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GREEN 3/16 30 MARKT UND WISSEN Qualitätssicherung und transparenz im handel Einen Schritt voraus Die beiden großen Schenkanlasstage – der Valentins- und Muttertag – sind in diesem Jahr gut überstanden. Ein medialer Aufschrei à la »Gift- cocktail Rosenstrauß« blieb der Grünen Branche erspart. Dennoch weiß jeder Florist, dass kaum eine Schnittblume naturbelassen verkauft wird. Anstatt die Augen zu verschließen und zu hoffen, dass es zu keinem Pestizidskandal kommt, sollten alle Beteiligten aus gemeinsamem Inte- resse daran arbeiten, besser über die Ware Bescheid zu wissen, die der Kunde am Ende in der Hand hält. TEXT: YVONNE EISSLER M an stelle sich folgen- des Szenario vor: Am 10. Februar schreit es von der Titelseite der Bild-Zeitung in schwarz-roten Let- tern »Rosen voller Gift!«. Und in der Unterzeile: »Pralinen zum Va- lentinstag sind weniger gesund- heitsschädlich«. Im Artikel würden dann Testergebnisse einer Nicht- regierungsorganisation zitiert, die belegen, dass großköpfige rote Ro- sen aus Kenia mit zwölf verschiede- nen Pestiziden in zum Teil höchst bedenklichen Konzentrationen be- lastet sind. Und daher wahrlich kein angemessenes Geschenk für die Liebste wären. Was nun? Die wichtigsten Vertreter der Grünen Branche sähen sich zu beschwich- tigenden Statements für die Presse genötigt, um das Valentinsgeschäft noch irgendwie vor dem großen Einbruch zu retten. »Die Rosen un- serer Fachgeschäftsfloristen sind da- von nicht betroffen. Außerdem sol- len die Kunden die Blumen ja nicht essen«, könnte der Präsident des Deutschen Fachverbands der Flo- risten sagen. »Wir haben überwie- gend MPS-zertifizierte Ware, die un- bedenklich ist«, wäre eine mögliche Reaktion seitens des Blumen- Groß- und Importhandels. Eine Strategie der Fleurop AG könnte lauten: »Wir haben sofort reagiert und Rosen aus dem Sortiment genommen: Suchen Sie sich einfach einen unserer wun- derschönen Gerberasträuße zum Valentinstag aus – das ist sowieso individueller als rote Rosen!« Und seitens des Zentralverbandes Gar- tenbau wäre zu hören: »Deutsche Freilandrosen waren davon ganz bestimmt nicht betroffen!« Das alles ist natürlich rein fiktiv und den Bran- chenvertretern in den Mund gelegt. Trotzdem könnte sich ein realer Fall so oder so ähnlich entwickeln. Würden Dementis dieser Art den Umsatzeinbruch abwenden? Ver- setzen wir uns einmal in den Kun- den hinein: Der Kunde kauft keine Rosen, Tulpen oder Gerbera, noch weniger kauft er bewusst Marken wie beispielsweise Red-Naomi- Rosen oder Holstein-Gerbera. Und von Qualitätssiegeln wie dem nie- derländischen Zertifizierungssys- tem für Zierpflanzen MPS hat er sowieso noch nie etwas gehört. In den meisten Fällen ist der Kunde einfach auf der Suche nach einem Geschenk und kauft Blumen. Die Identifikation von Qualität ist der- zeit nicht möglich. Das bedeutet: Bei einem Medienskandal bricht der Umsatz der gesamten Branche ein. Denn bis dato gibt es kein pro- fessionelles Qualitätsmanagement innerhalb der Grünen Branche. Wa- rum? Trotz des seit einigen Jahren bestehenden Trends zu mehr Di- rektverkäufen ist die Handelskette in den meisten Fällen einfach im- mer noch viel zu lang und zu in- transparent. Die mangelnde Nach- verfolgbarkeit der Ware macht eine seriöse Krisenprävention un- möglich. Das Schnittdatum bezie- hungsweise das Wissen über das tatsächliche Alter der Ware sowie das Wissen über den Pestizidein- satz und die Qualität der Ware sind

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Qualitätssicherung und transparenz im handel

Einen Schritt vorausDie beiden großen Schenkanlasstage – der Valentins- und Muttertag – sind in diesem Jahr gut überstanden. Ein medialer Aufschrei à la »Gift-cocktail Rosenstrauß« blieb der Grünen Branche erspart. Dennoch weiß jeder Florist, dass kaum eine Schnittblume naturbelassen verkauft wird. Anstatt die Augen zu verschließen und zu hoffen, dass es zu keinem Pestizidskandal kommt, sollten alle Beteiligten aus gemeinsamem Inte-resse daran arbeiten, besser über die Ware Bescheid zu wissen, die der Kunde am Ende in der Hand hält.

TEXT: YVONNE EISSLER

Man stelle sich folgen-des Szenario vor: Am 10. Februar schreit es von der Titelseite der

Bild-Zeitung in schwarz-roten Let-tern »Rosen voller Gift!«. Und in der Unterzeile: »Pralinen zum Va-lentinstag sind weniger gesund-heitsschädlich«. Im Artikel würden dann Testergebnisse einer Nicht- regierungsorganisation zitiert, die belegen, dass großköpfige rote Ro-sen aus Kenia mit zwölf verschiede-nen Pestiziden in zum Teil höchst bedenklichen Konzentrationen be- lastet sind. Und daher wahrlich kein angemessenes Geschenk für die Liebste wären. Was nun? Die wichtigsten Vertreter der Grünen Branche sähen sich zu beschwich-tigenden Statements für die Presse genötigt, um das Valentinsgeschäft noch irgendwie vor dem großen Einbruch zu retten. »Die Rosen un-serer Fachgeschäftsfloristen sind da-von nicht betroffen. Außerdem sol-len die Kunden die Blumen ja nicht essen«, könnte der Präsident des

Deutschen Fachverbands der Flo-risten sagen. »Wir haben überwie-gend MPS-zertifizierte Ware, die un-bedenklich ist«, wäre eine mögliche Reaktion seitens des Blumen- Groß- und Importhandels. Eine Strategie der Fleurop AG könnte lauten: »Wir haben sofort reagiert und Rosen aus dem Sortiment genommen: Suchen Sie sich einfach einen unserer wun-derschönen Gerberasträuße zum Valentinstag aus – das ist sowieso individueller als rote Rosen!« Und seitens des Zentralverbandes Gar-tenbau wäre zu hören: »Deutsche Freilandrosen waren davon ganz bestimmt nicht betroffen!« Das alles ist natürlich rein fiktiv und den Bran-chenvertretern in den Mund gelegt. Trotzdem könnte sich ein realer Fall so oder so ähnlich entwickeln.

Würden Dementis dieser Art den Umsatzeinbruch abwenden? Ver-setzen wir uns einmal in den Kun-den hinein: Der Kunde kauft keine Rosen, Tulpen oder Gerbera, noch weniger kauft er bewusst Marken wie beispielsweise Red-Naomi-

Rosen oder Holstein-Gerbera. Und von Qualitätssiegeln wie dem nie-derländischen Zertifizierungssys-tem für Zierpflanzen MPS hat er sowieso noch nie etwas gehört. In den meisten Fällen ist der Kunde einfach auf der Suche nach einem Geschenk und kauft Blumen. Die Identifikation von Qualität ist der-zeit nicht möglich. Das bedeutet: Bei einem Medienskandal bricht der Umsatz der gesamten Branche ein. Denn bis dato gibt es kein pro-fessionelles Qualitätsmanagement innerhalb der Grünen Branche. Wa-rum? Trotz des seit einigen Jahren bestehenden Trends zu mehr Di-rektverkäufen ist die Handelskette in den meisten Fällen einfach im-mer noch viel zu lang und zu in-transparent. Die mangelnde Nach-verfolgbarkeit der Ware macht eine seriöse Krisenprävention un-möglich. Das Schnittdatum bezie-hungsweise das Wissen über das tatsächliche Alter der Ware sowie das Wissen über den Pestizidein-satz und die Qualität der Ware sind

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jedoch Faktoren, die den nachhalti-gen wirtschaftlichen Erfolg im Blu-menhandel bestimmen werden. Ist die Qualität der Blumen schlecht, moniert sie der Endkunde oder ma-chen die Medien Stimmung, dann haftet die gesamte Branche dafür – zumindest im bisherigen System, in dem zu wenig differenziertes Wis-sen vorhanden ist, keine regelmä-ßigen Tests gemacht werden und immer noch viel zu wenig Transpa-renz herrscht.

Die Tendenz aller Beteiligten der Handelskette ist, nur zu reagieren – dazu noch mit meist sehr schwa-chen Argumenten –, statt proak-tiv zu agieren. Die Lebensmittel- branche ist der Grünen Branche hier meilenweit voraus. Natürlich hört man immer wieder das Ar-gument: »Blumen isst man nicht!« Aber das Bewusstsein und Inte- resse der Kunden an Hintergrund-informationen zu den Produkten, die sie kaufen, steigt stetig an. Die Grüne Branche muss aufpas-sen, dass sie nicht der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt. Gerade für den Fachhandel ist ein wichtiges Qua-litätsmerkmal, die Kunden kompe-tent zu informieren. Diese Chance gegenüber fachfremden Anbietern sollten wir auch wirklich als Wett-bewerbsvorteil nutzen.

An sich herrscht innerhalb der Grünen Branche schon lange Kon-sens, dass etwas getan werden muss – aber was und wie angehen? Vor knapp drei Jahren startete die Fleurop AG die Initialzündung in puncto Transparenz: Anhand einer Kooperation mit ausgewählten nie-derländischen Gärtnereien wurde ein Schnittdatumsaufkleber ein-geführt. Durch diesen konnte die tatsächliche Frische und Herkunft der Ware erstmalig offen bis zum Floristen kommuniziert werden. Ziel des Vorstoßes war natürlich, möglichst viele Nachahmer in der

Branchenvertreter sind sich einig: Es besteht bei Blumen und Pflan-zen absoluter Handlungsbedarf in puncto Qualitätssicherung.

Seit rund drei Jahren enga-giert sich die Fleurop AG für einen direkteren Blumenhan-del und setzt sich zudem für Maß-nahmen zur Qualitäts- sicherung ein.

Branche für dieses Konzept zu ge-winnen. Nachdem sich aus einer Initiative des Deutschen Fachver-bands der Floristen im Juni 2014 mit einem Round Table zum Thema »Zukunftsstrategien für den Blu-menfachhandel – Chancen, Per- spektiven, Umsetzbarkeit: Schnitt- datum als Qualitäts- und Frische- garantie« keine konkreten Maß-nahmen ergeben hatten, über-nahm der Zentralverband Garten-

bau den Staffelstab. Im Rahmen des Ad-hoc-Ausschusses »Markt und Handel« saßen am 13. April 2016 erneut wichtige Branchenvertre-ter am Tisch, mit dem Ziel, Ideen für ein Qualitätssicherungssystem für Blumen und Pflanzen zu etablie-ren. Als Vorbild diente die Lebens-mittelbranche, für deren Produkte es zahlreiche rechtliche Anforde-rungen gibt: Unter den diversen Verordnungen, Richtlinien und Be-

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Letzteres findet zwar rund um den Globus Anwendung, beschränkt sich allerdings auf die Qualitäts- sicherung auf der Erzeugerstufe. QS hingegen garantiert eine han-delsstufenübergreifende Qualitäts-sicherung vom Erzeuger bis zum Konsumenten – bisher ein absolu-tes Alleinstellungsmerkmal. In je-dem Fall gilt: Wer in Deutschland mit seinem Obst und Gemüse den Lebensmitteleinzelhandel belie-fern und es über ihn verkaufen will, muss sich einem Zertifizierungssys-tem angeschlossen haben. In Be-zug auf Pestizidbelastungen sind bei der Einfuhr nach Deutschland die von der EU definierten Höchst-werte verbindlich einzuhalten.

Im Anschluss an den Vortrag zo-gen die Anwesenden den Vergleich zwischen der Lebensmittelbranche und der Grünen Branche: Wäh-rend bei Lebensmitteln alles kom-plett durchorganisiert und regle-mentiert ist, gibt es im Bereich von Blumen und Pflanzen nur partielle Initiativen wie beispielsweise von Fairtrade oder MPS – was natürlich auch dem Unterschied zwischen Nahrungsmittel und Nichtnah-rungsmittel geschuldet ist. Es herrschte Konsens darüber, dass Blumen und Pflanzen nicht mit An-forderungen und Prüfungen über-frachtet werden sollten, um noch realitätsnah zu bleiben. Dennoch war das Interesse am Aufbau eines Qualitätssicherungssystems groß und viele interessierte es, wie lange es von der ersten Idee bis zur Eta-blierung des QS-Systems gedauert hat. Dr. Stallknecht gab als groben Richtwert an, dass die Organisation nach rund fünf Jahren arbeitsfähig war. Zunächst waren Vorarbeiten von etwa zwei Jahren nötig, wäh-rend derer unter anderem Leitfä-den erstellt und die Datenbank aufgebaut wurde. Ab dem dritten Jahr konnte parallel schon der Qua-litätssicherungsbetrieb gestartet werden. Ständige Verbesserun-

Im Lebens- mittelbereich hat sich das QS-Prüfzei-chen inzwi- schen als verlässliches Signal für einwandfreie Qualität eta- bliert.

Wer in Deutschland mit seinem Obst und Gemüse den Lebensmitteleinzelhandel beliefern und es über ihn verkaufen will, muss sich einem Zertifizierungssystem angeschlossen haben.

schlüssen auf EU-Ebene befindet sich beispielsweise eine »Pestizid- rückstände-HöchstgehaltsVO«. Und in unserem nationalen Recht, das oft strenger ist als das europä-ische, sind etwa die »Rückstands-höchstmengenVO« und die »Pflan-zenschutzmittelVO« verbindlich. Darüber hinaus regeln diverse Ver-bandsrichtlinien und Kundenspe-zifikationen weitere Details. Der Ansatz bei der Tagung war, sich an den Qualitätssicherungsmechanis-men der Lebensmittelbranche zu orientieren und zu diskutieren, ob man für die Grüne Branche etwas übernehmen kann.

Einer der Gastreferenten war Dr. Hans-Dieter Stallknecht, Ge-schäftsführer des Bundesausschus-ses Obst und Gemüse, der einen Vortrag über die Qualitätssiche-rung von der Produktion bis zum Endverbraucher in der Lebensmit-telbranche hielt. Interessant für die Anwesenden war, dass das Quali-tätssicherungssystem durch die QS GmbH erst nach der BSE-Krise vor 15 Jahren etabliert wurde – also in Reaktion auf einen Skandal ent-

standen war. Der Handel hatte da-mals ein Zertifizierungssystem zur Qualitätssicherung gefordert mit dem Ziel, strenge, nachprüfbare Qualitätskriterien zu etablieren. Die Lebensmittelsicherheit wird inzwischen durch ein dreistufiges System gewährleistet: die Eigen-kontrolle der Betriebe, amtliche Lebensmittelkontrollen und pri-vatwirtschaftliche Qualitätssiche-rungssysteme wie beispielsweise die QS GmbH. Das QS-System be-steht aus drei Gremien, wobei der Fachbeirat inhaltlich am wichtigs-ten ist. Er erstellt produktspezifi-sche Leitfäden und Prüfvorgaben für die Produktionsbetriebe. Die Transparenz der Qualitätssiche-rung ist durch die lückenlose Kon-trolle und Dokumentation gewähr-leistet und die Warenströme sind zu hundert Prozent rückverfolgbar.

Inzwischen hat sich das QS-Prüf-zeichen als verlässliches Signal für beste Lebensmittelqualität etab-liert. Es gilt für ganz Deutschland sowie für weite Teile Europas. Ein zweites wichtiges Zertifizierungs-system neben QS ist Global G.A.P.

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gen und Weiterentwicklungen bis hin zum Aufbau eines Krisenstabs kamen im laufenden Prozess nach und nach hinzu. Angesichts des aufwendigen Verwaltungsappara-tes kam natürlich unweigerlich die Frage auf, wer das QS-System finan-ziert. Dies geschieht über die Ge-bühren der Systempartner: Jedes angeschlossene Unternehmen ent-richtet einen festen Jahresbeitrag, beim Großhandel wird der Jahres-beitrag individuell nach Umsatz berechnet. Audits und Rückstands-monitoring sind mit zusätzlichen Kosten verbunden. Summa sum-marum entstehen jedem Einzel- betrieb Kosten von rund 1.000 Euro pro Jahr. Bei Global G.A.P. erfolgt die Beitragsberechnung hingegen per Umsatzstaffelung pro Erzeu-gerbetrieb.

Im Plenum wurde dann disku-tiert, inwiefern man ein Zertifizie-rungssystem aus dem Lebensmit-telbereich für Blumen und Pflanzen übernehmen beziehungsweise sich einem bestehenden System anschließen könnte. Da bei Blu-men und Pflanzen aus gesetz- licher Sicht ganz andere Voraus-setzungen gegeben sind – zum Beispiel bei Pflanzenschutzmitteln keine vorgeschriebenen Richtwer-te und Höchstmengen existieren –, müssten auf jeden Fall größere An-passungen vorgenommen werden. Gleichzeitig gaben einige Anwe-sende zu bedenken, dass der Ver-braucher bei Nahrungsmitteln na-türlich ein viel größeres Interesse an Bio-Produkten hat und bereit ist, dafür mehr auszugeben, als bei Blu-men und Pflanzen. Da die Mehrheit der Tagungsteilnehmer keine Kapa-zitäten bei sich sah, Arbeitsgrup-pen zu bilden und eigene bran-chenspezifische Lösungsansätze zu erarbeiten, einigte man sich am Ende des Tages darauf, bei Global G.A.P. anzufragen. Aufgrund der Internationalität würde sich dieses System eher für den weltweit ver-

netzten Blumenhandel anbieten. Im Optimalfall müsste man mit Global G.A.P. eine branchenspe-zifische Erweiterung schaffen, die dann nicht nur die Produzenten, sondern auch die weitere Handels-kette bis zum Abverkauf an die End-kunden miteinschließt. Aufgrund der vielen Reglementierungen und Richtlinien erschien das QS-System für Blumen und Pflanzen zu diffe-renziert und nicht dem Produkt an-gemessen. Obwohl das QS-Stufen-system, das die ganze Handelskette umfasst, sowie die produktspezifi-schen Leitfäden und Kriterien ganz klar als Vorteile erkannt wurden.

Als Fazit der Tagung muss man festhalten, dass der Vorstoß des ZVG mittels des Ad-hoc-Ausschus-ses zwar wichtig und wertvoll war und die Gastreferenten interessan-te Denkanstöße lieferten, am Ende des Tages aber kein Maßnahmen-plan oder effektive weitere Schritte festgehalten werden konnten. Das ist einerseits der komplexen He- rausforderung dieses Unterfangens

Regelmäßige Rückstands- analysen sind effektive Maßnah-

men zur Qualitätssicherung.

geschuldet, wofür es leider keine schnelle Lösung gibt, andererseits aber auch der Tatsache, dass Ver-bandsmühlen einfach zu langsam mahlen. Je mehr Beteiligte es gibt, desto schwieriger ist es, sich auf einen Aktionsplan zu einigen, Auf-gaben klar zu verteilen oder ein-fach mal etwas auszuprobieren.

Als Gastreferent beim Ad-hoc-Ausschuss war auch Fleurop-Vor-stand Stefan Gegg geladen, der eine Präsentation zum Thema »Transparenz im Blumenhandel – Schnittdatum, Pestizide, Qualität und wirtschaftlicher Erfolg« hielt. Die allgemeine Unsicherheit am Ende der Tagung bezüglich ge-eigneter Maßnahmen für das wei-tere Vorgehen sorgte im Nachgang noch für viele Überlegungen. Fleu-rop-seitig sieht man die Notwen-digkeit, dass unbedingt konkrete Schritte angegangen werden müs-sen. Die unternehmensinterne Stra-tegie lautet daher, sich nicht von der großen Herausforderung eines Fo

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umfassenden Qualitätssicherungs-systems lähmen zu lassen, sondern ganz pragmatisch bei den wich-tigsten Punkten anzusetzen: Das ist einerseits die Rückverfolgbar-keit der Ware vom Floristen bis zum Produzenten und andererseits das Wissen über tatsächliche Belastun-gen mit Pflanzenschutzmittelrück-ständen. Des zweiten Punkts hatte man sich bereits einige Zeit vor der Tagung angenommen und nach einem geeigneten Labor gesucht, das über fundierte Erfahrungen in der Analytik von Pflanzenschutz-mittelrückständen verfügt. Mit Eurofins – Dr. Specht Laboratorien in Hamburg wurde nun ein kom-petenter Partner gewonnen. Das Hamburger Labor ist Teil des gro-ßen Eurofins-Netzwerks, das 225 Laboratorien rund um den Globus umfasst. Dessen Spezialgebiet sind Analysen von Pflanzenschutzmit-telrückständen in Lebensmitteln, Blumen und Pflanzen – weltweit. In der Hansestadt verfügt man

Ziel dieser ersten Untersuchungs-reihe ist es nicht, Blumen zu finden, die pestizidrückstandsfrei sind. Denn es wäre naiv, zu glauben, die massenhafte Produktion von Schnittblumen und Pflanzen wäre ohne Pflanzenschutzmittel zu leis-ten. Dafür gibt es zahlreiche Argu-mente: Kulturpflanzen werden von Schädlingen befallen und sind an-fällig für Krankheitserreger wie Pil-ze, Viren und Bakterien. Außerdem konkurrieren Unkräuter mit ihnen um Nährstoffe, Wasser und Licht. Die Folgen ohne Pflanzenschutz-mitteleinsatz wären Beeinträchti-gungen in Qualität und Lagerfä-higkeit sowie absehbare massive Ertragseinbußen. Aber was sind überhaupt Pflanzenschutzmittel per definitionem? Gemäß Artikel 2 der EG-Verordnung Nr. 1107/2009 schützen Pflanzenschutzmittel Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen, sie beein-flussen die Lebensvorgänge von Pflanzen, vernichten Pflanzen und Pflanzenteile und hemmen uner-wünschtes Wachstum von Pflan-zen. Was viele nicht wissen: Die sogenannten Zubereitungen oder Formulierungen, also die Handels- präparate, enthalten neben dem eigentlichen Wirkstoff noch Zusät-ze, die beispielsweise für eine bes-sere Verteilung des Mittels bei der landwirtschaftlichen Anwendung sorgen sollen.

Die Initiative von Fleurop soll über die einzelnen Tests hinaus für mehr Transparenz und Aufklä-rung sorgen und ein wichtiger Teil im Qualitätssicherungsprozess der Fleurop AG werden. In erster Li-nie sollen die Partnerfloristen mit stichhaltigen Fakten informiert werden, sodass sie den Fragen der Kunden – die unweigerlich kom-men werden – souverän begegnen und kompetent Auskunft geben können. Denn bisher ist einfach zu wenig Wissen im Zierpflanzen- bereich über den Einsatz von Pflan-

über gut 50 Jahre Erfahrung in der Rückstandsanalytik: Durchschnitt-lich werden rund 125.000 Proben pro Jahr eingereicht und mehr als 700 verschiedene Pestizide können mittels modernster Technik identi-fiziert werden. Die Analysemetho-den sind übrigens die gleichen wie bei Obst und Gemüse. Das Beson-dere in der Zusammenarbeit zwi-schen der Fleurop AG und Eurofins ist, dass die Rückstandstests auf Pestizide ganz regelmäßig statt-finden sollen, um über einen län-geren Zeitraum Daten erheben zu können. Gestartet wurden die ers-ten Analysen in der letzten Maiwo-che mit Pfingstrosen – den Haupt-blüten aus dem noch relativ neuen Produktangebot »Fleurop-Strauß-der-Woche-Box«. Im Abonnement erhält das Labor seither Woche für Woche die Hauptblüten des Strau-ßes der Woche und untersucht diese auf Pestizidrückstände. Pers-pektivisch sollen die Tests auch auf andere Produkte erweitert werden.

Das Hambur-ger Labor von

Eurofins ist spezialisiert

auf Analysen von Pflanzen-schutzmittel-rückständen

in Lebensmit-teln, Blumen

und Pflanzen.

Pflanzenschutzmittel und ihre Anwendungsbereiche

Die Wirkstoffe der Pflanzenschutzmittel lassen sich in übergeordnete Pestizidgruppen einteilen. In untenste-hender Übersicht finden Sie links immer die Pestizid-gruppe und rechts daneben die Zielorganismen.

Akarizide: SpinnmilbenBakterizide: BakterienDefoliantien: EntlaubungFungizide: schädliche PilzeHerbizide: UnkräuterInsektizide: InsektenLarvizide: Larven von Insekten und MilbenMolluskizide: Schnecken und MuschelnNernatizide: Fadenwürmer (Nematoden)Rodentizide: Nager

Übrigens: Die Wortendung ›-zid‹ bedeutet ›abtötend‹ und gibt immer einen Hinweis darauf, dass es sich bei einem Mittel um eine aggressive Substanz handelt.

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zenschutzmitteln vorhanden. Das liegt auch darin begründet, dass in der EU die rechtlichen Anforde-rungen an Schnittblumen äußerst überschaubar sind: Es dürfen zwar nur Pestizide eingesetzt werden, deren Wirkstoff durch die EU zu-gelassen wurde. Es gibt aber keine Grenzwerte für Höchstmengen. In Deutschland ist die Liste des Bun-desamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (kurz: »BVL-Liste«) maßgeblich für die Zu-lassung eines Wirkstoffs beim An- bau von Zierpflanzen in Deutsch-land. Spricht man allerdings Exper-ten darauf an, erfährt man, dass diese Liste nicht auf dem aktuells-ten Stand ist und nur zur groben Orientierung dient. Die regelmä-ßigen Rückstandsanalysen sollen daher nach und nach Erkenntnisse liefern, welche Pflanzenschutzmit-tel tatsächlich noch nachweisbar sind, und dann gemäß dem Prinzip »Learning by doing« zu weiteren Schritten und Maßnahmen führen.

Jochen Riehle ist staatlich geprüf-ter Lebensmittelchemiker und seit 2002 bei Eurofins – Dr. Specht La-boratorien GmbH in verschiede-nen Positionen tätig. Im Hambur-ger Labor gehen durchaus Proben aus dem Bereich der Blumen und Zierpflanzen ein. »Allerdings stellen wir starke jahreszeitliche Schwan-kungen im Probenaufkommen aus diesem Bereich fest«, berichtet er. »Das liegt natürlich vor allem im un-terschiedlich großen Medieninte- resse je nach Jahreszeit begründet.« So veröffentlichen laut Riehle vor den großen Blumenschenkanlass-tagen verstärkt Nichtregierungsor-ganisationen wie Greenpeace, der Nabu oder der BUND oder Maga-zine wie Ökotest und Stiftung Wa-rentest Untersuchungsergebnisse von Rückstandstests – eben weil in dieser Zeit die Öffentlichkeit für das Thema viel leichter sensibili-siert werden kann. Ansonsten seien es in erster Linie die Blumenimpor-teure, die ganzjährig testen lassen.

»Die Importeure agieren voraus-schauend für den Handel. Schließ-lich wollen sie denjenigen, die sie beliefern, Auskunft geben können und über ihre Produkte Bescheid wissen«, so Riehle. Dieser Einblick ist umso erstaunlicher, als das Wis-sen, über das diese Importeure ver-fügen, nicht wirklich in der Bran-che ankommt oder innerhalb der Handelskette weiterkommunizert wird. Dass der Handel selbst seine Ware intensiv untersuchen lässt, ist bislang eher selten. Vermutlich deshalb, weil das oberste Interesse des Handels eben darin liegt, seine Produkte zu verkaufen, und nicht sie grundlegend zu hinterfragen.

»Hinterfragen« ist auch ein wich-tiges Stichwort im Umgang mit Pflanzenschutzmitteln. Während die Lebensmittelchemiker im La-bor die Pestizide bei ihrem genau-en Namen, also der chemischen Strukturformel des Wirkstoffs, nennen, benutzen die Anwender in der Landwirtschaft oder dem

Innerhalb der Grünen

Branche lassen bisher vor

allem Blumen- importeure

Rückstands- analysen

durchführen.

Seit Ende Mai

werden die

Hauptblüten der

»Fleurop-Strauß-

der-Woche-Box«

regelmäßig auf

Pestizidrückstände

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Zierpflanzenanbau in der Regel die Bezeichnungen der Handelspräpa-rate, die meist besser klingen und sich dem Nichtchemiker leichter einprägen. So enthält beispiels- weise »Roundup« den Wirkstoff Glyphosat, »Basta« den Wirkstoff Glufosinat und »F 500« den Wirk-stoff Kresoxim-methyl. Hinter den Handelsnamen verbergen sich dann tatsächlich ganz komplexe Gemische, die neben dem eigent-lichen Wirkstoff Haftmittel und di-verse andere Substanzen enthalten, die die gewünschte Hauptwirkung unterstützen. Die Chemiker in den Testlaboren sowie die Hersteller müssen sich damit abfinden, dass sie sich im Hinblick auf Wirkstoffe und Handelspräparate vielfach nur mithilfe von Nachschlagewerken – wie beispielsweise der BVL-Liste – mit den Auftraggebern oder An-wendern verständigen können. Ein probates Mittel für die Praxis sind einfache Übersetzungstabellen, in denen der Wirkstoff, wie ihn der Chemiker benennt, und die Formu- lierungen und Eigennamen, wie sie der Anwender kennt, nebenei-nandergestellt werden. Außerdem unabdingbar für einen verantwor-tungsvollen Umgang mit Pflanzen-schutzmitteln ist eine Anleitung des Herstellers, in der genau be-schrieben wird, wie die Anwender mit dem Produkt umgehen sollen und worauf bei der Ausbringung zu achten ist. In Deutschland funk-tioniert der Wissenstransfer von Theorie zu Praxis anhand solcher Hilfsmittel in der Regel gut. Auf afrikanischen Rosenfarmen oder in sehr armen Ländern, wo häufig auch Analphabeten in der Pflanzen- produktion beschäftigt sind, gestal- tet sich das schon schwieriger …

Ob man nun von »Pestiziden« oder von »Pflanzenschutzmitteln« spricht, ist eine Frage des Blick- winkels – beide Perspektiven ha- ben ihre Berechtigung. In den meisten Fällen handelt es sich je-

Global betrachtet gibt es im Umgang mit Pestiziden immer noch einen großen Aufklärungsbedarf. Vielerorts wird noch völlig unreflektiert und intensiv gespritzt. Die Folgen für unser Ökosystem sind oftmals katastrophal.

Jochen Riehle

doch um aggressive, Leben schä-digende Substanzen. »Die Wort- endung ›-zid‹ bedeutet ›abtö-tend‹, das sollte man nie verges-sen oder schönreden«, gibt Riehle zu bedenken. Eines der bekann-testen Herbizide ist unter dem vielversprechenden Handelsna-men »Roundup« allgemein be-kannt. Es wurde bisher so häu-fig verwendet, weil der Wirkstoff Glyphosat – aufgrund der aktuel-len Diskussion um die erneute Zu-lassung in der EU in aller Munde – sehr breit gegen quasi sämtliche Unkräuter wirkt. Selbst unter An-wendern im häuslichen Gebrauch ist »Roundup« durchaus verbrei-tet, weil es nicht nur äußerst effek-tiv wirkt, sondern auch sehr güns-tig zu haben ist. Von diesen beiden

Eigenschaften profitieren natürlich auch Großabnehmer, wie Riehle ein Beispiel gibt: »Die öffentliche Verwaltung, Gartenbauämter und vor allem die Deutsche Bahn hät-ten vermutlich ein ernsthaftes Pro-blem, wenn Glyphosat verboten würde.« Denn mit keinem anderen Mittel könnte man die Bahngleise auch nur annähernd so effektiv vor Überwucherung freihalten. Auf-grund der genannten Pluspunkte, die in der Summe nur auf Glypho-sat zutreffen, gestaltete sich die Debatte um die Neuzulassung des Wirkstoffs in der Europäischen Uni-on so langwierig. Die Vorteile sind offensichtlich, über die Nachteile – also inwiefern Glyphosat krebs- erregend ist, und wenn ja, ab wel-cher Konzentration und unter wel-

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Innerhalb der EU gibt es eine für alle Mitglieds- staaten ver- bindliche Liste, die rund 500 zuge-lassene und mehr als 500 verbotene Wirkstoffe im Bereich der Pflanzen-schutzmittel umfasst.

chen Umständen – streiten sich Ex-perten, Lobbyisten und Politiker gleichermaßen.

Die zweite große Wirkstoffgrup-pe neben Herbiziden sind Insekti-zide. Die Abkürzung »DDT« wird ebenfalls jedem in der Grünen Branche geläufig sein. »DDT« war das erste chemisch-synthetische

Pflanzenschutzmittel, das es welt-weit überhaupt gab, und wurde in den 30er-Jahren eingeführt. Es ge-hört zur Gruppe der chlorierten Kohlenwasserstoffe und ist ein In-sektizid, das sehr breit wirkt. Früher wurde es deshalb auch gegen Ma-laria eingesetzt – in manchen Län-dern bis heute. Ähnlich wie bei Gly-phosat besteht bei den chlorierten Kohlenwasserstoffen ein großes Dilemma zwischen gewünschtem Nutzen und äußerst bedenklichen Nebeneffekten. »DDT« ist nämlich höchst persistent – das heißt, es bleibt Jahrzehnte in der Umwelt. Chlorierte Kohlenwasserstoffe sind sehr schlecht abbaubar und reichern sich innerhalb der Nah-rungskette im Fettgewebe an.

»Wo kein Kläger, da kein Rich-ter«, fasst Riehle den Umgang mit Pestiziden im Bereich der Schnitt-blumenproduktion pointiert zu-sammen. »Wir sollten aber hinter-fragen, was ökologisch sinnvoll ist – schließlich tragen wir alle Ver- antwortung für unser Ökosystem!« Politik und Gesellschaft hinken hier dem Tatbestand sträflich hinterher. Im Fokus der Nichtregierungsorga-nisationen und Testmagazine steht meist der Schutz der Endverbrau-cher, noch wichtiger ist aber der Schutz der Anwender von Pestizi-den, da sie in viel stärkerem Kon-

takt mit den Substanzen stehen, sowie des Ökosystems, da dessen Schädigung langfristige Folgen für alles Leben auf der Erde hat. Als ein Beispiel nennt Riehle den Ananas-anbau in Costa Rica: »Das Herbizid Bromacil, das dort intensiv ange-wendet wurde, hat sich im Grund-wasser festgesetzt, und keiner

weiß, wie man es wieder neutra-lisieren kann.« Ein ähnlich schwer-wiegendes Problem hat seit einigen Jahren die Medien hierzulande auf den Plan gerufen: der inzwischen nachgewiesene Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Neoni-kotinoiden und dem Bienenster-ben. Als Neonikotinoide wird eine Gruppe von hochwirksamen Insek-tiziden bezeichnet, die alle synthe-tisch hergestellt sind und auf die Nervenzellen von Insekten wirken. Die Pflanze nimmt das Gift über die Wurzeln auf und transportiert es in die Blätter. Auf Bienen wirkt es als Kontakt- oder Fraßgift. Mit der ur-sprünglichen Intention, den Ertrag von Pflanzen in der Nahrungsmit-telproduktion zu optimieren, wur-de durch die Neonikotinoide das nachhaltige Problem geschaffen, dass sich die Zahl der Bienen dezi-mierte und weniger Bienen für die Bestäubung der Nahrungsmittel-pflanzen zur Verfügung stehen.

Seit einigen Jahren sind Neoniko-tinoide für zahlreiche Anwendun-gen EU-weit verboten worden. Das Problem der persistenten organi-schen Schadstoffe existiert aber weiterhin. Diverse Organisationen engagieren sich in der Aufdeckung der gefährlichsten Pestizide – bei-spielsweise Fairtrade, Greenpeace oder MPS. Die Schwierigkeit die-

ser Listen ist jedoch, dass sie un-terschiedlichen Ansätzen und Kri-terien folgen, unterschiedlich umfangreich und nur bedingt ver-gleichbar oder zusammenführbar sind. Im Gespräch mit den Lebens-mittelanalytikern von Eurofins stell-te sich auch heraus, dass die Listen oft nicht aktuell sind. So sind dort etwa Wirkstoffe zu finden, die es nicht mehr gibt beziehungsweise längst nicht mehr verwendet wer-den, oder solche, für die es keine Methoden zum Rückstandsnach-weis gibt. Andererseits kommen in der Produktion immer neue Wirk-stoffe hinzu, die dann aber wiede-rum noch nicht auf den schwarzen Listen erfasst sind. Riehle hält die Liste der EU für am sinnvollsten. Sie ist insofern die geeignetste, weil sie die übergeordnetste Gültigkeit be-sitzt. Sie umfasst rund 500 EU-weit zugelassene und mehr als 500 ver-botene Wirkstoffe, wobei die Re-gelungen in Deutschland noch strenger sind: Hierzulande sind nur 270 Wirkstoffe aus der EU-Liste er-laubt. Der Vorteil der EU-Liste ist, dass sie immer wieder aktualisiert und neu hinterfragt wird und eu-ropaweit als Referenz und Grund-lage für Verbote gilt. Greenpeace hatte durch die Beauftragung ei-ner Studie im Jahr 2008 und de-ren Aktualisierung 2010 sehr viel Detailarbeit geleistet: Die Studie »Die Schwarze Liste der Pestizide« beinhaltet eine vergleichende Be-wertung der Umwelt- und Gesund- heitsgefährdung von weltweit eingesetzten Pestizidwirkstoffen und liefert eine wissenschaftlich fundierte Klassifizierung der Sub-stanzen. Riehle hält nicht so viel von konkurrierenden schwarzen Listen je nach Quelle und Gusto: »Die Regulationsmechanismen in-nerhalb der EU sind schon ganz gut, das ist der richtige Weg, und je mehr Länder mitmachen, desto effektiver ist diese Liste«, lautet sei-ne Einschätzung. Dennoch gibt es

Die Schädigung des Ökosystems zieht langfristige Folgen für alles Leben auf der Erde nach sich.

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kaum stichhaltige und umfängliche Daten und Fakten zu tatsächlichen gesundheitsschädlichen Konse-quenzen für den Menschen durch Pestizideinsatz bei Nutz- und Zier-pflanzen. »Ein Grund dafür ist«, so der Experte, »dass alles relativ ist, weil komplexe Zusammenhänge und Wirkmechanismen bestehen, die kaum erfasst werden können.«

Das globale Business mit Schnitt-blumen macht die Sache nicht ein-facher. Bedenklich findet Riehle, dass bei Zierpflanzen keine Rück- standskontrollen durch die Behör-den stattfinden – zumal Blumen im Supermarkt oft neben Obst und Gemüse stehen. Außerdem gibt es im Gegensatz zu Lebensmitteln bei Blumen keine vorgeschrie-benen Höchstmengen in puncto Rückstandsbelastung. »Ein Ansatz wäre, die zugelassenen Mengen bei Lebensmitteln hochzurechnen und so einen Richtwert für Blu-men zu bestimmen«, sagt Riehle. Da Blumen jedoch üblicherwei-se nicht zum menschlichen Ver-zehr bestimmt sind, sei auch die-ses Vorgehen umstritten. Was er allerdings festgestellt hat, ist, dass zumindest bei EU-Importen be-reits ein Umdenken im Umgang mit Pestiziden stattgefunden hat. »Global betrachtet sieht es bei der Verwendung von Pestiziden allge-mein aber noch schlecht aus, vor allem in Indien und ganz Südost-asien scheint von Weitem betrach-tet ein relativ unreflektierter und hemmungsloser Umgang mit Pes-tiziden üblich zu sein. Oft werden uralte Mittel eingesetzt, die in der EU schon lange nicht mehr zuge-lassen sind.«

Immerhin für die Endverbrau-cher kann insofern eine Entwar-nung gegeben werden, als die Kontaktzeit mit Blumen – sei es über Hände, Oberflächen oder Messer – äußerst kurz ist, sodass aus Expertensicht nur eine ver-schwindend geringe Kontamina-

tionsgefahr mit Pestiziden besteht und somit kaum eine reelle Ge-sundheitsgefährdung. Das verhält sich bei manchen Lebensmitteln anders: Oberflächenbehandlungs-mittel von Zitrusfrüchten können Riehle zufolge bei der üblichen Handhabung durch den Verbrau-cher in deutlich höheren Mengen übergehen als Pestizidrückstände an Schnittblumen. Allerdings sind Riehle bisher keine Langzeitstu- dien zu gesundheitlichen Auswir-kungen von Pestizidrückständen in Blumen auf den Menschen be-kannt. Im Gegensatz zum Endver-braucher sind Floristen, die jeden Tag stundenlang mit Blumen ar-beiten, mit Sicherheit einem grö-ßeren Risiko ausgesetzt: Sie haben ständigen direkten Hautkontakt mit den Blumen, und durch kleine Schnittverletzungen oder rissige Haut bieten sich zusätzliche Ein-

dringmöglichkeiten von giftigen Substanzen in den Körper. Einige werden auch über die Haut aufge-nommen. Letztlich ist auch in den meisten Fällen nicht nachgewiesen, ob die Ursachen für Allergien, Kon-taktekzeme oder Asthma bei Flo-risten bei den pflanzlichen Stoffen selbst liegen oder eventuell auch den Pestizidrückständen geschul- det sind. Nicht umsonst wurden und werden zahlreiche Pflanzen- schutzmittel auf deutscher oder europäischer Ebene gesetzlich ver-boten. Die Gründe hierfür können höchst vielfältig sein: Entweder weil bei bestimmten Wirkmengen erstmalig eine Toxizität nachge-wiesen wurde und anzunehmen ist, dass ein akutes Risiko für den Menschen oder das Ökosystem

besteht, oder weil für die erneute Zulassung schlicht aktuelle Daten vom Hersteller fehlen. Aber nicht selten spielen auch politische Wirk-mechanismen wie aktuell bei der Glyphosat-Diskussion mit hinein.

Um nicht wie ein Fähnchen im Wind der Politik und den Medien ausgeliefert zu sein, kann die Grüne Branche nur gewinnen, wenn sie selbst aktiv wird und den Gang der Dinge proaktiv beeinflusst. Gerade im Internetzeitalter hat man nichts mehr unter Kontrolle: Nachrichten verbreiten sich sekundenschnell in alle Welt. Und wenn Meldungen oder Berichte mit Schlagzeilen- potenzial erst einmal im Netz sind, bleiben sie dort meist über Jahre noch auffindbar – ungeachtet des-sen, ob die Inhalte gut recherchiert oder lediglich zurechtgezimmert sind. Eine effektive Krisenfrüher-

kennung kann nur durch kontinu-ierliche Datenerhebungen anhand von Rückstandstests gelingen. Denn wer seine Produkte regel-mäßig testet, weiß, wo er steht, und kann im Krisenfall kompetent und differenziert Auskunft geben. Sei es, indem man Vorwürfe an- hand von Analyseergebnissen fun-diert dementiert oder zu Vorwür-fen ebenso fundiert Hintergrund- wissen mitgibt und sie dadurch relativiert beziehungsweise ins re-alistische Licht rückt. Auch Riehle appelliert ganz klar, die Latenz- zeit für eine gewissenhafte Daten- erhebung nutzen: »Diese Chance wird oft nicht wahrgenommen, aber steht der ›Skandal‹ erst mal vor der Tür, dann ist es zu spät für eine wohlüberlegte Herangehens-

Durch regelmäßige Pestizid-rückstandsanalysen kann die Grüne Branche nur gewinnen.

Im Gegensatz zu Lebensmit-

teln gibt es bei Blumen

keine vorge-schriebenen

Höchst-mengen in

Bezug auf die Rückstands-

belastungen.

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Für die Pflanzenschutzmittelanalytik in Lebensmitteln, Futtermitteln und Tabak existieren drei grundsätzliche Methoden: die Multimethode Quechers, die Multime-thode DFG S19 sowie die Einzel- und Gruppenmethoden. Eine Multimethode erlaubt den Nachweis und die Be- stimmung von vielen Pestiziden unterschiedlicher che- mischer Struktur in einem breiten Spektrum von Lebens-mitteln beziehungsweise Erntegütern. Multimethoden werden üblicherweise von staatlichen Behörden und privaten Laboratorien zur Überwachung, Kontrolle und Beobachtung benutzt, um festzustellen, welche Pestizide und wie viel davon in den vorgelegten Proben vorhanden sind. Die Multimethode Quechers ist das gängigste Testverfahren für Obst und Gemüse. Sie ist vor allem für wasserhaltige Proben sehr gut anwendbar. Deshalb eignet sie sich auch optimal für die Analyse von Pflanzenschutzmittelrückständen in Schnittblumen. Der große Vorteil der Multimethode Quechers ist, dass sie relativ kostengünstig und schnell durchführbar ist und ein zuverlässiges Screening innerhalb von 24 Stunden liefert. Die Analyse erfolgt größtenteils automatisiert mit Hightech-Geräten. Zur Auftrennung der Pestizide von den Begleitstoffen werden gewöhnlich chromatografi-sche Trennverfahren wie die Gaschromatografie oder die Flüssigchromatografie genutzt. Bei stark verholzten und ölhaltigen Pflanzen wie manchen Kräutern oder Rosensorten funktioniert diese Methode jedoch nicht, dann wird die Multimethode DFG S19 angewandt, diese ermöglicht ein zuverlässiges Screening auch für analysetechnisch anspruchsvolle Produkte. Die Einzel- und Gruppenmethoden sind wesentlich aufwendi-ger und teurer, da in der Regel viele Analyseschritte von Hand im Reagenzglas gemacht werden müssen. Die Gruppenmethode erlaubt den Nachweis und die Bestimmung von Pestiziden mit verwandter chemischer Struktur wie beispielsweise Dithiocarbamate (häufig eingesetzte Fungizide). Anhand der Einzelmethode erfolgen schließlich nur noch der Nachweis und die Bestimmung eines einzelnen Pestizids gegebenenfalls inklusive seiner toxikologisch relevanten Stoffwechsel- und Abbauprodukte. Die Einzel- und Gruppenmethoden kommen jedoch nur zum Einsatz, wenn einzelne Wirk-stoffe nachgewiesen werden sollen, die nicht mit einer Multimethode analysierbar sind. Bei den grundlegen-den Tests von Blumen und Pflanzen ist dies vorerst nicht notwendig. Die Rückstandsanalyse nach Glyphosat etwa würde allerdings die Einzelmethode erfordern.

In diesem großen Messraum findet die Gaschromatografie im Rahmen der Multimethode Quechers statt. Die Gaschromatografie eignet sich zum Nachweis von Wirkstoffen, die nicht zerfallen – zum Beispiel DDT.

Eine Mitarbeiterin der Eurofins – Dr. Specht Laboratorien in Hamburg beim Aufarbeiten der Proben.

Die Flüssigchromatografie existiert erst seit 15 Jahren und ermöglicht den Nachweis moderner Wirkstoffe, die schnell zerfallen. Mit diesen Geräten wird sie im Rahmen der Multimethode Quechers durchgeführt.

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Den Pestiziden auf der Spur ... Methoden der Rückstandsanalytik

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weise«, sagt er. »Wer hingegen vorausschauend, ohne Medien-druck und überlegt agiert, kann über längere Zeiträume hinweg Datenmaterial erheben und im Fall des Falles für seine Produkte eine differenzierte Aufstellung an Rückstandssubstanzen und deren Konzentration präsentieren.«

Genau diesen Ansatz verfolgt nun die Fleurop AG mit ihrem Vor-stoß und setzt darauf, dadurch mehr Transparenz zu schaffen. Im ersten Schritt sollen wissenschaft-liche Erkenntnisse durch regelmä-ßige Tests erhoben werden, min-destens genauso wichtig ist jedoch der zweite Schritt, im Zuge dessen die so gewonnenen Informationen in die Branche hineingegeben wer-den sollen – was ein absolutes No-vum wäre. In der Folge muss dann hinterfragt werden, warum wel-che Pestizide eingesetzt werden. Die Hintergründe dafür können nur im direkten Dialog mit denjenigen Produzenten erörtert werden, de-ren Blumen getestet wurden, um wirklich an Informationen aus ers-ter Hand zu kommen. Manchmal gibt es vielleicht gute Gründe für den Einsatz bestimmter Pflanzen-schutzmittel. Wenn man darüber Bescheid weiß, kann man diese Gründe auch in der Argumentation verwenden. Die Weitergabe des Wissens an die Floristen ermöglicht in letzter Instanz auch eine Aufklä-rung und Sensibilisierung der End-kunden für dieses Thema. Der all-gemeine Tenor des Fachhandels muss lauten »We take care!« – wir kümmern uns. Das schafft Vertrau-en. Mit einem erfahrenen Labor als starken Partner kann man außer-dem auf zusätzliches Know-how im Fall eines Skandals zurückgreifen.

Um ein professionelles Quali-tätsmanagement bieten zu kön-nen, muss neben den Ergebnis-sen der Rückstandstests aber auch eine klare Rückverfolgbarkeit der

Ware gegeben sein. Nur so ist eine eindeutige Identifikation des Pro-blems möglich und nur so eröff-nen sich effektive Handlungsopti-onen. Wichtige Fragen sind zum Beispiel: Welches Unternehmen verantwortet das Produkt und wer ist Ansprechpartner für den Qua-litätsprozess? Hat ein Unterneh-men mehrere Produktionsstätten mit unterschiedlichen Bedingun-gen, dann liefert die Antwort auf das »Wo?« eine wichtige Informa-tion. Und: Wie alt ist das Produkt? Eine Schnittdatumsangabe könnte nicht nur diese Frage beantworten, sondern würde auch die eindeuti-ge Identifikation einer Charge bei sich ändernden Umwelteinflüssen und entsprechend unterschied-lich hohem Pestizideinsatz ermög-lichen. Ebenso ist relevant, unter welchen Standardauflagen das Produkt produziert wurde. Eine Mess- und Vergleichbarkeit wäre anhand von Siegeln, Kontrollen und Zertifikaten über das Know-how vor Ort gegeben.

Bisher ist die Grüne Branche ins-gesamt davon aber noch weit ent-fernt, Antworten auf diese Fragen liefern zu können. Denn das Grund-problem zwischen den Beteiligten ist die mangelnde Kommunikation: sei es bewusste Intransparenz oder einfach dem Mangel an Kommuni-kationsplattformen und Vernet-zungen geschuldet. Ein weiteres

Problem ist, dass die Handelskette meist zu lang und zu undurchsich-tig ist: Nur in Ausnahmefällen be-steht eine Verbindung vom Pro-duzenten bis zum verkaufenden Floristen am Ende. Um zukunfts-fähig zu bleiben, darf die Grüne

Branche aber nicht in alten Zei-ten und Strukturen verhaftet blei-ben, sondern muss entsprechen-de Maßnahmen ergreifen. Die gesellschaftlichen Anforderungen im Zeitalter des Internets an Rück-verfolgung, Transparenz und In-formation sind allgemeiner Stan-dard im wirtschaftlichen Handeln, der erreicht werden muss. Der Sys-temhandel setzt diesen Standard bei Blumen und Pflanzen bereits besser um als der eigentliche Fach-handel – das darf nicht sein!

Vor gut zwei Jahren machte die Fleurop AG bereits einen ersten An-satz zum Thema Rückverfolgbar-keit, und zwar mit der Einführung eines Schnittdatumsaufklebers bei einem Dutzend erstklassiger nie-derländischer Gärtnereien. Wenn die Fleurop-Partnerfloristen über das Intranet »MerkurPortal« bei diesen Gärtnereien direkt Blumen bestellten, waren die Bunde mit dem Schnittdatum gekennzeich-net. Das war ein erster wichtiger Schritt in Richtung Transparenz. Eine unmittelbare Verbindung mit direktem Informationsfluss zwischen Produzent und Florist wäre ein nächster entscheidender Schritt hin zu einem verlässlichen Qualitätssicherungsprozess, in dem ein gutes Reklamationsma-nagement eine entscheidende Rol-le spielt. Der Florist muss dem Pro-duzenten ein direktes Feedback zur

Qualität seiner Ware geben kön-nen. Außerdem erfährt der Produ-zent dadurch überhaupt erst, wo seine Ware letztlich verkauft wird.

Technisch könnte man diese Transparenz und generelle Rück-verfolgbarkeit der Ware über ein

Transparenz und Rückverfolg- barkeit sind Grundbedingungen für die Qualitätssicherung.

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Etikett auf der Blumenverpackung erreichen. Pro Produktionsbetrieb würde ein Strichcode oder QR-Code vergeben, über den der Flo-rist per Smartphone in Erfahrung bringen könnte, woher die Blumen stammen. Im Reklamationsfall wür-de sich der Florist dann nicht mehr bei seinem Großhändler oder Breit-fahrer beschweren, der dann wie-der mit Verzögerung (wenn über-haupt) die Information an seine Bezugsquelle weitergibt, sondern direkt beim Anbaubetrieb. Zum ei-nen hätte der Florist dadurch ein schnelleres und aussagekräftigeres Feedback, zum anderen könnte der Produzent auch sofort effizient auf grundlegende Mängel im Anbau oder in der Logistik reagieren – es ergäbe sich also ein Vorteil für beide Enden der Handelskette. An dem Prinzip des Labelings als moderne Form der »message in a bottle« zeigte sich bei ersten Vor-gesprächen beispielsweise der Blumengroßhändler FleuraMetz interessiert und offen dafür, ein solches System auszuprobieren. Im Optimalfall gäbe es dann eine Art Branchenplattform, über die sich Produzenten und Floristen direkt austauschen könnten.

Vergegenwärtigt man sich die Vorteile dieser Form der Rückver-folgbarkeit, dann erübrigt sich fast die Suche nach einem Qualitäts- siegelsystem für die Grüne Bran-che. Qualitätssiegel sind zwar nützlich für die Definition eines Standards. Aber es benötigt Mil-lionen von Werbegeldern, um ein Qualitätssiegel beim Verbraucher zu etablieren. Und auch ein Sie-gel kommt letzten Endes nicht um die eindeutige Identifikation des Produktes umhin.

»Ziel der Fleurop AG ist es, neue Wege zu beschreiten, um eine qualifizierte Branchenlösung zur Qualitätssicherung zu etablieren«, erklärt Fleurop-Vorstand Stefan Gegg. Dazu gehören: eine tech-

nische Lösung für das Labeling zu finden und so die lückenlose Nachverfolgbarkeit zu gewährleis-ten sowie Kommunikationsstruk-turen aufzubauen, die einen direk-ten Austausch in beide Richtungen der Handelskette ermöglichen. Allein dadurch wird sich die Qua-lität der Ware schon maßgeblich verbessern. Kontinuierliche Quali-tätskontrollen und Rückstandstests auf Pflanzenschutzmittel vervoll-kommnen das System. Eine solche neu gewonnene Transparenz wür-de automatisch weitere Chancen eröffnen: Floristen kämen wieder mit Produzenten in Kontakt und könnten das Hintergrundwissen über ihre Ware beim Verkauf an ihre Kunden überzeugend ein-

bringen. Je direkter kommuniziert wird, desto weniger Informationen gehen im Prozess der Qualitäts- sicherung verloren. Und das Aller- wichtigste: Je größer die Trans-parenz ist, desto eher gelingt es, den Branchenumbruch zeitgemäß zu bewerkstelligen. Neue Koope-rationsformen, verlässliche Statis- tiken und eine offene Kommunika-tion vermindern Fehlinvestitionen und reduzieren den Wettbewerbs-druck. Aus Sicht Stefan Geggs ha-ben es alle Beteiligten der Grünen Branche in der Hand: »Wir können mit unserem Fachwissen unsere Branche selbst gestalten – oder die Politik, der gesellschaftliche Druck und die Gesetzgebung werden uns regulieren.«

Ziel der Fleurop AG ist es, neue Wege zu beschreiten, um eine qua-lifizierte Bran-chenlösung zur Qualitäts-sicherung zu etablieren.

Technisch könnte man eine generelle Rückverfolgbarkeit der Ware erreichen, indem pro Produktionsbetrieb ein Strichcode oder QR-Code vergeben wird. So könnte der Florist per Smartphone immer sofort in Erfahrung bringen, woher die Ware stammt.

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