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1 3.0 Gegensatzpaare zum Dritten: Dreierlei Tertium semper datur Das Land der Drei habe ich in den vergangenen 50 Jahren oft überflogen, in diesem Lande Fuß zu fassen habe ich aber nie gelernt, ich hatte Angst vor der Mathematik. Abstrakte Formeln waren nicht meine Welt. Auch die Sprache der Philosophen blieb mir fremd, mein Gehirn weigerte sich zu „verstehen“. Ich habe zwar schon vor vielen Jahren gemerkt, dass Wörter keinen Inhalt haben, dass im Kommunikationsprozess keine „Bedeutung“ übertragen wird, dass die Zweiteilung in Form und Inhalt von Zeichen in der Zeichenlehre (Semiologie), der ich bei Ferdinand de Saussure gegnete, nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Die Gedanken des Ur-Semiotikers Peirce, seine Idee der Drittheit, seine Dreiteilung des Verstehensprozesses, konnte ich aber nicht nachvollziehen. Triaden, Triplizität, Trinität blieben fremde Fremdwörter, denen ich keine Bedeutung assoziieren konnte. Im Land der Drei zu wandern, Schritt für Schritt einen Fuß vor den anderen setzen, einen Gedanken folgerichtig mit einem nächsten Gedanken zu verbinden, musste ich mühsam lernen, als es mir gelang erst einmal in diesem fremden Land zu landen. Dabei hat mir das Studium der „Laws of Form“ viel geholfen. Ich lernte im Nichts zu beginnen: Omnia ex nihilo creamus. Dann folgt die Unterscheidung, die Zweiteilung und - die Dreiteilung: „jede Dualität impliziert Triplizit ät.“. Wir erzeugen eine Existenz, indem wir die Elemente einer dreifachen Identität auseinandernehmen. Die Existenz erlischt, wenn wir sie wieder zusammenfügen. Jede Kennzeichnung impliziert Dualität, wir können kein Ding produzieren, ohne Koproduktion dessen, was es nicht ist, und jede Dualität impliziert Triplizität. Was das Ding ist, was es nicht ist, und die Grenze dazwischen…Wir können nicht zwei Zustände definieren, ohne drei Elemente zu schaffen G. Spencer Brown 1 . 1 G. Spencer Brown, GdF, S. XVIII

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3.0 Gegensatzpaare zum Dritten: Dreierlei – Tertium semper datur

Das Land der Drei habe ich in den vergangenen 50 Jahren oft überflogen, in diesem Lande Fuß zu fassen habe ich aber nie gelernt, ich hatte Angst vor der Mathematik. Abstrakte Formeln waren nicht meine Welt. Auch die Sprache der Philosophen blieb mir fremd, mein Gehirn weigerte sich zu „verstehen“.

Ich habe zwar schon vor vielen Jahren gemerkt, dass Wörter keinen Inhalt haben, dass im Kommunikationsprozess keine „Bedeutung“ übertragen wird, dass die Zweiteilung in Form und Inhalt von Zeichen in der Zeichenlehre (Semiologie), der ich bei Ferdinand de Saussure gegnete, nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Die Gedanken des Ur-Semiotikers Peirce, seine Idee der Drittheit, seine Dreiteilung des Verstehensprozesses, konnte ich aber nicht nachvollziehen. Triaden, Triplizität, Trinität blieben fremde Fremdwörter, denen ich keine Bedeutung assoziieren konnte.

Im Land der Drei zu wandern, Schritt für Schritt einen Fuß vor den anderen setzen, einen Gedanken folgerichtig mit einem nächsten Gedanken zu verbinden, musste ich mühsam lernen, als es mir gelang erst einmal in diesem fremden Land zu landen. Dabei hat mir das Studium der „Laws of Form“ viel geholfen.

Ich lernte im Nichts zu beginnen: Omnia ex nihilo creamus. Dann folgt die Unterscheidung, die Zweiteilung und - die Dreiteilung: „jede Dualität impliziert Triplizität.“.

„Wir erzeugen eine Existenz, indem wir die Elemente einer dreifachen Identität auseinandernehmen. Die Existenz erlischt, wenn wir sie wieder zusammenfügen. Jede Kennzeichnung impliziert Dualität, wir können kein Ding produzieren, ohne Koproduktion dessen, was es nicht ist, und jede Dualität impliziert Triplizität. Was das Ding ist, was es nicht ist, und die Grenze dazwischen…Wir können nicht zwei Zustände definieren, ohne drei Elemente zu schaffen“ G. Spencer Brown1.

1 G. Spencer Brown, GdF, S. XVIII

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In dieser Denkwelt gilt das aristotelische Axiom des „Tertium non datur“ nicht mehr. Es gilt nicht mehr eine zweiwertige Logik, sondern eine mehrwertige Relationslogik des „Tertium semper datur“. Wie finde ich aber den Zugang zum mehrwertigen Denken?

„Suchen“ nach dem immer gegebenen Dritten (tertium semper datur) ist nicht möglich. Das Dritte gibt es nicht, das Dritte ist nicht ein „Etwas“. Es gibt auch „die Suche“ nicht, es gibt nur den Denkprozess des Suchens. Solange ich, sprach-gefangen, in einer Dingwelt suche, bleiben alle Ergebnisse des Suchens Meinung, Irrtum. In der Dingwelt kann ich nur glauben, in der Dingwelt kann ich nicht wissen. Meine alltägliche Denkwelt, die aus meiner alltäglichen Wahrnehmungswelt erscheint, ist immer eine Dingwelt, in der ich nur einfältig denken kann. Ich erkenne immer eindeutig „etwas“. Meine Nachdenkenwelt, die immer sprachlich geprägt ist, bleibt immer zweifältig, ich kann nur in Gegensätzen nachdenken und bleibe dann in Gegensätzen stecken. Es ist zum verzweifeln - wie komme ich zum „Drei-feln“?2 Wie finde ich das Dritteln, das Zusammenfallen der Gegensätze, die coincidentia oppositorum3.

Wie kann ich beschreiben, dass meine sprachliche Dingwelt eine Prozesswelt ist? Da wird es problematisch:

„Konkret wird das dann problematisch, wenn anstelle von statischen Zustands- oder Phänomenbeschreibungen dynamische Phänomene der Entwicklung dargestellt werden sollen. Denn das dualistische Erkenntnismodell liefert nur den Rahmen für die Bearbeitung seins- und identitätslogischer Probleme. Es ist auf das Thema "Sein" fixiert und kann daher nur behandeln, was aus abgeschlossener Prozess vorliegt. Es kann weder Prozessualität konzeptionell fassen noch Neues erklären oder

hervorbringen, sondern nur auf "Sein" reflexiv reagieren“. Nina Ort4

In meiner Sprache kann ich Prozesse nur als „Etwasse“ beschreiben, alle unsere Hauptwörter verweisen auf tote Dinge, die sind wie sie sind. Das mag für Steine und andere „Sachen“ noch angehen, um über Prozesse des Lebens nachzudenken reicht unsere

Sprache nicht, Lebensprozesse entziehen sich unseren Möglichkeiten der sprachlichen Beschreibung, die im dualistischen Erkenntnismodell befangen bleibt und das Werden nicht bedenken kann. Ich will versuchen in fünf Schritten dieses Werden, die Prozessualität, zu überdenken. Auf meiner Wanderung im Land der Drei begegnete ich der Welt des

Unterscheidens, der Welt des Denkens, der Welt des Miteinander und der Welt des Wissens:

Logik

Beobachten – Beobachten des Beobachtens - Beobachten des Beobachtens des Beobachtens – Selbstreferenz - Paradox - Mehrwertige Logik: Relationslogik –- Der Anfang vor dem Anfang – Volition - Zeichenwelt - Semiose Sprache – Kommunikation - Sicheres Wissen – Gewissheit

2 Drei-feln: Dieses neue Verbum hat Christoph Bleuler erfunden, mit dem ich in langen Gesprächen über die

Alltagstauglichkeit des Nachdenkens über Eindeutigkeit (sicheres Wissen), Zweideutigkeit (Zweifeln) und Dreideutigkeit diskutierte. 3 Coincidentia oppositorum (lateinisch; „Zusammenfall der Gegensätze“) ist ein zentraler Begriff im Denken des

Philosophen und Theologen Nikolaus von Kues (Cusanus).

4 Nina Ort Reflexionslogische Semiotik VelbrückWissenschaft 2007, S.11: http://www.uboeschenstein.ch/texte/ort-semiotik11.html

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M.C.Escher Bildgalerie

3.1 Dreierlei – Triplizität - Trinität :

Anfangen muss ich bei der Göttin „Frau Spencer Brown“, „die in der Welt der unbeobachtbaren Unterschiedlosigkeit ihr Wesen treibt“ und die in ihrer Inkarnation als Mister Spencer Brown über die Dreifaltigkeit nachdenkt:

“The explanation of the Trinity in fact turns out to be simple enough. When you make a distinction of any kind whatever, the easiest way to represent its essential properties mathematically is by some sort of closed curve like a circle. Here the circumference distinguishes two sides, an inside and an outside. The two sides, plus the circumference itself, which is neither the inside nor the outside, together make up three aspects of one distinction. Thus every distinction is a trinity. Hence the First

Distinction is the First Trinity.” G. Spencer Brown5.

“How we, and all appearance that appears with us, appear to appear (The double appearance of "appear" is no mistake. The first is to see that there is no evidence for the appearance of anything but appearance, that appearance is the only evidence we have for appearance, and that nothing other has ever been known to appear) is by conditioned coproduction” G. Spencer Brown6

“The theme of this book is that the universe comes into being when a space is severed to or taken apart. The skin of a living organism cuts off an outside from an inside. So does the circumference of a circle in a plane. By tracing the way we represent such a severance, we can begin to reconstruct, with an accuracy and coverage that appear almost uncanny, the basic forms underlying linguistic, mathematical, physical, and biological science, and can begin to see how familiar laws of our own experience follow inexorably from the original act of severance. The act is itself already remembered, even unconsciously, as our first attempt to distinguish different things in a world where, in the first place, the boundaries can be drawn any where we please. At this stage the universe cannot be distinguished from how we act upon it and the world may seem like shifting sand beneath our feet”. G.

Spencer Brown7

Eine Welt erscheint im Akt des Unterscheidens: “a universe comes into being when a space

5 G. Spencer Brown Only Two Can Play This Game, Bantam Books 1974, Note 1, page 127, http://www.uboeschenstein.ch/texte/spencer-brown-onlytwo127.html

6 G. Spencer-Brown, A Lion’s Teeth. Löwenzähne, Lübeck 1995, S.20 7 G. Spencer Brown Laws of Form, page XXIX:

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is severed or taken apart” und „the universe cannot be distinguished from how we act upon it, and the world may seem like shifting sand beneath our feet”.

Wir verlieren den Boden unter den Füssen. Unser Denken kann nicht hinter das Unterscheiden zurück. Die „Tathandlung des Uranfangs“, das Unterscheiden in dem eine

Welt erscheint. In dieser Urhandlung entstehen miteinander - in konditionierter Koproduktion – das unterscheidende Subjekt und das sinnhafte Objekt; es entstehen die Welt des Ich – „die Emergenz des Ich ist gleich ursprünglich mit der des Seins oder der Welt überhaupt“ 8 - und die Welt der Dinge ko-produziert.

Konditionierte Koproduktion

Selbstreferenz - Paradox9 - Relationslogik (Günther) - Paradox

„dass das Paradox der Selbst-Differenz mit einer aus Denkbewegungen der ersten Philosophie stammenden Figur verglichen werden kann. Es kann durch den Nachvollzug einiger transzendentaler Deduktion, worin sich diese Figur ausprägt, erhellt werden. Ich wähle Fichtes Deduktionen aus der Wissenschaftslehre, weil deren Fortschreiten am gründlichsten ausgearbeitet ist. In diesem erstphilosophischen Ausführungen

„setzt man mit einem Anfang ein, der sich als „Thathandlung“ (im Sinne eines sich selbst vollziehenden Aktes) verwirklicht und der Selbstsetzung des Ichs (als transzendentalen Subjekts) entspricht. Vor dieser Tathandlung der Selbstsetzung ist nichts Weltliches da. Die Emergenz des Ich ist gleich ursprünglich mit der des Seins oder der Welt überhaupt. Gleichwohl ist die Selbstsetzung des Ursubjekts nichts Global-Sphärisches: das Ich ist kein in sich geschlossenes hen kai pan, ist nicht selbst- und allenthaltend im Sinne der Alteritätslosigkeit: es hätte nichts neben sich; es hätte kein Anderes. Fichtes Argument ist gerade, dass das Zustandekommen des Ich's in seinem ursprünglichen Akt das Zustandekommen einer Differenz vom Selbigem und Nicht-Selbigem, von Ich und Nicht-Ich darstellt. Das Subjekt ist Subjekt einer Sache, die nicht es selbst ist.…die Differenz Ich/Nicht-

Ich, wie sich im Ich selbst reflektiert und den genuinesten Akt des Ich als Ich konstituiert“.

Jean Clam10

8 Jean Clam Kontingenz Paradox Nur-Vollzug, Grundprobleme einer Theorie der Gesellschaft, UVK 2004,

Seite 250f., http://www.uboeschenstein.ch/texte/clam247.html

9 Felix Lau Die Form der Paradoxie, Carl-Auer 2008, S.138: Jede Unterscheidung führt die Paradoxie von Einheit und Differenz mit sich. Insofern verweist die Paradoxie auf den „Anfang von Himmel und Erde“, auf das Ungeteilte, auf die All-Einheit. Die Form der Paradoxie ist so das Tor zum unmarked space, der grundsätzlich unbeschreibbar und unerkennbar ist. Hierin liegt verborgen, dass die Paradoxie im Anfang von allem steckt, Grundlage jeder Existenz ist…Jede Paradoxie lässt sich beschreiben als das (Wieder-)Auftreten einer Unterscheidung in ihrem eigenen Raum, auf einer Seite eben dieser Unterscheidung. Einerseits haben wir es dann mit nur einer Unterscheidung zu tun, andererseits können wir anhand der verschiedenen Ebenen (sie kommt als Ganze, das heißt mit beiden Seiten, auf einer ihrer Seiten wieder vor) nicht von derselben Unterscheidung sprechen. Obwohl wir nur eine Unterscheidung treffen, können wir zwischen zwei Unterscheidungen wechseln, also dieselbe Unterscheidung unterscheiden. http://www.uboeschenstein.ch/texte/LauForm112-Paradoxie.html

10 Jean Clam Kontingenz Paradox Nur-Vollzug, Grundprobleme einer Theorie der Gesellschaft, UVK 2004,

Seite 250f: Meine These ist, dass das Paradox der Selbst-Differenz mit einer aus Denkbewegungen der ersten Philosophie stammenden Figur verglichen werden kann. Es kann durch den Nachvollzug einiger transzendentaler Deduktion, worin sich diese Figur ausprägt, erhellt werden. Ich wähle Fichtes Deduktionen aus der Wissenschaftslehre, weil deren Fortschreiten am gründlichsten ausgearbeitet ist. In diesem erstphilosophischen Ausführungen setzt man mit einem Anfang ein, der sich als „Thathandlung“ (im Sinne eines sich selbst vollziehenden Aktes) verwirklicht und der Selbstsetzung des Ichs (als transzendentalen Subjekts) entspricht. Vor dieser Tathandlung der Selbstsetzung ist nichts Weltliches da. Die Emergenz des Ich ist gleich ursprünglich mit der des Seins oder der Welt überhaupt. Gleichwohl ist die Selbstsetzung des Ursubjekts nichts Global-Sphärisches: das Ich ist kein in sich geschlossenes hen kai pan, ist nicht selbst- und allenthaltend im Sinne der Alteritätslosigkeit: es hätte nichts neben sich; es hätte kein Anderes. Fichtes Argument ist gerade, dass

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Die protologischen Gesetze der Form beschreiben Unterscheidensprozesse ohne Inhalt,

“Only from the inner world can we see the outer world as one of an infinite variety of arbitrary constructions. The magic and the miraculous, of course, are the apparition, in the outer world, of a change to the boundaries, a reshuffling of the cards, originating in, or at least conducted from, the inner world. In the whole science of physics there is no such thing as a thing. Hundreds of years ago we carefully forgot this fact, and now it seems astonishing even to begin to remember it again. We draw the boundaries, we shuffle the cards, we make the distinctions”. G. Spencer Brown11

die triadisch sind.„...jede Dualität impliziert Triplizität. Was das Ding ist, was es nicht ist, und die Grenze dazwischen…Wir können nicht zwei Zustände definieren, ohne drei Elemente zu schaffen“12.

Wir können nicht gleichzeitig Beobachten und unser Beobachten beobachten.

Die Welt des Unterscheidens - Beobachten – Beobachten des Beobachtens - Beobachten des Beobachtens des Beobachtens

Beobachter – Beobachtetes

Beobachten des Beobachtens des Beobachtens

Beobachten des Beobachtens - Beobachten des Beobachtens des Beobachtens (Taraba

S.36)

Die drei Ebenen des Beobachtens

das Zustandekommen des Ich's in seinem ursprünglichen Akt das Zustandekommen einer Differenz vom Selbigem und Nicht-Selbigem, von Ich und Nicht-Ich darstellt. Das Subjekt ist Subjekt einer Sache, die nicht es selbst ist.…die Differenz Ich/Nicht-Ich, wie sich im Ich selbst reflektiert und den genuinesten Akt des Ich als Ich konstituiert. Das Ich ist weder eine geschlossene noch totale Sphäre. Es ist eingebettet in einem Ritz. Das Ich ist der Ritz, dessen Namen Welt ist und dessen Akt die Reflexion dieser selben ritzenden Differenz ist. http://www.uboeschenstein.ch/texte/clam247.html 11 G. Spencer Brown Only Two Can Play This Game, Bantam Books 1974, S.24: When we have developed our

insight far enough, we can begin to see how the excessively "real" appearance of the physical world is in fact brought about.It comes through a very clever trick. It depends on an elaborate procedure for forgetting just what it was we did to make it how we find it. Amongst other things, what we have to forget so carefully is the fact that we drew up all the hazards ourselves. Indeed the principle of Heisenberg ensures that there really is no "outside world" other than the one we constructed. It is, in fact and in fantasy, a projection of the shape of the instruments we used to investigate it. And the instruments (i.e. ourselves)are of course an introjection of this projection of this introjection of this projection of etc. Our forgetting how it is made up is our way of fixing the apperance of the world in just the particular way it happens to be. Of course we can't undo it if we can't remember how we did it, and the less we can undo it the more independent, the more beyond our control, it seems

3.In other

words, what we forget, partly involuntarily, partly deliberately, is that, many levels of existence back (seven, to be exact), we (or, as we were at that point, it ) made the original decision, the original introjection that eventually, like dealing a pack of cards, became projected as the distinctions between one thing and another. We only have to do it a different way, and the whole outer world looks and sounds and feels and is quite different, although the inner world, containing as it does all the possibilities of its interpretation, remains always the same. Only from the inner world can we see the outer world as one of an infinite variety of arbitrary constructions. The magic and the miraculous, of course, are the apparition, in the outer world, of a change to the boundaries, a reshuffling of the cards, originating in, or at least conducted from, the inner world. In the whole science of physics there is no such thing as a thing. Hundreds of years ago we carefully forgot this fact, and now it seems astonishing even to begin to remember it again. We draw the boundaries, we shuffle the cards, we make the distinctions. 12 G. Spencer Brown, GdF, S. XVIII

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Wir können nicht gleichzeitig Beobachten und das Beobachten beobachten. Der Begrenzer der beobachtend eine Grenze setzt, bleibt aussen vor, er kann sich nicht beobachten. Das heisst – und hier wird’s schon schwieriger – ich kann mich nicht beobachten.

Ich kann mich nur beobachten, wenn ich mich beobachte und dazu zu muss ich mich aufteilen, aus meinem unteilbaren „in-dividuellen“ Ich werden zwei Ichs.

„Für einen Beobachter dieses ersten Beobachters stellt er eine Einheit dar. Er ist, was er ist; er ist mit sich identisch; auch wenn er mal so und mal anders ist, bleibt er der, der er ist. Durch seine Operationen schafft und erhält er eine Grenze zu seiner Umwelt. Für diesen ersten Beobachter selbst gilt das auch, solange er nicht selbstbezüglich operiert, solange er sich etwa die Frage nach seiner Identität nicht stellt. Doch wenn er sich selbst beobachtet, ist er nicht mehr mit sich selbst identisch: er hat sich (die Einheit, die er war) in Beobachter und Beobachtetes unterteilt. Operational bleibt er natürlich eine Einheit, das heißt er wird nicht zu zwei Systemen, aber für sich ist er nicht mehr eines. Er sieht sich als der-und-der an, ist aber zugleich der, der sich so sieht. Er kann nicht mehr entscheiden, ob er Einheit oder Zweiheit ist: Wenn er sich als Einheit betrachtet, schafft er durch die Differenz, die die (Selbst-)Betrachtung macht, eine Zweiheit. Diese Zweiheit operiert aber als ein System.“ (Felix

Lau13)

Manchmal reden meine zwei Ichs miteinander: „Böschi (das bin Ich 1), was machst Du (Ich

2) da wieder für einen Mist!“

Zwei verschiedene Iche – Günther Maschinen 43 / Taraba 70

3.2 Das Dritte in der Philosophie des Denkens Das Dritte ist „die Grenze dazwischen“, eine Welt, die unserer zweiwertigen Reflexion nicht zugänglich ist. In der erweiterten Welt der Relationslogik begegnete ich der „reflexionslogischen Triade“14. Im „Modell einer triadischen Wirklichkeitskonstitution“ wird die „Wirklichkeit durch drei Kategorien konstituiert“. (Nina Ort15)

13 Felix Lau Die Form der Paradoxie, Carl-Auer 2008, S.121: Auch der „Satz der Identität“, der besagt, dass etwas zu sich selbst identisch ist, und der in allen gängigen Logiken vorausgesetzt wird, lässt sich mit dem Konzept von Selbstbezüglichkeit nicht vereinbaren. Man denke an ein abgeschlossenes System, etwa einen Beobachter, der im Modus Bewusstsein operiert. Für einen Beobachter dieses ersten Beobachters stellt er eine Einheit dar. Er ist, was er ist; er ist mit sich identisch; auch wenn er mal so und mal anders ist, bleibt er der, der er ist. Durch seine Operationen schafft und erhält er eine Grenze zu seiner Umwelt. Für diesen ersten Beobachter selbst gilt das auch, solange er nicht selbstbezüglich operiert, solange er sich etwa die Frage nach seiner Identität nicht stellt. Doch wenn er sich selbst beobachtet, ist er nicht mehr mit sich selbst identisch: er hat sich (die Einheit, die er war) in Beobachter und Beobachtetes unterteilt. Operational bleibt er natürlich eine Einheit, das heißt er wird nicht zu zwei Systemen, aber für sich ist er nicht mehr eines. Er sieht sich als der-und-der an, ist aber zugleich der, der sich so sieht. Er kann nicht mehr entscheiden, ob er Einheit oder Zweiheit ist: Wenn er sich als Einheit betrachtet, schafft er durch die Differenz, die die (Selbst-)Betrachtung macht, eine Zweiheit. Diese Zweiheit operiert aber als ein System. http://www.uboeschenstein.ch/texte/LauForm112-Paradoxie.html

14 Triade (gr. trias zu Genetiv: triados) - eigentlich : Dreiheit; im übertragenen Sinne auch Dreischritt - werden

philosophische Konzepte gekennzeichnet, die einen solchen Dreischritt als grundlegendes Strukturmerkmal enthalten. (Wiki) 15 Nina Ort Reflexionslogische Semiotik,VelbrückWissenschaft 2007, S.21: Günther und Peirce schließen mit

ihren Entwürfen philosophisch beide sowohl an Kant als auch insbesondere an Hegel an und versuchen dessen

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Das reine Sein und das reine Nichts ist also dasselbe. Was die Wahrheit ist, ist weder das eine noch das Nichts, sondern, dass das Sein in Nichts und das Nichts in Sein - nicht übergeht, sondern übergegangen ist. Aber ebenso sehr ist die Wahrheit nicht ihre Ununterschiedenheit, sondern, dass sie nicht dasselbe, dass sie absolut unterschieden, aber ebenso sehr ungetrennt und untrennbar sind und unmittelbar jedes in seinem Gegenteil verschwindet. Ihre Wahrheit ist also diese Bewegung des unmittelbaren Verschwindens des einen in dem anderen: das Werden; eine Bewegung worin beide unterschieden sind, aber durch einen Unterschied, der sich

ebenso unmittelbar aufgelöst hat“. (G.W.F. Hegel16 )

Hegel (Taraba 37f) –

Günther Ort – Taraba

Ego – Alter Luhmann

Differenz-

Fuchs Die Metapher des Systems, S.13f: Klar ist jedenfalls, dass die Systemtheorie mit einer Differenz startet, mit der von System und Umwelt, und: dass der Einheitsbegriff des Systems der Begriff dieser Differenz ist. Einfacher gesagt: das System lässt sich nicht aus seiner Umwelt herausgeben, es ist nicht isoliertbar. Es ist jenes Co, jenes Zugleich, jener Zweiheit, die sich nicht in zwei Einsen zerlegen lässt. (Diese Zweiheit ist, genau besehen, wiederum Dreiheit, also eine Verkürzung der Triade X - Grenze - Y. Das ließe sich ebensogut wieder auf die EINS der Grenze zuführen, die die Zweiheit auswirft und folglich eine Dreiheit etabliert.... dass das Eine ohne dass anderer nicht zu haben ist, ist geläufiger Topos.) Und im Augenblick, in dem man dieser Komplikation gewahr wird, zerfällt die cartesische Sprache. Mit ihr fallen auch die zweiwertigen logischen Mittel aus. http://www.uboeschenstein.ch/texte/fuchssystem13.html

Selbstreferenz - Paradox17

Scheitern an einer zweiten Form der Negation oder Reflexion zu erklären und diese zu erreichen. Beide werfen ihm vor, seine Konzepte der Vermittlung und der Aufhebung seien an diesem Scheitern schuld, und beide entwerfen das alternative Modell einer triadischen Wirklichkeitskonstitution. Bei Günther fungiert die »Rejektion«, also die Verwerfung der Totalalternative von Sein und Reflexion als die dritte genuine Realitätskonstituente, als ein ständig produzierter Reflexionsüberschuss, der seins-thematisch nicht gebunden werden kann, und deswegen die beiden »klassischen« Realitätskonstituenten auflöst in eine reflexionslogische Triade. Peirce’ gesamtes System ruht auf den drei Kategorien von Erstheit, Zweitheit und Drittheit, da er nicht akzeptiert, dass das »Absolute« eins sein soll und nicht vielmehr Wirklichkeit durch drei Kategorien konstituiert wird.

16 G.W.F. Hegel Logik I, S.83

17 Felix Lau Die Form der Paradoxie, Carl-Auer 2008, S.138: Jede Unterscheidung führt die Paradoxie von Einheit und Differenz mit sich. Insofern verweist die Paradoxie auf den „Anfang von Himmel und Erde“, auf das Ungeteilte, auf die All-Einheit. Die Form der Paradoxie ist so das Tor zum unmarked space, der grundsätzlich unbeschreibbar und unerkennbar ist. Hierin liegt verborgen, dass die Paradoxie im Anfang von allem steckt, Grundlage jeder Existenz ist…Jede Paradoxie lässt sich beschreiben als das (Wieder-)Auftreten einer Unterscheidung in ihrem eigenen Raum, auf einer Seite eben dieser Unterscheidung. Einerseits haben wir es dann mit nur einer Unterscheidung zu tun, andererseits können wir anhand der verschiedenen Ebenen (sie kommt als Ganze, das heißt mit beiden Seiten, auf einer ihrer Seiten wieder vor) nicht von derselben Unterscheidung sprechen. Obwohl wir nur eine Unterscheidung treffen, können wir zwischen zwei Unterscheidungen wechseln, also dieselbe Unterscheidung unterscheiden. http://www.uboeschenstein.ch/texte/LauForm112-Paradoxie.html

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Dreifeln – Taraba 87

Der Anfang jedes Denkens sieht sich einem primordial Vorgegebenen gegenüber, und es ist nichts weiter als ein leerer Streit um Worte, ob man dasselbe als Materie, Absolutes oder Gott bezeichnet. Vom Standpunkt des reinen Denkens sind das nur eigensinnige Verbalismen, die gar nicht umhin können, genau dasselbe zu bezeichnen, nämlich eben das unser Denken gar nicht beginnen kann, es sei denn, dass es einem primordial vorgegebenen Grunde entspringt... Der Vollzug des

Urteils, das etwas vor dem Denken liegen muss, an dem es seinen Anfang nimmt, ist unvermeidlich, weil ein elementarerer Bewusstseinszwang. Dem Satz

kommt also eine bestimmte metaphysische Wahrheit zu. (Gotthard Günther)18

Hinter, vor, jenseits der Unterscheidung - Gehirne denken räumlich, Sprache bezeichnet

eine Raumwelt.

Wenn aber alle Materie die Eigenschaft der Reflexion primordial besitzt, dann ist ihr Wesen dialektisch; und diese Dialektik widersetzt sich allen Versuchen, irgendeine gegenständlich ontologische Terminologie ernst zu nehmen. Solche Termini wie Materie, Absolutes, Gott oder Geist sind alle gleich inadäquat. Als amüsantes Seitenlicht ist festzustellen, dass der Idealist nicht allzu eifrig darauf aus sein sollte, Gott oder den Geist als Vor-Grund des Weltseins zu betrachten. Das führt zu dem peinlichen Schluss, dass Gott als das dem Denken Vorangehende nicht denkt. Und es hilft auch nicht viel, dass die dialektische Bewegung unseres Denkens dieses Urteil sofort wieder aufhebt. Denn um aufgehoben und negiert werden zu können, muss es erst einmal vollzogen worden seien

Gotthard Günther Erkennen und Wollen Kognition und Volition S.230: …eine totale Revolution unseres traditionellen wissenschaftlichen Weltbildes, eines Konzeptes, das unsere Welt als unversöhnliche Dualität von Form und Stoff, von bedeutungshaltiger Information und physischer Energie, von Subjekt und Objekt und letztlich vom theoretischer Vernunft und pragmatischem Willen begreift - dann sind die gegenwärtig in der Kybernetik angewandten wissenschaftlichen Methoden völlig unzulänglich. Sie sind deshalb gänzlich unangemessen, weil sie unter der Voraussetzung entworfen wurden, dass die klassische Dualität, die sich in der generellen Spaltung zwischen Natur und Geisteswissenschaften wiederspiegelt, immer noch gültig ist.“ (Gotthard Günther19).

Die klassischen Antinomien

18 Gotthard Günther Das Bewusstsein der Maschinen S.150: Freilich erscheint dann dieser Grund erst

nachträglich im Denken. Das ist seine Dialektik, und darum sagt Lenin - tiefer als es im Westen gewürdigt wird – „that all matter...possesses the property of reflexion“. Wenn aber alle Materie die Eigenschaft der Reflexion primordial besitzt, dann ist ihr Wesen dialektisch; und diese Dialektik widersetzt sich allen Versuchen, irgendeine gegenständlich ontologische Terminologie ernst zu nehmen. Solche Termini wie Materie, Absolutes, Gott oder Geist sind alle gleich inadäquat. Als amüsantes Seitenlicht ist festzustellen, dass der Idealist nicht allzu eifrig darauf aus sein sollte, Gott oder den Geist als Vor-Grund des Weltseins zu betrachten. Das führt zu dem peinlichen Schluss, dass Gott als das dem Denken Vorangehende nicht denkt. Und es hilft auch nicht viel, dass die dialektische Bewegung unseres Denkens dieses Urteil sofort wieder aufhebt. Denn um aufgehoben und negiert werden zu können, muss es erst einmal vollzogen worden seien. http://www.uboeschenstein.ch/texte/guenther.html

19 Gotthard Günther Erkennen und Wollen: http://www.uboeschenstein.ch/texte/guenther-volition229.html

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3.2.1 Das Unterscheiden und das Nichts

Vor der Unterscheidung ist eine namenlose „Welt“20, die noch keine Welt sein kann, denn

Welten „erscheinen“ nur durch den Akt der Beobachtung, durch „distinction“ und „indication“, wenn Unterscheiden und Bezeichnen durch eine Grenze getrennt werden.

Unterscheidensprozesse ohne Inhalt21

„...daß Differenzloses sich nicht denken lässt. Die Idee eines Zustandes der Abwesenheit aller Differenzen schließt Unbeobachtbarkeit ein. Man kann sie mit dem Unbegriff Nichts

auszeichnen und seinen Verstand aufs Spiel setzen durch Reflexion über die Positivität absoluter Negativität, auf die Existenz von Negativitäten, oder - springen. Draw a distinction! ist dann die moderne Formulierung der Anweisung für die Operation des Sprunges im Rahmen einer formbildenden Logik.“ (Peter Fuchs22).

20 Den Gesetzen der Form ist ein Satz von Laozi vorangestellt: 無 名 天 地 之 始 Wu ming tian di zhi shi - Nicht Name Himmel Erde von Anfang

21 Felix Lau: Der Anfang von Himmel und Erde ist namenlos. Diese Voranstellung ist konzeptionell bedeutsam. Der Satz besagt, dass der Urgrund der folgenden Ausführungen, also der „Zustand“ noch vor dem Ausgangspunkt des Kalküls, Unterschiedslosigkeit ist. Denn: Wir können den Anfang von Himmel und Erde als ein Bild für die anfängliche, grundlegende Unterscheidung für ein Universum, wie George Spencer Brown das nennt, identifizieren. Wenn der Anfang namenlos ist, gibt es kein Motiv für eine Unterscheidung, er ist ununterschieden. Denn ein Name zeigt immer etwas in Unterscheidung zu anderem an, was eben nicht mit dem Namen gemeint ist. Und umgekehrt: Wenn der Anfang von Himmel und Erde unterschieden wäre, müsste etwas auf diesen Unterschied hinweisen; es bräuchte einen Namen oder eine Anzeige (Bezeichnung), um den Unterschied festzustellen. Wenn es diese(n) nicht gibt, kann der namenlose Ur-Anfang auch nicht unterschieden sein. http://www.uboeschenstein.ch/texte/lauform32.html

22 Peter Fuchs Reden und Schweigen S.46f: ...daß Zen (und hierin unterscheidet es sich kaum von anderen Religionen) über das Konzept einer ultimate reality, einer letztlich unerreichbaren, absoluten, jedes Sein fundierenden Wirklichkeit verfügt, auf die hin es alle seine Operationen orientiert. Die Nirvana-Idee Buddhas liefert die (Un)konturen dieses Konzeptes:»Es gibt, ihr Mönche, einen Bereich, wo weder Festes noch Flüssiges ist, weder Hitze noch Bewegung, weder diese Welt noch jene Welt, weder Sonne noch Mond. Das, ihr Mönche, nenne ich weder ein Kommen noch ein Gehen, noch ein Stillestehn, weder ein Geboren«.( Udana VIII, zit. nach Fritz Kraus, Erlösung durch Erleuchtung, Einführung zu Daisetz Teitaro Suzuki, Der Weg zur Erleuchtung, Die Ubung des Koan als Mittel, Satori zu verwirklichen oder Erleuchtung zu erlangen, Baden-Baden o.J., S.7) Lange konnte man Bestimmungen wie diese mißverstehen als (vergebliche) Versuche, das Nichts in Begriffe zu fassen. Die Weder/Noch-Kaskade, die sie bewundernswert raffiniert benutzt, scheint Nichts übrig zu lassen. Aus der Sicht des westlich orientierten Beobachters verstößt ein Versuch dieser Art gegen das Parmenideische Verbot, das Ganz-und-Gar-Nichts zu denken, zu konzeptualisieren, zu beschreiben9. Zielsicher reagiert dieses Verbot auf den Umstand, daß Differenzloses sich nicht denken lässt. Die Idee eines Zustandes der Abwesenheit aller Differenzen schließt Unbeobachtbarkeit ein. Man kann sie mit dem Unbegriff Nichts auszeichnen und seinen Verstand aufs Spiel setzen durch Reflexion über die Positivität absoluter Negativität, auf die Existenz von Negativitäten, oder - springen. Draw a distinction! ist dann die moderne Formulierung der Anweisung für die Operation des Sprunges im Rahmen einer formbildenden Logik. Was immer dann nach dem Sprung geschieht (und mit welch unterschiedlichen Methoden auch gesprungen wird), geschieht post festum, als sich fortspulender Differenzgebrauch, geschieht als Entfernung vom unmarked space und ist untilgbarer Unschuldsverlust. Auf den Raum jenseits aller Differenzen, auf das Zuvor jeder differenz-benutzenden Operation bezieht sich Buddhas Formulierung. Die Weder/Noch-Konstruktion seiner Nirvana-Bestimmung zielt nicht auf Beschreibung von Nichts, sondern (eher poetisch als diskursiv) auf die Eliminierung aller Differenzen. Wegen des Problems, das damit umrissen ist, unterscheidet der Buddhismus Erkenntnisformen, die differentiell operieren und denen die Differenz von Subjekt/Objekt vorgeordnet ist, von Erkenntnisformen, die sich auf das Prä-Differentielle aller Differenzen berufen, auf die primordiale Nicht-unterschiedenheit.Der Zen-Buddhismus dagegen will die immanente Erfahrung der primordialen Differenzlosigkeit, das Erleben der Nichtzweiheit, den Direktkontakt mit dem Zweitlosen16. Der darauf bezogene Schlüsselbegriff ist Satori.Er bezeichnet die Kombination von Immanenz und Transzendenz, oder genauer: deren Identität; er bezeichnet die Kombination von Subjekt und Objekt, oder genauer: deren Identität17. Das bedeutet: Ausschaltung jeglichen dualistischen Denkansatzes und damit auch die Unmöglichkeit einer auf

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Peter Fuchs Das Mass aller Dinge, S.116f.: „Jede Unterscheidung unterscheidet sich als Form (i.e. als Unterscheidung) von Nichts. Die Form der Unterscheidung ist die

Unterscheidung selbst, gehalten gegen oder projiziert auf ›emptiness‹, auf den ›empty space Oder noch anders: Mit jeder Erzeugung einer Form wird das, was sie nicht ist, mitproduziert“. http://www.uboeschenstein.ch/texte/FuchsMass116.html

3.2.2 Denkstrategien: Handeln

“We cannot escape the fact that the world we know is constructed in order (and thus in such a way as to be able) to see itself. This is indeed amazing. Not so much in view of what it sees, although this may appear fantastic enough, but in respect of the fact that it can see at all. But in order to do so, evidently it must first

cut itself up into it least one state which sees, and it least one other state which is seen. In this severed and mutilated condition, whatever the sees is only partially itself. We may take it that the world undoubtedly is itself (i.e. is indistinct from itself), but, in any attempt to see itself as an object, it must equally undoubtedly, act* (actor, antagonist. We may note the identity of action with agony.) so as to make itself distinct from, and therefore false to, itself. In this condition it will all this partially elude itself (G. Spencer Brown).23

Selbstbeobachtung – selfreference Protologik - Entweder/Oder - Sowohl-als-auch

Volition - Handeln „Günther will eine Logik sowie ein Erkenntnismodell formulieren, in denen es sowohl möglich ist, Prozessualität, also Entwicklung und das Erscheinen von »Neuem« in der Welt, dazustellen, als auch Subjektivität, Lebendigkeit, das heißt, die Möglichkeit nicht nur kognitiv, passiv auf Welt zu reagieren, sondern auch volitiv, gestaltend auf Welt zugreifen zu können“.

(Nina Ort24)

Satori bezogenen Begriffsbildung18 Deshalb scheint es ausgeschlossen, sich an Satori heranzudenken. Es geschieht und ist erreichbar nur im existentiellen Sprung. Entscheidend ist, daß der Sprung aus der Welt der Gesondertheiten in die gleiche Welt als ungesonderte führt. Die Satori-Erfahrung hebelt den Erleuchteten nicht aus der Welt heraus, sondern beläßt ihn an der Stelle, wo er sich befindet. Diese Stelle ist nun aber dieselbe und eine andere. Das erklärt die metaphysisch unprätentiöse Haltung der Zen-Meister: Sie bleiben, was sie sind und wo sie sind, sie bleiben in der Welt der Konkretionen19 Nur ihre Beobachtungstechnik hat sich geändert. Sie nichtbeobachten die Welt. Darin eingeschlossen ist sogar das Nichtbeobachten des Beobachtens. Bestimmtheit und Unterschiedenheit kommen als sie selbst und als anderes vor, als Bestimmtheit und Unbestimmtheit, als Unterschiedenheit und Ununterschiedenheit. http://www.uboeschenstein.ch/texte/fuchsschweigen46.html

23 G. Spencer Brown LoF, S.105: http://www.uboeschenstein.ch/texte/spencer-brown-LoF90.html

24 Nina Ort Reflexionslogische Semiotik S.52: Tertium non datur: Um diese Probleme noch schärfer zu

fassen, soll zunächst noch einmal genau rekapituliert werden, inwiefern das »Dritte« des Drittensatzes aus der zweiwertigen Logik und dem dualistischen Erkenntnismodell ausgeschlossen sein muss. Günther sieht einen Erklärungsansatz darin,[…] wenn man sich einmal die Frage vorlegt, was eigentlich jenes mysteriöse Dritte sein mag, das durch das Tertium non datur ausgeschlossen werden soll. Die Antwort ist: Die sich weiter reflektierende Reflexionskraft des Bewußtseins. Was man nicht bemerkt hat, ist, daß diese Antwort in der gegebenen Form ziemlich wertlos sein muß, da sich leicht nachweisen läßt, daß sie einen durchaus

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Taraba, Sylvia „Das Spiel, das nur zu zweit geht“ (Carl Auer Verlag für systemische

Forschung,erste Auflage 2005):

Insofern jeder Beobachter form-gleich identisch ist mit der ersten Unterscheidung, ist er geimpft mit der Aufforderung, „draw a distinction“. Ist er dies nicht, dann verliert er „sich selbst“ und verharrt gelähmt im zeitlichen Nachtrag des bereits unterschiedenen; sein „beobachtendes Selbst“ ist ihm nur im zeitlichen Nachtrag (SINNZEIT) zugänglich. Das Ende der Unterscheidung zwischen „sich selbst“ und „anderem“ bedeutet seinen Tod. Leben - Kognition, das impliziert die Praxis des Unterscheidens, damit auch Volition als „Entscheidung der Entscheidung zur Ent-Scheidung“ oder „rudimentärste Form von Energie“

(Taraba). Taraba, pg. 102/103: „Das Verlangen zu unterscheiden geht der Unterscheidung voraus. Wir setzen somit das Verlangen - in unserer Interpretation der Differenz - dem zeitlos differenziellen Moment der Entscheidung der Entscheidung zur Ent-Scheidung gleich. Und - aufgrund unserer Interpretation der Laws - betrachten wir das Verlangen als ein potentiell doppelt gedoppeltes unwritten cross, welches so gesehen jeder Unterscheidung in jedem Augenblick als

oszillatorische Energie zugrunde liegt. Und, indem es auf nichts operiert eine Welt hervorbringt.(...) Wir interpretieren einen Kalkül der Selbstreferenz. Letztere setzt notwendig eine reine Differenz-in-sich voraus. Wir machten diese reine Differenz, die der Selbstreferenz vorausgeht, hier nun aus gutem Grund als die volitive Energie der Entscheidung der Entscheidung zur Ent-Scheidung, aus. Denn die abstrakte, wertfreie

(Selbst-)Differenz bringt das reine Verlangen und den notwendigen Willen zum Ausdruck, eine Ent-Scheidung und damit notwendig instantan eine Unterscheidung-in-sich zu treffen. (...) Unterscheiden ist dann die notwendige, augenblickliche, vergangenheitsbezogene und zukunftsträchtige Tätigkeit im Jetzt, die in jedem Augenblick abermilliardenfach-polykontextural und rückbezüglich immer schon vollzogen ist, während sie gerade erst vollzogen wird.“

Felix Lau, „Die Form der Paradoxie, 2005, pg. 195: „Was wir erfahren liegt in uns begründet - und wir können darauf achten, was wir tun, welche Unterscheidungen wir treffen, um die Dinge so erscheinen zu lassen, wie sie erscheinen.“

zweideutigen Charakter hat....Die Notwendigkeit, sich die Frage nach der prinzipiellen Aufhebung des tertium non datur zu stellen, liegt dabei in den oben besprochenen Problemen, Aporien und Defiziten der klassischen, zweiwertigen Logik selbst begründet. Der Zweck seines Vorgehens ergibt sich also unmittelbar aus der bislang besprochenen Kritik an der klassischen, zweiwertigen Logik. Günther will eine Logik sowie ein Erkenntnismodell formulieren, in denen es sowohl möglich ist, Prozessualität, also Entwicklung und das Erscheinen von »Neuem« in der Welt, dazustellen, als auch Subjektivität, Lebendigkeit, das heißt, die Möglichkeit nicht nur kognitiv, passiv auf Welt zu reagieren, sondern auch volitiv, gestaltend auf Welt zugreifen zu können. Es muss daher untersucht werden, wie sich die Befreiung vom tertium non datur auf das Erkenntnismodell auswirkt, vorausgesetzt, dass es probehalber auch hier einfach aufgehoben werden kann. Günther nähert sich dem Problem, indem er nach dem Wert der Unterscheidung zwischen Seins- und Reflexionsidentität fragt: Denn wenn die Reflexion letztlich doch nur die klassische These von der metaphysischen Identität von Denken und Sein voraussetzt – dann ist die mühsam gemachte Unterscheidung von Seins- und Reflexionsidentität nicht nur überflüssig, sie ist logisch sinnlos. Hier wiederholt sich das Problem, mit dem Hegel zu tun hat, wenn er das Implikationsverhältnis aus der formalen Logik in das Erkenntnismodell auf solche Weise überträgt, dass die Operation als petrifizierter zweiter Wert angenommen wird. Damit das »Sein« identifiziert werden kann, muss es von »etwas« unterschieden werden. Dieses »etwas« ist das Nichts oder die Reflexion. Das Dilemma, das hierbei auftritt, besteht darin, dass über das »Nichts« nichts gesagt werden kann – es entzieht sich vollkommen jedem denkbaren Zugriff und ist, wie Günther sagt, vollkommen a-thematisch. http://www.uboeschenstein.ch/texte/ort-semiotik.html

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Zusammenfassend: Volition kann bezeichnet werden als die reine, symmetrische

Differenz, als potentielle, „schwebende“ Unterscheidung, deren eine Seite im Vollzug der Beobachtung als Anzeige asymmetrisiert wird und gesehen wird und deren andere Seite als Blinder Fleck der Beobachtung nicht gesehen werden kann. Volition ist die symmetrische Beobachtung - „im Beobachter drin“ und: vor dem eigentlichen Vollzug von Unterscheiden und Anzeigen, also vor jenem Prozess, der Mehrdeutigkeit zugunsten Eindeutigkeit, damit: Handlungsfähigkeit, ausblendet. Oder mit Taraba, 281: „... Ent-Scheidung... ist aus unserer Sicht die rudimentärste Form von Energie... eine Sehnsucht, nämlich außer sich zu geraten, sich anders zu werden.“ Elena Esposito, "Kalkül der Form", "Ein zweiwertiger, nicht-selbständiger Kalkül" - Stichwort: Konstruieren als Prozesswort des Aushandelns von Bedeutung. Diesem entspricht nicht, von Konstruktionen oder gar "Dingen" und Objekten zu sprechen; im Vordergrund steht: die Operation!): - pg. 97: "(...) sobald ein Beobachter in der Welt beobachtbar wird, die von seinen Beobachtungen abhängt, steht der Weg für die Beobachtung anderer Beobachter mit ihren Welten offen; und damit steht der Weg für die Kybernetik zweiter Ordnung offen. Spencer Brown beschränkt sich jedoch darauf, den Weg zu öffnen. Er geht ihn nicht: Mit dem Wiedereintritt endet sein Indikationenkalkül." - pg. 97: Rolle der viel betonten "Unendlichkeit": "Die Unendlichkeit steht für die prinzipielle Endlosigkeit der Operationen eines autopoietischen Systems." Sprache verdoppelt die Welt durch das „nein“ – Philosophie du Non Arno Schöppe, "Theorie paradox", Carl Auer, 1995

- Notwendigerweise: Negation verdoppelt die Welt; nimmt man eine gegebene Realität an, so hat Negation damit nichts zu tun: die Aufforderung, keine Elefanten zu denken, kehrt sich um in ihre Position - Elefanten! Oder anders: Was verneint werden soll, muss erst positiv konstruiert werden - "doppelte Welt".

- Erst Beobachtung zweiter Ordnung führt zusätzlich zur sachlichen Ebene (was wird beobachtet?) die soziale (ego-alter-Differenzierung; wer Beobachtet?) und die zeitliche

Ebene (vorher-nachher-Differenzierung; wie wird beobachtet?) ein. ➸ siehe Schöppe, pg.

243. - "Groundlessness" positiv beschrieben: Schöppe, Arno, "Theorie paradox", pg. 250: Paradoxie als Schutz vor Dogmatik; "Trigger" von Kreativität.

http://www.uboeschenstein.ch/texte/guenther.html 61 Wir haben deshalb nach kybernetischen Auffassung mit drei protometaphysischen Komponenten unserer phänomenalen Wirklichkeit zu rechnen. Erstens dem gegenständlich transzendenten im Objekt. Zweitens der Informationskomponente. Und drittens dem subjektiv introszendenten Selbstbewusstsein!

62

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Mit dieser Trinität nicht ineinander überführbarer Begriffskomplexe werden aber letzte Grundvoraussetzungen unseres bisherigen Weltbildes erschüttert. Unsere ganze geistige Tradition, ja die gesamte objektive Struktur unserer abendländischen Kultur beruht auf einigen Kernmotiven der auf die Griechen zurückdatierenden Identitätsmetaphysik und der ihr korrespondierenden klassischen Logik, die unser Denken auch heute noch

fast ausschließlich beherrscht.

Dirk Baecker (Hrsg.), "Kalkül der Form" (Suhrkamp Taschenbücher Wissenschaft 1068, Frankfurt am Main, 1993): Zitate und Schlussfolgerungen: Dirk Baecker, "Im Tunnel"

Law of Crossing:

... auf Ebene der Unterscheidung, außen ➸ nach innen; innen ➸ nach außen.

Nach innen heißt, die Unterscheidung zu treffen; nach außen zu kreuzen heißt, die Unterscheidung aufzuheben. - pg. 21: "Die Unterscheidung ist eine Operation, die eine Grenze kreuzt, eine Grenze, die nichts anderes ist als die Unterscheidung selbst. Und diese Grenze kann nur in zwei "Richtungen" gekreuzt werden: von außen nach innen und von innen nach außen. von außen nach innen zu kreuzen, heißt, die Unterscheidung zu treffen - eine Operation, die nach dem "Law of Calling" mit immer demselben Resultat wiederholt werden kann. Die Grenze von innen nach außen zu kreuzen, heißt jedoch, die Unterscheidung zu streichen." Kreuzen bedeutet nicht, wie ich bisher angenommen hatte, den mark einer getroffenen Unterscheidung über die Grenze zu verschieben, sondern sie setzt diesen erst. Nochmaliges Kreuzen macht Unterschiedenes wieder zu Nichte, hebt es auf. Daher: "The value of a cross made again is not the value of the crossing." (Spencer-Brown) In diesem Sinne sind "cross" und "mark" als Synonyme aufzufassen; die jeweilige Wiederholung der Operation bedeutet Bestätigung der Unterscheidung (law of calling; re-calling) oder, im Gegenteil, Aufhebung (law of crossing; re-crossing). So gültig bis Kapitel 11; die Einführung des re-entry, damit: Selbstbezüglichkeit. re-entry, damit: Selbstbezüglichkeit. pg. 26: "Der Wiedereintritt ist die Form, die die Entdeckung annimmt, dass wir es bei der Konstruktion von Universen nicht mit einer Endlichen Bewegung mit Anfang und Ende, sondern mit einer unendlichen Bewegung zu tun haben. (...) Gegenüber einer

unendlichen Bewegung gibt es Externalität des Beobachters nur als Moment der Bewegung selbst. Der Beobachter entdeckt sich selbst als wiedereingetreten in das, was er unterscheidet, und muss auch alles, was er unterscheidet, als eine Form des Wiedereintritts begreifen. Jede Unterscheidung, jede Schließung, auch der Beobachter selbst, betrachtet als Form, ist bereits ein Wiedereintritt."

günther- BdM83

II.Teil: Mechanismus, Bewusstsein und Nicht-Aristotelische Logik:

Der durch die Kybernetik geforderte Übergang von einer zweiwertigen zu einer

mindestens dreiwertigen (oder vermutlich sogar generell mehrwertigen) Logik

involviert einen grundsätzlichen Wandel der bisherigen menschlichen

Bewusstseinsstruktur, das Heraufkommen eines neuen metaphysischen Weltbildes.

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14

87

Was aber ist ein dreiwertigens Bewusstsein, und wie verhält es sich zu zweiwertigen

Bewusstseinszuständen? Wenn wir ehrlich sind, so müssen wir zugeben, dass wir vorläufig

nicht die geringste Vorstellung von mehrwertiger Subjektivität haben. Mehr noch: der

urphänomenale Gegensatz von Ich und Nicht-Ich scheint konstituierend für alle

Objektivität zu sein, weshalb die Konzeption eines mehrwertigen Denkens dem Wesen

der Logik überhaupt zu widersprechen scheint. Dazu ist zu sagen, dass dieser

Gegensatz in der Tat grundlegend für alles Bewusstsein ist.

97

...dass eine dreiwertigen Logik als Darstellung des totalen Bewusstseinsumfanges des

Selbstbewusstsein drei zweiwertige Logik in enthält, die ja, wie wir nun wissen, naive,

unmittelbare Bewusstseinslagen darstellen.

günther-BdM123

124

Die Reflexion kann den Weg zur Zwei und Mehrwertigkeit, nicht rückwärts beschreiten. Wo

sie es, irregeleitet, doch versucht, dort verliert sie die Fülle der Welt und begegnet nur noch

ihre eigenen Leere. Man soll auch nicht vergessen, dass jedes Streben nach begrifflicher

Einheit unbedingt voraussetzt, dass ein logisches Prius der Dualität (oder generell Vielheit)

besteht. Das Denken kann sich nicht um eine Synthese bemühen, wenn ihm nicht die

Mehrheit, die zusammengebracht werden soll, vorgegeben ist.

Es gehört nämlich zu den fundamentalen Eigenschaften der Reflexion, dass sie sich

von ihren eigenen Entscheidungsvollzügen ablösen und sie bezweifeln kann. Diese

skeptische Ablösungsfähigkeit ist so sehr in ihrem tiefsten Wesen verankert, dass

Descartes glaubte, aus ihr die metaphysische Realität des Subjekts ableiten zu

können. Denn wenn wir auch an allem zweifeln, an der Tatsache, dass wir zweifeln,

daran ist kein Zweifel möglich. Dubito, ergo sum, vel quod idem est: cogito, ergo sum.

135 Wenn aber, wie Hegel sagt, die ganze Welt und ihre Geschichte von Anbeginn selbst Reflexion ist, dann sind wir offenkundig nicht berechtigt, unseren einseitigen und parteiischen Reflexionszustand als logischen Maßstab für ein Weltbild zu nehmen, das dem Wesen der Wirklichkeit gerecht werden will.

Boe: Spencer Brown LoF 105

guenther-volition229 Erkennen und Wollen Kognition und Volition

232 Analyse der fundamentalen Beziehung zwischen Subjektivität als Prozess des Erkennens (cognition) und Subjektivität als aktive Willensäußerung (volition) Die Problematik des Gegensatzes von Vernunft und Wille ist so alt wie die Geistesgeschichte der Menschheit. Der menschliche Verstand hat sich durch Erfahrung ein elementares Wissen darüber erworben, dass alle Ereignisse, die in unserem Universum auftreten, anscheinend zwei gegensätzlichen Kategorien angehören . Wir glauben, dass wir zwischen unpersönlichen objektiven Ereignissen im Bereich der unbeliebten Dinge - ausgelöst durch physische Ursachen - und subjektiv begründeten Handlungen lebendiger Organismen mit anscheinend eigentümlicher Spontaneität ganz klar unterscheiden können.

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Die Ausdrucksformen oder Produkte des subjektiven Willens nennen wir Entscheidungen.

237 Wille und Vernunft sind Ausdruck ein und derselben Tätigkeit des Geistes, jedoch von zwei

verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet. Mit anderen Worten: Vernunft und Wille oder einerseits theoretische Reflexion und andererseits kontingente Entscheidung sind nur Manifestationen ein und derselben ontologischen Konfiguration, die durch die Tatsache erzeugt werden, dass ein lebendes System sich durch dauernd wechselnde Einstellungen auf seine Umgebung bezieht. Es gibt keinen Gedanken, der nicht stetig vom Willen zum Denken getragen wird, und es gibt keinen Willensakt ohne theoretische Vorstellung von etwas, das dem Willen als Motivation dient. Ein Wille der nichts als sich selbst will, hätte nichts Konkretes, das ihn in Bewegung bringen könnte; und ein Denken, das bloß mentales Bild ist ohne einen Willens Prozess, der es erzeugt und festhält, ist gleichermaßen unvorstellbar.

Ein lebendes System hingegen repräsentiert - nach der Tradition und funktionell gesehen - eine grundlegende ontologische Dualität. Es ist sowohl ein System kontemplativer Erkenntnis als auch Quelle aktiven Wollens.

Subjektivität ist ein Phänomen, das über den logischen Gegensatz des „Ich als subjektivem Subjekt“ und des „Du als objektivem Subjekt“ verteilt ist, wobei beide eine gemeinsame vermittelte Umwelt haben.

239 Versuchen wir die Situation vom Standpunkt eines neutralen Beobachters aus zu beschreiben, so können wir sagen, dass wir uns unsere eigenen Subjektivität durch Selbstreferenz bewusst sind. In dieser selbstreflexiven Geisteshaltung erscheint unser eigenes Ich als nur passive Einheit. Wir sind uns seiner - im Sinne eines Pseudo-objektes - bewusst, weil jede Handlung, die wir der lebendigen Subjektivität zuschreiben, im selbstreferentiellen Prozess - sobald er sich nach innen richtet - sofort absorbiert wird. Deshalb erscheint unserer Selbstreflexion das persönliche Ich als passives Objekt, auf das wir unsere aktive Aufmerksamkeit richten. Unser eigenes Ich ist sozusagen ein Seelen-Ding.

242 Teil2

Nachdem wir nun zweckmäßigerweise das Problem des Du nicht berücksichtigen, geben wir im Rahmen dieses Essays einen der stärksten Hinweise dafür auf, dass Subjektivität einen wesentlicher Teil jeder Umwelt ist. Wir lassen diese Frage vorläufig ruhen, weil die Subjektivität des Du nicht unsere Subjektivität ist, die in der Selbstreferenz erscheint. Das Du ist immer ein Produkt der Heteroreferenz, und wir beabsichtigen zu zeigen, dass gerade die Subjektivität des persönlichen Ich unabhängig von unserem Wissen über andere Subjekte - nicht irgend etwas ist, was innerhalb einer individuellen Persönlichkeit eingeschlossen ist, sondern etwas, - was über ein lebendes System und seine Umwelt verteilt (distribuiert) ist. Boe: soziales Bewusststein - Wir-Bewusstsein

Sprache, Kultur - Ideenevolution Sie muss eine aktive Rolle übernehmen, und es genügt nicht, da sie aktiv sein kann. Dies ist ein fundamentales Kriterium, das unbelebten Stoff von lebender Materie unterscheidet. Wenn in einem bestimmten Fall die Welt auf eine von ihr umfasste Entität keinen beobachtbaren bestimmenden Einfluss ausübt und die fragliche Entität inaktiv bleibt, dann neigen wir zur Annahme, einen Fall von reiner Indeterminiertheit vor uns zu haben, wie er zuweilen im Bereich subjektloser Objektivität aufzutreten scheint. Wenn jedoch ein System in der Weise konstruiert ist, dass seine innere Organisation es zwingt, in einem Akt

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der Selbstbestimmung unbedingt auf die Neutralität seiner Umgebung zu reagieren, dann sprechen wir von einem lebenden System.

Boe: draw a distinction! Unterscheide Dich!

248 Es gibt kein Denken ohne wesentliche Beimischung von Willensakten, und umgekehrt wäre ein Wille ohne eine innere Komponente theoretischen Bewusstseins vollkommen blind.

Logik Ort

Prozessualität

3.3 Das Dritte in der Semiotik - Die Welt des Miteinander: Zeichenwelt: Semiose25 - Sprache – Kommunikation

A Sign, or Representamen, is a First which stands in such a genuine triadic relation to a Second, called its Object, as to be capable of determining a Third, called its Interpretant, to assume the same triadic relation to its Object in which it stands itself to the same Object. The triadic relation is genuine, that is its three members are bound together by it in a way that does not consist in any complexus of dyadic relations. That is the reason the Interpretant, or Third, cannot stand in a mere dyadic relation to the Object, but must stand in such a relation to it as the Representamen itself does. Nor can the triadic relation in which the Third stands be merely similar to that in which the First stands, for this would make the relation of the Third to the First a degenerate Secondness merely. The Third must indeed stand in such a relation, and thus must be capable of determining a Third of its own; but besides that, it must have a second triadic relation in which the Representamen, or rather the relation thereof to its Object, shall be its own (the Third’s) Object, and must be capable of determining a Third to this relation. All this must equally be true of the Third’s Thirds and so on endlessly; and this, and more, is involved in the familiar idea of a Sign; and as the term Representamen is here used, nothing more is implied. A Sign is a Representamen with a mental Interpretant. Possibly there may be Representamens that are not Signs. Thus, if a sunflower, in turning towards the sun, becomes by that very act fully capable, without further condition, of reproducing a sunflower which turns in precisely corresponding ways toward the sun, and of doing so with the same reproductive power, the sunflower would become a Representamen of the sun. But thought is the chief, if not the only, mode of representation.

Zeichendefinition von Charles S.Peirce

Die Wortzeichen unserer Sprache haben nicht Bedeutung, wir weisen unseren Wörtern in

Deutungsprozessen (Semiose) immer neu entstehende Be-deutungen zu, bis die Semiose durch schriftliches Festhalten kollabiert. Wir deuten, wir machen Bedeutung, beim Sprechen und beim Hören, in allen Denk- und Kommunikationsprozessen. Boe: von Ontologie zu Epistemologie; von statischem Sein-Denken zu dynamischem Prozess-Denken; von Was- zu Wie - Fragen (Luhmann)

25 Semiose bezeichnet den Prozess der Wirkungsentfaltung eines Zeichens

http://de.wikipedia.org/wiki/Semiose

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Ort-Semiotik 187 Sprache ist demnach keine besondere Leistung des Denkens, sondern das Denken ist an sich semiotisch konstituiert...In der Peirceforschung herrscht Konsens darüber, dass es bei Semiotik vor allem um semiotische Prozesse, also um Semiose geht, nicht nur um die Darstellung des Zeichens. Eine erste These lautet daher: Theoriemodelle, die auf der Grundlage eines zweiwertigen Erkenntnismodells beruhen, können Semiose als Prozessualität nur behaupten, nicht aber widerspruchs- bzw. paradoxiefrei darstellen. Sie können außerdem Prozessualität nicht als evoluierende Prozessualität darstellen, mit der Neues erzeugt wird. Als seinslogisch fundierte Theorien sind sie notwendig daran gebunden, der identifikatorischen Bestimmung von Zeichen und Zeichenprozessen zu folgen.

193 II.2. Dreiwertigkeit im Peirceschen Zeichenmodell II.2.1. Das Dritte als Vermittlung? Peirce’ Zeichenmodell besteht aus vielfältig aufeinander bezogenen, irreduziblen Triaden, die, wie gezeigt werden soll, in einer zweiwertigen Logik nicht widerspruchsfrei thematisiert werden können. Das Peircesche Zeichenmodell bildet somit eine geeignete Grundlage zur Ausformulierung einer dreiwertigen Zeichenlogik.

196 ...dass Vermittlung nur eine spezifische Form der Relationierung dreier Konstituenten miteinander ist – durch sie kann Dreiwertigkeit nicht erklärt, und mit ihr

kann »das Dritte« nicht als Konstituente aufgefasst werden. Notgedrungen evoziert die Figur einer vermittelnden Instanz auf diese Weise die herkömmlichen Vorstellungen der Synthese, der Aufhebung oder systemtheoretisch gesprochen: der Einheit der Differenz. Hier soll demgegenüber versucht werden, das genuin triadische Zeichen bei Peirce so darzustellen, dass das Dritte als gleichwertiges Drittes bestimmt wird, und gerade nicht als Vermittlungsinstanz zwischen der bekannten dyadischen oder dialektischen Konstellation. Deutlicher formuliert:

Nicht ein Drittes kommt zu einer Dyade hinzu, sondern eine Triade konstituiert sich gleichmäßig aus der wechselhaften Relationierung dreier Konstituenten.

197 ...Wenn nun aber zwischen »Sein« und »Reflexion« gerade nicht klassisch unterschieden wird, so muss zwischen beiden auch nicht vermittelt werden. Erkenntnistheoretisch und logisch relevante Dreiwertigkeit muss demnach wesentlich grundsätzlicher konzeptualisiert werden. Ort-Semiotik 197 II.2.2. Dreiwertigkeit als logisches Problem – Modallogik oder Reflexionslogik?

198 ...Anders nämlich als zweiwertige Theoriemodelle, die versuchen, das Dritte einzuführen, um die Theoriemodelle zu erweitern – wie etwa Systemtheorie –, geht Peirce von vornherein so vor, dass er die Triadizität seines Modells als das Ergebnis einer Reduktion modelliert, und zwar der Reduktion der Kategorientafel von Kant, die ihn zu dem Tripel von Erstheit, Zweitheit und Drittheit führt. Schon aus diesem Grunde muss ein unmittelbarer Vergleich seines Zeichenmodells mit erweiterten, zweiwertigen Modellen unwillkürlich in die Irre führen. Zweitheit wird nicht – wie etwa in strukturalistischen Modellen oder in der Luhmannschen Systemtheorie – ab einem gewissen Stadium der Theoriekonstitution als defizitär

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empfunden, sondern andersherum fragt Peirce danach, auf welchen »Mindestkonstituenten« eine Zeichentheorie bzw. eine Zeichenlogik

aufbauen kann. In den Principles of Philosophy schreibt Peirce:

A thorough study of the logic of relatives confirms the conclusions which I had reached before going far in that study. It shows that logical terms are either monads, dyads, or polyads, and that these last do not introduce any radically different elements from those that are found in triads. I therefore divide all objects into monads, dyads, and triads; [...]. (Peirce, CP 1.293)

Ein triadisches Objekt stellt ein relationiertes Gefüge dar, ein Verhältnis, insofern die drei Konstituenten sich wechselseitig vermittelnd konstituieren. Im Vergleich mit Günthers Triade von »Ich«, »Du« und »Es« kann dieser Zusammenhang erklärt werden. Dabei könnte »Ich« als reiner Selbstbezug mit dem monadischen Objekt verglichen werden, das »Du« mit dem dyadischen Objekt und das »Es« mit dem triadischen Objekt.

199 ...Was Peirce mit seiner Relationenlogik aussagt, betrifft also nur Modi des Seins, nicht das Sein selbst.27

27 Diesen subtilen Unterschied beschreibt Peirce an einer weiteren Stelle sehr deutlich: »I essay an analysis of what appears in the world. It is not metaphysics that we are dealing with: only logic. Therefore, we do not ask what really is, but only what appears to everyone of us in every minute of our lives. I analyze experience, which is the cognitive resultant of our past lives, and find in it three elements. I call them Categories.« (Peirce, CP 2.84.)

Boe: appears in the world - vgl. Spencer Brown - 200...Offensichtlich entzündet sich Peirce’ Kritik aber an eben jener klassischen,

philosophischen Logik, die auch im Mittelpunkt der Güntherschen Kritik steht:

The truth is that pragmaticism is closely allied to the Hegelian absolute idealism, from which, however, it is sundered by its vigorous denial that the third category (which Hegel degrades to a mere stage of thinking) suffices to make the world, or is even so much as selfsufficient. Had Hegel, instead of regarding the first two stages with his smile of contempt, held on to them as independent or distinct elements of the triune Reality, pragmaticists might have looked up to him as the great vindicator of their truth. (Of course, the external trappings of his doctrine are only here and there of much significance.) For pragmaticism belongs essentially to the triadic class of philosophical doctrines, and is much more essentially

so than Hegelianism is. (Indeed, in one passage, at least, Hegel alludes to the triadic form of his exposition as to a mere fashion of dress). (Ch. S. Peirce) 291... Firstly comes »firstnesses«, or positive internal characters of the subject in itself; secondly comes »secondnesses«, or brute actions of one subject or substance on another, regardless of law or of any third subject; thirdly comes »thirdnesses«, or the mental or quasimental influence of one subject on another relatively to a third. Since the demonstration of this proposition is too stiff for the infantile logic of our time (which is rapidly awakening, however), I have preferred to state it problematically, as a surmise to be verified by observation.32

Ort-Semiotik 208 II.3. Die Kategorien und das Sein Es ist sinnvoll, mit der Untersuchung der Kategorien zu beginnen. In diesem Abschnitt wird somit unmittelbar der Kernbereich des Gedankengebäudes von Peirce betreten und hier wird die grundsätzliche Frage nach den Übereinstimmungen zwischen seinem und Günthers

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System zu beantworten sein, das heißt insbesondere die Frage, ob das Peircesche System als ein logisch dreiwertiges System dargestellt werden kann, das ähnlich modelliert werden kann wie das Günthersche. Hierbei stellt sich die Aufgabe, die kontrovers diskutierte Definition von Kategorien so zu rekonstruieren, dass deutlich wird, inwiefern diese Kontroverse eine ist, die nur auf dem Boden einer zweiwertigen Logik bzw. eines zweiwertigen Erkenntnismodells geführt werden kann. 209...Die Frage nach der Definition von Kategorien lässt sich zunächst resümieren als die Frage, ob Kategorien Aussagen über das »Sein« treffen, also Seinsweisen kategorisieren, oder Wahrnehmungsformen darstellen bzw. Bedingungen des Denkens oder der Reflexion auf das Sein darstellen.

211...dass Peirce zwar fünf Kategorien einteilt, in der Ausarbeitung seiner gesamten Zeichentheorie jedoch nur die drei zwischen Sein und Substanz eingeschlossenen Kategorien verwendet, die als Erstheit, Zweitheit und Drittheit wohlbekannt sind.57

Sein und Substanz stellen somit Horizonte der Erfahrung dar. Auf diesen

Punkt wird noch zurückzukommen sein, wenn zu diskutieren ist, inwiefern auch bei Günther Subjektivität und Objektivität keine wohl unterschiedenen zwei Wirklichkeitskonstituenten mehr sind, sondern in eine Verbundstruktur von drei Wirklichkeitskonstituenten aufgelöst werden. Wo also Peirce innerhalb des Rahmens von Sein und Substanz Kants Kategorientafel auf drei Kategorien reduziert, so gelangt Günther über die Auflösung der Seinsthematiken von Sein und Reflexion zu seinem System aus drei Wirklichkeitskonstituenten.

215...Daher muss Qualität hier als abstrakte Größe, als reine Eigenschaft, ohne jegliche Substanz, der sie angehörte, begriffen werden. Erstheit als Qualität darf demnach nicht mit irgendeiner Form der Unmittelbarkeit von Erfahrung oder etwa eines Sinneseindrucks verwechselt werden. 216..Erstheit: Qualität ist etwas, das unabhängig davon besteht, ob sie einer Substanz zukommt oder nicht. Dies entspricht der allgemeineren Definition von Peirce, wonach Erstheit etwas sei, unabhängig von etwas Zweitem. Qualität ruft also »den Akt der Aufmerksamkeit [hervor, der] keinerlei Konnotation besitzt«

Zweitheit als Relation bedeutet Faktizität. Weiter unten, in Abschnitt II.9. Abduktion, werde ich genauer ausführen inwiefern Erstheit und Zweitheit auf diese Weise am direktesten in Situationen involviert sind, in denen abduktives Schließen bzw. Volition notwendig sind. Drittheit als Repräsentation liegt nun deshalb direkt neben der Substanz, da in Drittheit Substanz und Prädikation so miteinander verbunden sind, dass Substanz als Element (der Mannigfaltigkeit) erkannt werden kann – in Günthers Terminologie: hier geht es um objektivierte Daten, die nun auch der kognitiven Reflexion zugänglich sind. Hier geht es also um die klassische Domäne des »Seins«.70 Peirce, so kann nun festgestellt werden, nimmt dem Kantschen System also sowohl das »transzendentale Subjekt« als auch das »Ding an sich«. Indem er dies tut, löst er sich vom Boden eines identitätslogischen Erkenntnismodells und betritt denjenigen eines reflexionslogischen

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Erkenntnismodells, auf dem sich alle Bestimmungen als standortabhängig, perspektivisch, hypothetisch und kontinuierlich evoluierend erweisen.

Denn Kategorien sind keine Eigenschaften, die Aspekten zukommen können, sondern stellen Formen des Denkens dar. Objekt, Repräsentamen und Interpretant können nur derart mit den Kategorien in Verbindung gebracht werden, dass es jeweils alle drei kategorialen Bezugsweisen auf sie gibt. So kann auf das Objekt ikonisch (Erstheit), indexikalisch (Zweitheit) und symbolisch (Drittheit) Bezug genommen werden.

280...Es muss demnach Zeichen oder Semiosen geben, in denen das Objekt ein überraschendes Phänomen darstellt, dass allererst dazu anregt oder nötigt, ein dieses Objekt erklärendes Zeichen zu konstituieren.

Vielleicht ist es das, was Peirce in der zweiten, etwas problematischen Hälfte seiner Zeicheninterpretation zum Ausdruck bringen will. Wie zu zeigen sein wird, ist das derart angeregte abduktive Zeichen ein neues Zeichen, das etwas Neues darstellt.

Land der Vier - Quaternio