen ist bei mehreren Kapillaren immer der gleiche Abschnitt, insbesondere der Scheitel erweitert.

Aufweitung des Lumens > 50% den Scheitel oder einen ganzen Schenkel betreffend (Normalpopulation 0.25% der Kapillaren)

Definition «Ektasie» (Irregular enlargement, bulging)

Megakapillaren (s. u.) sind letztlich Extremformen der Ektasie. Ektasien des Scheitels sind bei Ge sun-den ungewöhnlich. Eine Ektasie des efferenten Schenkels weist auf eine venöse Stauung hin bzw., wenn sie ausschliesslich nur die Hände befällt, auf eine sogenannte Akrozyanose (Regulationsstörung ohne Krankheitswert 2 ).

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Patientin mit systemischer Sklerose ( 1 ). Die Megakapillaren ( ) und Einblutungen ( ) sind bereits mit dem blossen Auge zu erkennen, besser aber mit Immersionsöl ( 2 ). Durch das Ödem bei der SSc ist das Bild aber bei höheren Vergrösserungen ( 4 ) wieder unscharf; Scheitel ektasie und Elongation als Vorstufe zur Megakapillare.

2

1 3 4

1 mm

100 µm

4.1 Kapillarmorphologie: Megakapillare

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Megakapillaren sind mit geschultem Auge oft schon ohne Hilfsmittel zu erkennen ( 1 ). Ihr Lumen und Durchmesser ist auf das teils über 30- Fache erweitert. Bei Vergrösserungen um 20 x ( 3 ) können afferente und efferente Schenkel bereits erkannt werden. Bei Vergrösserungen über 50 x ( 4 ) sind keine weiteren Informationen mehr zu gewinnen, vielmehr wird das kapillarmikros-kopische Bild nur unscharf und verschwommen.

Megakapillaren sind immer pathologisch und weisen auf die SSc, das CREST-Syndrom, Myositi-den oder Overlap-Syndrome hin.

Aufweitung des Kapillarlumens über 50 µm(Normalpopulation 0,004% der Kapillaren)

Definition «Megakapillare» (giant capillary)

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4.1 Kapillarmorphologie: Verzweigung

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Patientin mit SLE seit 2 Jahren. Es fallen leichte Variationen der Länge und Dicke auf; in der Vergrösserung ( 2 ) neben Elongation und Torquierung neu formierte Gefässe ( ), aber auch eine unauffällige Kapillare ( ).

2 Ausschnitt siehe rechts

500 µm

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Ein sehr eindrucksvoller Befund sind ausgeprägte Verzweigungen bei fortgeschrittenen Verläufen eines SLE oder eines Overlap-Syndroms mit akraler Vaskulitis. Die gewohnte Architektur der üb licher-weise unverzweigten, nahezu im rechten Winkel zu Arteriolen und Venen stehenden Kapillaren ist aufgehoben. Verzweigungen sind fast immer unphysiologisch. Auch bei früher Erkrankung kön-nen erste Verzweigungen der Kapillaren Hinweise auf die Grunderkrankung geben.

Ausgeprägte Verzweigungen werden auch Büschel-kapillaren genannt. Sie können auch vereinzelt als reparativer Prozess bei Gesunden nach Verletzun-gen dokumentiert werden.

Abnorme Verbindungen zwischen afferentem und efferentem Schenkel, verschiedenen Ka-pillaren oder Gefässneubildungen(Normalpopulation 2.5% der Kapillaren)

Definition «Verzweigung» (ramification)

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4.1 Kapillarmorphologie: Büschelkapillare

Auffällige Kapillare mit 2 ektatischen efferenten Schenkeln, die in einem Schenkel münden ( 1 ).

Im Verlauf von 3 Monaten eine zusätzliche Verzweigung links ( 2 ). Neoangiogenese ( ) mit Aufhebung der üblichen Archi-tektur.

1 mm

1 2

3

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Patientin mit 3-jährigem Verlauf eines SLE: Nachweis von multi-plen baumartigen Verzweigungen ( ), Einblutungen ( ) und gefässfreien Arealen ( 1 ).

Avaskuläres Areal ( 2 ) mit Neubildung von Gefässen in Form von Büscheln (unten) nach 18 Monaten unter Endothelin- Rezeptor-Antagonisten-Therapie ( 3 ).

1 mm

2 3

4

Ausgeprägte Verzweigung einer Kapillare bei SLE (Normalpopulation 0.001% der Kapillaren)

Definition «Büschelkapillare» (bushy capillary)

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4.1 Kapillarmorphologie: Elongation

• •

x

1 2

Einzelne elongierte Kapillaren mit beginnender Abknickung () und Aufweitung ( ) neben Kapillaren normaler

Länge (Punkt); zudem zeigt sich ein Abbruch des laminären Flusses als Hinweis auf ein zusätzliches rheologisches Problem (x).

Patientin mit SLE seit einem Jahr.

Eine deutlich elongierte Kapillare mit beginnender Schiess-schartenbildung ( ); zudem kleinere Einblutungen perikapillar ( ).

Patient mit floridem SLE und akraler Vaskulitis seit einem halben Jahr.

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Verlängerung einzelner oder mehrerer Kapil laren um 50% bzw. 350 µm(Normalpopulation 1.6% der Kapillaren)

Definition «Elongation» (elongation)

Physiologisch haben bei mechanisch nicht alte-rierten Fingern die Kapillaren eine vergleichbare Länge, die von Mensch zu Mensch variiert. Durch einen hohen Nagelwall oder ein Streckdefizit des Fingers kann eine Verkürzung durch einen ande-ren Sichtwinkel suggeriert werden.

Diabetiker haben oft kürzere Kapillaren um 100 µm Länge («Fischschwarmphänomen», siehe: 5.3.4 Spezielle Krankheitsbilder 2 ). Längere Kapillaren

können kompensatorisch neben avaskulären Arealen auftreten. Bei der Psoriasis ist eine ho mo-gene Elongation mit deutlicher Torquierung beschrieben. Bei Kollagenosen und Vaskulitiden treten Elongationen oft zwischen anderen Ver-änderungen auf. Die Kapillaren können dann ihre Haarnadelform behalten oder kompensatorisch Torquierung, eine Büschelung oder Schiessschar-tenformen( 2 ) bilden.

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4.2 Kapillardichte

100 µm

1 2

Fokal avaskuläres Areal von 500 µm bei Patientin SSc Numerisch leicht verminderte Kapillardichte mit 5 Kapillaren/mm bei Patientin mit Antiphospholipid-Syndrom (APS)

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Fokales avaskuläres Areal von 500 µm

Fokaler IIII IIIIIII (avaskuläre Zone) oder diffuser II II II II II Verlust von Kapillaren (Normalpopulation 4.3% der Finger)

Definition «Kapillarverlust» ((reduced) capillary density)

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1 mm

3

1 2

4.3 Veränderungen des Blutflusses: Sludge

Sludge bei einem älterem Besucher aus dem Rheuma Truck. Auffällige Aggregation der Erythrozyten mit Plasmalücken. Der Befund könnte einer in vitro beschleunigten Blutsenkung entsprechen. Patientin mit SLE und sekundärem APS seit 2 Jahren. In der

Übersicht unauffäl liger Befund ( 2 ).

Bei Vergrösserung (120 x) deutlich sichtbare Aggre gation ( ) und Flussabbruch ( ) ( 3 ).

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Bestandteile des Blutplasmas beeinflussen die physiologische laminare Strömung. Dieses resultiert in einer Aggregation von Erythrozyten, die sich wie «Klumpen» im durchsichtigen Plasma durch die Kapillare be wegen. Dadurch ändern die Kapillaren ständig ihre Gestalt.

Üblicherweise kommt es durch die Abstossungs-kräfte der gleich geladenen Erythrozytenober-flächen zu einem homogenen Blutfluss. Durch

Fibrinogen und Immunglobuline u.a. kann diese in Analogie zur Sturzsenkung umgekehrt werden; die Erythrozyten aggregieren dann.

Sludge kann aber auch bei aktivierter Gerinnung (z. B. im Rahmen eines APS), aber auch bei primä-rem Raynaud beobachtet werden, möglicherweise verursacht durch wiederholte Arteriolenspasmen.

Sichtbare Aggregation der Erythrozyten mit reversiblem Abbruch des Flusses in der über-wiegenden Zahl der eingesehenen Kapillaren (Normalpopulation 18% der Finger)

Definition «Sludge» (sludge)

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1

38 1 mm

•2

Thrombosierte ( ) und normale Kapillaren ( ) nach partieller Ablederung der Epidermis

4.3 Veränderungen des Blutflusses: Thrombose

Patient mit florider Myositis mit Ektasien, beginnenden Megakapil laren, Stase (Punkt), frischer ( ) und älterer ( ) Thrombosierung

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Thrombosen entstehen lokal bei Flussverlang-samung durch Aktivierung des Gerinnungssystems im Rahmen einer Verletzung ( 1 physiologisch) oder Vaskulitis ( 2 ) sowie durch eine systemische Aktivierung der Gerinnung (APS, Verbrauchsko-agulopathie).

Das fliessende, oxygenierte Blut ist rot, bei Ver-langsamung und Stase livide. Bei der weiteren Organisation zeigt sich eine zunehmend bräun-liche Verfärbung, und die Gefässgrenze löst sich auf. Die Unterscheidung zur Blutung (s. u.) ist dann durch das fehlende (blutende) Gefäss möglich.

Irreversible Thrombosierung einer Kapillare mit livider bis bräunlicher Verfärbung und fehlendem Flussnachweis (Normalpopulation 0.125% der Finger)

Definition «Thrombose» (thrombosis)

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40

1 mm500 µm

1 2

4.4 Extrakapillare Veränderungen: Blutung

SLE mit Glomerulonephritis. Zahlreiche Typ-A-Blutungen um die Kapillaren ( ), nur in hoher Auflösung sichtbar

Zwiebelschalenartig auswachsende grössere konfluierende Typ-B-Blutung ( ) bei einem Patienten mit CREST Syndrom

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Traumatisierungen und Vaskulitiden können zur kapillaren Blutung führen. Aus ektatischen und Megakapillaren kommt es oft zu zwiebelschalen-artigen Blutungen (Bild Titelseite, rechts), die über die Epidermis auswachsen. Bei florider Vaskulitis

eher zu punktartigen Blutungen ( 2 ), die beim SLE oft nur in hoher Vergrösserung zu sehen sind (Mikroblutungen) ( 1 und Bild Titelseite, links). Die Farbe und Lokali sation lässt auf das Alter der Blutung zurückschliessen.

Extravasaler Nachweis von Erythrozyten oder deren Abbauprodukten, Typ A: punktförmige Mikroblutung (Normalpopulation 0.3% der Finger) Extravasaler Nachweis von Erythrozyten oder deren Abbauprodukten, Typ B: grössere konfluierende Blutung (Normalpopulation 4.9% der Finger)

Definition «Blutung» (bleeding)

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1 mm

31 2

••

4.4 Extrakapillare Veränderungen: Ödem

Patientin mit noch undifferenzierter Kollagenose (3 Monate Krankheitsdauer). Auffällig heller Lichthof als Zeichen des beginnenden Ödems. Zusätzlich Kaliber-schwankungen.

Patientin mit früher SSc (6 Monate Krank- heitsdauer) mit Ektasien der Kapillaren ( ), Einblutungen, perlmutt-artigem Schimmer der Papillen ( ) und deutlich «verwaschener», unscharfer Abgrenzung.

Overlap-Syndrom seit 3 Jahren, diffuses Ödem der sehr breiten Papillen ( ) und verzweigten, ektatischen Kapillaren (

); Licht reflexe (Punkt).

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Das Ödem der Dermis ist ein typischer Befund bei der SSc, ( 1 ), dem CREST-Syndrom, und auch bei Overlap-Syndromen ( 2 ). Kapillarmikroskopisch fällt zunächst ein sehr heller, breiter Lichthof (Papille) auf. Bei weiterem Fortschreiten stellen sich die Gefässe wie verwaschen und unscharf dar; ein Schleier liegt über dem Bild. Die dermalen Papillen (Lichthöfe) ragen prominent in die Epider-mis vor und schimmern perlmuttartig.

Eine kapillarmikroskopische Differenzierung von einem Lymphödem kann nicht gelingen. Dennoch sind bei der SSc immer auch typische Kapillarver-änderungen nachzuweisen.

Extrakapillare dermale Flüssigkeitszunahme, sichtbar in heller Papille (Lichthof), verwa-schener Struktur und hellem Schimmer (Nor-malpopulation 0.8% der Finger)

Definition «Ödem» (edema)

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Physiologische ( 1 , 2 ), über die Nahrung aufge-nommene ( 3 ) und extern aufgebrachte Pigmente ( 5 ) können die Beurteilung der Kapillaren erschwe-ren. Durch Wechsel des Fokus in hoher Vergrösse-rung kann oft die Lage des Pigmentes auf, in oder unter der Haut differenziert werden. Melanozyten

gruppieren sich oft um Kapillaren, und von ihnen gehen fein punktförmige Pigmentstrassen in die Epidermis. Sie könnten mit Typ-A-Blutungen ver-wechselt werden. Das Carotin ist überwiegend in der Epidermis abgelagert, der externe Farbstoff sammelt sich zwischen den Hautschuppen.

4.5 Pigmente

Melanozyten, gruppiert um eine Kapillare Streifenförmig auswachsendes Hautpigment

1 2

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3

4

5

Gelb gefärbte Haut bei Karottenkonsum:Die Epidermis ist homogen gelb gefärbt. In der Detail-aufnahme (oben) ist die gelbe Epidermis zu erken-nen, in der Übersichtsauf-nahme (unten) ist sie im Kontrast zum nicht gefärb-ten Nagel noch besser erkennbar.

«Blaue Finger» durch neue Jeans, Pigmente oberflächlich auf der Epidermis, abwaschbar

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1

5. Befundinterpretation

Grenze Immersionsöl

Nagel

Lichtreflex

Grenze der Haut

Grenze Dermis / Epidermis

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4

5

Manche Befunde wirken auf den ersten Blick fremd, gar krankhaft, erklären sich aber bei genauerem Hinschauen. Es folgen einige Bei-spiele für Normalbefunde mit Nagellack, Einblutung nach Verletzung, stark pigmen tierter und sehr dünner Haut.

• Normalbefund ( 1 ): Es stellen sich überwiegend Haarnadeln in normaler Dichte, Füllung und ohne morphologische oder extra-kapillare Veränderungen dar.

• Nicht bei jedem Gesunden lassen sich die Kapillaren wie im Lehr-buch darstellen: Neben mechanischen Einflüssen, Nagellack ( 2 ), aggressiver Maniküre ( 3 ) und Verletzung ( 4 ) schränken eine sehr dicke Haut ( 5 ) und eine geringe Kapillarfüllung (z. B. Medi-kamente) die Beurteilung ein.

• Bei zu dicker Haut kann versucht werden, obere Hautschichten mit einem Heftpflaster oder Acetylsalicylsäure abzulösen.

Blutung nach Verletzung

Pigmentierte dickere Haut

2 3 6

Nagellack Schnittkante Nagelhaut entfernt Dünne Haut mit sichtbaren Venolen

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5. Befundinterpretation: Normalbefund Geschlecht/Rauchen

Voraussetzung für die Anwen-dung der Kapillarmikroskopie als diagnostisches Verfahren ist neben einem standardisierten Vorgehen die genaue Kenntnis der «normalen» Befunde in der Bevölkerung.

Im Rahmen einer mobilen Auf-klärungskampagne zu Rheuma-erkrankungen (Rheuma Truck) an 26 Standorten des Ballungs-gebietes Rhein-Ruhr konnten die Besucher an einer Reihe verschiedener Untersuchungen teilnehmen (unter anderem

einer Kapillarmikroskopie der Finger III–V beider Hände mit standardisierter Bilddokumen-tation).

Alle beantworteten die standar-disierten Fragen des Rheuma- Checks; es wurden demogra-phische Daten dokumentiert.

0

10

20

30

40

50

60

70

80

weiblich (n = 491)

männlich (n = 160)

Raucher (n = 115)

Nichtraucher (n = 539)

Sander O et al. Arthritis Rheum 2010; 62: S671–S672

Haarnadel Torquierung nicht normal Ektasie Verzweigung Blutung Fluss FüllungH

äufig

keit

der K

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bzw

. Häu

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ger I

II–V

bds.

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5. Befundinterpretation: Normalbefund Alter

Neben den 3.196 Truck-Besuchern wurde von 110 Ambulanzpatien-ten der Rheuma-Ambulanz des Universitätsklinikums Düsseldorf eine kapillarmikroskopische Bild-dokumentation auf dieselbe Art erhoben (mittleres Alter 54 Jahre, 75% weiblich, 10.000 Kapillarmi-kroskopiebilder auswertbar).

Die Bilder aus Truck und Ambu-lanz wurden geblindet von Stu-denten und semiquantitativ befundet von erfahrenen Unter-suchern. Die Ergebnisse wurden mit den anderen erhobenen

Daten verknüpft und ausgewer-tet. Die Ergebnisse sind in Aus-zü̈gen dargestellt. Es zeigten sich bezüglich der Morphologie

der Kapillaren wenig Einflüsse von Alter, Geschlecht oder Rauchgewohnheit.

0

10

20

30

40

50

60

70

80

Sander O et al. Arthritis Rheum 2010; 62: S671–S672

Haarnadel Torquierung nicht normal Ektasie Verzweigung Blutung Fluss Füllung

1981–1992

1971–1980

1961–1970

1951–1960

1941–1950

1931–1940

<1931

Geburtsjahr

Häu

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V bd

s.

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5.1 Raynaud-Syndrom / 5.1.1 Diagnostischer Algorithmus aus angiologischer Sicht

Ziel der angiologischen Untersuchung ist die Unterscheidung des rein funktionellen «primären» Raynaud-Syndroms (RS) von einem «sekundären», bei dem organische Veränderungen nachgewie-sen werden. Für ein primäres RS spricht, wenn keine organische Ursache erkennbar ist, es sich vorwiegend symme trisch, intermittierend und kurz dauernd (Minuten) manifestiert und der Daumen fast immer ausgenommen ist.

Trotz dieser Merkmale kann ein primäres RS nie direkt bewiesen, sondern nur bei entsprechender Klinik nach Ausschluss eines sekundären RS vermu-tet werden. Da die Wahrscheinlichkeit eines RS je nach Geschlecht, Alter, Komorbidität und berufli-cher Belastung erheblich variiert, ist die Intensität, mit der eine sekundäre Ursache ausgeschlossen werden muss, sehr verschieden. Aus Gründen der diagnostischen Effektivität empfiehlt sich ein strukturiertes Vorgehen. Bei der Anamnese des RS ist der Schwerpunkt auf das Verteilungsmuster, auf allgemeine körperliche Beschwerden und auf

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manuelle Tätigkeiten zu legen. Sind alle Langfinger beider Hände betroffen, wenn auch nicht gleich stark, passt dies zum primären RS.

Sind nur Finger einer Hand oder einzelne Finger betroffen, ist zunächst ein sekundäres RS anzu-nehmen. Der Zeitpunkt des erst maligen Auftre-tens des RS ist möglichst gut festzulegen. Primäre RS sind häufig schon mehrere Jahre bekannt. Sich plötzlich manifestierende oder erst später im Leben auftretende und sich progredient ver-schlechternde RS sind eher sekundär. Angaben von Allgemeinsymptomen wie Inappetenz, Ge -wichtsabnahme oder Leistungsknick sprechen für eine systemische Ursache im Sinne einer Vaskulitis, malignen Bluterkrankung oder sogar Myokarditis als möglicher Quelle einer peripheren Embolie. Liegen solche allgemeinen Symptome vor, steht deren Abklärung bei der weiteren Diag-nostik im Vordergrund und nicht die Verifizierung des RS. Die Medikamentenanamnese sollte mög-lichst vollständig sein. Alle Ergotaminderi vate

und ihre Abkömmlinge, aber auch neuere Migränepräparate wie die Triptane, können ein RS verursachen oder ein vorbestehendes Syndrom verschlechtern.

Für viele andere Präparate sind Einflüsse auf die Digitalarterien beschrieben, sie sind jedoch bis auf Chemotherapeutika selten alleinige Ursache eines RS. Der zeitliche Zusammen hang zwischen erstma-ligem Beginn des RS und der Belastung der Hände bei beruflichen, häuslichen oder sport-lichen Tätigkeiten ist unbedingt zu erfragen. Die körperliche Untersuchung zur Unterscheidung eines primären oder sekundären RS kann sehr organbezogen bleiben. Die Pulsuntersuchung über Arteria radialis und ulnaris sollte im Seitenver-gleich erfolgen, um auch geringe Differenzen zu erfassen. Zum Ausschluss eines klinisch relevanten Thoracic-outlet-Syndroms ist eine Bltudruck-messung am elevierten und abduzierten Arm indiziert. Ein positiver Allen-Test spricht zwar für ein sekundäres RS, trägt aber nicht zur Ursachen-

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5.1.1 Diagnostischer Algorithmus aus angiologischer Sicht

findung bei. Beim primären RS sollte er unauffällig sein.

Bei gut kompensierter Verschlusssituation und einem RS, welches nur bei Arbeiten in Kälte auf-tritt, kann der Allen-Test ebenfalls negativ ausfallen. Eine vermehrte Beschwielung oder kleinere Ver-letzungen an den Händen weisen auf physikali-sche Belastungen hin. Davon abzugrenzen sind trophische Störungen wie die Kutisverdickung mit Unfähigkeit zum Faustschluss oder kutane Verkal-kungen an den Fingerbeeren. Ausser den Händen sollte nach Veränderungen an den Füssen gefragt und die Füsse sollten inspiziert werden, da bei jüngeren Männern und Frauen die Thrombangiitis obliterans eine wichtige Differenzialdiagnose ist.

Bei den technischen Untersuchungen haben neben der Bestimmung der Basislaborwerte wie Blutsenkung, Blutbild und Leber- und Nierenwerte der Nachweis von Autoantikörpern und die Kapil-larmikroskopie die grösste Bedeutung.

Bei der Kapillarmikroskopie ist vor allem die Unterscheidung zwischen einem Normalbefund (primäres RS) und einem pathologischen Befund (sekundäres RS) notwendig.

Zur Frage der primären oder sekundären Genese sollte die Kapillarmikroskopie durch eine akrale Volumenpulsoszillographie oder die Dopp-ler-Druckmessung an den Fingern ergänzt wer-den, um einen Digitalarterienverschluss oder eine Druckminderung in den Digitalarterien zu erken-nen. Bei der Volumenpulsoszillographie ist der Erhalt der Dikrotie ein wichtiges diagnostisches Merkmal. Bei simultaner Digitalarteriendruckmes-sung an verschiedenen Fingern können reprodu-zierbare Druckdifferenzen von 15 mmHg zwischen den Fingern oder absolute Druckwerte unter 70 mmHg als Hinweis auf einen arteriellen Ver-schluss gewertet werden. Eine Minderung des Volumenpulses oder des Digitalarteriendrucks ist aber nur bei sekundären RS mit organischem Ver-schluss der Digitalarterie selbst oder mit einem

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hämodynamisch wirksamen vorgeschalteten Ver-schluss zu erwarten. Bei den wenigsten Patienten mit sekundärem und keinem Patienten mit primä-rem RS ergeben diese Untersuchungen eine sichere Aussage. Normale Untersuchungsergeb-nisse schliessen unter Ruhebedingungen kompen-sierte Gefässverschlüsse nicht aus.

Ob eine organische Änderung am Gefässsystem der Hand vorliegt, kann neben der Kapillarmikros-kopie nur durch eine intraarterielle Angiographie entschieden werden. Die farbkodierte Duplex­sonographie ist geeignet, die Gefässe des Schul-tergürtels, des Ober- und Unterarms und des Hohlhandbogens darzustellen. Die individuelle Variabilität der Digitalversorgung macht die Beur-teilung der weiter distal gelegenen Gefässab-schnitte sonographisch schwierig und zuweilen unmöglich. Hinzu kommt, dass verschlossene Digitalarterien sich sonographisch nicht systema-tisch darstellen lassen und feinste Endverzwei-gungen nicht beurteilbar sind. Moderne Magnet-

resonanz (MR)-Angiografietechniken gewinnen zwar zunehmend an Bedeutung, erreichen aber bisher nicht die gewünschte Auflösung.

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1 2

3 4

5.1.1 Diagnostischer Algorithmus aus angiologischer Sicht

Sonographischer Befund der Arteria radialis eines Patienten mit SSc und deutlicher Wandsklerose ohne Lumeneinengung ( 1 ) und mit laminarem Blutfluss ( 3 ).

Gefäss desselben Patienten nach einem Volleyballspiel mit Wandveränderungen, Intimaeinrissen und Lumeneinengung ( 2 ) sowie Flussturbulenzen ( 4 ). Klinisch neu aufgetretene livide Verfärbung des Zeigefingers.

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5.1.2 Diagnostischer Algorithmus aus dermatologischer Sicht

Die wissenschaftlich belegte Bedeutung der Ka pillar mikroskopie in der Differenzialdiagnostik bestimmter Hautsymptome oder Dermatosen hat zu ihrer zunehmenden Anwendung auch in der Dermatologie geführt. Ihre Vorteile sind, dass sie nichtinvasiv, gut dokumentierbar, nahezu beliebig oft wiederholbar, nicht teuer und inzwischen gut standardisiert ist, Letzteres nicht zuletzt dank der erfolgreichen gemeinsamen Bemühungen von Rheumatologen, Angiologen und Dermato logen um eine Standardisierung der Begriffe und des diagnostischen Algorhitmus (Sander et al. Arthritis Rheum 2010).

Den Dermatologen ist ein ähnliches Verfahren vertraut: die Dermatoskopie (Auflichtmikroskopie). Sie ist eine wertvolle, ebenfalls nichtinvasive Hilfe in der Differenzialdiagnose von epidermalen und dermalen Pigmentierungen (Melanomen), aber auch zur Beurteilung der oberflächlichen Gefäss-architektur.

Die Objektive der – allerdings meist nicht stereo-skopischen – Handgeräte leisten in der Regel eine gute Ausleuchtung und Auflösung bei 10-facher Vergrösserung. Damit lassen sich zwar auch am Nagelfalz einige pathologische Veränderungen erkennen, aber nicht alle (s. u.) und nicht alle so sicher oder in einem so frühen Stadium wie mit einem Videokapillarmikroskop. Nicht gut erkenn-bar oder quantifizierbar mit einem Dermatoskop (bzw. Vergrösserungen unter 100-fach) sind z. B.: Verzweigungen, Kaliberschwankungen, Anzahl der Kapillare pro mm, leichte Ödeme, Sludge. Ein vorrangiger Wert der Kapillarmikroskopie liegt in der Differenzialdiagnose des Raynaud­ Phänomens und der frühen Diagnostik bei Ver-dacht auf SSc. Ihre Bedeutung hierfür ist epide-miologisch und wissenschaftlich erwiesen (s. u.).

Weitere Dienste leistet der kapillarmikroskopische Befund dem Derma tologen in der Differenzial-diagnose von SLE, Dermato myositis oder APS – auch wenn es für diese Erkrankungen keinen

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pathognomischen oder ähnlich gut durch Studien abgesicherten Befund gibt wie für die SSc (s. u.).

Für folgende andere Dermatosen oder Erkrankun-gen mit Hautsymptomenwurde zwar ein von der Norm abweichender kapillarmikroskopischer Nagelfalzbefund berichtet, aber es fehlen hierfür unseres Erachtens statistische Belege, zumal eine hohe Befundvariabilität bei klinisch gesunden Patienten festgestellt wurde (Sander et al. Arthri-tis Rheum 2010):

Morbus Behçet: Bei einem Drittel der Patienten verschiedene Ver-änderungen, v. a. dilatierte Kapillaren, aber bislang ohne typische Konstellation mit einer prognosti-schen Bedeutung (Wechsler et al. Ann Dermatol Vernerol 1984).

Sklerodermieformen GvHD (im Gegensatz zur lichenoiden GvHD): Avaskuläre Felder neben normalen Kapillarschleifen

in der distalen Reihe, Ekta sien, Blutungen (also ähn-lich dem Bild bei der SSc) (Akay et al. Brit J Dermatol 2010).

Lymphödem: Deutliches Ödem («unscharfe Kapillare»), ohne andere für z. B. SSc typische Kapillarveränderun-gen; die Diagnose kann aber ohne Kapillarmikros-kopie gestellt werden.

Vaskulitis der kleinen Gefässe: Verringerte Kapillardichte, verlängerte Kapillaren, Ödeme, Blutungen; allerdings sind bei der Immun-komplexvaskulitis primär die postkapillaren Veno-len befallen, wodurch am Nagelfalz allenfalls se- kundäre Phänomene bedingt werden. Insgesamt hat die Kapillarmikroskopie für diese Diagnose keine Korrelation zu Prognose oder Ausmass der systemischen Verteilung ergeben (Zampetti et al. Clin Rheumatol 2009).

5.1.2 Diagnostischer Algorithmus aus dermatologischer Sicht

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Immunkomplexvaskulitis: Wird die Kapillarmikroskopie ausserhalb des Nagelfalzes für die Purpuraherde angewandt, so kann zumindest zwischen Vaskulitis und Angiomen (Blutseen) (Ohnishi et al. Arch Der-matol 1999) bzw. zwischen Urtikaria (erweiterte Gefässe) und Urtikariavaskulitis (zusätzlich punkt- oder globular-fleckförmige Einblutungen) unter-schieden werden (Vazquez-Lopez et al. Rheumatol 2003).

Psoriasis (Schuppenflechte):Die typische histologische Veränderung bei Psoriasis, nämlich lang gezogene und ggfs. neu ge bildete Gefässe im Papillarkörper, werden in der Kapillarmikroskopie auch als lang gezogene, erweiterte und torquierte Kapillaren beobachtet; allerdings nur in läsionaler Haut (Hern und Mor-timer Brit J Dermatol 2007), nicht dagegen im unbetroffenen Nagelfalz. Hier fällt allenfalls eine Verringerung der Kapillardichte auf, wenn eine Arthritis im distalen interphalangealen Gelenk

vorlag, nicht aber, wenn Nagelveränderungen vor-lagen (Bhushan et al. Brit J Dermatol 2000).

Weitere diagnostische Möglichkeiten der Kapil-larmikroskopie erschliessen sich zurzeit auch für die Dermatologie: z. B. eine mögliche Korrelation zwischen den kapillarmikroskopischen Zeichen für einen Diabetes mellitus und Wundheilungs-störungen.

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Ungarn Düsseldorf

Untersuchte Population 10’000 3’230

Prävalenz (beobachtete Verfärbung) 5.789% 5.625%

«Klinisch signifikant» (mit Beschwerden) 0.877% 1.401%

Zentromer positiv / Kapillarmikroskopie auffällig 0.147% 0.129%

Manifeste systemische Sklerose 0.091% 0.032%

Czirják L Clin Exp Rheumatol 2005; Sander O Arthritis Rheum 2010

Häufigkeit in zwei grossen zentraleuropäischen Populationen

5.1.3 Häufigkeit

Ein Abblassen der Finger wird in Ungarn und Westdeutschland gleich häufig berichtet, Beschwerden sind bei der häufig nasskalten Witterung in Düsseldorf häufiger. Serologische und kapillarmikroskopische Hinweise auf eine frühe SSc sind wieder annähernd gleich verteilt, eine manifeste Erkrankung ist sehr selten.

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Bildserie einer Patientin mit primärem Raynaud­Syndrom

Das primäre RS zeichnet sich im anfallsfreien Intervall durch einen kapillaroskopischen Normal-befund ( 1 ). aus. Im Anfall, der auch durch Kälte-reiz provoziert werden kann, kommt es umgehend zu einem passageren «Verschwinden» der Schlin-gen und zu einem Abblassen der Kapillaren ( 2 ), die sich allenfalls nur noch als sehr dünn mit deutlich verlangsamter und granulärer Strömung darstellen. Geringe Kaliberschwankungen und eine leichte Dichteminderung sind bei langjähri-gen Verläufen möglich, Mikroblutungen bei star-ker Schubfrequenz.

Darüber hinausgehende Veränderungen schlies-sen ein primäres RS aus und sollten eine einge-hendere Diagnostik nach Ursachen für ein sekundäres RS einfordern.

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5.1.4 Kapillarmikroskopie

1 mm

1

2

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normal

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50

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20

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0nicht normal Ektasie Megakapillaren Verzweigung Blutung Fluss FüllungTorquierung

ja

nein

60

Verfärbung der Finger bei Kälte

Sander O et al. Arthritis Rheum 2010; 62: S671-S672

5.1.4 Kapillarmikroskopie: Normalbefund Raynaud / Verfärbung der Finger bei Kälte

Menschen, die im Rheuma Truck über eine Verfärbung der Finger bei Kälte berichteten, hatten im Vergleich häufiger Auffällig-keiten des Blutflusses und der Kapillarfüllung, zeigten aber nur geringe Unterschiede in der Morphologie. Somit ist bei der grossen Mehrheit der Betroffe-nen von einer funktionellen Ver-änderung auszugehen (Sander et al. Artritis Rheum 2010).

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61

5.1.4 Kapillarmikroskopie: Differenzialdiagnose verfärbte / blasse Finger

1 2 3

Akrorhigose, Weitstellung aller Kapilla-ren (Rötung) mit verlangsamtem Fluss bei Kälte (livide) und leichtem Ödem (heller Lichthof)

Anämie, anhaltend wenig gefüllte Kapillaren, heller Hintergrund, keine Variabilität der Füllung, keine Phasen mit Hyperämie, Fluss eher schnell (unten)

Sekundäres RS bei Vibrationstrauma (Rüttelplatte, oben)

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62

5.2 Systemische Sklerose / 5.2.1 Diagnostischer Algorithmus

Eine Befundkonstella tion mit Megakapillaren (aber nicht allein Ektasie) und gefässfreien Arealen ist mit hoher Wahrschein lichkeit pathognomo-nisch für die SSc. Der kapillar mikroskopische Befund hat für die SSc eine Sensitivität von > 90% und eine Spezifität von > 95%).

Wenn die anerkannten Warnzeichen oder Signal- flaggen («red flags») für die frühe Diagnose einer SSc auftreten, d. h. • positive Titer für antinukleäre Antikörper, • geschwollene Finger oder

Hände («puffy hands») und • Raynaud-Phänomen (Very Early Diagnosis

Of SSc = VEDOSS) (Avouac et al. 2011; Koenig et al. 2008),

dann erwartet man von der kapillarmikroskopi-schen Untersuchung und der Bestimmung von Antiköpern gegen Zentromere und Topoisomerase, dass sie die bislang ungenutzte Zeit zwischen dem Auftreten eines Raynaud-Phänomens und der Manifestation einer SSc nach den vorläufigen ACR-Kriterien (1980) entscheidend verkürzen (Lonzetti et al. 2001).

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Frühe SSc weitere Abklärung: HRCT, Lungenfunktion, Endoskopie, Manometrie

Frühzeitige Diagnose der systemischen Sklerose

Differenzialdiagnosen weitere Abklärung

Kapillarmikroskopie und Labor auf spezifische AK

Patienten mit V. a. frühe SSc mit Symptomen wie z. B. Raynaud-Syndrom, ödematöse Finger, pos. ANA

1. StufeVerdacht

negativ > 1 positiv

negativ

Verlaufskontrolle Therapie

positiv

Diagnose2. Stufe

63

Avouac J et al. Ann Rheum Dis 2011; 70: 476-481

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5.2.2 ACR ⁄ EULAR Klassifikationskriterien*

Gewichtung/Element Unterelement(e) Score†Hautverdickung der Finger beider Hände, die sich proximal zu den – 9 Metacarpophalangealgelenken ausdehnt (hinreichendes Kriterium)Hautverdickung der Finger (nur der höhere Score zählt) Geschwollene Finger 2 Sklerodaktylie der Finger (distal der Metacarpophalangeal- 4 gelenke jedoch proximal der proximalen Interphalangealgelenke)Digitale Ulzerationen (nur der höhere Score zählt) Digitale Ulzerationen 2 Grübchenförmige Narben an den Fingerspitzen 3Teleangiektasie – 2Abnormale Nagelfalzkapillaren – 2Pulmonal arterielle Hypertonie und/oder interstitielle Pulmonal arterielle Hypertonie 2 Lungenkrankheit (maximaler Score ist 2) Interstitielle Lungenkrankheit 2Raynaud-Phänomenon – 3SSc-bedingter Autoantikörper(Anti-Zentromer, Anti–Topoisomerase I Anti-Zentromer 3 [Anti–Scl-70], Anti–RNA Polymerase III) (maximaler Score ist 3) Anti–Topoisomerase I Anti–RNA Polymerase III

*Diese Kriterien gelten für jeden Patienten, der zur Aufnahme in eine Studie über systemische Sklerose erwogen wird. Diese Kriterien gelten nicht für Patienten mit Hautverdickung, von der die Finger nicht betroffen sind, oder Patienten, die eine sklerodermieartige Krankheit haben, die ihre Manifes tationen besser erklärt (z. B. nephrogene sklerosierende Fibrose, generalisierte Morphea, eosinophile Fasziitis, diabetische Sklerodermie, Skleromyx ödem, Erythromyalgie, Porphyrie, Lichen Sclerosus, Graft-versus-Host-Disease, diabetische Chiroarthropathie).†Der Gesamt-Score wird durch Addieren der maximalen Gewichtung(Score) in jeder Kategorie bestimmt. Patienten mit einem Gesamt-Score von ±9 werden als definitive Fälle von systemischer Sklerose klassifiziert.SSc, systemische Sklerose.

Van den Hoogen F et al. Ann Rheum Dis 2013; 72(11): 1747-1755

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5.2.2 ACR ⁄ EULAR Klassifikationskriterien – Definition der Elemente

Element Definition

Hautverdickung Hautverdickung oder -verhärtung, die nicht durch Narbenbildung nach Verletzung, Trauma usw. entstanden ist.

Geschwollene Finger (puffy fingers)

Geschwollene Finger - eine diffuse, normalerweise nicht grübchenbildende Zunahme des Weichteilgewebes der Finger, das sich über die normalen Grenzen der Gelenkkapsel ausdehnt. Normal geformte Finger verjüngen sich distal, wobei das Gewebe der Kontur des Fingerknochens und der Gelenkstrukturen folgt. Schwellungen der Finger verwischen diese Konturen. Nicht auf andere Ursachen wie entzündliche Daktylitis zurückzuführen.

Digitale Ulzerationen Geschwüre oder Narben distal vom oder am proximalen Interphalangealgelenk, von denen nicht angenommen wird, dass sie durch Trauma entstanden sind. Grübchenförmige Narben (pitting scars) der Finger sind vertiefte Bereiche an den Finger-spitzen, die eher als Folge von Ischämie als von Trauma oder exogenen Ursachen entstehen.

Teleangiektasie Teleangiektasien sind sichtbare makulare erweiterte oberflächliche Blutgefässe, die unter Druck kollabieren und sich langsam füllen, wenn der Druck endet. Teleangiektasien in einem sklerodermieartigen Muster sind rund und klar abgegrenzt, und können an den Händen, Lippen und im Innern des Mundes auftreten und/oder sind grosse, mattenartige Teleangiektasien. Von sich schnell füllenden Spinnenangiomen mit zentraler Arteriole und von erweiterten oberflächlichen Gefässen unterscheidbar.

Abnormales Nagelfalzkapillar muster, das der systemischen Sklerose entspricht

Vergrösserte Kapillaren und/oder Kapillarverlust mit oder ohne perikapilläre Hämorrhagien am Nagelfalz. Können auch an der Nagelhaut auftreten.

Pulmonal arterielle Hypertonie

Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH), die durch Rechtsherz-Katheterisierung nach Standarddefinitionen diagnostiziert wird.

Interstit. Lungenkrankheit Lungenfibrose, die auf hochaufgelösten CT- oder Bruströntgenaufnahmen sichtbar ist, am stärksten in den Basilarbereichen der Lungenflügel zu sehen, oder Auftreten von klettverschlussähnlichem‘ Knistern bei der Auskultation, das nicht auf eine andere Ursache wie Stauungsinsuffizienz zurückzuführen ist.

Raynaud-Phänomen Vom Patienten selbst berichtet oder durch einen Arzt berichtet, mit mindestens 2-phasiger Farbveränderung in den Fingern und häufig auch den Zehen, bestehend aus Blässe, Zyanose und/oder reaktiver Hyperämie als Reaktion auf Kälteexposition oder Emotionen; normalerweise ist eine Phase Blässe.

SSc-bedingte Autoantikörper Antizentromer-Antikörper oder Zentromermuster, die bei antinukleären Antikörpertests auftreten, Anti-Topoisomerase-I-Anti-körper (auch als Anti–Scl-70-Antikörper bekannt) oder Anti-RNA-Polymerase-III-Antikörper. Positiv gemäss lokalen Laborstandards.

SSc, systemische Sklerose. Van den Hoogen F et al. Ann Rheum Dis 2013; 72(11): 1747-1755

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Stadium I (Ektasie): Typische frühe Veränderungen bei der SSc sind fokale Kapillar-ektasien

und Einblutungen. Die Dichte ist noch normal, ein Ödem möglich (Carpentier 1983).

200 µm1 mm

Stadium II (einzelne Mega­kapillaren): Im Verlauf bilden sich ein zu -nehmendes Begleitödem aus, eine Rarefizierung der Kapillar-dichte und eine Zunahme der ektatischen Kapillaren bis zur Megakapillare (Carpentier 1983).

200 µm

Kapillarmikroskopische Stadien nach Carpentier (1983)

1 2 3

5.2.3 Kapillarmikroskopie

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100 µm 1 mm

Stadium III (überwiegend Mega kapillaren): Im Zwischenstadium nehmen Megakapillaren, Deformierungen und Ödem zu, die Dichte ab (Carpentier 1983).

Stadium IV (Narbe): Im Spätstadium sind nur noch sehr wenige, überwiegend deformierte Kapillaren und ein ausgeprägtes Ödem darstellbar, grössere Abschnitte sind gefäss-frei (Carpentier 1983).

x

• Kapillarmikroskopische Stadien nach Cutolo (2006)

Early: Normale Dichte, Ektasien bis einzelne Mega kapillaren

Active: Viele Megakapillaren, Blutungen, etwas Dichteminderung

Late: Störung der Kapillararchitektur, deutlich verminderte Dichte, wenig Blutungen

4 5

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Erstdiagnosen bei Patienten mit systemischer Sklerose: Das Erstsymptom bei auf dieser Seite gezeigten Patienten war eine Raynaud-Symptomatik; die Symptomdauer lag unter einem Jahr.

1 2 3 zeigen Ektasien der Scheitel ( ), Blutungen (Punkte), Ödem ( ) und Kapillar-verlust mit gefässfreiem Areal (x), aber noch ohne Megakapillare (Stadium I).

1 2

••

5.2.3 Kapillarmikroskopie

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4 zeigt eine sich entwickelnde Megakapillare ( ) neben Blutungen und Ödem ( ) nach 1 Jahr (Sta dium II).

3 4

••••

x

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X

•1 zeigt einen 18-jährigen Patienten mit

einem floridem SLE mit renaler Beteiligung. Neben Kaliberschwankungen finden sich Ektasien ( ), Elongationen, Verzwei-gung ( ), Torquierung (X), fokale Dichteminderungen und Mikroblutungen (offene Punkte) und bereits mit dem blossen Auge sichtbare Blutung (Punkt), daneben noch unauffällige Kapil laren.

2 Befund einer Patientin mit SLE, 12 Jahre in Remission. Es zeigt sich selbst in hoher Vergrö sserung ein vom Normalen kaum zu unterscheidender Befund. Einzelne Kapilla-ren fehlen (X). Zudem liegt eine grenzwer-tige Elongation ein zelner Kapillaren vor.

3 Befund eines Patienten mit SLE, 8 Jahre in Remission. Deutliche Rarefizierung der Gefässe bei akralen Durchblutungs-störungen.

4 Dieselbe Patientin nach Prostaglandin-gabe: Rekrutierung der Kapillaren in nor-maler Dichte mit einzelnen torquierten Gefässen.

1

5.3 Kapillarmikroskopische Muster anderer Erkrankungen ⁄ 5.3.1 Systemischer Lupus Erythematodes

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Beim systemischen Lupus erythematodes sieht man gleichzeitig am selben Patienten ver-schiedene pathologische Veränderungen der Nagelfalz kapillaren, v. a. Kaliberschwankungen, Verzweigungen und Elongationen der Kapillaren. Ausserdem beobachtet man oft das Sludge- Phänomen, welches auf assoziierte Koagulo-pathien zurückgehen mag, v. a. auf ein APS.

2

3

4

X X

5.3 Kapillarmikroskopische Muster anderer Erkrankungen ⁄ 5.3.1 Systemischer Lupus Erythematodes

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Zur Person geblindete Auswertung der Kapillarmikro-skopiebilder von 116 Patienten (PAT) unserer Klinik. Als normale Kontrolle dienen n = 754 (NP, Truck). SLE mit Organbeteiligung (n = 88; 75.9%), SLE / Overlap-Syndrome (n = 16; 13.8%); oligosympto-matischer LE (UCTD) (n = 10; 8.6%), kutaner LE (n = 2; 1.7%). Weibliche Patienten dominierten in beiden Kohorten (n = 98; 84.5%; NP: n = 491; 65.1%). Das Durchschnittsalter lag bei 39.9 ± 13.5 Jahren (NP 54.6 ± 17.1 ), Krankheitsdauer 8.0 ± 7.8 Jahre, Krankheitsaktivität (ECLAM Score) 2.1 ± 2.3. Nur 49% PAT zeigten eine normale Dichte (NP 96%),

45% hatten Einblutungen (NP 10%), 13% ein Ödem (NP 0.8%). Sludge war bei 59% der PAT, häufiger bei Frauen zu sehen (62 vs. 39%, NP 19 vs. 13%), Auf-fälligkeiten der Füllung bei 54% der PAT (NP 13%), Frauen zeigten eher eine verminderte, Männer eher eine vermehrte Füllung. 87 % der PAT hatten Kaliber-variationen (NP 1 %). Ektasien hatten 49% der PAT und < 1% der NP (häufiger bei Frauen). Verzweigun-gen (PAT 67%, NP < 3%) und Elongationen (PAT 54%, NP < 2%), Torquierungen (PAT 64%, NP 18%) waren ebenso auffällig vermehrt (Richter et al. Ann Rheum Dis 2012).

5.3.1 Systemischer Lupus Erythematodes

Kapillarmikroskopie bei SLE – eine eigene Standortbestimmung

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Dichte BlutungLichthof Fluss Füllung

% d

er Fi

nger

mit

Auffä

lligk

eite

n

0

10

20

30

40

50

60

70

80

% d

er K

apill

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mit

Auffä

lligk

eite

n

Kaliber-schwankungen

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Verzweigung Ektasie Elongation Torquierung

73

Richter J et al. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl 3): 299 Richter J et al. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl 3): 299

5.3.1 Systemischer Lupus Erythematodes

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Kapi

llarm

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% d

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nter

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Popu

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n/Pa

tient

en

Kapillarmikroskopie-Muster

0

10

20

30

40

50

60

70

80

SLE Sklerodermie IAPS Sklerodermie II Myositis

74

Die Untersuchung der Sub-gruppen zeigte ein SLE-Muster bei über 70% der Patienten mit Organbeteiligung, 56% mit Overlap und nur in 20% bei oligosymptomatischem LE, aber < 1% in der NP. Eine «early» SSc wurde bei 25%, eine «active» SSc bei 38% und ein Myositismuster bei über 60% der Patienten mit Overlap Syndrom gesehen. Diese Muster zeigten sich hingegen in weniger als 10% der anderen (S)LE-Patienten und in weniger als 1% der NP.

Untersuchte Population

Richter J et al. Ann Rheum Dis 2012; 71 (Suppl 3): 299

5.3.1 Systemischer Lupus Erythematodes

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5.3.2 Dermatomyositis

1

2

5.3.1 Systemischer Lupus Erythematodes

Bei der Dermatomyositis sieht man insbesondere auch häufig Kapillarektasien und Blutungen, die aber im Gegensatz zur SSc nicht mit einer promi-nenten Rarefizierung der Gefässe einhergehen. Die Kapillaren sind erweitert, der Blutstrom (i. e. der Fluss der sichtbaren Erythrozyten) ist daher verlangsamt. Diese Veränderungen korrelieren eher mit den Hautveränderungen als mit der Myositis (Christen-Zaech et al. 2008).

Dabei kann die Anzahl der Kapillaren pro mm in der distalen Kapillarreihe ein Marker für die Krank-heitsaktivität sein (Schmeling et al. 2011). Der kapillarmikroskopische Befund wurde unter den Kriterien für die Diagnose der juvenilen Dermato-myositis eingereiht (hinter proximaler Muskel-schwäche, Hautexanthem und erhöhten Muskel - enzymen) sowie Muskelbiopsie und MRT gleichran-gig neben myopathischen EMG-Zeichen, Kalzinose und Dysphonie (Brown et al. Rheumatol 2006).

Dermatomyositis vor und 6 Monate nach Therapie. Nachlassen der Blutung, Ödem und Stase, weitere Verzweigungen.

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5.3.2 Dermatomyositis

•X

X X X

1 2

3 4

76

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Bei der Dermatomyositis überwiegen Kapillar- ektasien (Pfeile) und häufige Blutungen (Punkte), ohne dass es zu einer mit der SSc vergleichbaren Rarefizierung der Gefässe kommt ( 1 ). Die relative Hyperämie und der verlangsamte Blutfluss sind das mikroskopische Korrelat zur sichtbaren lividen Verfärbung der Kapillaren und Haut ( 2 3 ).

Bei Überlappen der Erkrankung sind auch andere Veränderungen wie Ödem oder Verzweigungen sichtbar. Patient mit Polymyositis ( 4 ), ohne die vorbeschriebenen Veränderungen, aber mit Kali-berschwankungen (X).

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5.3.3 Kryoglobulinämie

1 2

3 4

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Bildserie einer Patientin mit Kryoglobulinämie bei chronischer Hepatitis­C­Infektion

Übersichten ( 1 2 ) und Detailbefunde ( 3 4 ). Zunächst zeigt sich fast ein Normalbefund ( 1 ) mit normaler Dichte und allenfalls einigen leicht erweiterten Kapillaren. Nach Kältereiz Abblassen der Füllung bei gleicher Dichte der Kapillaren ( 2 ). Das Detail zeigt ein deutliches Sludge-Phänomen und eine livide Verfärbung ( 3 ). Nach 5 Minuten stellt sich wieder ein laminarer Fluss ein ( 4 ). Jetzt fallen auch die Kaliberschwankungen und eine Torquierung deutlicher auf.

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X X X

1 2

5.3.4 Verbrauchskoagulopathie ⁄ Diabetes mellitus

Patientin mit AOSD. Deutliches Sludge Phänomen ( ), fokaler Verlust einzelner Kapillaren (X) und geringes Ödem mit deutlicher Markierung der Dermis/Epidermisgrenze ( ) bei hochaktiver Erkrankung.

Patientin mit langjährigem DM und diabetischer Cheiroarthro-pathie. Eine deutliche Verkürzung der Kapillaren und ein sehr heller Lichthof durch Ablagerung von Proteoglycanen im Inter-stitium ( ) ergibt den Aspekt des «Fischschwarmes».

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Die oben beschriebenen Veränderungen an den Kapillaren und dem perikapillaren Gewebe sind nicht nur Kollagenosen vorbehalten. Eine Ver-brauchskoagulopathie mit aktivierter intravasaler Gerinnung oder eine Gefässwandschädigung mit kapillärem Flüssigkeitsverlust führen z. B. zu Ver-änderungen des Blutflusses oder einem hellen Lichthof. Es fehlen aber bei der akuten Erkrankung reparative kompensierende Veränderungen wie z. B. Verzweigungen.

Im Bildbeispiel ( 1 ) wurde eine Patientin mit Adult Onset Still Syndrom (AOSD) in einer hoch aktiven Krankheitsphase mit Verbrauchskoagulopathie dokumentiert. Der Befund ähnelt einer Sepsis und ist kaum von dem eines SLE zu unterscheiden. Es zeigt sich ein deutliches Sludge- Phänomen und der Verlust einzelner Kapillaren. Durch die ver-mehrte Durchlässigkeit der Kapillaren kommt es zu einem Ödem. Es fehlen aber im Vergleich zu den Kollagenosen andere typische Veränderungen wie Kaliberschwankungen oder Verzweigungen.

Letztlich kann aber in diesem Fall nur serologisch (ANA negativ, sehr hohes C-reaktives Protein und Ferritin, kein Erregernachweis) die Differenzierung des hochfieberhaften Krankheitsbildes mit Poly-serositis, Arthritis, Hepatosplenomegalie und Anämie gelingen.

Stoffwechselerkrankungen mit Ablagerungen an Gefässen oder im Gewebe führen zu Verände-rungen, die wie im Falle des Diabetes mellitus (DM) zu einer scheinbaren Rarefizierung führen können ( 2 ).

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6. Auswertung der Kapillarmikroskopie ⁄ 6.1 Dokumentation

Neben der Archivierung und globalen Beurteilung der Bilder sollte auch die Dokumentation des Befundes nachvollziehbaren Standards entsprechen.

Im klinischen Alltag bewährt sich die semiquanti-tative Deskription. Ein Ankreuzbogen reduziert den Zeitaufwand beträchtlich. Daher haben wir einen einseitigen Bogen entwickelt, der in wenigen Sekun-den ausgefüllt ist und in die Patientenakte gehef-tet werden kann.

Makroskopische Auffälligkeiten, untersuchte Finger und der Nachweis morphologischer Auffälligkeiten können für jeden Finger als absolute Zahl (Mega-kapillaren, Büschel) oder in % der Kapillaren (andere) erfasst und nachvollzogen werden.

Intern benutzen wir einen inhaltlich identischen elektronischen Bogen, der mit der elektronischen Patientenakte verknüpft ist. Er ermöglicht eine einfache statistische Auswertung.

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84

6.2 Scores / 6.2.1 CSURI

Bei der Globalbeurteilung kann auf Kapillarmikros-kopische Muster (für die SSc nach Carpentier oder Cutolo, siehe S. 64) zurückgegriffen werden. Für Auswertungen in Studien wurden die zwei vor-gestellten Scores am häufigsten benutzt und am bes ten validiert (Smith et al. Ann Rheum Dis 2012).

Der «microangiopathy evolution score» aus der Arbeitsgruppe um Cutolo (Sulli A et al. Ann Rheum Dis 2008) kann dabei für alle Untersuchungen genutzt werden, da er verschiedenste Veränderun-gen erfasst. Er ist veränderungssensitiv auch für Therapiestudien (Cutolo et al. Ann Rhem Dis 2012).

Als Score zur Prädiktion digitaler Ulzera wurde der CSURI (Capillaroscopic Skin Ulcer Risk Index) entwickelt und bereits in einer Multicenterstudie validiert. Er ist sehr sensitiv, die Spezifität in der Validierungsstudie etwas geringer. Aktuell wird er in Europa nochmals validiert, da in unterschied-lichen Klimazonen mit unterschiedlichen Grenzen für das Risiko gerechnet werden muss.

Der CSURI wird berechnet jeweils an einem Bildausschnitt von 1 mm. Die Formel lautet:

Durch messer x Zahl der Megakapillaren (Zahl aller Kapillaren der distalen Reihe)2

Aus 2-4 Bildern und 8 Fingern wird dann der Mittelwert berechnet. Wenn der CSURI über 2.96 liegt, dann ist das Risiko, in den folgenden 3 Monaten digitale Ulzera zu erleiden, signifikant erhöht.

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CSURI <2.96Studie 1

(monozentrisch)Studie 2

(multizentrisch Italien)

Capillaroscopic Skin Ulcer Risk IndexCSURI ≥2.96

3% entwickeln eine digitale Ulzeration

keine digitalen Ulzerationendigitale Ulzerationen

n = 144 n = 45 n = 85

62% entwickeln eine digitale Ulzeration

73% entwickeln eine digitale Ulzeration

85

Sebastiani M et al. Arthritis Rheum 2009; 61: 688-694;Sebastiani M et al. Ann Rheum Dis 2012; 71:67-70

Page 86: 3. Auflage unter Mitarbeit von Walter Hermann, Cord ... · nur indirekt nachgewiesen werden können. Oft bleibt als Letztes nur die Gewebeentnahme zur mikroskopischen Aufarbeitung,

86 Sulli et al. Ann Rheum Dis 2008

6.2.2 «Microangiopathy evolution score»

Der «Microangiopathy Evolution Score» wurde zur Beurteilung der Schwere kapillarmikroskopi-scher Veränderungen in Quer-schnittuntersuchungen und zur Verlaufsbeurteilung entwickelt.

Beurteilt werden auf einem 1 mm Ausschnitt des Nagelfalzes jeweils semiquantitativ Kapillarverlust (loss of capillaries) , Architektur-störung (disorgani sation of the microvascular array) und Ver-zweigung (capillary ramifications) auf einer Skala von 0 bis 3 (0 = no changes, 1 = 0–33%, 2 = 33–66%, 3 = 66–100% der

Kapillaren. Die drei Zahlenwerte werden addiert. Insgesamt 4 dieser 1-mm-Ausschnitte (jeweils lateral ulnar und radial, paramedian ulnar und radial) werden pro Finger erfasst. Der für den Finger berechnete Score ist der Mittelwert aller 4 Einzelscores.

Es werden die Score-Mittelwerte der Finger (II–V) beider Seiten be - fundet, addiert und durch die Zahl der untersuchten Finger (üblich 8) geteilt. Somit ist der maximal erreich-bare Score 9, der minimale 0. In Modi-fikation mit vergleichbarer Präzision kann dieses auch an 2 Feldern jedes Fingers erfasst werden.

Microangiopathy Evolution Score

Page 87: 3. Auflage unter Mitarbeit von Walter Hermann, Cord ... · nur indirekt nachgewiesen werden können. Oft bleibt als Letztes nur die Gewebeentnahme zur mikroskopischen Aufarbeitung,

87

7. Literatur

http://www.rheumaakademie.de/fileadmin/media/ 20120507_RhA_Flyer_Kapillar_Teil1_0705.pdf

http://www.eular.org/myUploadData/files/ Programme%205th%20EULAR%20Capillaroscopy.pdf

Subcommittee for scleroderma criteria of the American Rheumatism Association Diagnostic and Therapeutic Criteria Committee (1980). Preliminary criteria for the classification of systemic sclerosis

(scleroderma). Arthritis Rheum 23(5):581-590.

Alegre­Sancho JJ, et al. Efficacy of bosentan in the treatment of unresponsive digital ulcers in

patients with systemic sclerosis and other connective tissue diseases. Results at 24 weeks. Ann Rheum Dis 2004;63(Suppl 1):339-340.

Akay BN, et al. Nailfold capillary abnormalities are prevalent in sclerodermoid

graft-versus-host disease and readily detected with dermatoscopy. Brit J Dermatol 2010;162(5):1076-1082.

Anders HJ, et al. Differentiation between primary and secondary Raynaud’s phenomenon:

a prospective study comparing nailfold capillaroscopy using an ophthal-moscope or stereomicroscope. Ann Rheum Dis 2001;60(4):407-409.

Anderson ME, et al. Computerized nailfold video capillaroscopy – a new tool for

assessment of Raynaud’s phenomenon. J Rheumatol 2005;32:841-848.

Aschwanden M, et al. Rapid improvement of nailfold capillaroscopy after intense immuno-

suppression for systemic sclerosis and mixed connective tissue disease. Ann Rheum Dis 2008;67:1057-1059.

Avouac J, et al. Preliminary criteria for the very early diagnosis of systemic sclerosis:

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8. Information (des Sponsors) ⁄ 8.1 Digitale Ulzerationen bei systemischer Sklerose

Die akralen Manifestationen der SSc zeigen sich in Form von Raynaud-Phänomen, Calcinosis cutis und digitalen Ulzera bei Sklerodaktylie. Ein RS wird bei > 95% der Patienten mit SSc beobachtet. Bis zu 50% der Patienten mit SSc entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung digitale Ulzerationen. Im Hinblick auf die Lebenserwartung ist eine Beteiligung der Lunge in Form von pulmonal arteri eller Hypertonie oder Lungenfibrose bzw. eine renale oder kardiale Beteiligung zwar vorrangig zu behandeln, jedoch stellen die mit dem Auftreten digitaler Ulzerationen verbundene Stigmatisierung, die z. T. ausgeprägte Schmerzsymptomatik, die Beeinträchtigung der Hand-funktion sowie auch Komplikationen wie Infektion und Amputation eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität der Patienten dar.

Oft ist die Ausübung einer regelmässigen beruflichen Tätigkeit oder bereits die Bewältigung alltäglicher Ver-richtungen, insbesondere solcher, für die die Funktio-nen der Fingerspitzen erforderlich sind, beeinträchtigt.

Die Pathogenese der SSc ist komplex und noch nicht vollständig geklärt. Als auslösender Fak tor der Auto-immunerkrankung werden Viren und Umweltfak toren diskutiert, wobei es u. a. zu einer Störung des Endo-thels, der Fibroblasten sowie der Lympho zyten und Makrophagen kommt. Die Endothelschädigung führt zu einem Ungleich gewicht zwischen vasokonstrikto-risch und vasodilatatorisch wirksamen Substanzen. Durch zunehmende Intima- und Mediaver dickung, Fibrosierung der Adventitia, verstärkt durch die Zunahme der extra zellulären Matrix ent wickelt sich im Verlauf eine obliterierende Vaskulopathie.

Endothelin-1 (ET-1), eine der stärksten natürlich vor-kommenden vasokonstriktorisch wirksamen Subs-tanzen, ist wesentlich an der Pathogenese der SSc beteiligt. Die Wirkung von ET-1 beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Vasokonstriktion, es spielt gleich-zeitig eine mitogene Rolle in den Gefässen und der glatten Muskulatur, führt zum vaskulären Remodel-ling sowie zur Kollagendeposition und somit zur

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Fibrose. Erhöhte Serumspiegel von ET-1 konnten bei Patienten mit SSc nachgewiesen werden (Morelli et al. 1995). In Hautproben von Patienten mit sekundärem RS bei SSc war eine höhere Dichte von ET-1-Rezepto-ren im Vergleich zur gesunden Haut nachweisbar (Vancheeswaran et al. 1994). Das von den Endothel-zellen freigesetzte ET-1 ent faltet seine Wirkung über ETA- und ETB-Rezeptoren, die sich sowohl auf der glatten Gefässmuskulatur als auch auf den Endothel-zellen und den Fibroblasten befinden.

Die Erhöhung des ET-1-Spiegels und die Schlüssel rolle von ET-1 in der Entwicklung der Vaskulopathie – sowohl bei der pulmonal arteriellen Hypertonie als auch bei digitalen Ulzera – stellen die Rationale für den Einsatz des dualen Endothelin-Rezeptor-Anta-gonisten Bosentan dar.

Autorin: Dr. Gesine Setzer, Actelion Pharmaceuticals Deutschland

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8.2. Tracleer® bei digitalen Ulzerationen

Tracleer® (Bosentan), der erste orale duale Endothe-lin-Rezeptor-Antagonist, ist in Europa seit 2002 für die Therapie der pulmonal arteriellen Hypertonie (PAH) im NYHA-Stadium III zugelassen. Im Juni 2007 wurde die Zulassung für Tracleer® zur Reduzierung der Anzahl neuer digitaler Ulzerationen bei Patienten mit SSc, die an digitalen Ulzerationen leiden, erteilt. Da es nur wenige systematische Daten zur Therapie von digitalen Ulzerationen bei dieser Patientengruppe gibt, besteht auch nach der Zulassung ein hohes wissenschaftliches Interesse an der Erfassung klini-scher Parameter. Die europäische Zulassungsbehörde EMEA hat als Zulassungsauflage die Etablierung eines europäischen Registers gefordert, das weitere Informationen in der neuen Indikation liefern soll.

Die Zulassungserweiterung von Tracleer® in der Indi-kation «Digitale Ulzera bei SSc» erfolgte aufgrund der positiven Ergebnisse des RAPIDS-Studienprogramms (RAPIDS = RAndomized Placebo-controlled Investi-gation of Digital Ulcers in Scleroderma). Im Rahmen von RAPIDS-1 und RAPIDS-2 hat Actelion die Wirkung

von Bosentan auf digitale Ulzerationen und weitere Symptome von Kollagenosen untersucht. In die ran-domisierte, prospektive, plazebokontrollierte RAPIDS-1-Studie wurden 122 Patienten mit SSc in 17 Zentren in Europa und Nordamerika eingeschlossen. Die Patien-ten in der Verum-Gruppe erhielten Tracleer® 62.5 mg zweimal täglich für 4 Wochen, gefolgt von 125 mg zweimal täglich für weitere 12 Wochen. Primärer Studienendpunkt war die Anzahl neuer digitaler Ulzerationen während der Studiendauer von insgesamt 16 Wochen. Die mit Tracleer® behandelten Patienten entwickelten sig nifikant weniger neue digi-tale Ulzerationen (1.4 vs. 2.7; p = 0.0083). Patienten, die bereits bei Studienbeginn digitale Ulzera aufwie-sen und die ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung neuer digitaler Ulzerationen hatten, profitierten besonders gut (Korn et al. Arthritis Rheum 2004).

Diese positiven Ergebnisse konnten in der anschliessen-den RAPIDS-2-Studie bestätigt werden. Auch hier wiesen die mit Tracleer® behandelten Patienten nach einer Studiendauer von 24 Wochen signifikant

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weniger digitale Ulzerationen auf als die Patienten der Plazebo-Gruppe (1.9 vs. 2.7; p = 0.035). Bei der Abheilung bereits bestehender Ulzera zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (Matucci-Cerinic et al. Ann Rheum Dis 2011).

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8.3. Kurzfassung Fachinformation Tracleer ®

Kurzfassung Fachinformation Tracleer® (bosentan):Indikation: Behandlung von Patienten mit pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH) der WHO-Funktionsklassen II-IV. Reduktion der Anzahl neuer digitaler Ulzerationen bei Patienten mit systemischer Sklerose mit aktiver digitaler Ulzerationserkrankung. Dosierung: Erwachsene: Initialdosis: 62.5 mg zweimal täglich für vier Wochen. Erhaltungsdosis: 125 mg zweimal täglich. Kinder ab 1 Jahr: Anfangs- und Erhaltungsdosis 2 mg/kg morgens und abends (zur Behandlung der PAH). Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber bosentan oder einem der Hilfsstoffe; mässige bis schwere Leberfunktionsstörung; AST/ALT > 3-faches des Normalwertes vor Behandlungsbeginn; Schwangerschaft; Frauen im gebärfähigen Alter, die keine adäquaten Verhütungsmittel benutzen; gleichzeitige Anwendung mit Cyclosporin A und Glibenclamid; für dispersible Tabletten: Phenylketonurie. Vorsichtsmassnahmen: Leberfunktionstests vor und monatlich während der Behandlung; ALT/AST > 8x ONW während Behandlung: Arzneimittel absetzen, keine Wiederaufnahme der Behandlung; bei klinischen Symptomen einer Leberschädigung, Abbruch der Behandlung und keine Wiederaufnahme; Behandlungsbeginn nur bei systo-lischem Blutdruck > 85 mmHg. Häufigste unerwünschte Wirkungen in klinischen Studien: Kopfschmerzen, Ödeme/Flüssigkeitsretention, veränderte Leberwerte, Anämie/Hämoglobin-Erniedrigung. Interaktionen: Tacroli-mus, Simvastatin, Warfarin, Ketokonazol, Fluconazol, Lopinavir+Ritonavir; hormonale Kontrazeptiva: alternative Verhütungsmethode anwenden. Packungen: 62.5 mg, 125 mg: 56 Filmtabletten, kassenzulässig; 32 mg: 56 disper-sible Tabletten. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der Fachinformation auf www.swissmedicinfo.ch. Abgabekategorie: B. Actelion Pharma Schweiz AG, Stadtturmstrasse 5, CH-5400 Baden

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8.3. Kurzfassung Fachinformation Tracleer ®

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Impressum

HerausgeberDr. med. Oliver Sander undProf. Dr. med. Benedikt OstendorfRheumazentrum Rhein-RuhrHeinrich-Heine-Universität DüsseldorfPoliklinik für RheumatologieMoorenstrasse 540225 Düsseldorf

PD Dr. med. Christof Iking-KonertIII. Medizinsiche Klinik und Poliklinik (Nephrologie, Rheumatologie – Nierentransplantation)Universitätsklinikum Hamburg-EppendorfMartinistrasse 52 20246 Hamburg

CoautorenDr. med. Walter HermannAbteilung für Rheumatologie und klinische ImmunologieKerckhoff KlinikBenekestrasse 2-861231 Bad Nauheim

Prof. Dr. med. Cord SunderkötterKlinik für HautkrankheitenUniversitätsklinikum MünsterVon-Esmarch-Strasse 5848149 Münster

Prof. Dr. med. Knut KrögerKlinik für AngiologieHelios Klinikum KrefeldLutherplatz 4047805 Krefeld

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Technische AusstattungDie in diesem Atlas gezeigten Befunde wurden bis auf die besonders gekennzeichneten Bilder der Seiten 9-11 mit einem Stereomikroskop Nikon SMZ1000, einer DS-2Mv Digitalkamera und einer DS-L1 Kontrolleinheit dokumentiert (Lichtquelle Schott KL 1500 LCD, 2-armiger Schwanenhalslicht-leiter und Spaltlichtring Schott)[email protected]

Die Bilder der Seite 11 wurden mit einem Optilia Videokapillaroskop aufgenommen. www.optilia.euÜbernahme der anteiligen Druckkosten durch Optilia.

CopyrightDieser Atlas ist urheberrechtlich geschützt. Bildmaterial und Inhalte verbleiben im Eigentum der Autoren.© Dr. med. Oliver Sander, Prof. Dr. med. Benedikt Ostendorf, PD Dr. med. Christof Iking-Konert

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