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  • 82 Walter Rominger

    Walter Rominger:

    Rudolf Bultmann Noch immer geehrt

    Krzlich gedachten zumindest deutschsprachige evangelische (Lan-des)Kirchen des 125. Geburtstages von Rudolf Bultmann (geb. 20. August1884). Ist Bultmann auch bis heute sehr umstritten von Pietisten und beken-nenden Lutheranern und Reformierten abgelehnt so haben sich die offiziel-len (Landes)Kirchen, bei denen er einstens auch auf Ablehnung stie, ber ei-ne (vorsichtige) Annherung inzwischen zu durchgehender Anerkennungdurchgerungen. Bei Verlautbarungen anllich seines 125. Geburtstages istdies deutlich geworden. Sein Einflu in der Theologie, wenn auch vor allem imdeutschsprachigen Raum, ist nicht zu unterschtzen und wirkt, wenn inzwi-schen auch mehr unterschwellig, bis heute, und ich mchte bereits vorausgrei-fend behaupten: Er wird auch in Zukunft nicht verschwinden. Weshalb das soist, will ich versuchen, im Folgenden aufzuzeigen.

    Kurze biographische NotizenRudolf Bultmann wurde am 20. August 1884 in Wiefelstede (Oldenburg)

    geboren. Sein Studium der evangelischen Theologie in Tbingen, Berlin undMarburg stand im Wesentlichen unter dem Einflu mageblicher Vertreter derhistorisch-kritischen Forschung vor allem aus dem Lager der religionsge-schichtlichen Schule. Vor allem prgte ihn der Marburger Professor fr Syste-matische Theologie, Wilhelm Herrmann, whrend er mit dem Tbinger Neute-stamentler (und Systematiker) Adolf Schlatter nur wenig anzufangen wute.Promoviert wurde Bultmann 1910 in Marburg, wo er sich 1912 auch habili-tierte. Von 1921 bis 1951 war er Professor fr Neues Testament in Marburg, woer nach einem langen Ruhestand am 30. Juli 1976 im hohen Alter verstarb.

    Doch will man Bultmann recht verstehen, so scheint mir, mssen vier Be-gebenheiten in seinem Leben bercksichtigt werden, die m. E. nicht alle in dernotwendigen Weise bei einer Beurteilung seines Denkens Bercksichtigungfinden: Er kam aus einem pietistisch geprgten Pfarrhaus, erlebte im Olden-burgischen in seinen frhen Lebensjahren eine damals bereits skularisierteUmwelt, was ihn bestimmt nicht unbeeinflut lie. Das zeigte sich daran, dabei ihm spter immer wieder das pietistisch gefrbte Vokabular auftauchte,wenn auch in einer anderen Bedeutung. Und wenn er christliche Glaubensin-halte dem Denken des modernen Menschen anpassen wollte, um diesen fr denchristlichen Glauben, wie er ihn verstand, zu gewinnen, dann zeigt dies, da ersich mit dem skularisierten Zeitgenossen nicht zufrieden geben wollte. Da erdabei Glaubensinhalte aufgab, die unaufgebbar sind und, wie sich noch zeigenwird, in alte, aber die Kirche Jesu Christi stndig begleitende Hresien abglitt,wird dadurch weder bestritten noch entschuldigt, wohl aber erklrt. Im Stu-dium traf dann der junge, pietistisch geprgte Rudolf Bultmann auf den theo-logischen Liberalismus und geriet in dessen Bann. Spter verband ihn eine per-

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    snliche Freundschaft mit dem Philosophen Martin Heidegger, die auch dannanhielt, als Heidegger von Marburg nach Freiburg wechselte. Mit seiner Exi-stenzphilosophie vertrat Heidegger eine damals moderne philosophische Rich-tung. Wenn Bultmann sich ihrer ebenfalls bis in die Begrifflichkeiten hinein be-diente, so mag man auch dahinter das Anliegen sehen, den von Bultmann so ge-nannten modernen Menschen mit der Botschaft des in seinem Sinne verstan-denen Evangeliums zu erreichen. Wenn er dann auch davon sprach, es gingenicht darum, zu eliminieren, sondern zu interpretieren, so ist dies gerade derEinwirkung der heideggerschen Existenzphilosophie zuzuschreiben, wiewohl,wenn man das Ergebnis betrachtet, Bultmann dann doch eliminiert hat und da-mit die ihn prgenden Altliberalen nicht berwunden hat, sondern diese nurweitergefhrt hat, spricht man denn auch zurecht von Bultmann an von demNeoliberalismus.

    Bultmanns Theologie ist, obwohl es whrend seines langen Lebens vieleUmwlzungen und Brche in Deutschland und darber hinaus gab, ersteinmalfertig, gleichgeblieben. Was er 1941 in seinem berhmten Vortrag Neues Te-stament und Mythologie vor Pfarrern der Bekennenden Kirche in Frank-furt/Main und Alpirsbach (Schwarzwald) ausfhrte, in dem er zentrale Heils-und Wesensaussagen Gottes und Christi als erledigt betrachtete, wobei er inseiner Argumentation die Argumentationsebenen vertauschte, begegnet fak-tisch bereits in seinem Jesusbuch (1. Auflage 1926), in dem er davon ausgeht,mehr als das Da des Gekommenseins Jesu, knne man kaum wissen. An die-ser Sicht, die offensichtlich schon frh fertig war, hat sich nichts mehr bis ansein Lebensende verndert, trotz Erstem Weltkrieg, dem bergang von derMonarchie in die Republik, trotz des Niedergangs der Weimarer Republik, derHitler-Diktatur, dem verlustreichen Zweiten Weltkrieg und der Zeit desWiederaufbaus danach. Doch Bultmann blieb in alledem persnlich unbetrof-fen und weil er davon unberhrt war, blieb er auch ungerhrt. Auer eines an-geborenen Hftleidens, das ihn aber auch vor dem Militr- und Kriegsdienstbewahrte, verlief sein Leben recht einlinig und zugleich recht erfolgreich. Be-reits 1916, nur wenig ber 30, war er auerordentlicher Professor geworden (inBreslau), schon 1920 Ordinarius (in Gieen). Bei dieser persnlich beispiello-sen wissenschaftlichen Karriere ist es bei zustzlicher Flucht in die Ideenwelt,die seiner Theologie innewohnt, nicht einmal mehr verwunderlich, da ihnselbst dramatische Weltereignisse in seinem Denken kaum mehr zu beeinflus-sen vermochten und er sich treu blieb, wobei ihm, der schulbildend wirkte, sogut wie keiner seiner zahlreichen Schler letztlich voll gefolgt ist (am ehestenwahrscheinlich Herbert Braun, Mainz).

    Das AnliegenDas Anliegen Bultmanns wurde bereits kurz gestreift. Es ist, wenn man es

    recht begreift und positiv wertet, ein apologetisches. Dadurch, da Bultmannbei der Bibel, entgegen deren Selbstverstndnis, den Begriff des Mythos da-mals ein Modebegriff auf die gesamte Schrift ausdehnte und einen Groteil

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    ihrer Aussagen als erledigt betrachtete, konnte er, wie er meinte, den christ-lichen Glauben und die christliche Botschaft historischen und naturwissen-schaftlichen Angriffen entziehen. Doch das war letztlich Flucht in die Ideen-welt. Bultmann strebte an, da auch der moderne Mensch, wer dieser nun auchsei, nicht von vorneweg sich gegen die Botschaft des Evangeliums stelle, undwollte das Evangelium von vermeintlich nicht mehr zeitgemen Aussagenentkleiden. Diesen modernen, dem Glauben entwhnten und entkirchlichtenZeitgenossen wollte er gewinnen. So neu war dies nicht. Auch Friedrich DanielErnst Schleiermacher (1768 1834), der Ahnherr des theologischen Libera-lismus, wollte die Gebildeten unter den Verchtern gewinnen, was ihm durch-greifend jedoch nicht gelang. Bei Bultmann tritt also, wenn man es positiv wer-tet, zum apologetischen auch noch ein missionarisches Anliegen.

    Das Ergebnis und das BesondereDa bei Bultmann die Mehrzahl der Aussagen des Credos wegfielen (ei-

    gentlich blieb nur: gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben undbegraben), wie ihm schon vorgeworfen wurde, ist zwar richtig, aber nicht neuin der Theologiegeschichte. Auch die Altliberalen haben die Aussagen, die derNeoliberale Bultmann leugnet, bestritten. Bultmann betrieb, auch wenn er denchristlichen Glauben eventuell schtzen wollte, in Wirklichkeit dessen De-montage. Mit der Ausdehnung des Begriffs Mythos auf die gesamte Schrift be-wirkte er deren Enthistorisierung. Das Selbstverstndnis der Schrift ist jedoch,da sie Geschichte, eben Heilsgeschichte, berichtet. Die Enthistorisierung be-wirkt, da Bultmann in Wahrheit eine Neuauflage allegorischer Schriftausle-gung betrieb, indem er vom Literalsinn weg auf die existentiale Bedeutung ab-hob, die zwar in der Geschichte der Kirche immer wieder aufgetreten ist, diejedoch die Reformatoren als der Schrift nicht angemessen abgelehnt haben,wennschon sie diese in der Predigt vereinzelt angewandt haben; man mu aberwissen, was man tut. Daher verbietet es sich zu meinen, wie dies schon vor-kam, Bultmann habe Ansatz und Anliegen Luthers bei seinen theologischenVersuchen aufgenommen und weitergefhrt. Auch widerspricht es Luthers Ein-sichten, wenn gesagt wird, mit der Entmythologisierung habe Bultmann demGlauben alle Sttzen genommen und den Menschen auf das reine Glauben oderden puren Glauben zurckgeworfen, was ganz im Sinne Luthers sei. Doch dasgeht an Luther vorbei, da dieser gerade in der Heiligen Schrift Sttze und Weg-weisung fand, da sie den Weg zum Glauben an Christus weist und deshalb al-lein aus ihr Artikel des Glaubens abgeleitet werden knnen und drfen (alleindie Schrift).

    Die von Bultmann so betriebene Enthistorisierung ist an sich nichts ande-res als ein neues Aufkommen der Gnosis, die im brigen die Kirche Jesu Chri-sti seit ihrer Entstehung begleitet hat, und die als Widerpart der wahren Lehreals falsche entgegentrat, wie bereits in neutestamentlichen Schriften ausge-macht werden kann, die sich gegen den Doketismus wenden (z.B. Johannes1,14; 1.Johannes 1,1). Die Kirche Jesu Christi hat sie denn auch ausgestoen,

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    wiewohl solche Gedanken immer wieder auftauchten, zumal auerhalb derKirche, etwa in der Anthroposophie.

    Auch in anderer Hinsicht hat Bultmann alte Irrlehren bernommen. Es gibteben Irrlehren, die bestndige Gefahr fr die Kirche Jesu Christi bedeuten undnicht einfach aussterben, sondern immer wieder ihr Haupt erheben. Und zumandern lassen sich die meisten Falschaussagen auf einige grundlegende Irrleh-ren zurckfhren. Bultmann hat m. E. keine Irrlehre der Altliberalen berwun-den, was zeigt, da er liberaler Theologe geblieben ist. Er bestritt die GottheitJesu, die freilich im Neuen Testament deutlich zutage trit