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UMWELTBEZOGENE GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG 30 JAHRE UMWELTHYGIENE STADTGESUNDHEITSAMT FRANKFURT

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UMWELTBEZOGENE GESUNDHEITSBERICHTERSTATTUNG

30 JAHRE UMWELTHYGIENE STADTGESUNDHEITSAMT FRANKFURT

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Umweltbezogene Gesundheitsberichterstattung 30 Jahre Umwelthygiene im Stadtgesundheitsamt Frankfurt/Main

Stadtgesundheitsamt Frankfurt Abteilung Medizinische Dienste und Hygiene Braubachstr. 18-22 60311 Frankfurt Berichterstatterin: Priv.-Doz. Dr. Ursel Heudorf Mit Beiträgen von: Dipl.-Ing. Elisabeth Götz, Dipl.-Ing. Wolfgang Hentschel, Dipl.-Ing. Kerstin Voigt und Dipl.-Ing. Tim Westphal Layout der Titelseite: Heike Märtens Frankfurt, im November 2008 Bild auf der Titelseite mit freundlicher Genehmigung der BäderBetriebe Frankfurt GmbH (BBF)

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An dieser Stelle sei allen Mitarbeitern des Bereichs Umwelthygiene – den derzeitigen und den früheren – gedankt: Sie haben mit ihrer Arbeit und ihrem unermüdlichen Einsatz die Grundlagen für diesen Bericht gelegt. Unser ganz besonderer Dank aber gilt Herrn Hentschel, der den Bereich 30 Jahre lang mit hoher Fachkompetenz und großem Organisationstalent strukturiert und geleitet hat und ihn gemeinsam mit den Mitarbeitern zu dem geführt hat, was ihn heute ausmacht: Ein Bereich, dessen Facharbeit anerkannt wird, ein Bereich, in dem die Mitarbeiter gerne und hoch motiviert arbeiten.

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Liebe Bürgerinnen und Bürger,

in diesem Jahr habe ich Ihnen bereits zwei Gesundheitsberichte

vorgelegt: „Kindergesundheit und Umwelt – Belastung von Kindern mit

Acrylamid, Phthalaten und Nebenstromrauch“ sowie „Kindergesundheit

in Frankfurt – Daten des Stadtgesundheitsamtes 2002-2006“. Beide

Berichte widmeten sich konkreten aktuellen Fragestellungen und

Problemlagen im Sinne einer klassischen Gesundheitsberichterstattung

und zeigten Lösungswege auf.

Der Ihnen jetzt vorgelegte Band „Umweltbezogene Gesundheitsberichterstattung – 30 Jahre Umwelt-

hygiene am Stadtgesundheitsamt Frankfurt“ fällt im Vergleich zu den früheren Berichten etwas aus

dem Rahmen. Er umfasst wesentliche umweltmedizinische und umwelthygienische Fragestellungen,

die in den letzten drei Jahrzehnten im Stadtgesundheitsamt bearbeitet wurden – mit dem Ziel, die

Gesundheit der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger, Ihre Gesundheit, zu schützen. Gebündelt nach

Themenbereichen wie Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Spezialuntersuchungen oder auch Hygiene

in Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Altenpflegeheimen werden Untersuchungsergeb-

nisse und die darauf folgenden Maßnahmen dargelegt. Bei vielen Themen zeigen sich in Zeitreihen

die Erfolge der eingeleiteten Maßnahmen. So gehen heute in Frankfurter Einrichtungen kaum noch

Gesundheitsgefahren von Legionellen in Warmwassersystemen aus, Gäste der Frankfurter

Badeeinrichtungen kommen in den Genuss einer nachweisbar verbesserten Wasserqualität, auch die

infektionshygienische Überwachung der Altenpflegeheime zeigt erfreuliche Ergebnisse.

Oft hat das Amt auch epidemiologische Untersuchungen durchgeführt, teilweise bereits in den 1980er

Jahren, wie z.B. die Untersuchung von Anwohnern einer Quecksilberaltlast in Frankfurt-Griesheim.

Weitere Beispiele sind die Untersuchungen zur Perchlorethylenbelastung bei Anwohnern von Che-

mischen Reinigungen oder zur Benzolbelastung bei Anwohnern von Tankstellen. In beiden Fällen

konnte durch Einführung und Umsetzung neuer immissionsschutzrechtlicher Vorgaben eine

Verminderung der Belastung der Betroffenen erreicht und durch Untersuchungen nachgewiesen

werden.

Es ist nicht möglich, im Rahmen eines kurzen Grußworts alle interessanten Themen anzusprechen.

Erwähnen möchte ich hier nur die Gesundheit von Kindern und die von alten Menschen.

Der Bereich Umwelthygiene des Stadtgesundheitsamtes hat in den letzten Jahren – gemeinsam mit

dem Stadtschulamt – umfassende Untersuchungen zur Raumluftqualität in Schulen durchgeführt. Auf

der Grundlage der Ergebnisse zur Kohlendioxid- und Feinstaubbelastung in Klassenräumen hat die

Stadt eine Lüftungsinitiative für Schulen und Kindereinrichtungen gestartet und die Reinigung in den

Schulen intensiviert – zum Wohl der Kinder und Lehrer. Derzeit testen Mitarbeiter des Amtes das

Projekt „Hygienetipps für Kids“ in einer Pilotphase in verschiedenen Kindereinrichtungen. Nach ersten

Erfahrungen sind die Kinder (und die Erzieherinnen) mit Feuereifer dabei, das richtige Händewaschen

zu üben und mit einem „Zauberkoffer“ zu überprüfen. Deswegen planen wir, das Projekt im kommen-

den Frühjahr allen Kindereinrichtungen in Frankfurt anzubieten, als ein wichtiger Baustein zur Verhü-

tung von Infektionen.

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Aus der aktuellen Arbeit zur Gesundheitsprävention für alte Menschen möchte ich hier beispielhaft die

Problematik multiresistenter Keime (z.B. MRSA) in Altenpflegeeinrichtungen nennen. Hier hat das

Amt mehrere Untersuchungsserien durchgeführt, zunächst als Grundlage für eine evidenzbasierte

Beratung der Heime. In diesem Zusammenhang wird derzeit die Bildung eines MRSA Netzwerks im

Rhein Main-Gebiet vorangetrieben. Auch die hier vorgestellten hervorragenden Erfolge einer Pilot-

studie zur Verbesserung der Mund- und Zahnhygiene bei Bewohnerinnen und Bewohnern von

Altenpflegeheimen geben Anlass, das Verfahren der Schulung der Pflegedienstmitarbeiter auch

weiteren Heimen anzubieten. Mit der Verbesserung des Gesundheitszustands erhöhte sich auch

spürbar die Lebensqualität pflegebedürftiger Menschen.

Gesundheitsberichterstattung soll „Daten für Taten“ liefern. Dies leistet der vorliegende Bericht in

vielfältiger Weise. Dafür möchte ich den Mitarbeitern, die die Daten erarbeitet und zusammengestellt

haben, herzlich danken.

Dr. Manuela Rottmann

Dezernentin für Umwelt und Gesundheit

Stadt Frankfurt am Main

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Liebe Bürgerinnen und Bürger,

der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ist die zentrale

Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Dabei muss er

sich immer wieder auf neue Themen und Herausforderungen

einstellen, um zielgerichtet arbeiten zu können. Ganz besonders

im Bereich der Umwelthygiene und Umweltmedizin haben sich

nach Ende des 2. Weltkriegs enorme Änderungen der Aufgaben

ergeben. Während zunächst hygienische Probleme wie eine

einwandfreie und sichere Trinkwasserversorgung und das

Abwasserproblem im Vordergrund standen sowie die Bereit-

stellung ausreichenden Schulraums etc., rückten zunehmend

mehr allgemeine Schadstoff-Fragen wie z.B. die Schadstoffbela-

stung in Wasser, Boden und Luft in den Vordergrund der

Betrachtung. Das Frankfurter Stadtgesundheitsamt reagierte auf

diese Herausforderungen und wandelte 1974 im Zuge einer Neukonzeption das alte Sachgebiet

„Ortshygiene“ zu einem neuen unter dem Oberbegriff „gesundheitlicher Umweltschutz –

Umwelthygiene“ um.

Das Sachgebiet Umwelthygiene oder gesundheitlicher Umweltschutz wurde seit 1978, d.h. seit nun-

mehr 30 Jahren, von Herrn Dipl.-Ing. Wolfgang Hentschel geleitet, maßgeblich gestaltet und geprägt.

Ende 2008 wird Herr Hentschel nun aus dem Amt ausscheiden. Die Abteilung hat dies zum Anlass

genommen, einen Rückblick und eine Bestandsaufnahme dieses Aufgabenbereiches im Amt durch-

zuführen und diesen Bericht darüber vorzulegen. Zum Einen geht es bei der Bestandsaufnahme

darum, inne zu halten und die Arbeit und deren Ergebnisse kritisch zu hinterfragen, zum Anderen soll

aber auch gerade durch den Blick zurück der Blick auf die Gegenwart und die Herausforderungen in

der absehbaren Zukunft geschärft werden.

Die letzten 30 Jahre sind geprägt von einer deutlichen Verbesserung der analytischen Methoden und

Möglichkeiten im Umwelt- und Human-Biomonitoring-Bereich und der damit verbundenen deutlichen

Verbreiterung und Vertiefung des allgemeinen Wissens. Darüber hinaus sind sie gekennzeichnet

durch eine erhebliche Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und großer Entwicklung in

der umwelt- und gesundheitspolitischen Diskussion. Insofern ist der vorliegende Bericht auch ein

Beitrag zur Geschichte der Umweltthemen in Deutschland am Beispiel Frankfurt. Hier werden

wesentliche Ergebnisse zu ausgewählten Fragestellungen im Sinne einer umweltbezogenen Gesund-

heitsberichterstattung für die Stadt Frankfurt und ihre Bürgerinnen und Bürger dargestellt.

Den heutigen und früheren Mitarbeitern des Sachgebietes, insbesondere aber Herrn Hentschel, sei an

dieser Stelle sehr herzlich gedankt.

Dr. Sonja Stark

Leiterin des Stadtgesundheitsamtes

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Überblick 1

Wasser 13 Trinkwasser 13

Allgemeines 13 Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung § 18: Überwachung von Hausinstallationen Wasser für den öffentlichen Gebrauch 16 Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien 20

Das Frankfurter Blei-Projekt „Frankfurt trinkt bleifrei!“ 20 Kupfer im Trinkwasser einer Frankfurter Wohnsiedlung 23

Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse 28 Überprüfung von Dachablaufwassernutzungsanlagen 28 Überwachung der Trinkwasserversorgung auf Volksfesten, Messen und ähnlichen Veranstaltungen 31 Colon-Hydro-Therapie 35

Legionellen 36 Ergebnisse der Legionellenüberwachung in Frankfurt am Main 38 Legionellensanierung in einem aus 3 Schulen bestehenden Schulkomplex in Frankfurt 43 Legionellen im Duschwasser – Auswirkungen auf die Gesundheit von Altenheimbewohnern 45 Legionellen-Antikörper im Blut der Bevölkerung – epidemiologische Untersuchung 46 Legionellenmeldungen auf der Grundlage der Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz 50

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung 54 Badebeckenwasser 55

Allgemeines 55 Ergebnisse aus Frankfurt 57 Anmerkungen zu einem Entwurf der Schwimm- und Badebeckenwasser-Verordnung 65 Floatingtanks hygienische Entspannung? 68 Versuche zur Reinigung und Desinfektion von Barfussflächen in Schwimmbädern 73 Publikation aus der Arbeit der Abteilung 78

Oberflächengewässer 79 Allgemeines 79 Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes 83

Hygienische Güte / Bewässerung in Landwirtschaft, Gartenbau, Landschaftsbau sowie von Park- und Sportanlagen 84 Baden in Main und Nidda 87 Sonderuntersuchung auf Parasitencysten 88

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung 89

Boden 90 Allgemeines 90 Untersuchungen in Frankfurt 92

Untersuchung über verkehrsbedingte Schadstoffgehalte in Gartenböden und -pflanzen straßennah gelegener Standorte in Frankfurt am Main 92 VDM-Gelände in Frankfurt am Main 98 Quecksilberschadensfall in Griesheim 101 Kieselrot auf Sport-, Spiel- und Freizeitflächen in Frankfurt 103

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Luft 108 Außenluftbelastung 108

Allgemeines 108 Luftbelastung und Atemwegserkrankungen bei Kindern (Einschülern) 109 Außenluftbelastung durch Verkehrsemissionen 110

Stickstoffdioxid 112 Benzol und Dieselruß 112 Ozon – mittelbare Verkehrsemission 113 Feinstaub – Hauptverursacher Verkehr 114

Raumluft 116 Allgemeines 116 Perchlorethylenbelastung im Umfeld von Chemischreinigungen 118 Benzol im Umfeld von Tankstellen und spezifische Belastung bei den Anwohnern 120 Passivrauchen 125

Einleitung 125 Passivrauchen am Arbeitsplatz und Symptome der Atemwege 126 Nichtraucherschutz in Gaststätten 127 Passivrauchen und Gesundheitsgefahren für Kinder 128 Passivrauchen und innere Belastung am Tabakrauch-spezifischen Stoffwechselprodukt Cotinin 129 Auswirkungen des Passivrauchens bei Kindern - Umweltepidemiologische Untersuchung bei Kindern unter 6 Jahren in Frankfurt am Main 131

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung 133

Spezielle Themen 135 Störfälle und Sonderuntersuchungen 135

Umgang mit Störfällen 135 Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol 137 Isoproturon-Störfall am 27.01.1996 145

PAK und Pestizide im Hausstaub 150 Einleitung 150 Ergebnisse zur inneren Belastung der Bewohner mit PAK-, PCB und Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten 153

Belastung von Kindern mit Acrylamid und Phthalaten - sowie durch Passivrauchen 159 Einführung 159 Untersuchung von Einschülern aus Frankfurt – 2007 160

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung 168

Umgang mit Risiken 171 Expositions- und Risikoabschätzung 171

Einleitung 171 Beispiel: PCB im Innenraum 172 Beispiel: PAK im Parkettkleber 174 Schlussfolgerung 176

Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen 179 Human-Biomonitoring- und Referenzwerte 179 Human-Biomonitoring-Daten aus Frankfurt 182 HBM- Beispiele zu Spezialfragestellungen - Frankfurt 184

PCB im Blutplasma bei Kindern und Jugendlichen – Einfluß des früheren Stillens 184

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PCP-Belastung durch Lederkleidung 185 Hohe Organophosphat-Metabolitenkonzentrationen im Urin durch Verzehr großer Mengen Obst? Ein Fallbeispiel. 186 PAK-Metabolite im Urin in Abhängigkeit vom Zigarettenrauchen 187

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung 188

Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen 190 Schulen und Kindergärten 190

Einleitung 190 Spezielle Schadstoffe 193

Holzschutzmittel, Formaldehyd 193 Asbest in Schulen 193 Künstliche Mineralfasern 196 Polychlorierte Biphenyle 197 Dioxine und Furane 201

Hygiene in Schulen 203 Teppichböden in Schulen? 205 Raumlufthygienische Qualität der IPI-Bauten in Frankfurt 207 Feinstaub und Kohlendioxid und der Einfluss der Reinigung und der Lüftung 210 Raumlufthygienische Probleme in Schulen – Bringen Passivhausschulen die Lösung? 218 Hygiene in Sanitäreinrichtungen von Schulen 222 Schulreinigung 226

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung 228 Altenpflegeheime 230

Allgemeines 230 Hygiene in Alten- und Pflegeheimen in Frankfurt am Main 231 Das APH-Ranking – seit 2004 233 Das APH-Ranking – seit 2004 234 Spezielle Themen – Auswahl 238

Multiresistente Keime – MRSA bei Bewohnern von Altenpflegeheimen 238 Weitere Keime mit Multiresistenzen 243 Infektionserfassung im Altenpflegeheim – „nosokomiale Infektionen“ 244 Zahn- und Mundhygiene im Altenpflegeheim – Status und Verbesserungsmöglichkeiten 249 Auswirkungen der Hitzewelle im August 2003 auf die Sterblichkeit in Frankfurt am Main 253 Grippe – Sterblichkeit 256

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung 259

Verschiedenes 260 Hygiene 260

Workshop Flughafenhygiene 260 Hygiene im Friseurbetrieb 264

Mensch und Natur 266 Eichenprozessionsspinner – 2007 auch in Frankfurt 266 Ambrosia 267

30 Jahre Umwelthygiene im Stadtgesundheitsamt Frankfurt – ein Rückblick 269

Mitarbeiter des Bereichs Umwelthygiene 272

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung 273

Danke 287

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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Einleitung und Überblick

Hygiene als infektionsverhütende, präventivmedizinische Aufgabe ist untrennbar mit der Entwicklung

des öffentlichen Gesundheitsdienstes verbunden. Insbesondere im Zusammenhang mit der Stadtent-

wicklung im 19. Jahrhundert und der Entdeckung der Krankheitserreger und ihrer Verbreitung wurden

Strategien zur Verhütung von Infektionen (Epidemien) in der Bevölkerung vordringlich. Die Trinkwas-

serversorgung und Abfallbeseitigung, Krankenhaushygiene und allgemeine Hygiene in Gemein-

schaftseinrichtungen, aber auch in den Wohnungen der Bevölkerung gewann zunehmend an Bedeu-

tung. Und auch noch nach dem 2. Weltkrieg standen infektionspräventive Maßnahmen wie Impfprä-

vention, gute Trinkwasserversorgung etc. im Vordergrund der umwelt- und präventiv-medizinischen

Aufgabenbereiche. In den 60er Jahren rückten dann auch die Luftbelastung mit Schadstoffen und

Radioaktivität in den Vordergrund. In den 80er Jahren waren Schadstoffbelastungen im Innenraum

(Formaldehyd, Holzschutzmittel, Asbest) in Schulen von großem Interesse.

Auf alle diese neuen Aufgaben mußte der öffentliche Gesundheitsdienst sich einstellen, indem

entsprechende Organisationseinheiten entwickelt wurden - mit Fachpersonal und Fachwissen. So war

bereits 1974 im Zuge der Neukonzeption des Öffentlichen Gesundheitsdienstes das alte Sachgebiet

„Ortshygiene“ zu einem neuen unter dem Oberbegriff „gesundheitlicher Umweltschutz“ umgewandelt

und ausgeweitet worden1. Um diesen ständig sich erweiternden Bereich weiter intensiv bearbeiten zu

können, wurde dann im Jahre 1992 eine selbständige Abteilung Umweltmedizin und –hygiene

gebildet. Hierzu heißt es in der im gleichen Jahr erschienenen Festschrift zum 75-jährigen Bestehen

des Gesundheitsamtes „Vom Stede Arzt zum Gesundheitsamt“2: „Personalintensive und methodisch

aufwendige Untersuchungen werden vom Gesundheitsamt auch an andere Forschungsinstitute als

Auftragsarbeit vergeben. Die Auswertung und Bewertung der erhobenen Daten liegt jedoch beim Amt.

Ein umfangreiches Publikationswesen des Sachgebiets „Umweltmedizin“ belegt die Zustände der

aufgeworfenen Fragen im Stadtgebiet Frankfurt, zeigt mögliche Problemlösungen auf und soll darüber

hinaus der wissenschaftlichen Forschung weitere Impulse geben“.

Der vorliegende Bericht beschränkt sich auf die Ergebnisse aus dem Sachgebiet Umwelthygiene –

gesundheitlicher Umweltschutz der letzten drei Jahrzehnte. Der Aufgabenbereich dieses Sachgebiets

umfasst:

- Wasser-, Boden-, Lufthygiene, darunter Hygiene des Trink- und Badebeckenwassers,

Oberflächengewässer, Hygiene und gesundheitliche Bewertung der Außen-, aber auch der

Raumluft.

- Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen, darunter Altenpflegeheime, Wohnheime, Schulen

und andere Kindereinrichtungen.

- Ortshygiene und allgemeine Infektionshygiene, z.B. Hygiene in Friseur- und Kosmetik-

einrichtungen; auch die besonderen Fragen der Flughafenhygiene sind hier zu nennen.

Weitere Hygienefragen, wie z.B. die Hygiene in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrich-

tungen oder auch die Hygiene beim Piercen und Tätowieren, sind innerhalb der Abteilung einem

1 Bauer T, Drummer H, Krämer L: Vom „stede arzt“ zum Stadtgesundheitsamt. Die Geschichte des öffentlichen Gesundheitswesens in Frankfurt am Main. Hrsg: Stadtgesundheitsamt, Waldemar Kramer Verlag, Frankfurt,1992 2 a.a.o. S. 144

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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anderen Sachgebiet zugeordnet und werden hier nicht explizit erwähnt. Im Gesamtverzeichnis der

Veröffentlichungen aus der Abteilung sind die entsprechenden Publikationen jedoch mit aufgeführt.

Wasser-, Boden-, und Lufthygiene

Wasser

Die Überwachung des Trinkwassers ist eine der zentralen Hygieneaufgaben des öffentlichen

Gesundheitsdienstes. Aufgabenspektrum und Ziele sind in Gesetzen und Verordnungen festgelegt,

dem Bundesseuchengesetz, seit 2001 novelliert durch das Infektionsschutzgesetz und der in den

letzten 30 Jahren mehrfach novellierten Trinkwasserverordnung. Die Trinkwasserhygiene kann gerade

in Deutschland auf eine lange Tradition zurückblicken. Nach größeren trinkwasserbedingten Cholera-

und Typhusepidemien wurden hier wesentliche Anforderungen an die mikrobiologische Trinkwasser-

güte bereits vor mehr als 120 Jahren formuliert, die im Wesentlichen heute noch gültig sind. Gleich-

wohl kamen immer wieder weitere Fragestellungen hinzu. Waren zunächst die Förderung und Bereit-

stellung ausreichenden und sauberen Trinkwassers durch eine zentrale Trinkwasserversorgung si-

cherzustellen, traten später zunehmend auch Fragen der Veränderung des Trinkwassers im Leitungs-

netz bis hin zum Wasserhahn des Verbrauchers hinzu. Aber erst mit der Novellierung der Trinkwas-

serverordnung im Jahre 1990 galten die Anforderungen der Trinkwasserverordnung auch juristisch

innerhalb der Hauinstallation, also bis zum Wasserhahn des Verbrauchers und waren bei entspre-

chendem Verdacht durch das Gesundheitsamt zu überwachen. Die im Jahre 2001 erneut novellierte

Trinkwasserverordnung brachte nicht nur eine Reihe neuer oder abgesenkter Grenzwerte für

bestimmte chemische Parameter, sondern auch zahlreiche weitere Untersuchungspflichten für die

Gesundheitsämter, u.a. die pflichtgemäße regelmäßige Überwachung der Wasserversorgungsanlagen

„aus denen Wasser für die Öffentlichkeit, insbesondere in Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern,

Gaststätten und sonstigen Gemeinschafteintrichtungen, bereitgestellt wird“ (TVO § 18 [1]). Da diese

umfangreiche neue Aufgabe nicht mit dem vorhandenen Personal zu erledigen war, wurde hier ein

Konzept entwickelt, wie die Aufgabe durch klare Beauftragung an Untersuchungsinstitute erledigt

werden konnte. Nach unserer Kenntnis ist Frankfurt die erste Kommune, die die Hausinstallationen

der Schulen, Kindereinrichtungen, Krankenhäuser und Altenpflegeheime so früh und so umfassend

untersuchte. Im Ergebnis zeigte sich, dass nicht nur beim Wasserversorger, sondern in aller Regel

auch direkt beim Verbraucher die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung gut eingehalten werden.

Allgemeine mikrobiologische Probleme, die bei der Nachkontrolle nicht mehr nachweisbar waren, gab

es in weniger als 1 % der Proben. Auch Blei und Kupfer waren nur in wenigen Häusern erhöht.

Insofern sahen wir keine Notwendigkeit zur regelmäßigen Routineuntersuchung solcher

Hausinstallationen ohne besonderen Anlass.

Bestätigt wurde aber auch durch diese umfangreiche Untersuchung die Problematik der Legionellen-

kontamination von Warmwasser für Duschen, mit höchsten Belastungen im Bereich der

Schulsporthallen. Die Legionellenproblematik war ja 1976 erstmals bei amerikanischen Legionären

gefunden worden. Und bereits 1988 hatte der Bereich Umwelthygiene des Gesundheitsamtes

Frankfurt die Warmwassersysteme aller Krankenhäuser, Altenpflegeheime und die Duschen

öffentlicher Bäder intensiv auf Legionellen untersucht und notwendige Sanierungsmaßnahmen

gefordert. Seither werden diese Einrichtungen regelmäßig untersucht. Nachdem 1996 bekannt

geworden war, dass offenbar ein Schüler in einer Schulturnhalle sich beim Duschen eine

Legionellenerkrankung zugezogen hat, wurden in Abstimmung mit dem Stadtschulamt und dem

Hochbauamt auch die Duschen der Schulturnhallen in die regelmäßige Überwachung mit einbezogen.

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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In diesem Bericht werden die Legionellenbefunde seit 1990 zusammengefaßt vorgestellt, insgesamt

mehr als 24.000 Befunde aus mehr als 300 Gebäuden. Die Daten zeigen, dass alte und große

Warmwassersysteme durch Biofilmbildung immer sehr stark gegenüber Legionellenkontaminationen

gefährdet sind und nur durch umfangreiche und kombinierte Maßnahmen langfristige Sanierungs-

erfolge zu erzielen sind. Vor diesem Hintergrund freuen wir uns, ein gelungenes Sanierungsbeispiel in

einem sehr verzweigten System vorstellen zu können (S. 43). Außerdem zeigen die Daten der letzten

1-2 Jahre, dass insgesamt eine Verbesserung der Legionellensituation in den untersuchten Systemen

zu beobachten ist.

Das Amt hat aber die Legionellenproblematik nicht nur im Trinkwasser bearbeitet. Die erste kleine

epidemiologische Untersuchung auf legionellenbedingte Erkrankungen wurde bereits 1991

gemeinsam mit dem dortigen Heimarzt bei Bewohnern eines Altenpflegeheims in Frankfurt

durchgeführt, nachdem dort in einem Warmwassersystem über 100.000 Legionellen/l gefunden

worden waren (S. 45). – In Zusammenarbeit mit Dr. Lück, Universität Dresden und Referenzzentrum

für Legionellen sowie mit dem Hygiene-Institut der Universität Frankfurt/M, Prof. Schubert, wurde eine

weitere epidemiologische Untersuchung bei Bewohnern einer Siedlung mit zentralem Warmwasser-

system und hohen Legionellenkontaminationen im Vergleich mit Bewohnern von 1-2 Familienhäusern

mit dezentralen Warmwassererwärmern und ohne Legionellenkontamination durchgeführt. Bei den

Bewohnern der Wohnsiedlung wurden höhere Antikörpertiter gegen Legionellen gefunden als Zeichen

der immunologischen Auseinandersetzung mit diesen Keimen, es gab aber keine Hinweise auf

legionellenbedingte Lungenentzündungen (S. 46).

Seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes ist die Legionellen-Pneumonie (Lungenentzündun-

gen) meldepflichtig. Die bisher nach Infektionsschutzgesetz dem Amt gemeldeten Erkrankungen

werden – gemeinsam mit den der Abteilung bereits früher mitgeteilten Erkrankungen – zusammenfas-

send dargestellt. Bei Verdacht werden seitens des Amtes Wasserproben in den Privatwohnungen

genommen bzw. in Einrichtungen, in denen in der Inkubationszeit ebenfalls Kontakt zu Warmwasser

bestanden hatte, seien es öffentliche Bäder, Krankenhäuser oder Zahnarztstühle o.ä. Bei mehr als

einem Drittel der Fälle konnte jedoch durch anamnestische Nachforschungen klar eine reisebedingte

Legionellen-Erkrankung nach Aufenthalt in Hotels im Ausland bestätigt werden (S. 50).

Trinkwasser kann durch Kontakt mit den Trinkwasserleitungen ggf. Substanzen aus diesen Leitungen

aufnehmen, beispielsweise Blei oder Kupfer. Nachdem durch Luftreinhaltemaßnahmen und insbeson-

dere das Benzin-Blei-Gesetz 1976 die allgemeine Bleibelastung in der Umwelt gut reduziert werden

konnte, sind noch bestehende bleihaltige Wasserleitungen die letzte wesentliche Bleiquelle für Ver-

braucher. Angesichts der hohen Toxizität von Blei, insbesondere für die Entwicklung der Kinder, hat

das Gesundheitsamt früh Wege gesucht, die Bleibelastung im Trinkwasser durch noch

bestehenden Bleileitungen in Frankfurter (Wohn)Häusern zu vermindern. Nach einiger konzeptioneller

Vorbereitung wurde 1997 das Frankfurter Bleiprojekt „Frankfurt trinkt bleifrei“ gestartet, das innerhalb

von 10 Jahren die Überprüfung bzw. den Austausch der dem Amt bekannten ca. 8000 Liegenschaften

mit bleihaltigen Hausanschlussleitungen (Jahr: 1986) erreichen sollte. Nach 10 Jahren, im Oktober

2007, waren in der Tat alle Eigentümer dieser Liegenschaften angeschrieben; bis heute sind die

meisten der angeschriebenen Liegenschaften nachweislich saniert (S. 20). Nach Klagen von Mietern

einer Frankfurter Siedlung hat das Amt auch detaillierte Untersuchungen zur Frage der Kupfer-

belastung im Trinkwasser durchgeführt (S. 23).

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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„Trinkwasser ist das bestuntersuchte und sicherste Lebensmittel“. Damit dies für alle immer so bleibt,

ist dafür Sorge zu tragen, dass nicht nur einwandfreies Wasser vom Wasserversorger geliefert und

durch geeignete Wasserleitungen zum Verbraucher gelangt. Wichtig ist darüber hinaus, dass es nicht

innerhalb der Hausinstallationen zu Fehlanschlüssen und Verbindungen mit anderem Wasser zu

Verunreinigungen kommt. Vor diesem Hintergrund hat das Gesundheitsamt die dem Amt bekannt

gewordenen Regenwassernutzungsanlagen (Dachablaufwasseranlagen) alle untersucht – und in 4

% der Fälle Fehlanschlüsse zum Trinkwassernetz gefunden! (S. 28). Das gleiche gilt für die

Trinkwasseranschlüsse auf Märkten, die durchaus ein Risiko für Fehlanschlüsse und

Trinkwasserkontaminationen darstellen können – wenn nicht auf sachgerechte Armaturen, Geräte und

Materialien geachtet wird. Auch hier hat das Amt in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit den

Schaustellern die Trinkwassersicherheit verbessern können (S. 31). Auf eine weitere Kontaminations-

möglichkeit wurden die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes im Rahmen der infektionshygienischen

Begehungen der Heilpraktiker-Praxen aufmerksam, nämlich Geräte zur Colon-Hydro-Therapie, die

keine sachgerechte Trennung vom Trinkwassernetz aufwiesen. D.h. im ungünstigen Fall kann es so

zu Trinkwasserkontaminationen mit Fäkalkeimen kommen. Dies wurde zum Anlaß genommen, nach

solchen Geräten im Zuständigkeitsbereich Frankfurt intensiviert zu suchen, auch bei Ärzten. Wo

immer diese gefunden wurden, wurden entsprechende Absperrungen gefordert – oder die Geräte

seitens des Amtes stillgelegt (S. 35).

Auch die Untersuchung von Badebeckenwasser in den öffentlichen Hallen- und Freibädern, den

gewerblichen Bädern zumeist in Hotels, den Therapiebädern in Kliniken und Pflegeheimen etc. nimmt

einen wichtigen Part in den infektionspräventiven Hygiene-Aufgaben des Bereichs Umwelthygiene ein.

Die Ergebnisse der seit Mitte der 1990er Jahre sämtlich auf Datenträgern gespeicherten Ergebnisse

werden vorgestellt (S. Fehler! Textmarke nicht definiert.). Insgesamt zeigt sich, dass gerade

Planschbecken häufiger erhöhte Keimzahlen aufweisen, weshalb die Aktion „Badehöschen, aber

sicher!“ Gestartet wurde. Bei der Gesamtbetrachtung ist in den letzten Jahren durchaus eine

Verbesserung in der Badebeckenwasserqualität der Frankfurter Bäder erkennbar, das Baden wurde

sicherer.

Das Amt ist immer wieder mit neuen Fragestellungen konfrontiert. So hatte es sich ab 2006 mit der

Frage der Hygiene von sog. Floatingtanks auseinanderzusetzen, in denen Badegäste in/auf einer

Solelösung ruhen und sich entspannen. Sowohl die Mess- als auch die Aufbereitungstechnik wies

zahlreiche methodische Probleme auf, deren Lösung gemeinsam mit externen Instituten und den

Betreibern zu erarbeiten war (S. 68).

Seit 1987 untersucht das Amt regelmäßig die hygienische Güte der Oberflächengewässer unter

der Fragestellung der Nutzung dieser Wässer für den Anbau von Obst und Gemüse, für die

Bewässerung von Sport- und Spielflächen oder auch zum Baden und Schwimmen. Die wiederholte

Anfrage nach „Baden im Main“ und der Wiederbelebung des früheren Mainuferbads musste jedoch

stets unter Hinweis auf die hygienische Wasserqualität des Mains aus infektionshygienischer Sicht

abgelehnt werden. (S. 82). Auch wenn die biologische Güte sämtlicher Oberflächengewässer in den

letzten Jahren durchaus erhebliche Verbesserungen zeigt, sind die Frankfurter Oberflächengewässer

nach wie vor so stark hygienisch belastet, dass ein gefahrloses Schwimmen dort nicht möglich ist.

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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Boden

In den ersten Jahren, bis Anfang der 1990er Jahre, war die Frage von Bodenbelastungen und der

Bodenschutz Gegenstand zahlreicher Untersuchungen in Frankfurt.

In den 1980er Jahren wurden Boden- und Aufwuchsproben in verkehrsnahen Bereichen sowie in

verschiedenen Kleingartenanlagen in Straßenverkehrsnähe auf ihre Belastung mit Verkehrsemis-

sionen untersucht; ausgewählt wurde hier Blei (Antiklopfmittel in Benzin), Cadmium (Abrieb von

Reifen) und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (Verbrennungsprodukte). Im Vergleich mit

Gartenproben aus Hessen insgesamt wiesen die im Stadtgebiet Frankfurt und insbesondere die

verkehrsnah gelegenen Standorte höhere Blei- und Cadmiumbelastungen auf, dies betraf auch die

darauf gezogenen Nutzpflanzen. Auffallend waren allerdings teilweise sehr viel höhere Belastungen in

verschiedenen Kleingartenanlagen, offenbar bedingt durch das Aufbringen von Klärschlamm. Das Amt

leitete aus dieser Untersuchung Empfehlungen ab für planerische, gärtnerische und individuelle

Maßnahmen (S. 92).

Ein sehr umfangreiches Untersuchungs- und Sanierungsprojekt war Mitte der 1980er Jahre die ge-

plante Bebauung des ehemals durch die Vereinigten Deutschen Metallwerke (VDM) genutzten

großen Geländes am Niederurseler Hang in Frankfurt. Infolge der früheren Nutzung war es zu

Belastungen des Bodens mit Schwermetallen (Kupfer, Zink und Blei, Arsen sowie Cadmium und

Nickel) gekommen. Die Bodenluft und das Grundwasser waren mit leichtflüchtigen chlorierten Kohlen-

wasserstoffen hoch belastet. Erst nach umfangreichen Untersuchungen und Sanierungsmaßnahmen

konnte das Gelände bebaut und heute gefahrlos genutzt werden (S. 98).

Im Zusammenhang mit dem sog. Quecksilberschadensfall der Fa. Ellwenn und Frankenbach in

Frankfurt-Griesheim, mit hohen Quecksilberbelastungen im Boden und Grundwasser, ergaben

rechnerische Betrachtungen der möglichen zusätzlichen Quecksilberaufnahme vor dem Hintergrund

der allgemeinen Quecksilber-Aufnahme über die Nahrung zwar keine zu erwartenden erheblichen

zusätzlichen Zufuhren, dennoch wurde angesichts der Toxizität von Quecksilber den Anwohnern

umfassende Human-Biomonitoring-Untersuchungen angeboten. Diese wurden intensiv genutzt,

insgesamt 244 Personen ließen sich untersuchen. Im Ergebnis wurde die rechnerische Abschätzung

bestätigt. Das Gebiet wurde aus Vorsorgegründen umfassend saniert (S. 101).

1987 wurden sämtliche ca. 600 öffentlichen Spielflächen in Frankfurt auf Schwermetalle (Blei,

Cadmium, Quecksilber und Arsen) untersucht und bei Bedarf anschließend saniert. Eine weitere

systematische Bodenuntersuchung betraf die Tennenflächen von Sportstätten, die wenig später

ebenfalls im Hinblick auf mögliche Schwermetallkontaminationen überprüft wurden.

Die bislang letzte größere Untersuchungsserie wurde 1991 vorgenommen, nachdem bekannt gewor-

den war, dass auf vielen Sportflächen bundesweit „Kieselrot“, eine dioxinhaltige Schlacke aus

Marsberg, aufgebracht war. Innerhalb weniger Wochen wurden 192 Sportanlagen in Frankfurt

begangen (Grünflächenamt, Sport- und Badeamt, Gesundheitsamt). Bei Verdacht wurden Proben

genommen, bei erhöhten Dioxinbelastungen die Flächen umgehend gesperrt und später saniert. Die

maximalen Dioxinbelastungen auf Oberflächen betrugen > 80.000TE/kg. Trotz der hohen Belastungen

wurde auf ein Human-Biomonitoring verzichtet – angesichts der zwischenzeitlich vorgelegten

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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Ergebnisse der Untersuchungen der Marsberger Bevölkerung, die jahrzehntelang in unmittelbarer

Nähe einer großen Kieselrothalde gewohnt hatte. Dort waren zwar Hinweise auf eine innere Zusatzb-

elastung durch Kieselrot-Exposition gefunden worden, allerdings war die Zusatzbelastung (in

Toxizitätsäquivalenten) sehr gering (S. 103).

Luft

Nachdem die Luftbelastung in Frankfurt, wie in allen Ballungsgebieten in Deutschland bis Mitte der

1970er Jahre stetig zugenommen hatte, konnte sie seither durch Luftreinhaltemaßnahmen deutlich

gesenkt werden. Die in dieser Zeit ebenfalls abgesenkten Grenzwerte werden in aller Regel einge-

halten, mit Ausnahme der Feinstaubbelastung an vielbefahrenen Straßen. Vor diesem Hintergrund

wurde am 01.10.2008 die Umweltzone Frankfurt eingeführt, wonach nur noch Dieselfahrzeuge mit

Russfilter in den engeren Stadtbereich einfahren dürfen.

Unter der Hypothese, dass Luftbelastung Atemwegssymptome bei Kindern und insbesondere

Pseudokrupp verursacht, hat das Gesundheitsamt schon 1978 eine erste Untersuchung bei

Einschülern durchgeführt. Die Untersucher fanden – wie viele andere Untersuchungen später auch –

dass die Nennung von Pseudokrupp sehr stark von der Herkunftsfamilie abhängt und insbesondere

von deutschen Familien, kaum aber von den – oftmals durch Luftschadstoffe sehr viel mehr belasteten

– ausländischen Familien angegeben wird. D.h. bei der Bewertung solcher Untersuchungen müssen

diese Einflussfaktoren berücksichtigt werden, um keine falschen Schlüsse zu ziehen (S. 109).

Das Gesundheitsamt hat zwar keine Zuständigkeit für die Messung von Außenluftschadstoffen oder

Maßnahmen zu deren Reduzierung, es ist aber fachlich beratend tätig. Mitarbeiter des Bereichs

Umwelthygiene haben sich in verschiedenen Arbeitsgruppen mit der Frage verkehrsbedingter

Luftschadstoffe und 23. Bundesimmissionsschutzverordnung (Benzol, Dieselruß und Stickoxide)

befasst sowie zur Frage Auswirkungen von Ozon oder von Feinstaub auf die Gesundheit der Bürger –

insbesondere von Kindern – Stellung genommen.

Da die Menschen sich heutzutage den weitaus größten Teil des Tages in Räumen aufhalten, kann

eine Schadstoffbelastung in Innenräumen zu Belastungen der Raumnutzer führen – und ggf. zu

gesundheitlichen Beschwerden. Schadstoffe im Innenraum können verursacht sein z.B. durch

Belastungen durch nahe gelegene Gewerbebetriebe, durch bestimmte Baumaterialien oder durch die

Raumnutzer selbst (Rauchen und Passivrauchen). Diesen Problemen hat sich das Gesundheitsamt

intensiv angenommen und dabei möglichst auch Untersuchungen der inneren Belastung der

Raumnutzer (Human-Biomonitoring) angeboten.

Luftschadstoffe aus Gewerbebetrieben können mit der Außenluft in die Raumluft angrenzender

Wohnungen gelangen und so zu einer Belastung der Anwohner führen, z.B. Perchlorethylen im

Umfeld von Chemischreinigungen oder Benzol im Umfeld von Tankstellen. Den Anwohnern

wurde auch die Untersuchung der inneren Belastung angeboten, um deren individuelle Belastungen

durch die gefundenen äußeren Schadstoffbelastungen genau festzustellen. Dabei konnten die

positiven Auswirkungen staatlicher Maßnahmen (Bundesimmissionsschutzgesetz/ Verordnungen)

dargelegt werden: So waren durch die Auswirkungen der 2. BImSchV die Raumluft- und

Blutbelastungen mit Perchlorethylen im unmittelbaren Umfeld von Chemischreinigungen zwischen

1991 und 1994 deutlich vermindert (S. 118). Aber auch die Benzolbelastung im Umfeld von

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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Tankstellen und bei deren Anwohnern hatte im Zusammenhang mit der Umsetzung der 20. und 21.

BImschV zwischen 1993 und 1996 abgenommen (S. 120).

Das bedeutendste Innenraumschadstoffgemisch ist der Nebenstromrauch, den auch der Nichtraucher

einatmet (Passivrauchen). Dieser Problematik hat sich das Amt bereits 1991 in mehreren Umfragen

zum Nichtraucherschutz angenommen, es hat aber auch wiederholt auf die Problematik des

Passivrauchens, insbesondere für Kinder, aufmerksam gemacht und durch Bestimmung von Cotinin

im Urin Kinder auf ihre Passivrauchbelastung untersucht (S.129 und S. 131).

Was Bauschadstoffe anbelangt, so wurden große Asbest- und PCB-Sanierungsprogramme (S.

172) in Frankfurter Schulen begleitet; ein Analyseverfahren zur Untersuchung der inneren Belastung

der Raumnutzer durch Asbest ist nicht verfügbar; deswegen wurden auch keine Human-

Biomonitoring-Untersuchungen durchgeführt. Bei den aus Dichtungsfugen oder Flamm-

schutzanstrichen freiwerdenden polychlorierten Biphenylen wurde die Möglichkeit des

Humanbiomonitoring genutzt und Erzieherinnen von PCB-belasteten Kindertagesstätten auf

freiwilliger Basis untersucht. Deren innere PCB-Belastung wies keine höheren Werte auf als die

allgemeine Hintergrundbelastung. Dennoch war es auf Grundlage der PCB-Richtlinie erforderlich,

zahlreiche Schulen zu sanieren.

Spezielle Themen – Störfälle und Sonderuntersuchungen

In den 1990er Jahren ereigneten sich in Frankfurt – neben verschiedenen anderen Schadstofffrei-

setzungen - zwei große Störfälle: Am 22.02.1993 wurden über 10 Tonnen eines zunächst unbekann-

ten chemischen Gemischs aus dem Werk Griesheim freigesetzt und schlugen sich zum Teil in dem

nahegelegenen Wohngebiet Schwanheim/ Goldstein nieder („Gelber Regen“, O-Nitroanisol-Störfall).

Am 27.01.1996 wurden aus dem gleichen Werksbereich etwa 1 Tonne des Harnstoffherbizids Isopro-

turon freigesetzt und führten ebenfalls zu Kontaminationen in Schwanheim. Das Gesundheitsamt

informierte die Bevölkerung und Ärzte und organisierte frühzeitig in beiden Fällen die Untersuchung

von Urinproben zur Erfassung der tatsächlichen inneren Belastung durch die Störfall-Emissionen. Der

Umgang mit beiden Störfällen – Unterschiede und Gemeinsamkeiten – wurden veröffentlicht und

werden in diesem Bericht zusammenfassend dargestellt (S. 135).

Im Frühjahr 1997 wurden im Rahmen der umweltmedizinischen Sprechstunde des Gesundheitsamtes

das Problem der PAK-haltigen Parkettkleber „entdeckt“ (PAK polyzyklische aromatische Kohlen-

wasserstoffe); weitere Recherchen erbrachten, dass diese Parkettkleber auf Teerölbasis generell in

der Bundesrepublik Deutschland als Stand der Technik bis in die 1970er Jahre verwendet worden

waren. In Frankfurt betraf dies auch die ehemaligen US-Housing, in den 1950er Jahren errichtete

Wohngebäude für die Familien der US-Soldaten, die seit Mitte der 1990er Jahre von Frankfurter

Bürgern bewohnt wurden. Alle ca. 3000 Wohnungen und Häuser wurden seitens der Wohnungs-

baugesellschaften auf PAK im Parkettkleber und im Hausstaub untersucht, darüber hinaus wurden

auch viele Pestizide in den Hausstaubproben analysiert. Das Stadtgesundheitsamt bot den Bewoh-

nern dieser Liegenschaften eine umweltmedizinische Beratung und Untersuchung der inneren

Belastung mit PAK, PCB und Pestiziden an. Etwa 1200 Menschen nahmen dieses Angebot an und

ließen sich im Jahre 1998 untersuchen. Die Ergebnisse finden Sie auf S.174 Es ergaben sich keine

Hinweise, dass die in den Hausstäuben gemessenen Schadstoffe PAK, PCB und Pestizide zu einer

nachweisbar höheren inneren Belastung der Raumnutzer oder zu Symptomen und Beschwerden bei

Kindern und Jugendlichen geführt hätte. Demgegenüber wurden Hinweise gefunden, dass

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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Passivrauchen in der Wohnung mit einer höheren inneren PAK-Belastung der Kinder sowie mit Haut-

und Schleimhautsymptomen assoziiert sind.

Die bislang letzte umweltmedizinische Untersuchung mit Human-Biomonitoring, d.h. Untersuchung

der inneren Belastung, galt der Frage der Belastung von Kindern mit Acrylamid, Weichmachern

und Passivrauch. Über 100 Einschüler wurden auf freiwilliger Basis auf Stoffwechselprodukte dieser

Stoffe im Urin untersucht. Die meisten Analysenmethoden waren völlig neu entwickelt worden, sodaß

hier noch keine Vergleichsuntersuchungen mit Kindern zur Verfügung standen. Es zeigte sich, dass

Kinder mehr Acrylamid aufnehmen als Erwachsene – im Wesentlichen über Pommes frites, Chips etc,

aber auch Kekse. Phthalate, Weichmacher werden in vielfältigen Nutzungen eingesetzt, was dazu

führt, dass alle Menschen Phthalaten ausgesetzt sind und diese aufnehmen, so auch die untersuchten

Kinder. Erstmals war klar erkennbar, dass höher molekulare Phtalate auch in nicht geringen Mengen

aufgenommen werden. Ein Minderungsbedarf wurde aber insbesondere bei Di-Butyl-Phthalat und Di-

Ethyl-Hexyl-Phthalat gesehen, nicht nur wegen ihrer höheren Toxizität, sondern wegen der nach wie

vor recht hohen Aufnahmerate (S. 159).

In vielen Untersuchungen in Frankfurt konnte der Nutzen der Human-Biomonitoring-Untersuchungen

als geeignete Methode für eine Expositions- und damit auch Risikoabschätzung und -bewertung

gezeigt werden. Viele Untersuchungsergebnisse flossen unmittelbar in die Arbeit der Kommission

Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes ein, z.B. als Grundlage für Referenzwerte (S. 179).

Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen – Schulen und Altenpflegeheime

Die Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen ist eine wichtige Aufgabe der Gesundheitsämter, fest-

gelegt bereits in den Gesundheitsdienstgesetzen der 1930er Jahre, fortgeführt im Bundesseuchen-

gesetz von 1961 und im Infektionsschutzgesetz von 2001 sowie im Landesgesundheitsdienstgesetz

Hessen 2007.

In Schulen hat der Bereich Umwelthygiene stets anlass- und themenbezogene Untersuchungen

vorgenommen bzw. Untersuchungen des Stadtschulamtes und des Hochbauamtes fachlich begleitet.

So wurden in den 1980er Jahren umfangreiche Untersuchungen auf die damals im Mittelpunkt des

Interesses stehenden Schadstoffe Formaldehyd und Pentachlorphenol (PCP) durchgeführt und bei

Bedarf Sanierungen vorgenommen. Ebenfalls Mitte der 1980er Jahre beginnend wurden alle Schulen

und Kindereinrichtungen auf Asbest untersucht und Sanierungen eingeleitet (S. 193). Ein

Sonderuntersuchungsprogramm hatte sich auch mit den asbesthaltigen Nachtspeicheröfen befasst.

Nach einiger Vorbereitung wurde unmittelbar nach Inkrafttreten der Hessischen PCB-Richtlinie 1993

alle vom Baujahr her in Frage kommenden Kindereinrichtungen auf Polychlorierte Biphenyle (PCB)

untersucht und bei Bedarf saniert (S. 199).

Schon zu Beginn der 1980er Jahre hat das Amt Untersuchungen zur Eignung von Teppichböden in

zwei Schulen vorgenommen und dort hohe Staub- und Keimgehalte gefunden (S. 205). Daran

schlossen sich 1995 weitere Untersuchungen in anderen Schulen zur Frage der Staubbelastung und

Teppichböden an (S. 206). Nach Beschwerden über schlechte Raumluftqualität und gesundheitliche

Beeinträchtigung in den so genannten IPI-Bau-Schulen wurden dort 1993 umfangreiche chemische

und physikalische Messungen vorgenommen. Insgesamt war die chemische Raumluftqualität als gut

zu bezeichnen, während die physikalischen Bedingungen (Licht, Schalldämmung, thermische

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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Behaglichkeit) als verbesserungswürdig eingestuft werden mussten. Ursachen für eingeschränktes

Wohlbefinden war weniger eine chemische Belastung als die physikalische Raumsituation (S. 207).

In den letzten Jahren gilt der Feinstaub als bedeutendster Außenluft-Schadstoff. Erste Untersu-

chungen in Berlin im Jahre 2001 haben gezeigt, dass auch in Klassenräumen mit hohen Feinstaub-

gehalten zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund hat das Stadtschulamt in Zusammenarbeit mit dem

Gesundheitsamt in den Wintermonaten 2006 bis 2008 große Untersuchungsserien zur Raumluft-

belastung in Klassenräumen mit Feinstaub durchgeführt. Parallel wurde auch die Kohlendioxid-

belastung untersucht, die in Schulen in aller Regel sehr hoch ist, wenn nicht ausreichend gelüftet

wird. Inzwischen liegt in Frankfurt einer der größten Datensätze zur Feinstaub- und Kohlendioxid-

belastung in Klassenräumen, inklusive Daten zur Raumnutzung, vor, d.h. Anwesenheit der Kinder im

Raum und deren Aktivitäten sowie zur Lüftung. Die Ergebnisse bestätigten eine hohe Feinstaub- und

Kohlendioxidbelastung auch in Frankfurter Schulen, zeigten aber auch Wege auf, wie diese Belastung

zu mindern ist. Die Stadt hat reagiert und eine Lüftungsinitiative gestartet sowie die Reinigung der

Klassenräume, die in Frankfurt wie in allen Kommunen in den 1990er Jahren aus finanziellen Gründen

reduziert worden war, wieder erhöht.

Frankfurt hat zwei der ersten Passivhausschulen in Deutschland gebaut. In Zusammenarbeit mit

dem Stadtschulamt und einem externen Institut hat das Stadtgesundheitsamt die Luftqualität in diesen

Schulen untersucht und auch hier Wege zu einer Verbesserung aufgezeigt (S. 218).

Auch die Hygiene in Altenpflegeheimen wird von Mitarbeitern des Bereichs Umwelthygiene seit

vielen Jahren standardisiert überwacht (S. 231). Die Heime werden intensiv beraten, es werden

Fortbildungsangebote gemacht, die stets gut besucht sind. Die Ergebnisse der infektionshygienischen

Begehungen zeigen eine stetige Verbesserung. 2004 wurde ein sog. Hygiene-Ranking eingeführt,

wonach die Heime ihren Qualitätsstand im Vergleich zu den anonymisierten Ergebnissen der anderen

Einrichtungen erkennen können; dieses Konzept wird nicht nur von den Heimen gut angenommen,

hierfür erhielt der Leiter des Sachgebiets im Jahre 2008 den Preis der Krankenhaus-Hygiene-Kon-

gress-Stiftung (S. 233).

Frühzeitig hat das Amt auch die Frage MRSA in Altenpflegeheimen (Methicillin resistenter

Staphylokokkus aureus) aufgegriffen und mit einigen Frankfurter Heimen an der ersten multizen-

trischen Studie des Robert Koch-Instituts im Jahre 1999 teilgenommen. Weitere Untersuchungen im

Rahmen verschiedener Doktorarbeiten folgten, wobei zuletzt auch weitere Keime mit Antibiotika-

resistenzen wie ESBL und VRE mit einbezogen wurden. Auf dieser Grundlage können die Heime

besser beraten werden und evidenzbasiert sachgerechte Hygienemaßnahmen empfohlen werden, die

die Mitbewohner angemessen schützen, ohne den einzelnen betroffenen Bewohner in seiner Lebens-

qualität zu sehr einzuschränken.

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Erfassung

von Infektionen oder von Keimen mit Antibiotikaresistenzen in Altenpflegeheimen wurde eine

Doktorarbeit vergeben: In einem Heim mit EDV-basierter Pflegedokumentation wurden nach

bestimmten Kriterien Infektionen erfasst. Im Rahmen der Untersuchung ergaben sich Hinweise für

eine leichte Modifikation dieser Kriterien, insgesamt haben diese sich aber sehr bewährt und können

auch für andere Einrichtungen empfohlen werden (S. 244).

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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Viele Studien weisen auf eine sehr verbesserungsbedürftige Mund- und Zahnhygiene bei

Bewohnern in Altenpflegeheimen hin; zum Einen wird immer wieder die nicht ausreichende zahn-

ärztliche Betreuung in den Heimen angemahnt, zum Anderen wurde wiederholt auf die unzureichen-

den Kenntnisse der Pflegenden hingewiesen. Vor diesem Hintergrund wurde eine weitere Doktorarbeit

in 2 Altenpflegeheimen in Frankfurt vergeben (S. 249): Ziel war es, nicht nur den (erwartet schlechten)

Zustand der Zahn- und Mundhygiene von Altenpflegeheimbewohnern zu erfassen, sondern im Rah-

men einer Interventionsstudie das Pflegepersonal zu schulen und den Erfolg in drei Nachunter-

suchungen der Bewohner nach 4, 8 und 12 Monaten zu überprüfen. Die Ergebnisse übertrafen die

Erwartungen, so dass derzeit Überlegungen angestellt werden, wie dieses Erfolgsprojekt allen

Heimen in Frankfurt angeboten werden kann. Die Verbesserung der Zahn- und Mundhygiene ist nicht

nur ein wichtiger Baustein der Krankheits-Prävention, sondern auch ein Beitrag zur Verbesserung der

Lebensqualität der Heimbewohner.

Weitere Präventionsthemen in Heimen waren und sind Maßnahmen zur Verhütung von

hitzebedingten Erkrankungen und Sterbefällen (S. 253) sowie die Verbesserung des Grippe-Impf-

schutzes zur Vermeidung erhöhter Grippe-Sterblichkeit (S. 256).

Verschiedenes

Es können in diesem Band nicht alle Aufgaben und Aktivitäten des Bereichs Umwelthygiene vor-

gestellt werden. Im Kapitel „Verschiedenes“ wird auf wenige ausgewählte Themen eingegangen.

Angesichts der Bedeutung des großen Flughafens in Frankfurt wird seit 2002 jährlich der sog.

Workshop Flughafenhygiene durchgeführt, bei dem sich Vertreter der Gesundheitsämter in

Deutschland, in deren Zuständigkeitsbereich ein Flughafen liegt, aber auch Vertreter von Fluglinien,

der Flughafenbetreiber, der Bundeswehr und Experten aus Bundesinstituten und Bundesministerien

nach Impulsreferaten von Experten intensiv fachlich austauschen. Die Themen sind weit gestreut, von

Infektions- und Seuchenprävention (Stichwort: Pest in Indien, SARS etc.) über Trinkwasserhygiene

(Betankung der Flugzeuge, Anforderungen an die Wasserqualität) etc.: Die Beiträge und Arbeits-

ergebnisse werden regelmäßig in Berichten zusammengefasst und gedruckt veröffentlicht und auch

über das Internet verfügbar gemacht (S. 260).

Nach der Reform des Gesundheitamtes im Jahre 2004 konnte eine weitere Mitarbeiterin aus einem

anderen Bereich für den Bereich Umwelthygiene gewonnen werden. Ihre Aufgabe ist die die Infor-

mation, Beratung und Hygiene-Überwachung in Friseurbetrieben, Kosmetikeinrichtungen etc. Die

Ergebnisse der Begehungen von 244 Friseuren werden dargestellt (S. 264), die Daten der Kosmetik-

einrichtungen liegen noch nicht ausgewertet vor.

In den letzten Jahren waren vermehrt nicht nur Fragen chemischer Schadstoffbelastungen oder

mikrobiologischer Krankheitsrisiken und deren Prävention zu bearbeiten. Wiederholt waren in Zusam-

menarbeit mit anderen städtischen Ämtern auch Fragen möglicher Gesundheitsprobleme durch tieri-

sche Schädlinge (z.B. Eichenprozessionsspinner) (S. 266) oder allergieauslösender Pflanzen (z.B.

Ambrosia) (S. 267) zu bearbeiten. Hier war umweltmedizinisches / allergologisches Wissen gefragt,

über Pressearbeit und Internet wurde die Allgemeinheit, über Beiträge im Hessischen Ärzteblatt

wurden die Ärzte über den aktuellen Sachstand in der Region informiert.

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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Weitere wichtige Themen waren ab etwa Mitte der 1990er Jahre, als viele Wohnhäuser im Rahmen

der Energiespardiskussion neue, dicht schließende Fenster erhielten, die sprunghaft angestiegenen

Klagen über Schimmel im Innenraum. Hier waren und sind zahlreiche Anfragen von Bürgerinnen

und Bürgern zu beantworten. Eine Mitarbeiterin des Bereichs Umwelthygiene führte in Schulen im

Jahr 2006 ein aktives Untersuchungsprogramm zur Frage Feuchte und Schimmel durch. Aus

fachlichen Gründen wird dabei neben der Ortsbegehung die Wandfeuchte gemessen und bei Bedarf

Ursachensuche bzw. Abhilfe-Maßnahmen gefordert – schon bevor manifester Schimmelbefall

eingetreten ist.

Im Rahmen der Diskussion um die Wirkungen elektromagnetischer Felder waren zahlreiche

politische Anfragen, aber auch unzählige Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zu bearbeiten. Es

gab einen großen Informationsbedarf. In wenigen Kindereinrichtungen wurden Messungen angeregt

und begleitet. Dadurch konnten Eltern und Erzieher sich selbst ein Bild machen.

Derzeit ist ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt des Bereichs Umwelthygiene die Frage der Gesundheits-

schädlichkeit von Fluglärm. Eine umfassende Literaturstudie steht vor ihrem Abschluss, darüber

hinaus wird eine Ergänzungsstudie der sof. Belästigungsstudie des Regionalen Dialogforums fachlich

und wissenschaftlich begleitet

Rückblick und Ausblick

Versucht man einen kurzen zusammenfassenden Rückblick, so zeigt sich, dass bestimmte Themen

immer aktuell waren und sind, wie z.B. Trinkwasserhygiene, Badewasserhygiene, Hygiene in Schulen

und Altenpflegeheimen. Fachfragen zu diesen Themen wurden in Frankfurt immer intensiv und auf

hohem Niveau bearbeitet. Die Expertise von Mitarbeitern der Abteilung wurde und wird in Fachgre-

mien bundesweit eingebracht, den Ergebnissen aus Frankfurt wird über Frankfurt hinaus große fach-

liche Anerkennung zuteil.

Andere Themen waren zu bestimmten Zeiten hochaktuell, wurden aber von neuen Themen abgelöst.

So hatten Bodenbelastungen und Altlasten - insbesondere mit Schwermetallen - in den 1980er Jahren

eine hohe Bedeutung und waren danach weitgehend „abgearbeitet“ – mit Ausnahme der 1991 be-

kannt gewordenen Dioxinproblematik in Kieselrot.

Im Bereich der Außenluftbelastung wurden die früheren klassischen Noxen Schwefeldioxid und Staub

durch staatliche Maßnahmen bereits ab den 1980er Jahren deutlich vermindert. Und auch die Benzol-

belastung im Umfeld von Tankstellen sowie die Perchlorethylenbelastung im Umfeld von Chemisch-

reinigungen konnte nach Einführung entsprechender Immissionsschutzverordnungen deutlich vermin-

dert werden. Derzeit stehen die Stickoxid- und Feinstaubbelastungen in der Außenluft im Fokus des

Interesses und der staatlichen Minderungsmaßnahmen.

Ende der 1970er und in den 1980er Jahren standen im Innenraum die Noxen Formaldehyd und

Pentachlorphenol (PCP) im Vordergrund, sie wurden ab Mitte der 1980er Jahre dann von der Abest-

problematik und zu Beginn der 1990er Jahre von der PCB-Problematik „abgelöst“. Allen diesen Noxen

war eine große öffentliche Aufmerksamkeit zuteil geworden und es waren umfangreiche Sanierungs-

programme in Frankfurter Schulen und Kindereinrichtungen durchgeführt worden. Vor diesem Hinter-

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Einleitung und Überblick - Trinkwasser - Allgemeines

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grund ist es auffallend, dass die Frage der Staub- und Kohlendioxidbelastung in Klassenräumen, die

schon seit vielen Jahrzehnten (Kohlendioxid seit Pettenkofer Mitte des 19. Jahrhunderts) bekannt und

weiterhin hochaktuell ist, wie die aktuellen Untersuchungen aus Frankfurt zeigen, vergleichsweise

wenig öffentliche Aufmerksamkeit erregt.

Sicher sind auch Möglichkeiten und Grenzen in den analytischen Methoden Mit-Ursachen für die un-

terschiedlichen Schwerpunkte zu unterschiedlichen Zeiten. So waren in der Umwelthygiene und Um-

weltmedizin zunächst die Schwermetalle analytisch valide zu erfassen, erst später waren Noxen wie

PCBs, verschiedene Pestizidgruppen oder die aktuelle Gruppe der Weichmacher (Phthalate) sicher zu

analysieren. Aus umweltmedizinischer Sicht zu begrüßen ist, dass die Methoden des Human-

Biomonitoring im umweltmedizinischen Bereich in den letzten Jahren erheblich erweitert wurden und

damit eine gute Möglichkeit zur Untersuchung und zur Bewertung der tatsächlichen Exposition gegen-

über Schadstoffen bieten. Im Stadtgesundheitsamt Frankfurt wurden bereits seit den 1980er Jahren

Human-Biomonitoringmethoden für umweltmedizinische Fragestellungen eingesetzt, stets wurde die

neueste verfügbare Analytik verwendet, zuletzt im Rahmen der Untersuchung von Einschülern auf

Acrylamid und Phthalate.

Wichtig ist die Information der Bevölkerung, weshalb ein umfangreiches Informationsangebot im

Internet zu den Fragen der Hygiene und Umweltmedizin eingestellt wurde (www.frankfurt.de Such-

worte Hygiene oder Trinkwasser etc.). Auch für Partner wie z.B. Schulen, Altenpflegeheime etc. sind

wichtige Informationen und Hilfen eingestellt, z.B. Musterhygienepläne. Der Internetauftritt wird regel-

mäßig aktualisiert. Ebenso wichtig erscheint auch die regelmäßige Aus- und Bewertung der Arbeits-

ergebnisse der Abteilung sowie deren Veröffentlichung in Berichten für die Stadt und in Beiträgen für

die Fachöffentlichkeit. All´ dies hat sich sehr bewährt und wird fortgesetzt werden.

Die Mitarbeiter der Abteilung halten durch viele Fortbildungen und Mitarbeit in Gremien ihr

Fachwissen auf hohem Niveau und aktuell, eine wichtige Voraussetzung, um auch zukünftige, neue

und bisher unbekannte Herausforderungen im Bereich Umwelthygiene gut bearbeiten zu können –

zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger Frankfurts.

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Wasser - Trinkwasser - Allgemeines

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Wasser

Trinkwasser

Allgemeines

Trinkwasserbedingte Seuchen-/ Infektionsausbrüche sind heute in den Ländern der westlichen Welt

durch eine entsprechende Trinkwasseraufbereitung und -überwachung sehr selten. Die früher

häufigen trinkwasserbedingten Ausbrüche durch Fäkalkeime wie Cholera und Typhus kommen heute

nicht mehr vor, dafür sind in den letzten Jahren neue trinkwasserbedingte Krankheitserreger

aufgetreten und Ausbrüche publiziert wurden, insbesondere durch Legionellen. Die Wasserversorger

sind verpflichtet, engmaschige Kontrollen des Trinkwassers durchzuführen, darüber hinaus werden sie

zusätzlich durch die Gesundheitsämter überwacht. Bei auffälligen Befunden muss das

Gesundheitsamt unverzüglich Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung anordnen, z.B.

Abkochempfehlung oder Ersatz-Wasserversorgung etc. Durch diese Regelungen sind größere

Seuchen weitgehend zu verhindern.

Die Problematik der Veränderung der Trinkwasserqualität durch Hausinstallationen ist aus Studien

hinlänglich bekannt: So können aus entsprechenden Materialien der Leitungen und Armaturen ggf.

Blei, Kupfer und Nickel oder auch Cadmium freigesetzt werden. In mikrobiologischer Sicht und

schwerwiegender wie die chemischen Kontaminationen ist das Problem des Wachstums von

Legionellen, einer thermophilen Bakterienart, in Hausinstallationen. Hierzu werden an anderer Stelle

des Berichtes noch ausführliche Daten vorgestellt.

Die Trinkwasserverordnung 2001

Die heutige Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) steht am Ende einer langen Entwicklung des

nationalen Seuchenrechts und des nationalen und EG-Trinkwasserrechts. Der Berichtszeitraum

dieses Berichtes deckt sich nahezu vollständig mit der Dauer des Bestehens der

Trinkwasserverordnung, die erstmalig 1976 erlassen wurde.

Seit 1980 werden die Minimalan-

forderungen an die Trinkwasser-

qualität auf EU-Ebene festgelegt,

die Richtlinie aus dem Jahre 1980

wurde 1998 novelliert. Dies führte

zum Novellierungsbedarf der Trink-

wasserverordnung von 1986 sowie

1990 und der TrinkwV 2001, die am

1.1.2003 in Kraft trat. Dabei ist es

wichtig zu wissen, dass die Mit-

gliedstaaten in ihrer nationalen

Gesetzgebung über die gesetzten

Minimalanforderungen der EG-Trinkwasserrichtlinie hinausgehen können und das nationale

Schutzniveau, das vor 1998 bestand, durch die Umsetzung der EG-Trinkwasserrichtlinie nicht

verringert werden durfte. Die TrinkwV 2001 enthält eine Vielzahl kleinerer und größerer Neuerungen,

deren vollständige Darstellung den Rahmen dieses Berichts sprengen würde.

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Wasser - Trinkwasser - Allgemeines

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Welches aber sind die wesentlichen neuen Merkmale der TrinkwV 2001?

Legaldefinition des Begriffs „Trinkwasser“

Die Begriffe „Wasser für den menschlichen Gebrauch", „Trinkwasser" und "Wasser für Lebensmittel-

betriebe" sind Synonym für Trinkwasser im Sinne der TrinkwV. Das bedeutet, dass Wasser

ungeachtet seines Aggregatzustandes Trinkwasserqualität aufweisen muss, wenn es für folgende

Zwecke verwendet werden soll:

Trinken

Kochen

Zubereitung von Speisen und Getränken

Körperpflege und -reinigung

Reinigung von Gegenständen, die bestimmungsgemäß mit Lebensmitteln in Berührung

kommen

Reinigung von Gegenständen, die bestimmungsgemäß nicht nur vorübergehend mit dem

menschlichen Körper in Kontakt kommen

Herstellung, Behandlung, Konservierung oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln

Reinigung von Gegenständen und Anlagen der Lebensmittelherstellung, soweit die Güte des

Lebensmittels dadurch beeinträchtigt werden kann

Geltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik

Wasser für den menschlichen Gebrauch muss frei von Krankheitserregern, genusstauglich und rein

sein. Das Qualitätsziel der TrinkwV gilt als erfüllt, wenn bei der Wassergewinnung, der

Wasseraufbereitung und der Verteilung die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten

werden und das Wasser für den menschlichen Gebrauch Grenzwerten der Verordnung entspricht. Als

Folge der quasi gesetzlichen Bedeutung der allgemein anerkannten Regeln der Technik müssen sich

die Gesundheitsämter seit 2003 stark mit technischen Fragen, vor allem in der Haus-

installationstechnik, beschäftigen.

Einhaltung der Güteanforderungen an das Trinkwasser am Zapfhahn des Verbrauchers

Die Anforderungen der Verordnung sind nicht nur beim Wasserversorger, sondern direkt am Zapfhahn

des Verbrauchers einzuhalten, dies war erstmals in der TVO 1990 festgelegt und wurde beibehalten.

Dies bedeutet, dass Trinkwasserhausinstallationen als Wasserversorgungsanlagen i.S.d. TrinkwV

gesehen werden und, soweit sie Trinkwasser an die „Öffentlichkeit“ abgeben, der Überwachung durch

die Gesundheitsämter unterliegen.

Sehr weitgehende Zuständigkeitszuordnung für die lokalen Gesundheitsämter

Die Konkretheit und Praktikabilität des Vollzugs sollte mit der TrinkwV 2001 verbessert werden.

Ausgehend von der Überlegung, dass die lokalen Gesundheitsämter über die besten Kenntnisse der

jeweiligen Wasserversorgungsanlagen verfügen, haben sie in den meisten Fällen nun auch die

Entscheidungsbefugnis erhalten. Nur in übergreifenden Fragen und im Zusammenhang mit Berichts-

pflichten gegenüber der EG wird auf die vorgesetzten Dienstbehörden verwiesen.

Verschärfung des Grenzwertes für Blei

Eine Reihe von neueren Studien berichten über einen Zusammenhang mit einer verminderten

geistigen Entwicklung bei Kindern und einer erhöhten Aufnahme von Blei, was zu einer Absenkung

des Bleigrenzwertes mit der TrinkwV 2001 führte. Der neue Grenzwert für Blei von 0,01mg/l tritt am 1.

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Wasser - Trinkwasser - Allgemeines

15

Trinkwasserförderung/ Bezug

0

10000

20000

30000

40000

50000

60000

70000

80000

90000

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

in 1

000

m3

Stadtw erke

Stadtgebiet

Dezember 2013 in Kraft. Der Grenzwert der TrinkwV 1990 von 0,04mg/l wird übergangsweise ab dem

1. Dezember 2003 bis zum 30. November 2013 durch den Grenzwert von 0,025mg/l ersetzt. Diese

zeitlich gestaffelte Verschärfung soll den finanziellen Handlungsspielraum für ggf. notwendige

Sanierungsmaßnahmen vergrößern. Siehe auch Kapitel: Das Frankfurter Blei-Projekt „Frankfurt trinkt

bleifrei!“ Seite 20.

Etablierung von Legionellenuntersuchungen in Hausinstallationen

Legionellen-Pneumonie (Legionelllose) ist heutzutage die einzige wasserbürtige Erkrankung, bei

denen es in der amtlichen Statistik Erkrankungen und Todesfälle gibt. Daher war es notwendig,

Untersuchungen des Trinkwassers auf Legionellen im Zusammen mit der Überprüfung von „öffent-

lichen“ Hausinstallationen einzuführen. Allerdings verzichtet die TrinkwV 2001 auf einen Grenzwert für

Legionellen und verweist auf die allgemein anerkannte technische Regel W 551.

Verbesserung des Verbraucherschutzes

Das in der EG-Trinkwasserrichtlinie vorgegebene Ziel der besseren Information der Verbraucher

bezüglich Aufbereitungsstoffe, Grenzwertüberschreitungen und der Trinkwasserqualität im Allge-

meinen wurde umgesetzt.

Der Trinkwasserverbrauch in Frankfurt

Der Trinkwasserverbrauch in Frankfurt am Main ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zurück-

gegangen und liegt derzeit bei etwa 130l/Einwohner und Tag. Gründe hierfür sind der rationelle

Umgang mit Trinkwasser durch Wasserspararmaturen, wassereffizientere Haushaltsgeräte und die

Zunahme von Kreislaufprozessen in Wirtschaft und Gewerbe.

Abb. 1 Trinkwasserförderung und –Bezug in Frankfurt 1985-2005

Daten aus den Statistischen Jahrbüchern der Stadt Frankfurt am Main - Bis 2000 einschließlich Flughafen; ab 2001 wird der Flughafen direkt von Hessenwasser beliefert und geht aus dieser Statistik der Mainova heraus.

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Wasser - Trinkwasser - Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung § 18: Überwachung von Hausinstallationen Wasser für den öffentlichen Gebrauch

16

Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung § 18: Überwachung von Hausinstallationen Wasser für den öffentlichen Gebrauch

Die Überwachung des Trinkwassers auf Grundlage der Trinkwasserverordnung ist eine der zentralen

Aufgaben der Gesundheitsämter. Diese wurde mit Inkrafttreten der neuen Trinkwasserverordnung

20011 im Jahr 2003 erheblich ausgeweitet. Demnach hat das Gesundheitsamt Wasserversorgungs-

anlagen zu überwachen, „aus denen Wasser für die Öffentlichkeit, insbesondere in Schulen,

Kindergärten, Krankenhäusern, Gaststätten und sonstigen Gemeinschafteintrichtungen, bereitgestellt

wird“ (TVO § 18). Durch die Novellierung der Trinkwasserverordnung hat sich in Frankfurt am Main die

Zahl der zu überwachenden Einrichtungen von ca. 300 auf ca. 4700 erhöht. Da nicht alle jährlich

begangen werden müssen, bedeutet dies eine Steigerung von ca. 300 auf ca. 1600 jährlich zu

überwachende Anlagen.

Da die neu hinzugekommenen Untersuchungen der Kindereinrichtungen, Hotels und Gaststätten etc.

nicht mit dem bereits vorhandenen Personal durchzuführen waren und angesichts der kommunalen

Finanzlage eine Ausweitung des Personals nicht möglich war, wurden seitens der Stadt Frankfurt eine

innovative Lösung unter strikter Beachtung der Anforderungen der TrinkwV gesucht. So wurde zur

Entnahme und Untersuchung von Wasserproben in diesen Einrichtungen ein nach § 19 Abs. 2

TrinkwV 2001 bestelltes Institut beauftragt. Der Beauftragung ging ein Ausschreibungsverfahren

voraus. Darüber hinaus wurde für Kindereinrichtungen und Schulen eine vom Stadtgesundheitsamt

finanzierte Vorerhebung der technischen Daten an Ingenieurbüros vergeben. So konnte sichergestellt

werden, dass 2004/5 flächendeckend alle Kindereinrichtungen, medizinischen Einrichtungen sowie

Turnhallen und Bäder untersucht und technisch erfasst wurden – weitere Einrichtungen wie Hotels,

Wohnheime wurden systematisch in einem zweiten Schritt bis Sommer 2006 untersucht.

Für die Erfassung der technischen Daten der Hausinstallation wurde zunächst ein Fragebogen

erarbeitet, der Fragen zu Leitungsmaterialien, zur Trinkwassererwärmung, zu Brandschutzleitungen,

zum Gebäude allgemein, zur Zirkulation und zu Wasseraufbereitungsanlagen etc. erfasst. Die

Besichtigungen der Wasserversorgungsanlagen der ohnehin bereits in der Überwachung des

Gesundheitsamtes befindlichen Einrichtungen wie Schulturnhallen, Krankenhäuser, Altenpflegeheime

etc. wurden mit dieser Checkliste durch Mitarbeiter des Amtes (Ingenieure/Gesundheitsaufseher)

vorgenommen. In Kindereinrichtungen und Schulen (ohne Schulturnhallen) wurden die technischen

Vorerhebungen von beauftragten Ingenieurbüros durchgeführt. Die Beprobung der Systeme wurde

größtenteils durch ein beauftragtes Labor (§ 19 TrinkwV 2001 bestellte Stellen) vorgenommen, die

Analytik der Proben fand ausschließlich durch dieses Labor statt.

Chemische Stoffe: Nach § 19 Ab. 7 wurde untersucht auf Blei, Nickel und Kupfer. Es wurde eine

gestaffelte Stagnationsbeprobung gemäß Empfehlung des Umweltbundesamtes vorgenommen2 (S0:

Probe von 1l Volumen aus dem fließenden Wasser nach Ablaufenlassen bis Temperaturkonstanz; S1:

Probe von 1l Volumen nach einer Stagnationszeit von 4 Stunden nach der S0 Probe ohne

Ablaufenlassen; S2: Probe von 1l Volumen direkt nach der S1 Probe ohne weiteres Ablaufenlassen);

Cadmium wurde zusätzlich in der S2 Probe nach TrinkwV 2001 Anlage 2 Teil II untersucht. Weiterhin

1 TVO (2001) Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung vom Mai 2001; Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung TrinkwV 2001); Bundesgesetzblatt Jahrgang 2001, Teil I Nr. 24, ausgegeben zu Bonn am 28. Mai 2001 2 UBA (2004) Empfehlungen des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung: Beurteilung der Trinkwasserqualität hinsichtlich der Parameter Blei, Kupfer und Nickel. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 47: 296-300

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Wasser - Trinkwasser - Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung § 18: Überwachung von Hausinstallationen Wasser für den öffentlichen Gebrauch

17

wurden im Kaltwasser Nitrit sowie die Fäkalindikatoren (E. coli, Enterokokken, Coliforme

Bakterien, (TrinkwV-Anlage 1 Teil 1) und die Koloniezahlen bei 22°C und 36°C im Kalt- und

Warmwasser (TrinkwV-Anlagen 3 Nr. 9 und 10) bestimmt. Zusätzlich wurde Warmwasser, sofern

Duschen und eine zentrale Trinkwassererwärmung vorhanden waren, nach Ablauf gemäß Empfeh-

lungen des Umweltbundesamtes3 und des DVGW Arbeitsblatts W 5514 in Verbindung mit Anlage 4

Teil I der TrinkwV 2001 auf Legionellen beprobt und analysiert.

Von 2004 bis 2005 wurden in 826 „öffentlichen“ Hausinstallationen chemische und mikrobiologische

Wasseruntersuchungen durchgeführt. Hierbei sind die Legionellenuntersuchungen (s. S. 36) und

Mehrfachuntersuchungen im gleichen Gebäude nicht berücksichtigt. 2003-2005 wurden insgesamt

826 Liegenschaften (546 Kindereinrichtungen, 203 Schulen, 21 Krankenhäuser, 32 Altenpflegeheime,

7 Hotels, 1 Sportanlage und 26 sonstige Gebäude) untersucht. In den Jahren 2006-2007 wurden

weitere 494 Liegenschaften untersucht, wobei der Schwerpunkt bei den Hotels (n=191) und den

Sportanlagen (n=89) lag. Sofern die Hausinstallation einer Liegenschaft mehrere separate Systeme

umfasste, wurde jedes System für sich beprobt. Die Anzahl der Probenahmen lag daher erheblich

höher als die Anzahl der untersuchten Liegenschaften. Tab. 1 gibt einen Überblick über sämtliche

Untersuchungen in Einrichtungen, die „Wasser für die Öffentlichkeit“ abgeben.

Tab. 1 Trinkwasseruntersuchungen in Einrichtungen in Frankfurt, aus denen „Wasser für die Öffentlichkeit“ abgegeben wird – 2003 bis Oktober 2008

KITA Schulen Kranken-häuser

Alten-pflege-heime Hotels

Sport-stätten

Verschie-dene Alle

2003 2 0 1 0 1 0 2 6 2004 113 51 13 13 4 0 15 209 2005 431 142 7 19 2 1 9 611 2006 15 0 17 35 189 46 75 377 2007 17 10 16 36 2 22 14 117 2008* 9 7 19 25 9 4 39 112 Gesamt 587 210 73 128 207 73 154 1432 2003-2005 546 193 21 32 7 1 26 826 2006-2008 41 17 52 96 200 72 128 606

* bis Oktober 2008

Die Ergebnisse der Untersuchungen der Metalle Blei, Nickel, Kupfer, von Cadmium und Nitrit im

Kaltwasser sind in Tab. 2 zusammengefasst dargestellt. Der Grenzwert der TrinkwV 2001 für Blei liegt

derzeit bei 0,025mg/l, für Kupfer bei 2mg/l, für Nickel bei 0,02mg/l und für Cadmium bei 0,005mg/l. Bei

der Beprobung von über 1300 Systemen wurden in de S2-Proben 5 Grenzwertüberschreitungen für

Blei (> 0,025mg/l) (4 Hotels, 1 versch.), 9 für Kupfer (7 Hotels, 1 Krankenhaus und 1 Sportstätte) und

20 für Nickel festgestellt. Der Grenzwert für Cadmium in der S2-Probe war in sechs Einrichtungen

überschritten (2 Kindereinrichtungen und 4 Schulen). Bei Nitrit war der Grenzwert in allen Analysen

unterschritten, der höchste Messwert lag bei 0,06mg NO2/l.

3 UBA (2000) Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung: Nachweis von Legionellen in Trinkwasser und Badebeckenwasser, Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trink- und Badewasserkommission des Umweltbundesamtes; Bundesgesetzblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 43: 911-915 4 DVGW (2004) Technische Regel Arbeitsblatt W 551: Trinkwassererwärmungs- und Trinkwasserleitungsanlagen; Technische Maßnahmen zur Verminderung des Legionellenwachstums; Planung, Errichtung, Betrieb und Sanierung von Trinkwasser-Installationen (April 2004)

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Wasser - Trinkwasser - Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung § 18: Überwachung von Hausinstallationen Wasser für den öffentlichen Gebrauch

18

Die Liegenschaften mit erhöhten Bleigehalten im Trinkwasser wurden in das Bleiprojekt übernommen.

Bei Kupfer, Nickel und Cadmium ergaben sich nur in weniger als 2% der Proben geringfügige

Grenzwertüberschreitungen und somit ein Handlungsbedarf des Gesundheitsamtes. Da effektive

Sanierungsmöglichkeiten fehlen, können die Gesundheitsämter in diesen Fällen nur das Ablaufen-

lassen von Trinkwasser vor dem menschlichen Genuss empfehlen.

Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen aus Kalt- und Warmwasser (ohne Legionellen)

sind in Tab. 3 zusammengefasst dargestellt. Im Kaltwasser wurde E coli in 2 von 1558 (0,1%) Proben

(2x Kindereinrichtung) nachgewiesen, Enterokokken wurden 2x nachgewiesen. Die Koloniezahl bei

22°C wies in 25 von 1679 (1,5%) Kaltwasserproben und in 87 von 806 (10,8%) Warmwasserproben

mehr als 100 KBE/ml auf, die Koloniezahl bei 36°C lag in 61 von 1679 Proben (13,6%) Kaltwasser

und 232 von 806 (28,8%) Warmwasserproben über 100 KBE/l. In allen Gebäuden, in denen Dusch-

wasser vorhanden war, wurden Warmwasserproben auf Legionellen untersucht. (s. S. 38).

Mikrobiologie: Escherichia coli, coliforme Bakterien und Enterokokken gelten als Fäkalindikatoren

(Ausnahme bestimmte Gattungen der Coliformen und der Enterokokken), weshalb bei Grenzwert-

überschreitungen sofort Schutzmaßnahmen eingeleitet werden müssen. Eine generelle Untersu-

chungspflicht für diese Parameter besteht nach der Trinkwasserverordnung für Hausinstallationen

nicht. Auch in § 19 Abs. 7 (Umfang der Überwachung durch die Gesundheitsämter) sind mikro-

biologische Parameter nicht explizit benannt. Dennoch haben wir E coli, Coliforme und Enterokokken

sowie die Keimzahlen bei 20°C und 36°C mituntersucht. Auch im Hinblick auf diese mikrobiologischen

Parameter waren die Ergebnisse der Routineuntersuchung der Hausinstallationen insgesamt

unproblematisch. In wenigen Einzelfällen wurden Grenzwertüberschreitungen für E coli und Coliforme

gefunden; die seitens des Amtes umgehend durchgeführten Nachkontrollen blieben ohne

Beanstandung. Unsere Untersuchungen haben keine Hinweise erbracht, dass diese Parameter

außerhalb von anlass- bzw. beschwerdeabhängigen Untersuchungen sinnvollerweise und zwingend

im Rahmen von Routineuntersuchungen von Hausinstallationen durchgeführt werden sollten.

Obwohl die Trinkwasserverordnung engmaschigere Überwachungen (jährlich, max. 2-jährlich)

vorschreibt, erscheint es aus fachlicher Sicht vor dem Hintergrund der erhaltenen Ergebnisse

vertretbar, diese Hausinstallationen im Hinblick auf Metalle, Nitrit und Mikrobiologie in sehr weiten

Überwachungsrhythmen zu kontrollieren. Demgegenüber erscheint die Untersuchung auf Legionellen

sowie die Besichtigung der Hausinstallationen und die Erfassung wesentlicher hygienerelevanter

technischer Daten mit potentiellen trinkwasserhygienischen Risiken vordringlich (s. S. 38).

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Wasser - Trinkwasser - Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung § 18: Überwachung von Hausinstallationen Wasser für den öffentlichen Gebrauch

19

Tab. 2 Ergebnisse der Trinkwasseruntersuchungen auf Metalle 2003-Oktober 2008

KiTa Schulen Krankenhäuser Altenpflegeheime Hotels Sportstätten Verschiedene Alle GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW mg/l n N % n n % n n % n n % n n % n n % n n % n n %

S0 0,025 577 0 0,0 211 0 0,0 58 0 0,0 81 0 0,0 195 0 0,0 96 0 0,0 109 1 0,9 1327 1 0,1 S1 0,025 575 1 0,2 211 0 0,0 58 1 1,7 81 0 0,0 195 10 5,1 96 1 1,0 109 1 0,9 1325 14 1,1

Blei

S2 0,025 574 0 0,0 211 0 0,0 58 0 0,0 81 0 0,0 195 4 2,1 96 0 0,0 109 1 0,9 1324 5 0,4 S0 2 578 0 0,0 211 0 0,0 59 0 0,0 82 0 0,0 196 0 0,0 96 0 0,0 132 0 0,0 1354 0 0,0 S1 2 570 0 0,0 211 1 0,5 59 1 1,7 82 0 0,0 196 10 5,1 96 2 2,1 130 4 3,1 1344 18 1,3

Kupfer

S2 2 570 0 0,0 211 0 0,0 59 1 1,7 82 0 0,0 196 7 3,6 96 1 1,0 130 0 0,0 1344 9 0,7 S0 0,02 579 1 0,2 211 0 0,0 59 0 0,0 88 1 1,1 196 1 0,5 96 1 1,0 122 0 0,0 1351 4 0,3 S1 0,02 577 14 2,4 211 9 4,3 59 4 6,8 84 10 11,9 195 16 8,2 91 1 12,1 120 14 11,7 1337 78 5,8

Nickel

S2 0,02 576 1 0,2 211 3 1,4 59 2 3,4 82 4 4,9 195 2 1,0 90 4 4,4 120 4 3,3 1333 20 1,5 Cd S2 0,005 566 2 0,4 203 4 2,0 56 0 0,0 82 0 0,0 197 0 0,0 90 0 0,0 102 0 0,0 1296 6 0,5 Nitrit 0,5 526 0 0,0 197 0 0,0 5 0 0,0 11 0 0,0 0 0,0 0 0,0 5 0,0 744 0 0,0

Tab. 3 Ergebnisse der mikrobiologischen Trinkwasseruntersuchungen 2003- Oktober 2008

KiTa Schulen Krankenhäuser Altenpflegeheime Hotels Sportstätten Verschiedene Alle GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW alle > GW

KW n n % n n % n n % n n % n n % n n % n n % n n % EC 0 570 2 0,4 242 0 0 114 0 0 101 0 0 214 0 0 92 0 0 223 0 0 1558 2 0,1 EK 0 585 0 0,0 206 0 0 68 1 1,5 120 0 0 214 0 0 92 0 0 186 1 0,5 1461 2 0,1 PA 0 11 1 9,1 0 0 182 41 22,5 88 2 2,3 8 0 0 0 0 0 78 5 6,4 367 49 13,4

KBE 20°C 100 613 2 0,3 244 2 0,8 152 1 0,7 117 5 4,3 214 6 2,8 92 3 3,3 247 6 2,4 1679 25 1,5 KBE 36°C 100 613 8 1,3 244 7 2,9 152 18 11,8 117 3 2,6 214 9 4,2 92 4 4,3 247 12 4,9 1679 61 3,6

WW KBE 20°C 100 308 9 2,9 16 1 6,3 51 1 2,0 71 1 1,4 183 45 24,6 6 6 7,6 98 24 24,5 806 87 10,8 KBE 36°C 100 308 28 9,1 16 0 0 51 1 2,0 71 2 2,8 183 129 70,5 23 23 29,1 98 49 50,0 806 232 28,8

KW Kaltwasser; WW Warmwasser, GW Grenzwert; EC E. coli; EK Enterokokken; PA Pseudomonas aeroginosa; KBE koloniebildende Einheiten

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

20

Pseudomonas aeruginosa

Pseudomonas ist ein so genannter Nasskeim, der sich auch in nährstoffarmen Wässern massenhaft

vermehren kann. Als primär krankenhaushygienischer Problemkeim stellt er für immungeschwächte

Patienten eine große Bedrohung dar. Ebenso sind Pseudomonas-Infektionen der Haut und des

Mittelohrs als so genannte „Badeinfektionen" bekannt. Über das Trinkwasser und im Zusammenhang

mit dem Kontakt mit der „Normalbevölkerung" kennt die wissenschaftliche Literatur keine sicheren

Belege für eine krankmachende Wirkung. Infolge dessen ist P.a. kein Standardparameter der TrinkwV

2001, lediglich im Zusammenhang mit Wasser, welches zur Abfüllung in Flaschen oder andere

Behälter vorgesehen ist, ist ein Grenzwert in Höhe von 0/250ml festgesetzt.

Die bisherigen Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes zeigen, dass Pseudomonas aeruginosa

bei Untersuchungen, die mit den gemäß der TrinkwV2001 anzuwendenden Probenahmen mit

Desinfektion des Entnahmehahns durchgeführt werden, nur selten nachweisbar ist. Die hohen Anteile

positiver Befunde der Tab. 3 rühren von wiederholt positiven Untersuchungsergebnissen immer der

gleichen Hausinstallationen her und verfälschen das Bild insgesamt. Dies zeigt Tab. 4 unten, in

welcher nur die Erstuntersuchungen pro Einrichtung und Jahr zusammengestellt sind.

Tab. 4 Trinkwasseruntersuchungen auf Pseudomonas aeruginosa in Hausinstallationen – nur Erstuntersuchungen pro Einrichtung und Jahr (Stand 15. Oktober 2008)

KITA Schulen Kranken

haus Alten-

pflegeheim Hotel Versch. Alle n pos n pos n pos n pos n pos n pos n pos %

2004 2 0 1 0 3 0 02005 1 0 1 0 1 0 1 0 4 0 02006 3 0 17 0 29 0 1 0 49 0 02007 2 0 6 1 10 0 7 2 26 3 11,52008 2 0 13 0 21 0 3 0 15 0 54 0 0

alle 8 0 0 0 37 1 62 0 4 0 25 2 136 3 2,2

Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

Trinkwasser kann durch Kontakt mit Leitungsmaterialien mit Blei, Kupfer etc. kontaminiert werden.

Das Frankfurter Blei-Projekt „Frankfurt trinkt bleifrei!“

Bereits früh in der Zivilisationsgeschichte wurde Blei vielfältig verwandt: Als Farbe, als Schreibmaterial

und auch im Haus- und Schiffsbau. Bis ins 19. Jahrhundert wurde Blei häufig verarbeitet, bleihaltige

Glasuren auf Gefäßen für den täglichen Gebrauch waren weit verbreitet. Im Rahmen der Ver-

städterung und des Ausbaus der zentralen Wasserversorgungen wurden häufig bleihaltige Trink-

wasserleitungen eingebaut. In der Folge kam es zu zahlreichen Bleiepidemien, u.a. auch 1911 in

Frankfurt am Main. Auch die bleihaltigen Antiklopfmittel im Benzin führten zu einer erheblichen

Umweltbelastung. Erst durch die vom Gesetzgeber veranlassten Luftreinhaltemaßnahmen, allen

voran das Benzin-Bleigesetz, war eine deutliche Abnahme der Bleibelastung in der Umwelt, aber auch

in der Bevölkerung festzustellen. Letztere beträgt heute weniger als 1/10 der noch in den 1980er

Jahren gemessenen Werte.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

21

Unter umweltmedizinischen Aspekten spielen chronische Bleiwirkungen im Niedrigdosisbereich auf

das Nerven- und Blutbildungssystem sowie auf die Nieren eine Rolle. Das Nervensystem ist gegen-

über Blei besonders empfindlich; bei Kindern mit einem Blutbleigehalt von 100-300µg/l sind neuro-

psychologische Veränderungen zu beobachten, die sich als persistierende, möglicherweise irrever-

sible Intelligenzdefizite und psychomotorische Defizite äußern. Bei Kindern wurden subtile Nieren-

funktionsstörungen ebenfalls ab etwa 100µg Pb/l festgestellt. Blei beeinträchtigt die Synthese des

roten Blutfarbstoffs Hämoglobin ab etwa 200µg/l.

Nach den beschriebenen Luftreinhaltemaßnahmen hat die innere Bleibelastung der Bevölkerung in

Deutschland stark abgenommen. Die aktuellen Referenzwerte, die von 95% der Bevölkerung unter-

schritten werden, liegen deutlich unter 100g/l: Kinder 50µg/l, Frauen 70µg/l und Männer 90µg/l.

Die Weltgesundheitsorganisation hat einen Richtwert für Blei im Trinkwasser von 10µg/l vorgeschla-

gen, der über die neue Trinkwasserverordnung bis zum Jahre 2013 in Deutschland als Grenzwert

umgesetzt wird. Heute ist in Deutschland das in Häusern mit bleihaltigen Trinkwasserleitungen

vorhandene bleihaltige Trinkwasser noch die letzte relevante Quelle für eine Bleibelastung in der

Allgemeinbevölkerung. Nach Erkenntnissen aus den 1980er Jahren sollten in Frankfurt am Main noch

ca. 7800 Liegenschaften mit 55.000 Wohnungen über Trinkwasserinstallationen aus Blei verfügen.

Demnach musste davon ausgegangen werden, dass ca. 10% aller Frankfurter Bürger zumindest

zeitweilig Trinkwasser mit erhöhten Bleigehalten zu sich nehmen. In Frankfurt am Main waren zwar

die im städtischen Besitz befindlichen bleihaltigen Hauseinführungsleitungen vom Versorgungs-

unternehmen bis Anfang der 1990er Jahre praktisch gänzlich entfernt worden, viele privateigene

Hauseinführungsleitungen und Hausinstallationen bestanden aber noch aus Blei. Die Bleikon-

zentration des Frankfurter Trinkwassers nach Passage des Verteilungsnetzes liegt bei <0,002mg/l. In

Hausinstallationen waren hingegen aus früheren Untersuchungen Bleigehalte bis zu 1,980mg/l

bekannt. Folglich bestand beim Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main ein großes Interesse an einer

Revision dieser Daten mit dem Ziel, Zug um Zug alle bleihaltigen Trinkwasser-Hausinstallationen in

Frankfurt am Main der Sanierung zuzuführen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde im Jahr 1996 im

Stadtgesundheitsamt das “Blei-Projekt” entwickelt. Das Projekt begann nach einiger Vorbereitungszeit

im März 1997, die erste Probenahmeserie lief ab September 1997.

Als Maßnahme zum Verbraucherschutz wird streng darauf geachtet, dass die Eigentümer ihre Mieter

umgehend über die Bleikonzentrationen ihres Trinkwassers schriftlich informieren. Damit soll sicher-

gestellt werden, dass die Mieter sich bis zu einer Sanierung gegen die Aufnahme von Blei über das

Trinkwasser durch Ablaufenlassen oder durch Substitution schützen können.

Das Vorgehen im Rahmen des Blei-Projektes:

Ermittlung der derzeitigen Eigentumsverhältnisse über ein Anschreiben an die Eigentümer

und Aufforderung, Auskunft über die derzeitigen Werkstoffe der Hausinstallation zu geben.

Einstellung der Ermittlungen bei Vorlage einer Bescheinigung eines beim Wasserver-

sorgungsunternehmen zugelassenen Installationsbetriebes, dass keine Trinkwasser-Blei-

leitungen in der betreffenden Liegenschaft mehr vorhanden sind oder bei anderen nachvoll-

ziehbaren und glaubhaften Nachweisen wie z.B. Originalrechnungen von Sanierungen.

Anordnung einer amtlichen Wasseruntersuchung, falls die Hausinstallation noch bleihaltig ist

oder bei unklaren Auskünften.

Durchführung der Probenahme an der am ungünstigsten gelegenen Küchenzapfstelle des

betreffenden Hauses und Analyse durch die beauftragten Unternehmen.

Aufforderung zur Sanierung binnen Jahresfrist ab Feststellung der Grenzwertabweichung,

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

22

sofern der Blei-Grenzwert der TrinkwV in der amtlichen Wasseruntersuchung in einer der

Proben überschritten wurde.

Veranlassung einer Information des Eigentümers an seine Mieter über das Ergebnis der

amtlichen Untersuchung im Fall der Grenzwertüberschreitung und Darlegung der

Schutzmaßnahmen bis zur Sanierung.

Einleitung entsprechender Rechtsverfahren, wenn der Sanierungsaufforderung nicht ent-

sprochen wird oder wenn Ordnungswidrigkeiten nach der TrinkwV vorliegen.

Die Ergebnisse der Arbeiten des Bleiprojekts von 1997 bis Ende 2007 sind in Tab. 5 und Abb. 2

zusammengefasst. Da auch Häuser in die Überwachung mit einbezogen werden, die dem Amt durch

Anfragen/Hinweisen von Bewohnern bekannt werden, hat die Gesamtzahl der „abzuarbeitenden“

Liegenschaften in den letzten Jahren leicht zugenommen. Im Oktober 2007 waren alle uns bekannten

Liegenschaften mit Bleiverdacht angeschrieben.

Bezogen auf die angeschriebenen Liegenschaften hat sich der Anteil der Liegenschaften, die bereits

vor dem ersten Anschreiben saniert wurden, bis 2007 von 27% auf > 50% erhöht, wohingegen der

Anteil der Liegenschaften, die noch nicht saniert sind bzw. deren Sanierung nicht nachgewiesen

werden konnte, sich von 55% auf 28% deutlich reduziert hat. In etwa konstant geblieben sind dagegen

die jeweiligen Anteile der angeschriebenen Liegenschaften, die nach dem ersten Anschreiben

freiwillig saniert wurden (15-18%). Der Anteil der nach Trinkwasseranalyse sanierungspflichtigen

(angeschriebenen) Liegenschaften nahm mit zunehmender Dauer des Projekts ab (von 13% auf 9%).

Tab. 5 Frankfurter Bleiprojekt – Bearbeitungsstand jeweils zum Jahresende 2002 bis 2007

Bis Ende: 2002 2003 2004 2005 2006 2007 n n n n n n Liegenschaften alle 7948 8021 8092 8199 8250 8283

Angeschriebene Liegenschaften 2904 3384 4771 6139 7085 8283 Vor Anschreiben bereits saniert 790 980 1888 3048 3632 4327

Nach Anschreiben freiwillig saniert 521 593 690 969 1129 1256 Noch nicht saniert / nicht beweisbar 1593 1811 2193 2122 1734 2329

Untersuchte Liegenschaften 1382 1618 1861 2078 2259 2623 Sanierungsbedarf 382 413 601 648 681 758

Liegenschaften (Prozent) % alle % alle % alle % alle % alle % alle Angeschriebene Liegenschaften 36,5 42,2 59 74,9 85,9 100 Vor Anschreiben bereits saniert 9,9 12,2 23,3 37,2 44 52,2

Nach Anschreiben freiwillig saniert 6,6 7,4 8,5 11,8 13,7 15,2 Noch nicht saniert / nicht beweisbar 20,0 22,6 27,1 25,9 21,9 28,11

Untersuchte Liegenschaften 17,4 20,2 23,0 25,3 27,4 31,7 Sanierungsbedarf 4,8 5,1 7,4 7,9 8,3 9,2

Angeschriebene Liegenschaften (Prozent)

% an-geschr.

% an-geschr.

% an-geschr.

% an-geschr.

% an-geschr.

% an-geschr.

Vor Anschreiben bereits saniert 27,2 29 39,6 49,6 51,3 52,2 Nach Anschreiben freiwillig saniert 17,9 17,5 14,5 15,8 15,9 15,2

Noch nicht saniert / nicht beweisbar 54,9 53,5 46 34,6 24,5 28,1 Untersuchte Liegenschaften 47,6 47,8 39,0 33,8 31,9 31,7

Sanierungsbedarf 13,2 12,2 12,6 10,6 9,6 9,2

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

23

Abb. 2 Frankfurter Bleiprojekt – Bearbeitungsstand jeweils zum Jahresende 2002 bis 2007

Da die Trinkwasserverordnung im Jahre 2013 eine Absenkung des derzeit gültigen Grenzwerts für

Blei von 25 auf 10µg/l vorsieht, muss das Projekt noch weitergeführt werden, da erst dann Werte über

10µg/l aber unter 25µg/l sanierungspflichtig sein werden.

Kupfer im Trinkwasser einer Frankfurter Wohnsiedlung

Im Jahre 2000 hatten mehrere Mieter einer geschlossenen Wohnsiedlung einer großen

Wohnungsbaugesellschaft in Frankfurt am Main über „grünes Trinkwasser“ und verschiedene gesund-

heitliche Beschwerden geklagt. In diesen durch das öffentliche Trinkwassernetz versorgten Liegen-

schaften waren in den letzten 10-12 Jahren sukzessive alte, oft bleihaltige Trinkwasserleitungen durch

Neue aus Kupfer ersetzt worden. Nachdem

orientierende Untersuchungen im Jahre 2000 im

Stagnationswasser teilweise eine Überschreitung

des damaligen Richtwerts von 3mg Cu/l erbracht

hatten, führte das Gesundheitsamt im Jahre 2002

zur Abklärung dieser weiterhin bestehenden

Beschwerden eine systematische Untersuchung

von Trinkwasser aus Haushalten mit unterschied-

lichem Alter der Kupferinstallationen durch.

Der Richtwert der Trinkwasserverordnung von

1990 betrug 3mg Cu/l (TrinkwV, 1990) und trug

folgende Anmerkung: „Der Richtwert gilt nach

Stagnation von 12 Stunden. Innerhalb von 2

Jahren nach der Installation von Kupferrohren gilt

der Richtwert ohne Berücksichtigung der Stag-

nation.“

Die TrinkwV 2001 führt Kupfer mit einem Grenz-

wert von 2,0mg/l in der Anlage 2 Teil 2 und gibt

folgende Erläuterung: „Grundlage ist eine für die

durchschnittliche wöchentliche Wasseraufnahme

durch Verbraucher repräsentative Probe; hierfür

soll nach Artikel 7 Abs. 4 der Trinkwasserrichtlinie

Bleiprojekt - Überblick über Liegenschaften

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

9000

2002 2003 2004 2005 2006 2007

An

zah

l

Liegenschaften alleangeschriebene LiegenschaftenVor Anschreiben bereits saniertNach Anschreiben freiwillig saniert

Bleiprojekt - untersuchte Liegenschaften und Sanierungsbedarf

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

9000

2002 2003 2004 2005 2006 2007

An

zah

l

Liegenschaften alleangeschriebene LiegenschaftenUntersuchte LiegenschaftenSanierungsbedarf

Allgemeines zur Kupferlöslichkeit

Die Maßzahl für den Säurecharakter des Trinkwassers ist der pH-Wert. Einen pH-Wert von 7,0 bezeichnet man als neutral. Abstei-gende Werte von 7 bis 1 kennzeichnen einezunehmende Säure des Wassers, aufstei-gende Werte von pH7 - pH14 zunehmende Alkalität. Da die Lösung von Kupfer aus dem Rohrleitungsmaterial unter anderem auch maßgeblich vom pH-Wert des darin befind-lichen Wassers abhängt, wird nach der TrinkwV 2001 davon ausgegangen, dass relevante Kupferkonzentrationen dann nicht auftreten können, wenn der pH-Wert im Verteilungsnetz mindestens pH 7,4 oder höher ist, d.h. wenn das Wasser nicht "sauer" ist.

Als weitere Faustregel gilt, dass die Menge des gelösten Kupfers im Trinkwasser neben der Abhängigkeit vom pH-Wert auch eine deutliche Abhängigkeit von der Aufenthaltszeit des Trinkwassers im Kupferrohr aufweist. Je länger die Aufenthaltszeit im Rohr (Stag-nationszeit) ist, umso höhere Kupferwerte sind zu erwarten, wobei es allerdings eine Sättigungskonzentration gibt, die nicht mehr überschritten wird.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

24

ein harmonisiertes Verfahren festgesetzt werden. Die Untersuchung im Rahmen der Überwachung

nach § 19 Abs. 7 ist nur dann erforderlich, wenn der pH-Wert im Versorgungsgebiet kleiner als 7,4 ist“

Da 2002 noch keine rechtlich verankerten Hinweise dafür vorlagen, wie eine für den durch-

schnittlichen wöchentlichen Trinkwasserverbrauch repräsentative Probe zu entnehmen wäre, wurden

andere Vorgehensweisen eruiert. Eine einschlägige, allgemein anerkannte technische Regel existierte

in Form der DIN 50930-6 „Korrosion der Metalle- Korrosion metallischer Werkstoffe im Innern von

Rohrleitungen, Behältern und Apparaten bei Korrosionsbelastung durch Wässer- Teil 6: Beeinflussung

der Trinkwasserbeschaffenheit“ vom August 2001. Daher wurde entschieden, in diesem Sonderfall die

Beprobung streng nach dieser Norm durchzuführen und die notwendigen weiteren Parameter zur

Interpretation der Messwerte zu erheben. Nach Vorlage des Probenahmeverfahrens der TrinkwV

2001 zu einem späteren Zeitpunkt sollten erneut Proben entnommen werden, um die Grenzwert-

Übereinstimmung des Trinkwassers in den betreffenden Wohnungen rechtskonform festzustellen. Die

entsprechende Probenahmevorschrift des Umweltbundesamtes (UBA) existiert mittlerweile seit 2004

(UBA, 2004).

Unabhängig davon, dass Gesundheitsämter dringend ein standardisiertes und harmonisiertes

Verfahren benötigen, um die Einhaltung des Grenzwerts für Kupfer untersuchen und ggf. auf dem

Verwaltungswege durchsetzen zu können, stellten sich zwei Fragen:

- Ist der Grenzwert für Kupfer im Trinkwasser ausreichend sicher und entspricht seine Festlegung tatsächlich dem Vorsorgeprinzip?

- Ist es ausreichend, nur bei sauren Trinkwässern mit einem pH-Wert unter 7,4 auf Kupfer zu untersuchen?

Untersuchungen nach DIN 50930-6 im Sommer 2002:

Von der Wohnungsbaugesellschaft wurden die Daten der Renovierungen der einzelnen Liegen-

schaften erfragt; es wurden 19 Wohnungen in 10 Liegenschaften ausgewählt. Mieter aus diesen

Liegenschaften wurden gezielt angesprochen und um ihre Mithilfe auf freiwilliger Basis gebeten. Von

den Bewohnern wurde je ein kurzer Fragebogen zur Nutzung des Trinkwassers ausgefüllt.

Die Metall-Probenahmen erfolgten zwischen dem 23.09.2002 und dem 27.09.2002 als gestaffelte

Stagnationsproben nach Ablauf bis zur Temperaturkonstanz im Kaltwasser am Küchenzapfhahn nach

20 Minuten, 1, 2, 4 und 8 Stunden.

Probenvolumen für die Metallproben je 100ml. Folgende Parameter wurden vor Ort untersucht:

Wassertemperatur, Leitfähigkeit, Sauerstoffgehalt und pH-Wert. Diese Messungen erfolgten mit den

entsprechenden Messelektroden, die das Untersuchungsinstitut zur Verfügung stellte.

Folgende Parameter wurden im Labor der Fa. Hessenwasser untersucht: - Kupfer, Eisen und Aluminium zu den gegebenen Zeitpunkten DIN EN ISO 11885 (E 22)

- Basenkapazität und TCO morgens/abends in den jeweiligen Hauseinführungen.

Untersuchungen nach dem gestaffelten Stagnationsverfahren des UBA im März/April 2007:

Die Metall-Probenahmen erfolgten zwischen dem 22.03.2007 und 03.04.200 nach UBA (UBA, 2004)

nach einer Stagnationszeit von exakt 4 Stunden; Probenvolumen je 1000ml. Die Analytik erfolgte

wiederum nach DIN EN ISO 11885 (E 22).

Folgende Parameter wurden vor Ort untersucht: - Wassertemperatur und pH-Wert.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

25

Kupfergehalte und Alter der Hausinstallation

0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

6,00

0,5 Std. 1 Std. 2 Std. 4 Std. 8 Std.

Stagnationszeit

mg

/l

1

1

1

2

2

2

2

3

3

3

3

4

4

4

4

5

5

5

5

Kupfergehalte nach Alter der Kupfer-Installation (Mittelwerte, n=19)

0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

0,5 Std. 1 Std. 2 Std. 4 Std. 8 Std..Stagnationszeit

mg

/l

< 1 Jahr 1- 2 Jahre 2 - 4 Jahre 4 - 6 Jahre > 6 Jahre

Die Ergebnisse der Untersuchung nach Stagnationszeiten gemäß DIN 50 930-7 sind in der Abb. 3

dargestellt. Die pH-Werte lagen zwischen 7,3 und 7,7. Die stagnationsbedingten Kupfergehalte

reichten bis zu über 5,5mg/l nach 8-stündiger Stagnationszeit, nach 4 Stunden Stagnation lagen sie

zwischen 1,3 und 4,6mg/l. Die Abhängigkeit des Kupfergehaltes vom Alter der Hausinstallation war für

die Stagnation von 1 Stunde und 8 Stunden signifikant. Abb. 4 zeigt die Kupferkonzentrationen als

Altersgruppen-Mittelwerte der Hausinstallationen. Man erkennt, dass bei den 4- und 8-Stunden-

Stagnationswerten die oberste Grenze der < 1 Jahre alten Hausinstallationen und die unterste Grenze

der > 6 Jahre alten Hausinstallationen gebildet wird, während die dazwischen liegenden Altersgruppen

und die Werte bis zu 2 Stunden Stagnation nicht wesentlich differieren. Eine Korrelation der

Kupfergehalte mit dem pH-Wert konnte nicht nachgewiesen werden.

Abb. 3 Kupfergehalte nach Stagnationszeiten gemäß DIN 50 930-7 in Anhängigkeit vom Alter der Hausinstallation, n=19, einzelne Wohnungen (Zahlenangaben der Legende: Alter der Haus-installation in Jahren)

Abb. 4 Kupfergehalte nach Stagnationszeiten gemäß DIN 50 930-6 in Anhängigkeit vom Alter der Hausinstallation, n=19, Mittelwerte der Altersgruppen der Hausinstallation zusammen-gefasst

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

26

Die Ergebnisse der Untersuchung nach dem gestaffelten Stagnationsverfahren des UBA vom

März/April 2007 sind in der Abb. 5 geordnet nach absteigenden pH-Werten dargestellt. Die pH-Werte

lagen zwischen 6,9 und 7,3. Eine Abhängigkeit der Kupferkonzentrationen der Proben S1 oder S2

vom pH-Wert war nicht festzustellen. Die höchsten Kupferwerte dieser Untersuchung wurden bei

einem pH-Wert von 7,3 gemessen. Insgesamt überschritten 2 von 17 S2-Proben den Grenzwert von

2mg/l geringfügig. Eine Korrelation (bivariat, 2-seitig, 0,01 und 0,05-Niveau) der Kupfergehalte vom

pH-Wert konnte nicht nachgewiesen werden.

Abb. 5 Kupfergehalte nach gestaffelter Probenahme gemäß UBA und pH-Werte, n=9

Diskussion: Auf der Grundlage der früheren Trinkwasserverordnung von 1990, die für die ersten 2

Jahre nach Neueinbau einer kupferhaltigen Trinkwasserinstallation den Richtwert von 3mg/l im

Stagnationswasser ausgesetzt hatte, war die Hypothese aufgestellt worden, dass bei unserer Unter-

suchung in den Installationen unter 2 Jahren ggf. Überschreitungen des Grenzwerts festzustellen

wären, nicht jedoch bei den älteren Trinkwasserinstallationen aus Kupfer. Diese Hypothese kann

anhand unserer Daten nur prinzipiell bestätigt werden, nicht jedoch hinsichtlich der genauen

Altersgruppe.

Nach den Vorgaben der neuen Trinkwasserverordnung reicht es für die Überwachungsbehörden aus,

den pH-Wert des Trinkwassers zu untersuchen und nur in den Liegenschaften mit Unterschreitung

des pH-Werts von 7,4 das Trinkwasser auf Kupfer zu untersuchen. In unseren Untersuchungen hatte

sich eine signifikante Abhängigkeit vom pH-Wert jedoch nicht gezeigt, insbesondere waren bei pH-

Werten von 7,4 und höher (Untersuchung von 2002) – entgegen der Erwartungen – auch hohe

Kupfergehalte im Trinkwasser gemessen worden. Dies traf auch auf 4-Stunden-Stagnationswerte zu.

Mit diesem Verfahren wären somit zahlreiche Werte über 2mg Cu/l nicht erfasst worden. Darüber

hinaus ist aus unserer Sicht fraglich, wie verlässlich pH-Wert Messungen durch die Aufsichtsbehörde

bei den gegebenen Vor-Ort-Bedingungen überhaupt sein können.

Eine direkte Vergleichbarkeit der Messreihen von 2002 und 2007 ist nicht gegeben, da die

Probenvolumina in der Untersuchung 2002 jeweils nur 100ml betrugen, während in der 2. Unter-

suchung 2007 gemäß der Probenahmevorschrift des UBA je 1000ml entnommen wurden. Insgesamt

kann man davon ausgehen, dass die Untersuchung nach UBA in den einzelnen Stagnations-

zeiträumen im Vergleich zum Verfahren nach DIN 50 930-6 zu geringeren Kupfergehalten kommt, was

angesichts der Definition des Grenzwertes als für die wöchentliche Trinkwasseraufnahme

repräsentativer Wert in der TrinkwV 2001 sinnvoll und richtig ist.

Kupfer: gestaffelte Stagnationsproben 2007 sortiert nach fallendem pH-Wert

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

173 174 176 178 187 179 185 166 167 180 164 170 181 169 172 171 168

Haus-Nr.

mg

/l

5,00

5,50

6,00

6,50

7,00

7,50

8,00

pH

-Wer

t

S0 S1S2 pH

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Leitungsmaterialien

27

Unsere Untersuchung hat darüber hinaus

gezeigt, dass die Konzentration von 2mg

Cu/l schon nach wenigen Stunden im

Trinkwasser überschritten sein kann. Dies

auch in Liegenschaften, in denen kupfer-

haltige Trinkwasserleitungen schon über

mehrere Jahre lagen und die nicht von

einem Hausbrunnen mit weichem, saurem

Wasser, sondern aus einer öffentlichen

Wasserversorgung mit pH 7,4 versorgt

wurden. Der Zusatz „Daher kann sich die

Prüfung auf Einhaltung des Grenzwertes

auf die Versorgungsgebiete mit einem pH-

Wert unter 7,4 beschränken“, ist demzu-

folge nicht aufrechtzuerhalten.

Hier ist auch auf eine Besonderheit des

Grenzwertes für Kupfer einzugehen, die es

bei den übrigen Grenzwerten nicht gibt: Da

der Betreiber einer Wasserversorgungs-

anlage bei Grenzwertüberschreitungen Zeit

zur Durchführung von Abhilfemaßnahmen

benötigt und in den meisten Fällen die

Sperrung der Wasserversorgung möglich ist, verfügen die Gesundheitsämter über so genannte Aus-

nahmewerte (Parameterhöchstwerte), die für eine kurz bemessene Zeitspanne, maximal jedoch für 3

Jahre, an Stelle des Grenzwertes gesetzt werden. Bei Kupfer sind jedoch die Ausnahmewerte

identisch mit dem Grenzwert. Diese Situation ist misslich, da bei enger Auslegung der Regelungen

den Gesundheitsämtern keine Möglichkeit gegeben ist, bei Kupferschadensfällen dem Betreiber der

Anlage einen zeitlichen Sanierungsrahmen zu geben. Andererseits liegt es auf der Hand, dass ein

behördliches Verbot der Verwendung eines Trinkwassers (Wasser für den menschlichen Gebrauch,

also auch Körperreinigung, Küchenzwecke und Kleidung waschen) mit Kupfer-Grenzwertüber-

schreitungen in einem Gebäude keinen Bestand vor dem Verwaltungsgericht hätte. Unbefriedigend ist

auch die Tatsache, dass Überschreitungen des S1-Wertes, der definitionsgemäß den Einfluss der

Entnahmearmatur darstellt, seitens der Gesundheitsbehörde nicht wirksam abgestellt werden können,

da keine Armaturen marktverfügbar sind, die den S1-Wert garantiert einhalten.

Gesundheitliche Bewertung und behördliche Umsetzung

Kupfer ist ein essentielles Spurenelement in der Ernährung des Menschen. Die tägliche Zufuhr in

Deutschland liegt bei etwa 1-2mg Kupfer und entspricht damit in etwa den Empfehlungen der Deut-

schen Gesellschaft für Ernährung zur Kupferzufuhr. Leber und Nieren von Schwein und Rind ent-

halten im Mittel 10-60mg Kupfer/kg, mit Maximalwerten bis zu mehreren Hundert mg Kupfer/kg.

Demgegenüber enthält Muskelfleisch deutlich weniger Kupfer: Mittel <1mg/kg, Maximalwerte 50-

100mg/kg. Bei Erwachsenen wird die Resorptionsrate von Kupfer aus dem Darm in Abhängigkeit von

dem Kupfergehalt in der Nahrung reguliert, sodass eine Kupfer-Überladung wenig wahrscheinlich ist.

Allerdings können ab 3mg Kupfer/l Trinkwasser akut Magen-Darm-Symptome, wie z.B. Übelkeit,

auftreten.

Bewertung von Überschreitungen der Stagna-tionsproben

„Werden in der ersten Probe nach Stagnation (S-1) Überschreitungen des jeweiligen Parameterwertes festgestellt, nicht jedoch in der zweiten Probe nach Stagnation (S-2) und nicht in der Vergleichsprobe nach Ablauf (S-0), so ist dem Verbraucher zu em-pfehlen, vor Entnahme zum Verzehr und zur Körper-reinigung (letzteres bei dem Parameter Nickel) den ersten Liter ablaufen zu lassen.

Es wird auf die besondere Situation bei einer bestehenden Nickelallergie hingewiesen. Weitere Abhilfemaßnahmen sind nicht erforderlich. Diese Situation ist verhältnismäßig häufig für die Parameter Blei und Nickel zu erwarten. Aber auch Absperr-armaturen und Wohnungswasserzähler aus Kupfer-legierungen können leicht zu erhöhten Konzen-trationen an Blei führen.

Überschreitungen des Parameterwertes für Nickel sind vor allem dort zu erwarten, wo vernickelte Bauteile verwendet wurden oder verchromte End-armaturen vorhanden sind, in denen ein Teil der wasserberührten Flächen Nickelschichten aufweist, die nicht durch die Chromschicht abgedeckt werden.“

Umweltbundesamt, 2004.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

28

In Indien war im letzten Jahrhundert die Indian Childhood Cirrhosis weit verbreitet. Nachdem

herausgefunden worden war, dass die Zubereitung von Milch für Säuglinge in Kupfergefäßen Ursache

war, wurden entsprechende Aufklärungskampagnen in den 1980er Jahren durchgeführt mit dem

Erfolg, dass die Erkrankung, die noch bis in die 1970er Jahre in Indien die vierthäufigste

Todesursache bei Kindern im Vorschulalter war, innerhalb weniger Jahre zu einer ausgesprochenen

Seltenheit wurde. Vergleichbare kupferbedingte schwere Lebererkrankungen („frühkindliche Leber-

zirrhose“) wurden auch in anderen Ländern, in den 1980er Jahren erstmals auch in Deutschland,

beschrieben. In allen Fällen handelte es sich um nicht oder nur kurz gestillte Kinder, die

Säuglingsnahrung erhielten, die mit sehr saurem Trinkwasser zubereitet wurde, das zumeist aus

eigenen Brunnen gewonnen wurde und über (oft neue) Kupferleitungen ins Haus gelangte. So konnte

sich Kupfer aus der Trinkwasserleitung lösen und die Kinder hatten im Säuglingsalter hohe

Kupferzufuhren. Diese Erkrankung wurde fast nur im späten Säuglings- bzw. frühen Kleinkindalter

beschrieben. Ältere Kinder sind praktisch nicht mehr betroffen. In Deutschland wurde dieses sehr

schwere Krankheitsbild noch nie bei einem Kind beschrieben, das Trinkwasser aus der öffentlichen

Versorgung erhielt.

Der in der neuen Trinkwasserverordnung 2001 festgelegte Grenzwert schützt Kinder vor der kupfer-

bedingten Leberzirrhose. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass bei kurzfristig höheren Kupfer-

gehalten im Trinkwasser – die der Feststellung bei dem Probenahmeverfahren entgehen können –

vereinzelt Magen-Darm-Beschwerden auftreten können.

Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

Generell kann Trinkwasser durch Materialien der Wasserleitungen (z.B. Blei, Kupfer) kontaminiert

werden, andererseits können auch Fehlanschlüsse mit Wasser anderer Qualität, z.B. Regenwasser,

zu Kontaminationen führen. Vor diesem Hintergrund hat das Gesundheitsamt von 1995 bis 1996 alle

im Stadtgebiet bekannt gewordenen Liegenschaften mit Regenwassernutzung (Dachablauf-

wassernutzung) entsprechend untersucht. Desgleichen wurden Liegenschaften mit Darmspülgeräten

für die Colon-Hydrotherapie bei Ärzten und Heilpraktikern überprüft.

Überprüfung von Dachablaufwassernutzungsanlagen

Dachablaufwassernutzungsanlagen (Regenwassernutzungsanlagen) gelten seit einiger Zeit als

ökologisch sinnvoll, werden von Interessengruppen gefordert und vielerorts aus öffentlichen Mitteln

gefördert. Seit April 1994 förderte auch die Stadt Frankfurt am Main die Errichtung solcher Anlagen.

Die erforderlichen Mittel stellte das Land Hessen den Kommunen aus dem Aufkommen der

Grundwasserabgabe zur Verfügung. Bei allen Förderungsanträgen wirkte das Gesundheitsamt im

Rahmen seiner Zuständigkeit als Überwachungsbehörde nach der Trinkwasserverordnung mit. Es

erstellte für die Errichtung der Anlagen ein spezielles Merkblatt, bei dessen Einhaltung die

Wahrscheinlichkeit allgemein- oder trinkwasserhygienischer Gefährdungen stark vermindert wird.

Dieses Merkblatt ist Bestandteil der Auflagen der Stadt Frankfurt am Main, zu deren Einhaltung sich

die Antragsteller verpflichten müssen, um Fördermittel zu erhalten.

Alle Anträge wurden durch das Stadtgesundheitsamt, das Umweltamt und das Stadtentwässe-

rungsamt geprüft, bei Unklarheiten wurden vom Umweltamt persönliche Gespräche mit den Antrag-

stellern geführt. Nach Errichtung der Anlagen führte das Wasserversorgungsunternehmen auf der

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

29

Grundlage der ABVWasserV1 Kontrollen durch, bei denen erhebliche Mängel nach Möglichkeit sofort

beseitigt wurden, z.B. Demontage fest installierter Verbindungen des Trinkwassernetzes mit der

Dachablaufwassernutzungsanlage sowie die Beseitigung von in den Speicher hineinreichenden

Schläuchen, die an das Trinkwassernetz angeschlossen waren.

Bis 1998 wurden 244 Regenwassernutzungsanlagen gefördert und kontrolliert. Mehr als die Hälfte der

Anlagen waren in Einfamilienhäusern errichtet worden; unter den Mehrfamilienhäusern fand sich aber

auch eine geschlossene Wohnanlage mit 17 Häusern. Von wenigen Ausnahmen abgesehen wurden

Giebeldächer als Sammelflächen genutzt, im geringeren Umfang auch Nebengebäude oder Garagen.

Die Sammelfläche pro Anlage betrug im Mittel 134m2 (10-270m2), das Speichervolumen der Zisternen

lag im Mittel bei 6,2m³ (1-28m3). Hochgerechnet auf die Anzahl der Bewohner bedeutet dies ein

Speichervolumen von 1m3 und eine Sammelfläche von 25m2 pro Nutzer.

Nutzung der Anlagen: 93% der Anlagen lieferten Wasser für die Gartenbewässerung. In 18 von 37

Anlagen, die im Haus installiert waren, war eine Dreifachnutzung (Gartenbewässerung, Toiletten-

spülung, Wäschewaschen) vorgesehen.

Materialien der Anlagen: Mehr als zwei Drittel der Dachflächen bestanden aus Ziegeln. Beton,

Schiefer, Bitumen oder Sonstige machten je weniger als 10% aus. Die häufigsten Speicherwerkstoffe

waren Beton (46%) und Kunststoffe (41%), in 7% wurden auch alte Öltanks benutzt. In 95% der Fälle

war der Speicher kühl und dunkel aufgestellt.

Reinigungs- und Sicherungsverfahren: Die am häufigsten eingebaute Filterart war das Fallrohrsieb,

zumeist alleine verwendet, z.T. aber auch in Kombination mit anderen Filtern. In 10% der Anlagen war

überhaupt kein Filter eingebaut. Sedimentationskammern waren in einem Drittel der Fälle vorhanden.

Leichte Entleerungsmöglichkeiten der Zisterne sind für Revisionen und Reinigungsmaßnahmen

sinnvoll und aus hygienischer Sicht wünschenswert; weniger als die Hälfte der Einrichtungen

enthielten solche Möglichkeiten. Von den insgesamt 47 an die Kanalisation angeschlossenen Anlagen

hatten nur zwei Drittel eine Rückstausicherung.

Tab. 6 Reinigungs- und Sicherungsverfahren der Dachablaufwassernutzungsanlagen

Anzahl Prozent Dachablaufwasserfilter Fallrohrsieb alleine 24 44 Kiesfilterkombinationen 6 11 Fallrohrsieb und Sonstige 4 7 Sonstige 21 38 Sedimentationsvorkammer Vorhanden 18 33 Nicht vorhanden 37 67 Überlaufsicherung Versickerung 8 14 Kanalanschluss 44 80 Versickerung und Kanalanschluss 3 6 Rückstausicherung Vorhanden 30 64 Nicht vorhanden 17 36 Entleerungsmöglichkeiten der Zisterne Mit einfacher Entleerungsvorrichtung 25 46 Ohne einfache Entleerungsvorrichtung 30 54

1 Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (ABVWasserV) vom 20.06.1980, BGBl I, S. 750-757.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

30

Kennzeichnung und trinkwasserhygienische Sicherheit: Aus Gründen der trinkwasserhygienischen

Sicherheit war eine ausreichende Kennzeichnung durch Beschriftung, Farbe oder Verwendung eines

anderen Materials der dachablaufwasserführenden Leitungen gefordert worden; dies war bei 24% der

Anlagen nicht gewährleistet.

Entgegen der Empfehlungen des Gesundheitsamtes waren bei einem Drittel der Anlagen Zapfstellen

im Haus installiert worden und bei diesen fehlte oft das Schild „kein Trinkwasser“. 30% der

Außenzapfstellen waren darüber hinaus nicht mit der geforderten Steckschlüsselsicherung versehen.

Die wichtigsten hygienerelevanten Mängel sind in Tab. 8 zusammengestellt.

Tab. 7 Kennzeichnung und trinkwasserhygienische Sicherheit der Dachablaufwassernutzungsanlagen

Anzahl Prozent Hinweisschild im Haus – nicht vorhanden 9 / 37 24 Dauerhafte Kennzeichnungen der Leitung – nicht vorhanden

21 / 37 57

Zapfstellen im Haus – vorhanden davon: ohne Warnschilder „kein Trinkwasser“

19 / 55 10 / 19

35 53

Außenzapfstellen – vorhanden davon: ohne gesicherte Hähne

36 / 55 10 / 36

65 30

Trinkwassernachspeisung - vorhanden davon: ohne freien Auslauf

31 / 55 3 / 31

56 10

Tab. 8 Zusammenfassung der wichtigsten hygienerelevanten Mängel

Beanstandungen Prozent Speichereigenschaften

- nicht kühl aufgestellt - keine Dachablaufwasserfilterung - keine Sedimentationskammer - keine leichte Entleerungsmöglichkeit

6

11 67 54

Beanstandungen bei Anlagen mit Brauchwasseranlagen im Haus - kein Hinweisschild im Technikraum - keine ausreichende Kennzeichnung der Leitungen - keine Unterscheidungsmöglichkeit

Brauchwasser/Trinkwasserleitungen - keine Zapfstellenkennzeichnung - falsche Trinkwassernachspeisung in die Zisterne - keine Sicherung der Außenzapfstelle - Fehlanschlüsse !!

24 57 24

53 10 18 4

Schlussfolgerung und Forderungen aus den Überprüfungen der Dachablaufwassernutzungs-anlagen (1996):

Es handelte sich bei unserer Untersuchung um eine Positivauswahl von Regenwasser-

nutzungsanlagen; die Erbauer erhielten vor Errichtung der Anlagen Standards, zu deren Einhaltung

sie sich verpflichteten. Das Wasserversorgungsunternehmen hatte bereits Kontrollen durchgeführt

und relevante Missstände beseitigen lassen. Da dennoch die in Tab. 8 zusammengestellten, teilweise

erheblichen Mängel festgestellt wurden einschließlich direkter Verbindungen zwischen Brauch- und

Trinkwasserleitungen (!!), wurden aus trinkwasserhygienischer Sicht folgende Forderungen abgeleitet:

1. Entwicklung eines hygienetechnischen Baustandards für Dachablaufwassernutzungsanlagen.

2. Festschreibung dieses Baustandards in einer normativen Regelung, die eine Überwachung und Kontrolle möglich macht.

3. Sicherstellung der Kontrolle von Dachablaufwassernutzungsanlagen.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

31

Aus heutiger Sicht können die drei Forderungen wie folgt kommentiert werden:

1. Die Entwicklung des hygienetechnischen Baustandards ist abgeschlossen, da heute zwei sich

ergänzende technische Regeln mit dem Status "anerkannte Regeln der Technik" zur Verfügung

stehen:

DVGW-Arbeitsblatt W 555: Nutzung von Regenwasser (Dachablaufwasser) im häuslichen Bereich (März 2002)

DIN 1989-1: Regenwassernutzungsanlagen–Teil 1: Planung, Ausführung, Betrieb und Wartung

An der Entwicklung des DVGW-Arbeitsblattes W 555 war ein Mitarbeiter der umweltmedizinischen

Abteilung als berufenes Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe des DVGW aktiv beteiligt.

2. Die Festschreibung des Baustandards in einer normativen Regelung ist durch die Novelle der

Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) vollzogen worden. Der § 4 Abs. 1 lautet:

Wasser für den menschlichen Gebrauch muss frei von Krankheitserregern, genusstauglich und

rein sein. Dieses Erfordernis gilt als erfüllt, wenn bei der Wassergewinnung, der Wasser-

aufbereitung und der Verteilung die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten

werden und das Wasser für den menschlichen Gebrauch den Anforderungen der §§ 5 bis 7

entspricht.

3. Die Sicherstellung der Kontrolle von Dachablaufwasseranlagen wurde ebenfalls mit der Novelle der

Trinkwasserverordnung geregelt, da zunächst nach § 13 Abs. 3 der Betrieb jeder Regenwasser-

anlage, sofern sie parallel zur Trinkwasserversorgung in einem Haus betrieben wird, anzeige-

pflichtig geworden ist. Darüber hinaus unterliegen nach § 18 Abs. 1 diejenigen Brauchwasser-

anlagen, aus denen Wasser an die Öffentlichkeit abgegeben wird, der Überwachung der Gesund-

heitsämter.

Ergänzend dazu wird in § 3 Nr. 1 Ziffer 1 geregelt, dass unter dem Begriff Trinkwasser auch

solches Wasser zu verstehen ist, mit dem die Kleidung gewaschen wird. Das bedeutet zwar nicht,

dass das Wäschewaschen mit Brauchwasser verboten ist, stellt aber sicher, dass jeder

Verbraucher einen Rechtsanspruch auf einen Zapfhahn mit Trinkwasser zum Anschluss der

Waschmaschine hat und er frei wählen kann, ob er einen eventuell in seinem Mietshaus

angebotenen Brauchwasseranschluss nutzen will.

Überwachung der Trinkwasserversorgung auf Volksfesten, Messen und ähnlichen Veranstaltungen

Mit Inkrafttreten der Trinkwasserverordnung 2001 im Jahr 2003 kam es durch die Definition des

Begriffes Wasserversorgungsanlagen zu einem neuen Überwachungsauftrag für die Gesundheits-

ämter. In § 3 Absatz 2 Buchstabe b heißt es „Im Sinne der Verordnung sind Wasserversorgungs-

anlagen Anlagen, aus denen pro Jahr höchstens 1000 m³ Wasser für den menschlichen Gerbrauch

entnommen oder abgegeben wird (Kleinanlagen), sowie sonstige, nicht ortsfeste Anlagen“. Der § 18

Absatz 1 Trinkwasserverordnung bestimmt, dass das Gesundheitsamt Wasserversorgungsanlagen im

Sinne von § 3 Nr. 2 Buchstabe c, aus denen Wasser für die Öffentlichkeit bereitgestellt wird,

hinsichtlich der Einhaltung der Anforderungen der Verordnung durch entsprechende Prüfung

überwacht.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

32

Überwachung durch das Stadtgesundheitsamt

Auch vor Inkrafttreten der Trinkwasserverordnung 2001 wurden große Volksfeste, wie zum Beispiel

die „Dippemess“, durch das Stadtgesundheitsamt überwacht. Die Überwachung bezog sich dabei auf

die Beprobung des Trinkwasseranschlusses des großen Festzeltes.

Erste Aktivitäten nach Inkrafttreten der neuen Trinkwasserverordnung

Zunächst wurden die Schausteller über ein Merkblatt, das gegen Unterschrift verteilt wurde, über die

neuen Regelungen informiert. Dieses Merkblatt wurde über etwa zwei Jahre von uns direkt an die

Standbetreiber verteilt und diese vor Ort persönlich informiert, beraten und auf etwaige Mängel bei

ihrer Trinkwasserinstallation hingewiesen. Zusätzlich wurde unser Merkblatt mit der Genehmigung für

die Veranstaltung durch das Ordnungsamt an die Schausteller versandt.

Im nächsten Schritt wurden durch Mitarbeiter des Stadtgesundheitsamtes die Trinkwasser-

installationen überprüft. Bei vorgefundenen Mängeln wurde den Standbetreibern die Möglichkeit

gegeben, diese zu beseitigen, was bisher auch immer zeitnah erfolgt ist.

Zusätzlich zu der Überprüfung der Trinkwasserinstallation wurde an Ständen mit mehr als 15

Sitzplätzen mikrobiologische Beprobungen des Trinkwassers am Zapfhahn durchgeführt.

Entwickeltes Konzept

Da es aus personaltechnischen Gründen nicht möglich ist, alle Veranstaltungen zu überwachen,

wurde auf Grund der bis dahin gesammelten Erfahrungen durch das Stadtgesundheitsamt eine Priori-

tätenliste erstellt. Dabei spielt nicht die Größe der Veranstaltung, sondern die Dauer eine Rolle. Als

Überwachungskriterium wurde ein Veranstaltungszeitraum von mindestens einer Woche festgelegt.

Dies bedeutete für das Stadtgesundheitsamt einen jährlichen Überwachungsaufwand von:

2003: 34 Stunden bei 4 Veranstaltungen

2004: 46,5 Stunden bei 3 Veranstaltungen

2005: 24 Stunden bei 3 Veranstaltungen

2006: 126 Stunden bei 6 Veranstaltungen

2007: 63 Stunden bei 3 Veranstaltungen

2008: 83 Stunden bei 4 Veranstaltungen (bisher)

Die Kosten für die Überwachung werden dem Veranstalter in Rechnung gestellt.

Bei der Überwachung werden die Hydranten vor jeder Veranstaltung nach dem Spülen durch das

Stadtgesundheitsamt beprobt, um sicher zu stellen, dass die Qualität des bereitgestellten

Trinkwassers einwandfrei ist. Unabhängig davon wird der Festplatz, der über eine Ringleitung verfügt,

viermal im Jahr durch den Betreiber untersucht.

Bei den Begehungen während der Veranstaltung wird die Einhaltung der technischen Regeln der

Trinkwasserinstallation überprüft. Eine der wichtigsten technischen Regeln ist die, derzeit im

Gelbdruck befindliche DIN 2001 Trinkwasserversorgung aus Kleinanlagen und nicht ortsfesten

Anlagen – Teil 2: Nicht ortsfeste Anlagen – Leitsätze für Anforderungen an Trinkwasser, Planung,

Bau, Betrieb und Instandhaltung der Anlagen, Technische Regel des DVGW.

Trinkwasserproben an den Ständen werden nur noch bei begründetem Verdacht entnommen.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

33

Bei allen Veranstaltungen (auch kürzeren) werden durch das Ordnungsamt weiterhin die Auflagen des

Stadtgesundheitsamtes mit der Genehmigung für die Veranstaltung verteilt.

Forderungen des Stadtgesundheitsamtes an

den Wasserversorger:

- Hydranten sind vor Inbetriebnahme ausreichend zu spülen. - Die Trinkwasserqualität ist rechtzeitig vor Beginn der Veranstaltung zu prüfen und die

Untersuchungsergebnisse dem Gesundheitsamt vorzulegen.

den Veranstalter:

- Für den Anschluss an den Hydranten sind ausschließlich Standrohre mit entsprechender Sicherungseinrichtung des Wasserversorgers zu verwenden.

- Rohre und Armaturen sollten vom DVGW zertifiziert sein. - Rohre, Schläuche und Anschlusskupplungen sind eindeutig zur Unterscheidung von

Trinkwasser- und Abwasserseite zu kennzeichnen. - Kupplungen und Verbindungsstücke dürfen nicht auf dem Erdboden liegen, um eine

Verschmutzungsgefahr auszuschließen (geschützt lagern). - Nach der Demontage der Trinkwasserinstallation sind die Einzelteile ordnungsgemäß zu

spülen, vollständig zu entleeren und hygienisch einwandfrei und trocken zu lagern, um eine mögliche Beeinträchtigung im Hinblick auf den späteren Gebrauch auszuschließen.

- Vor Inbetriebnahme und nach längerem Stillstand ist die Trinkwasserleitung mit dafür zugelassenen und geeigneten Mitteln zu desinfizieren sowie gründlich und kräftig zu spülen.

die Standbetreiber:

- Verbindung zwischen Standrohr oder Unterverteilung und Stand sind so kurz wie möglich zu halten, maximal 40m.

- Das Schlauchmaterial muss für den Transport von Trinkwasser geeignet sein, d.h. es muss gemäß den KTW-Empfehlungen des Umweltbundesamtes (Einfluss des Materials auf Geruch und Geschmack des Wassers, Chlorzehrung, Kunststoffabgabe) und dem DVGW-Arbeitsblatt W 270 (Vermehrung von Mikroorganismen auf Materialien für den Trinkwasserbereich) geprüft sein. Da es dem Stadtgesundheitsamt nicht möglich ist, alle zugelassenen Trinkwasserschläuche zu kennen, wurden die Standbetreiber aufgefordert aktuelle Prüfzeugnisse ihrer verwendeten Schlauchmaterialien am Stand für die Überprüfung bereit zu halten.

- Armaturen sollten vom DVGW zertifiziert sein. - Schläuche und Anschlusskupplungen sind eindeutig zur Unterscheidung von Trinkwasser-

und Abwasserseite zu kennzeichnen. - Die Entnahmestelle, Anschlüsse und Schlauchmaterial sollten mit dem Betreibernamen

gekennzeichnet sein. - Kupplungen und Verbindungsstücke dürfen nicht auf dem Erdboden liegen, um eine

Verschmutzungsgefahr auszuschließen (geschützt lagern). - Nach der Demontage der Trinkwasserinstallation sind die Einzelteile ordnungsgemäß zu

spülen, vollständig zu entleeren und hygienisch einwandfrei und trocken zu lagern, um eine mögliche Beeinträchtigung im Hinblick auf den späteren Gebrauch auszuschließen.

- Vor Inbetriebnahme und nach einem längeren Stillstand sind die Trinkwasserschläuche mit dafür zugelassenen und geeigneten Mitteln zu desinfizieren sowie gründlich und kräftig zu spülen.

- Direktes Einfließen des Trinkwassers in z.B. Spülbecken ist mit einem freien Auslauf abzusichern.

- Festangeschlossene Geräte, z.B. Spülmaschinen, sind ausreichend gegen Rückfließen abzusichern.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

34

Abb. 7 Trinkwasserunter-verteilung mit Einzelan-schlüssen

Abb. 6 zu lange Schlauchleitungen

Abb. 8 Mehrfachanschlüsse an einen Hydranten

Probleme bei der Überwachung

Problematisch bei der Überwachung der Trinkwasserinstallation war,

dass es 2003 nur einen Trinkwasserschlauch auf dem Markt gab, der

den Anforderungen der KTW-Empfehlungen sowie den Vorgaben des

DVGW W 270 entsprach. Die Anschaffungskosten dieses Trinkwasser-

schlauches waren sehr hoch. Aus diesem Grund wurden durch das

Stadtgesundheitsamt vorübergehend auch Schläuche akzeptiert, die

nicht beide Prüfzeichen vorwiesen. Mittlerweile ist eine ausreichende

Anzahl an Schläuchen erhältlich, die auf einem „normalen“ preislichen

Niveau liegen.

Ein weiteres Problem war die geringe Erfahrung der Standbetreiber mit

den neuen Regelungen, so wurden sie häufig beispielsweise von den

Vertreibern der Trinkwasserschläuche falsch beraten und mit

unzureichend geprüften Schlauchmaterialien versorgt. Das Beratungs-

angebot unsererseits wurde zu Beginn wenig genutzt.

Auch die Absicherungen der Stände fehlten häufig ganz oder waren

unzureichend, als Grund hierfür wurde angegeben, dass die

Absicherungseinrichtungen, wie auch teilweise die Schläuche, häufig

entwendet wurden.

Die Umsetzung der technischen Regeln durch den Veranstalter

erfolgte nur schleppend. Viele der geforderten Maßnahmen, z.B. die

Verwendung geprüfter Schläuche und ausreichende Absicherung der

Anschlüsse für die Standbetreiber, wurden bereits umgesetzt. Sehr

kostenintensive Maßnahmen, z.B. die Bereitstellung abgesicherter

Anschlüsse für die Stände, werden derzeit noch getestet (Abb. 7).

Somit treten immer noch zu lange Schlauchleitungen auf und viele

Zusammenschlüsse verschiedener Stände an einer Unterverteilung

(Abb. 6 und Abb. 8). Dies ruft bei den Schaustellern Kritik hervor.

Fazit

Bei den Veranstaltern und Schaustellern wird das

Thema Trinkwasserinstallation mittlerweile sehr gut

angenommen und umgesetzt, nicht zuletzt auch

durch Erfahrungen bei Veranstaltungen außerhalb

des Zuständigkeitsbereiches des Stadtgesund-

heitsamtes Frankfurt.

Als Problem stellt sich immer noch dar, dass nach

Angaben der Standbetreiber Absicherungen und

teilweise auch Schläuche entwendet und oft immer

noch zu wenige Anschlüsse für die Stände von den

Veranstaltern zur Verfügung gestellt werden.

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Wasser - Trinkwasser - Kontaminationsmöglichkeit durch Fehlanschlüsse

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Mit Erscheinen der DIN 2001 Teil 2 E gibt es endlich ein Regelwerk, das die Zuständigkeiten

bezüglich Trinkwasserinstallationen bei Veranstaltungen, z.B. Messen und Märkte, eindeutig regelt

und somit den Gesundheitsämtern ein gutes Instrument für die Überwachung in die Hand gibt.

Colon-Hydro-Therapie

Alternative Therapieformen erfreuen

sich zunehmender Beliebtheit. Eine

dieser Therapieformen und

Ausleitverfahren ist die so genannte

Colon-Hydro-Therapie. Durch Spü-

lungen des Colons sollen „Fäulnis-

und Gärgifte“ aus dem Darm heraus-

geschwemmt, der Darm gereinigt,

das Abwehr- und Stoffwechsel-

system des Körpers entlastet und

gleichzeitig die Darmfunktionen an-

geregt werden. Bei dieser Therapie

wird dem in Rückenlage liegenden

Patienten angewärmtes Wasser über

einen Kunststoffschlauch in den

Darm eingeleitet und der Bauch des Patienten durch den Therapeuten massiert, um Problemzonen zu

ertasten und das einfließende Wasser an bestimmte Stellen im Darm zu leiten und dort gezielt

Ablagerungen zu lösen. Über einen zweiten Schlauch wird das Wasser mit dem gelösten Darminhalt

abgeleitet. Verwendet wird ausschließlich Einmal-Material.

Auf dieses Verfahren wurden die Mitarbeiter des Gesundheitsamtes im Rahmen der Infektionshygieni-

schen Überwachung der Praxen von Heilpraktikern in Frankfurt am Main aufmerksam. Ein in einer

Praxis vorgefundenes Gerät zur Colon-Hydro-Therapie (siehe Abb. oben) war ohne erkennbare

Absicherung an die Trinkwasser-Hausinstallation angeschlossen. Es waren Filter und Absperrhähne

zu erkennen, jedoch stellte sich die Frage, ob dies für ein solches Gerät ausreichend ist. Hierzu

wurden umfangreiche Recherchen durchgeführt. Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen werden

nachfolgend dargestellt.

Trinkwasserverordnung: Die Trinkwasserverordnung (TVO) führt im § 4 Abs. 1 Satz 2 auf, dass

Wasser für den menschlichen Gebrauch frei sein muss von Krankheitserregern. Dieses Erfordernis gilt

als erfüllt, wenn ... bei der Verteilung des Wassers für den menschlichen Gebrauch die allgemein

anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden.

Technische Regel DIN EN 17171: In Abschnitt 6.1 „Auswahl der Sicherungseinrichtungen, die

eingesetzt werden“ wird festgelegt, dass die einzubauenden Sicherungseinrichtungen für

Entnahmestellen und Apparate nach dem Verfahren, wie in Abschnitt 5 beschrieben, auszuwählen

sind. Hier wird zunächst die Flüssigkeit, die mit dem Trinkwasser in Kontakt kommen kann, in

Kategorien von 1 bis 5 eingeteilt. Die Kategorie 5 ist definiert als eine „Flüssigkeit, die eine

1 DIN EN 1717:2001-05, Mai 2001, Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen in Trinkwasser-Installationen und allgemeine Anforderungen an Sicherungseinrichtungen zur Verhütung von Trinkwasserverunreinigungen durch Rückfließen, Deutsche Fassung EN 1717:200, Technische Regel des DVGW

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

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Gefährdung für Menschen durch die Anwesenheit von mikrobiellen oder viruellen Erregern übertrag-

barer Krankheiten darstellt“. Für das Colon-Hydro-Therapie-Gerät gilt daher, dass nach Tabelle 2

Abschnitt 5.8 der DIN EN 1717 für die Kategorie 5 ein „Ungehinderter Freier Auslauf“, „Freier Auslauf

mit nicht kreisförmigem Überlauf (uneingeschränkt)“ bzw. „Freier Auslauf mit Injektor“ oder ein

„Rohrunterbrecher Typ A1 mit ständiger Verbindung zur Atmosphäre“ vorzusehen ist.

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV)1: Die

Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) regelt den

Betrieb von Kundenanlagen und Verbrauchseinrichtungen. Die AVBWasserV ist Vertragsbestandteil

des Liefervertrages zwischen Wasserversorgungsunternehmen und Kunden. In § 15 der Verordnung

wird festgelegt, dass Anlage und Verbrauchseinrichtungen so zu betreiben sind, dass Störungen

anderer Kunden, störende Rückwirkungen auf Einrichtungen des Wasserversorgungsunternehmens

oder Dritter oder Rückwirkungen auf die Güte des Trinkwassers ausgeschlossen sind.

Nach dieser Vorrecherche wurden alle Heilpraktiker in Frankfurt, die eine Colon-Hydro-Therapie

durchführen, von Mitarbeitern des Gesundheitsamtes begangen. In keiner der Praxen war das

vorhandene Therapie-Gerät normgerecht angeschlossen. Vor Ort wurde auf die Gefahren des

Rückfließens, aber auch auf das mögliche Keimwachstum im Biofilm der Geräte aufmerksam

gemacht. Den Betreibern wurde zur Auflage gemacht, den normgerechten Anschluss der Colon-

Hydro-Therapie-Geräte innerhalb von sechs Wochen sicherzustellen. Sie wurden auf den Hersteller

des bereits DVGW-zertifizierten Gerätes als eine Möglichkeit der Sicherstellung des freien Auslaufes

hingewiesen.

Bei den abschließend durchgeführten Nachkontrollen konnte festgestellt werden, dass alle

beanstandeten Geräte normgerecht angeschlossen sind bzw. einige Geräte nicht mehr genutzt

werden und daher demontiert worden sind. Nach Rücksprache mit verschiedenen Hygienikern muss

davon ausgegangen werden, dass Geräte zur Colon-Hydro-Therapie auch von Ärzten eingesetzt

werden, nicht nur in Praxen, sondern auch in Kliniken. Auch diese werden nach Bekanntwerden im

Hinblick auf Einhaltung der Normen zur Sicherung der Trinkwasserhygiene kontrolliert, um sicher zu

stellen, dass auch dort normgerechte Anschlüsse hergestellt werden.

Legionellen

Legionellen sind im Wasser lebende Bakterien, die weltweit im Süßwasser, nicht aber im Salzwasser

vorkommen. In kaltem Wasser können sie sich kaum vermehren, in warmem Wasser finden sie aber

ideale Bedingungen für ihr Wachstum und ihre Vermehrung vor. Deshalb findet man sie bevorzugt in

Warmwassersystemen, schlecht gewarteten Klimaanlagen usw.

Ein Jahr, nachdem 1976 eine rätselhafte Lungenentzündung bei Teilnehmern eines amerikanischen

Veteranentreffens der „American Legion“ aufgetreten war, bei welchem 221 Menschen plötzlich er-

krankten und 34 Erkrankte verstarben, wurden die Legionellen „entdeckt“ und als die Krankheitsverur-

sacher herausgefunden. Rückblickend weiß man, dass diese Keime offenbar auch die Ursache der

1968 aufgetretenen fiebrigen, grippeähnlichen Infektion bei 144 Personen in Pontiac/USA gewesen

waren, „Pontiac-Fieber“.

1 Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20. Juni1980, Bundesgesetzblatt Nr. 31 /1980, Teil I Gültig ab 1. April 1980

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

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Die Legionellen verursachen im Wesentlichen zwei verschiedene Krankheitsbilder, nämlich die oft

sehr schwer verlaufende Legionellen-Lungenentzündung „Legionärskrankheit“, die in etwa 10-20%

der Fälle zum Tode führt, und das Pontiac-Fieber, eine mit Fieber einhergehende grippeähnliche

Erkrankung, die auch ohne spezifische Behandlung nach kurzer Zeit ohne Folgen überstanden wird

(Tab. 9).

Tab. 9 Durch Legionellen verursachte Erkrankungen

Legionärskrankheit Pontiac-Fieber Erstmals festgestellt: 1976: Philadelphia 1968: Pontiac Erkrankungsrate: 1-5% der Exponierten 95% der Exponierten Inkubationszeit: 2 – 10 Tage 1 – 2 Tage Symptome: Fieber, Husten, Auswurf, Schüttel- Fieber, Husten, Kopf-, Brust- frost, Kopf-, Brust- und Glieder- und Gliederschmerzen, ggf. schmerzen, ggf. Durchfall, Verwirrt- Verwirrtheitszustände heitszustände Lunge (Röntgen) geringe interstitielle Infiltrate bis aus- keine gedehnte Verschattungen, basal be- tont, meist einseitig Beteiligung anderer Organe Leber, Niere, Magen-Darm-Kanal keine (Toxinwirkung?) Letalität (tödlicher Ausgang) 15-20 Prozent keine

Nach CapNet2 zur Häufigkeit von Legionellenerkrankungen wird geschätzt, dass in Deutschland

jährlich 30.000 Legionellenpneumonien (Lungenentzündung) auftreten. Es wird darüber hinaus von

anderen Autoren angenommen, dass das grippeähnliche Pontiac-Fieber etwa 10mal häufiger als die

legionellenbedingte Lungenentzündung auftritt.

Empfehlungen zum Umgang mit dem Legionellenproblem in Warmwassersystemen

Bis heute gibt es in der Trinkwasserverordnung keine Untersuchungspflicht und keinen Grenzwert für

Legionellen; auch nicht in der novellierten Trinkwasserverordnung 2001. Dies mag u.a. mit Problemen

der Standardisierung der Untersuchungsmethode zu erklären sein, aber auch mit nach wie vor

bestehenden Unklarheiten über die infektionsrelevante Dosis. So werden in der Literatur

unterschiedliche „Schwellenwerte“ für eine Infektion angegeben: 1 000 000/l bis 1000/l. Durch Trinken

von Wasser, in dem sich Legionellen befinden, besteht für immunkompetente Personen (Personen mit

normalem Immunsystem) kein Gesundheitsrisiko; sie können aber durch Aufnahme einer größeren

Zahl von Erregern in den Körper durch Einatmen bakterienhaltigen Wassers als Aerosol (z.B. beim

Duschen) erkranken. Hierbei sind insbesondere mit Legionellen infizierte Amöben (Einzeller) im

Wasser wichtig, da die Legionellen durch Vermehrung in den Amöben eine stärkere

infektionsauslösende Wirkung entwickeln (ihre Virulenzantigene intrazellulär aktivieren). Die Infektion

durch infizierte Amöben und Freisetzung der aktivierten Legionellen im Körper erklärt das bekannte

„Dosis-Wirkungs-Paradoxon“ beim Auftreten von Legionellosen, d.h. fehlende Infektion trotz

kontaminierter Wassersysteme oder Infektion trotz minimaler Kontamination.

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

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Zur Bewertung von Legionellenbefunden im Trinkwasser werden die nachfolgenden Empfehlungen

des DVGW zugrunde gelegt (DVGW, 1993 und 1996):

Tab. 10 DVGW: Empfehlungen zur Bewertung u. Sanierung bei Legionellennachweis im Wassersystem

Legionellen

(KBE/l)

Bewertung Maßnahmen Weitergehende Untersuchung

Nachunter-suchung

> 100.000 Extrem hohe Kontamination

Unverzügliche Desinfektion bzw. Nutzungseinschrän-kung, z.B. Duschverbot Sanierung ist angezeigt

Umgehend -

> 10.000 Hohe Kontamination

Sanierung ist angezeigt Umgehend -

1.000 Kontamination Keine Innerhalb von 14 Tagen

-

Nicht nachweisbar in 1ml

Keine nachweisbare Kontamination

Keine Keine Nach 1 Jahr

(nach 3 Jahren)*

Tab. 11 DVGW: Bewertung der Befunde bei einer weitergehenden Untersuchung

Legionellen

(KBE/l)

Bewertung Maßnahmen Nachuntersuchung

> 100.000 Extrem hohe Kontamination

Unverzügliche Desinfektion bzw. Nutzungseinschränkung, z.B. Duschverbot Sanierung ist angezeigt

1 Woche nach Desinfektion bzw. Sanierung

> 1.000 Kontamination Sanierung ist erforderlich 1 Woche nach Desinfektion bzw. Sanierung

Nicht nachweisbar in 1ml

Keine nachweisbare Kontamination

Keine Nach einem Vierteljahr

Ergebnisse der Legionellenüberwachung in Frankfurt am Main1

Das Sachgebiet Umwelthygiene im Stadtgesundheitsamt Frankfurt arbeitet seit Ende der 1980er

Jahre auf dem Gebiet der Legionellenüberwachung von Wasserversorgungsanlagen. Erste größere

systematische Untersuchungen fanden 1988 statt. Zunächst wurden insbesondere Warmwasser-

systeme der Krankenhäuser, der öffentlichen Bäder, der Schulbäder und der Altenheime untersucht.

Die Ergebnisse aus den Jahren 1988 bis 1991 sowie Beispiele verschiedener Sanierungsmaßnahmen

wurden 1992 veröffentlicht1a. Es zeigte sich damals, dass in 16 von 17 Krankenhäusern (94%), in 20-

40% der Altenheime und in 50-80% der untersuchten Hallenbäder Legionellen in den Warmwasser-

systemen nachgewiesen werden konnten. Diese Ergebnisse stimmten recht gut überein mit Daten aus

1 Hentschel W: Vortrag anlässlich des 8. Kongresses der Gesellschaft für Hygiene und Umweltmedizin in Bonn 29. bis 31. März 2000 1a Kalker U, Hentschel W: Das Problem der Legionellenkontamination in den Warmwassersystemen einer deutschen Großstadt. Gesundheits-Wesen (1992) 54: 597-604.

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

39

der Literatur, wonach in mindestens 60-70% der Proben aus Krankenhäusern, Altenheimen und

Hallenbädern positive Legionellennachweise erhalten werden2.

Das Stadtgesundheitsamt fordert bei positiven Legionellenbefunden die Eigentümer der Liegenschaf-

ten zu entsprechenden Sanierungs- und Abhilfemaßnahmen auf, die allerdings meist sehr schwierig

und langwierig sind. In jedem Fall werden Termine für die nächste Kontrolluntersuchung nach W 552

vorgeschlagen. Eine Durchsetzung der Vorschläge und Terminsetzungen war bis auf wenige Fälle, wo

konkrete Erkrankungen oder entsprechende Verdachtsmomente vorlagen, nicht möglich. Die

Bereitschaft zur Befolgung unserer Hinweise war sehr unterschiedlich.

Bis zum Sommer 2008 lagen dem Amt 24101 Befunde von Legionellenuntersuchungen der

verschiedensten Wässer aus 309 verschiedenen Gebäuden vor. 95,6% der Proben stammten aus

warmem Trinkwasser (Duschwasser), 3,9% aus kaltem Trinkwasser und weniger als 1% aus

Zisternen, Luftwäschern etc. 71% der Proben wurden durch Mitarbeiter der Abteilung genommen, die

restlichen durch Mitarbeiter anderer Untersuchungsinstitute oder von den Betreibern der Einrich-

tungen selbst. Die Probenahmefrequenzen waren unterschiedlich und reichten von mehreren

Probenahmen pro Jahr bis hin zu nur einer Probenahme in mehreren Jahren. Bis zum Sommer 1999

verfügte das Amt bei 94 Einrichtungen über 10 und mehr Untersuchungsserien (max. 38), bei 47

Einrichtungen über 5-9 Untersuchungsserien, die übrigen Einrichtungen waren weniger als 5-mal

beprobt worden.

Bei Legionellenuntersuchungen ist nach wie vor noch keine Vereinheitlichung der Entnahmetechnik,

des Probenvolumens, der Labordiagnostik und der Befunddokumentation festzustellen. Nicht alle

Institute berücksichtigen die Empfehlungen des Umweltbundesamtes3 – sodass die Befunde aus

methodischen Gründen nur bedingt miteinander vergleichbar sind. Aber auch die sehr unterschied-

lichen Probenumfänge schränken letztendlich die statistische Auswertung ein. Vorteile unserer

Datengrundlage sind allerdings die Kenntnis der Befunde von vielen Untersuchungsserien pro

Gebäude, der insgesamt lange Untersuchungszeitraum und die große Probenzahl. Vor diesem

Hintergrund werden die der Abteilung bekannten in Frankfurt seit 1988 erhobenen Daten zusammen-

fassend im zeitlichen Ablauf dargestellt.

Abb. 9 zeigt die Anzahl der in der Abteilung vorliegenden Legionellenuntersuchungen aus Frankfurt

am Main in den Jahren 1988-2008. Abb. 10 lässt erkennen, aus welchen Einrichtungen im Wesent-

lichen die Befunde stammen. Jeweils ca. 20% mehr als ein Viertel der Untersuchungen stammen aus

Krankenhäusern oder auch aus Schul(turnhall)en, 16% aus Hotels, 14% aus Altenpflegeheimen. Alle

anderen Bereiche erreichten weniger als 10% der Proben.

Bei genauerer Betrachtung der Einrichtungen mit den meisten Proben insgesamt über die letzten 20

Jahre ergibt sich ein differenzierteres Bild. In Krankenhäusern wurden in den Jahren 1988, 1991 und

1993 bereits größere Untersuchungsserien mit insgesamt deutlich über 100 (bis 400) Proben vorge-

nommen, demgegenüber waren die Probenzahlen in Duschen von Altenpflegeheimen geringer, ob-

wohl mehr Altenpflegeheime in Frankfurt betrieben werden als Krankenhäuser. Allerdings waren in

den Krankenhäusern mit ihrem oft weit verzweigten Trinkwassernetz auch deutlich mehr Proben pro

Warmwassersystem notwendig. In allen drei Einrichtungsarten (Krankenhaus, Altenpflegeheim und

Bäder) nahm insbesondere in den letzten Jahren die Anzahl der jährlich genommenen Proben zu.

2 Exner M. Verhütung, Erkennung und Bekämpfung von Legionelleninfektionen im Krankenhaus I und II. das Krankenhaus (1991) 460-463 und 516-523. 3 Umweltbundesamt. Legionellenuntersuchungs-Empfehlung

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

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Abb. 9 Anzahl der Legionellenuntersuchungen in den Jahren 1988-Sept 2008

Abb. 10 Verteilung der Legionellenuntersuchungen in den verschiedenen Einrichtungen

Erst ab Mitte der 1990er Jahre wurden auch andere Einrichtungen, wie z.B. Schulturnhallen, Hotels

und Wohnheime, beprobt. 1995 war das Amt informiert worden, dass es bei einem Schüler nach

Schulsport offenbar zu einer schweren Legionellenpneumonie gekommen war (diese Erkrankung

konnte nicht gesichert werden, da damals die diagnostischen Möglichkeiten in dem Krankenhaus noch

nicht etabliert waren). Daraufhin untersuchte das Amt das Warmwassersystem der Schule und stellte

>100.000KBE Legionellen/l fest. Die Schule hatte ein neues, modernes, energiesparendes Warm-

wassersystem für das Duschwasser eingebaut. Es wurden sofort Sanierungen vorgenommen und

parallel mit dem Stadtschulamt vereinbart, alle Schulturnhallen systematisch auf Legionellen zu

untersuchen. Die seither regelmäßigen Probennahmen in Schul(turnhall)en sind in Abb. 11 rechts

erkennbar. Da nach 3 Jahren nicht zu beanstandender Ergebnisse die Routinekontrollen in einem

mehrjährigen Rhythmus erfolgen können, konnten 2000-2002 weniger Proben genommen werden.

Seit Mitte der 1990er Jahre kamen verschiedene Hotels auf das Amt mit der Bitte um Beratung und

Kontrolle zu, im Jahre 2006 ließ das Amt alle Frankfurter Hotels mit mehr als 12 Betten auf der

Grundlage der 2003 in Kraft getretenen neuen Trinkwasserverordnung (§18 Wasser für die Öffent-

lichkeit) untersuchen, dies erklärt die einmalige Spitze von über 1000 Warmwasser-Proben in diesem

Jahr.

Anzahl Legionellenuntersuchungen

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

1988

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

2006

2008

An

zah

l

Legionellenuntersuchungen in den verschiedenen Einrichtungen

0 1000 2000 3000 4000 5000

KRANKENHAUSSCHULE

HOTELALTENHEIM

BADWOHNHEIME

WASSERVERSORGUNGAIRPORT

SPORTANLAGEKITA

Anzahl

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

41

Abb. 11 Anzahl Legionellenproben im Warmwasser (Duschwasser) von Krankenhäusern, Altenpflegeheimen und Bädern (links) , sowie von Schulturnhallen, Hotels und Wohnheimen (rechts)

Abb. 12 zeigt die Ergebnisse aller bisher erhaltenen Legionellenbefunde seit 1995 bis Oktober 2008.

Dargestellt sind die beanstandungsfreien Befunde in den verschiedenen Einrichtungen (Kranken-

häuser, Altenpflegeheime, öffentliche Bäder, Schulen, Wohnheime und Hotels) (oben) und der Anteil

der Befunde, die zur Gefahrenabwehr ein sofortiges Nutzungsverbot (Duschverbot) und Sanierungs-

bedarf bedeuten (unten). In den Jahren 2003 und 2004 ist ein deutlich höherer Anteil legionellen-

positiver Befunde zu erkennen. (Mit)Ursache hierfür ist eine Änderung des Analyseverfahrens, das

nach einer aktuellen Publikation des Umweltbundesamtes umgestellt wurde.

Abb. 12 Legionellenbefunde in Warmwassersystemen in verschiedenen Einrichtungen in Frankfurt/M 1995-2008 – beanstandungsfreie Befunde (oben) und Befunde, die ein sofortiges Nutzungsverbot bedingen (unten)

In Krankenhäusern und Altenpflegeheimen ähnelt sich der Verlauf der Kontaminationsklassen über

die Jahre etwas, doch die Belastungshöhe ist in Altenpflegeheimen in der Regel deutlich geringer. In

Altenpflegeheimen, Bädern und Schulturnhallen ist nach 2003 (auch) infolge der geänderten Analytik

eine Verschlechterung der Situation erkennbar, aber in der vergleichenden Betrachtung weisen die

Schulturnhallen mit großem Abstand die ungünstigsten Befunde auf. Nicht selten werden gerade in

Schulturnhallen Befunde > 100.000 KBE/l gefunden, die dann ein sofortiges Nutzungsverbot und

Sanierungsgebot zur Folge haben. Die mit Abstand besten Befunde weisen Hotels auf. Dies kann

Anzahl Warmwasser-Proben Krankenhäuser, Altenpflegeheimen und Bäder

0

100

200

300

400

500

600

19

88

19

89

19

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19

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19

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19

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19

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19

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19

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19

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19

99

20

00

20

01

20

02

20

03

20

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20

06

20

07

An

zah

l

Krankhenhäuser

Altenpflegeheime

Bäder

Anzahl Warmwasser-Proben Schulturnhallen, Hotels und Wohnheime

0

100

200

300

400

500

600

700

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19

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19

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19

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20

00

20

01

20

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20

03

20

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20

07

An

zah

l

Schulen

Hotels

Wohnheime

Legionellenbefunde < 1000 KBE/l

0

10

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30

40

50

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70

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1995

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1997

1998

1999

2000

2001

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2003

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2005

2006

2007

2008

Pro

zen

t Krankenhäuser

APHs

Bäder

Legionellenbefunde < 1000 KBE/l

0

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1995

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2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Pro

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t Schulen

Wohnheime

Hotels

Legionellenbefunde > 100.000 KBE/l

0

1

2

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Legionellenbefunde > 100.000 KBE/l

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Pro

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Wohnheime

Hotels

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

42

auch darauf zurückgeführt werden, dass dort – nicht zuletzt wegen der öffentlichen Diskussion um

reiseassoziierte Legionellenerrankungen nach Hotelaufenthalten – von vielen, vor allem international

operierenden Hotelbetreibern- Maßnahmepläne gegen die Besiedlung der Hausinstallation mit

Legionellen umgesetzt werden und die Warmwassersysteme gut gewartet und regelmäßig kontrolliert

werden.

Auf der Grundlage der bis 2002 geltenden Trinkwasserverordnung aus dem Jahre 1990 konnte mit

Ausnahme von den sehr wenigen Fällen, wo ein konkreter Infektionsverdacht bestand, seitens der

Gesundheitsbehörde kein Druck auf die Anlagenbetreiber zur Durchführung der Untersuchungen

ausgeübt werden. Die seit 2003 gültige novellierte Trinkwasserverordnung sieht vor, dass die Be-

treiber öffentlicher Einrichtungen das von ihnen abgegebene Trinkwasser routinemäßig untersuchen

lassen müssen. Demnach hat das Gesundheitsamt Wasserversorgungsanlagen zu überwachen, „aus

denen Wasser für die Öffentlichkeit, insbesondere in Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern,

Gaststätten und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen, bereitgestellt wird“. In diesem Zusammen-

hang ließ das Gesundheitsamt – neben den seit 1988 bereits in der routinemäßigen Legionellen-

überwachung befindlichen Einrichtungen wie Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Bäder und seit

1995/6 Schulturnhallen – in den Jahren 2004-2006 auch das Trinkwasser in allen Kindereinrichtungen

(Kindertagesstätten, Kindergärten, Kinderkrippen etc.), Hotels über 12 Betten und Sportstätten

untersuchen. Der zusätzliche Untersuchungsumfang betraf ca. mehr als 550 Kindereinrichtungen, 200

Hotels und 51 Sportstätten. Die Ergebnisse sind in Abb. 13 zusammengefasst: Es ist leicht erkennbar,

dass die jetzt erstmals in großem Umfang untersuchten Einrichtungen keine große Legionellen-

problematik aufweisen. Vor diesem Hintergrund wird das Gesundheitsamt weiter sein Konzept der

Überwachung der sog. Risikoeinrichtungen wie Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Schulturnhallen

fortsetzen.

Abb. 13 Legionellenkontaminationsklassen (KBE/l) in den 2004-2006 in Frankfurt am Main untersuchten Wasserversorgungsanlagen, die Wasser für die Öffentlichkeit bereitstellen (angegeben sind Prozentwerte).

Darüber hinaus erscheint eine stärkere Übernahme der Verantwortung für präventive Legionellen-

untersuchungen und Sanierungsmaßnahmen in Risikoeinrichtungen durch die Betreiber solcher

Anlagen notwendig. Dies muss durch die Entwicklung einer „Kultur“ flankiert werden, die die

Beschäftigung mit dem Legionellenproblem durch die Betreiber und Installateure ähnlich selbstver-

ständlich möglich macht wie beispielsweise die Auseinandersetzung mit dem Korrosionsproblem.

Trinkwasser, kalt oder erwärmt, ist nach deutschem Rechtsverständnis ein Lebensmittel. In Bereich

der Lebensmittelüberwachung ist die Praxis des HACCP-Konzeptes (Hazard Analysis and Critical

Check Points) üblich geworden. Danach ist der Betreiber/Hersteller eines Lebensmittels verpflichtet,

den Prozess der Lebensmittelherstellung durch Messungen und Kontrollen an entsprechend geeig-

neten Stellen zu prüfen und zu dokumentieren. Als Lösung des Legionellenproblems ist aus unserer

0

10

2030

40

50

60

7080

90

100

Sportstätten

Hotels Kinder-tages-stätten

Kran-ken-

häuser

Alten-pflege-heime

Bäder Diverse Schul-turn-

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0

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1.001-10.000

10.001-100.000

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

43

Sicht die Anwendung des HACCP-Konzeptes auf den Prozess der Erwärmung und Verteilung von

Trinkwasser vorstellbar, u.a. mit:

regelmäßigen präventiven Legionellenuntersuchungen in Risikoeinrichtungen gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 552

Installation von Wärmefühlern in der Peripherie von Warmwasserversorgungsanlagen mit Übertragung in eine entsprechende Dokumentationseinheit

Installation von Strömungswächtern in der Peripherie von Warmwasserversorgungsanlagen mit Übertragung in eine entsprechende Dokumentationseinheit

Schaffung eines Dokumentationssystems, das den Verlauf der Legionellenkontamination jederzeit als Zeit-Wert-Reihe verfügbar hält.

Allerdings sind nicht alle auf dem Markt befindlichen Legionellenbekämpfungsmaßnahmen ziel-

führend; vor diesem Hintergrund soll nachfolgend ein besonderes Positivbeispiel aus einem

Schulkomplex in Frankfurt 2006/7 beispielhaft dargestellt werden.

Legionellensanierung in einem aus 3 Schulen bestehenden Schulkomplex in Frankfurt

April 2007 – September 2008

In einem Frankfurter Schulgebäudekomplex, der aus 3 Schulen besteht und der über eine zusammen-

hängende Trinkwasserversorgung verfügt, traten zu Beginn des Jahres 2007 in einer der Schulen

inakzeptable Legionellenkontaminationen im kalten und warmen Trinkwasser auf.

Schule A: Schule für schwer und schwerst Körperbehinderte, Bj. 1968 und Anbau 1988

Schule B: Schule für Sehbehinderte, Bj.1968

Schule C: Realschule, Bj. 1960

In einer der Schulen erfolgt die Kaltwassereinführung und Trinkwassererwärmung (TWE) für den

gesamten Komplex, die Warmwasserversorgung wird über einen 2-m³-Trinkwassererwärmer und

Zirkulationsleitungen hergestellt. Zwischen dem TWE in der Schule A und der am entferntest

gelegenen Warmwasser-Zapfstelle der Schule B liegt eine Entfernung von ca. 250 m.

Aufgrund der Zusammensetzung der Schüler, zu denen auch mehrfach Schwerstbehinderte mit

Immundefiziten und z. T. umfangreicher Medikation – wie z.B. auch Cortison – gehören, ist das erfor-

derliche Schutzniveau hinsichtlich Legionellen für die Schüler der Schule A erheblich höher anzu-

setzen als für die Schüler in anderen Schulen. Hinzu kommt, dass die gegebenen therapeutischen

und pflegerischen Notwendigkeiten die Verfügbarkeit von Warmwasser unabdingbar machen.

Der Gesamtzustand der Hausinstallation vor Sanierung war durch schlechte Wartung, unsyste-

matische technische Gestaltung, schlechte Zirkulation, Korrosionsproblemen und zu geringe Warm-

wassertemperaturen gekennzeichnet. Es wurde seitens der Nutzer berichtet, dass das gezapfte

Trinkwasser häufig mit Partikeln (Sand, Korrosionsprodukte, Kalkgeriesel) verunreinigt ist.

Die Legionellenkontamination der Schule A reichte im Februar 2007 bis über 100.000 KBE/l, die

anderen Schulen waren deutlich geringer belastet. Es wurden Legionella pneumophila der

Serogruppen 1 und 2-14 nachgewiesen.

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

44

Sanierungsplanung

Eine Schulschließung der Schule A kam nicht in Frage, da die meisten der dort unterrichteten Kinder

neben der schulischen Betreuung auch auf die pflegerische und rehabilitative Versorgung in diesen

Einrichtungen angewiesen sind.

Es wurde folgender Sanierungsplan entwickelt:

1. Anbringen von Sterilfiltern an ausgewählten Zapfstellen, um den sicheren Betrieb der

Einrichtungen zu gewährleisten.

2. Durchführung einer Druckimpulsspülung („Comprex-Verfahren“) des gesamten Komplexes

(April 2007) zur Reinigung des Systems.

3. Erstellung eines Bestandsplans, da ein solcher nicht vorhanden war.

4. Technische Ursachenrecherche und darauf aufbauend Erstellung des Sanierungsplans.

5. Sukzessive Durchführung der technischen Sanierungsmaßnahmen.

6. Intensive Begleitung der Sanierung durch Legionellenuntersuchungen des

Stadtgesundheitsamtes von Anfang an.

Sanierung: Die Anwendung des „Comprex-Verfahrens“ erfolgte noch im April 2007 innerhalb der

Osterferien, die weiteren Schritte im direkten Anschluss daran. Insgesamt wurden in der Zeit vom

02.04.2007 bis 12.04.2007 824 Zapfstellen beaufschlagt und 245m³ Spülwasser verbraucht, wobei der

Impulsdruck im Mittel 4,5bar betrug. Die weitere Sanierung wurde gemäß den vorgenannten Punkten

3 bis 6 nach und nach umgesetzt. Die technische Durchsicht nach Erstellung der Bestandspläne

ergab ca. 200 Mängel unterschiedlicher Schwere, die allerdings bis heute (Oktober 2008) noch nicht

in allen Fällen behoben sind.

Die intensive messtechnische Begleitung des Projektes erbrachte folgende Ergebnisse:

Direkt nach der Impulsspülung im April 2007 begannen die Legionellenkonzentrationen

kontinuierlich abzunehmen, erreichten aber nicht an allen beprobten Stellen das

Sanierungsziel von 1000 KBE/l.

Im Herbst 2007 wurde klar, dass das Kaltwassersystem permanent mit Legionellen

kontaminiert ist und damit einen laufenden Nachschub an Legionellen liefert, was dem

nachhaltigen Erfolg der bisherigen Sanierungsmaßnahmen im Wege stand. Als einzige

Gegenmaßnahme hierfür wurde eine Trinkwasserdesinfektion des Kaltwassersystems

gesehen.

Aus den zur Verfügung stehenden Methoden wurde die Chlordioxid-Desinfektion

(„Reaxan“-Anlage der Fa. BWT) ausgewählt und Mitte November 2007 installiert. Im

Verlauf der Nachuntersuchungen zeigte sich, dass die Legionellenkontaminationen immer

weiter zurückgingen.

Bis heute wurden 12 Legionellen-Untersuchungsserien in ca. 1 ½ Jahren durchgeführt und dabei 432

Legionellenproben untersucht. Die Ergebnisse der 12. Nachuntersuchung zeigen, dass die

Legionellenkontaminationen sowohl im Kaltwasser als auch im Warmwasser bis auf einen bekannten

Brennpunkt (Gymnastikhalle der Hermann-Hertzog-Schule) ausnahmslos bei „nicht nachweisbar“

liegen und die Sanierungsmaßnahmen in ihrer Summe sehr gut gegriffen haben.

Die kommende Aufgabe wird sein, durch sorgfältige Wartung, bestimmungsgemäße Nutzung und

weitere Optimierung der Trinkwasserinstallation nach Maßgabe des Sanierungskonzeptes den

erzielten Sanierungserfolg nachhaltig zu sichern. Sofern alle technischen Sanierungsvorschläge des

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

45

Gutachters abgeschlossen sind, soll die Chlordioxid-Desinfektion außer Betrieb genommen werden

und könnte an anderer Stelle genutzt werden. Die Kontrollmessungen werden im hier dargestellten

Umfang bis auf weiteres im vierteljährlichen Abstand weiter fortgeführt werden. Mittelfristig sollte eine

Umstrukturierung des gesamten Systems in Richtung Dezentralisierung erfolgen.

Abb. 14 Schule A - Warmwasser

Die Bezeichnungen mit einem führenden DG

kennzeichnen die Untersuchungen vor Be-

ginn der Sanierung.

Die Legionellenkontaminationen im WW der

Schule A sind seit der 10. Untersuchung un-

unterbrochen im Mittel weit unterhalb von

100 KBE/100 ml und damit im Sanierungs-

Zielbereich.

Abb. 15 Schule A - Kaltwasser

Die Bezeichnungen mit einem führenden DG

kennzeichnen die Untersuchungen vor Be-

ginn der Sanierung.

Die Legionellenkontaminationen im WW der

Schule A sind seit der 10. Untersuchung un-

unterbrochen im Mittel weit unterhalb von

100 KBE/100 ml und damit im Sanierungs-

Zielbereich.

Legionellen im Duschwasser – Auswirkungen auf die Gesundheit von Altenheimbewohnern

Eine erste kleinere epidemiologische Untersuchung zu Gesundheitsproblemen bei Bewohnern eines

Altenpflegeheimes führte die Abteilung im Jahre 1991 durch. In einem Altenheim war im Rahmen der

Routineuntersuchungen des Gesundheitsamtes (s. S. 38) eine hohe Legionellenkontamination des

Warmwassernetzes festgestellt worden, wobei die einzelnen Häuser des Heimes in unterschiedlichem

Ausmaß betroffen waren. Während im Haus B keine nennenswerte Legionellenkontamination des

Warmwassernetzes gefunden wurde, lagen die Keimzahlen im Warmwasser des Hauses A alle über

10 000 KBE Legionella 1-6/l. Somit war von einem hohen Infektionsrisiko, vor allem für die Bewohner

des Hauses A auszugehen.

Eine Sanierung des Warmwassersystems wurde eingeleitet. Darüber hinaus wurde eine differential-

diagnostische Abklärung bei fieberhaften respiratorischen Infekten der Altenheimbewohner gemein-

sam mit dem Heimarzt durchgeführt. Da die bei akuten Legionellainfektionen auftretenden erhöhten

Antikörpertiter in der Regel über mehrere Monate langsam rückläufig und erst nach mehr als einem

Jahr nach der Infektion nicht mehr nachweisbar sind, wurde die Kontrolle der Antikörpertiter der Be-

wohner auch retrospektiv bei Personen durchgeführt, die innerhalb des letzten halben Jahres an legio-

nellenverdächtigen Symptomen (z. B. Pontiac-Fieber oder Legionellen-Pneumonie) gelitten hatten.

VFS Warmwasser

0

2000

4000

6000

8000

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DG

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23

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VFS Kaltwasser

0

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

46

In keinem einzigen Fall fand sich ein eindeutig pathologischer Titer. Fünfmal (11,4%) wurden Grenz-

wertbefunde erhalten. Entgegen der Annahme, dass Legionella-Antikörpertiter besonders unter den

Bewohnern des Hauses A zu finden wären, lag die Rate der Grenzwertbefunde bei den Bewohnern

des Hauses B ohne nennenswerte Kontamination des Warmwassersystems mit 16% (3/19) doppelt so

hoch wie die der Bewohner des Hauses A (8%, 2/25). Unter der Voraussetzung, dass solche

Grenzwertbefunde Restbefunde nach länger vorhergehender Infektion darstellen, hatten mehr

Bewohner des Hauses B eine Infektion durchgemacht als Bewohner des Hauses A. Zwei der

Bewohner des Hauses B mit Grenzwertbefunden wohnten zum Zeitpunkt der Untersuchung kürzer als

ein Jahr in dem Heim, so dass die Infektion noch vor Einzug in das Heim erworben worden sein

konnte. Für frische Infektionen innerhalb der letzten Monate gab es bei allen 44 Untersuchten keinen

Anhalt, trotz der sehr hohen Kontamination des Duschwassers des Hauses A.

Drei Monate vor dem hier beschriebenen Untersuchungsprogramm war im Haus A eine 64jährige

Bewohnerin mit M. Parkinson unter den klinischen Zeichen einer Aspirationspneumonie zur

stationären Behandlung eingewiesen worden. Bei der weiteren Abklärung ergab sich u. a. am 4.

Behandlungstag ein hochpositiver Legionellenantikörpertiter, der somit eine im Pflegeheim erworbene

Infektion belegte. Diese Patientin hatte die Angewohnheit, täglich mindestens 20 Minuten zu duschen

und hatte damit eine über das übliche Maß hinausgehende Exposition durch legionellenkontaminiertes

Aerosol. Mit dieser Angewohnheit unterschied sich diese Bewohnerin deutlich von den Lebens-

gewohnheiten der anderen zumeist hochpflegebedürftigen Bewohner des Heimes, die bei Bettlägerig-

keit eher im Bett gewaschen oder nach Plan gebadet werden. Entsprechend dem in diesem Heim

üblichen Pflegetypus wird allgemein eher gewaschen und gebadet und seltener geduscht. Wenn also

bei 20 im Frühjahr 1991 untersuchten Bewohnern des Hauses A kein Anhalt für eine

Legionelleninfektion in den vergangenen Monaten festgestellt werden konnte - trotz der sehr hohen

Kontamination des Duschwassers - so ist doch ein Fall einer in diesem Haus erworbenen

Legionellose dokumentiert, allerdings bei einer Patientin, die außerordentlich häufig und lange

geduscht hatte.

Aus den hier vorgelegten Ergebnissen wird geschlossen, dass neben der Höhe der Legionellen-

kontamination des Warmwassersystems und der unterschiedlichen Anfälligkeit der exponierten

Menschen letztlich auch deren Lebensgewohnheiten von zentraler Bedeutung für eine mögliche

Legionelleninfektion sind. In diesen unterschiedlichen Lebensgewohnheiten ist möglicherweise auch

eine Ursache für die stark divergierenden Angaben in der Literatur zu sehen. Für die als Risikogruppe

anzusehenden Bewohner von Altenpflegeheimen bleibt festzustellen, dass die Warmwassersysteme

regelmäßig überprüft und gegebenenfalls saniert werden müssen. Bis zur erfolgreichen Sanierung der

Warmwasseranlagen sollte auf das Duschen oder das Baden in Sprudelwannen verzichtet werden,

um die Exposition mit Aerosolen möglichst gering zu halten. Als Präventionsmaßnahme wurde

darüber hinaus in nicht belegten Zimmern bzw. bei geringer Nutzung der Duschen ein regelmäßiges

Spülen nach Plan empfohlen.

Legionellen-Antikörper im Blut der Bevölkerung – epidemiologische Untersuchung

Den Warmwassersystemen kleinerer Wohnhäuser als mögliche Infektionsquelle wurde bislang wenig

Aufmerksamkeit geschenkt, da in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen wurde, dass

Legionellen vorzugsweise in Warmwassersystemen großer Häuser (Krankenhäuser, Hallenbäder etc.)

gefunden werden und weniger in Haushalten, die oft mit dezentralen Warmwasserversor-

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

47

gungsanlagen ausgestattet sind. In Wohnblocks mit zentraler Warmwasserversorgung wurden jedoch

durchaus auch hohe Legionellenkontaminationen gefunden.

Um die Bedeutung einer Legionellenkontamination im Warmwassersystem der Wohnung für die

Gesundheit der Bewohner zu untersuchen, führten wir eine Untersuchung bei zwei

Bevölkerungsgruppen durch, die durch ihre hauseigenen Warmwassersysteme in unterschiedlichem

Maße gegenüber Legionellen exponiert waren: Bewohner der Siedlung E mit einem zentralen Warm-

wasserversorgungssystem: In diesem Wasser wurden Anfang der 1990er Jahre – eher zufällig –

Legionellen festgestellt. Der Hauseigentümer hatte daraufhin in den folgenden Jahren regelmäßig das

Warmwasser hocherhitzt und eine umfassende Sanierung geplant und durchgeführt. Die parallel

durchgeführten regelmäßigen Untersuchungen des Warmwassers zeigten allerdings bis zur

Sanierung immer wieder teilweise hohe Legionellenkontaminationen auf, obwohl auch eine Tendenz

zur Besserung zu verzeichnen war. Die als Kontrollgebiet ausgewählte Siedlung K bestand aus 1-2-

Familienhäusern mit dezentralen Warmwasserbereitungen in den Häusern selbst, sodass anzuneh-

men war, dass dort in der Regel kein Legionellenproblem vorhanden sein wird.

Die Bewohner selbst wurden über die Mitgliederzeitungen der Mieter-Vereine, über Flugblätter und

Zeitungsmeldungen über die geplante Untersuchung informiert. Einschlusskriterium für diese frei-

willige Untersuchung war: Alter über 20 Jahre und Wohndauer von mindestens 2 Jahren in der

jeweiligen Siedlung.

In einem Fragebogen wurden Angaben erfragt zum Alter, zur Warmwasserversorgung, zu den

Duschgewohnheiten zu Hause oder in Feizeiteinrichtungen, zu Rauchgewohnheiten, zum Besuch von

Freizeiteinrichtungen, Zahnarztbehandlungen oder Hotelaufenthalten, zu Vorerkrankungen und sol-

chen Symptomen, die im weitesten Sinne auch durch Legionellen verursacht sein könnten.

Es nahmen 53 Bewohner aus der Siedlung E („Exponierte“) und 92 Bewohner aus der Siedlung K

(„Kontrollen“) an der Untersuchung teil. Von ihnen wurden Blutproben auf Legionellenantikörper

untersucht, mit zwei unterschiedlichen Methoden: Indirekter Immunfluoreszenztest auf verschiedene

Legionellen spezies incl. L. pneumophila 1-14, entwickelt und durchgeführt im Nationalen Referenz-

zentrum für Legionellen (NRZ), und ein Enzymimmunoassay auf L. pneumophila 1-7 (ELISA) –der Fa.

Virion, Serion, Würzburg. Urinproben wurden auf Antigen von Legionella pneumophila Serogruppe 1

getestet (Binax, München). In der Wohnung jeden Teilnehmers wurden Warmwasserproben

entnommen und auf Legionellen untersucht. In den Wohnungen der Exponierten waren signifikant

häufiger und signifikant höhere positive Legionellennachweise im hauseigenen Warmwassersystem

als bei den Kontrollen festzustellen (Tab. 12).

Tab. 12 Legionellen im Warmwassersystem der Teilnehmer aus der Siedlung K (Kontrollen) und der Siedlung E (Exponierte)

Kontroll-Gruppe n=92

Exponierte n=53

OR (95CI)# Legionellen im Warmwasser KBE / l n % n % 0 1-999 1000-9999 10000

87 2 2 1

94.6 2.2 2.2 1.1

19 12 16 5

36.5 23.1 30.8 9.6

30.22 (10.4 – 87.5)

xsdev Median (max.) xsdev Median (max.) Mann-Whitney-Test p

KBE / l 244 1434 0 (11700) 6049 17995

180 (80 000) 0.000 (sign.)

# negativ / positiv

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

48

Die Teilnehmer der verschiedenen Gruppen unterschieden sich nicht in ihrer Altersstruktur; der Anteil

von Menschen mit Diabetes mellitus und Immunstörungen war nicht signifikant unterschiedlich. Es

rauchten tendenziell mehr Exponierte als Kontrollen Zigaretten, der Unterschied war jedoch ebenfalls

nicht signifikant. Auch in den Angaben zu Duschgewohnheiten zu Hause oder in Freizeiteinrichtungen

waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den Teilnehmern beider Gruppen festzustellen.

Die Exponierten hatten doppelt so häufig grenzwertig oder eindeutig positive Antikörpertiter gegen

Legionellen wie die Kontrollen (nicht signifikant) (Abb. 16). Positive IgM-Antikörper oder Legionellen-

antigene im Urin, die eine akute oder kürzlich durchgemachte Legionelleninfektion anzeigen, konnten

bei keinem der Teilnehmer nachgewiesen werden.Die Exponierten gaben doppelt so häufig

Symptome (Frage zu Lungenentzündungen, anderen Lungenerkrankungen sowie fieberhaften

Infekten) an wie die Kontrollen. Die Unterschiede waren bei Lungenentzündung und anderen

Lungenerkrankungen „im letzten Jahr“ signifikant, bei den fieberhaften Infekten wurden signifikante

Unterschiede in allen abgefragten Zeitabständen gefunden (Abb. 17 a-c).

Abb. 16 Positive und grenzwertig positive IgG-Antikörper gegen Legionellen – in Abhängigkeit von der Untersuchungsmethode

Abb. 17 Angaben zu Lungenentzündung, anderen Lungenerkrankungen und fieberhaften Infekten im letzten Jahr – Vergleich Exponierte und Kontrollpersonen

IgG-Antikörper (grenzwertig und positiv)

0

5

10

15

20

IgG (NRC) IgG (NRC nur L.pneu.)

IgG (Virion)

Pro

zen

t

Kontrollen

Exponierte

Andere Lungenerkrankung

0

5

10

15

20

25

30

< 8 Wochen < 6 Monaten < 1 Jahr

Pro

zen

t

Exponierte

Kontrollen

Fieberhafter Infekt

0

10

20

30

40

50

< 8 Wochen < 6 Monaten < 1 Jahr

Pro

zen

t

Exponierte

Kontrollen

Lungenentzündung

0

1

2

3

4

5

6

< 8 Wochen < 6 Monaten < 1 Jahr

Pro

zen

t

Exponierte

Kontrollen

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

49

Es fand sich kein Hinweis, dass Lungenentzündungen und andere Lungenerkrankungen bei den

Exponierten öfter im Zusammenhang mit positiven Legionellen-Antikörpern aufgetreten waren als bei

den Kontrollen. Bei den Exponierten mit fieberhaften Infekten in der Anamnese wurden jedoch mehr

als doppelt so häufig Legionellen-Antikörper festgestellt wie bei den Kontrollen. Dies kann ein Hinweis

darauf sein, dass die hier angegebene höhere Erkrankungshäufigkeit tatsächlich durch Legionellen

(mit)bedingt war.

Es wurden hochsignifikante Korrelationen zwischen der Legionellen-Keimzahl im Warmwasser und

der Siedlung (Exponierte oder Kontrollen) gefunden (Tab. 13). Weiterhin ergaben sich signifikante

Korrelationen (p<0,05) mit den Ergebnissen der Antikörperuntersuchungen auf Legionella

pneumophila (unabhängig von der Untersuchungsmethode Immunfluoreszenztest oder ELISA), nicht

aber mit den Ergebnissen der Antikörperbestimmungen gegen alle untersuchten Legionellen-Spezies.

Die Korrelationstests zeigen einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Legionellen-

kontamination im hauseigenen Warmwassersystem und dem Antikörper-Status der Bewohner.

Zwischen der Legionellenkontamination im Warmwassersystem und den anamnestisch abgefragten

Erkrankungen ließen sich in den Korrelationstests keine Zusammenhänge erkennen.

Tab. 13 Korrelations-Koeffizienten (Spearman Rank) zwischen Legionella-Antikörpern, Exposition gegenüber Legionellen zu Hause (KBE/l), Alter und anamnestischen Angaben zu Symptomen oder Erkrankungen

KBE /l Wasser

IgG NRC (negativ/

grenzwertig/ positiv)

IgG NRC nur L.

pneumophila (negativ/

grenzwertig/ positiv)

IgG Virion

IgM Virion

Gruppe Exponiert / Kontrollen

0.622** 0.106 0.091 0.130 -0.027

Alter -0.010 0.030 -0.031 0.113 -0.326** Lungenentzündung 0.023 0.024 0.154 0.086 0.103 Andere Lungenerkrankung

0.156 (0.062)

-0.141 -0.092 0.031 0.140

Fieberhafter Infekt 0.157 (0.060)

-0.003 -0.044 -0.135 -0.067

KBE/l 1.000 0.135 0.166* 0.173* -0.040 IgG NRC 0.135 1.00 0.464** 0.162 0.127 IgG NRC, nur L. pneumophila

0.166* 0.464** 1.000 0.171* 0.190*

IgG Virion 0.173* 0.162 0.171* 1.000 -0.011 IgM Virion -0.040 0.127 0.190* -0.011 1.000

(kleine Zahlen: Korrelationen korrigiert nach Rauchgewohnheiten) signifikante Korrelationen im Fettdruck; * p<0,05; ** p < 0,01

Diskussion und Schlussfolgerung: Die Bewohner der Siedlung mit hohen Konzentrationen an

Legionellen im Warmwassersystem, die Exponierten, hatten etwa doppelt so häufig positive oder

grenzwertig positive Antikörpertiter im Blut wie die Kontrollgruppe, und dies wurde mit verschiedenen

Untersuchungsmethoden bestätigt. Dies kann als Folge des wiederholten Kontakts mit Legionellen im

häuslichen Warmwassersystem angesehen werden. Es wurden signifikante Korrelationen zwischen

dem Legionellengehalt im Warmwasser und dem Antikörperstatus der Bewohner gefunden.

Der Vergleich mit epidemiologischen Daten aus dem Nationalen Referenzzentrum Dresden, (Kriterium

Antikörpertiter 1: 128) zeigt, dass bei den Untersuchten aus Frankfurt etwa gleich häufig Antikörper

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

50

gegen Legionella spezies wie bei den untersuchten Teilnehmern aus Dresden gefunden wurden. D.h.

die von uns untersuchten Bewohner der Siedlung E hatten damit zwar häufiger positive Antikörper im

Blut als die Kontrollpersonen, insgesamt war die Rate positiver Antikörpertiter im Vergleich mit

anderen Studien aber nicht erhöht.

Obwohl die Legionellenkontamination des Warmwassersystems der Siedlung E mehr als 10 Jahre

bekannt war, war in dieser Zeit kein einziger Fall einer Legionärskrankheit bei den Bewohnern

bekannt geworden. Auch bei unserer Untersuchung ergab sich kein Hinweis auf eine Legionellen-

pneumonie bei Bewohnern der Siedlung E. Nur einer von insgesamt sechs Teilnehmern, die eine

Lungenentzündung angegeben hatten, war mit einem Antibiotikum behandelt worden, was dafür

sprechen könnte, dass dies die einzige tatsächliche Lungenentzündung oder Legionärskrankheit

gewesen war. Dieser Teilnehmer aus der Kontrollgruppe war während eines Ferienaufenthalts in

Österreich akut erkrankt und hatte zum Zeitpunkt unserer Untersuchung – etwa 4 Monate nach der

Erkrankung – den absolut höchsten Antikörpertiter gegen Legionella pneumophila Serogruppe 1

(1:1024).

Die Exponierten hatten doppelt so häufig angegeben, im letzten Jahr an anderen Lungenerkran-

kungen gelitten zu haben; der Anteil der so erkrankten Teilnehmer mit positiven Antikörpern gegen

Legionellen war jedoch in beiden Gruppen (Exponierte und Kontrollen) niedrig (<10%) und nicht

unterschiedlich, so dass daraus nicht geschlossen werden kann, dass die angegebene höhere

Erkrankungshäufigkeit durch Legionellen verursacht worden war.

Auch die Frage nach fieberhaften Infektionskrankheiten im letzten Jahr wurde von den Teilnehmern

der Siedlung E. etwa doppelt so häufig bejaht wie von den Kontrollen; der Anteil der Erkrankten mit

positiven Antikörpern gegen Legionellen war mehr als doppelt so hoch wie bei den Kontrollen. Dies

wird als Hinweis interpretiert, dass hier Legionellen in einem Teil der Fälle durchaus Auslöser der

Erkrankung – im Sinne eines Pontiac-Fiebers – gewesen sein könnten. Die Antikörpertiter bei den

Exponierten können aber auch Folge symptomloser Legionellenkontakte in der Vergangenheit sein.

Obwohl also in unserer Untersuchung bei den langjährig durch ihr häusliches Warmwassersystem

gegen Legionellen Exponierten keine Legionellose berichtet wurde und auch kein Hinweis auf

schwere legionellenbedingte Lungeninfektionen gefunden wurde, kommen wir doch zu dem Schluss,

dass unsere Untersuchungsergebnisse die Forderung nach Untersuchung und ggf. Sanierung von

Warmwassersystemen unterstützen, nicht nur angesichts der größeren Häufigkeit positiver

Legionellen-Antikörper bei den Exponierten im Vergleich mit den Kontrollen, sondern auch wegen der

signifikanten Korrelationen zwischen der Legionellenkontamination im häuslichen Warmwasser und

dem Auftreten von (nicht schützenden) Antikörperspiegeln gegen Legionellen bei den Bewohnern.

Legionellenmeldungen auf der Grundlage der Meldepflicht nach Infektionsschutzgesetz

Nach Schätzungen des Kompetenzwerkes für ambulant erworbene Pneumonien (CAPNETZ) geht

man davon aus, dass in Deutschland etwa 4% aller ambulant auftretenden Pneumonien durch

Legionellen verursacht werden. Bei jährlich etwa 500.000 ambulant erworbenen Pneumonien wären

somit etwa 20.000 Fälle der Legionärskrankheit zuzuschreiben.

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

51

Erst seit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes 2001 sind Legionellosen meldepflichtig. Im Jahre

2001 wurden dem Robert Koch-Institut 274 Erkrankungsfälle gemeldet, im Jahre 2007 waren es 5291

(Tab. 14). Es muss nach wie vor von einer erheblichen Untererfassung der Legionellenerkrankungen

ausgegangen werden, da nach Angaben niedergelassener Ärzte in den Praxen bei Pneumonien mit

der Differentialdiagnose Legionellose pragmatisch vorgegangen und ein geeignetes Antibiotikum

verwendet wird. Angesichts des begrenzten Budgets wird dabei häufig auf die spezifische

Legionellendiagnostik verzichtet, weshalb auch eine Meldung nicht erfolgen kann.

Bis 2001 wurden dem Gesundheitsamt 0-2 Fälle pro Jahr bekannt, mit Inkrafttreten der Meldepflicht

erhöhte sich diese Zahl stetig. Bezogen auf die Frankfurter Bevölkerung lag die – anhand dieser

Meldungen zu errechnende – Neuerkrankungsrate zwischen 0,3 (im Jahr 2002) und 1,7 (im Jahr

2006) pro 100.000 Einwohner. In der Gesamtzahl von 65 Meldungen (bis Sept. 2008) sind 17

Meldungen über Personen mit Wohnsitz außerhalb Frankfurts enthalten. Dies ist zum einen ein

Reisegast aus Holland, der über EWGLI gemeldet wurde und offenbar nach Aufenthalt in einem

Frankfurter Hotel erkrankte. Die meisten Nicht-Frankfurter werden aber z.B. seitens der Labore oder

der Kliniken zunächst an das Gesundheitsamt Frankfurt als nächstgelegenes Amt gemeldet, und von

dort – nach Abklärung einer möglichen Infektionsursache in Frankfurt – an das für den Wohnort der

Patienten zuständige Gesundheitsamt weiter gemeldet.

Alter und Geschlecht der Patienten sind in Tab. 15 und Abb. 18 dargestellt. Sowohl unter den

Gemeldeten mit Wohnsitz Frankfurt als auch bei den Gemeldeten mit Wohnsitz außerhalb sind

deutlich mehr Männer als Frauen – in Übereinstimmung mit den allgemeinen Meldedaten. Bundesweit

erkranken Männer 2,5fach häufiger an Legionellose als Frauen. Es sind nur wenige Kinder unter den

Gemeldeten. Ein Drittel der gemeldeten Fälle von Frankfurtern sind zwischen 40 und 49 J alt, bei den

Nicht-Frankfurtern überwiegen die 50-69 Jährigen mit ca. 45%. Der älteste Frankfurter Patient war 86

Jahre alt, der älteste gemeldete Nicht-Frankfurter 72 Jahre. Das Durchschnittsalter lag mit 51 Jahren

etwas unter dem bundesweiten Altersdurchschnitt der Meldungen (57 Jahre).

Tab. 14 Dem Stadtgesundheitsamt Frankfurt gemeldeten Legionellose-Fälle – von 1996 bis 2008 – im Vergleich mit den Meldungen bundesweit

Jahr Meldungen an GA Frankfurt Frankfurt Nicht Frankfurt

Meldungen an RKI ges. IFSG -BRD

n 1996 2 * 1997 1 * 1998 0 * 1999 2 * 2000 1 *

ab hier Meldepflicht 2001 2 274 2002 5 413 2003 7 2 395 2004 5 1 475 2005 1 7 554 2006 11 576 2007 8 5 529 2008 3 2

Gesamt 48 17 * keine Meldepflicht

1 Brodhun B: Legionellose im Jahr 2006. Epidemiol. Bulletin 50/2007, S. 469-473.

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

52

Die weitaus überwiegende Mehrzahl der Fälle betraf Legionella pneumophila Serogruppe 1, was auch

auf die kommerziellen Testmöglichkeiten zurückzuführen ist. Der sehr häufig durchgeführte Urin-

Antigentest diagnostiziert nur diese Serogruppe sicher. Insofern sind diese Ergebnisse durch die

Testmöglichkeiten beeinflusst und lassen keinen Rückschluß auf die tatsächliche Situation zu. –

Dieses Ergebnis stimmt wieder tendenziell mit den bundesweiten Daten überein, auch dort sind

andere Legionellenspezies oder andere Serogruppen selten.

Tab. 15 Dem Stadtgesundheitsamt Frankfurt gemeldete Legionellose-Fälle –nach Alter und Geschlecht

Frankfurt Nicht Frankfurt Anzahl Prozent Anzahl Prozent

Geschlecht m 27 56,3 13 76,5 w 21 43,8 4 23,5 Altersverteilung 0-9 J 2 4,3 1 6,7 10-19 J 0 0 0 0 20-29 J 2 4,3 1 6,7 30-39 J 2 4,3 3 20,0 40-49 J 17 36,2 2 13,3 50-59 J 6 12,8 4 26,7 60-69 J 11 23,4 3 20,0 70-79 J 5 10,6 1 6,7 80-89 J 2 4,3 0 0,0

Etwa 30% der dem Amt bekannt gewordenen Legionellenerkrankungen bei Bürgern von Frankfurt

waren reiseassoziiert, d.h. nach Anamnese wurde die Erkrankung während einer Reise – in der Regel

im Ausland - erworben. Die entsprechenden Hotels werden der europäischen Arbeitsgruppe für

Legionellen gemeldet (EWGLI, European Working Group for Legionella), die für weitere Unter-

suchungen und entsprechende Maßnahmen dort sorgt. – Ergeben sich Hinweise, dass eine

Legionellose während eines Krankenhausaufenthaltes, Schwimmbad- oder Zahnarztbesuchs etc.

erworben wurde, führt das Gesundheitsamt in den jeweiligen Einrichtungen Untersuchungen des

Trinkwassers durch, um die Ursache zu finden und Maßnahmen zur Verhinderung weiterer

Erkrankungen einzuleiten. In vielen Fällen allerdings gelingt es nicht, die Quelle klar auszumachen

(Abb. 18 rechts unten).

Sehr viele Fälle betreffen Menschen mit Risikofaktoren und schweren Vorerkrankungen; auch unter

den dem Frankfurter Gesundheitsamt gemeldeten Fällen waren zahlreiche Patienten mit

Krebserkrankungen oder mit Immunsuppression nach Transplantationen. Die Legionellose ist keine

harmlose Erkrankung, die Sterblichkeit – insbesondere bei Älteren und bei Menschen mit schweren

Vorerkrankungen – liegt über 10% - in Frankfurt und bundesweit.

Laut bundesweiter Statistik werden etwa die Hälfte der Legionellosen im Privathaushalt erworben,

etwa ein Drittel reisebedingt während eines Hotelaufenthalts, 16% im Krankenhaus, 4% in Pflege-

heimen. Mit Ausnahme einer Legionellose-Erkrankung einer Altenpflegeheimbewohnerin im Jahre

1991 (s. S. 45) wurden dem Amt keine Legionellose-Erkrankungen bekannt, die in Frankfurter Alten-

pflegeheimen und Krankenhäusern erworben wurden. Dies bestärkt uns in den Bestrebungen, in die-

sen Einrichtungen engmaschig Trinkwasseruntersuchungen auf Legionellen durchzuführen, um legio-

nellenbedingte Ausbrüche, wie sie durchaus aus anderen Kliniken berichtet wurden, zu vermeiden.

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Wasser - Trinkwasser - Legionellen

53

Abb. 18 Dem Stadtgesundheitsamt Frankfurt gemeldete Legionellose Fälle - Jahr der Meldung, Alter der Erkrankten, Erreger und Infektionsquelle

Legionellose-Meldungen Altersverteilung

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

0-9 J 10-19 J 20-29 J 30-39 J 40-49 J 50-59 J 60-69 J 70-79 J 80-89 J

AN

zah

l

Frankfurt

Nicht FrankfurtLegionellose-Meldungen - 1996-2007

0

2

4

6

8

10

12

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

An

zah

l

Frankfurt

Nicht Frankfurt

Legionellose-Meldungen - Erreger

0

5

10

15

20

25

L.sp

ec

L.pn

eum

o-ph

ila

L.p.

SG

1

L.p.

SG

1-6

L.p.

SG

7-1

2

L.p.

12

L. w

alte

rsii

unbe

kann

t

An

zah

l

Frankfurt

Nicht Frankfurt Legionellose-Meldungen - Infektionsquellen

0

5

10

15

20

25

reiseassoziiert wahrscheinl. reise andere unbekannt

An

zah

l

Frankfurt

Nicht Frankfurt

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Wasser - Trinkwasser - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

54

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

Trinkwasser allgemein

Hentschel W, Voigt K, Heudorf U: Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung § 18: Überwachung von Hausinstallationen – Wasser für die Öffentlichkeit. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2006) 49: 804-817.

Legionellen

Kalker U, Hentschel W: Das Problem der Legionellenkontamination in den Warmwassersystemen einer deutschen Großstadt. Gesundheits-Wesen (1992) 54: 597-604.

Kalker U, Simon B: Legionellen im Warmwassersystem eines Altenheims - klinische Symptome bei den Bewohnern. Forum Städtehygiene (1992) 43: 126-129.

Kalker U, Simon B: Legionellen in Warmwassersystemen - Konsequenzen für die Pflege? Geriatrie Praxis (1992) 4: 50-52.

Heudorf U, Hentschel W: Legionellen-Antikörper im Blut der Bevölkerung – Vergleich zweier Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlicher Legionellen-Exposition durch das hauseigene Warmwassersystem. Das Gesundheitswesen (2001) 63: 326-334.

Heudorf U, Hentschel W, Hoffmann M, Lück C, Schubert R: Prevalence of positive antibody titers against Legionellae in two residential populations with different Legionella contaminations in their hot water system. In: Marre R et al.: Legionella. ASM Press, Washington, DC, 2001, S. 325-329.

Hentschel W, Heudorf U: Legionellen im Duschwasser von Frankfurter Schulturnhallen. Bericht 1997 bis 2005. Wasser Abwasser (2007) 148: 199-206.

Blei

Quenzer A, Hentschel W, Heudorf U: Blei im Trinkwasser - Darstellung eines abgestuften Probenahmeverfahrens. Forum Städte Hygiene (1994) 45: 273-274.

Quenzer A, Hentschel W, Heudorf U: Blei im Trinkwasser - Erfahrungen mit einem abgestuften Probenahmeschema. Bundesgesundheitsblatt (1997) 40: 122-126.

Hentschel W, Karius A, Heudorf U: Das Frankfurter Bleiprojekt. Maßnahmen zur Einhaltung des Grenzwertes für Blei im Trinkwasser. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheits-schutz (1999) 42: 902-910.

Sicherheit – Dachablaufwassernutzungsanlagen sowie Colon-Hydrotherapie

Hentschel W, Heudorf U: Regenwassernutzungsanlagen. Hygienische Probleme. Bundesgesund-heitsblatt (1996) 39: 130-134.

Westphal T, Hentschel W, Heudorf U: Colon-Hydro-Therapie – ein prinzipielles Risiko der Trinkwasserhygiene. Gesundheitswesen (2004) 66: 770-774.

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Wasser - Badebeckenwasser - Allgemeines

55

Badebeckenwasser

Allgemeines

Die Frankfurter Bäder werden jährlich von Zehntausenden Badegästen besucht. Die Besucherzahlen

der Hallen- und Freibäder seit 1982 sind in Abb. 19 dargestellt. Bis 1994 gab es in der Stadt 8

Freibäder, seither 7. Die Zahl der Hallenbäder nahm 1988 von 8 auf 7 ab. Zwischen 1994 und 2000

waren nur 6 Hallenbäder verfügbar, seither sind es wieder 7. Die Besucherzahlen der Hallenbäder

gingen bereits vor Schließung eines der 8 Bäder zurück und nahmen in den letzten Jahren wieder zu,

obwohl kein weiteres Hallenbad eröffnet wurde. Die Kurve der Besucherzahlen der Freibäder ist stark

abhängig von der Witterung und lässt beispielsweise einen starken Anstieg im heißen Sommer 2003

erkennen. Die Besucherzahlen aus dem ebenfalls sehr heißen Sommer 2006 sind noch nicht

publiziert.

Abb. 19 Besucherzahlen in Frankfurter Frei- und Hallenbädern 1982-2005 (stat. Jahrbuch der Stadt Frankfurt/M)

Seit 1993 werden in Frankfurt jährlich Umfragen zur Zufriedenheit der Bevölkerung mit bestimmten

Angeboten in der Stadt durchgeführt. In dieser Zeit hat die Zufriedenheit mit den Sport- und

Schwimmanlagen deutlich zugenommen. Äußerten sich im Jahre 1993 nur 30% der Befragten

zufrieden, waren es im Jahre 2005 insgesamt 45%.

Abb. 20 Zufriedenheit mit dem Angebot an Sport- und Schwimmanlagen in Frankfurt – Repräsentative Umfragen des Bürgeramtes für Statistik und Wahlen.

Zufriedenheit mit Sport- und Schwimmanlagenin Frankfurt am Main

05

101520253035404550

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

Pro

zen

t

zufrieden

unzufrieden

Besucher in öffentlichen Frei- und Hallenbädern Frankfurt 1980-2005

0200000400000600000800000

100000012000001400000160000018000002000000

1980

1981

1982

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

An

zah

l

Freibäder Besucher

Hallenbäder Besucher

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Wasser - Badebeckenwasser - Allgemeines

56

„Schwimm- oder Badebeckenwasser ... muss so beschaffen sein, dass durch seinen Gebrauch eine

Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen

ist“, so lautet §37 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG); damit wurde der alte §11 des Bundes-

seuchengesetzes (BSeuchG) nahezu unverändert übernommen. Da jedoch jeder Badegast in einem

Schwimm- und Badebecken 2,3-2,6 Milliarden Keime abgibt, kann mit Schwimmen in öffentlichen oder

gewerblichen Bädern ein erhebliches Infektionsrisiko verbunden sein. Dieses betrifft nicht nur

Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, sondern auch der Haut- und der Schleimhäute (Ohren,

Atemwege, Augen) bis hin zu Erkrankungen des Gehirns, der Leber oder der Harnwege, wobei

letztere eher durch Baden in Oberflächengewässern erworben werden. Während aus Deutschland nur

wenige Daten zu badewasserbedingten Infektionen vorliegen1, werden in Ländern wie England und

insbesondere den USA epidemiologische Daten über badewasserassoziierte Erkrankungsausbrüche

erhoben und regelmäßig publiziert, wobei etwa die Hälfte der Ausbrüche nach Baden in

Oberflächengewässern auftraten, die andere Hälfte in künstlich angelegten Badeeinrichtungen2.

Insgesamt überwiegen Cryptosporidien und Lamblien-Zysten als Auslöser. In Einzelkasuistiken

wurden auch nach Fehlern in der Chlorung z.B. ein Shigellen-Ausbruch beschrieben. Pseudo-

monaden verursachen häufig eine Otitis externa, das „swimmer´s ear“ und die badewasserassoziierte

„Pseudomonas-Folliculitis“3 die – angesichts der veränderten Freizeit- und Badegewohnheiten – in der

Bevölkerung die „neue Freizeitdermatose“ genannt wurde. Eine neue, durch Pseudomonaden verur-

sachte sehr schmerzhafte, aber selbst limitierende Hauterkrankung ist das „Pseudomonas hot foot /

hot palm - syndrome“4. Aus Deutschland liegen bislang kaum Beschreibungen über badebecken-

wasserassoziierte Infektionen vor. Interessant ist jedoch – vor dem Hintergrund der Diskussion um die

sog. Naturbäder oder Bioteiche – die Beschreibung eines Meningitisausbruchs in Nordhessen nach

Besuch einer solchen neu angelegten Einrichtung5.

Um den Forderungen des Infektionsschutzgesetzes gerecht zu werden, muss eine sach- und

fachgerechte Aufbereitung des Badebeckenwassers, incl. Chlorung, gewährleistet sein. Hierzu

existiert ein technisches Regelwerk in Form der DIN 19643. Trotz Vorliegens einer Ermächtigung in

§38 Abs. 2 IFSG, die es in ähnlicher Form bereits im alten BSeuchG gegeben hat, und zahlreicher

Entwürfe für eine Schwimm- und Badebeckenwasserverordnung wurde eine entsprechende Rechts-

verordnung bislang nicht verabschiedet. Die Gesundheitsämter kontrollierten die Bäder auf der

Grundlage der vorliegenden Entwürfe bzw. der Empfehlungen Badewasserkommission des Umwelt-

bundesamts sowie der DIN 19643.

Die Qualitätssicherung der Bäderhygiene basiert auf dem Grundsatz der Eigenüberwachung des

Betreibers und der behördlichen Überwachung durch das Gesundheitsamt.

1 Kautek L, Chorus I, Deuckert I: Erkrankungen nach dem Baden in Berlin und Umland 1991/1992. Bundesge-sundhbl. (1993) 10: 405-409

2 NN. Surveillance for waterborne disease outbreaks 1993-1994. MMWR 1996; 45(SS1): 1-33; 1995-1996. MMWR 1998; 47(SS5): 1-34; 1997-1998. MMWR 2000; 49(SS4): 1-36 3 Mueller RL: Badewasserhygiene: Die Ohrbeschwerden des Schwimmers – Eine Literaturstudie. Öff. Gesundh.-Wes. 1985; 47: 575-577; Seeber E: HNO-Relevanz unter dem Aspekt der Schwimmbadhygiene. Bundes-gesundhbl. 1984; 27: 361-366

4 Fiorillo L, Zucker M, Sawyer D, Lin AN.The pseudomonas hot-foot syndrome. N Engl J Med 2001; 345: 335-8 5 NN. Ein Meningitis-Ausbruch durch ECHO-Virus 30 in Nordhessen. Ausbruchsuntersuchung ergab Zusammen-hang mit dem Besuch eines Kleinbadeteiches. Epidemiologisches Bulletin 2002; Heft 20: 163-167

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Wasser - Badebeckenwasser - Ergebnisse aus Frankfurt

57

Aufgaben des Badbetreibers: tägliche Chlor- und pH-Wert-Messungen, Aufzeichnungen, Führen eines

Betriebsbuches, Durchführen regelmäßiger Betriebskontrollen und Wartungsarbeiten, Beauftragung

externer Institute oder Firmen mit der routinemäßigen Entnahme von Badewasserproben incl. der

Durchführung chemischer sowie bakteriologischer Analysen sowie mit der Fachberatung, ggf.

Fehlersuche und Fachplanung. Die Häufigkeit der Untersuchungen durch externe Institute reicht dabei

von monatlich bis 1/4jährlich.

Aufgabe und Überwachungskonzept des Gesundheitsamtes: regelmäßige hygienische Kontrollen, ggf.

amtliche Nachuntersuchungen, ggf. Bäderschließungen und weitere Auflagen. Grundlage der

Bewertung sind die Angaben der DIN 19643, insbesondere Chlor-, pH-Werte und mikrobiologische

Befunde (Auszug Tab. 17):

- Routinekontrollen: amtliche Bäderkontrolle bei Hallenbädern alle 2 Monate, bei Freibädern alle 14

Tage; dabei: Messung der Chlor- und pH-Werte, Einsehen des Betriebsbuchs, optische Kontrolle

des Bades und Erstellung eines Begehungsprotokolls für den Betreiber.

- Bei Verdacht auf Probleme: Entnahme amtlicher Proben (z.B. bei zu niedrigen Chlorwerten).

Ggf. kurzfristige Sperrung von Badebecken bei erheblichen Mängeln, die kurzfristig behoben werden

können; Wieder-Freigabe dann in der Regel noch am gleichen Tag oder am 1.-3. Folgetag nach

erneuter Kontrolle durch das Gesundheitsamt.

Ggf. ordnungsrechtliche Schließung von Badebecken bei erheblichen Mängeln, die nicht kurzfristig

behoben werden können; Freigabe nach Mängelbehebung und Erfüllung evtl. Auflagen nach erneuter

Kontrolle durch das Gesundheitsamt.

Ergebnisse aus Frankfurt

Insgesamt werden in Frankfurt derzeit 166 Becken in 81 Bädern betrieben, wobei sich 7-Bad-Arten

unterscheiden lassen: Öffentliches Freibad, öffentliches Hallenbad, gewerbliches Hallenbad,

Schulbad, Therapiebad, Vereins-Freibad, Waldspielparks (Sprühfelder). Seit Beginn der 1990er Jahre

sind die Ergebnisse in einer Datenbank erfasst (zunächst Mitte der 1990er Jahre komplett); die Anzahl

der Untersuchungen in den einzelnen Beckenarten ist in Abb. 21 dargestellt.

Eine Übersicht über die Ergebnisse seit 1995 ist in

Tab. 16 zusammengefasst, die zugrunde liegenden Kriterien der Bewertung der

Untersuchungsbefunde sind in der DIN 19643 dargestellt (Tab. 17). Insgesamt ist eine Verbesserung

der Wasserqualität erkennbar, seit 2003 sind zu niedrige freie und zu hohe gebundene Chlorwerte

seltener und auch die Keimbelastung erscheint rückläufig.

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Wasser - Badebeckenwasser - Ergebnisse aus Frankfurt

58

Abb. 21 Übersicht über verschiedene Becken und ihre Beprobung seit Anfang der 1990er Jahre

Tab. 16 Zusammengefasste Ergebnisse der Badebeckenwasseruntersuchungen 1990 bis 2002 und ab 2003 bis September 2008

Bis 2002 Ab 2003 n % n %

Freies Chlor* Zu wenig In Ordnung Zu hoch

993 4211 2422

13,0 55,2 31,8

834 7232 3042

7,5 65,1 27,4

Gebundenes Chlor In Ordnung (<0,2 mg/l) Zu hoch (> 0,2 mg/l)

5784 1302

81,6 18,4

9791 1280

88,4 11,6

Keimzahl bei 20 0C In Ordnung, < 100/ml Zu hoch, > 100/ml

4077

82

98,0 2,0

7433

82

98,9 1,1

Keimzahl bei 36 oC In Ordnung, < 100/ml Zu hoch, > 100/ml

4043 115

97,2 2,8

7362 152

98,0 2,0

Haloforme In Ordnung, < 20 µg/l Zu hoch, > 20 µg/l

1115 277

80,1 19,9

3550 856

80,6 19,4

Legionellen** In Ordnung (nn) Zu hoch >1/ml

1765

51

97,2 2,8

4491 224

95,4 4,6

Befunde für verschiedene Beckenarten

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500

KombibeckenHWP

TauchbeckenTherapiebecken

Schw immerbeckenPlanschbecken

Nichtschw immerbeckenLehrbecken

FiltratSonderbeckenSprungbecken

SportbeckenAußenkanal

SprühfeldEntspannungsbecken

RutschebeckenFreizeitbecken

Rutschbahn

Anzahl

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Wasser - Badebeckenwasser - Ergebnisse aus Frankfurt

59

Tab. 17 Anforderungen an das Reinwasser und Beckenwasser gemäß DIN 19643 –1 „Aufbereitung von Schwimm- und Badebeckenwasser; Allgemeine Anforderungen“, Stand April 1997 (Auszug)

Beckenwasser Nr.

Parameter

Einheit

unterer Wert

oberer Wert

5.3.1 Mikrobiologische Anforderungen

5.3.1.1 Pseudomonas aeruginosa bei (36 ± 1)°C 1/ (100ml) - n.n.2 )

5.3.1.2 Escherichia coli bei (36 ± 1)°C 1/ (100ml) - n.n.2 )

5.3.1.3 Legionella pneumophila bei (36 ± 1)°C 1/ml 1/ (100ml)

- -

n.n.2 ), 4) -

5.3.1.4 Koloniebildende Einheiten (KBE) bei (20 ± 2)°C 1/ml - 100 5.3.1.5 Koloniebildende Einheiten (KBE) bei (36 ± 1)°C 1/ml - 100

5.3.2 Physikalische und chemische Anforderungen

5.3.2.4 pH-Wert6) a) Süßwasser b) Meerwasser

- -

6,5 6,5

7,6 7,8

Oxidierbarkeit Mn VII II über dem Wert des Füllwassers 8) als KmnO4

mg/l

-

0,75

5.3.2.6

KMnO4-Verbrauch über dem Wert des Füllwassers8 ) als KmnO4

mg/l

- 3

5.3.2.7.1 Redox-Spannung9) gegen Ag/AgCl 3,5 m KCl für Süßwasser

a) 6,5 < pH-Wert < 7,3 b) 7,3 < pH-Wert < 7,6

mV mV

750 770

- -

5.3.2.9 freies Chlor 6), 14 ) a) Allgemein b) Warmsprudelbecken

mg/l mg/l

0,3 10 ) 0,7 10 )

0,610 ) 1,010 )

5.3.2.10 gebundenes Chlor 11), 13), 14) mg/l - 0,2

5.3.2.11 Trihalogenmethane berechnet als Chloroform 11), 13), 14)

mg/l - 0,02012)

2) n.n.: Nicht nachweisbar. 3) Im Filtrat bei Beckenwassertemperatur ≥ 23°C. 4) Im Beckenwasser von Warmsprudelbecken sowie Becken mit zusätzlichen aerosolbildenden Wasserkreisläufen und Beckenwassertemperaturen ≥ 23°C. 6) Sofern in den weiteren Normen der Reihe DIN 19643 keine strengeren Anforderungen genannt sind. 8) Liegt die Oxidierbarkeit des Filtrats bei unbelasteter Anlage unter der des Füllwassers, so ist dieser niedrigere Wert als Bezugswert zu benutzen; liegt jedoch die Oxidierbarkeit des Füllwassers unter 0,5mg/l O2 bzw. unter 2mg/l KmnO4 gelten 0,5mg/l O2 bzw. 2mg/l KmnO4 als Bezugswerte. Bei Verfahren mit Ozon: doppelte Werte. 10) Diese Konzentrationen gelten nur, sofern nicht in den weiteren Normen der Reihe DIN 19643 für die Verfahrenskombinationen niedrigere Konzentrationen angegeben sind. Unter bestimmten Betriebsbedingungen können höhere Konzentrationen erforderlich sein, um die mikrobiologischen Anforderungen einzuhalten. In diesen Fällen ist den Ursachen nachzugehen und für Abhilfe zu sorgen. Die erhöhten Konzentrationen an freiem Chlor im Beckenwasser dürfen jedoch 1,2mg/l nicht überschreiten. 11) Bestehende Anlagen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sollten innerhalb von fünf Jahren nach Erscheinen dieser Norm nach- oder umgerüstet werden. 12) Bei Freibädern während höherer Chlorung zur Einhaltung der mikrobiologischen Anforderungen dürfen höhere Werte auftreten. 13) Gilt nicht für Kaltwassertauchbecken ≤ 2m3, die kontinuierlich mit Füllwasser durchströmt werden. 14) Bei bromid- und iodidhaltigen Wässern: Freies bzw. gebundenes Halogen als Chlor.

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Wasser - Badebeckenwasser - Ergebnisse aus Frankfurt

60

Die Ergebnisse für verschiedene Beckenarten (seit 1995) sind in den nachfolgenden Abbildungen

dargestellt. In mehr als 10% der Planschbecken, Sprühfelder und Sonderbecken (darunter auch

Spaßbadewannen, die inzwischen geschlossen sind) war der Gehalt an freiem Chlor zu niedrig; in der

Hälfte der Proben aus den Rutschbecken und in mehr als 30% der Proben aus Kombi- und aus

Therapiebecken sowie in 20-30% der Proben aus Nichtschwimmer-, Lehr-, und Planschbecken war

der Gehalt an gebundenem Chlor zu hoch.

Abb. 22 Freies und gebundenes Chlor – in den verschiedenen Beckenarten (alle Jahre)

Insgesamt ist in den letzten Jahren eine Besserung zu verzeichnen: Der Gehalt an freiem Chlor nimmt

zu bei gleichzeitiger Abnahme des Gehalts an gebundenem Chlor (Abb. 23).

freies Chlor in verschiedenen Beckenarten

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Schwimmer Nicht-schwimmer

Kombi Lehr HWP

> 0,6

0,3-0,6

< 0,3

freies Chlor in verschiedenen Beckenarten (Kinder)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Nicht-schwimmer

Plansch Rutsch-bahn

Rutsch-becken

Sprüh-feld

> 0,6

0,3-0,6

< 0,3

freies Chlor in verschiedenen Beckenarten

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Therapie Entspannung Sprung Tauch Sonder

> 0,6

0,3-0,6

< 0,3

gebundenes Chlor in verschiedenen Beckenarten

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Schwimmer Nicht-schwimmer

Kombi Lehr HWP

> 0,2

< 0,2

gebundenes Chlor in verschiedenen Beckenarten (Kinder)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Nicht-schwimmer

Plansch Rutsch-bahn

Rutsch-becken

Sprüh-feld

> 0,2

< 0,2

gebundenes Chlor in verschiedenen Beckenarten

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Therapie Entspannung Sprung Tauch Sonder

> 0,2

< 0,2

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Wasser - Badebeckenwasser - Ergebnisse aus Frankfurt

61

Abb. 23 Freies und gebundenes Chlor in Schwimmer- und Kombibecken (oben links), Lehr- und Nichtschwimmerbecken (oben rechts), Planschbecken/Rutschbecken und Sprühfeldern (Mitte links), Therapiebecken (Mitte rechts) und Hot-Whirl-Pools (unten links) – Trend über die Jahre

41748653646252250550753149352421122 41748653646252250550753149352421122N =

JAHR

20082007

20062005

20042003

20022001

20001999

19981997

1996

fre

ies

un

d g

eb

un

de

ne

s C

hlo

r (m

g/l)

1,4

1,3

1,2

1,1

1,0

,9

,8

,7

,6

,5

,4

,3

,2

,10,0

FR_CL2

GEB_CL2282365377325361343327333312299162418 282365377325361343327333312299162418N =

JAHR

20082007

20062005

20042003

20022001

20001999

19981997

1996

fre

ies

un

d g

eb

un

de

ne

Ch

lor

(mg

/l)

1,2

1,1

1,0

,9

,8

,7

,6

,5

,4

,3

,2

,1

0,0

FR_CL2

GEB_CL2

285277252192223258209267234250424 285277252192223258209267234250424N =

JAHR

20082007

20062005

20042003

20022001

20001999

19981997

1996

fre

ies

un

d g

eb

un

de

ne

s C

hlo

r (m

g/l)

1,4

1,3

1,2

1,1

1,0

,9

,8

,7

,6

,5

,4

,3

,2

,10,0

FR_CL2

GEB_CL2173236254220254240250245220249132 173236254220254240250245220249132N =

JAHR

20082007

20062005

20042003

20022001

20001999

19981997

1996

fre

ies

un

d g

eb

un

de

ne

s C

hlo

r (m

g/l)

1,4

1,3

1,2

1,1

1,0

,9

,8

,7

,6

,5

,4

,3

,2

,10,0

FR_CL2

GEB_CL2

210218261270283200234252227228626 210218261270283200234252227228626N =

JAHR

20082007

20062005

20042003

20022001

20001999

19981997

1996

fre

ies

un

d g

eb

un

de

ne

s C

hlo

r (m

g/l)

1,81,71,6

1,51,41,3

1,21,1

1,0,9,8

,7,6

,5,4,3

,2,1

0,0

FR_CL2

GEB_CL2

Page 73: 30 Jahre Umwelthygiene - frankfurt.de · die Erfolge der eingeleiteten Maßnahmen. So gehen heute in Frankfurter Einrichtungen kaum noch Gesundheitsgefahren von Legionellen in Warmwassersystemen

Wasser - Badebeckenwasser - Ergebnisse aus Frankfurt

62

Abb. 24 Haloforme in Schwimmer- und Kombibecken (oben links), Lehr- und Nichtschwimmerbecken (oben rechts), Planschbecken/Rutschbecken und Sprühfeldern (Mitte links), Therapiebecken (Mitte rechts) und Hot-Whirl-Pools (unten links) – Trend über die Jahre

1531431541471351311161209613425N =

JAHR

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

Ha

lofo

rme

µg

/l)

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

01371621721711461281301341815172618N =

JAHR

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996H

alo

form

e (

µg

/l)

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

9411597997878667611528N =

JAHR

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

Ha

lofo

rme

g/l)

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

5616121010693932N =

JAHR

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

1998

1997

1996

Ha

lofo

rme

g/l)

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

10468919486576261435411N =

JAHR

2008

2007

2006

2005

2004

2003

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

Ha

lofo

rme

g/l)

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

Insbesondere in Schwimmer- und Kombibecken werden die höchsten Gehalte an Haloformen gemes-

sen, in Lehr- und Nichtschwimmerbecken sowie in Kinderbecken sind sie etwas geringer, am gering-

sten aber liegen diese Werte in Therapiebecken und Hot-Whirl-Pools. Dies wird bei den Therapie-

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Wasser - Badebeckenwasser - Ergebnisse aus Frankfurt

63

becken auf die geringe Zahl der Nutzer zurückgeführt, bei Hot-Whirl-Pools im Wesentlichen auf die

höhere Badebeckenwasser-Temperatur.

Bei Betrachtung der Keimzahlen aller Becken insgesamt über die letzten Jahre ist eine deutliche

Verbesserung bei den Keimzahlgehalten bei 20°C, weniger bei den 36°C zu erkennen, allerdings

waren im Jahr 2006 wieder relativ häufig erhöhte Keimzahlen feststellbar. Auch hier gibt es deutliche

Unterschiede nach Beckenarten. So wurden über alle Jahre am häufigsten Keimzahlüberschreitungen

in Planschbecken gefunden. Dies unterstreicht die Bedeutung einer guten Badebeckenwasserqualität

und ausreichenden Chlorwerten in diesen Becken.

Abb. 25 Erhöhte Keimzahlen im Badebeckenwasser (Prozentwerte) – 1999-2008

Abb. 26 Erhöhte Keimzahlen im Badebeckenwasser (Prozentwerte) – nach Beckenarten

Aber auch die Eltern können mithelfen, ein gesundheitszuträgliches Badebeckenwasser für die

Kleinkinder zu erhalten. Nachdem uns im Jahre 2001 bekannt geworden war, dass sich mehrere

Kinder – sehr wahrscheinlich – nach Baden in einem Planschbecken eine Durchfallerkrankung

zugezogen hatten, initiierte das Sport- und Bäderamt der Stadt auf Anregung des Gesundheitsamtes

die Aktion „Badehöschen, aber sicher!“ mit entsprechender Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sowie

mit dem Angebot, wasserfeste Windelhöschen zum Selbstkostenpreis an Eltern abzugeben. Dieses

Angebot wurde von den Eltern sehr gut angenommen.

Keimzahlen (20 C) im Beckenwasser erhöht - verschiedene Beckenarten 1999-2008

0

2

4

6

8

10

Schw immerKombi Nicht-schw immer

Lehr PlanschTherapie HWP

Pro

zen

t

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Erhöhte Keimzahlen 1999-2008alle Beckenarten

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

4,0

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Pro

zen

t

Keimzahl 20 C

Keimzahl 36 C

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Wasser - Badebeckenwasser - Ergebnisse aus Frankfurt

64

Ein weiteres Problemfeld stellen die Warmsprudelbecken, so genannte Hot-Whirl-Pools, dar, die

wegen der besseren Möglichkeit der Keimvermehrung bei hohen Temperaturen höher gechlort

werden (sollen) und die wegen der höheren Temperatur darüber hinaus ein besonderes

Legionellenrisiko beinhalten. Während in den übrigen Becken fast nie Legionellen nachweisbar waren,

wurden bei 7,2% der Proben aus Warmsprudelbecken Legionellen gefunden. In etwa 3% der Proben

aus Plansch- und Sonderbecken wurden Legionellen festgestellt. Diese Rate ist 10fach höher als die

in Schwimmer, Nichtschwimmer und Lehrbecken. Auffällig sind noch die Legionellenbefunde in den

„Sonderbecken“; darunter waren so genannte Spaßbadewannen in einem größeren Bad, die

inzwischen geschlossen wurden. Laut DIN 19643 sollen Legionellen nicht nur im Badebeckenwasser

untersucht werden, sondern auch im Filtrat. Insgesamt fast 20% der Filtrate hatten einen positiven

Legionellennachweis (zu Legionellen s. S. 36).

Tab. 18 Legionellen in Badebeckenwasser und in Filtratproben in Frankfurt

alle (n) Legio + (n) Legio + (%)

alle 6450 259 4,0

ausgewählte Proben: Filtrat 833 162 19,4 HWP 808 58 7,2 Planschbecken 469 15 3,2 Sonderbecken 204 6 2,9 Therapiebecken 129 2 1,6 Kombibecken 495 2 0,4 Lehrbecken 616 1 0,2 Nichtschwimmerbecken 524 1 0,2 Schwimmerbecken 451 1 0,2

Der Gesamteindruck, dass die Wasserqualität insgesamt über die letzten Jahre verbessert werden

konnte, wurde in Korrelationstests weiter untersucht; dabei wurden nur Werte seit 1995 eingesetzt, da

vorher die Dokumentation nicht vollständig war. Es zeigen sich tatsächlich signifikante Zusammen-

hänge. Über die letzten Jahre nahm der Gehalt an freiem Chlor zu, parallel der Keimgehalt und der

Gehalt an gebundenem Chlor ab. Darüber hinaus zeigte sich eine – allerdings nicht signifikante –

leichte Abnahme der Haloformen. Darüber hinaus erwies sich der Zusammenhang zwischen dem

Gehalt an gebundenem Chlor und Keimgehalt signifikant, d.h. je höher das gebundene Chlor, desto

wahrscheinlicher ist auch mit einem höherem Keimgehalt zu rechnen; beim freien Chlor ist dieser

Zusammenhang umgekehrt, d.h. je höher der Gehalt an freiem Chlor, desto geringere Keimgehalte

sind zu erwarten. Bei höherem Gehalt an freiem Chlor ist der Gehalt an Haloformen geringer (nicht

signifikant), bei höherem Gehalt an gebundenem Chlor nimmt auch die Konzentration an Haloformen

zu (signifikant). Der Haloformengehalt ist positiv assoziiert mit den Keimzahlen, allerdings nur für die

Keimzahl bei 20°C signifikant.

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Wasser - Badebeckenwasser - Anmerkungen zu einem Entwurf der Schwimm- und Badebeckenwasser-Verordnung

65

Tab. 19 Zusammenhangsanalysen zwischen freiem und gebundenem Chlor, der Keimzahl und dem Gehalt an Haloformen in Badebeckenwasserproben (Spearman-Rank-Korrelationen) (1995-2008)

Jahr fr. Chlor geb. Chlor KBE 20°C KBE 36°C HaloformeJahr r 1,000

p , n 22635

fr. Chlor r ,074 1,000 p ,000 , n 21262 21262

geb. Chlor r -,151 ,122 1,000 p ,000 ,000 , n 21115 21108 21115

KBE 20°C r -,102 -,157 ,066 1,000 p ,000 ,000 ,000 , n 12157 11901 11864 12157

KBE 36°C r -,111 -,181 ,117 ,489 1,000 p ,000 ,000 ,000 ,000 , n 12155 11899 11862 12155 12155 10048

Haloforme r -,018 -,072 ,024 ,054 ,002 1,000 p ,161 ,000 ,063 ,000 ,890 , n 5965 5837 5817 5559 5559 5965

Fettdruck: Korrelation ist signifikant (2-seitig).

Anmerkungen zu einem Entwurf der Schwimm- und Badebeckenwasser-Verordnung

„Schwimm- oder Badebeckenwasser ... muss so beschaffen sein, dass durch seinen Gebrauch eine

Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen

ist“, so lautet §37 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG); allerdings liegt bis heute keine Schwimm- und

Badebeckenwasser-Verordung vor, die Anforderungen konkretisiert. Vor diesem Hintergrund werden

die Befunde nach der DIN 19643 bewertet. Ein Entwurf für eine entsprechende Verordnung aus dem

Jahre 2003 priorisiert – analog der Trinkwasser-Verordnung – eindeutig mikrobiologische Kriterien für

die Beurteilung von Schwimm- und Badebeckenwasser. Hierzu hat das Stadtgesundheitsamt

Frankfurt in einer Publikation Stellung genommen (Hentschel, Heudorf 2003).

Zunächst wurde auf die gravierenden Unterschiede zwischen Trinkwassergewinnung und Bäderbetrie-

ben hingewiesen (Abb. 27), die eine strukturelle Gleichbehandlung von Trinkwasseranlagen und

Bädern unmöglich machen. In Badewasseranlagen besteht eine stark erhöhte, kurzfristig auftretende

Störanfälligkeit im Vergleich zu Trinkwasseranlagen. Daher müssen die Eigenkontrollen der Betreiber,

aber auch die Kontrollintervalle der Behörden erheblich dichter sein als im Trinkwasserbereich.

Die Verteilung der von den Badegästen abgegebenen Mikroorganismen im Badebecken ist durchaus

nicht konstant (Abb. 28); die Mikroorganismen sind eher partikel- und biofilmgebunden, sodass das

Ergebnis einer Badewasserprobe extrem von Zufälligkeiten abhängt. Demgegenüber unterscheiden

sich beispielsweise die Chlormessungen bei einer ausreichend guten Beckenhydraulik an den

verschiedenen möglichen Messstellen eines Badebeckens nur gering.

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Wasser - Badebeckenwasser - Anmerkungen zu einem Entwurf der Schwimm- und Badebeckenwasser-Verordnung

66

Abb. 27 Unterschiede im Betrieb von Trinkwasseranlagen und von Bäderbetrieben

Abb. 28 Verteilung von Mikroorganismen und gelösten Stoffen im Badebeckenwasser

Abb. 29 Dauer bis zum Erhalt der mikrobiologischen Ergebnisse der Badebeckenwasser-kontrollen.

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Wasser - Badebeckenwasser - Anmerkungen zu einem Entwurf der Schwimm- und Badebeckenwasser-Verordnung

67

Darüber hinaus ist die Zeitspanne zwischen der bakteriologischen Probenahme und der Befund-

vorlage viel zu lange, um auf aktuelle Probleme angemessen reagieren zu können. Dies betrifft nicht

nur die Zeit für den Probentransport und die Analytik (24-28h Bebrütungszeit), sondern auch die für

die Befundübermittlung. Im Mittel (Median) dauerte es 15 Tage, bis die mikrobiologischen Befunde

vorliegen (Abb. 29).

Für die Festsetzung gesetzlicher Auflagen zur Wassergüte und zu den daraus resultierenden Hand-

lungsverpflichtungen, an die sowohl die Badbetreiber als auch die Überwachungsbehörden gebunden

sind, ist aber nur dann zielführend und zumutbar, wenn die Erkennung gesundheitsgefährdender

Zustände ausreichend schnell und sicher überhaupt möglich ist.

Unsere Schlussfolgerung lautete: „Es ist daher durchaus fraglich, ob der finanzielle Aufwand der

mikrobiologischen (Nach-)Untersuchungen des Badebeckenwassers – mit Ausnahme der Legionellen-

untersuchungen, denen eine andere Problematik zugrunde liegt – im Regelfall den daraus erwach-

senden Erkenntnisgewinn rechtfertigt. Mit Beschränkung auf schnell zu erhebende chemische und

technische Daten sowie mit gezielten mikrobiologischen Probenahmen im besonderen Fall, etwa im

Filtrat vor der Chlorung, ließe sich eine mikrobiologische Grenzwertüberschreitung hygienisch

ebenfalls genauso sicher, aber erheblich schneller und kostengünstiger beherrschen. …

Dies führt zu folgenden Empfehlungen:

- Die Gehalte an freiem und gebundenem Chlor in Verbindung mit dem pH-Wert sollten vom

Verordnungsgeber anstelle der mikrobiologischen Befunde als primärer Indikator für eine einwandfreie

Badewasserqualität eingeführt werden, hinzu kommen die technischen Anforderungen an die

Badewasseraufbereitung …

- Zur Einhaltung einwandfreier Chlorwerte ist … neben den technischen Anforderungen und den

Betreiberpflichten auch eine möglichst dichte externe Betriebskontrolle durch die Gesundheitsämter

zu gewährleisten, die nach den hiesigen Erfahrungen in der Größenordnung von 6-mal pro Jahr bei

Hallenbädern und alle 2 Wochen bei Freibädern liegen sollte. …

- Die Untersuchungshäufigkeit für mikrobiologische Parameter kann … erheblich verringert werden,

ggf. ist ein völliger Wegfall denkbar. Demgegenüber sollte die Einführung ergänzender mikrobiolo-

gischer Untersuchungen im Filtrat vor der Desinfektionsmitteldosierstelle zur Überprüfung der

mikrobiologischen Besiedlung bei Einsatz von Ein- und Mehrschichtfiltern, wie sie sich in der

Legionellenprophylaxe durchaus bewährt haben, fachlich diskutiert werden“.

Zu Badebeckenwasserkontrollen durch die Gesundheitsämter

„Mit konstanter Regelmäßigkeit werden jahrelang die gleichen (bakteriologischen) Ergebnisse erzielt, obschon durch Neubauten, Auflagen und durch Sanierungen erwartungsgemäß deutliche Verbesse-rungen gegeben sein müssten. Bei einem Vergleich über 6 Jahre lassen sich jedoch aus den bakterio-logischen Analysen keinerlei technische oder hygienische Verbesserungen erkennen. … Das bakteriolo-gische Ergebnis einer Badewasserprobe ist stets nur eine Momentaufnahme, die bereits Stunden später durch veränderte Bedingungen, z.B. unterschiedliche Besucherbelastung, keine Relevanz mehr hat und sicher auch keine gerichtliche Beweiskraft besitzt“.

Steuer W. Schriftenreihe Verein WaBoLu 1984

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Wasser - Badebeckenwasser - Floatingtanks hygienische Entspannung?

68

Floatingtanks hygienische Entspannung?

Im Sommer 2006 wurde uns ein Konzept für

die Eröffnung einer Einrichtung mit Floating-

tanks vorgestellt. In mehreren Gesprächen

wurde mit den zukünftigen Betreibern und

Vertretern der Herstellerfirmen die Möglich-

keiten der Umsetzung eines solchen Pilot-

projektes in Frankfurt am Main in Abwei-

chung von der DIN 19643 (Aufbereitung von

Schwimm- und Badebeckenwasser) bespro-

chen.

Die Floatingtanks sind meistens eiförmige

ovale Kapseln mit Deckel, die gegen Licht

und Geräusche abgeschottet sind. Das

Fassungsvermögen dieser Tanks beträgt

zwischen 300 und 800l, in denen ca. 500 kg

Bittersalz gelöst sind (Salzlösung leicht

viskös). Die Wassertiefe liegt bei mindes-

tens 20 cm, damit der „Floatende“ nicht mit

dem Boden in Berührung kommt. Die

Wassertemperatur liegt bei 34°C, was in

etwa der Temperatur der Hautoberfläche

entspricht.

Mittlerweile werden in Frankfurt am Main in

zwei Einrichtungen Floatingtanks betrieben

und durch das Stadtgesundheitsamt regel-

mäßig überwacht. Die erste Einrichtung eröffnete im April 2007 mit zwei Floatingtanks, die zweite

Einrichtung im Mai 2008 mit 3 Floatingtanks (einer der Tanks in der letzten Einrichtung ist für zwei

Personen ausgelegt).

Aufbereitungstechnik und Wartung

Die Aufbereitungstechnik ist in Deutschland nicht speziell geregelt,

technische Regelwerke fehlen. Bei den in Frankfurt betriebenen

Anlagen besteht die Aufbereitungstechnik im Wesentlichen aus drei

Schritten. Einer Filterung über einen nicht näher spezifizierten

Zellulosefilter, einer H2O2-Dosierung und einer UV-Einheit.

Nach jedem Badegast bzw. jeder Floatsession wird die Sole für ca. 10-

20 min durch den Aufbereitungsprozess geleitet. Wenn es keine

Badegäste gibt, wird die Aufbereitung automatisch in regelmäßigen

Abständen gestartet. Dabei wird theoretisch das komplette Tank-

volumen einmal durch den Aufbereitungsprozess geleitet. Nachts gibt

es in einer der Einrichtungen eine Langzeitreinigung (zweimal 4

Was ist floating / sind Floating- oderSamadhitanks?

Floaten kommt aus dem Englischen und bedeutet im Wasser treiben oder schweben. Samadhi kommt aus dem Sanskrit und beschreibt einen Bewusst-seinszustand, der über Wachen, Träumen und Tief-schlaf hinausgeht und in dem das Denken aufhört.

Als Floating wird eine Entspannungsmethode bezeichnet, bei der Personen mit Hilfe von konzen-triertem Salzwasser in einem speziellen Becken quasi schwerelos an der Wasseroberfläche treiben, abgeschottet von Außenreizen.

“Urvater” der Floatingtanks war der amerikanische Wissenschaftler Dr. med. John C. Lilly. Er initiierte und leitete Forschungsprojekte u.a. auf den Gebieten der Biophysik und Neurophysiologie. Sein Haupt-gebiet lag in der Erforschung der Struktur des menschlichen Bewusstseins. Dabei versuchte er zunächst hauptsächlich im Selbstversuch mit LSD die Einwirkungen von z.B. Licht auf das Auge, Klang auf das Ohr und Schwerkraft auf tiefer liegende Organe zu erforschen. Später entwickelte er die so genannten Isolationstanks, auch bekannt als Samadhi- oder Floatingtanks.

Dem Floaten werden verschiedene Heilwirkungen zugeschrieben, z.B. bei Kreislaufstörungen, Hexen-schuss, Hauterkrankungen. Heute wird es haupt-sächlich eingesetzt zur Tiefenentspannung, Stress-reduktion, Behandlung chronischer Schmerzen, „Superlearning“ und Wellness.

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Wasser - Badebeckenwasser - Floatingtanks hygienische Entspannung?

69

Stunden mit einer einstündigen Pause).

Die Aufbereitungstechnik entspricht nicht den Vorgaben der DIN 19643. Es fehlt beispielsweise eine

Flockung, ein konventionell messbares Desinfektionspotential sowie eine Mess- und Regeltechnik.

Die Dosierung des Desinfektionsmittels erfolgt nicht über das Redoxpotential. Die Zugabe von

Frischwasser wird nach dem Wasserverlust, nicht nach der Anzahl der Badegäste, berechnet. Die

Zudosierung des Bittersalzes richtet sich nach der Dichte der Sole, die täglich gemessen wird. Die

Filter und die UV-Lampe werden nach Betriebsstunden bzw. nach einem festgelegten Zeitraum

gewechselt.

Entsprechend der Messwerte wird die Sole komplett ausgetauscht, mindestens jedoch einmal jährlich,

wobei es hierbei keine festgelegten Werte gibt, bei denen die Sole ausgetauscht werden müsste.

Überwachung durch das Gesundheitsamt und Eigenüberwachung des Betreibers

Da die Anlagen nicht den geltenden technischen Regeln (DIN 19643) entsprechen und auch bei der

Befragung anderer Gesundheitsämter bisher sehr wenig Erfahrungen mit diesen Einrichtungen

vorlagen, wurde in Zusammenarbeit mit dem Hygieneinstitut in Bonn eine engmaschige Überwachung

der Einrichtungen durch das Stadtgesundheitsamt vorgenommen.

Es fand zunächst eine zweiwöchentliche Beprobung durch das Stadtgesundheitsamt statt, diese

wurde dann entsprechend der Untersuchungsergebnisse sukzessive auf eine monatliche Beprobung

ausgeweitet. Neben der Vorortmessung (Wasserstoffperoxidkonzentration, Temperatur und pH-Wert)

werden durch das Stadtgesundheitsamt Proben entnommen. Diese Proben werden auf chemische

und bakteriologische Parameter untersucht. Bei den bakteriologischen Parametern werden E.-coli,

Enterokokken (wird auf Grund der Ergebnisse nicht mehr untersucht), coliforme Bakterien,

Legionellen, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Koloniezahlen bei 20°C und 36°C

untersucht. Als chemische Parameter Trübung, Färbung, Geruch, TOC-Gehalt, Oxidierbarkeit (wird

auf Grund der Ergebnisse nicht mehr untersucht) und Ammonium.

Durch den Betreiber werden zusätzlich täglich folgende Parameter ermittelt: Anzahl der Badegäste,

die Betriebsweise der Tanks durch die Besucher (z.B. Floaten mit offenem oder geschlossenem

Deckel), ob es sich um einen Stammgast oder Erstbesucher handelt, die Floatzeit und Uhrzeit, die

Frischwasser- und Salzzufuhr und wann der Filter bzw. die UV-Lampe gewechselt wurde. Außerdem

werden täglich der Salzgehalt, die H2O2-Konzentration vor und nach dem Floaten sowie nach der

Reinigung und der pH-Wert gemessen.

Ammonium: In Einrichtung 1 wurde Ammonium nicht von Beginn an untersucht. Ab Durchgang 7

begann eine monatliche Untersuchung. In Einrichtung 2 wird derzeit noch alle zwei Wochen eine

Überwachung durch das Stadtgesundheitsamt durchgeführt.

Mit steigender Besucherzahl bzw. über den Zeitraum der Nutzung ist der Ammoniumgehalt in beiden

Einrichtungen stetig angestiegen (siehe Abb. 30 und Abb. 31). Eine Reduktion des Ammonium-

gehaltes konnte lediglich durch den Austausch der Sole in Einrichtung 1 erreicht werden (siehe Abb.

30). Durch die mittlerweile wesentlich größere Besucherzahl stieg hier der Ammoniumgehalt gleich

wieder stark an. Der Ammoniumgehalt des Füllwassers in beiden Einrichtungen liegt bei < 0,03mg/l.

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Wasser - Badebeckenwasser - Floatingtanks hygienische Entspannung?

70

Abb. 30 Ammoniumgehalt im Badebeckenwasser der Tanks in der Floateinrichtung 1

Abb. 31 Ammoniumgehalt im Badebeckenwasser der Tanks in der Floateinrichtung 2

TOC (total organic carbon – gesamter organischer Kohlenstoff):

Bei der Untersuchung von TOC begann die monatliche Beprobung der Einrichtung 1 ab Durchgang

10. In Einrichtung 2 wird alle zwei Wochen beprobt.

Floateinrichtung 1 Ammonium

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Anzahl der Messungen

mg

/l

0

10

20

30

40

50

60

70

An

zah

l d

er B

esu

cher

Ammonium Tank1

Ammonium Tank 2

Besucher Tank 1

Besucher Tank 2

Solewechsel

Ammonium im Füllwasser

Floateinrichtung 2 Ammonium

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Anzahl der Messungen

mg

/l

0

5

10

15

20

25

30

35

An

zah

l d

er B

esu

cher

Ammonium Tank 1

Ammonium Tank 2

Ammonium Tank 3

Besucher Tank 1

Besucher Tank 2

Besucher Tank 3

Ammonium im Füllwasser

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Wasser - Badebeckenwasser - Floatingtanks hygienische Entspannung?

71

Abb. 32 TOC-Gehalt im Badebeckenwasser der Tanks in der Floateinrichtung 1

Abb. 33 TOC-Gehalt im Badebeckenwasser der Tanks in der Floateinrichtung 2

Analog zu Ammonium steigt auch der TOC-Gehalt in Einrichtung 1 stetig an (siehe Abb. 32). Auch

hier konnte durch den Solewechsel eine Reduktion erreicht werden und es kam auf Grund der

erhöhten Besucherzahl erneut zu einem starken Anstieg. Auch in Einrichtung 2 stieg der TOC-Gehalt

zunächst an. Hier werden die Untersuchungen im Gegensatz zu Einrichtung 1 derzeit noch alle zwei

Wochen durchgeführt.

Das Füllwasser in Einrichtung 1 hat einen TOC-Gehalt von 0,8-1,6mg/l, in Einrichtung 2 von < 0,1mg/l.

Weitere chemische Parameter: Die Oxidierbarkeit wurde nur in Einrichtung 1 untersucht. Hier stellte

sich in Absprache mit verschiedenen Labors heraus, dass auf Grund des hohen Salzgehaltes die

Analytik stark beeinflusst wird. Aus diesem Grund wird die Oxidierbarkeit nicht mehr untersucht.

Floateinrichtung 1 TOC

0

5

10

15

20

25

30

35

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Anzahl der Messungen

mg

/l

0

10

20

30

40

50

60

70

An

zah

l B

esu

cher

TOC Tank 1

TOC Tank 2

Besucher Tank 1

Besucher Tank 2

Solewechsel

TOC im Füllwasser

Floateinrichtung 2 TOC

0

10

20

30

40

50

60

70

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Anzahl der Messungen

mg

/l

0

5

10

15

20

25

30

35

An

zah

l B

esu

cher

TOC Tank 1

TOC Tank 2

TOC Tank 3

Besucher Tank 1

Besucher Tank 2

Besucher Tank 3

TOC im Füllwasser

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Wasser - Badebeckenwasser - Floatingtanks hygienische Entspannung?

72

Der Geruchsschwellenwert schwankt in beiden Einrichtungen zwischen 0 und 3 TON (threshold odour

number). Hier gibt es in der DIN 19643 keinen Orientierungswert, die Trinkwasserverordnung gibt

einen Grenzwert von 3 TON an.

Auch die Trübung schwankt in beiden Einrichtungen zwischen 0,2 und 0,9 FNU (formazine

nephelometric units - Trübeeinheit Formazin). Für die Trübung findet sich in der DIN 19643 ein

Orientierungswert von 0,5 FNU. Dieser wird in Einrichtung 1 in etwa 30% der Fälle überschritten und

in Einrichtung 2 in etwa 20%.

Mikrobiologie: In keiner der untersuchten Proben konnten bisher E-Coli, coliforme Keime, Entero-

kokken, Staphylococcus aureus und Legionellen nachgewiesen werden.

In beiden Einrichtungen werden gelegentlich Koloniezahlen bei 20°C und 36°C nachgewiesen. Hierbei

lag die höchste Konzentration bei 10 KBE/ml. Die DIN 19643 gibt für KBE einen Orientierungswert von

100 KBE/ml an.

In der Floateinrichtung 2 wurden im Badebeckenwasser eines Tanks Pseudomonas aeruginosa

nachgewiesen. Zum Zeitpunkt der Probenahme gab es bei diesem Tank einen Defekt bei der H2O2-

Dosierung und es war kein H2O2 in dem betroffenen Tank messbar. In einem anderen Tank in dieser

Einrichtung gab es bei der so genannten Nullprobe, d.h. mit frischer Sole, bevor die Wannen genutzt

wurden, einen Nachweis von 40 KBE/100ml Koagulase negative Staphylococcen. Zu diesem

Zeitpunkt war die Aufbereitung noch nicht in Betrieb. Die nachfolgenden Proben waren nicht mehr zu

beanstanden.

Bei allen Untersuchungsergebnissen mikrobiologisch wie chemisch ist zu beachten, dass keine

Aussage über die Beeinflussung der Analytik durch den hohen Salzgehalt gemacht werden kann. Dies

war auch nach Rücksprache mit verschiedenen Labors nicht abschließend zu klären.

Fazit

Die bisherigen Ergebnisse geben keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gesundheits-

beeinträchtigung, auch sind dem Stadtgesundheitsamt keine Beschwerden von Besuchern bekannt.

Die Parameter Ammonium und TOC zeigen eine, mit längerer Betriebszeit stark ansteigende

Konzentration organischer Stoffe im Solebad an, die an anderen öffentlichen Bädern nicht toleriert

würden.

Der Parameter Trübung überschreitet ebenfalls die Vorgaben der DIN 19643. Die Reinigungsleistung

der Aufbereitungstechnik entspricht nicht dem Standard der Reinigungsleistungen in konventionellen

Badebecken in Frankfurt am Main.

Derzeit werden diese Einrichtungen nur zu Wellnesszwecken genutzt und angeboten, es ist jedoch

unklar, welchen Einfluss die Nutzung der Wannen zur Behandlung von Hauterkrankungen (z.B.

Psoriasis) hätte und wie vermieden werden kann, dass diese Einrichtungen überproportional zur

Behandlung solcher Erkrankungen genutzt werden.

Es gibt noch keine technischen Vorgaben für das Betreiben solcher Anlagen. Da immer mehr dieser

Einrichtungen in Deutschland eröffnet werden, ist es wichtig, dass die Desinfektion und Messtechnik

validiert werden.

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Wasser - Badebeckenwasser - Versuche zur Reinigung und Desinfektion von Barfussflächen in Schwimmbädern

73

Versuche zur Reinigung und Desinfektion von Barfussflächen in Schwimmbädern

Auf Grund fehlender aussagekräftiger Daten zur Reinigung und Desinfektion von Barfussflächen in

Schwimmbädern hat das Stadtgesundheitsamt in zwei unterschiedlichen, aufeinander aufbauenden

Versuchsreihen unterschiedliche Methoden zur Reinigung und Desinfektion barfuss begangener

Flächen in Schwimmbädern erprobt. Zum Einsatz kamen Abklatschplatten. Diese wurden neben

grampositiven Kokken, die den Grad der Verschmutzung bzw. die Wirkung des Desinfektionsmittels

anzeigen sollten, auch auf desinfektionsmittelunempfindliche Sporenbildner untersucht, um die

Wirkung des Desinfektionsmittels vom Einfluss der mechanischen Reinigung unterscheiden zu

können.

Die Belastung der Flächen mit Mikroorganismen entsteht durch das Zusammenspiel unterschiedlicher

Faktoren.

Die Zunahme der Keimbelastung auf den Flächen ist gekennzeichnet durch den Eintrag:

durch die Badegäste durch das Personal im Bad durch das Reinigungspersonal durch die verwendeten u. U. verschmutzten Reinigungsgeräte durch die Reinigungslösungen selbst.

Für eine Abnahme der Keimbelastungen auf den Flächen sollen folgende Faktoren sorgen:

Desinfektionsmittel nur in Verbindung mit einem Reinigungsmittel mechanischer Abtrag durch die Reinigung Abspülen bzw. Abschiebern der Fläche Abtrocknungseffekt

Nur durch ein optimales Zusammenspiel der oben genannten Faktoren ist eine Reduzierung der

koloniebildenden Einheiten auf den Flächen zu erreichen.

Versuchsreihe 1 April 2000 (Überblick über die Desinfektionsmaßnahmen)

Im April 2000 wurden Teilflächen, die auf dem typischen Weg eines Badegastes lagen, an einem Tag

beprobt. Um die Wirksamkeit der Desinfektionsmaßnahmen beurteilen zu können, wurden drei

Durchgänge zu unterschiedlichen Zeiten durchgeführt.

Der erste Durchgang wurde morgens vor Badebetrieb durchgeführt und sollte einen Überblick über die

Keimbelastung der Fläche ohne Desinfektion am Vorabend zeigen. Keimreduzierend war hier nur die

Abtrocknung der Fläche über Nacht.

Durchgang zwei, abends nach Badebetrieb, ohne Desinfektion, sollte die Zunahme der Keimbelastung

während eines Badetages und damit die Ausgangssituation für die anschließende Desinfektion

darstellen.

Mit dem Durchgang drei, der am Folgetag morgens vor Badebetrieb mit Desinfektion am Vorabend

und ohne Reinigung am Morgen durchgeführt worden ist, sollte die Wirkung des Desinfektionsmittels

zusammen mit der Abtrocknung der Fläche über Nacht dargestellt werden. Verglichen mit Durchgang

eins sollte so die alleinige Wirkung des Desinfektionsmittels dargestellt werden.

Dabei erwies sich die Desinfektion der Bodenflächen, wie sie während des Versuchszeitraumes

durchgeführt worden ist, als nicht geeignet, um eine ausreichende Reduzierung der Keimbelastung zu

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Wasser - Badebeckenwasser - Versuche zur Reinigung und Desinfektion von Barfussflächen in Schwimmbädern

74

erreichen. Die lässt sich vermutlich auf die fehlende Reinigung der Flächen zurückführen, da der

vorhandene Schmutz so den Mikroorganismen als Schutz vor dem Desinfektionsmittel dienen konnte.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Desinfektion nicht ausreichend wirksam ist, dass es sogar zu einer

Keimverbreitung durch die Desinfektionsmaßnahme kommen kann und dass nicht das Desinfektions-

mittel die Reduzierung der Keimbelastung bewirkt, sondern die, mit der Desinfektion verbundene,

mechanische Reinigung.

Versuchsreihe 2 August 2002 (Vergleich Desinfektion / mechanische Reinigung)

Auf Grund der bei der ersten Versuchsreihe festgestellten Ergebnisse wurde ein weiterer Versuch auf

zwei Flächen durchgeführt, um zu überprüfen, ob sich die These, wonach die mechanische Reinigung

und nicht die Desinfektion für eine Keimreduzierung sorgt, bestätigen lässt.

Fläche A wurde während des Versuchszeitraumes an zwei Abenden nach Badeschluss mit einem

Desinfektionsmittel desinfiziert. Die weitere Reinigung der Bodenflächen erfolgte durch eine externe

Reinigungsfirma täglich am Morgen vor dem Badebetrieb. Eingesetzt wurden Reinigungsautomaten

mit rotierenden Bürsten mit chemischen Reinigern und Hochdruckreiniger, mit denen das

Reinigungsmittel nach einiger Zeit abgespült wurde.

Fläche B wurde nach einem eigenen Schema gereinigt. Es wurde vollständig auf die Desinfektion

verzichtet und nur eine tägliche Reinigung nach dem Badebetrieb durch einen Mitarbeiter des

Schwimmbades mit Bürste und einem leicht alkalischen, ammoniakhaltigen Allzweckreiniger, der

keine desinfizierende Wirkung hatte, durchgeführt. Im Anschluss wurde das Reinigungsmittel mit

einem Wasserschlauch von der Fläche gründlich abgespült.

Ergebnisse: Insgesamt konnte, bis auf wenige Ausnahmen, weder auf Fläche A noch auf Fläche B

eine deutliche Reduzierung der KBE festgestellt werden. Die überwiegende Zahl der Abklatschplatten

war mit einem Rasen bewachsen.

Die Abbildungen zeigen die einzelnen Platten, wie sie auf der zu beprobenden Fläche angeordnet

wurden.

Abb. 34 Fläche A (Routinereinigung mit Desinfektion)

Ergebnisse Fläche A; Durchgang 1 wurde jeweils am Vortag durchgeführt

Durchgang 3

nach Reinigung, vor Badebetrieb, morgens

Durchgang 2

vor Reinigung, morgens

Durchgang 1 nach Badebetrieb, am Vortag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag

starker Bewuchs kein Bewuchs

Desinfektion Desinfektion

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Wasser - Badebeckenwasser - Versuche zur Reinigung und Desinfektion von Barfussflächen in Schwimmbädern

75

Die Abklatschplatten Durchgang 1 (versetzt um einen Tag dargestellt) zeigten am Montag-, Dienstag-

und Mittwochabend durchgehend einen Rasenbewuchs. Am Donnerstagabend wies nur eine von

sechs Platten einen Rasenbewuchs auf. Alle anderen Platten zeigten KBE-Zahlen von 8 bis 58. Beim

überwiegenden Teil der KBE handelte es sich um Sporenbildner. Insgesamt konnten nur 6 KBE als

grampositive Kokken bestimmt werden.

Durchgang 2, der die Wirkung des Desinfektionsmittels bzw. der Abtrocknung über Nacht

verdeutlichen sollte, zeigt am Dienstag- und Donnerstagmorgen im Vergleich zum jeweiligen

Vorabend ohne Desinfektion keine Veränderungen. Außer einer Platte am Dienstag, die mit 53 KBE

eine für diesen Versuch eher geringe Keimbelastung aufwies, waren alle Platten von einem Rasen

bewachsen. Die Abtrocknung der Fläche ohne Anwendung eines Desinfektionsmittels zeigte hier

keine keimreduzierende Wirkung. Am Mittwochmorgen war nach der Anwendung des

Desinfektionsmittels am Vorabend eine Keimreduzierung festzustellen. Allerdings ist die Reduzierung

als zu gering anzusehen, da immer noch drei von sechs Platten einen Rasenbewuchs aufwiesen. Am

Freitagmorgen war nach der Verwendung des Desinfektionsmittels am Vorabend sogar eine

Erhöhung der Koloniezahlen festzustellen. Dies gilt bei einer Platte besonders für die grampositiven

Kokken, die eigentlich durch das Desinfektionsmittel hätten reduziert werden müssen.

Bei Durchgang 3, mit dem die Wirkung der morgendlichen Reinigung beurteilt werden sollte, wiesen

am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag fast alle Platten einen Rasenbewuchs auf. Die durch das

Desinfektionsmittel reduzierte Keimbelastung am Mittwoch vor der Reinigung war nach der Reinigung

mit den Reinigungsautomaten nicht mehr festzustellen. Die Reinigung der Flächen trug hier nicht zur

Reduzierung der Keimzahlen bei.

Am Freitag konnte ein nur sehr geringer Bewuchs festgestellt werden, der zum größten Teil aus

Sporenbildnern bestand. Es waren Keimzahlen zwischen 1 und 5 KBE pro Platte nachweisbar.

Abb. 35 Fläche B (ohne Desinfektion)

Ergebnisse Fläche B; Durchgang 1 und 2 wurden jeweils am Vortag durchgeführt

Durchgang 1 (versetzt um einen Tag dargestellt) zeigte die Ausgangsbelastung der Fläche nach dem

Badebetrieb. Von Montag bis Donnerstag war durchgehend ein Rasenbewuchs auf allen Platten

festzustellen.

Durchgang 3

vor Badebetrieb, morgens

Durchgang 2

nach Reinigung, abends

Durchgang 1 nach Badebetrieb, am Vortag

Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag

starker Bewuchs kein Bewuchs

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Wasser - Badebeckenwasser - Versuche zur Reinigung und Desinfektion von Barfussflächen in Schwimmbädern

76

Nach der abendlichen Reinigung (Durchgang 2) lies sich bis auf Montagabend keine Reduzierung der

Keimzahlen feststellen.

Die Auswertung von Durchgang 3, morgens vor Badebeginn, nach der Abtrocknung über Nacht,

zeigte von Dienstag bis Donnerstag durchgehend Rasenbewuchs auf allen Platten. Am Freitagmorgen

war dagegen lediglich auf einer Platte 1 KBE Sporenbildner zu finden. Alle anderen Platten wiesen 0

KBE auf.

Reinigungslösung und Desinfektionsmittel

Die Probe der Desinfektionsmittellösung, wie sie am Donnerstagabend zum Einsatz gekommen war,

war mikrobiologisch nicht zu beanstanden. In den Proben der Reinigungslösung aus dem Tank einer

Reinigungsmaschine konnten dagegen Keimzahlen von jeweils über 10.000 / ml bei 20°C und 36°C

ermittelt werden.

Nach ablaufen lassen der alten Lösung und Reinigung des Tanks wurden in der neu angesetzten

Reinigungslösung dagegen nur noch Keimzahlen von 2 / ml bei 20°C und 0 / ml bei 36°C festgestellt.

Diskussion

Fläche A (Routinereinigung mit Desinfektion)

Die Erhöhung der Keimzahlen am Freitagmorgen trotz Einsatz des Desinfektionsmittels ist eventuell

darauf zurückzuführen, dass die Mitarbeiter der Reinigungsfirma die Fläche vor der Probenahme mit

„schmutzigen“ Schuhen betreten haben könnten und so zu einer Erhöhung der Keimzahlen auf der

Fläche beigetragen haben. Das Desinfektionsmittel scheidet als Quelle für die zusätzliche

Keimbelastung aus.

Die nur geringe keimreduzierende Wirkung des Desinfektionsmittels kann vermutlich darauf zurück

geführt werden, dass vor der Desinfektion keine Reinigung durchgeführt worden ist und so der

Schmutz, der als Nährboden für die Keime fungiert und gleichzeitig Schutz gegen Desinfektionsmittel

bieten kann, auf der Fläche verblieben ist.

Die Erhöhung der Koloniezahlen am Mittwoch vom zweiten zum dritten Durchgang ist auf den Einsatz

der Reinigungsautomaten zurückzuführen. Durch die mangelnde Reinigung der Tanks und die damit

verbundene starke Verkeimung der Reinigerlösung tragen die Automaten zur Erhöhung der

Koloniezahlen auf der Bodenfläche nach der Reinigung bei. Dies wird noch deutlicher, wenn die

Ergebnisse vom Freitag betrachtet werden. Am Donnerstag und Freitag ist auf Grund von

Personalmangel nicht mehr mit dem Reinigungsautomaten gereinigt worden. Die Fläche wurde

lediglich mit einem Wasserschlauch abgespült. Am Freitag ist nach dem Abspülen der Fläche eine

deutliche Reduzierung der Koloniezahlen nach der Reinigung festzustellen. Die schlecht gepflegten

Reinigungsmaschinen konnten hier nicht wie am Mittwoch zu einer erneuten Erhöhung der

Koloniezahlen beitragen.

Fläche B (ohne Desinfektion)

Es ist davon auszugehen, dass es bei den Probenahmen am Freitag zu einem Fehler gekommen sein

muss und die Platten nicht oder nicht richtig verwendet worden sind. Alle anderen Ergebnisse

bestätigen nicht die Erwartungen aus der Versuchsreihe 1, wonach die mechanische Reinigung zu

einer Reduzierung der Koloniezahlen beiträgt.

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Wasser - Badebeckenwasser - Versuche zur Reinigung und Desinfektion von Barfussflächen in Schwimmbädern

77

Insgesamt kann festgestellt werden, dass dem Badegast eine aus hygienischer Sicht unzureichend

gereinigte Fläche zur Verfügung gestellt wird. Beide Varianten der Reinigung bzw. Desinfektion waren

unter den gewählten Bedingungen nicht in der Lage, die Koloniezahlen auf der Bodenfläche zu

reduzieren.

Während der Probennahme ist deutlich geworden, dass das in einem Schwimmbad für die externe

Reinigungsfirma festgelegte Reinigungskonzept hinsichtlich der Einhaltung ständig überwacht werden

muss. Dies gilt für die Reinigung der verwendeten Maschinen sowie für die eingesetzten Reiniger.

Ein weiterer Punkt ist die nicht herstellergerechte Dosierung und Verwendung der Reiniger. Hier

wurden mehrfach verschiedene Reiniger mit unterschiedlichen pH-Werten „halbe/halbe nach

Augenmaß“ in die Tanks der Maschine gefüllt und verwendet. Laut Herstellerangaben handelt es sich

bei dem einen Produkt um einen desinfizierenden Reiniger mit einem pH-Wert je nach

Anwendungskonzentration von 0,5-2. Der zweite Reiniger ist ein Industriereiniger mit einem pH-Wert

je nach Anwendungskonzentration von 12,5-13,5. Es ist daher zu vermuten, dass sich im Tank des

Reinigungsautomaten ein „Neutral-Reiniger“ bildet, der weder eine desinfizierende Wirkung noch

andere auf den Produktdatenblättern angegebene Eigenschaften aufweist.

Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass die handgeführten Hochdruckreiniger nur als

wassersparende Variante zur Entfernung des durch die Reinigungsautomaten aufgetragenen

Reinigers angesehen werden können. Ein Reinigungseffekt ist durch den oft zu großen Abstand

zwischen Düse und Bodenfläche nicht zu erwarten. Angetrocknete Reinigerreste konnten durch den

Hochdruckreiniger nicht mehr komplett entfernt werden und sind damit zum Teil auf der Fläche

verblieben. Die Bewegungen, die mit der handgeführten Hochdrucklanze gemacht worden sind, waren

nach dem Abtrocknen der komplett benässten Fläche deutlich als „Muster“ auf dem Boden zu

erkennen.

Ausblick

Wenn in der Zukunft an den bisher praktizierten Reinigungsmethoden festgehalten werden soll, sollten

die dann zur Anwendung kommenden Reiniger und Desinfektionsmittel getestet werden, in wie weit

mit ihnen eine Reduzierung der mikrobiologischen Belastung auf den Bodenflächen erreicht werden

kann, um dem Badegast eine nicht nur optisch saubere Fläche, sondern auch einen hygienisch

einwandfreien Zustand bieten zu können.

Des Weiteren muss über den Ablauf der Reinigung und Desinfektion nachgedacht werden. Die

Reinigung der Flächen muss gemäß dem Arbeitsblatt „Hygiene, Reinigung und Desinfektion in

Bädern“ des Bundesfachverbandes öffentliche Bäder e. V. vor der Desinfektion erfolgen, damit das im

Anschluss aufgebrachte Desinfektionsmittel wirksam werden kann. Dies bestätigt sich durch die

Versuchsreihe 2, wo das Desinfektionsmittel nach Badebetrieb ohne Reinigung auf der Fläche zur

Anwendung kam und nur eine geringe desinfizierende Wirkung festgestellt worden ist. Der Schmutz

ist der Nährboden der Mikroorganismen und bietet, wie in unserem Versuch deutlich geworden ist,

gleichzeitig Schutz gegen Desinfektionsmittel.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist aus unserer Sicht die Erstellung von Reinigungs- und

Desinfektionsplänen und die anschließende Überwachung, ob und wie diese Pläne eingehalten

werden. Die Pläne sollten mindestens die zu verwendenden Reinigungsmittel mit ihren jeweiligen

Anwendungskonzentrationen und Verwendungszwecke beinhalten. Wie sich in der zweiten

Versuchreihe gezeigt hat, ist es auch sinnvoll, die Pläne in der jeweiligen Landessprache der

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Wasser - Badebeckenwasser - Publikation aus der Arbeit der Abteilung

78

Mitarbeiter abzufassen, da sich eine Verständigung als schwierig heraus stellte. Darüber hinaus sollen

die Vorarbeiter über eine entsprechende Sachkunde bei der Reinigung und Desinfektion verfügen. Für

die Dosierung der Reinigungsmittel sollen einfach zu bedienende Dosierhilfen zur Verfügung gestellt

und auch genutzt werden. Auch hierfür sollten schriftliche Anweisungen in den jeweiligen

Landessprachen erstellt werden. Letztlich sollen die Mitarbeiter regelmäßig geschult werden und am

Anfang ihrer Tätigkeit umfassend in die Tätigkeiten eingewiesen werden.

Einen „Grenzwert“ für die Aufbereitung barfuss begangener Flächen gibt es nicht, da die Bewertung

von Umgebungsuntersuchungen mittels Abklatschplatten von örtlichen, methodischen und situativen

Momenten abhängt. Laut LGA Baden-Württemberg kann aber als befriedigendes Ergebnis ein Wert

von < 30KBE/dm² nach der Desinfektion angesehen werden. Dieser Wert ist als Nachweis einer

Aufbereitung ausreichend und lässt auch eine Pilzübertragung nicht mehr zu. Für die verwendeten

Abklatschplatten bedeutet dies ein anzustrebendes Ergebnis von < 8KBE pro Abklatschplatte. Ein

Wert, der bisher in keiner unserer Versuchsreihen festgestellt werden konnte.

Publikation aus der Arbeit der Abteilung

Hentschel W, Heudorf U: Anmerkungen zum Entwurf der Schwimm- und Badebeckenwasser-Verordnung (SchwBadebwV) vom März 2002. Gesundheitswesen (2003) 65: 255-262.

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Wasser - Oberflächengewässer - Allgemeines

79

Oberflächengewässer

Allgemeines

Die Eigenschaften eines Gewässers lassen sich je nach Fragestellung nach unterschiedlichen

Kriterien messen und einstufen. Die steigende anthropogene Belastung der Oberflächengewässer

wurde im Rahmen der Gewässergütekartierung seit den siebziger Jahren dokumentiert. Dass sich die

Verschmutzung nicht nur auf die großen Vorfluter beschränkte, sondern in zunehmendem Maße auch

kleinere Fließgewässer und Bäche von Verunreinigungen betroffen waren, zeigte sich an der

schlechten Wasserqualität der Unterläufe einiger Taunusbäche.

Da die Güte eines Gewässers bestimmend ist für die Nutzungsmöglichkeiten durch den Menschen,

führte das Stadtgesundheitsamt zu Beginn der achtziger Jahre einzelne, anlassbezogene

Untersuchungen zur Frage der hygienischen Eignung einzelner Gewässer für die Bewässerung von

Kleingartenanlagen durch. Vor dem Hintergrund des Risikos für die menschliche Gesundheit beim

Verzehr von möglicherweise kontaminiertem Obst und Gemüse untersuchte das Stadtgesundheitsamt

die Frankfurter Oberflächengewässer dann seit 1987 regelmäßig. Neben der Beurteilung der

hygienischen Gewässerqualität zur Bewässerung von Kleingartenanlagen, Sport- und Tennisplätzen

sowie zum Zweck der landwirtschaftlichen Ertragssteigerung wurde Anfang der neunziger Jahre dann

die Eignung von Main und Nidda für wassersportliche Aktivitäten bis hin zu einer Nutzung zum

öffentlichen Baden diskutiert. In den letzten Jahren stellte sich die Frage nach der hygienischen

Eignung des Mains als Badegewässer im Rahmen der Durchführung großer sportlicher Events mit

über zweitausend Beteiligten.

Hygienische Gewässergüte

Insgesamt sind die Probenahmetechniken und die hygienische Bewertung von Gewässern in

Deutschland bislang nicht vereinheitlicht. Die starke Schwankungsbreite der Konzentration der

Mikroorganismen in den Gewässern während verschiedener Wasserführungen und Jahreszeiten ist

schwierig zu erfassen. Aus finanziellen Gründen können nicht alle infrage kommenden Krankheits-

erreger untersucht werden und eine den Abflussverhältnissen proportionale und kontinuierliche

Probenahme ist nicht möglich.

Bezüglich der nachzuweisenden Keime beschränkt man sich daher, wie bei den Standardmethoden

der Trink- und Badewasserhygiene auch, üblicherweise auf den Nachweis von Indikatorkeimen sowie

auf die "Keimzahl", d.h. auf die bei 20°C oder 36°C auf Standardnährböden anzüchtbaren Keime. Die

mit der "Koloniezahl" bei den unterschiedlichen Inkubationstemperaturen von 20°C und 36°C

ermittelten Größen spiegeln aber nur einen sehr kleinen Teil der wirklich vorhandenen bakteriellen

Besiedlung des Gewässers wider und wurden ursprünglich eingeführt, um die Reinigungsleistung von

Sandfiltern bei der Trinkwasseraufbereitung zu kontrollieren. Sie dürfen daher in ihrer Aussagekraft für

die hygienische Gewässergüte nicht überbewertet werden. Pathogene Spezies werden mit Ausnahme

von Salmonellen und VTEC (Verotoxinbildende E.coli) meist nur aus gegebenem Anlass in

Einzelfällen untersucht. Anstelle einer kontinuierlichen Beprobung werden in der Regel nur

verhältnismäßig wenige Stichproben pro Jahr erfasst. Solche diskontinuierlichen Probenahmen

vermitteln jedoch nur dann ein den tatsächlichen Güteverhältnissen nahe kommendes Bild, wenn die

Proben in allen Jahreszeiten möglichst häufig und über einen großen Zeitraum hinweg an den immer

gleichen Stellen zu definierten Zeiten entnommen und beurteilt werden können.

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Wasser - Oberflächengewässer - Allgemeines

80

Unsere Auswertungen zur hygienischen Gewässergüte bis 1995 basieren auf dem

Bewertungsschema nach Wachs. Hier werden die fäkalcoliformen Keime als Coli-Titer angegeben,

der die kleinste in ml ausgedrückte Wassermenge, in der E.coli noch nachweisbar ist, darstellt4. Seit

1996 wird die hygienische Gewässergüte gemäß POPP ermittelt, der eine 7-stufige, an die

Gütebegriffe der biologischen Güteskala angelehnte, hygienische Bewertung auf der Basis der

Beurteilung der Konzentrationen der gesamtcoliformen Keime und der fäkalcoliformen Keime

veröffentlicht (Tab. 20).

Aus der Beurteilung der Anzahl der fäkalcoliformen Keime und der gesamtcoliformen Keime kann

die Zulässigkeit einer bestimmten Art der menschlichen Gewässernutzung abgeleitet werden. Die

Beurteilung anhand der Koloniezahlen ist dabei komplementär zur biologischen Gewässergüte-

beschreibung zu sehen, wenngleich ein Bezug zum hygienischen Gewässerzustand ebenfalls

gegeben ist.

Tab. 20 Hygienische Gewässergüte-Bewertung nach POPP1/ Wachs2 für fäkalcoliforme Keime und allgemeine Keimzahlen bei 20 und 36°C

Bewertung nach POPP ab 1996

Güte nach Saprobien- Index

Beschreibung

Güte-zahl des

STGA

E.coli- Titer

STGA n. Wachs

bis 1995

fäkal-coliforme

Keime [KBE/100 ml]

gesamt-coliforme

Keime [KBE/100 ml]

Koloniezahl

Median [KBE/ml]

I unbelastet 1 1000 < 1 < 5 < 200

I-II gering belastet 2 100 1-10 5-10 [50-100]

II mäßig belastet 3 10 11-100 51-500 > 200-5.000

II-III kritisch belastet 4 1 101-1000 501-5000 [> 1.000-30.000]

III stark

verschmutzt 5 0,1 1.001-10.000 5.001-50.000 > 5.000-200.000

III-IV sehr stark

verschmutzt 6 0,01

10.001-100.000

50.001-500.000

[> 30.000-200.000]

IV übermäßig

verschmutzt 7 <0,001 > 100.000 >500.000 > 200.000

(STGA = Stadtgesundheitsamt Frankfurt)

Nutzung von Oberflächenwässern als Bewässerungswasser/Beregnungswasser

Zur Epidemiologie von lebensmittelbedingten Infektionen, die möglicherweise durch Kontaminination

des Beregnungswassers verursacht werden, wurden in den USA zwischen 1993 und 1997 insgesamt

2751 Ausbrüche registriert mit 86 058 Infizierten. Die genauere Analyse zeigt, dass 2,4% (1,4-3,0%)

der Ausbrüche und 14,4% der Infektionen (6-24% in den unterschiedlichen Jahren) durch Obst und

Gemüse verursacht und weitere 3,5% der Ausbrüche sowie 5,3% der Fälle mit dem Genuss von Salat

in Verbindung gebracht wurden3. Es kann angenommen werden, dass diese Infektionen in einem

1 Popp W. Mikrobiologische Kenngrößen und ihre Bedeutung für die ökologische Bewertung von Gewässern. Münchner Beiträge zur Abwasser, Fischerei- und Flußbiologie (1994) 48: 569-584. 2 Wachs, B.: Zur Bewertung der Wassergüte von Fliessgewässern nach dem bakteriologischen Befund, Münchner Beiträge zur Abwasser-, Fischerei- u. Flussbiologie 15 (1969): 12-22 3 Olsen S et al. Surveillance for foodborne disease outbreaks – US 1993-1997. MMWR (2000) 49 (SS01) 1-51

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Wasser - Oberflächengewässer - Allgemeines

81

nicht unerheblichen Anteil durch kontaminierte Roh-Lebensmittel hervorgerufen wurden (ein weiterer

Teil der Lebensmittel/Speisen könnte während der Verarbeitungsschritte kontaminiert worden sein).

Tab. 21 DIN 19650: Hygienisch-mikrobiologische Klassifizierung von Bewässerungswasser

Eignungs-

Klasse Anwendung

Fäkal-

Streptokokken-

Koloniezahl/

100 ml (nach

TrinkwV [3]

bzw. Bade-

gewässer-

richtlinie1)

E. coli-

Koloniezahl/

100 ml(nach

TrinkwV [3]

bzw. Bade-

gewässer-

richtfinie1)

Salmonellen/

1000 ml (nach

DIN 38414-13)

Potentiell infektiöse

Stadien von Mensch-

und Haustier-

parasiten 2)

in 1000 ml

1

(Trinkwas.)

- alle Gewächshaus- und Freilandkulturen

ohne Einschränkung

nicht

nachweisbar

nicht

nachweisbar

nicht

nachweisbar

nicht

nachweisbar

23) - Freiland- und Gewächshauskulturen für den

Rohverzehr

- Schulsportplätze, öffentliche Parkanlagen

< 1004) < 2004) nicht

nachweisbar

nicht

nachweisbar

33) - nicht zum Verzehr bestimmte Gewächshaus-

kulturen

- Freilandkulturen für den Rohverzehr bis Frucht-

ansatz bzw. Gemüse bis 2 Wochen vor der Ernte

- Obst und Gemüse zur Konservierung

- Grünland bzw. Grünfutterpflanzen bis 2 Wochen

vor dem Schnitt oder der Beweidung

- alle anderen Freilandkulturen ohne Einschränkung

- sonstige Sportplätze5)

< 400 < 2000 nicht

nachweisbar

nicht

nachweisbar

4 3,5) - Wein- und Obstkulturen zum Frostschutz

- Forstkulturen, Polterplätze und Feuchtbiotope

- Zuckerrüben, Stärkekartoffeln, Ölfrüchte und

Nichtnahrungspflanzen zur industriellen Verarbei-

tung und Saatgut bis 2 Wochen vor der Ernte

- Getreide bis zur Milchreife (nicht zum Rohverzehr)

- Futter zur Konservierung bis 2 Wochen vor der

Ernte

Abwasser, das mindestens eine biologische

Reinigungsstufe durchlaufen hat

-für Darm-

Nematoden

keine Standard-

Empfehlung

möglich

-für Stadien von

Taenia:

nicht

nachweisbar

1) Mikrobiologische Untersuchungen nach den für Badegewässer üblichen Verfahren; Z. B. [9] 2) Soweit dies für die Sicherung der Gesundheit von Mensch und Tier erforderlich ist, kann eine Untersuchung des vorgesehenen

Bewässerungswassers auf Darm-Nematoden (Ascaris- und Trichuris-Arten sowie Hakenwürmer) und/oder Bandwurm-Lebensstadien (insbesondere Taenia) nach WHO-Empfehlung [1] angeordnet werden.

3) Wenn durch das Bewässerungsverfahren eine Benetzung der zum Verzehr geeigneten Teile der Ernteprodukte ausgeschlossen ist, entfällt eine Einschränkung nach hygienisch-mikrobiologischen Eignungsklassen.

4) Richtwert, der analog der TrinkwV § 2 Abs. 3 [3] so weit unterschritten werden sollte, wie dies nach dem Stand der Technik mit vertretbarem Aufwand unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles möglich ist". Zur Verbesserung der Wasserqualität siehe 5.4.

5) Bei der Beregnung muss durch Schutzmaßnahmen sichergestellt werden, dass Personal und Öffentlichkeit keinen Schaden nehmen.

Eine mögliche Belastungsquelle roher Lebensmittel ist verunreinigtes Bewässerungswasser. Umfang-

reiche Tests in den USA und Zentralamerika zeigten, dass 28% der untersuchten Wasserproben mit

Mikrosporidien, 60% mit Gardia lamblia-Zysten und 36% mit Oozysten von Crytosporidien verunreinigt

waren1. In entsprechenden Rohwässern aus Norwegen lag die Rate positiver Parasitenbefunde mit

25% ebenfalls recht hoch. Auch auf 6% der untersuchten Gemüseproben in Norwegen (Kopfsalat und

Bohnen etc) wurden Parasiten gefunden.

1 Thurston-Enriquez JA et al: Detection of protozoan parasites and microsporidia in irrigation waters used for crop production. J Food Prot (2002) 65: 673-6

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Wasser - Oberflächengewässer - Allgemeines

82

In den USA wurden verschiedene Ausbrüche lebensmittelbedingter EHEC(VTEC)-Infektionen mit dem

Genuss kontaminierten Kopfsalats in Zusammenhang gebracht und in verschiedenen Laborunter-

suchungen konnte bewiesen werden, dass mit dem Bewässerungswasser aufgebrachte EHEC über

die Wurzeln der Pflanzen in den Kopfsalat aufgenommen werden können1. Diese Beobachtungen

unterstreichen die Bedeutung einer guten hygienischen Qualität des Bewässerungswassers für die

Lebensmittelproduktion.

Für Wasser, das zur Bewässerung eingesetzt werden soll, gilt in Deutschland die DIN 19650 aus dem

Jahr 1999: Hier werden für Fäkalstreptokokken, E.coli und Salmonellen erstmals maximale Keimkon-

zentrationen in Abhängigkeit des zu beregnenden Gutes festgelegt.

Baden in Oberflächengewässern

Am 24. März 2006 ist die novellierte Badegewässerrichtlinie in Kraft getreten. Bis zum 24. März 2008

muss zunächst das neue EU-Regelwerk von Bund und Ländern in nationales Recht überführt werden,

wobei die Bundesländer weiterhin für den Vollzug verantwortlich sind. Tab. 22 zeigt die wesentlichen

Neuerungen auf; es wird, statt bisher 19, zukünftig nur noch 2 aussagekräftige mikrobiologische

Parameter für alle Badegewässer geben.

Bis 2007 richtet sich unsere Beurteilung der Eignung eines offenen Gewässers zum Baden nach den

Regelungen der EG-Richtlinie vom 08.12.1975 über die „Qualität der Badegewässer“. Es existieren

Grenzwerte, die in keinem Falle überschritten werden dürfen und nach Möglichkeit zu

unterschreitende Werte (Leitwerte).

Tab. 22 Vergleich der Bewertung eines Badegewässers nach „alter“ und „neuer“ Richtlinie

Quelle Bewertung E. coli EC [/100ml]

Colifome Bakterien CF [/100 ml]

Fäkal-streptok. [/100ml]

Salmo-nellen [/l]

Trans-parenz [m]

Mineralöle [mg/l]

Leitwert 100 500 100 - 2 Nicht sichtbar

EG-Badegewässer-Richtlinie „alt“

Grenzwert 2000 10000 - 0 1 <= 0,3

ausgezeichnete Qualität

<= 500* - <= 200* - - -

gute Qualität <= 1000* - <= 400* - - -

ausreichende Qualität

<= 900** - <= 330** - - -

Richtlinie „neu“

mangelhafte Qualität

> 900** - > 330** - - -

* Auf der Grundlage einer 95-Perzentil-Bewertung

** Auf der Grundlage einer 90-Perzentil-Bewertung

Da in Deutschland badewasserbedingte Infektionen nicht systematisch erfasst und gemeldet werden,

liegen hierzulande nur wenige Publikationen über badewasserbedingte Ausbrüche vor, u.a. ein Bericht

über mehrere Infektionsserien im Bereich Berlin 1991/2 und ein Ausbruch an Shigelleninfektionen

durch Baden in einem See im Regierungsbezirk Leipzig5.

1 Solomon et al. Transmission of Escherischia coli O157:H7 from contaminated manure and irrigation water to lettuce plant tissue and its subsequent internalization. Appl Environ Microbiol (2002) 68: 397-400. Wachtel et al: Association of Escherischia coli O157:H7 with preharvest leaf lettuce upon exposure to contaminated irrigation water. J Food Prot (2002)65: 18-25 5 Fellmann et al. Ausbruch von Shigella-sonnei-Infektionen nach Baden in einem See. Bundesgesundhbl. (1992) 7: 336-339. Kauteck et al: Erkrankungen nach dem Baden in Berlin und Umland 1991/1992. Bundesgesundhbl. (1993) 10: 405-409.

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Wasser - Oberflächengewässer - Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes

83

Demgegenüber werden solche Erkrankungen in England und den USA seit langem systematisch

erfasst. So wurden in den USA zwischen 1971 und 1998 insgesamt 171 Ausbrüche badewasser-

bedingter Infektionen dokumentiert, die Hälfte davon wurden in Oberflächengewässern (Seen, Flüsse,

Küstenwässern) erworben. Im Jahre 1997/8 wurden durch Baden in Badegewässern insgesamt 8

Ausbrüche gemeldet, 2 davon durch EHEC, 2 durch Norwalkviren und einer durch Cryptosporidien

verursacht. 1993/4 wurden ebenfalls 8 solcher Ausbrüche mit ca. 1000 Erkrankten gemeldet, wobei

die meisten Infektionen durch Shigellen (3 Ausbrüche, 437 Infizierte) und Cryptosporidien (1

Ausbruch, 418 Infizierte) zu verzeichnen waren6. Nach einer Studie in England (Küstengewässer)

traten bereits bei 32 Fäkal-Streptokokken/100 ml erhöhte Infektionsraten bei den Badenden auf;

Infektionsauslöser waren dabei nicht die als Indikatoren gemessenen Fäkal-Streptokokken selbst,

sondern andere, mit ihnen assoziiert auftretende Keime7.

Man geht allgemein davon aus, dass jeder Badende ca. 50ml des ihn umgebenden Badewassers

schluckt. Speziell beim Leistungsschwimmen werden jedoch unzweifelhaft noch größere Wasser-

mengen verschluckt und als Aerosol von den Athleten eingeatmet, was das potenzielle Infektionsrisiko

erhöht. Zur Frage der Infektionsgefährdung von Triathleten beim Schwimmen in Oberflächengewäs-

sern liegen eine Reihe von Untersuchungen aus den letzten Jahren vor. Bei 0,4-5,2% von 827

Triathleten (aus 7 Veranstaltungen swim-bike-run) waren nach der Teilnahme am Schwimmwett-

bewerb Magen-Darm-Erkrankungen aufgetreten. Bei 773 Triathleten, die nicht schwammen (run-bike-

run), lag diese Rate bei nur 0,1-2,1%. Eine deutliche Steigerung der Erkrankungshäufigkeit war beim

Schwimmen in Wässern zu beobachten, deren Konzentration an coliformen Keimen den Wert von

>=200KBE/100 ml oder deren Konzentration an Escherichia coli 335 KBE/100 ml betrug. Diese

Konzentrationen werden im Main regelmäßig bei weitem überschritten8. In einer weiteren Unter-

suchung mit 629 Triathleten9, die im Rhein in den Niederlanden schwammen, berichteten 140 der

Teilnehmer (32%) über eine leichte Durchfallserkrankung, 28 Teilnehmer (6,4%) klagten über eine

schwere Durchfallerkrankung. Bei Triathleten in Illinois, deren Schwimm-Wettkampf in einem See

stattfand, traten akute hochfieberhafte Infekte auf10. Von den 876 Teilnehmern begaben sich 120

(14%) anschließend in ärztliche Behandlung, 22 Teilnehmer (2,5%) mussten in ein Krankenhaus

eingewiesen werden, 2 Patienten davon wurde die Gallenblase entfernt. Als verursachende Keime

wurden bei diesem Ausbruch Leptospiren identifiziert.

Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes

Der MAIN und die NIDDA wurden jeweils beim Eintritt sowie beim Verlassen der Frankfurter Gemar-

kung untersucht. Die Fließgewässer ERLENBACH, ESCHBACH und URSELBACH, bei denen eine

markante Beeinflussung der Gewässerqualität durch Kläranlagenabläufe kurz vor Eintritt in die Frank-

furter Gemarkung bekannt ist, wurden jeweils vor dem Kläranlagenauslauf, kurz nach dem Kläranla-

genauslauf sowie nach einer Fließstrecke von ca. 1000m beprobt. Bei den übrigen Gewässern

KALBACH, WESTERBACH, SULZBACH, LIEDERBACH und KÖNIGSBACH wurde lediglich je eine

6 NN. Surveillance for waterborne-disease outbreaks – United States 1993-1994. MMWR (1996) 45: SS1; und 1997-1998. MMWR (2002) 49: SS4 7 Kay et al.- Predicting likelihood from seabathing. Lancet /1994) 344: 905-9 8 van Asperen et al. Risk of gastroenteritis among triathlets in relation toi fecal pollution of fresh waters. Int J Epidemiol (1988) 27: 309-15 9 Gruteke et al. Health complaints in relation to quality of swimming water in participants of a triathlon. Hum Pathol (2001) 32: 2232-6 10 Guarner et al. Leptospirosis mimicking acute cholecystitis among athlets participating a triathlon. Hum Pathol (2001) 32: 750-2

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Wasser - Oberflächengewässer - Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes

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Probe in einer typischen Ortslage entnommen, der REBSTOCK-WEIHER wurde an einer festgelegten

Uferstelle an ebenfalls nur einer Probenahmestelle beprobt. Die Lage der Probenahmestellen wurde

über die Jahre nicht variiert. Im Zeitraum von 1987 bis 2007 wurden an 11 Frankfurter

Oberflächengewässern insgesamt 1607 Gewässerproben entnommen.

Tab. 23 Untersuchungsparameter der Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes

Mikrobiologische Untersuchungen Chemische und physikalisch-chemische Parameter und Untersuchungen

Escherichia coli Aussehen Coliforme Keime Geruch Keimzahl bei 20°C pH-Wert Keimzahl bei 36°C Temperatur Salmonellen Elektr. Leitfähigkeit

VTEC [Verotoxinbildende E-Coli (O157, H/H7), Sauerstoffgehalt, Sauerstoffsättigung

seit III/1996] Biologischer Sauerstoffbedarf (BSB5)

Fäkalstreptokokken Ammonium

Nitrat-Stickstoff, Nitrit-Stickstoff

o-Phosphat

Chemischer Index

Tab. 24 Untersuchte Gewässer und Probenahmestellen

Gewässer Gewässer der Ordnung

Probenahmestellen

Main I 1 Ost, bei Fechenheim 2 West, bei Schwanheim Nidda II 1 Ost, bei Harheim 2 West, bei Rödelheim Erlenbach III 1 direkt vor ARA Ober-Erlenbach 2 direkt nach ARA Nieder-Erlenbach 3 ca. 1 km nach ARA Nieder-Erlenbach Eschbach III 1 direkt vor ARA Ober-Eschbach 2 direkt nach ARA Nieder-Eschbach 3 ca. 1 km nach ARA Nieder-Eschbach Urselbach III 1 direkt vor ARA Oberursel-Weißkirchen 2 direkt nach ARA Oberursel-Weißkirchen 3 ca. 2,3 km nach ARA Oberursel-

Weißkirchen Kalbach III Stadtpark Kalbach Liederbach III Ortslage Unterliederbach, Philosophenweg Westerbach III Kurz vor Niddamündung Sulzbach III Ortslage Sossenheim, Brücke „Am

Brünnchen“ Königsbach III Ortslage Sachsenhausen,

Schwarzsteinkautweg Rebstock-Weiher

- Rebstock-Park, definierte Uferstelle

ARA: Abwasserreinigungsanlage

Hygienische Güte / Bewässerung in Landwirtschaft, Gartenbau, Landschaftsbau sowie von Park- und Sportanlagen

Insgesamt war in den letzten Jahren keine eindeutige Verbesserung der hygienischen Gewässergüte

festzustellen (Tab. 25); dies betraf Gewässer erster Ordnung – mit Schifffahrt und multiplen Einleitern

– aber auch Gewässer nach einer Abwasserreinigungsanlage. Somit muss die Nutzung zu Bewässe-

rungswecken kritisch gesehen und im Einzelfall bewertet werden.

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Wasser - Oberflächengewässer - Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes

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Hinsichtlich der Eignungsklassen gibt Tab. 26 einen Überblick über die Befunde der letzten 11 Jahre.

Graduelle Unterschiede zwischen den einzelnen Oberflächengewässern sind, je nach Belastungs-

situation, zu verzeichnen, eine deutliche Verbesserung der Qualität ist über diesen Zeitraum nicht

festzustellen. Schulsportplätze und öffentliche Parkanlagen wären demnach, mit Ausnahme des

Rebstock-Weihers, nicht zu bewässern. Sonstige Sportplätze können mit Wasser aus dem Main, dem

Liederbach, dem Königsbach und dem Kalbach beregnet werden, wenn sichergestellt ist, dass

Personal und Öffentlichkeit keinen Schaden nehmen.

Seit 2005 ist eine Häufung positiver Salmonellen- und EHEC-Befunde festzustellen (Tab. 27).

Inwieweit dieser Anstieg durch bessere Analysemethoden (mit)bedingt ist, kann nicht sicher

beantwortet werden.

Tab. 25 Hygienische Güte: Mittelwerte der Gütezahlen nach POPP

Jahr 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 05 06 07

Erlenbach I 5,7 5,3 4,7 5,0 4,3 5,0 4,5 4,8 3,5 2,8 6,0 3,8 5,0 5,3 4,0 5,0 4,7 4,3 5,3

Erlenbach II 6,7 5,5 5,3 5,5 5,3 4,5 3,8 5,0 5,8 5,5 5,5 6,0 5,8 6,0 6,0 5,3 6,0

Erlenbach III 6,1 6,1 6,3 6,0 3,3 4,5 5,5 5,0 6,0 5,8 5,5 4,3 6,0 6,3 5,8 6,0 5,5 5,3 6,0

Eschbach I 4,5 4,3 5,5 5,5 4,0 5,5 5,0 2,8 6,0 5,0 4,8 5,5 4,5 5,0 4,8 4,8 5,5 5,6 5,8

Eschbach II 6,3 6,5 6,7 5,8 5,5 6,8 5,8 5,8 5,5 6,0 5,3 5,8 6,3 6,0 6,3 6,0 5,0 4,8 6,5

Eschbach III 5,3 5,5 5,5 5,3 5,5 5,0 5,3 5,5 5,8 5,8 6,0 6,0 5,8 5,8 6,0 6,0 5,5 5,5 5,8

Kalbach 6,5 4,8 4,5 4,3 4,3 4,3 4,0 4,0 4,5 3,3 4,8 5,0 5,0 5,8 4,8 5,5 5,0 4,8 4,0

Königsbach 4,0 4,3 5,0 4,8 4,3 3,3 3,7 3,8 4,3 3,8 4,0 5,3 4,0 4,5 4,5 4,3 4,3

Liederbach 5,3 4,6 4,8 5,3 5,0 3,3 3,8 5,3 5,3 3,5 4,8 5,0 5,0 5,5 4,3 5,8 4,5 5,5 5,8

Main I 5,5 5,7 5,3 5,0 5,3 3,8 4,3 5,0 4,3 3,8 5,0 4,8 5,0 5,0 4,8 4,8 3,5 4,8

Main II 5,3 5,4 4,8 3,8 3,8 3,3 5,7 3,8 4,0 4,5 5,0 5,0 4,0 4,8 4,8 4,7 4,3 5,3

Nidda I 6,2 5,9 6,3 6,0 4,5 5,5 5,3 4,8 5,3 4,3 5,0 5,8 5,5 5,8 5,3 6,0 5,5 5,5 5,0

Nidda II 6,4 5,7 6,5 6,0 4,5 4,8 5,0 6,0 5,8 3,8 3,8 5,3 5,5 5,3 4,0 6,3 5,0 5,8 5,0

Rebstock 5,0 4,2 4,5 4,5 3,5 3,8 4,0 4,5 4,0 3,3 3,0 3,5 3,3 3,0 3,5 3,3 4,0 3,3 4,0

Sulzbach 5,0 5,6 5,3 5,8 5,0 6,0 6,0 5,3 4,5 4,3 4,8 5,5 5,5 6,3 5,5 6,3 6,0 5,8 5,3

Urselbach I 6,0 5,0 5,5 4,8 3,8 5,3 5,8 5,0 6,0 4,3 4,5 4,8 4,8 4,8 4,8 5,0 4,5 4,5 5,3

Urselbach II 6,6 6,3 6,8 7,0 7,0 5,8 5,5 5,3 6,5 5,0 5,0 5,3 5,8 5,0 5,5 6,0 4,5 5,5 6,8

Urselbach III 6,3 6,1 6,5 6,5 7,0 6,0 6,0 5,3 5,5 4,5 5,0 5,3 5,3 4,8 5,0 6,0 6,3 5,5 6,3

Westerbach 5,8 5,0 5,0 5,8 4,3 5,0 5,5 5,5 5,0 4,3 4,8 6,3 5,3 5,3 4,5 6,3 5,3 5,3 5,0

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Wasser - Oberflächengewässer - Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes

86

Tab. 26 Übersicht über die Eignungsklassen gem. DIN 19650 für die Bewässerung in Landwirtschaft, Gartenbau, Landschaftsbau sowie Park- und Sportanlagen Jahr 04

Quartal I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV IV I II III IV I II III IV I II III IV

Erlenbach I 2 2 4 4 4 4 4 4 4 2 2 2 2 3 4 4 3 4 4 4 2 3 4 2 3 4 4 4 3 4 4 4 3 3 3 4 3 3 4 3 3

Erlenbach II 3 2 4 4 3 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4

Erlenbach III 4 4 4 4 4 4 3 4 3 3 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4

Eschbach I 2 2 2 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 2 3 4 4 4 4 3 4 4 3 4 4 4 3 4 3 4 4 4 4 2 4 4 4 3 4 4

Eschbach II 4 3 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4Eschbach III 4 3 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4

Kalbach 2 4 4 2 3 3 4 3 2 3 3 2 1 4 4 3 1 4 3 4 4 3 4 2 4 4 3 3 4 2 3 4 4 2 2 3 4 2 3 4 4

Königsbach 2 3 4 3 2 4 4 2 2 4 3 2 2 2 3 4 3 4 4 3 2 4 3 3 3 4 3 3 2 3 4 3 4 2 3 4 2 2 4 4 2

Liederbach 2 4 3 2 3 3 4 3 3 3 4 4 4 4 4 3 3 4 3 4 3 3 4 3 3 4 4 4 2 3 4 3 4 2 4 3 4 4 4 4 4

Main I 2 4 1 2 3 1 3 2 3 1 4 1 4 2 1 1 4 1 4 1 4 1 3 1 4 4 2 4 2 4 4 3 4 3 1 4 3 4 4 4 4

Main II 2 4 4 2 4 3 3 3 3 4 4 4 4 3 4 3 3 4 2 3 3 4 3 3 4 4 2 4 3 3 4 3 4 3 3 4 3 3 3 4 4

Nidda I 2 4 4 2 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4

Nidda II 2 4 3 2 4 1 4 3 4 3 3 4 4 4 4 4 3 4 3 4 4 3 2 3 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4

Rebstock 2 2 3 3 2 1 2 3 2 3 3 2 2 2 2 2 1 2 3 3 3 2 2 3 1 3 3 3 2 2 4 3 3 2 2 3 2 2 4 3 4

Sulzbach 2 4 3 4 4 3 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 2 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 2 4

Urselbach I 2 4 4 3 3 3 3 4 4 4 4 3 2 4 3 3 3 3 4 3 3 4 3 1 3 2 2 2 3 2 4 4 4 3 4 4 3 4 4 4 3

Urselbach II 2 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 2 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4Urselbach III 2 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 4 4 4 3 4 4 4 4 4 2 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4

Westerbach 2 4 3 4 4 3 4 3 4 4 4 4 4 3 4 4 3 4 4 4 4 3 3 3 4 4 4 4 3 3 4 4 4 3 4 4 4 2 3 - 3

2006 200796 97 98 99 2000 2001 2002 2005

Tab. 27 Positive Salmonellen- und EHEC-Befunde in Oberflächengewässern Jahr 86 - 96 04

Quartal Summe I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV IV I II III IV I II III IV I II III IV

Erlenbach I 1 X X

Erlenbach II 2 X

Erlenbach III 2 X

Eschbach I 1

Eschbach II 3 X XEschbach III 2 X X

Kalbach X

Königsbach

Liederbach X

Main I X

Main II X

Nidda I X

Nidda II X

Rebstock X

Sulzbach 1 X X

Urselbach I

Urselbach II X X XUrselbach III 1

Westerbach 1 X X X

X: Positiver Salmonellenbefund : Positiver EHEC-Befund in 100 ml

2006 20072000 2001 2002 200597 98 99

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Wasser - Oberflächengewässer - Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes

87

Baden in Main und Nidda

Wie aus Abb. 36 und Abb. 37 ersichtlich ist, werden die Grenzwerte der EG-Badewasserrichtlinie für

E.coli und Coliforme Keime in den letzten zehn Jahren häufig überschritten.

Abb. 36 E.coli und Coliforme Keime im Main

Abb. 37 E.coli und Coliforme Keime in der Nidda

Im Rahmen der Realisierung des Triathlon Frankfurt 2005 wurde die Möglichkeit der Durchführung

des Schwimmwettbewerbes im Main diskutiert. Da aus 2003 und 2004 keine Oberflächengewässer-

befunde vorlagen, wurden im September 2004 aus beiden Becken des „Osthafens“ sowie aus den

angrenzenden Bereichen des Mains Wasserproben entnommen und gemäß der EG-Badegewässer-

richtlinie untersucht. Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich auch die Osthafenbecken aus

infektionspräventiver und ästhetischer Sicht sowie wegen mangelnder Unfallsicherheit nicht zur

Durchführung von Schwimmwettbewerben eignen (Abb. 38, Abb. 39).

Abb. 38 Konzentrationen von fäkalcoliformen Bakterien (EC) in den Osthafenbecken und dem Main

Abb. 39 Konzentrationen von coliformen Bakterien (CF) in den Osthafenbecken und dem Main

E.Coli und Coliforme Bakterien in der Nidda

0

5000

10000

15000

20000

25000

30000

35000

40000

45000

50000

2/96

4/96

2/97

4/97

2/98

4/98

2/99

4/99

2/00

4/00

2/01

4/01

2/02

4/02

2/05

4/05

2/06

4/06

2/07

4/07

Quartal und Jahr

KB

E/1

00

ml

EC-Nidda-1 CF-Nidda-1 EC-Nidda-2 CF-Nidda-2

Grenzwert EC: 2000 / 100 ml

Grenzwert CF: 10.000 / 100 ml

E.Coli und Coliforme Bakterien im Main

0

5000

10000

15000

20000

25000

30000

35000

40000

45000

50000

2/96

4/96

2/97

4/97

2/98

4/98

2/99

4/99

2/00

4/00

2/01

4/01

2/02

4/02

2/05

4/05

2/06

4/06

2/07

4/07

Quartal und Jahr

KB

E/1

00 m

l

EC-Main-1 CF-Main-1 EC-Main-2 CF-Main-2

Grenzwert EC: 2000 / 100 ml

Grenzwert CF: 10.000 / 100 ml

Fäkalcoliforme Keime

0

200

400

600

800

Mai

nO

stha

fen

Nor

dbec

ken

Süd

beck

en

Fec

henh

eim

03/0

4

Eis

ener

Ste

g03

/04

Sch

wan

heim

03/0

4

Probenahmestelle

KB

E/1

00 m

l

EC

EinzelwerteMittelwerte

Coliforme Bakterien

4600

11000>11000 >11000 >11000 >11000

02000400060008000

10000120001400016000

Mai

nO

stha

fen

Nor

dbec

ken

Süd

beck

en

Fec

henh

eim

03/0

4

Eis

ener

Ste

g03

/04

Sch

wan

heim

03/0

4

Probenahmestelle

KB

E/1

00 m

l

CF

Mittelwerte Einzelwerte

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Wasser - Oberflächengewässer - Untersuchungen des Stadtgesundheitsamtes

88

Sonderuntersuchung auf Parasitencysten

Aus seuchenhygienischer Sicht ist davon auszugehen, dass Oberflächengewässer wie der Main und

die Nidda neben den vom Stadtgesundheitsamt untersuchten Mikroorganismen noch eine Vielzahl

anderer potentiell krankmachender Erreger mit sich führen. Hier sind insbesondere Parasitenzysten

(vor allem Giardia-Arten aus menschlichen Abwässern) zu nennen, deren Risikopotential aufgrund

ihrer hohen Infektiösität in der letzten Zeit zunehmend in den Blickpunkt seuchenhygienischer

Bedenken bezüglich Trink- und Badewässern gerückt ist. Zurzeit existieren weltweit keine Richt- oder

Grenzwerte für Cryptosporidien und Giardien. Unter Bezug auf die im Zusammenhang mit

Cryptosporidiosis-Ausbrüchen festgestellten Oozysten-Konzentrationen im Trinkwasser wurde ein so

genannter „Action-Level“ (handlungsauslösender Wert) von 10 bis 30 Cryptosporidien-Oozysten/100 l

Trinkwasser und 3 bis 5 Giardia–Cysten/100 l Trinkwasser vorgeschlagen. Bei diesen Konzen-

trationen muss die Möglichkeit eines Ausbruchs angenommen werden. Aber auch bei geringeren

Konzentrationen im Trinkwasser können Erkrankungen auftreten8.

Zur Bewertung des Risikos für Badende und beim Einsatz von Beregnungswasser wurden in

Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt (UBA), Bad Elster, im Zeitraum August bis Oktober 2007

verschiedene Oberflächengewässer auf das Vorkommen von Cryptosporidien-Oocysten und Giardia-

Cysten untersucht. Mit Ausnahme des Rebstock-Weihers sind in allen Proben Giardia-Cysten im

Bereich von 10 bis ca. 8400 pro 100 l nachgewiesen worden. Ca. 1/3 aller Proben waren frei von

Cryptosporidien-Oocysten, die Gehalte waren deutlich niedriger als die Giardia-Cysten-Gehalte (Tab.

28). Auf der Basis der geringen Infektionsdosis sind alle Proben, mit Ausnahme des Rebstock-

Weihers, bezüglich der Giardien und Cryptosporidien als kritisch zu beurteilen. Die Beurteilung des

einzelnen Gewässers erfolgt dann im Kontext mit der vorgesehenen Nutzung des Wassers.

8 Exner M, Gornik V, Kistemann T: Charakterisierung, Risikoeinschätzung und Prävention wasserassoziierter Parasitosen. Bundesgesundheitsbl. (2001) 44: 358-363.

Page 100: 30 Jahre Umwelthygiene - frankfurt.de · die Erfolge der eingeleiteten Maßnahmen. So gehen heute in Frankfurter Einrichtungen kaum noch Gesundheitsgefahren von Legionellen in Warmwassersystemen

Wasser - Oberflächengewässer - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

89

Tab. 28 Ergebnisse der Sonderuntersuchungen Frankfurter Oberflächengewässer auf Parasitenzysten – Gardien und Cryptosporidien

Parasiten Giardien Cryptosp.

Entnahmestelle Datum /100 l /100 l Eschbach-vor ARA 08.10.2007 250 70 Eschbach-nach ARA 08.10.2007 1570 95 Eschbach-Nieder-Eschb. Sportpl. 08.10.2007 700 45 Sulzbach 20.08.2007 3655 36 Erlenbach-vor ARA 27.08.2007 60 80 Erlenbach-nach ARA 27.08.2007 630 170 Erlenbach-Nieder-Erlenbach 27.08.2007 310 n.n. Westerbach-Rödelheim 27.08.2007 50 10 Urselbach vor ARA 03.09.2007 130 40 Urselbach nach ARA 03.09.2007 3510 35 Urselbach ca. 2,3 km nach ARA 03.09.2007 1394 24 Kalbach-Stadtpark Kalbach 03.09.2007 425 460 Main-Schwanheim 10.09.2007 10 n.n. Main-Fechenheim 10.09.2007 30 n.n. Main-Schwanheim 24.09.2007 60 n.n. Main-Fechenheim 24.09.2007 40 n.n. Main-Schwanheim* 01.10.2007 117 n.n. Main-Fechenheim* 01.10.2007 40 n.n. Liederbach 17.09.2007 56 n.n. Nidda-Harheim 10.09.2007 610 45 Nidda-Rödelheim Niddawehr 10.09.2007 980 10 Nidda-Harheim 24.09.2007 775 110 Nidda-Rödelheim Niddawehr 24.09.2007 780 90 Nidda-Harheim* 01.10.2007 325 n.n. Nidda-Rödelheim Niddawehr* 01.10.2007 4300 460 Königsbach 17.09.2007 375 n.n. Rebstock 17.09.2007 0 n.n. Vorgeschlagener Actionlevel 3-5 10-30

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

Hygienische Gewässsergüte ausgewählter Frankfurter Fliessgewässer, 1990 (Hydroplan)

Bericht über die Güte der Oberflächengewässer , 1995 (Hentschel W)

Die hygienische Qualität der Frankfurter Oberflächengewässer (Götz E, Hentschel W). Frankfurt, im Juli 2002.

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Boden - Allgemeines - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

90

Boden

Allgemeines

Bodenbelastungen sind aus umwelthygienischer Sicht in verschiedener Weise für den Menschen

relevant. Schadstoffe in Böden können auf mehreren Wegen vom Menschen aufgenommen werden:

- Über Inhalation, nach Aufwirbelung von Bodenpartikeln in die Luft.

- Über orale Aufnahme, sei es – insbesondere bei Kindern – durch direkte Kontamination der

Hände und nachfolgendem Hand-Mund-Kontakt.

- Über orale Aufnahme von auf kontaminierten Böden angebauten und dadurch

schadstoffbelastetem Obst und Gemüse und mittelbar auch Fleischprodukten, wenn

nahrungsmittelliefernde Tiere mit kontaminiertem Futter gefüttert wurden.

- Über orale Aufnahme von Trinkwasser, das aus durch kontaminierte Böden belastetem

Grundwasser gewonnen wurde.

Demgegenüber ist eine Aufnahme durch direkten Hautkontakt eher zu vernachlässigen.

Böden können auf verschiedenen Wegen kontaminiert werden:

- Über Schadstoffeintrag über die Luft, sei es durch benachbarte Industrie- oder Gewerbe-

betriebe, Verkehrswege, aber auch durch weiträumige Luftverschmutzung (Ferneintrag).

- Durch bewussten Eintrag bestimmter Stoffe zur Verbesserung des Ernteertrags, z.B. Dünge-

oder Schädlingsbekämpfungsmittel, (kontaminierten) Kompost und Klärschlamm.

- Durch Auffüllung und Oberflächengestaltung mit belasteten Materialien etc.

Die Beurteilung von Bodenbelastungen war eines der drei Hauptaufgabenbereiche des 1903 in Berlin

gegründeten Instituts für Wasser-, Boden- und Lufthygiene. Mitarbeiter dieses Instituts erarbeiteten

Beurteilungswerte und standen den regionalen und lokalen Behörden beratend zur Seite.

Weitere Beurteilungsgrundlagen für die Bewertung von Bodenbelastungen war die so genannte

Eikmann-Kloke-Liste, die den Grundsatz eines ausreichenden Schutzes der verschiedenen

Schutzgüter innerhalb der jeweiligen Nutzungsart verfolgt. Den Transfermöglichkeiten inhalativ-, oral-

und dermale Aufnahme werden die Nutzungsarten Kinderspielplätze / Haus- und Kleingärten /

Sportplätze, Freizeitanlagen und Parkanlagen sowie Grünflächen und Wohnumfelder gegenüberge-

stellt. Es wurde bewusst darauf verzichtet, alle Transfermöglichkeiten vom Boden zum Menschen im

Detail zu berücksichtigen, sondern es sollte mit einfachen Modellen und Szenarien eine generelle

Einschätzung ermöglicht werden. Die Charakterisierung der Nutzergruppen und Nutzungsarten führte

zur Festlegung der als humanrelevant zu beprobenden Bodentiefen. 1987 wurden mit dem „Drei-

Bereiche-System“ zur Bewertung der Schadstoffbelastung in Böden den drei Bereichen „Bewahren-

Tolerieren-Sanieren“ abgeleitete Orientierungswerte qualitativ und quantitativ zugeordnet. Folgende

Definitionen galten:

Bodenwert I = BW I = Grundwert = Oberer, geogen und pedogen bedingter Istwert der meisten

Böden ohne wesentliche, anthropogen bedingte Einträge.

Bodenwert II = BW II = Toleranzwert = Schutzgut und nutzungsbezogener Gehalt in Böden, der trotz

dauernder Einwirkungen auf die jeweiligen Schutzgüter, deren „normale“ Lebens- und Leistungs-

qualität auch langfristig nicht negativ beeinträchtigt.

Bodenwert III = Toxizitätswert = Gehalt im Boden, bei dem Schäden an Schutzgütern wie Pflanze,

Tier und Mensch sowie an Nutzungen und Ökosystemen erkennbar werden können. Der BW III ist ein

phyto-, zoo-, human- und ökotoxikologisch abgeleiteter Wert.

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Boden - Allgemeines - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

91

Seit dem 17.03.1998 (BGBl. I S. 502) liegt mit dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenver-

änderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) eine

gesetzliche Regel und Bewertungsgrundlage vor, die den Behörden als Richtschnur für Beurteilungen

und die Notwendigkeit von Maßnahmen dient. Zweck des Gesetzes ist …schädliche Bodenverän-

derungen abzuwehren, der Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverun-

reinigungen zu sanieren und Vorsorge gegen nachteilige Einwirkungen auf den Boden zu treffen.

Auch hier werden im Rahmen der Untersuchung und Bewertung insbesondere Art und Konzentration

der Schadstoffe, die Möglichkeit ihrer Ausbreitung in der Umwelt und ihrer Aufnahme durch Men-

schen, Tiere und Pflanzung sowie die Nutzung des Grundstücks in einen Kontext gestellt. Die am

12.07.1999 (BGBl.S.1554) in Kraft getretene Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung

(BBodSchV) regelt die Sanierungsuntersuchung, -planung und -maßnahmen. Die nutzungsorien-

tierten Beprobungstiefen bei Untersuchungen zu den Wirkungspfaden Boden – Mensch und Boden –

Nutzpflanze entsprechen im Wesentlichen der Eikmann-Kloke-Liste (Tab. 29). Die in der BBodSchV

§8 Abs. 1 und 2 aufgeführten Bodenwerte gliedern sich in:

„Vorsorgewerte: Bodenwerte, bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung geogener oder

großflächig siedlungsbedingter Schadstoffgehalte in der Regel davon auszugehen ist, dass die

Besorgnis einer schädlichen Bodenverunreinigung besteht“.

„Prüfwerte: Bei deren Überschreitung unter Berücksichtigung der Bodennutzung eine

einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen und festzustellen ist, ob eine schädliche

Bodenverunreinigung oder Altlast vorliegt“.

„Maßnahmenwerte: Bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung der Nutzung in der Regel von

einer schädlichen Bodenverunreinigung auszugehen ist und Maßnahmen erforderlich sind“.

Tab. 29 zeigt die Weiterentwicklung der Eikmann-Kloke-Werte in der BBodSchV

Tab. 29 Boden-Werte nach Eikmann-Kloke und BBodSchV

Kriterien Nutzergruppe Aufnahme- Boden- Boden- Boden-/Prüf Cd Pb Benzo- PCB PCDD/

Nutzungsart Schutzgut pfad bereich tiefe wert a- * PCDF

[cm] pyren **

Multifunktionale Alle oral, Alles 10 BW I 1 100 1 0,2 10

Nutzungsmögl.

Kleinkinder oral Spielsand, 35 BW II 2 200 1 0,2 10 Kinderspiel-

Plätze veget. BW III 10 1000 5 1 100

freies Umfeld 0-35 Vorsorgewert 0,4-1 40-100 0,3-1 0,05-0,1 100

Prüfwert 2 200 2 0,4

Kinder, Erw. oral, Beete 35 BW II 2 300 2 0,5 30 Haus- und

Kleingärten inhalativ veget. arme BW III 5 1000 5 2,5 100

Bereiche 0-35 Vorsorgewert 0,4-1 40-100 0,3-1 0,05-0,1

Prüfwert 2 400 4 0,8 1000

Sportler, inhalativ Tennenflächen 10 BW II 2 200 1 1 30 Sport- und

Bolzplätze Jugendliche veget. freie BW III 5 1000 3 5 100

Areale

Erw., Kinder oral, unbefestigte 10 BW II 4 500 3 3 50 Park- und Freizeit-anlagen, inhalativ veget.freie BW III 15 2000 6 10 150

Flächen 0-10 Vorsorgewert 0,4-1 40-100 0,3-1 0,05-0,1

Prüfwert 59 1000 10 2 1000

Werte nach BBodSchV, Wirkungspfad Boden-Mensch, direkter Kontakt, für Metalle in [mg/kg TM] Werte nach Eikmann-Kloke * Summe der 6 Ballschmitter PCB-Kongenere [mg/kg]

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Untersuchung über verkehrsbedingte Schadstoffgehalte in Gartenböden und -pflanzen straßennah gelegener Standorte in Frankfurt am Main

92

Untersuchungen in Frankfurt

Angesichts der hohen Luftbelastung durch Industrie, Verkehr und auch Hausbrand in den 1960er und

1970er Jahren kam es zu einem erheblichen Schadstoffeintrag in die Böden, insbesondere an

Schwermetallen. Große Untersuchungsserien wurden allenthalben gestartet, auch in Frankfurt. So

wurden alle Kleingartenanlagen überprüft und je nach Belastung Bodenaustausch vorgenommen,

Anbaubeschränkungen empfohlen oder bestimmte Verzehrsempfehlungen gegeben. Auch Tennen-

beläge wurden in großem Umfang auf Schwermetalle untersucht, nachdem entsprechende Bela-

stungen bekannt geworden waren und eine Abschätzung ergeben hatte, dass durch Nutzung dieser

Anlagen und Aufwirbelung eine nicht zu vernachlässigende inhalative Aufnahme gegeben sein kann.

Auch im Zusammenhang mit dem Störfall in Tschernobyl wurden über Luft- und Lebensmitteluntersu-

chungen hinaus auch umfangreiche Bodenuntersuchungen auf Radioaktivität durchgeführt, auch in

Frankfurt.

Leider sind diese Untersuchungen aus den frühen Jahren des Sachgebiets Umwelthygiene nicht mehr

archiviert, so dass hier nicht detailliert über die Ergebnisse berichtet werden kann. Vor diesem Hinter-

grund werden exemplarisch vier größere Untersuchungsserien aus den 1980er und 1990er Jahren

vorgestellt, über die umfangreiche Berichte des Gesundheitsamtes erstellt wurden:

- verkehrsbedingte Schadstoffgehalte

- VDM Altlast

- Quecksilberschadensfall Griesheim

- Kieselrot auf Sport-, Spiel- und Freizeitflächen.

Untersuchung über verkehrsbedingte Schadstoffgehalte in Gartenböden und -pflanzen straßennah gelegener Standorte in Frankfurt am Main

Aufgrund einer Anfrage der SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung vom 10. November

1980, die Auskunft darüber verlangte, inwieweit die Böden von Dauer-Kleingärten mit starker Kraft-

fahrzeugabgas-Exposition mit Schadstoffen belastet sind, führte das Gesundheitsamt in Zusammen-

arbeit mit der hessischen Landesanstalt für Umwelt (heute hessisches Landesamt für Umwelt und

Geologie HLUG) und der hessischen Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt in Kassel Untersuchungen

von Bodenproben und von Nahrungspflanzen durch. Die Ziele der Untersuchungen waren wie folgt

festgelegt worden:

1. „Ermittlung der Schadstoffgehalte aus Kraftfahrzeugabgasen in Böden verkehrsnaher

Standorte.

2. Ermittlung der resultierenden Schadstoffgehalte aus Kraftfahrzeugabgasen in Pflanzen, die

auf Böden nach Ziffer 1 gezogen wurden.

3. Ermittlung der Schadstoffgehalte in Pflanzen und Böden an verkehrsfernen Standorten.

4. Erarbeitung von Vorschlägen zur Begrenzung der menschlichen Schadstoffaufnahme aus den

o.g. Böden.“

Als Parameter der Verkehrsbelastung wurde Blei, Cadmium (und polyzyklische aromatische Koh-

lenwasserstoffe PAK) gewählt. Es wurde betont, dass 75% der Gesamtbleiemissionen in der Bundes-

republik Deutschland aus dem Kraftfahrzeugverkehr stammt und erst 1976 das Benzinbleigesetz den

Beigehalt im Benzin auf 1,5g/l beschränkte. Cadmium wurde ausgewählt, da hier über Reifenabrieb

und Dieselkraftstoff erhebliche Mengen in die Umwelt gelangen. „Als weitere interessante Ab-

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Untersuchung über verkehrsbedingte Schadstoffgehalte in Gartenböden und -pflanzen straßennah gelegener Standorte in Frankfurt am Main

93

gaskomponente sind die polyzyklischen Aromaten anzusehen, über deren Bedeutung hinsichtlich ihrer

Wirkung über die Nahrungsaufnahme allgemein jedoch eine gewisse Unsicherheit besteht. … Im Zwi-

schenbericht über die Erhebungen zum Emissionskataster Untermain ist eine Jahresemission von

2,92t PAH/Jahr im Jahre 1979 für die Quellen Industrie, Gebäudeheizung und Verkehr ausgewiesen.“

An 197 Standorten in Frankfurt am Main wurden Boden – und Pflanzenproben entnommen. Mit einem

Bodenstecher wurden jeweils aus einer Fläche von 30x30cm 20 Einzelproben bis zu 20cm Tiefe

entnommen und nach verschiedenen Extraktionsverfahren (HCl- und Königswasserextraktion) auf die

o.g. Parameter, teilweise zusätzlich auf weitere Schwermetalle, untersucht. Von jedem Standort einer

Bodenprobe wurden mindestens eine, wenn möglich verschiedene, Pflanzenproben entnommen. Ins-

besondere Tomaten, Mohrrüben, Kohl und Spinat wurden bevorzugt ausgewählt.

Die Ergebnisse der Schwermetalluntersuchungen von jeweils 10 belasteten und 10 unbelasteten Bo-

denproben in Frankfurt mit mehr als 2000 Gartenproben aus Hessen insgesamt in Gegenüberstellung

mit den Orientierungswerten sind in Abb. 40 dargestellt. Es zeigte sich, dass mit Ausnahme von

Chrom und Nickel die Bodenproben aus Frankfurt höher belastet sind als die Gartenproben aus

Hessen insgesamt. Innerhalb Frankfurts ergaben sich deutliche Unterschiede im Schwermetallgehalt

zwischen den als (verkehrs-)belastet und nicht belastet eingestuften Bodenproben; die Mittelwerte der

Blei- und Zinkkonzentrationen der verkehrsbelasteten Bodenproben lagen über den Orientierungs-

werten.

Abb. 40 Schwermetallbelastungen in Bodenproben im Vergleich mit den Orientierungswerten – hessische Gärten (1979; n=2223) – jeweils 10 verkehrbelastete und nicht belastete Bodenproben aus Frankfurt (1980/81)

Insgesamt wiesen die im allgemeinen Stadtgebiet und insbesondere die straßenverkehrsnah gele-

genen Böden höhere Blei- und Cadmiumbelastungen auf als die eher ländlich gelegenen Böden. Mit

zunehmender Nähe zur Straße war eine Zunahme der Blei- und Cadmiumbelastung gegeben. Dies

zeigte sich insbesondere in den Maximalwerten beider Schwermetalle, bei Cadmium, nicht bei Blei,

auch bei Betrachtung der Mittelwerte (Abb. 41, Tab. 30). In Kleingartenanlagen wurden teilweise

deutlich höhere Belastungen gefunden als in Straßennähe bzw. im allgemeinen Stadtgebiet.

Schwermetallbelastungen in Bodenproben1979/1980

0

50

100

150

200

250

300

350

400

Blei Chrom Kupfer Nickel Zink

pp

m

Orientierungswert

Hess. Gärten

Ffm "belastet"

Ffm "unbelastet"

Schwermetallbelastungen in Bodenproben 1979/1980

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

Cadmium Quecksilber

pp

m

Orientierungswert

Hess. Gärten

Ffm "belastet"

Ffm "unbelastet"

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Tab. 30 Blei- und Cadmiumbelastung in Bodenproben in Frankfurt/M – in Nähe zur Straßenverkehrsbelastung, im eher ländlichen Bereich und in Kleingartenanlagen

Blei Cadmium n Mittelwert max. min. n Mittelwert max. min.

Straßenverkehrsnähe und Stadtgebiet ppm ppm ppm ppm ppm ppm

Straße < 30 m 27 115,9 575,0 45,8 33 1,02 3,5 0,2Straße 30-60 m 18 122,8 230,6 48,5 19 0,8 2,6 0,2Straße 60-90 m 14 127,8 347,2 53,5 14 0,65 2,1 0,2

Straße >90 m 31 108,6 320,2 29 29 0,63 2,7 0,2allg. Stadtgebiet 9 129,7 259,3 52,3 9 0,47 0,9 0,3

Land Vororte 7 59,5 148,5 23,5 7 0,44 0,7 0,2

Freiland 37 55,1 140,7 19,3 37 0,45 1,4 0,2Lohrberg 5 53,7 97,7 23 5 0,74 1,4 0,4

Kleingartenanlagen KGV Bergen-Enkheim 11 33 50 19,3 11 0,37 0,8 0,2

KGV Höchst 11 138,9 320,7 56,1 12 0,83 1,9 0,5KGV Nordwest 10 29,3 34,2 23,1 11 0,25 0,4 0,2

KGV Riederwald 8 320,8 774 66,3 7 0,84 1,3 0,3KGV Waldfried 4 408 669 162,7 4 3,25 8,4 0,8

KGV Taunusblick 18 43 79,9 25,1 18 1,4 6,8 0,2

Abb. 41 Blei- und Cadmiumbelastung in Bodenproben in Frankfurt/M – in Nähe zur Straßenverkehrsbelastung, im eher ländlichen Bereich und in Kleingartenanlagen

Die teilweise sehr hohen Belastungen in Kleingärten wurden einer sehr genauen Betrachtung

unterzogen, die hier auszugsweise weitgehend als wörtliche Zitate dargestellt wird:

Das KGV-Gelände Waldfried liegt in einer nur mäßig Kfz-belasteten Position. … Die Erklärung für die

teilweise sehr hohen Blei- und Cadmiumbelastungen liegt in der direkten Nähe zur städtischen Klär-

anlage Niederrad. Rückfragen ergaben, dass über lange Zeit kommunaler Klärschlamm aus dieser

Anlage gärtnerisch verwertet wurde.

Die Gartenanlage Riederwald liegt extrem exponiert beiderseits der Straße Im Riedbruch und im

Bereich der Kreuzungen Im Riederbruch/Ratsweg. … Bis in den weiteren Bereich dieser Kreuzungen

kommt es von den Morgen- bis in die Abendstunden zu dauerndem stehendem oder zähfließendem

Verkehr.

Cadmiumbelastung in Böden in Frankfurt

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

Verke

hr/S

tadt

Straße

30-6

0 m

Straße

>90 m

Land

Freila

nd

Kleing

ärte

n

KGV R

iede

rwald

KGV T

aunu

sblic

k

KGV N

ordw

est

pp

m

Bleibelastung in Böden in Frankfurt

050

100150200250300350400450

Verke

hr/S

tadt

Straße

30-6

0 m

Straße

>90 m

Land

Freila

nd

Kleing

ärte

n

KGV R

iede

rwald

KGV T

aunu

sblic

k

KGV N

ordw

est

pp

m

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Untersuchung über verkehrsbedingte Schadstoffgehalte in Gartenböden und -pflanzen straßennah gelegener Standorte in Frankfurt am Main

95

Die Gartenanlage des KGV Höchst liegt in einem parkähnlichen Gelände außerhalb der Bebauung

ohne direkte Verkehrsimmissionen. „Die Erklärung für die hohen Belastungen dürfte in der Lage

dieses Geländes in der Hauptwindrichtung verschiedener, heute teilweise nicht mehr existierender

Industrieanlagen liegen, wobei Rückschlüsse auf die aktuelle Immissionssituation nicht ohne weiteres

gezogen werden dürfen, da es sich auch um Altbelastungen handeln kann. Als denkbare Quellen sind

u.a. zu nennen: Die ehemalige Eisengießerei Breuerwerke, das ehemalige Bleiwerk Höchst (ehemals

Pyritröstanlagen, Rohphosphatverarbeitung) und noch bestehende Industrieanlagen der Farbwerke

Hoechst AG, die Tettauer Glashütte, Schrottverwertungsanlagen.“

Die KGV Taunusblick liegt südlich der Autobahn A 66 und „ist aufgrund seiner Lage als stark Kfz-

abgasexponiert anzusehen, da an dieser Stelle der A 66 ein Verkehrsaufkommen von 61240 Kfz/24

Stunden besteht. Aus diesem Grund ist der Bodendurchschnittsgehalt an Blei mit x=43,08 ppm

unerwartet gering. … Dieser Befund ist wegen Fehlens anderer besonderer Umstände wie beispiels-

weise wirksamer Abschirmungen etc. nur dann zu interpretieren, wenn man den Einfluss der immis-

sionstragenden Hauptwindrichtungen berücksichtigt, da diese grob angenähert parallel der A 66 in

jeweils entgegengesetzter Richtung verlaufen“.

Die Proben der Kleingartenanlagen in Bergen-Enkheim und Nordwest wiesen die niedrigsten Bela-

stungen auf. Da die KGV Bergen-Enkheim weit ab von direkten Emissionsquellen und außerhalb der

Bebauung des Stadtteils liegt, war dort eine Schwermetallbelastung durch Fahrzeugemissionen nicht

zu erwarten.

Demgegenüber war die niedrige Belastung in der Kleingartenanlage Nordwest so nicht erwartet wor-

den, da die Anlage in sehr exponierter Position an der Autobahn A 5 liegt, mit einem Verkehrsauf-

kommen von 93200 Kfz/Tag. „Zuerst bestehende Vermutungen, dass auf dem seit 1969 bestehenden

KGV-Gelände ein Bodenaustausch stattgefunden hätte, konnten nicht bestätigt werden. Somit muss

die spezielle topographische Situation des Geländes zur Erklärung herangezogen werden. Diese ist

dadurch gekennzeichnet, dass die Autobahn A 5 im Bereich des Gartengeländes in einem etwa 3-5 m

tiefen Geländeeinschnitt verläuft. Darüber hinaus befindet sich zwischen Vereinsgelände und Bö-

schungsbeginn ein 5-10 m breiter, dichter Bewuchs mit Büschen und Bäumen (Abb. 42). Aufgrund

des Ausbreitungsverhaltens von bleihaltigem Sedimentationsstaub an Straßen ist davon auszugehen,

dass sich die Hauptmengen dieses Staubes an der Böschung und dem Pflanzenbewuchs nieder-

schlägt und auf diese Weise ein wirksamer Schutz des Gartengeländes gewährleistet wird.“

Tab. 31 Blei- und Cadmiumbelastungen in Bodenproben aus Kleingartenanlagen in Frankfurt/M – mögliche Einflussfaktoren

Kleingartenanlagen Blei CadmiumVerkehrs-belastung Weitere Faktoren

KGV Waldfried 408,0 162,7 mäßig KlärschlammaufbringungKGV Riederwald 320,8 66,3 sehr stark

KGV Höchst 138,9 56,1 keineNähe zu früheren Emittenten

(Industrie/Gewerbe), ggf. Altbelastungen

KGV Taunusblick 43,0 25,1 sehr starkErklärung für die eher niedrigen Bleibela-

stungen: günstige Haupt-Windrichtung

KGV Nordwest 29,3 23,1sehr stark

(A5) A 5 in Geländeeinschnitt, dicht

bewachsene Böschung als Schutz KGV Bergen-Enkheim 33,0 19,3 nein

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Untersuchung über verkehrsbedingte Schadstoffgehalte in Gartenböden und -pflanzen straßennah gelegener Standorte in Frankfurt am Main

96

Abb. 42 Beispiel KGV Nordwest – Kartenausschnitt mit Probenahmepunkten

Im Weiteren wurden auch Komposterden aus den Kleingartenanlagen untersucht. Diese enthielten oft

vergleichbare Blei- und Cadmiumgehalte wie die Böden (Abb. 43).

Abb. 43 Blei- und Cadmiumgehalte in Boden- und Kompostproben verschiedener Kleingarten-anlagen in Frankfurt/M

Bleigehalten in Boden- und Kompostproben

0

100

200

300

400

500

600

KGV Waldfried KGVRiederwald

KGVGoldstein

KGVNordwest

Main-Uferstraße

Vororte

pp

m

Boden

KompostCadmiumgehalte in Boden- und Kompostproben

0

1

2

3

4

5

6

KGVWaldfried

KGVRiederwald

KGVGoldstein

KGVNordwest

Main-Uferstraße

Vororte

pp

m

Boden

Kompost

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Untersuchung über verkehrsbedingte Schadstoffgehalte in Gartenböden und -pflanzen straßennah gelegener Standorte in Frankfurt am Main

97

Die Untersuchung der Pflanzenproben zeigte, dass insbesondere Salat mit seiner großen Oberfläche

die höchsten Schwermetall-Belastungen pro Gewichtseinheit aufweist, Tomaten die geringsten und

Karotten eine Mittelstellung einnehmen. Bei Salat ist eine deutliche Abnahme des Blei- und Cadmium-

gehalts mit zunehmender Entfernung von der Straße erkennbar, nicht aber bei den anderen Pflanzen

(Tab. 32 und Abb. 44).

Tab. 32 Blei- und Cadmiumbelastungen in Gemüseproben (gewaschen) verschieden belasteter Standorte in Frankfurt/M

Tomaten Karotten Salat Blei Cadmium Blei Cadmium Blei Cadmium Ppm ppm ppm ppm ppm ppm Straße < 30 m 0,035 0,011 0,41 0,033 1,126 0,056Straße 30-60 m 0,038 0,012 0,31 0,041 0,57 0,059Straße 60-90 m 0,035 0,01 0,342 0,037Straße >90 m 0,047 0,015 0,58 0,039allg. Stadtgebiet 0,035 0,013 Vororte 0,041 0,016 0,31 0,047 0,093 0,021Freiland 0,041 0,012 0,35 0,036 0,333 0,048Lohrberg 0,026 0,009 KGV B.-Enkheim 0,036 0,009 0,388 0,089KGV Höchst 0,065 0,022 0,5 0,041KGV Nordwest 0,031 0,016 0,38 0,064

Abb. 44 Blei- und Cadmiumbelastungen in Gemüseproben (gewaschen) verschieden belasteter Standorte in Frankfurt/M

Salatproben enthielten 10-30fach höhere Blei und 2-10fach höhere Cadmiumgehalte als Tomaten.

Durch Waschen konnten jedoch bei Salat >80% der Blei- und >20% der Cadmiumkontaminationen

entfernt werden. Demgegenüber war das Reduktionspotential durch Waschen bei Tomaten deutlich

geringer: 25% Blei und 14% Cadmium.

Nach sehr differenzierten Betrachtungen zur möglichen Schwermetallaufnahme durch belastetes Obst

und Gemüse und den Vergleich mit duldbaren Aufnahmemengen wurden folgende Empfehlungen for-

muliert (Zitat):

1. Planerische Maßnahmen:

- Freihalten bzw. allmähliche Zurücknahme der gärtnerischen Nahrungsmittelerzeugung ent-

lang von Autobahnen und vergleichbaren Stadtstraßen. Dieser anbaubeschränkte Bereich

ist aufgrund der vorliegenden Untersuchungen auf mindestens 30 m beiderseits der

Fahrbahnen, gemessen ab Straßenrand, oder bei Vorhandensein besonderer Bedingungen

Bleigehalte in Tomaten, Karrotten und Salat (alle gewaschen) an verschiedenen Standorten

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

Straße

< 3

0 m

Straße

30-6

0 m

Straße

60-90

m

Straße

>90 m

allg. S

tadtg

ebie

t

Voror

te

Frei

land

Lohr

berg

KGV B.-E

nkhe

im

KGV Höc

hst

KGV Nor

dwest

pp

m

gewasch Tomaten

gewasch. Karotten

gewasch. Salat

Cadmiumgehalte in Tomaten, Karrotten und Salat (alle gewaschen) an verschiedenen Standorten

0

0,02

0,04

0,06

0,08

0,1

Straße

< 3

0 m

Straße

30-

60 m

Straße

60-90

m

Straße

>90

m

allg. S

tadt

gebie

t

Voror

te

Freila

nd

Lohr

berg

KGV B.-E

nkhe

im

KGV Höch

st

KGV Nord

west

pp

m

gewasch Tomaten

gewasch. Karotten

gewasch. Salat

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - VDM-Gelände in Frankfurt am Main

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pragmatisch festzulegen. In dieser Zone ist die Anpflanzung möglichst dichter, immergrüner

Gehölze zu empfehlen.

- Die Führung neuer Verkehrswege durch bislang nicht belastete Gartenbauflächen und land-

wirtschaftlich genutzte Flächen ist aus ernährungshygienischen Gründen zu vermeiden. Zu-

mindest sind diese Straßen aber in tiefen Einschnitten mit oberflächenintensiver

Böschungsbepflanzung zu führen. Hierbei muss jedoch aus gesamthygienischer Sicht

bereits jetzt auf mögliche Zielkonflikte mit der Trinkwassergewinnung hingewiesen werden.

- Die Errichtung von Schallschutzwänden längs verkehrsreicher Straßen kann wegen der in

der Literatur belegten Staubimmissionsminderung im Hinblick auf die Vermeidung von

Oberflächenkontaminationen von Pflanzen sowie langfristig auch im Interesse der

Bodenreinhaltung empfohlen werden.

2. Gärtnerische Maßnahmen

- Eigenkompostierung in stark immissionsbelasteten Zonen einstellen.

- Keine möglicherweise schadstoffbeladenen Produkte in die Kompostierung einbringen

(Farbreste, Minibatterien, Asche von Grillkohle etc.).

- Keine Verwendung von Klärschlämmen oder Müllklärschlämmen für Gemüse-Kulturen.

- Freihalten von straßennah gelegenen Bereichen von der Obst- und Gemüseproduktion,

statt dessen Anpflanzung von Ziersträuchern.

- An belasteten Standorten beim Anbau eine Auswahl treffen: Glattes Fruchtgemüse und

Obst ist prinzipiell günstiger als sonstige Gemüse oder Beerenobst mit hoher Oberfläche.

- Auf optimalen Boden-pH-Wert achten (pH 6,5 – 7,0).

- Garten möglichst tief umgraben, um die oberflächennah vorhandenen Schwermetallmengen

zu verdünnen.

- Sehr sparsame Phosphordüngung praktizieren.

3. Individuelle Maßnahmen

- Kein Verzehr ungewaschenen Gemüses oder Obstes.

- Nach Möglichkeit Wurzelgemüse schaben oder schälen, ebenso Obst.

- Äußere Hüllblätter von Blattgemüse verwerfen.

- Nicht ausschließlich mit den Pflanzenprodukten aus belasteten Standorten versorgen, son-

dern auch Zukauf standortfremder Produkte.

- Auf insgesamt ausgeglichene Ernährung achten.

VDM-Gelände in Frankfurt am Main

Das ehemalige Werksgelände der Vereinigten Deutschen Metallwerke AG (VDM) ist einer der größten

historischen Industriestandorte Frankfurts. Die erste Nutzung des Geländes ist bereits im Jahr 1670

belegt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es im Zuge der einsetzenden Industrialisierung zu einer

deutlichen Ausweitung von Anlagen zur Blei- und Kupfergewinnung und deren Verarbeitung. Das

VDM-Werk wurde im Jahre 1982 aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Bis zu diesem Zeitpunkt

hatten die Produktionsschwerpunkte weiterhin auf der Metallverarbeitung gelegen. Nutzungsbedingt

kam es zu schädlichen Rückständen im Boden, in der Bodenluft und im Grundwasser. Hauptkon-

taminanten waren Schwermetalle (insbesondere Kupfer, Blei und Zink), polyzyklische aromatische

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - VDM-Gelände in Frankfurt am Main

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Kohlenwasserstoffe (PAK), chlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW), leichtflüchtige chlorierte Kohlen-

wasserstoffe (LCKW) und Mineralölkohlenwasserstoffe.

Das gesamte Werksareal umfasste ca. 650.000m², die neu parzelliert und als Baugrundstücke

veräußert werden sollten. 1983/84 wurde dazu von der Stadt Frankfurt ein Bebauungsplan erstellt.

Der Bebauungsplan sieht ein gemischtes Wohn- und Gewerbegebiet vor. Die Untergrundbelastungen

hatten die Feststellung als Altlast für die meisten dieser Teilgrundstücke zur Folge. Ende der 1980er,

Anfang der1990er Jahre entstanden die ersten Büro- und Wohnbauten mit entsprechender Infra-

struktur, wie Geschäfte und U-Bahnanschluss. Um eine einheitliche Vorgehensweise bei der Sanie-

rung sicherzustellen, wurden 1993 erste Entwürfe für eine Rahmensanierungskonzeption erarbeitet.

Seit 1989 hat das Gesundheitsamt bei der Erstellung des Rahmensanierungsplanes den Aspekt der

Beurteilung möglicher Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung während der Sanierungsarbeiten und

nach Erstellung der Wohngebäude (während der noch heute betriebenen Grundwassersanierung)

bearbeitet. Insbesondere die mögliche Belastung der Atemluft durch flüchtige organische Stoffe im

Innenraum und die orale Schadstoffaufnahme durch spielende Kinder und über schwermetall-

belasteten Staub im Außenbereich waren zu beurteilen.

Nach intensiver Abstimmung konnte 1995 die Rahmensanierungskonzeption genehmigt werden.

Parallel dazu wurde die Vorgehensweise zur Sanierung der LCKW-Belastung im Grundwasser

festgelegt. Unter Einbeziehung aller Voruntersuchungen und einer Rasteruntersuchung mit Maschen-

weite 15 m konnten die Teilsanierungskonzepte erarbeitet werden. Tab. 33 zeigt eine Auswahl

maximaler Schadstoffkonzentrationen und deren Sanierungszielwerte.

Tab. 33 Maximale Schadstoffkonzentrationen im Bereich des VDM-Geländes und Sanierungszielwerte gem. Rahmensanierungsplan

max. Schad- Sanierungs-

stoffkonzentration zielwert

Grundwasserbelastung, (μg/l)

LCKW, insbes. Tetra- u. Trichlorethen 7.409.112 10

PAK (μg/l) 973 0,2

KW H (μg/l) 18 1.100 200

Blei 40

Cadmium 5

Chromges 50

Kupfer 50

Zink 200

Bodenbelastung, (mg/kg) *

Blei 61.200

Kupfer 85.800

Chrom 710

Cadmium 311

Zink 31.600

Bodenluftbelastung (mg/m³)

LCKW > 10.000 5

* Der oberste Meter des sanierten Geländes hat aus unbelastetem Boden zu bestehen. Unterstützend zur Grundwassersanierung gelten unterhalb der 1 m mächtigen Oberbodenschicht verschiedene Interventionswerte, abhängig davon, ob die Ablagerung mit oder ohne Grundwasserkontakt vorliegt.

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - VDM-Gelände in Frankfurt am Main

100

Wesentliche, im Rahmensanierungsplan umgesetzte Forderungen des Stadtgesundheitsamtes: Oraler Aufnahmepfad:

Beanstandungsfreie Abdeckung des Bodens von 1 m Mächtigkeit bei Wohnnutzung und 0,5 m Mächtigkeit bei allen übrigen Nutzungen.

Inhalativer Pfad: Entfernung der Schadstoffe aus Boden, Bodenluft und Grundwasser, hierbei umfangreiche Monitoringprogramme (Außen- und Innenluftmessungen) und Schutzmaßnahmen (Dichtungsfolien, Zelteinhausung) während der Sanierungsmaßnahmen.

Ingestive und inhalative Aufnahme von Dioxinen und Furanen: Grenzwert für das Gesamtgelände: 50ng TE/kg Boden. Grenzwert für Wohngärten: 5 – 10ng TE/kg Boden.

Die Umsetzung der im Rahmensanierungsplan geforderten Aspekte

wurde durch das Gesundheitsamt überwacht und des Öfteren selbst

vorgenommen. So wurde zum Beispiel die Innenraumluft eines der

ersten auf dem Gelände erstellten Häuser, der am 22. Juni 1995

eröffneten Hundertwasser-Kindertagesstätte, in umfangreichen

Messkampagnen untersucht. Während des weiteren Sanierungs-

verlaufes, während in direkter Umgebung der bereits betriebenen

Kindertagesstätte belasteter Boden ausgehoben wurde, wurden

umfangreiche Messungen der Außenluft auf die vorhandenen

flüchtigen organischen Schadstoffe bzw. Staubmessungen im

Hinblick auf schwermetallbelasteten Staub durchgeführt oder in

Auftrag gegeben. Während zahlreicher weiterer Baumaßnahmen

wurde das Stadtgesundheitsamt zur Stellungnahme aufgefordert: Je

nach Bodenbelastung wurde im Einzelfall entschieden, welche Monitoringprogramme durchzuführen

sind, welche Sicherungsmaßnahmen während der Aushubarbeiten aus gesundheitlicher Sicht

erforderlich sind und welche Grenzwerte einzuhalten sind.

Nachdem seit Anfang der 2000er Jahre die Schadstoffaustragsraten der Grundwassersanierung

(hauptsächlich Tri- und Tetrachlorethen) stark rückläufig waren und es nicht zuverlässig kalkulierbar

war, wann und mit welchem Aufwand die behördlich vorgegebenen Sanierungszielwerte zu erreichen

sind, wird seit 2005 ein neues Verfahren zur Beschleunigung der CKW-Grundwassersanierung

erfolgreich durchgeführt, das so genannte „Enhanced Biodegradation“ (EAB) – Verfahren. Durch

Infiltration von Ethanol und Natrium-Laktat-Lösung werden im quartären Grundwasserleiter anaerobe

Bedingungen eingestellt und so der natürliche Abbau der CKW’s beschleunigt. Das

Stadtgesundheitsamt war auch hier über das Regierungspräsidium Darmstadt – Abteilung Umwelt von

Beginn an mit eingebunden, insbesondere bezüglich der gesundheitlichen Risiko-Bewertung des

durch den CKW-Abbau entstehenden, krebserzeugenden Vinylchlorids, das über den Pfad

Grundwasser – Bodenluft – möglicherweise in Kellerräume diffundieren kann. Nachfolgende Auflagen

aus gesundheitlicher Sicht wurden in den Genehmigungsbescheid aufgenommen:

Regelmäßiges Monitoring der Bodenluft auf Vinylchlorid (festgelegte Nachweisgrenze des

Analyseverfahrens).

Bei positiven Vinylchloridbefunden: Messungen der Innenraumluft von Kellerräumen.

Bei Überschreitung einer Konzentration von 10µg/m³ Vinylchlorid im Innenraum: Zwangs-

belüftung der Kellerräume.

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Quecksilberschadensfall in Griesheim

101

Bis zum Abschluss der gesamten Sanierungsmaßnahme wurden rund 600.000m³ Boden ausgehoben,

separiert und einer ordnungsgemäßen Verwertung zugeführt. Bis 2007 sind über unterschiedliche

Grundwassersanierungsverfahren insgesamt 10-11 Tonnen CKW aktiv entfernt worden.

Quecksilberschadensfall in Griesheim

Ab 1988 war das Stadtgesundheitsamt bei der Frage einer Quecksilberaltlast in Griesheim beteiligt.

Dort hatten die Ingenieure Wolfgang Ellwenn und Paul P. Frankenbach 1969 die Recycling-Firma

EFG gegründet und 1972 vom RP Darmstadt eine zunächst auf 5 Jahre begrenzte Erlaubnis für den

Betrieb einer Quecksilberaufbereitungsanlage auf dem Grundstück In der Schildwacht 9 in Frankfurt

Griesheim erhalten. 1978 hatte der RP Darmstadt dann die Verlängerung des Betriebes für eine we-

sentlich geänderte Anlage für weitere 8 Jahre genehmigt. Bei einer Ortsbesichtigung des inzwischen

nach Ablauf der Betriebsgenehmigung stillgelegten Betriebs durch Mitarbeiter des Umweltdezernats

im November 1987 zeigten sich erhebliche Mängel der Gebäude sowie eine teilweise offene Lagerung

quecksilberhaltigen “Rohmaterials“ auf einer nicht befestigten Fläche.

Bodenuntersuchungen auf dem Betriebsgelände erbrachten hohe Quecksilberbelastungen (max. >

500mg Hg/kg in 3-10 m Tiefe unter der Geländeoberkante). Weitere Untersuchungen im Frühjahr

1988 wiesen auch Quecksilberbelastungen in Wohngebieten außerhalb des Firmengeländes auf

sowie Kontaminationen des Grundwassers und hohe Bodenkontaminationen bis 28m Tiefe. Ein

umfassendes Sanierungskonzept mit Abbruch des Betriebs wurde notwendig.

Das Gesundheitsamt nahm folgende umwelthygienischen und umweltmedizinischen Untersuchungen

vor (Bericht Juli 1989):

- Nov/Dez 1988: Medizinische Untersuchungen von 42 Anwohnern auf Quecksilberschäden

sowie auf Hg im Blut und Urin.

- 08.02.1989: Entnahme von Gemüse-, Boden und Brunnenwasserproben auf Quecksilber,

teilweise auch Cadmium.

- 06.03.1989: Beginn umfassender wohnungshygienischer und medizinischer Untersuchungen

in 34 Wohnungen und bei deren Bewohnern – Quecksilber in der Raumluft und im Hausstaub,

und Quecksilber in der Außenluft zum Vergleich. Darüber hinaus werden insgesamt 34

Vergleichwohnungen aus dem Stadtgebiet untersucht.

- 08.03.1989: Das Gesundheitsamt bietet allen Kindern der Kita 77 und der umliegenden

Wohngebäude Urinuntersuchungen an, 60 Kinder wurden untersucht.

Insgesamt werden von 244 Personen 199 Blutproben und 171 Urinproben im Institut für Rechtsme-

dizin der Universität Frankfurt (Prof. Dr. Gerchow) untersucht. „Auf die Gabe von Chelatbildnern (Di-

maval) zur Freisetzung evtl. vorhandener Quecksilberdepots wurde aus mehreren Gründen (Neben-

wirkungen des Medikamentes, mögliche Quecksilberschäden durch die Mobilisierung) seitens des

Stadtgesundheitsamtes verzichtet“. 197 dieser Personen wohnten in Griesheim, 47 Probanden in Ver-

gleichswohnungen im Stadtgebiet.

Anhand der Staubuntersuchungen in den Wohnungen wurden Expositionen rechnerisch abgeschätzt

und mit der allgemeinen Quecksilberaufnahme mit der Nahrung verglichen, die für Deutschland

folgendermaßen angegeben war: Männer 25,7µg/Tag, Frauen 18,6µg/Tag und Kinder 10-20µg/Tag.

Für die Abschätzung wurde von der Aufwirbelung sedimentierten Staubs ausgegangen, von 20m³

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Quecksilberschadensfall in Griesheim

102

Atemluftvolumen pro 24h in der Wohnung, von 100% Deposition des eingeatmeten Staubs in der

Lunge und 100% Resorption (Tab. 34). Mit dieser worst-case Annahme betrug die errechnete

zusätzliche Quecksilber-Aufnahme nur wenige Prozent der üblicherweise über die Nahrung

aufgenommenen Quecksilberzufuhr. Insofern war nicht zu erwarten, dass die gemessene innere

Belastung der Anwohner die allgemeine Hintergrundbelastung signifikant erhöht.

Abb. 45 Quecksilber-Schadensfall Griesheim – Bodenbelastungen und Untersuchungsgebiet

Tab. 34 Errechnete zusätzliche inhalative Quecksilberaufnahme durch Wohnen im Umfeld des Schadensherds und erhöhter Quecksilberbelastung im Hausstaub im Vergleich mit der allgemeinen Quecksilberaufnahme mit der Nahrung

Hg im Staub (Annahme)

Staub in der Raumluft

Staubbürtiger Hg-Gehalt

Staubbürtige Hg-Aufnahme

Prozent der Gesamt-Hg-Aufnahme mit der Nahrung

50 mg/kg 500 µg/m³ 25 µg/m³ 0,5 µg/Tag Ca. 5% 50 mg/kg 1000 µg/m³ 50 µg/m³ 1,0 µg/Tag Ca. 10% 10 mg/kg 500 µg/m³ 5 µg/m³ 0,1 µg/Tag Ca. 1% 10 mg/kg 1000 µg/m³ 10 µg/m³ 0,2 µg/Tag Ca. 2%

Abb. 46 Gehalte an Quecksilber in Luft- und Staubproben in der Außenluft und in Wohnungen sowie in Blut- und Urinproben der Anwohner in Abhängigkeit von der Entfernung zum Schadensherd

Gehalte an Quecksilber in Luft - und Staubpro ben - in A bhängigkeit vo n der

Entfernung zum Schadensherd

05

1015202530354045505560

0 200 400 600 800 1000 1200 1400

Ent f e r nung ( m)

µg/ m³ bz w.

µg/ g

Luf t

St aub

Gehalte an Quecksilber in B lut- und Urinpro ben - in A bhängigkeit vo n der

Entfernung zum Schadensherd

0

2

4

6

8

10

0 200 400 600 800 1000 1200 1400

Ent f e r nung ( m)

mg/ l

Blut HG

Urin Hg

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Kieselrot auf Sport-, Spiel- und Freizeitflächen in Frankfurt

103

Die Ergebnisse der Luft- und Staubuntersuchungen sowie der inneren Belastung der Anwohner in

Abhängigkeit zur Entfernung vom Schadensherd ist in Abb. 46 dargestellt.

Nach den Ergebnissen für Quecksilber und Cadmium in den Blut- und Urinproben wurde festgestellt:

„Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ergibt sich aus toxikologischer Sicht kein Hinweis,

dass zum Zeitpunkt der Blut- und Urinentnahme bei der untersuchten Bevölkerungsgruppe eine

Quecksilber- oder Cadmiumbelastung vorlag, die eine toxische Schädigung erwarten lässt. Die gefun-

denen Messwerte entsprechen den bekannten Normwerten in der deutschen Bevölkerung. Die allge-

meinmedizinischen und zahnmedizinischen Befunde sind (mit einer Ausnahme, deren Ursache mit

sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht mit dem Schadensfall in Verbindung steht) insgesamt unauf-

fällig“.

In den untersuchten Boden-, Gemüse und Grundwasseruntersuchungen wurden die Normen für den

zulässigen Quecksilbergehalt nicht überschritten. Die gemessenen Quecksilber-Konzentrationen in

der Raumluft unterschieden sich statistisch nicht nennenswert von den Innenraumluftwerten der Ver-

gleichswohnungen, eine Entfernungsabhängigkeit zum Schadensherd war nicht erkennbar. „Die

Quecksilbergehalte im Hausstaub in Griesheim bewegen sich in Schadensherdnähe in Bereichen bis

zu 50mg/kg, eine Entfernungsabhängigkeit ist erkennbar. Der Quecksilber-Hausstaubgehalt im

Stadtgebiet (Kontrollgruppe) liegt um 3,5mg/kg bei Spitzenwerten bis 9mg/kg“.

Aus Vorsorgegründen wurden die Wohnungen gereinigt und saniert. Im weiteren Verlauf wurde auch

die Altlast umfassend saniert.

Kieselrot auf Sport-, Spiel- und Freizeitflächen in Frankfurt

Am 16.04.1991 informierte die Stadt Bremen über extrem hohe Dioxin- und Furanbelastungen durch

„Kieselrot“ auf verschiedenen Bremer Sportanlagen. Das „Kieselrot“ war in den Jahren 1938-45 in den

damaligen Hermann-Göring-Werken in Marsberg angefallen, wo unter Kriegsbedingungen Kupfererz

mit dem so genannten Röstlaugeverfahren (chlorierende Röstung) aus dem Gestein gewonnen

worden war. Dabei wurden die vor Ort gewonnenen und zerkleinerten Erze nach Zusatz chlorid-

haltiger Salze und Kohle unter Anwesenheit von Sauerstoff in einem Temperaturbereich von 400-600°

C in speziellen Öfen aufbereitet. Die Restschlacke wurde in Marsberg zunächst auf Halde gelagert

und nach dem Krieg von der Firma Möllemann wegen ihrer günstigen Materialeigenschaften als

geschätzter Belag für Sport- und Spielflächen vertrieben. Ein Großteil der etwa 800.000 Tonnen

dieses Materials wurde auf Sportflächen in der Bundesrepublik (alt) aufgebracht, kleinere Mengen

aber auch ins Ausland verkauft. Alle Bundesländer und Gemeinden wurden jetzt aufgefordert,

entsprechende Verdachtsflächen zu überprüfen und gegebenenfalls mit Kieselrot belastete Flächen

abzusperren und gegen Verwehungen zu sichern.

Sofort nach Bekannt werden der Kieselrotproblematik wurde unter der Federführung des Gesund-

heitsdezernats und des Stadtgesundheitsamtes eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe gebildet und

die Überprüfung sämtlicher Frankfurter Spiel- und Sportflächen begonnen. Zunächst wurden die in der

Lieferliste der Firma Möllemann angegebenen Plätze in Frankfurt überprüft, weitere Untersuchungen

wurden nach einer Prioritätenliste des Stadtgesundheitsamtes durchgeführt: Zuerst Kinder-

tagesstätten und Schulsportanlagen und danach weitere Sportanlagen sowie Bolzplätze. Konnte vor

Ort der Verdacht auf Kieselrot nicht sicher ausgeschlossen werden, wurden die Flächen sofort

vorsorglich gesperrt und Materialproben der Kieselrot verdächtigen Schichten dem beauftragten

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Kieselrot auf Sport-, Spiel- und Freizeitflächen in Frankfurt

104

Institut zur Laboruntersuchung überlassen. Dort wurde zunächst eine Röntgenfluoreszenzanalyse auf

Schwermetalle durchgeführt und bei verdächtigem Kupfergehalt (Kieselrot ist eine Kupferschlacke mit

sehr hohen Kupfergehalten!) eine Dioxin/Furan-Analyse veranlasst. Diese erste Untersuchungsphase

vor Ort (Phase 1) war bis Ende Mai 1991 weitgehend abgeschlossen. Bis dahin waren 146 Anlagen

überprüft, davon 17 wegen Verdachts auf Kieselrot (optisch und/oder erhöhte Kupferwerte) gesperrt

und gesichert. In einer 2. Untersuchungsserie (Phase 2) wurden im Juli 1991 nochmals 46 Anlagen

mit insgesamt 93 Teilflächen beprobt und untersucht.

Somit waren 1991 insgesamt 192 Anlagen mit zum Teil mehreren Teilflächen vor Ort überprüft

worden, 54 Schulsportanlagen oder Kindertagesstättenanlagen, 40 Bolzplätze oder andere Spielan-

lagen (z.B. Boccia-Bahnen) und 98 Sportanlagen. Auf 26 Anlagen und insgesamt 30 Teilflächen

wurde Kieselrot oder mit Kieselrot vermischtes Material gefunden. Mit Ausnahme der Tennenfläche

der Liebigschule, wo das kieselrothaltige Material in großer Tiefe unzugänglich liegt, wurden sämtliche

Flächen gesperrt und gesichert (in der Regel durch eine sandbeschichtete Folienabdeckung).

In Tab. 35 sind die Daten der Sperrung der Kieselrotflächen aufgeführt und den Daten der Ergebnis-

übermittlung der Laborbefunde gegenübergestellt. Das geschilderte Verfahren ermöglichte eine

rasche und gezielte Sperrung verdächtiger Flächen, lange bevor das sehr zeitaufwendige Verfahren

der Dioxinanalyse abgeschlossen war und die endgültigen Dioxin-Ergebnisse vorlagen. Tab. 36 zeigt

die Ergebnisse der Schwermetall- und der Dioxinanalysen der gesperrten Flächen in Frankfurt.

Dioxine und Furane kommen stets als Mischungen verschiedener Einzelverbindungen vor. An das

„Grundgerüst“ der Dioxine und Furane können bis zu 8 Chloratome angelagert sein. Es gibt insgesamt

210 verschiedene chlorierte Dioxine und Furane. Die einzelnen Dioxine und Furane werden mit so

genannten Toxizitätsäquivalenzfaktoren multipliziert und danach zu Toxizitätsäquivalenten „TE“

addiert. Erst diese substanzspezifische Gewichtung ermöglicht vergleichende Bewertungen unter-

schiedlicher Dioxin- und Furangemische. In den folgenden Tabellen sind die Dioxine in Toxizitäts-

äquivalenten TE (bga) angegeben, in ng/kg, d.h. Nanogramm pro Kilogramm. Ein Nanogramm

bedeutet 10-12 Gramm, d. h. ein Millionstel Teil eines Millionstel Gramms. Die mittlere derzeitige

Dioxinaufnahme mit der Nahrung beträgt mehr als 1pg (Picogramm pro Kilogramm Körpergewicht).

Ein Picogramm ist der Tausendste Teil eines Nanogramms, d.h. 10-15g.

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Kieselrot auf Sport-, Spiel- und Freizeitflächen in Frankfurt

105

Tab. 35 Zeitlicher Ablauf der Sperrung und Sicherung verdächtiger Flächen und Daten der Befundübermittlung der Dioxinanalysen

Örtlichkeit und Entnahmestelle Gesperrt Dioxinanalyse

Datum Datum

Phase 1: Ende April bis Ende Mai 1991

Schulaußenanlagen und Kindertagesstätten

1. Kindertagesstätte 11 30.04. 29.05.

2. Friedrich-Fröbel-Schule 30.04. 29.05.

3. Gutenbergschule / Bismarckschule 02.05. 29.05.

4. Hedwig-Heyl-Schule 02.05. 29.05.

5. Carlo-Mierendorff-Schule 02.05. 29.05.

6. Albert-Schweitzer-Schule 02.05. 29.05.

7. Herderschule 28.05.* 17.06.

8. Dürerschule 27.05.* 17.06.

9. Otto-Hahn-Schule 28.05.* -

Spiel- und Bolzplätze

10. Höhen/Niddablick 06.05. 14.06.

11. Belchenstraße 08.05. 14.06.

12. Dunantring (Bocciabahn) 08.05. 14.06.

Sportfreianlagen (jeweils Teilbereiche)

13. Sportanlage Gerbermühle – Laufbahn 29.04. 08.05.

14. Sportanlage Babenhäuser Landstraße 14.05. 03.06.

15. Sportanlage Hahnstraße – Volleyballfeld 03.05. 03.06.

16. Sportanlage Nord – Hügelstraße 13.05. 03.06.

17. Sportanlage Ostpark – Fußballfeld West 14.05. 03.06.

18. Sportanlage Roseggerplatz – Segment 18.06.** 17.06.

Phase 2: Juli 1991

19. Sonnenscheinring, Grünzug I - Bocciabahnen 15.08.* 29.11.

20. Flinschstraße – Bolzplatz 05.08.* 29.11.

21. Sportanlage Sandhöferwiesen - Kampfbahn 05.08.* 29.11.

Sportanlage Sandhöferwiesen - Hochsprung 09.08.* 29.11.

Sportanlage Sandhöferwiesen - Anlaufbahn, Weitsprung 09.08.* 29.11.

22. Berkersheimer Weg – Kugelstoßanlage 02.12.** 29.11.

23. Sportanlage Pfortenstraße – Weitsprung 02.12.** 29.11.

24. Sportanlage Sindlingen, Laufbahn und Weitsprung 02.12.** 29.11.

25. Sportanlage Unterliederbach, Kleinfeld 02.12.** 29.11.

* Sperrung nach Erhalt der Kupferwerte ** Sperrung nach Erhalt der Dioxinanalyse

Parallel zu den zeitaufwendigen Laboranalysen wurden Untersuchungen der Umgebung der Kiesel-

rotflächen in Schulen und Kindertagesstätten sowie die notwendigen Sanierungsuntersuchungen

durchgeführt, um die notwendige Sanierungstiefe im Einzelfall festlegen zu können. Die Sanierungen

aller belasteten Flächen wurden durchgeführt. Auf Human-Biomonitoring-Untersuchungen wurde

angesichts der Daten aus Marsberg (s.u.) verzichtet.

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Kieselrot auf Sport-, Spiel- und Freizeitflächen in Frankfurt

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Tab. 36 Ergebnisse der hoch auflösenden PCDD/PCDF-Untersuchungen der kieselrotenthaltenden Frankfurter Freiflächen

Örtlichkeit und Entnahmestelle Tiefe Cu Mn Dioxine (TE)

cm mg/kg mg/kg ng/kg

1. Kindertagesstätte 11 – großer Spielplatz 2.0 – 4.0 1552 137 4.844

2. Albert-Schweitzer-Schule – Tennenfläche 0.0 – 3.0 1556 124 81.579

3. Albrecht-Dürer-Schule – Kleinsportanlage 4.0 – 6.0 567 534 23.602

4. Carlo-Mierendorff-Schule – Laufbahn 1.0 – 3.0 1881 153 70.292

5. Friedrich-Fröbel-Schule – Spielfeld Südost 1.5 – 3.0 5569 364 57.388

6. Gutenbergschule/Bismarckschule – 0.0 – 1.5 837 237 39.668

Sprunggrube 1.5 – 3.0 1438 114 57.775

7. Hedwig-Heyl-Schule – Weitsprung 0.0 – 2.0 3016 704 50.683

8. Herderschule – Sportanlage 0.0 – 5.0 1299 537 60.770

9. Otto-Hahn-Schule 0.0 – 8.0 243 773 5.490**

10. Liebigschule 15.0 – 18.0 250 939 15.120**

11. Belchenstraße – Bolzplatz 0.0 – 4.0 1306 114 84.009

12. Flinschstraße – Bolzplatz 0.0 – 3.0 156 130 10.934

3.0 – 4.0 1972 211 63.057

13. Höhen/Niddablick – Bolzplatz 3.0 – 5.0 999 320 97.602

14. Dunantring2, Grünzug – Bocciabahn 0.0 – 1.0 850 173 52.297

6.0 – 9.0 1602 171 88.195

15. Sonnenscheinring, Bocciabahn 1 1.0 – 3.0 1510 420 54.616

Bocciabahn 2 3.0 – 5.0 1856 563 21.042*

16. Berkersheimer Weg – Kugelstoßanlage 2.0 – 9.0 349 920 19.239

17. Sportanlage Babenhäuser Landstraße

400-Meter-Bahn 0.5 – 3.0 1634 407 54.908

18. Sportanlage Gerbermühle – Laufbahn 0.0 – 1.0 1866 849 16.392

1.0 – 4.0 4970 313 40.116

19. Sportanlage Hahnstraße – Volleyballplatz 0.0 – 4.0 1188 140 111.948

20. Sportanlage Hügelstraße

Weitsprunganlage 2.0 – 3.0 1758 213 57.030

3.0 – 4.0 3031 172 8.457

21. Sportanlage Pfortenstraße – Weitsprung 0.0 – 2.5 318 835 20.642

22. Sportanlage Rosegggerplatz – Segment 2.0 – 5.0 122 772 1.238

23. Sportanlage Ostpark – Fußballplatz West 2.0 – 3.0 1081 335 43.048

24. Sportanlage Sandhöfer Wiesen, Kampfbahn 0.0 – 1.5 1398 290 150.496

Hochsprunganlage 0.0 – 2.5 859 87 74.549

2.5 – 5.5 1225 107 105.825

Anlaufbahnen Weitsprung 0.0 – 3.0 381 885 24.280

3.0 – 6.0 1129 353 62.070

25. Sportanlage Sindlingen, Laufbahn 0.0 – 1.0 121 1263 2.127

Weitsprung 0.0 – 1.0 90 966 1.118

26. Sportanlage Unterliederbach Kleinfeld 4.0 – 10.0 646 568 62.070

* Nachprobe im Dezember 1991 ** anhand der OCDF-Analyse berechneter TE-Wert Die Tennenfläche der Liebigschule ist nicht gesperrt, da das kieselrothaltige Material in großer Tiefe liegt.

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Boden - Untersuchungen in Frankfurt - Kieselrot auf Sport-, Spiel- und Freizeitflächen in Frankfurt

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Toxikologie der Dioxine und Furane und Bewertung von Kieselrot

Dioxine und Furane gehören zu den stärksten bekannten synthetisierten Krebs erzeugenden Stoffen

bei verschiedenen Tierarten. Darüber hinaus lösen sie im Tierversuch zahlreiche akute und chro-

nische Störungen aus, wie Störungen des Leber- und Lipidstoffwechsels, der Immunfunktion,

Gewichtsverlust, erhöhte Fehlgeburtenrate, verminderte Fruchtbarkeit, erhöhte Missbildungsrate und

erhöhte Tumorrate. Die verschiedenen chlorierten Dioxine und Furane weisen eine unterschiedliche

Giftigkeit auf. Am giftigsten ist das 2.3.7.8-TCDD, das „Seveso-Dioxin“.

Bei hohen Dioxinbelastungen – am Arbeitsplatz oder bei Unfällen – wurden bei Menschen insbe-

sondere Chlorakne, aber auch Leberfunktionsstörungen, Störungen des Lipidstoffwechsels, der

Immunfunktion sowie neurologische Störungen beschrieben. In der Vergangenheit wurden mehrere

Artikel veröffentlicht, die klar eine krebsauslösende oder -fördernde Wirkung der Dioxine aufzeigen.

Die wenigen Dioxinbestimmungen, die zumeist Jahrzehnte nach der Exposition oder nach der

Kontamination bei einem Chemieunfall durchgeführt wurden, zeigen noch nach diesem Zeitraum eine

hohe 2.3.7.8-TCDD-Belastung im Blutfett oder dem Fettgewebe mit bis zu über 3000ng 2.3.7.8-TCDD

pro Kilogramm Blutfett.

Bei Nachuntersuchungen von unmittelbar nach dem Unfall in Seveso abgenommenem Blut von Bela-

steten wurden Konzentrationen bis zu 55.000ng 2.3.7.8-TCDD/kg Blutfett festgestellt. Die so bela-

steten Menschen hatten alle Chlorakne, die Laborwerte (Blutbild, Fettstoffwechselparameter,

Leberwerte, Schilddrüsenparameter und verschiedene immunologische Funktionstests) waren im

Normbereich. Dennoch war mit einer erhöhten späteren Krebsrate bei so hoch Belasteten zu rechnen.

In der Normalbevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland liegt die „Grundbelastung“ unter 20ng

2.3.7.8-TCDD/kg Blutfett bzw. unter 80ng TE (bga)/kg Blutfett. Da die Dioxine und Furane sehr

beständig sind und sich im Fettgewebe langfristig anreichern, sollte diese Belastung vermindert

werden.

Zur Beurteilung der toxikologischen Relevanz des dioxinhaltigen Kieselrots wurde im Sommer 1991 im

Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen eine Untersuchung von 56 freiwilligen Einwohnern aus Mars-

berg durchgeführt, wo das Kieselrot seit dem Zweiten Weltkrieg in unmittelbarer Nähe des Ortes auf

Halde liegt. Die Untersuchten hatten über erhebliche Staubbelastung durch dieses Material berichtet.

Die Untersuchungsergebnisse der untersuchten Einwohner Marsbergs wurden in einer Paar-Kontroll-

Studie (gleiches Alter und Geschlecht) mit nicht belasteten Einwohnern aus Steinfurt verglichen.

Dabei zeigten sich zwar bei der Gesamtbelastung keine signifikanten Unterschiede, allerdings fielen

bei den Furanen, die in Kielesrot in besonders hohen Konzentrationen vorlagen, höhere Belastungen

als bei der Vergleichsgruppe auf. Dieser Unterschied war als umso bedeutsamer zu werten, da seit

der anamnestisch angegebenen Zeit der höchsten Belastung mehr als 20 Jahre vergangen waren.

Dies entspricht bei einer durchschnittlichen biologischen Halbwertszeit der Dioxine im Menschen von

ca. 7 Jahren etwa 3 Halbwertszeiten. Die festgestellte höhere Belastung der Marsberger Untersuchten

wird also nach dieser Zeit eher unterschätzt. Über häufigere Erkrankungen oder auffällige

Erkrankungsmuster wurde in der Marsberger Bevölkerung nicht berichtet. Die Untersuchten hatten

keine auffälligen Krankengeschichten. Die Laborbefunde (Blutbild, Fettstoffwechselparameter,

Leberwerte usw.) waren normal. Bei der festgestellten Belastung der untersuchten und stark

kieselrotexponierten Marsberger ist nach heutigen Erkenntnissen nicht mit Spätschäden, wie mit einer

erhöhten Krebsrate, zu rechnen.

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Luft - Außenluftbelastung - Allgemeines

108

Luft

Außenluftbelastung

Allgemeines

Die Luftbelastung in Frankfurt hatte bis Mitte der 1970er Jahre – wie in jedem Ballungsraum oder

Industriestandort – zugenommen. Seit Mitte der 1980er Jahre zeigt sich dann der Erfolg umfassender

technischer Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft und von Wandlungen im Rohstoffeinsatz in deut-

lichen Verringerungen der Immissionsbelastungen. Diese großräumigen Entwicklungen sind auch auf

Frankfurt am Main übertragbar. Die Luftqualität hat sich seit 1984 deutlich verändert. So hat insbeson-

dere die Luftbelastung durch Schwefeldioxid und CO, zwei klassische Leitsubstanzen, abgenommen.

Die Nach- und Umrüstung von Kraftwerken und Industrieanlagen und die Herabsetzung des

Schwefelgehalts im Heizöl und im Dieselkraftstoff haben hier deutliche Erfolge erzielt. Eine nur

gleichbleibende Tendenz ist dagegen bei den Stickoxiden zu verzeichnen. Der KfZ-Verkehr als

Hauptemittent spielt insbesondere an stark verkehrsbelasteten Straßen eine für die Lufthygiene

entscheidende Rolle (Statistischer Bericht 4/2000, Bürgeramt für Statistik, Frankfurt) (Abb. 47).

Abb. 47 Luftbelastung an zwei Messstationen in Frankfurt am Main 1984-2005

Seit 1993 führt das Bürgeramt für Statistik und Wahlen jährlich repräsentative Befragungen der

erwachsenen Bevölkerung in Frankfurt zu deren Zufriedenheit mit bestimmten Bedingungen in der

Stadt durch, u.a. zur Zufriedenheit mit der Sauberkeit der Luft. Zwischen 1993 und 2003 nahm der

Anteil der Zufriedenen von über 55% auf unter 40% ab und der der Unzufriedenen von 10 auf 20% zu.

Danach ist eine leichte Tendenz zur Verbesserung zu verzeichnen.

Abb. 48 Zufriedenheit der Frankfurter mit der Sauberkeit der Luft in Frankfurt – Umfragen 1993- 2005 (Bürgeramt für Statistik und Wahlen, Frankfurt)

Zufriedenheit mit der Sauberkeit der Luft Frankfurter Bürger 1993-2005

0

10

20

30

40

50

60

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19

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20

05

Pro

zen

t

zufrieden

unzufrieden

SO2- und NO2-Belastung in Frankfurt/M 1984-2005

0

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1984

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2000

2001

2002

2003

2004

2005

µg

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SO2 HöchstSO2 OstNO2 HöchstNO2 Ost

Ozon- und Feinstaubbelastung in Frankfurt/M 1984-2005

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µg

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Ozon HöchstOzon OstFeinstaub HöchstFeinstaub Ost

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Luft - Außenluftbelastung - Luftbelastung und Atemwegserkrankungen bei Kindern (Einschülern)

109

In der am 11.09.2002 in Kraft getretenen 22. Bundesimmissionsschutz-Verordnung sind Immissions-

grenzwerte für verschiedene Schadstoffe festgelegt (Auszug s. Tab. 37), die in der Stadt Frankfurt

derzeit – mit Ausnahme der Feinstaubgrenzwerte - eingehalten werden. Mit absehbar weiterer Absen-

kung der Grenzwerte sind aber – wenn nicht rechtzeitig weitere Minderungsmaßnahmen ergriffen

werden - Grenzwertüberschreitungen zu erwarten (Abb. 49).

Tab. 37 Immissionsgrenzwerte für SO2, NO2, Partikel und Benzol in der 22. Bundesimmissions-schutz-Verordnung (11.09.2002 in Kraft getreten)

Para-meter

Schutzgut Immissions-Grenzwert

SO2 Menschl. Gesundheit

250µg/m³ (1h) 125µg/m³ (24h)

Max. 24 Überschreitungen/Jahr Max 3 Überschreitungen/Jahr

Ökosystem 20µg/m³ (1h) 500µg/m³ (1h)

Immissionsgrenzwert, Winterhalbjahr Alarmschwelle

NO2 Menschl. Gesundheit

200µg/m³ (1h, 98%) 40µg/m³ (1h, Mittelwert) 400µg/m³ (1h)

Ab 1.1.2010; max. 18 Überschreitungen/Jahr Alarmschwelle

Partikel Menschl. Gesundheit

50µg/m³ (24h Mittelwert) 40µg/m³ (1J, Mittelwert)

Max. 35 Überschreitungen/Jahr

Benzol Menschl. Gesundheit

5µg/m³ (1 J, Mittelwert) Ab 1.1.2010;

Für NO2, Partikel und Benzol gibt es zwischen 2007 und 2010 noch Toleranzmargen, ab 2010 sind

o.g. Werte einzuhalten

Abb. 49 Immissionsmesswerte für NO2 (links) und Partikel Staub und PM10 (rechts) in Frankfurt am Main sowie Entwicklung der Grenzwerte (Prof. Hahnewald, HLUG 18.06.08, Römer)

Das Gesundheitsamt hat keine eigene Zuständigkeit für die Messung von Schadstoffen in der Außen-

luft bzw. für Maßnahmen zur Einhaltung entsprechender Richt-, Orientierungs- oder Grenzwerte.

Gleichwohl wurde seine umweltmedizinische Expertise immer wieder gefragt.

Luftbelastung und Atemwegserkrankungen bei Kindern (Einschülern)

Bereits 1978/79 hat das Stadtgesundheitsamt in Zusammenarbeit mit der Universitätskinderklinik

Frankfurt in einer epidemiologischen Studie die möglichen Auswirkungen der Luftbelastung auf die

Atemwege von Kindern untersucht. Mit einem Fragebogen, der gemeinsam von Eltern und Ärzten

ausgefüllt wurde, wurde die Infektanfälligkeit der Kinder (nach Einschätzung der Eltern) und Angaben

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Luft - Außenluftbelastung - Außenluftbelastung durch Verkehrsemissionen

110

Nationalitätenquotient (Dt. Kinder/ausl. Kinder) für verschiedene Krankheitsbilder

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34

alle

Pseudokrupp rezid.

Pseudokrupp, einmal

Bronchitis

Infektneigung

Asthma

gesund

Rate

zu Bronchitis, Asthma, Pseudokrupp (nach bisheriger Arztdiagnose) erfragt. Die Responserate lag bei

80%. Ein Drittel der Kinder waren Ausländer.

Insgesamt zwei Drittel der Kinder waren „bronchopulmonal gesund“, bei 27% gaben die Eltern eine

erhöhte Infektanfälligkeit an, bei 6,3% wurde häufiger Pseudokrupp genannt und bei 1,6% Asthma. Es

zeigte sich die bekannte Geschlechterverteilung mit höheren Erkrankungsraten der Atemwege bei

Jungen (3,2fach bei Asthma). Interessant aber war auch die Betrachtung der Antworten nach Nationa-

litäten (deutsch/nichtdeutsch). Dabei zeigte sich, dass bei einer Gesamtrate von 1,5 deutscher auf 1

nichtdeutsches Kind insbesondere die deutschen Eltern diese Beschwerden und Diagnosen häufiger

angaben als die nichtdeutschen Eltern (Abb. 50) – eine Beobachtung, die später in vielen

Publikationen beschrieben wurde und auch heute noch so gesehen wird, wenn auch in

abgeschwächter Form. Abschließend wird in der Veröffentlichung festgestellt: „Inwieweit in Frankfurt

Luftschadstoffe morbiditätsrelevant sind, ist zur Zeit Gegenstand weiterer Untersuchungen“ – Leider

sind diese nicht publiziert.

Abb. 50 Atemwegserkankungen bei Einschülern 1978/9 – Nationalitätenquotient (dt.Kinder/ausl. Kinder) für die verschiedenen Krankheiten der Fragebogenerhebung (Ahrens, Hentschel, 1986)

Außenluftbelastung durch Verkehrsemissionen

Im Zuge der Luftreinhaltemaßnahmen haben in Deutschland die Außenluftbelastungen an Staub und

Schwefeldioxid im Verlaufe der letzten Jahrzehnte deutlich abgenommen. Die Kohlenwasserstoff-

Emissionen blieben aber auf hohem Niveau konstant und die Stickoxid-Emissionen sind angestiegen.

Hauptursache hierfür ist der zunehmende Straßenverkehr. Trotz der unbestreitbaren, deutlichen Ver-

besserung der Abgassituation am einzelnen Fahrzeug werden durch die starke Zunahme des Stra-

ßenverkehrs insgesamt mehr Schadstoffe emittiert. Lag Mitte der 1960er Jahre der Anteil des

Straßenverkehrs an den Kohlenwasserstoff- und Stickoxidemissionen noch bei etwa 30%, so betrug

er bei den Kohlenwasserstoffen Anfang der 1990er Jahre schon über 50%, bei den Stickoxiden etwa

70% der Gesamtemissionen (Abb. 51).

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Luft - Außenluftbelastung - Außenluftbelastung durch Verkehrsemissionen

111

Abb. 51 Schadstoffemissionen in der Bundesrepublik Deutschland (links) – Anteil des Straßenverkehrs an den Schadstoffemissionen (rechts)

Verkehrsemissionen stellen den weitaus größten Anteil unter den sieben wichtigsten krebserzeu-

genden Stoffen in der Außenluft dar: Der krebserzeugende Dieselruß wird nahezu ausschließlich,

Benzol zu etwa 90% durch den Verkehr verursacht, und auch ein nicht geringer Teil der PAH-

Emissionen (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) ist verkehrsbedingt (Tab. 38).

Tab. 38 Abschätzung der Entstehung und des Vorkommens krebserzeugender Luftverunreinigungen (LAI 1992)

Luftverunreinigung Gesamtemissionen Kfz-Emissionen t/a t/a %

Arsen* 22-77 - - Asbestfasern 105-120 <1 <1 Benzol 46100 41200 89 Cadmium** 25-48 - - Dieselmotoremissionen 70000 69000 98 PAH (Leitsubstanz BaP) 4-11 0,5-5,8 12-54 2,3,7,8 TCDD*** - - -

*Arsen und seine organischen Verbindungen, **Cadmium und seine Verbindungen; ***Gesamteinschätzung der Dioxine derzeit nicht möglich

Der Minimierungsbedarf wurde erkannt und eine entsprechende Verordnung vorbereitet, die 23.

BImSchV (Bundesimmissionsschutzverordnung). Darin sind Prüfwerte für NO2 (Stickstoffdioxid),

Benzol und Dieselruß vorgesehen (Tab. 39), bei deren Überschreitung die Kommune verkehrs-

lenkende oder verkehrsreduzierende Maßnahmen prüfen muss.

Tab. 39 Prüfwerte für NO2, Benzol und Dieselruß nach der 23. BImSchV (Entwurf)

Parameter Prüfwert NO2 160µg/m³ 98% aller Halbstundenmittelwerte Benzol 15µg/m³*

10µg/m³** arithmetischer Jahresmittelwert

Dieselruß 14µg/m³* 8µg/m³**

arithmetischer Jahresmittelwert

*ab 01.07.1995; **ab 01.07.1998

Die Stadt Frankfurt hat 1993 zusammen mit dem Land Hessen einen Modellversuch zur Ermittlung

der verkehrsabhängigen Belastungen in vielbefahrenen Straßen Frankfurts durchgeführt, um frühzeitig

ein Bild von der verkehrsbedingten Schadstoffbelastung in Frankfurt zu erhalten (Tab. 40).

Luftverunreinigungen in Deutschland Emissionen (DIW 1991)

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3

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Luftverunreinigungen in Deutschland - Anteil des Straßenverkehrs (DIW 1991)

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Pro

zen

t SO2

NO2

KW

Staub

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Luft - Außenluftbelastung - Außenluftbelastung durch Verkehrsemissionen

112

Tab. 40 NO2-, Benzol- und Dieselrußbelastung in vielbefahrenen Straßen in Frankfurt am Main – Modellversuch 1993 (HLUG)

NO2 µg/m³

Benzol µg/m³

Ruß µg/m³

Quasistationäre Messungen (24h/d)

Miquelallee 176 15,4 5,1 Friedberger Landstr. 131 15,5 5,2 Battonstr. 148 12,9 5,4 Hauptbahnhof 184 12,4 3,6 Höhenstr* 117 4,4 Rundschauhaus (uba) 113 12,7 Stichprobenmessungen (8-18 Uhr) Bockenheimer Landstr. 128 19,2 Eschersheimer Landstr. 117 16,3 Nibelungenplatz 159 24,1 Höhenstr. 174 24,7 Wittelsbacher Allee 131 17,0 Hanauer Landstr. 138 18,8

Bei einer Reihe von Straßen wurde der Prüfwert für NO2 überschritten. In allen untersuchten Straßen

wurde der ab 01.07.1998 geplante Prüfwert für Benzol überschritten. In keiner untersuchten Straße

lag die Dieselrussbelastung über dem Prüfwert. Stichprobenmessungen während verkehrsreicher

Zeiten (8-18 Uhr) führten tendenziell zu höheren mittleren Benzolbelastungen als Mittelwerte, die aus

kontinuierlichen Messungen über 24 Stunden erhalten wurden.

Gesundheitliche Bewertung

Stickstoffdioxid: In Tierversuchen wurde bei hohen NO2-Konzentrationen in der Atemluft (Milli-

grammbereich) Lungenfunktions- und Strukturveränderungen sowie erhöhte Anfälligkeit für Lungenin-

fektionen festgestellt. Bei kontrollierten klinischen Studien waren die ersten Wirkungen auf die Lun-

genfunktion der Versuchspersonen im Bereich von wenigen hundert Mikrogramm pro Kubikmeter

nachweisbar. Verschiedene epidemiologische Untersuchungen zeigen eine höhere Asthma-Häufigkeit

bis hin zu vermehrten Krankenhausaufnahmen wegen Asthma bei Kindern, die hohen Konzentratio-

nen verkehrsbedingter NO2-Schadstoffe ausgesetzt waren. Darüber hinaus geben verschiedene

Untersuchungen Hinweise darauf, dass das Allergierisiko durch verkehrsbedingte Schadstoffe –

diskutiert werden hier insbesondere die Stickoxide - bei Kindern erhöht ist.

Die Stickoxid-Emissionen sind Vorläufersubstanzen von Ozon und damit indirekt Mitursache der

sommerlichen Ozonbelastung. Bei hohen Ozonbelastungen konnten in verschiedenen Studien

negative Wirkungen auf die Lungenfunktion von Kindern, die bronchiale Erregbarkeit sowie verschie-

dene Entzündungs- und Immun-Parameter gemessen werden.

Benzol und Dieselruß: Die Krebs erzeugende Wirkung von Benzol ist für den Menschen aus

arbeitsmedizinischen Studien zweifelsfrei nachgewiesen, für Dieselruß steht der Nachweis für eine

humankanzerogene Wirkung noch aus. Dieselruß hat sich aber im Tierversuch als stärker

krebsauslösend als Benzol erwiesen. Das unit risk, d. h. das Krebsrisiko bei Einatmung von 1µg

Stoff/m³ über das ganze Leben wird für Benzol mit 4-9 pro Million (humankanzerogen) angegeben, für

Dieselruß liegt es mit 70 pro Million (kanzerogen im Tierversuch) deutlich höher.

In stark verkehrsbelasteten Gebieten werden nicht nur erhöhte Außenluftkonzentrationen an Benzol

und Dieselruß gemessen, sondern auch nachweisbar erhöhte Benzol-Konzentrationen im Blut

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Luft - Außenluftbelastung - Außenluftbelastung durch Verkehrsemissionen

113

entsprechend Exponierter. Daraus kann auf ein erhöhtes Leukämierisiko der Betroffenen geschlossen

werden. Allerdings war dieses wegen der zahlreichen zusätzlichen möglichen Einflussfaktoren und der

insgesamt niedrigen Fallzahl in verschiedenen epidemiologischen Kohortenstudien bislang nicht

sicher nachweisbar. Bisher wurden nur in einer Fall-Kontrollstudie deutliche Hinweise auf einen

Zusammenhang zwischen der Verkehrsbelastung und Leukämieerkrankungen bei Kindern gefunden.

Zusammenfassend führte die verkehrsbedingte (NO2)-Luftbelastung in verschiedenen Studien zu

einer höheren Asthma-Häufigkeit bei Kindern, bis hin zu Krankenhauseinweisungen wegen Asthma;

darüber hinaus gibt es zahlreiche Hinweise, dass auch die Allergierate bei hohen Verkehrs-

belastungen bei Kindern erhöht ist. Bei hohen sommerlichen Ozonkonzentrationen konnten zwar in

den Studien keine schweren Symptome bei Kindern festgestellt werden, es wurden aber negative

Auswirkungen auf die Lungenfunktion, die bronchiale Erregbarkeit sowie Entzündungs- und Immun-

parameter gemessen. Bei Kindern, die in der Nähe viel befahrener Straßen wohnen und spielen,

konnten erhöhte Benzol-Konzentrationen im Blut gemessen werden. Wegen der bekannten Krebs

auslösenden Wirkung muss deshalb von einem erhöhten Krebsrisiko (Blutkrebs, Leukämie) ausge-

gangen werden, auch wenn dieses in verschiedenen epidemiologischen Studien bislang nicht sicher

nachweisbar war.

Hieraus ergab sich ein Minimierungsbedarf. Die 23. BImSchV (Verordnung über die Festlegung von

Grenzwerten) trat am 16.12.1996 in Kraft, die weitere Entwicklung zeigt, dass die Grenzwerte in

Frankfurt durchweg unterschritten sind, auch der für Benzol, wie es die Messungen in der Friedberger

Landstraße zeigen (2002: 3µg/m³, 2004: 2,6µg/m³, 2006: 2,2µg/m³).

Ozon – mittelbare Verkehrsemission

Während die bisher genannten Schadstoffe Stickoxide, Benzol und (Fein)Staub unmittelbar durch den

Verkehr emittiert werden, ist Ozon ein mittelbar auf Verkehrsemissionen zurückzuführender Schad-

stoff, denn es entsteht – etwas vereinfacht - aus den verkehrsbedingten Schadstoffen Stickoxiden

unter Anwesenheit von Sonnenlicht.

Gesundheitliche Bewertung: Wiederholte Ozon-Expositionen führen zu Veränderungen der Lungen-

funktionswerte und zu Veränderungen der Reagibilität des Atemstrakts bis hin zu entzündungsähn-

lichen Reaktionen. Die Ozonwirkungen sind in Tab. 41 zusammengestellt; es ist erkennbar, dass zwi-

schen den Konzentrationen, wie sie im Sommer auftreten und denen, bei denen erste Reaktionen –

zumindest bei empfindlichen Personengruppen – zu erwarten sind, kein Sicherheitsabstand besteht.

Etwa 5-20% der Bevölkerung sind besonders ozonempfindlich; Ozonempfindlichkeit betrifft nicht

primär Kinder, Alte oder Vorerkrankte, sondern kann bei allen Menschen auftreten. Risikogruppen

sind vor allem Menschen, die sich körperlich im Sommer, v.a. am Nachmittag, stärker körperlich

belasten, z.B. Sportler, Jogger, Bauarbeiter etc.

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Luft - Außenluftbelastung - Außenluftbelastung durch Verkehrsemissionen

114

Tab. 41 Ozon und mögliche Wirkungen auf den Menschen (Böse o´Reilly et al., Leitfaden Umweltmedizin 2000)

Konzentration Wirkungen auf den Menschen 500µg/m³ Husten und Brustschmerzen bei alltäglicher Tätigkeit 160-240µg/m³ Entzündungsähnliche Lungenreaktionen, erhöhte Infektanfälligkeit,

zunehmende Anfallshäufigkeit bei Asthmatikern 120-240µg/m³ Schleimhautreizungen (Augen, Nase, Rachen) abnehmende Leistungsfähigkeit

bei Sportlern, unspezifische Allgemeinsymptomatik (Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Müdigkeit)

80-200µg/m³ Abnehmende Lungenfunktion bei Kindern 16-50µg/m³ Geruchsschwelle

Das Gesundheitsamt erhält in Zeiten hoher Ozonbelastung viele Anfragen zur Gesundheit. Es berät

Bürger und Gemeinschaftseinrichtungen individuell und informiert durch allgemeine Öffentlich-

keitsarbeit. Seit Anfang der 1990er Jahre hat die durchschnittliche Ozonbelastung in Frankfurt am

Main abgenommen.

Feinstaub – Hauptverursacher Verkehr

Anfang - Mitte der 1990er Jahre trat der Feinstaub mehr in den Vordergrund der gesundheitlichen

und regulatorischen Betrachtung. Für eine Veranstaltungsreihe der HLUG 2004 trug die Leiterin der

umweltmedizinischen Abteilung des Stadtgesundheitsamtes die wissenschaftlichen Daten zusammen:

Erkenntnisse aus Tierversuchen und aus kontrollierten klinischen Studien

Methodische Vorbemerkungen/Einschränkungen: Tierversuche und kontrollierte klinische Studien

können mit klar definierten Stäuben (Inhaltsstoffe, Konzentrationen) bei eindeutig festgelegten

Umgebungsfaktoren durchgeführt werden. Tierversuche liegen nur für definierte Kurzzeitbelastungen

vor und gelten für Untersuchungen mit Partikeln im Umweltbereich von < 100µg/m3 als zu unempfind-

lich. Die Übertragbarkeit vom (kleinen) Versuchstier auf den Menschen ist nicht immer gegeben.

Tierversuche und klinische Studien wurden durchgeführt mit der Zielrichtung:

die biologische Plausibilität der statistischen Assoziationen (Epidemiologie, s. u.) zu belegen,

die für die gesundheitlichen Wirkungen verantwortlichen Staubkomponenten zu ermitteln,

den Wirkungsmechanismus und eine Dosis-Wirkungs-Beziehung für die verantwortliche(n)

Staubkomponente(n) zu analysieren.

In verschiedenen toxikologischen Untersuchungen waren Metallverbindungen in den Stäuben mit den

größten Wirkungen verbunden; allerdings sind die Daten nicht einheitlich, sodass hier keine

abschließende Wertung möglich ist.

Im Tierversuch und bei kontrollierten klinischen Studien wurden durch Partikelinhalation lokale

Entzündungsreaktionen am Atemtrakt festgestellt mit erhöhten Protein- und Zellgehalten in der

bronchoalveolären Lavage. In einigen (nicht allen!) Untersuchungen konnten auch Veränderungen der

Lungenfunktionsparameter gemessen werden. Ebenfalls über entzündungsähnliche Reaktionen

wurden Funktionsveränderungen des Herzens mit Rhythmusstörungen, Änderungen der Blutviskosität

und der Blutgerinnung, Veränderung der Blut(mikro)zirkulation in Abhängigkeit von Partikelinhala-

tionen gefunden. Im Zusammenhang mit einer Luftschadstoffepisode 1985 wurden vergleichbare

Effekte auch bei Herz-Kreislauf-Patienten gemessen – diese Wirkungen können etwas verzögert

auftreten.

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Luft - Außenluftbelastung - Außenluftbelastung durch Verkehrsemissionen

115

Erkenntnisse aus der Epidemiologie beim Menschen: Kurzzeiteffekte und Langzeiteffekte

Methodische Vorbemerkungen/Einschränkungen: Generell entfällt bei epidemiologischen Untersu-

chungen das Problem der Übertragbarkeit vom Tier auf den Menschen und die Frage, inwieweit ein –

artifizielles – Design eines Experiments die Realität tatsächlich abbildet. Da die Realität in ihrer

Gesamtheit erfasst wird und da bei Partikelbelastung stets auch andere Schadstoffe zeitgleich

auftreten, ist es nur durch differenzierte statistische Verfahren möglich, deren (Summen)-Wirkung

getrennt zu berechnen. Grundsätzlich können in epidemiologischen Untersuchungen nur Assozia-

tionen (Korrelationen, statistische Zusammenhänge) gemessen werden. Eine Kausalität (ursächliche

Zusammenhänge) kann aus epidemiologischen Untersuchungen nicht unmittelbar abgeleitet werden.

Hierzu ist u. a. ein plausibles biologisches Modell und dessen experimentelle Überprüfung (z. B. im

Tierversuch oder in kontrollierten klinischen Studien, s. o.) nötig.

Epidemiologie – Kurzzeiteffekte1: Verschiedene Studien zeigen, dass bei einer kurzfristigen Zunahme

der PM10-Konzentration um 10µg/m3 mit folgenden gesundheitlichen Auswirkungen zu rechnen ist:

Anstieg der Sterblichkeit um 0,7%,

Anstieg der Krankenhausaufnahmen wg. Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Krankheiten um 0,8%,

Erhöhung des Medikamentenverbrauchs bei Asthmatikern um 3,4%.

Gerade ultrafeine Partikel scheinen z. B. über erhöhte Pulsraten und erhöhte Plasmaviskosität

(Zähigkeit des Blutes) besonders starke Effekte auszulösen – gefährdet sind insbesondere ältere

Menschen mit Vorerkrankungen.

Epidemiologie – Langzeiteffekte2: Hierzu wurden bisher eine Reihe von epidemiologischen Studien in

unterschiedlichen Bevölkerungen bei mehreren zigtausenden von Menschen über 10-15 und mehr

Jahre ausgewertet und nachevaluiert. Diese zeigen, dass eine zusätzliche Feinstaubkonzentration

(PM2,5) von 10µg/m3 im Jahresmittel zu folgenden gesundheitlichen Auswirkungen führt:

Anstieg der Sterblichkeit um insgesamt 6%,

Anstieg der Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 9%,

Anstieg der Sterblichkeit an Lungenkrebs um 14%.

Diese Ergebnisse wurden unter den vorhandenen Konzentrationen an Partikeln und Luftschadstoffen

in der Umwelt erhalten. Das heißt, bei den vorhandenen Belastungen werden die genannten Effekte

gemessen; ein „Sicherheitsabstand“ existiert nicht. Darüber hinaus konnte aus den epidemiologischen

Studien kein Wirkungsschwellenwert abgeleitet werden (VDI, 2003). Das heißt, die Absenkung des

Grenzwerts (und dessen Einhaltung) ist aus umweltmedizinischer Sicht vordringlich. Dies wird

angesichts der großen Auswirkungen auf die Gesundheit zu einer messbaren und relevanten

Minderung des gesundheitlichen Risikos für die Bevölkerung führen. Für die Bundesrepublik Deutsch-

land wurde 2004 eine Risikoabschätzung zur Übersterblichkeit durch Partikel und zur Verhinderung

vorzeitiger Todesfälle durch Reduzierung der Partikelbelastung durch Einsatz von Partikelfiltern beim

Einsatz von Dieselfahrzeugen publiziert3.

1 Peters A, Heinrich J, Wichmann HE: Gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub – Epidemiologie der Kurzzeiteffekte. Umweltmed Forsch Prax (2002) 7: 101-115. 2 Heinrich J, Grote V, Peters A, Wichmann HE: Gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub – Epidemiologie der Langzeiteffekte. Umweltmed Forsch Prax (2002) 7: 91-99. 3 Wichmann HE: Positive gesundheitliche Auswirkungen des Einsatzes von Partikelfiltern bei Dieselfahrzeugen – Risikoabschätzung für die Mortalität in Deutschland. Umweltmed Forsch Prax (2004) 9: 85-99.

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Luft - Raumluft - Allgemeines

116

Bezogen auf die jährlichen Sterbefälle in Deutschland durch 10µg PM2,5/m3 wurde ermittelt:

Sterblichkeit gesamt - + 48.000

Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen - + 41.400

Sterblichkeit an Lungenkrebs - + 5.600.

Eine Reduktion der PM 2,5-Belastung um 3µg/m3, wie sie zum Beispiel durch den Einsatz des

Dieselfilters erreicht werden kann, bedeutet dann eine Verringerung der Sterbefälle im Jahr um 14.400

Gesamtsterbefälle, 12.400 Herz-Kreislauf-Tote und 1.680 Verstorbene an Lungenkrebs.

Vor diesem Hintergrund ist aus umweltmedizinischer Sicht die Absenkung der Grenzwerte für die

Feinstaub-Immissionen und Maßnahmen zur Reduzierung des Feinstaubausstoßes bei Dieselfahr-

zeugen zu begrüßen.

Raumluft

Allgemeines

In unseren Breiten verbringen die Menschen den weitaus größten Teil ihres Tages, ihres Lebens in

geschlossenen Räumen. Vor diesem Hintergrund kommt einem guten und gesunden Raumklima eine

besondere Bedeutung zu, wobei die Schadstoffbelastung möglichst zu minimieren ist.

Die Innenraumluft kann auf verschiedenem Wege mit Schadstoffen belastet werden:

- belastete Außenluft, z.B. an vielbefahrenen Straßen,

- Belastungen durch Emittenten im unmittelbaren Umfeld, z.B. Gewerbebetriebe wie Chemisch-

Reinigungen oder Tankstellen,

- Belastungen durch Emissionen von Baumaterialien, z.B. Formaldehyd aus Spanplatten,

Pentachlorphenol aus entsprechend behandelten Hölzern, Asbest, Polychlorierte Biphenyle aus

Fugendichtmassen, Flammschutzmitteln etc.,

- Belastungen durch Aktivitäten der Menschen selbst, z.B. Lösemittel aus Hobbygegenständen,

Stickoxide durch Heizungen, Nebenstromrauch durch Rauchen im Raum.

In aller Regel ist die Außenluft weniger belastet als die Innenraumluft, sodass durch Lüften eine Ver-

besserung der Raumluftsituation herbeigeführt werden kann. An vielbefahrenen Straßen jedoch kann

es aber auch zu entsprechend höheren Raumluftbelastungen kommen, wie z.B. die Duisburger Wohn-

raumstudie zeigen konnte.

Innenraumbelastungen durch benachbarte Gewerbebetriebe

Aber auch an Wohnungen angrenzende oder sehr nahe in deren Umfeld gelegene Gewerbebetriebe

können zu erheblichen Belastungen in Wohnungen führen. Hier haben wir Untersuchungen zur Per-

chlorethylen-Belastung im Umfeld von Chemischreinigungen in Frankfurt durchgeführt, einschließlich

der inneren Perchlorethylen-Belastung der Bewohner. Ein erster Untersuchungsgang 1987/8 hatte

teilweise recht hohe Belastungen gezeigt. Nach gesetzlicher Festsetzung eines Grenzwertes und der

Forderung nach Minderungsmaßnahmen 1990 konnte dann eine zweite Untersuchungsserie 1990/1

den Erfolg dieser Reglementierung zeigen: So hohe Raumluft- oder Blutbelastungen wie 1987/8

wurden nicht mehr gefunden (s. S. 118).

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Luft - Raumluft - Allgemeines

117

Eine vergleichbare Untersuchung haben wir 1993 und 1996 im Umfeld von Tankstellen durchgeführt,

die zweite Untersuchung in Zusammenarbeit mit dem Institut für Hygiene und Umweltmedizin der

Universität Gießen (s. S. 120).

Innenraumbelastungen durch Baumaterialien

Bereits in den 1980er Jahren war die Frage der Formaldehyd- und Pentachlorphenol-Belastung in

Frankfurter Kindereinrichtungen untersucht worden; bei auffälligen Werten wurden Sanierungsmaß-

nahmen eingeleitet. 1986/7 wurde dann durch das Gesundheitsamt die Asbestproblematik aufge-

griffen. In der Folge wurden seitens der Stadt umfangreiche Untersuchungs- und Sanierungspro-

gramme durchgeführt (s. S. 193).

Zu Beginn der 1990er Jahre wurde – nach dem Produktions- und Verwendungsverbot der polychlo-

rierten Biphenyle – der Frage der PCB-Belastung in Innenräumen zunehmende Beachtung geschenkt.

Nach intensiver Vorbereitung und Recherchen seitens der Stadt (Gesundheitsamt, Hochbauamt,

Stadtschulamt) wurden unmittelbar nach Veröffentlichung des Hessischen PCB-Erlasses Untersu-

chungen in den städtischen Kindertagesstätten durchgeführt; in den Einrichtungen mit sanierungs-

pflichtigen Raumluftwerten wurden den Mitarbeiterinnen auf freiwilliger Basis Untersuchungen ihrer

inneren PCB-Belastung (Human-Biomonitoring-Untersuchungen) angeboten (s. S.199).

Nach Dioxinfunden in den Räumen einer Schule wurden auch hier weitere Ambiente- und Human-

biomonitoring-Untersuchungen durchgeführt (s. S. 201).

Angesichts häufiger Klagen über Innenraumluft-Probleme in den sog. IPI-Schul-Bauten führten wir

umfangreiche Untersuchungen zur Luft- und Lärmbelastung in diesen Einrichtungen durch. Dabei

zeigte sich die auch aus Untersuchungen in anderen Städten immer wieder zu beobachtende

Tatsache, dass der Pausenlüftung nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wird. Durch regelmäßige

Querlüftung werden nicht nur Emissionen von Materialien (z.B. Teppichböden aber auch

Bastelartikel), sondern auch die durch die Raumnutzer selbst verbrauchte Luft und insbesondere das

Kohlendioxid CO2) aus dem Raum entfernt und durch frische Außenluft ersetzt (s. S. 207).

1997 „entdeckten“ wir im Rahmen unserer umweltmedizinischen Sprechstunde eine „neue Altlast im

Innenraum“, das Problem der PAK-haltigen Parkettkleber (Parkettkleber mit polyzyklischen aroma-

tischen Kohlenwasserstoffen). Durch Ritzen im Parkett können diese teilweise als krebserzeugend

eingestuften Stoffe in den Hausstaub gelangen und damit zu einer Exposition insbesondere der am

Boden spielenden Kleinkinder führen. Hier bot das Gesundheitsamt im Jahre 1998 den betroffenen

Familien aus diesen Wohnungen (ehemalige US-Housing) eine spezielle umweltmedizinische Sprech-

stunde einschließlich Humanbiomonitoringuntersuchungen an (s. S. 150). Dabei wurden – angesichts

von Pestizidfunden in Hausstaubproben – auch Pestizide in Hausstäuben und bei den Bewohnern

untersucht (s. S. 151).

Innenraumbelastung durch Aktivitäten der Menschen, insbesondere durch Rauchen

Die mit Abstand bedeutendste Innenraumnoxe ist das Passivrauchen – sowohl was die Häufigkeit als

auch was das Ausmaß an gesundheitlicher Belastung anbetrifft. Im Zigarettenraum sind mehrere

Tausend Stoffe analysiert worden, darunter auch zahlreiche krebserzeugende Stoffe, die im Neben-

stromrauch oft in höheren Konzentrationen vorliegen als im Hauptstromrauch, den der Raucher selbst

inhaliert. Aber auch zahlreiche haut- und schleimhautreizende Stoffe wie z.B. Formaldehyd, Stick-

oxide und feine Partikel sind im Nebenstromrauch enthalten.

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Luft - Raumluft - Perchlorethylenbelastung im Umfeld von Chemischreinigungen

118

Vor diesem Hintergrund hat das Amt verschiedene Umfragen zum Passivrauchen durchgeführt – im

Amt selbst und auf verschiedenen Informationsveranstaltungen zu Passivrauchen am Arbeitsplatz (s.

S. 126). Es hat an den Nichtraucherschutzregelungen für die Stadtverwaltung mitgewirkt und immer

wieder zu den gesundheitlichen Auswirkungen des Passivrauchens informiert.

Im Zusammenhang mit der Frage von Schadstoffbelastung im Hausstaub wurde eine große umwelt-

epidemiologische Untersuchung bei Bewohnern der ehemaligen US-Housing durchgeführt. Die

Auswertung der Symptome und Beschwerden der Kinder in diesen Wohnungen erbrachte keine

konsistenten Hinweise auf Zusammenhänge mit den gemessenen äußeren und inneren Belastungen

an PAK und Pestiziden, aber signifikante Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß der Passivrauch-

belastung in der Wohnung und verschiedenen Symptomen der Haut und der Schleimhäute, insbe-

sondere der Atemwege (s. S. 131).

Perchlorethylenbelastung im Umfeld von Chemischreinigungen

Erste Untersuchungen des Bundesgesundheitsamtes im Jahr 1986 hatten ergeben, dass in unmittel-

barer Nachbarschaft zu Chemischreinigungen auffällig hohe Gehalte an Perchlorethylen in Lebens-

mitteln und in der Raumluft auftreten können. Diese Befunde wurden bei Untersuchungen in zahl-

reichen Städten bestätigt, so auch in Frankfurt am Main. Der Handlungsbedarf war erkannt, die 2.

Bundes-Immissionsschutz-Verordnung wurde 1990 novelliert1 und ein Grenzwert von 0,1mg Perchlor-

ethylen pro Kubikmeter Raumluft in an Chemischreinigungen angrenzenden Wohnungen verbindlich

festgeschrieben.

Bei der ersten Untersuchung in Frankfurt 1987/88 wurden allgemein sehr hohe Raumluftwerte in der

Nachbarschaft von Chemischreinigungen gemessen, der Mittelwert lag bei 4,95mg PER/m3, der

Maximalwert betrug 96mg/m3. Bis 1990/91 hatte die durchschnittliche Raumluftbelastung auf ein

Drittel des Wertes von 1987/88 abgenommen. Dies betraf sowohl den Mittelwert (Abnahme von 4,9

auf 1,6mg/m3) als auch den Medianwert (Abnahme von 0,87 auf 0,25mg/m3). Auch in der Einteilung

nach Belastungsklassen zeigte sich eine deutliche Besserung. Zwischen 1987/88 und 1990 hatten

zunächst die extrem hohen Werte > 5mg/m3 reduziert werden können. Trotz dieser Verbesserungen

überschritten 1990/91 aber immer noch 81% der untersuchten Reinigungen den Immissionsgrenzwert

von 0,1mg/m3. Der Grenzwert für Altanlagen von 1mg/m3 wurde noch von 42% der Reinigungen nicht

eingehalten, und dies weitgehend unabhängig von dem Reinigungsverfahren bzw. der Maschinenart

(offen/geschlossen). Es bestand also weiterhin ein erheblicher Verbesserungsbedarf.

Auch die Perchlorethylenbelastung im Blut von Anwohnern von Chemischreinigungen nahm zwischen

1987/8 und 1990/1 deutlich ab, sie lag 1990 in etwa in dem Bereich, der 1987/8 noch bei

Kontrollpersonen, die nicht im Umfeld von Chemischreinigungen wohnten, vorhanden war. Lag der

Perchlorethylengehalt im Blut im Jahre 1987/8 nur bei 50% der untersuchten Anwohner unter 2µg/l, so

wurde dieser Wert im Jahre 1990/1 bei nahezu 90% der Anwohner unterschritten.

1 Zweite Verordnung zur Durchführung des Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Emissionsbegrenzung von leicht flüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen, 2. BimSchV) BGBl I (1990) S. 2694-2700.

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Luft - Raumluft - Perchlorethylenbelastung im Umfeld von Chemischreinigungen

119

Abb. 52 Perchlorethylenbelastung in Wohnungen und bei Anwohnern im unmittelbaren, direkten Umfeld von Chemischreinigungen sowie in der weiteren Umgebung

Abb. 53 Perchlorethylenbelastung in Wohnungen und bei Anwohnern im unmittelbaren Umfeld von Chemischreinigungen (Raumluft mg/m³; Blut: µg/l)

Ab 1992 untersuchte das Gesundheitsamt auf der Grundlage der novellierten Verordnung im Auftrag

des Staatl. Amtes für Immissions- und Strahlenschutz gezielt das Umfeld der Reinigungen, deren

Immissionswerte bei früheren Messungen überhöht gewesen waren (gezielte Negativauswahl). Das

Staatliche Amt für Immissions- und Strahlenschutz nahm je nach Höhe der Messwerte in den

Betrieben abgestufte Reaktionen vor (Tab. 42).

Obwohl nach Inkrafttreten der novellierten Verordnung im März 1991 gezielt nur noch Reinigungen mit

bekannt ungünstigem Immissionsverhalten untersucht wurden, war bis Ende 1994 die durchschnitt-

liche Innenraumluft-Belastung im Umfeld dieser Chemischreinigungen auf 0,142mg/m3 gesunken und

betrug damit weniger als 5 Prozent der noch 1987 festgestellten durchschnittlichen Belastung. 60%

der überprüften Reinigungsbetriebe – die überdies noch eine Negativauswahl darstellten – hielten den

Grenzwert von 0,1mg/m3 ein, während 1990/91 nur 19% und 1987/88 nur 13% der Betriebe diesen

Immissionswert unterschritten hatten. Sämtliche überprüften Reinigungen hielten 1994 den

ehemaligen Grenzwert für Altanlagen von 1,0mg/m3 ein. In den Jahren 1990/91 hatten noch 42% der

Reinigungen diesen Wert überschritten, 1987/88 hatten 57% der Reinigungen höhere Immissions-

werte in ihrer Nachbarschaft verursacht.

0

1

2

3

4

5

6

7

direkt Umgebung

mg

/m3

1987/8 Luft

1990/91 Luft

0

1

2

3

4

5

6

7

direkt Umgebung

µg

/l

1987/8 Blut

1990/1 Blut

Perchlorethylen in der Raumluft

0%

20%

40%

60%

80%

100%

1987/8 1990/1

>5

1-<5

0,1-<1

<0,1

Perchlorethylen im Blut

0%

20%

40%

60%

80%

100%

1987/8 1990/1

>10

5-<10

2-<5

<2

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Luft - Raumluft - Benzol im Umfeld von Tankstellen und spezifische Belastung bei den Anwohnern

120

Tab. 42 Perchlorethylen in der Raumluft von Wohnungen in der Nachbarschaft von Chemischreinigungen in Frankfurt am Main von 1987 bis 1994.

1987/88 1990/91 1992 1993 1994

Untersuchte Wohnungen (n) 67 131 51 28 10

Probenzahl (n) 108 286 103 66 21

Mittelwert (mg/m³) 4,95 1,60 0,21 0,42 0,14

Median (mg/m³) 0,87 0,25 0,04 0,04 0,07

Maximalwert (mg/m³) 96,87 59,13 2,36 9,17 0,64

Reinigungen in Frankfurt (n) 120 104 103 65 65

Untersuchte Reinigung (n) 44,16 9,67 28 22 10

War die Verbesserung zwischen 1987/88 und 1990/91 im Wesentlichen eine Folge von Umbau- und

Sanierungsmaßnahmen sowie der Umstellung der Reinigungstechnik auf moderne und geschlossene

Maschinen, so ist die weitere Verbesserung eher auf einen sachgerechteren Umgang mit dem

Reinigungsmittel – in der neuen BImSchV wird erstmals auch ein Sachkundenachweis für das Per-

sonal gefordert – sowie auf Betriebsschließungen, Umstellung auf Annahmestellen und Konzentration

auf technisch einwandfrei arbeitende Betriebe zurückzuführen. Neue Chemischreinigungen in

Wohngebieten wurden in Frankfurt nicht mehr beantragt. Als Folge der Grenzwerte der 2. BImSchV

setzten die Reinigungsbetreiber damit eine wichtige präventivmedizinische Forderung auch ohne

planungsrechtliche Festschreibung um, nämlich die Trennung der Doppelnutzung von Wohnen und

Chemischreinigen in Wohnhäusern. Die Zahl der Reinigungsbetriebe in Wohn-/Mischgebieten in

Frankfurt nahm seit Inkrafttreten der neuen 2. BImSchV bis 1994 um mehr als 40% ab; drei davon

wurden behördlich geschlossen. Entgegen früher geäußerter Vermutungen kann bei modernster

Reinigungstechnik und sachgerechtem Umgang der Immissionsgrenzwert von 0,1mg/m3 durchaus

eingehalten werden. Die 2. BImSchV ermöglicht die notwendigen Kontrollen und Auflagen.

Falls die Verbraucher selbst bei ihrem Kauf vermehrt auf die Waschbarkeit der Kleidung achten,

können sie durch ihr Verhalten nicht nur zur Verminderung der Umweltbelastung beitragen, sondern

auch ihre eigene Belastung reduzieren. In Nordrhein-Westfalen hatten Probanden mit chemisch

gereinigter Kleidung in der Wohnung teilweise deutlich höhere Blutbelastungen als Anwohner von

Chemischreinigungen.

Benzol im Umfeld von Tankstellen und spezifische Belastung bei den Anwohnern

Gewerbebetriebe im Wohnumfeld können zu deutlichen Schadstoffbelastungen in den unmittelbar

angrenzenden Wohnungen führen. Analog zu unseren Untersuchungen zur Perchlorethylen-

Belastung im Umfeld von Chemischreinigungen (s. S 118) führten wir 1993 eine erste Untersuchung

zur Benzol-Belastung im Umfeld von Tankstellen in Frankfurt durch. Dabei wurden doppelt so hohe

Benzolgehalte in der Außenluft und Raumluft im unmittelbaren Umfeld von Tankstellen (bis 50m)

gefunden als in Kontrollwohnungen. Auch hier war also – wiederum in Analogie zur Situation im

Umfeld von Chemischreinigungen - Handlungsbedarf gegeben.

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Luft - Raumluft - Benzol im Umfeld von Tankstellen und spezifische Belastung bei den Anwohnern

121

Tab. 43 BTXE-Immissionen (Benzol, Toluol, Xylol, Ethylbenzol) im Umfeld von Tankstellen und in Kontrollwohnungen in Frankfurt am Main, 1993

Tankstellen (32 Wohnungen) Kontrollen (7 Wohnungen) Mittelwert

µg/m³ Max. Wert

µg/m³ Median µg/m³

Mittelwertµg/m³

Max. Wert µg/m³

Median µg/m³

Benzol innen außen

10,2 9,3

22,4 20,3

9,9 9,1

5,6 4,8

8,0 7,1

5,7 5,0

Toluol innen außen

139,8 100,5

1920,5 510,2

38,1 33,1

52,9 14,3

78,0 34,3

56,2 11,2

Ethylbenzol innen außen

3,0 2,3

13,5 5,7

2,3 1,7

7,1 1,4

20,5 2,1

2,3 1,3

m/p Xylol innen außen

16,9 15,8

73,5 78,4

14,1 15,2

29,6 6,6

87,0 8,4

10,6 6,4

o-Xylol innen außen

3,3 2,1

26,9 4,8

1,7 1,7

4,2 1,5

10,2 2,2

2,7 1,5

Im gleichen Jahr, 1993, traten Verordnungen zur Minimierung der Benzol-Immission im Tankstellen-

bereich in Kraft, die sog. Gaspendelverordnung (21. BImSchV und 22. BImSchV)1, die die Tank-

stellenbetreiber verpflichteten, ihre Tankstellen je nach Größe und Umsatz des Betriebs bis 1996-

1998 mit Gasrückführungssystemen auszustatten.

1996 führten wir eine weitere Untersuchung zur Immissionsbelastung im unmittelbaren Umfeld von

Tankstellen durch, diesmal erweitert durch eine Untersuchung der personenbezogenen Atemluft auf

ca. 70 leichtflüchtige organische Substanzen und der inneren Benzol-Belastung im Blut der Anwohner

– wiederum im Vergleich mit einer kleinen Kontrollgruppe.

1993 waren 32 Wohnungen um Umfeld von 12 Tankstellen untersucht worden und mit 12

Kontrollwohnungen ohne Tankstellen in der Umgebung verglichen worden. Die Probenahme war im

Winter 1993 mit Passivsammlern (ORSA-Röhrchen) über 3-4 Werktage vorgenommen worden. 1996

wurde in 17 dieser Wohnungen und in 6 Kontrollwohnungen ebenfalls die Immissions-Situation mittels

Passivsammlern beprobt, wobei die Probenahmedauer diesmal 14 Tage betrug und demnach nicht

nur die werktägliche Belastungssituation erfasste, sondern auch die Wochenenden. Darüber hinaus

wurden bei 30 Teilnehmern (23 Tankstellenanwohner (8 Raucher, 15 Nichtraucher) und 7

Kontrollpersonen (3 Raucher, 4 Nichtraucher) Blutuntersuchungen auf Benzol durchgeführt, wobei die

Proben in den Wohnungen der Teilnehmer selbst entnommen wurden (unter Exposition). 13

Tankstellenanwohner und die 6 Kontrollpersonen nahmen darüber hinaus das Angebot zur

Untersuchung der personenbezogenen Atemluft mittels am Oberkörper zu tragender Passivsammler

an. Bei den hier interessierenden Stoffen, die nur eine kurze Halbwertszeit im Körper haben und rasch

wieder ausgeschieden werden, die also für ein Humanbiomonitoring weniger geeignet sind, kann die

Untersuchung der personenbezogenen Atemluft die tatsächliche individuelle Belastung gut erfassen,

quasi als Ersatz für ein Humanbiomonitoring im eigentlichen Sinn (s. S. 179). Parallel zur

Untersuchung über 7 Tage führten die Teilnehmer ein umfangreiches Tagebuch über ihre Tätigkeiten,

Aufenthaltsdauern in verschiedenen Räumen etc.

1 Zwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen beim Umfüllen und Lagern von Ottokraftstoffen – 20. BimSchV) BGBl (1992) 1727-1729. Und Einundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen – 21. BimSchV) BGBl (1992) 1730-31.

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Luft - Raumluft - Benzol im Umfeld von Tankstellen und spezifische Belastung bei den Anwohnern

122

Die Tankstellenanwohner berichteten 1996 über eine deutliche Verbesserung der Immissionssituation

seit 1993. Alle untersuchten Tankstellen hatten inzwischen die 20. BImSchV umgesetzt, während dies

bei der 21. BImSchV nur auf die Hälfte der Tankstellen zutraf.

Ergebnisse:

1. Die Immissionssituation war 1996 deutlich günstiger als 1993 (Abb. 54). Selbst im

Tankstellenumfeld wurden Benzol- und Toluolgehalte gemessen, die unter den 1993 in den

Kontrollwohnungen erhaltenen Konzentrationen lagen. Es kann geschlossen werden, dass sich

die Immissionssituation – nicht zuletzt durch die ergriffenen staatlichen Maßnahmen – deutlich

verbessert hat; allerdings ist nicht auszuschließen, dass auch die Unterschiede in der Jahreszeit

(Sommer vs. Winter) und die modifizierte Probenahmedauer (14 Tage incl. Wochenenden vs. 3-4

Werktage) die gemessenen Gehalte günstig beeinflusst hat.

2. Während 1993 in Wohnungen im Umfeld der Tankstellen doppelt so hohe Immissionsbelastungen

gefunden wurden wie im Umfeld der Kontrollwohnungen, war dieser Unterschied 1996 nicht mehr

gegeben (Abb. 54). Die Immissionsbelastung im Umfeld von Tankstellen war von der Belastung

der Kontrollwohnungen nicht mehr unterschieden. Dies weist auf die Verbesserung der

Immissionssituation durch Tankstellen hin – nach Umrüstung mit dem Gaspendelsystem und der

Reduktion des zulässigen Benzolgehalts im Benzin.

Auch die innere Benzolbelastung im Blut der Tankstellenanwohner unterschied sich 1996 nicht

von der Benzolbelastung im Blut der Kontrollpersonen (0,1140,224 vs. 0,1110,148µg/l).

Deutliche Unterschiede wurden aber zwischen Rauchern und Nichtrauchern gefunden, Raucher

hatten sehr viel höhere Benzolgehalte im Blut als Nichtraucher – unabhängig vom Wohnumfeld.

Die Belastung mit Zigarettenrauch wurde durch Bestimmung vom Cotinin im Urin, einem

Abbauprodukt von Nikotin, objektiviert. Hier zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen

dem Benzol-Gehalt im Blut und dem Cotinin-Gehalt im Urin (Abb. 55). Der Benzol-Gehalt von

0,2µg/l Blut wurde von allen Nichtrauchern unter-, von allen Rauchern überschritten.

Abb. 54 Benzol- und Toluolbelastung in Wohnungen im Umfeld von Tankstellen und in Kontrollwohnungen – Vergleich 1993 und 1996

Benzol in der Raum- und Außenluft

0

2

4

6

8

10

12

1993 Tank 1996 Tank 1993 Ko 1996 Ko

µg/m3

Benzol (i)

Benzol (a)

Toluol in der Raum- und Außenluft

0

20

40

6080

100

120

140

160

1993 Tank 1996 Tank 1993 Ko 1996 Ko

µg/m3

Toluol (i)

Toluol (a)

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Luft - Raumluft - Benzol im Umfeld von Tankstellen und spezifische Belastung bei den Anwohnern

123

Abb. 55 Korelation zwischen Benzol-Gehalt im Blut und Cotinin-Gehalt im Urin

3. Auch die Untersuchung der personenbezogenen Atemluft ließ keinen systematischen Unterschied

zwischen Tankstellenanwohnern und Kontrollpersonen erkennen. Die Belastung war insgesamt

deutlich niedriger als in einer Untersuchung des Umweltbundesamtes im Jahre 1990 (Abb. 56).

Auch hier konnte der Einfluss des Rauchens bestätigt werden: Den höchsten Benzolgehalt in der

personenbezogenen Atemluft (10,3µg/m³) wies ein Kettenraucher auf; in der Gesamtgruppe

ließen sich signifikante Korrelationen zwischen dem Benzolgehalt im Blut und der Anzahl der

täglich gerauchten Zigaretten (r=0,612, p<0,001) und dem Cotiningehalt im Urin (r=0,521, p<0,05)

erkennen.

Auch andere Maximalwerte waren durch private oder berufliche Belastungen zu erklären. So war

der höchste Toluolwert (458µg/m³) bei einer Frau durch ihre Arbeit in einer Schuhfabrik

verursacht; hohe Werte an Ethylbenzol / m-pXylol (11µg/m³ / 18µg/m³) waren durch

Renovierungsarbeiten während der Untersuchungsphase erklärt. Der Maximalwert des als

Antiklopfmittel eingesetzten Methyl-tertiär-Butylether (20µg/m³) wurde bei einer Kontrollpersonen

gefunden, die während der Untersuchungszeit mehr als 20 Stunden im Auto gefahren war.

Zusammenfassend bestätigen die Untersuchungen die auch von den Anwohnern der Tankstellen

selbst wahrgenommenen Verbesserungen in der Immissions-Situation zwischen 1993 und 1996. 1996

waren in Wohnungen im Umfeld von Tankstellen und bei den Tankstellenanwohnern keine

systematisch höheren Belastungen mehr gefunden worden als in Kontrollwohnungen und bei

Kontrollpersonen. Offenbar zeigte die Umsetzung der neuen gesetzlichen Anforderungen für

Tankstellen Wirkung (20. Und 21. BImSchV).

Zur weiterhin aktuellen Problematik verkehrsbedingter Luftschadstoffe s. S. 110.

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Luft - Raumluft - Benzol im Umfeld von Tankstellen und spezifische Belastung bei den Anwohnern

124

Abb. 56 Leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe in der Atemluft von Anwohnern von Tankstellen und von Kontrollpersonen in Frankfurt 1996 – im Vergleich mit einer Untersuchung des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 1990

Alkane einschl. Cycloalkane

0 5 10 15 20

Methylcyclohexan

Cyclohexan

Methylcyclopentan

4-Methylheptan

3-Methylheptan

2-Methylheptan

2-Methylhexan

2,3-Dimethylpentan

3-Methylpentan

n-Tetradecan

n-Tridecan

n-Dodecan

n-Undecan

n-Decan

n-Nonan

n-Octan

n-Heptan

n-Hexan

µg/m3

UBA-Vergleich

Kontrollen

Tankstellen

Aromaten und Sauerstoff-enthaltende Verbindungen

0 20 40 60 80

Methyl-tert-Butylether

n-Butanol

n-Butylacetat

Ethylacetat

Tetralin

Styrol

1,3,5-Trimethylbenzol

1,2,4-Trimethylbenzol

1,2,3-Trimethylbenzol

3- und 4-Ethyltoluol

2-Ethyltoluol

n-Propylbenzol

o-Xylol

m/p-Xylol

Ethylbenzol

Toluol

Benzol

µg/m3

UBA-Vergleich

Kontrollen

Tankstellen

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Luft - Raumluft - Passivrauchen

125

Passivrauchen

Einleitung

Vergleichbar der hohen Bedeutung der verkehrsbedingten Schadstoffe für die Außenluft ist die

Passivrauchbelastung für die Raumluft zu sehen.

Im Zigarettenrauch konnten bislang mehrere Tausend Inhaltsstoffe nachgewiesen werden, viele da-

von sind im Nebenstromrauch, den der Passivraucher einatmet, in höheren Konzentrationen

vorhanden als im Hauptstromrauch, den der Raucher selbst inhaliert. Darunter sind zahlreiche krebs-

erzeugende Substanzen, u.a. auch Benzol, Benzo-a-pyren und andere polyzyklische aromatische

Kohlenwasserstoffe, aromatische Amine, aber auch Stoffe, die eher die Schleimhäute und Atemwege

reizen, wie z.B. Formaldehyd, Stickoxide etc. und auch kleine Partikel, die gerade in jüngster Zeit als

Auslöser von Atemwegssymptomen diskutiert werden.

In Deutschland werden etwa 1% der Arbeitnehmer unfreiwillig dem Nebenstromrauch von Kollegen

ausgesetzt und etwa 50% der Kinder unter 15 Jahren in ihrer Wohnung „passiv beraucht“.

Demzufolge ist Passivrauchen der „Schadstoff Nr. 1 am Arbeitsplatz (MAK-Kommission) und der

„Umweltschadstoff Nr. 1“ für Kinder.

Tab. 44 Inhaltsstoffe des Zigarettenrauchs, insbesondere des Nebenstromrauchs

Nebenstrom-rauch (NS)

Nebenstrom-rauch/Haupt-stromrauch

Gasphase* Kohlenmonoxid 25-50mg 2,5 Kohlendioxid 80-480mg 8,1 Methan 4mg 3,1 Acetylen 22µg 0,8 Ammoniak 5800 73 Partikelphase* Teer 1-70mg 1,7 Nikotin 2,7-6,7mg 2,7 Toluol 600µg 5,6 Phenol 50-400µg 2,6 Naphthalen 45µg 16 Auswahl krebserzeugender Stoffe im Zigarettenrauch in ng/ Zigarette **

Benzo(a)pyren 68-136 3,4 Dimethylnitrosamin 680-823 19-129 Methylethylnitrosamin 9,4-30 5-25 Diethylnitrosamin 8,2-73 2-56 N-Nitrosonornikotin 500-2750 5 4-(N-methyl-N-nitrosamino)-1-(3-Pyridyl)1-butanon 800-2200 10 Nitrosopyrrolidin 204-387 9-76 Chinolin 18000 11 Methylchinoline 8000 11 Hydrazin 96 3 2-Naphthylamin 67 39 4-Aminobiphenyl 140 30 o-Toluidin 3000 19

* Byrd. Medical Clinics of North America (1992) 76: 377 ff; **Stock. Lancet (1980) 1082.

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Luft - Raumluft - Passivrauchen

126

Passivrauchen am Arbeitsplatz und Symptome der Atemwege

Passivrauchen führt nicht nur zu akuten (Geruchs)-Belästigungen, es erhöht auch das

Erkrankungsrisiko am Arbeitsplatz, z.B. an Bronchitis oder Lungenkrebs; was durch neuere

Untersuchungen – auch aus Deutschland – bestätigt wurde (Tab. 45 und Tab. 46). Während die

akuten Auswirkungen auf die Symptome der Atemwege durchweg signifikante Risikoerhöhungen um

20-89% zeigten, war das Krebsrisiko in der Studie des Bremer Instituts für Präventionsforschung und

Sozialmedizin für Passivraucher zwar etwas erhöht, erreichte aber – wohl angesichts der relativ

geringen Teilnehmerzahlen – nicht das Signifikanzniveau. Demgegenüber konnte in der größeren

Untersuchung des GFS (Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit) bei starker Exposition

gegenüber Nebenstromrauch am Arbeitsplatz ein signifikant erhöhtes Krebsrisiko festgestellt werden.

Tab. 45 Passivrauchen am Arbeitsplatz und Symptome der Atemwege

Symptome OR P 95 Giemen 1,50 1,2-1,9 Giemen, Kurzatmigkeit 1,45 1,1-1,9 Giemen ohne Erkältung 1,44 1,0-2,0 Nächtliche Atemnot 1,60 1,1-2,3 Kurzatmigkeit in Ruhe 1,45 1,0-2,3 Kurzatmigkeit nach Anstrengung 1,31 1,1-1,6 Nächtliche Kurzatmigkeit 1,56 1,1-2,2 Asthma, derzeit 1,90 1,3-2,9 Allergische Rhinitis 1,18 0,9-1,6

Janson et al. Lancet (2001) 358: 2103-2109

Tab. 46 Lungenkrebsrisiko für lebenslange Nichtraucher durch Passivrauchen am Arbeitsplatz

Exposition Kontrollen Fälle OR 95 CI BIPS-Studie Nie, bzw. gering 209 60 1,0 Referenz Relevant 17 6 2,6 0,89-7,79 Hoch 10 5 1,9 0,59-6,36 GSF-Studie Nie bzw. gering 1296 275 1 Referenz Relevant 79 13 1,23 0,65-2,34 Hoch 48 16 1,97 1,04-3,71

Jöckel K-H. Deutsches Ärzteblatt (2000) 97: C 2152-2157.

Umfragen zu Passivrauchen am Arbeitsplatz

Vor dem Hintergrund der o.g. Risiken am Arbeitsplatz haben wir verschiedene Umfragen zum

Ausmaß des Problems und zur Einstellung gegenüber Regelungen zum Nichtraucherschutz durch-

geführt. Nach einer ersten Pilotuntersuchung bei den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes selbst im

Februar 1991 zum Thema Passivrauchen am Arbeitsplatz führte das Gesundheitsamt 1991 zwei

weitere – nicht repräsentative - Umfragen im Rahmen von Öffentlichkeitsveranstaltungen durch: Auf

der Veranstaltung der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen „Tatort Büro“ vom 19.-20.

Juni und während der vom Gesundheitsamt veranstalteten „Gesundheitstage“ vom 16.-20.

September. Verwendet wurde ein Fragebogen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, der

neben den Fragen, ob, wo und wie man sich durch Tabakrauch belästigt fühlt, auch Fragen zu

Vorschlägen nach Regelungen für den Nichtraucherschutz enthielt.

Bei der HBV-Veranstaltung füllten 257 Personen den Fragebogen aus, bei den Gesundheitstagen

waren es 685 Personen. Das mittlere Alter der Teilnehmer lag bei 38,511,8 resp. 35,913,4 Jahren.

Mehr als die Hälfte der Teilnehmer fühlten sich durch Passivrauchen am Arbeitsplatz gestört, etwa

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Luft - Raumluft - Passivrauchen

127

90% der Nichtraucher, aber immerhin noch etwa ein Drittel der Raucher gaben an, sich durch den

Nebenstromrauch am Arbeitsplatz belästigt zu fühlen. Über 80% der Nichtraucher, aber auch noch

etwa 40% der Raucher klagten über schlechte Luft am Arbeitsplatz und fast jeder zweite Nichtraucher

sowie jeder sechste Raucher beschrieb Augenreizungen. Raucher und Nichtraucher stimmten weit-

gehend darin überein, dass der Nichtraucherschutz notwendig und regulierungsbedürftig wäre. Dabei

wurde eine Entscheidungsfindung durch Mehrheit oder Einstimmigkeit oder eine auf bestimmte Zeiten

oder Orte eingeschränkte Raucherlaubnis sowohl von Rauchern als auch von Nichtrauchern einem

generellen Rauchverbot vorgezogen.

Aus umwelt- und präventivmedizinischer Sicht ist zu wünschen, dass inzwischen verabschiedete

Nichtraucherschutzgesetze so umgesetzt werden, dass die „Arbeitsplatz-Noxe Nr. 1“ wirkungsvoll

reduziert werden kann.

Tab. 47 Ergebnisse von Umfragen des Gesundheitsamtes zum Problem des Passivrauchens und zum Nichtraucherschutz – auf verschiedenen Öffentlichkeitsveranstaltungen in Frankfurt am Main 1991 – Veranstaltung der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen „Tatort Büro“ und Veranstaltung des Gesundheitsamtes, „Gesundheitstage“

HBV-Umfrage (257) Gesundheitstage (685) Alle NR R Alle NR R

Fühlen Sie sich durch Tabakrauch am Arbeitsplatz belästigt?

ja 61,5 71,0 16,3 50,2 64,7 12,1 eingeschränkt 24,1 23,0 23,3 22,6 23,7 21,4 nein 14,4 5,1 60,4 27,2 11,6 66,5 Wo fühlen Sie sich belästigt? im unmittelbaren Arbeitsbereich 45,1 50,2 13,9 41,5 52,9 13,9 bei Besprechungen/Sitzungen 51,4 60,1 16,3 38,9 47,3 18,1 im Aufenthalts-/Pausenraum 33,4 39,9 4,6 35,9 46,6 8,8 in Toiletten 22,6 23,8 16,3 29,5 33,4 18,7 im Fahrstuhl 36,2 39,9 25,6 38,1 41,7 30,8 in Fluren/Korridoren 20,6 23,3 6,9 20,2 25,9 6,0 Wie fühlen Sie sich belästigt? schlechte Luft 78,6 87,0 39,5 68,0 80,3 39,5 Augenreizungen 40,0 46,1 16,3 38,7 47,7 15,4 Kopfschmerzen 28,7 32,6 9,3 22,8 27,6 11,0 Husten 21,4 24,8 6,9 21,5 27,2 6,0 Rauchgeruch in Kleidung/Haaren 63,0 73,0 11,6 59,4 74,6 24,2 allgem. gesundh. Beschwerden 14,4 15,5 9,3 15,9 20,3 6,0 Wie soll der Nichtraucherschutz geregelt sein?

Keine Beschränkung 0,8 0,5 0,7 4,0 1,0 11,6 Mehrheitsentscheidung 13,2 9,8 32,5 16,2 13,9 23,8 Nicht rauchen, wenn nicht alle einverstanden 36,9 36,7 46,5 28,7 30,7 23,8 Verbot, außer in Pausen 13,6 12,9 9,3 9,0 7,1 12,2 Verbot, außer an best. Orten 54,1 59,1 41,8 29,6 31,2 24,8 Generelles Rauchverbot 14,0 15,0 0,0 12,5 16,1 3,8

Nichtraucherschutz in Gaststätten

Im vergangenen Jahr sind in einigen Bundesländern Nichtraucherschutzgesetze in Kraft getreten, die

das Rauchen in Gaststätten, Restaurants etc. untersagen. Auch hierzu wurde aus dem Gesund-

heitsamt aus umweltmedizinischer Sicht Stellung genommen, gerade auch vor dem Hintergrund der

Diskussion um Feinstäube und deren gesundheitliche Problematik (s. auch S. 114). In einem Beitrag

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Luft - Raumluft - Passivrauchen

128

für das Hessische Ärzteblatt9 wurde unter Hinweis auch auf Messungen des deutschen

Krebsforschungszentrums (Tab. 48) und nach Hinweis auf die gesundheitsschädliche Wirkung des

Nebenstromrauchs einschließlich des Feinstaubs zusammengefasst: „Daten aus anderen Ländern, in

denen ein Rauchverbot besteht, zeigen, dass dort durch Umsetzung des Rauchverbots die Belastung

der Raumluft um mehr als 85-90% abnahm und die gesundheitliche Situation der Beschäftigten sich

nachweislich verbesserte. Kritiker eines effektiven Nichtraucherschutzes in Gaststätten behaupten

häufig, dadurch komme es möglicherweise zu Umsatzeinbußen und Arbeitsplatzvernichtung in der

Gastronomie. Dem widerspricht das DKFZ in einer umfangreichen und sehr lesenswerten Arbeit mit

aktuellen Daten aus zahlreichen Ländern. So blieben die Umsätze in Restaurants, Bars und Pubs

nach Einführung des Rauchverbots stabil, nicht nur in Irland, sondern auch in Norwegen und anderen

Ländern. Detaillierte Daten belegen, dass nach Einführung der rauchfreien Gastronomie sogar

zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen wurden, in Irland, verschiedenen Staaten der USA etc.“

Tab. 48 Durchschnittliche Konzentrationen lungengängiger Feinstäube (PM 2,5) in der Gastronomie und in Fernreisezügen in Deutschland - Messungen des Deutschen Krebsforschungszentrums, Sept. – Nov. 2005

Messungen PM 2,5 (Mittelwert)

Diskotheken 10 638 μg/m³ Bars/Kneipen 10 543 μg/m³ Zugbistros 20 464 μg/m³ Restaurants 40 223 μg/m³ Cafes 20 191 μg/m³ Restaurants, in denen nicht geraucht wurde 3 25 μg/m³

Vor diesem Hintergrund wird aus umwelt- und präventivmedizinischer Sicht das seit 2007 auch in

Hessen geltende Nichtraucherschutzgesetz begrüßt.

Passivrauchen und Gesundheitsgefahren für Kinder

Zu den Auswirkungen des Passivrauchens auf die Gesundheit der Kinder liegen Hunderte von

Untersuchungen vor mit insgesamt mehreren Hunderttausend untersuchten Kindern. In einer

Metaanalyse werteten Cook und Strachan 692 Untersuchungen aus10. Zu den Zusammenhängen

zwischen Passivrauchen und plötzlichem Kindstod wurden insgesamt 36 Untersuchungen mit ca.

8000 verstorbenen und ca. 2 Millionen „Kontroll“-Kindern nachausgewertet: Das Risiko an plötzlichem

Kindstod wird durch Passivrauchen etwa auf das Dreifache erhöht:

Tab. 49 Passivrauchbelastung durch die Mutter - plötzlicher Kindstod bei Säuglingen

Passivrauchen Studienn

OR (nicht adjustiert) Studien n

OR (adjustiert)

Pränatal (alle Studien) 34 2,77 (2,45-3,13) 19 2,08 (1,82-2,38) Pränatal (Kohortenstudien) 8 2,75 (2,12-3,57) 5 1,90 (1,45-2,50) Pränatal (Fall-Kontrollstudien) 28 2,77 (2,41-3,17) 16 2,13 (1,83-2,48) Postnatal 9 2,80 (2,00-3,93) 4 1,94 (1,55-2,43) Anderson, Cook: Thorax (1997) 52: 1003 – 1009. (Pränatal: vor der Geburt; postnatal: nach der Geburt)

9 Heudorf U, Mersch-Sundermann V, Eikmann T: Gesundheitsrisiko Passivrauchen. Zur Diskussion um den Nichtraucherschutz in öffentlichen Räumen und in der Gastronomie. Hessisches Ärzteblatt (2006) 67: 809-811. 10 deutsche zusammenfassende Darstellung dieser Arbeiten: Heudorf U: Passivrauchen und Erkrankungsrisiko bei Kindern. Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen.Pädiatrische Praxis (2001) 41: 679-689.

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Luft - Raumluft - Passivrauchen

129

Zu den Auswirkungen des Passivrauchens auf Atemwegssymptome und -erkrankungen incl. Asthma

bei Kleinkindern wurden 50 geeignete Publikationen evaluiert, mit insgesamt mehr als 50.000 Kindern.

Die Ergebnisse aller Studien stimmen recht gut überein und zeigen in den über alle Studien gepoolten

ODDS-Ratios jeweils das höchste Erkrankungsrisiko für das Kind, wenn die Mutter raucht (ca. 70%

höheres Risiko als Kinder aus Nichtraucherhaushalten), ein etwas geringeres Risiko, wenn ein

Elternteil – d.h. Vater oder Mutter – raucht (ca. 60% höheres Risiko). Aber selbst das Rauchen eines

anderen Familienmitglieds ist noch mit einem signifikant höheren Erkrankungsrisiko für die kleinen

Kinder verbunden (ca. 30% höheres Risiko). Die stärkere Auswirkung der Passivrauchbelastung durch

die Mutter als durch den Vater oder andere Familienmitglieder wird am ehesten dadurch erklärt, dass

allgemein die Mütter mehr mit kleinen Kindern zusammen sind als andere Familienmitglieder.

In einem weiteren Überblick haben die Autoren 113 Arbeiten zu Atemwegssymptomen und Asthma

bei Schulkindern betrachtet, mit insgesamt mehr als 200 000 Kindern aus allen Erdteilen (außer

Afrika). Wie schon bei den Kleinkindern wurde das höchste Risiko bei Passivrauchbelastung durch

beide Eltern gefunden (ca. 50-60% Risikoerhöhung), das Erkrankungsrisiko der Schulkinder ist bei

rauchenden Müttern deutlich größer als bei Zigarettenrauchen der Väter (30-40% Risikoerhöhung vs.

10-20%). Insgesamt sind die Risiken der Passivrauchbelastung durch die Eltern für Schulkinder

geringer als bei den Kleinkindern. Dies Ergebnis ist plausibel, da ältere Kinder weniger Zeit mit den

Eltern verbringen und somit das Rauchverhalten der Eltern weniger auf die Kinder einwirkt.

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation sind bis zu einem Viertel der Erkrankungen der

unteren Atemwege bei Kleinkindern dem Passivrauchen zuzuordnen und wären vermeidbar, das ent-

spricht ca. 300.000 bis 500.000 Erkrankungen jährlich in Europa. Vor diesem Hintergrund hat das

Gesundheitsamt immer wieder auf die Gesundheitsgefahren durch Passivrauch aufmerksam gemacht

– bei Eltern, aber auch bei (Kinder)Ärzten.

Tab. 50 Passivrauchen und Erkrankung der unteren Atemwege bei Kindern

(Anzahl der Studien und gepoolte Odds-Ratios) Ein Elternteil raucht Mutter raucht Vater raucht Anzahl der Studien / Odds-Ratios n OR n OR n OR Säuglinge und Kleinkinder 27 1,49 (1,40–1,58) 27 1,64 (1,55–1,73) 16 1,29 (1,19–1,41)Erkrankung der unteren Atemwege 24 1,46 (1,37–1,56) 23 1,61 (1,51–1,71) 13 1,27 (1,15–1,30)Erkrankung der unteren Atemwege, Bronchitis u/o Pneumonie

11 1,46 (1,35–1,59) 7 1,56 (1,43–1,71) 4 1,31 (1,16–1,48)

Bevölkerungsstudien – Giemen 5 1,54 (1,30-1,81) 7 1,98 (1,71-2,30) 3 1,19 (0,92-1,53) Krankenhausaufnahme – Erkrankung der unteren Atemwege, Bronchitis, Bronchiolitis, Pneumonie

8 1,45 (1,27-1,66) 9 1,54 (1,40-1,69) 6 1,21 (1,01-1,44)

Schulkinder Asthma 8 1,50 (1,29-1,73) 11 1,36 (1,20-1,55) 9 1,07 (0,92-1,24) Giemen 11 1,47 (1,14-1,90) 18 1,28 (1,19-1,38) 10 1,14 (1,06-1,23) Husten 16 1,67 (1,48-1,89) 14 1,40 (1,20-1,64) 9 1,21 (1,09-1,34) Auswurf 5 1,46 (1,04-2,05)

n= Anzahl der Studien Strachan, Cook Thorax (1997) 52: 905-914und 1081-1094.

Passivrauchen und innere Belastung am Tabakrauch-spezifischen Stoffwechselprodukt Cotinin

Angesichts der gesundheitlichen Risiken für Kinder durch Passivrauchen führten wir eine Unter-

suchung durch, eingebettet in die größere umweltepidemiologische Untersuchung für Bewohner aus

den ehemaligen US-Housing (s. S. 153). Bei einer Untergruppe von 101 Kindern unter 6 Jahren wurde

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Luft - Raumluft - Passivrauchen

130

in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeit-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-

Nürnberg Cotinin im Urin (Methode: Kapillargaschromatographie und Detektion mit einem stickstoff-

spezifischen Detector; Nachweisgrenze 2µg/l) untersucht, ein spezifisches Abbauprodukt von Nikotin.

Die Ergebnisse wurden in Beziehung gesetzt zu den Angaben der Eltern im Fragebogen, ob in der

Wohnung der Kinder geraucht werde. Dabei wurden vier Gruppen gebildet: Nie, nur auf dem Balkon,

selten, regelmäßig. Kinder, in deren Wohnung regelmäßig geraucht wurde, hatten die höchsten

Cotininwerte im Urin, aber auch bei „seltenem Rauchen in der Wohnung“ wurde eine höhere innere

Belastung der Kinder festgestellt als bei Kindern, in deren Wohnung nicht geraucht wurde.

Abb. 57 Cotiningehalt im Urin von Kindern unter 6 Jahren in Abhängigkeit vom Rauchverhalten Erwachsener in der Wohnung

Tab. 51 Cotiningehalt (µg/l) im Urin der Kinder – in Abhängigkeit vom angegebenen Rauchverhalten Erwachsener in der Wohnung

Cotinin im Urin n xsdev Bereich P 50 P 75 P 95 Rauchen in der Wohnung Nie geraucht 29 1,974,08 < - 14,40 < < 12,25 Nur Balkon 27 2,324,64 < - 15,00 < < 14,36 Selten* 27 4,9111,81 < - 57,5 < 9,20 40,62 Regelmäßig Bewohner 18 10,1019,33 < - 78,5 < 15,85 78,5 *Bewohner oder Besucher <: unter der Nachweisgrenze von 2µg/l

Die Ergebnisse bestätigten zahlreiche andere Studien bei Kindern und Erwachsenen: Die Bestim-

mung von Cotinin im Urin ist ein geeignetes Verfahren, eine Rauch-, aber auch eine Passiv-

rauchbelastung nachzuweisen. Da die Halbwertszeit von Cotinin im Urin mehrere Tage beträgt, kann

so auch noch eine um 2-3 Tage zurückliegende Passivrauchbelastung erfasst werden. Das Vorliegen

von Cotinin im Urin beweist die Aufnahme von Nikotin. Darüber hinaus ist es aber auch generell ein

Indikator für eine Aufnahme von Zigarettenrauch (Nebenstromrauch) mit seinen zahlreichen gesund-

heitsschädlichen Inhaltsstoffen, einschließlich krebserzeugender Stoffe. Auch diese werden vom

Passivraucher aufgenommen. Dies betrifft auch die noch ungeborenen Kinder im Mutterleib, wenn die

Mutter raucht. Abbauprodukte von krebserzeugenden Nitrosaminen im Tabakrauch (z.B. N´-Nitroso-

nornikotin (NNN) und 4-(methylnitrosamino)-1-(3-Pyridyl)-1-Butanon (NNK, Nicotine derived

Nitrosamino Ketone) wurden schon im Urin von Neugeborenen nachgewiesen, in Konzentrations-

höhen, die bis zu 10% der entsprechenden Belastung bei Rauchern ausmachten und teilweise deut-

lich über den Werten lagen, die üblicherweise bei erwachsenen Passivrauchern gefunden werden.

18272729N =

Rauchen in der Wohnung

regelmäßigseltennur auf Balkonnie

Cotin

in µ

/l

80

70

60

50

40

30

20

10

0

711

723721718716

712

735734726724

722717

736733732731725

720

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Luft - Raumluft - Passivrauchen

131

Wir haben uns in unserer Untersuchung auf die Bestimmung von Cotinin im Urin bei Kindern unter 6

Jahren beschränkt; diese halten sich in der Regel mehr in der häuslichen Wohnung auf und sind

demnach mehr einer eventuellen Passivrauchbelastung zu Hause ausgesetzt als ältere Kinder, die in

die Schule und ggf. den Hort gehen. Die Ergebnisse sind eindeutig und unterstützen die Forderung, in

Wohnungen mit Kindern möglichst nicht zu rauchen, um die Gesundheitsgefahr der Kinder durch

Passivrauchen zu vermeiden.

Auswirkungen des Passivrauchens bei Kindern - Umweltepidemiologische Untersuchung bei Kindern unter 6 Jahren in Frankfurt am Main

Auch die nachfolgenden Daten wurden im Rahmen der umweltepidemiologischen Untersuchung in

den ehemaligen US-Housing (s. S. 150) bei Kindern aus Frankfurt erhoben. Nach Schadstofffunden in

Parkettkleber und in Hausstaubproben wurden den Bewohnern der betroffenen Liegenschaften auf

freiwilliger Basis kostenlose Beratungen und Untersuchungen der spezifischen inneren Belastung

angeboten. Insgesamt nahmen etwa 1200 Menschen dieses Angebot des Gesundheitsamtes an,

darunter etwa 700 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Erkrankungen und Symptome der Kinder wurden mit einem modifizierten Fragebogen erhoben, der

sich bereits in zahlreichen internationalen Studien bewährt hatte. Dabei wurde u.a. nach dem

Vorhandensein bestimmter Beschwerden gefragt, die von den Eltern in den letzten 12 Monaten

beobachtet wurden. Erfragt wurden Haut- und Schleimhautsymptome, Symptome der Atemwege,

Infektionserkrankungen etc. Die Belastung der Kinder durch Passivrauchen in der Wohnung wurde

anhand der Angaben aus dem Wohnungsfragebogen in 4 Gruppen klassifiziert (gar nicht, nur auf dem

Balkon, selten, regelmäßig). Für insgesamt 274 Kinder unter 6 Jahren lagen vollständige Datensätze

für die Auswertung vor; bei 126 der Kinder wurde nach Angaben der Eltern in der Wohnung nie

geraucht, bei 44 Kindern nur auf dem Balkon, während 79 Kinder „selten“ und 25 Kinder „regelmäßig“

dem Nebenstromrauch in ihrer Wohnung ausgesetzt waren.

Bei nahezu allen erfragten Symptomen ergaben sich mit zunehmender Passivrauchbelastung höhere

Risiken für Symptome und Beschwerden. Bei den Angaben tränende Augen, Nasenbluten, pfeifende

Atemgeräusche und vermehrte Übelkeit fanden sich signifikante und hohe Risikoerhöhungen (z. B.

OR bis > 8 bei pfeifenden Atemgeräuschen ohne Erkältung und vermehrte Übelkeit). In den

Korrelationstests zeigten sich bei fast allen Beschwerden der Schleimhäute (Augen, Nase und

Bronchialschleimhaut) hochsignifikante Zusammenhänge zur Passivrauchbelastung. Aber auch bei

den Angaben Konzentrationsstörungen, vermehrte Übelkeit und Erbrechen wurden signifikante

Korrelationen mit der Passivrauchbelastung der Kinder unter 6 Jahren gesehen. Zusammenfassend

zeigte unsere Untersuchung – wie auch die zahlreichen anderen publizierten epidemiologischen

Studien - erhebliche Auswirkungen des Passivrauchens auf die Gesundheit von Kindern auf.

Besonders gravierend erscheint, dass eine Passivrauchbelastung für Säuglinge ein auf das Doppelte

bis Dreifache erhöhtes Risiko des plötzlichen Kindstods bedeutet. Nachdem das Risiko der Bauchlage

für den plötzlichen Kindstod erkannt worden war, hatten Kampagnen in verschiedenen Ländern zu

einer deutlichen Reduzierung des plötzlichen Kindstods geführt. Eine ähnliche Kampagne gegen die

Passivrauchbelastung erscheint vordringlich, da diese das Risiko ebenfalls erheblich senken und

Leben retten könnte.

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Luft - Raumluft - Passivrauchen

132

Tab. 52 Symptome und Beschwerden der untersuchten Kinder unter 6 Jahren in den letzten 12 Monaten - in Abhängigkeit von der Passivrauchbelastung in der Wohnung (Häufigkeiten und Kruskal-Wallis-Test)

Symptome und Beschwerden in den letzten 12 Monaten

nie nur

Balkonselten

regel-mäßig

Korrela-tionen

Odds-Ratios

Kinder unter 6 Jahren 126 44 79 25 274 151 % % % % r Haut- und Schleimhautsymptome Juckende Hautveränderung in Gelenkbeugen

8,7 9,1 22,8 20 0,165** 2,614

juckende, gerötete, brennnesselstichartige Hautquaddeln

7,9 13,6 12,7 16 0,087 2,210

Juckreiz an Lippen, Gaumen, Rachen 4,0 2,3 11,4 4 0,088 1,008 Tränende Augen 9,5 11,4 19 24 0,143* 3,000 Niesanfälle, laufende Nase o. Erkältung 13,5 15,9 29,1 24 0,154* 2,025 Verstopfte, juckende Nase 15,9 18,2 25,3 32 0,129* 2,494 Nasenbluten 4,8 13,6 16,5 24 0,205** 6,316 Pfeifende Atemgeräusche 19,0 13,6 41,8 40 0,215** 2,833 Bei körperlicher Anstrengung 1,6 0 15,2 8 0,204** 5,391 Bei einer Erkältung 17,5 11,4 24,1 36 0,114 2,659 Ohne Erkältung 1,6 2,3 15,2 12 0,220** 8,455 Besonders nachts 11,9 11,4 25,3 28 0,166** 2,878 Bei Aufenthalt an kalter Luft 0 2,3 1,3 0 0,048 - Trockener Reizhusten 40,5 31,8 50,6 56 0,102 1,872 Bei körperlicher Anstrengung 4,0 4,5 17,7 12 0,182** 3,300 Bei einer Erkältung 28,6 27,3 24,1 36 -0,004 1,406 Ohne Erkältung 14,3 11,4 27,8 24 0,135** 1,895 Besonders nachts 28,6 20,5 32,9 48 0,087 2,308 Bei Aufenthalt an kalter Luft 1,6 2,3 6,3 8 0,125* 5,391 Gehäufte Infektionserkrankungen 61,9 63,6 68,4 60 0,033 0,923 1-2x in den letzten 12 Monaten 20,6 9,1 12,7 8 -0,124* 0,334 bis 5x in den letzten 12 Monaten 23,8 25 24,1 20 -0,011 0,800 mehr als 5x in den letzten 12 Monaten 26,2 34,1 36,7 36 -0,101 1,585 Weitere Symptome 0,061 Auffällige Unruhe, Zappeligkeit, Zittrigkeit

15,9 22,7 16,5 16 0,009 1,010

Konzentrationsstörungen 4,0 4,5 12,7 12 0,142* 3,300 Vermehrte Übelkeit 1,6 2,3 16,5 12 0,229** 8,455 Erbrechen 8,7 6,8 24,1 8 0,125* 0,909 Durchfälle 13,5 9,1 20,3 16 0,061 1,221 Sonstiges 5,6 18,2 3,8 8 0,007 1,478 Lösen bestimmte Dinge bei Ihrem Kind Beschwerden aus?

Nahrungsmittel 5,6 4,5 6,3 4 -0,002 0,708 Pollen 0 0 2,5 4 0,128* 0,160 Hausstaub 2,4 0 10,1 0 0,090 0,831k Tierkontakte 0,8 0 3,8 4 0,099 5,208 Fettdruck: Odds-Ratio zeigt sign. Unterschied zwischen den Gruppen an; Korrelationen zeigen signifikante Zusammenhänge an - *p<0,05; **p<0,01

In Deutschland rauchen gerade Mädchen und junge Frauen zunehmend und die Raucherprävalenz

bei jungen Frauen unter 30 Jahren, die 1992 noch bei ca. 34% lag, hatte bis 1998 auf 43% zuge-

nommen11. Diese jungen Frauen sind häufig Mütter kleiner Kinder, so dass hieraus eine deutliche Zu-

nahme der Passivrauchbelastung von Kindern resultiert. Es kann postuliert werden, dass die

11 Junge B, Nagel M: Das Rauchverhalten in Deutschland. Gesundheitswesen (2000) 61: Sonderheft 2: S121-S125.

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Luft - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung - Passivrauchen

133

Zunahme von Asthma und Atemwegserkrankungen bei Kindern in den letzten Jahren auch durch die

Zunahme des Risikofaktors Passivrauchen (mit)bedingt ist.

Aus präventivmedizinischer Sicht ist die Datenlage mehr als ausreichend, intensive Anstrengungen

zur Minderung dieser Umweltbelastung für Kinder zu unternehmen. Alle Ärzte sind aufgerufen,

rauchende Eltern immer wieder anzusprechen, das Problem zu thematisieren und Motivationshilfen

für einen Ausstieg aus dem Rauchen zu geben. Es sollte darauf hingewirkt werden, dass im Beisein

von Kindern eine passivrauchfreie Luft eine gesellschaftlich akzeptierte Selbstverständlichkeit wird –

nicht nur in öffentlichen Räumen, sondern auch und vielmehr noch in den „eigenen vier Wänden“, der

Wohnung.

Im Außenluftbereich haben die Luftreinhaltemaßnahmen der letzten Jahre und Jahrzehnte deutliche

Erfolge gezeigt. Angesichts der viel längeren Aufenthaltszeiten von Kindern in Innenräumen und dem

enormen Gesundheitsrisiko Passivrauchen erscheint die Zeit überreif für einen „Luftreinhalteplan für

Wohnungen mit Kindern“.

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

Ahrens P, Hentschel W. Ergebnisse und Problematik einer Fragebogenerhebung zur Inzidenz einiger ausgewählter bronchopulmonaler Erkrankungen bei 3302 Einschülern der Stadt Frankfurt/Main. Mo-natsschrift Kinderheilkunde (1986) 134: 450-452.

Verkehrsbedingte Luftschadstoffe

Kalker U: Gesundheitliche Bewertung der verkehrsbedingten Schadstoffe Stickoxide, Benzol und Dieselruß. Forum Städte-Hygiene (1993) 44: 2-9.

Heudorf U: Gesundheitsrisiko durch verkehrsbedingte Schadstoffe. in: K E v Mühlendahl (Hrsg): Kin-derarzt und Umwelt, Jahrbuch 1993/1994, aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Bosch Druck, Landshut, 1994 (S. 108-118)

Heudorf U: Auswirkung verkehrsbeschränkender Maßnahmen auf die Ozonbelastung. Ergebnisse der Ozonversuche Heilbronn und Hessen 1994. Der Kinderarzt (1996) 27: 764-767. und in: K E v Mühlendahl (Hrsg): Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch 1995/1996, aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Bosch Druck, Landshut, 1996, S. 98-107.

Heudorf U: Auswirkungen des Kfz-Verkehrs auf die Gesundheit von Kindern - Verkehrsbedingte Luftschadstoffe und Allergie-Entwicklung, Sozialpädiatrie und Kinderärztliche Praxis (1995) 17: 336-343.

Heudorf U: Verkehrsbedingte Luftschadstoffe und Krebsrisiko. Auswirkungen des Kraftfahrzeugverkehrs auf die Gesundheit von Kindern. Sozialpädiatrie und Kinderärztliche Praxis (1996) 18: 216-221.

Heudorf U: Verkehrsschadstoffe und Atemwegssymptome bei Kindern. Sozialpädiatrie und Kinder-ärztliche Praxis (1996) 18: 670-676.

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Luft - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung - Passivrauchen

134

Perchlorethylen im Umfeld von Chemischreinigungen

Hentschel W, Kalker U, Peters M: Perchlorethylen in der Umgebung von Chemischreinigungen. Staub Reinhaltung Luft (1993) 53: 335-340.

Heudorf U, Kaiser B, Sagunski H: Sanierung Chemischer Reinigungen zur Verringerung der Tetrachlorethylen-Belastung der Innenraumluft benachbarter Wohnungen: Möglichkeiten und Grenzen. in: Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN: Luftverunreinigung in Innenräumen. Herkunft, Messung, Wirkung, Abhilfe. VDI-Berichte 1122, VDI-Verlag GmbH Düsseldorf, 1994, S. 723-732.

Heudorf U: Chemische Reinigungen. Immissionen - gesundheitliche Bewertung – Handlungsempfehlungen. Internistische Praxis (1995) 35: 227-231.

Hentschel W, Heudorf U, Schmid A: Perchlorethylen in der Nachbarschaft von Chemischreinigungen. Auswirkungen der 2. BImSchV. Staub Reinhaltung der Luft (1995) 55: 373-375.

Benzol im Umfeld von Tankstellen

Heudorf U, Hentschel W: Benzol im Umfeld von Tankstellen. Zentralblatt für Hygiene und Umweltmedizin (1995) 196: 416-424.

Heudorf U, Hentschel W: Benzolbelastungen in Wohnungen - unter besonderer Berücksichtigung der Immissionen von Tankstellen. Internist. Praxis (1996) 36: 453-460.

Herr J, Fischer AB, Heudorf U, Herr C, Harpel S, Petereit-Wolf G, Angerer J, Eikmann T: Benzol-Belastung bei Anwohnern von Tankstellen. Umweltmedizin in Forschung und Praxis (1997) 2: 171-175.

Heudorf U, Ullrich D, Ung L: Untersuchung der personenbezogenen Umgebungsluft im Atembereich auf flüchtige organische Stoffe. Vergleich der Anwohner von Tankstellen mit Kontrollpersonen. Umweltmed Forsch Prax (1998) 3: 291-296.

Passivrauchen

Kalker U: Passivrauchen und Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz. Ergebnisse von Umfragen bei Öffentlichkeitsaktionen. Arbeitsmedizin Sozialmedizin Präventivmedizin (1993) 28: 138-149.

Heudorf U: Rauchen und Passivrauchen. in: S. Böse-O´Reilly, S. Kammerer (Hrsg.): Leitfaden Umweltmedizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Gustav Fischer Verlag, Lübeck, Stuttgart, Jena, Ulm, 1997, S. 112-117.

Heudorf U: Passivrauchen und Erkrankungsrisiko bei Kindern – Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen. Internistische Praxis (2001) 41: 679-689

Heudorf U, Letzel S, Angerer J, Drexler H: Einfluss einer Passivrauchbelastung auf die Konzentration von PAK-Metaboliten im Urin von Kindern. Umweltmed Forsch Prax (2001) 6: 336-342.

Heudorf U, Mersch-Sundermann V, Eikmann T: Gesundheitsrisiko Passivrauchen. Zur Diskussion um den Nichtraucherschutz in öffentlichen Räumen und in der Gastronomie. Hessisches Ärzteblatt (2006) 67: 809-811.

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Umgang mit Störfällen

135

Spezielle Themen

Störfälle und Sonderuntersuchungen

Umgang mit Störfällen

Nach einem Störfall geht es zunächst darum, sich möglichst rasch einen Überblick über die Situation

zu verschaffen, die Betroffenen zu informieren und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Erste

Entscheidungen müssen immer im Zustand erheblicher Unsicherheit getroffen werden (Messwerte

sind in aller Regel noch nicht bekannt) und bei zunehmenden Kenntnissen ständig überprüft und

gegebenenfalls modifiziert werden. Nachfolgend werden Erfahrungen mit zwei Störfällen in Frankfurt

am Main berichtet, dem Störfall der Hoechst AG vom 22.02.1993 („Rosenmontagsstörfall“, „Gelber

Regen“) und der Isoproturonfreisetzung von 1996. Eine vergleichende tabellarische Übersicht zu

diesen beiden Störfällen zeigt Tab. 53.

Entscheidungen über die Vorgehensweise bei Störfällen werden in einem Krisenstab getroffen, in dem

das Gesundheitsamt insofern eine wichtige Stellung inne hat, als es aus seiner fachlichen Sicht

frühzeitig die mögliche gesundheitliche Gefahr für die Bevölkerung abschätzen und daraus abgeleitet

entsprechende Maßnahmenvorschläge (Evakuierungs-, Sanierungsmaßnahmen) unterbreiten muss.

Für die ersten Entscheidungen müssen die Kenntnis der Situation der Betroffenen vor Ort (Vorliegen

von Symptomen, die im Zusammenhang mit dem Störfall stehen könnten?) sowie toxikologische

Angaben zu möglichen Akutsymptomen durch die freigesetzten Stoffe – wenn diese überhaupt

bekannt sind - in den verfügbaren Handbüchern, Loseblattsammlungen oder den Sicherheitsdaten-

blättern ausreichen.

Zur genaueren Einschätzung möglicher Gesundheitsgefahren sollten jedoch Art, Höhe und Ausmaß

der Umweltbelastungen sowie weitere toxikologische Daten, wie beispielsweise chronische Toxizität

oder Kanzerogenität, bekannt sein. Wenn immer möglich, sollte auch die innere Belastung der

Bevölkerung in einem Humanbiomonitoring untersucht und dokumentiert werden, wodurch eine viel

genauere und darüber hinaus auch individuelle gesundheitliche Bewertung möglich ist. Selbst wenn

zum aktuellen Zeitpunkt kein Analysenverfahren existiert, das umweltmedizinischen Anforderungen an

eine sehr niedrige Nachweisgrenze gerecht wird, sollten doch unbedingt frühzeitig Proben, wie zum

Beispiel Urine, für eine spätere Analyse sowie als Beweissicherung gesammelt werden.

Ganz zentral und in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen ist die frühzeitige und ständig zu

aktualisierende Information der Betroffenen. Aus unseren Erfahrungen von 1993 heraus erscheint es

darüber hinaus sehr wichtig, dass die Bevölkerung nicht nur umfassend informiert wird, sondern dass

dabei auch die Ursachen möglicher Kommunikationsschwierigkeiten berücksichtigt und die Regeln der

Risikokommunikation beachtet werden. Trotz umfassender Informationen wurde bei dem Störfall der

Hoechst AG von 1993 die Problematik der Risikokommunikation offenbar nicht ausreichend

berücksichtigt. Der unterschiedliche bis gegensätzliche Risikobegriff in der Öffentlichkeit, bei

Experten, Behörden/Politikern und Medien birgt die Gefahr erheblicher Missverständnisse und schwer

überbrückbarer Verständigungsschwierigkeiten bis hin zum Kommunikationschaos, der Kommuni-

kationskatastrophe1. – Aus dieser Erfahrung wurde gelernt, und nach dem Isoproturon-Störfall wurde

sehr viel früher und schneller informiert und kommuniziert, was auch seitens der Betroffenen positiv

vermerkt wurde.

1 „Der Störfall in Griesheim war weniger ein Chemieunfall als eine Kommunikationskatastrophe“ aus: Kepplinger HM, Hartung U: Störfall-Fieber. Wie ein Unfall zum Schlüsselereignis einer Unfallserie wird. Verlag Alber Freiburg/München, 1995

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Umgang mit Störfällen

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Tab. 53 Risikobewertung und Risikomanagement bei zwei Chemieunfällen in Frankfurt / Main

ONA*-Störfall 22.02.1993 Isoproturon-Unfall 27.01.1996 Störfall/Unfall was passierte? Unfall während Synthese Unfall beim Trocknungsschritt unbek. Substanzgemisch Reinsubstanz (vor der Trocknung) ca. 12 Tonnen ca. 1 Tonne wo Kontaminationen? Schwanheim, optisch ein- Schwanheim, nicht sichtbar grenzbar („gelber Regen“) „weißer Stoff auf weißem Schnee“ Messergebnisse nach 1-2 h Messergebnisse nach Stunden toxikologische Daten? nur für einige Stoffe bekannt (TV**) bekannt (TV**) Reinigung/Sanierung Festlegung der Sanie- nach Tagen (ab 25.02.93, nach Stunden (nach Kontamina- rungsmaßnahmen Konferenz) tionsdaten) Reinigungsbeginn nach Stunden, ab 22.02.93 nach Stunden, ab 27.01.96 Sanierungsbeginn/ ab 25.02.93 bis 18.03.93 ab 27.01.96 bis 29.01.96 -ende Gesundheitliche Bewertung maßnahmenbezogene sofort und nach ersten Daten sofort, nach ersten Daten (erhal- gesundheitliche (erhalten am 24.02.93) ten am 27.01.96) Bewertung weitergehende erst nach Monaten möglich am Tag des Störfalls aus Toxiko- gesundheitliche (Stoffe und Toxikologie zunächst logie- und Kontaminationsdaten Bewertung nicht bekannt) einzuschätzen Information und Risikokommunikation Information der sofort über die Medien sofort über die Medien Bevölkerung 24.02.93 große Bürgerversamm- ab 27.01.96 gemeinsam mit lung vor Ort (Humanbiomonitoring) Betroffenen Bürgerberatung danach 2-3 Pressekonferenzen/Wo. vor Ort (Humanbiomonitoring) Infocontainer ab 01.03.93 Beratungsstelle für 4 Wochen Infobroschüre der Stadt am 18.03.93 Information der Ärzte Infoschreiben am 02.03.93, Infoschreiben am 28.01.96 und Infoabend am 10.03.93 07.02.96 Risikokommunikation verbesserungsbedürftig, sofortige Beteiligung von Betroffenen, „Kommunikationskatastrophe“ wenig Kritik * ONA = o-Nitroanisol; TV** = Tierversuche

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

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Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

Am 22.02.1993 ereignete sich in Frankfurt einer der schwersten Chemie-Störfälle in der Geschichte

der Bundesrepublik Deutschland. In Folge einer Reihe von Bedienungsfehlern wurden bei der

Synthese von o-Nitroanisol aus o-Nitrochlorbenzol etwa 11,8 Tonnen eines chemischen Gemischs

von zunächst unbekannter Zusammensetzung freigesetzt (vorwiegend Nitroaromate und

verschiedene Azoverbindungen; Hauptkontaminant o-Nitroanisol). Ein Teil dieses Gemisches schlug

sich in einigen Straßen eines nahe gelegenen Wohngebiets mit etwa 1900 Bewohnern nieder (Abb.

58).

Erst nach Wochen war die genaue Zusammensetzung des Störfallniederschlags bekannt (Tab. 54).

Abb. 58 o-Nitroanisol in Bodenproben vor der Sanierung

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

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Tab. 54 Zusammensetzung des Störfallniederschlags

Stoff Prozent Benzol-Derivate o-Nitroanisol 27,8 o-Anisidin 0,7 o-Chloranisol 0,1 o-Chlornitrobenzol 1,4 o-Chloranilin 1,5 o-Nitrophenol 3,5 Nitrobenzol 0,6 Azoxybenzol-Derivate 2,2´-Dichlorazoxybenzol 7,8 2,2´-Dimethoxyazoxybenzol 4,2 2,2´-Chlormethoxyazoxybenzol 2,5 2-Chlorazoxybenzol 0,3 Azobenzol-Derivate 2,2´-Dichlorazobenzol 4,9 2,2´-Dimethoxyazobenzol 0,1 2,2´-Chlormethoxyazobenzol 0,6 2,2´-Dichlor-6-hydroxyazobenzol 0,3 Andere organische Substanzen Natriumformiat 14,0 Subst. Diphenylamin 1,2 Mathanol 1,1 Subst. Biphenyle 0,3 Phenazin 0,1 Andere anorganische Substanzen Natriumchlorid 11,6 Natriumcarbonat 0,9 Natriumnitrit 0,3 Natriumhydroxyd 0,1 Wasser 12,2 Rost, Salze 2,0

Nach einem solchen Störfall gilt es für die Behörden, schnellstmöglich ein Bild von der Situation und

der Gefährdung für die Bevölkerung zu erhalten

– auf der Grundlage der Beobachtungen vor Ort und der toxikologischen Abschätzung anhand

äußerer und innerer Exposition sowie der toxikologischen Eigenschaften der freigesetzten Stoffe

– als Grundlage für mögliche Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung sowie für die Erarbeitung

notwendiger Sanierungsmaßnahmen und ggf. weiterer Untersuchungen zu eventuellen gesund-

heitlichen Folgen für die Bevölkerung.

Umfassende Sanierungsarbeiten wurden umgehend begonnen – Reinigung sämtlicher glatter

Oberflächen wie Fenster, Austausch des Spielsandes in Sandkästen, Abtragung der oberflächlichen

Bodenschichten in den betroffenen Schrebergärten, Rückschneiden von Bäumen und Büschen,

Waschen der Hausdächer, Sandstrahlen der Gehwege und Abtragen der obersten Schicht der Straße

– und waren innerhalb von 4 Wochen abgeschlossen1. Die ONA-Luftbelastung war bereits ab dem

02.03.1993 wieder unter der Nachweisgrenze.

Ein in den ersten Tagen durchgeführtes Urinbiomonitoring zur Untersuchung der inneren Exposition

(O-Nitrophenol im Urin) erbrachte Hinweise auf eine erhöhte allgemeine Hintergrundbelastung und

eine störfallbedingte Zusatzbelastung bei den Bewohnern des kontaminerten Gebiets2.

1 Heudorf U, Peters M: Der Störfall in der Fa. Hoechst AG vom 22.2.1993. Ausmaß der Umweltbelastung und Sanierungsverlauf. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 347-352. 2 Heudorf U, Peters M: Human-Biomonitoring nach einem schweren Chemiestörfall - Ergebnisse der Untersuchungen nach dem Störfall in der Hoechst AG vom 22.2.1993. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 558-562.

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

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Abb. 59 Verlauf der Luftbelastung (ONA=o-Nitroanisol) – Probenahmepunkt im Bereich der Kleingärten/Rheinlandstraße

Tab. 55 Verlauf der Sanierungsmaßnahmen

Dokumentation von akuten und subakuten Symptomen

In den ersten Wochen nach dem Störfall gingen bei der Dokumentations- und Bewertungsstelle für

Vergiftungen Berlin Ärzte-Meldungen über gesundheitliche Störungen bei 83 Erwachsenen und 15

Kindern im Zusammenhang mit dem Störfall ein: Bei Erwachsenen waren vornehmlich Reizungen der

Nase und des Rachens, der Augen und Haut sowie Kopfschmerzen beobachtet worden, während bei

Kindern Übelkeit/Erbrechen und Hautreizungen eher im Vordergrund standen. Alle Symptome waren

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

140

rasch wieder abgeklungen3. Die in der Literatur beschriebenen substanzspezifischeren Wirkungen wie

neurotoxische und kardiale und insbesondere hämatologische Symptome wie Methämoglobinämie

wurden nicht beobachtet4.

Die Auswertung der im Rahmen der Erstellung des Expositionsregisters (s. S. 141) durch das Bremer

Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin erhobene Frage nach akuten und subakuten

Symptomen und Beschwerden innerhalb der ersten 4 Wochen nach dem Störfall wurde seitens des

Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin im Jahre 2001 vorgestellt: demnach

waren – je nach Anzahl der angegebenen Kontakte mit dem „gelben Regen“-Symptome des Magen-

Darm-Trakts, der Atemwege und Kopfschmerzen aufgetreten5. Generell stimmen diese Angaben also

mit den Meldungen der Ärzte an das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und

Veterinärmedizin überein.

Tab. 56 Akute und subakute Gesundheitsstörungen nach dem Störfall der Hoechst AG auf der Basis der ärztlichen Mitteilungen bei Vergiftungen nach dem Chemikaliengesetz

Kinder < 15 J Erwachsene Arbeiter Hoechst

Anzahl gemeldeter Personen 12 80 94 Nasen-/Rachenreizungen 1 44 - Kopfschmerzen - 42 2 Augenbrennen - 32 2 Hautreizungen 7 25 11 Übelkeit, Erbrechen 6 13 - Bauch-/ Magenschmerzen 3 7 - Schwindel - 7 2 Dyspnoe (Atemstörungen, Atemnot) - 6 - Nasenbluten 2 1 - Sonstiges 2 11 1

Zur Frage weiterer Untersuchungen, insbesondere von Langzeituntersuchungen

Einige der freigesetzten Substanzen, u.a. o-Nitroanisol, sind als kanzerogen eingestuft. Von verschie-

denen Seiten waren deswegen Forderungen nach Langzeituntersuchungen erhoben worden. Unter

Berücksichtigung der Expositionsabschätzungen und der toxikologischen Stoffeigenschaften und

angesichts der zeitlich begrenzten Schadstoffbelastung im betroffenen Wohngebiet vor dem Hinter-

grund der höheren Dauerbelastungen mit anderen Umweltkarzinogenen war jedoch aus fachlicher

Sicht nicht mit einem fassbar erhöhten störfallbedingten Risiko zu rechnen, weshalb unter wissen-

schaftlichen Gesichtspunkten Langzeituntersuchungen nicht für sinnvoll und erfolgsversprechend

gehalten werden: „Selbst wenn eine Risikoerhöhung bestünde, könnte diese im Rahmen einer

solchen Studie nicht nachgewiesen werden“, da „bei dieser Ausgangslage (...) aussagekräftige

epidemiologische Ergebnisse im Hinblick auf toxische Spätfolgen und Krebserkrankungen nicht zu

erwarten (sind).“ (GA-Bericht, 1994).

3 Hahn A, Michalak H, Wolksi M, Heinemeyer G: Bewertung der Gesundheitsstörungen nach dem Störfall der Hoechst AG auf der Basis der ärztlichen Mitteilungen bei Vergiftungen nach dem Chemikaliengesetz. Hessisches Ärzteblatt (1994) 55: 87-88. 4 Schuckmann F, Mayer D: Der Störfall im Hoechst-Werk Griesheim. Toxikologische, arbeits- und umweltmedi-zinische Aspekte. Hessisches Ärzteblatt (1993) 54: 87-88. Und Heudorf U, Neumann H-G, Peters M: Der Störfall in der Fa. Hoechst AG vom 22.2.1993. - 2. Gesundheitliche Bewertung. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 405-410. 5 Greiser KH, Greiser E, Frentzel-Beyme R: Acute health effects in residents after environmental contamination by „yellow rain“ after a chemical accident in Frankfurt/M – population-based survey for the exposure registry Schwanheim/Goldstein. 9. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (DAE), Garmisch-Partenkirchen, September 2001.

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

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Auch eine Expertenrunde, die im März 1994 in Frankfurt zusammentraf, riet von einer Untersuchung

möglicher Langzeitfolgen ab: „Wir meinen aber, dass in der heutigen Ausgangslage der Aufwand, der

betrieben werden müsste, um in den Spitälern die seltenen Diagnosen überhaupt zu finden, nicht

gerechtfertigt ist“..... Insgesamt stellten diese Experten fest: „Nach unserer Auffassung sind die

wissenschaftlichen Argumente für die Durchführung von Studien nicht allzu solide. Sehr wichtig aber

sind die Beunruhigung und die öffentliche Gesundheit, die Auffassungen der Bevölkerung zu der

gesundheitlichen Bedrohung.“ Vor diesem Hintergrund empfahlen sie, ein Expositionsregister zu

erstellen und die von einem Institut vorgeschlagenen Kurzzeituntersuchungen (mit Modifikationen)

durchzuführen. Außerdem sollte der Beobachtung der Hintergrundbelastung in der Allgemeinbe-

völkerung mit Abbauprodukten von Nitroaromaten im Urin weiter nachgegangen werden. Auch wurde

die Einrichtung eines Krebsregisters dringend empfohlen „dies würde natürlich erlauben, Langzeitfol-

gen allenfalls sichtbar zu machen, falls sie auftreten würden“6.

Den Gutachterempfehlungen entsprechend hat die Stadt Frankfurt die Erstellung des Expositions-

registers und die empfohlenen Gesundheitsfolgenuntersuchungen bei Kindern beauftragt. Darüber

hinaus wurden verschiedene weitere systematische Befragungen von Ärzten in Frankfurt zu gesund-

heitlichen Folgen des Störfalls bei ihren Patienten vorgenommen und in Zusammenarbeit mit dem

Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin weitere Humanbiomoni-

toring-Untersuchungen durchgeführt.

Humanbiomonitoring-Untersuchungen

Eingelagerte Urinproben von 125 Erwachsenen und von 124 Kindern aus dem Umweltsurvey von

1991 wurden auf o-Nitrophenol (ONP), dem Hauptabbauprodukt von o-Nitroanisol (ONA), nachunter-

sucht; darüber hinaus wurden 1997 je 30 Urine von Kindern aus dem ehemaligen Störfallgebiet in

Schwanheim und von 30 altersgleichen Kontrollkindern aus Norddeutschland auf ONP analysiert. Die

mittlere ONP-Konzentration im Urin lag bei allen Gruppen zwischen 2 und 3µg/l und damit deutlich

unter den 1993 festgestellten Konzentrationen. Allerdings ist festzustellen, dass die Untersuchungs-

methoden zwischen den Untersuchungen 1993 und den späteren Erhebungen differieren7.

Expositionsregister des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin

1995 erstellte das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin im Auftrag der Stadt

Frankfurt ein Expositionsregister, wobei allerdings trotz intensiven Einsatzes des Instituts und erheb-

licher Unterstützung durch Bürgerinitiativen und der Stadt Frankfurt die angestrebte Nettoresponse

von 14.000 Bürgern nicht erreicht wurde. Etwa 7.000 Bürger füllten die Fragebögen aus8.

Gesundheitsfolgenuntersuchungen des NORDIG-Instituts - Kurzzeituntersuchungen

1994/95 führte das NORDIG-Institut im Auftrag der Stadt Gesundheitsfolgenuntersuchungen durch.

Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag bei Haut- und Atemwegserkrankungen/Symptomen von

Kindern, darüber hinaus wurden allgemeine gesundheitliche Angaben erfragt und o-Nitrophenolunter-

6 Stadtgesundheitsamt: Gesundheitsfolgenuntersuchungen des Störfalls der Hoechst AG vom 22.2.1993. Untersuchungen des NORDIG-Instituts. Bericht des Stadtgesundheitsamtes, August 2000. 7 Hahn A, Gundert-Remy U, Heudorf U: Lessons to be learned from a Nitroanisol Accident at a Chemical Plant; ISEM 2000; Poster 8 Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main: Störfall der Hoechst AG vom 22.2.1993 – Expositionsregister des Bremer Instituts für Präventionsforschung und Sozialmedizin – Geschichte und aktueller Sachstand. Februar 2001

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

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suchungen im Urin durchgeführt. Anhand der Verwaltungsdaten wurde auch die Geburtenrate und das

Geschlechterverhältnis der Neugeborenen in Schwanheim zwischen 1991 und 1995 analysiert.

Aus den im Jahre 1996 vorgelegten 7 Teilberichten – die nach Auffassung der Gutachter wegen

erheblicher methodischer Bedenken seitens des Instituts überarbeitet werden sollten9- leiteten die

Gutachter folgende wesentliche Ergebnisse und Forderungen ab:

Es wurden keine Hinweise auf schwere Erkrankungen gefunden.

Milde Formen der atopischen Dermatitis wurden bei den 6-12 Jahre alten Kindern, nicht jedoch

bei den Kindern unter 6 Jahren, etwas häufiger gefunden.

Es gibt Hinweise, dass Symptome des asthmatischen Komplexes etwas häufiger aufgetreten sind.

Neben der Forderung nach Überarbeitung der Teilberichte durch das NORDIG-Institut war von den

Gutachtern auch angeregt worden, den Verdacht auf vermehrte Häufigkeit von asthmatypischen

Symptomen und atopischer Dermatitis in den schulärztlichen Reihenuntersuchungen retro- und

prospektiv zu überprüfen, dies wurde getan.

Auswertung der schulärztlichen Untersuchungen, retro- und prospektiv 1988 – 1999

Die Auswertung der schulärztlichen Untersuchungen wurde vorgenommen. Grundlage waren die

standardisiert und fragebogengestützt erhobenen Fragen an die Eltern zu besonderen Gesundheits-

und Entwicklungssymptomen der Kinder, wie z.B. Asthma, Bronchitis, Ekzem etc., die im Rahmen der

Schuleingangsuntersuchungen allen Eltern gestellt werden. Der besondere Wert und die Stärke dieser

Dokumentation liegt in der langjährigen Konstanz dieser Erhebungen und der stadteinheitlichen,

flächendeckenden Anwendung. Die 12-Jahreszeitreihe (1988 - 1999) zeigte für die Stadt Frankfurt –

ebenso wie für Schwanheim alleine – einen ab etwa Mitte der 1990er Jahre steigenden Trend bei den

Elternangaben für Asthma der Kinder. Während die so erfragte Asthma-Häufigkeit 1988 bis 1995 noch

im 1% Niveau lag, ist sie danach nicht mehr unter das 1,5% Niveau abgesunken. Demgegenüber er-

scheint die Ekzem-Prävalenz uneinheitlicher, sie liegt im Bereich zwischen 2,5 und 5%. Die jährlichen

Schwankungen erscheinen bei den Kindern aus Schwanheim größer, was auf die niedrigeren Fall-

zahlen zurückgeführt werden kann. Insgesamt wurde kein statistisch abgesicherter Hinweis auf eine

höhere Erkrankungsrate an Asthma und Ekzem bei den Schwanheimer Kindern im Vergleich zu den

Gleichaltrigen aus Frankfurt erhalten. Somit konnte der – unter starken methodischen Vorbehalten –

gefundene Hinweis auf höhere Prävalenzen an atopischer Dermatitis und an Symptomen des

asthmatischen Komplexes bei Kindern nicht betätigt werden10.

9 Das Nordig-Institut hat diese Überarbeitungen leider nie vorgenommen und ist inzwischen Konkurs. Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Frankfurt am Main im Jahre 2002 die nicht überarbeitenen Teilberichte zusammen mit den ausführlichen gutachterlichen Stellungnahmen veröffentlicht: „Gesundheitsfolgenuntersuchungen des Störfalls der Hoechst AG vom 22.02.1993 – Untersuchungen des NORDIG-Instituts“ 10 Heudorf U, Meireis H, Peters M, Hahn a: Der Störfall der Hoechst AG vom 22.2.1993 – Vorliegende Erkenntnisse und weitere Planungen. Hessisches Ärzteblatt (2001) 62: 113-115.

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

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Abb. 60 Schulärztliche Eingangsuntersuchungen bei 6-7jährigen Kindern in Frankfurt/M Ergebnisse der Elternangaben zu Asthma (oben) und Ekzem (unten) - 1988 bis 1999

Erhebungen von Symptomen und Beschwerden in der Bevölkerung durch standardisierte Befragung von Ärzten in Frankfurt am Main 1993 bis 2001/2

Nach den oben beschriebenen Spontanmeldungen von Ärzten über Erkrankungen oder Symptome

bei ihren Patienten im Zusammenhang mit dem Störfall hatte das Bundesinstitut für gesundheitlichen

Verbraucherschutz und Veterinärmedizin zwischen 1993 und 1996 zusammen mit der Landesärzte-

kammer Hessen drei standardisierte Umfragen bei mehreren Hundert niedergelassenen Ärzten in

Frankfurt durchgeführt12. Insgesamt wurde dabei eine Bestätigung der akuten Symptome nach dem

Störfall erhalten; Hinweise auf erhöhte Allergieraten wurden von den Ärzten im Weiteren nicht mehr

genannt.

Aufgrund von Hinweisen von Bürgerinitiativen-Mitgliedern im Jahre 2000, wonach bei den Betroffenen

nach wie vor vermehrt Allergien, Haut- und Atemwegsprobleme und auch Krebserkrankungen der

ableitenden Harnwege aufgetreten seien, wurde im März 2001, also 8 Jahre nach dem Störfall, eine 4.

standardisierte Umfrage bei niedergelassenen Ärzten in Frankfurt durchgeführt, gemeinsam von der

Landesärztekammer Hessen und dem Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main. Zusätzlich zu den

früher befragten Praktischen Ärzten, Allgemeinärzten, Kinderärzten, Internisten, HNO- und Augen-

ärzten wurden dieses Mal auch Urologen mit einbezogen, da von Bürgerinitiativenvertretern über

zunehmende Krebserkrankungen der Harnwege berichtet worden war13. Aufgrund von Hinweisen

über vermehrte gynäkologische und Haut-Probleme wurden im Frühjahr 2002, also 9 Jahre nach dem

Störfall, noch alle Gynäkologen und Dermatologen befragt.

12 Hahn A, Michalak H, Noack K, Heinemeyer G: Ärztliche Mitteilungen bei Vergiftungen nach § 16 e Chemika-liengesetz (Zeitraum 1990-1995) Zweiter Bericht der Dokumentations- und Bewertungsstelle für Vergiftungen im Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin; Berlin 1996, S 44-45. 13 Möhrle, Peters: Störfall der Hoechst AG vom Februar 1993: Umfrage bei den niedergelassenenn Ärzten erbrachte keine Hinweise auf chronische Symptome und Erkrankungen. Hessisches Ärzteblatt (2001) 62: 448.

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

3,5

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

Pro

zen

t

A (Schw.)

A (alle)

0

2

4

6

8

10

12

1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999

Pro

zen

t

E (Schw.)

E (alle)

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Störfall vom 22.02.1993 - o-Nitroanisol

144

Tab. 57 Ergebnisse sämtlicher systematischer Befragungen der Ärzte in Frankfurt am Main im Vergleich

Ärzte geantwortet Durchgang

Zeit nach dem

Störfall

Ärzte ange-

schrieben n keine Aus-

wirkungen

Geschilderte Symptome

1. 4 Mo-nate

683 318 (47%)

88%

2. 1 Jahr 728 335 (46%)

96%

48 Ärzte: in zeitl. Zusammenhang mit der Störfallexposition: Haut-, Schleim-haut- und Augenreizungen; gehäuft im ersten Jahr: Bronchiale und asthmatische Beschwerden, evtl allerg. Reaktionen, Befindlichkeitsstörungen

3. 3 Jahre 895 169 (19%)

97% 5 Ärzte: Bestätigung der subakuten Beschwerden; vereinzelt Angst und Schlafstörungen, depressive Verstim-mungszustände

4. 8 Jahre 869 138 (16%)

97% 4 Ärzte: Bestätigung der subakuten Beschwerden; ein Fall einer psycho-somatischen Erkrankung mögl. als Re-aktualisierung eines frühkindl. Konflikts

5. Frauen- /Hautärzte

9 Jahre 155 57 (37%)

100% -

Die Antwortrate lag im Jahre 2001 mit 16% sehr niedrig; bei der Befragung der niedergelassenen

Frauen- und Hautärzte konnte dann wieder eine Responserate von 37% erreicht werden. Während die

Befragung 2001 exakt analog der früheren Befragungen durchgeführt wurde, wurde im Jahre 2002

zusätzlich explizit nach Angabe chronischer Störungen gefragt; diese wurden von keinem der

Befragten angegeben. Im Jahre 2001 hatten 4 Ärzte nochmals subakute Beschwerden bestätigt.

Somit wurden auch in diesen Umfragen die Ergebnisse der früheren Befragungen untermauert: Es

wurden keine Hinweise auf schwere oder chronische Erkrankungen in Folge des Störfalls erhalten.

Allerdings muss angemerkt werden, dass so viele Jahre nach dem Störfall mehr als 10% der

befragten Ärzte angegeben haben, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht ärztlich tätig gewesen zu

sein, weshalb weitere Befragungen mit dieser Methode, die für die kurz- und mittelfristige Erhebung

und Einschätzung sicher sehr gut ist, aus methodischen Gründen nicht mehr sinnvoll erscheinen.

Vitalstatuserhebung und Mortalitätsuntersuchung

Aufgrund eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung vom Dezember 2005 werden derzeit

abschließende Gesundheitsuntersuchungen zum Störfall Höchst durchgeführt. Basierend auf den

Anregungen der Gutachterin Frau Prof. Ackermann-Liebrich werden eine Vitalstatuserhebung und

eine Sterblichkeitsanalyse vorgenommen. Nach einer Ausschreibung wurde das Institut TNS-

healthcare beauftragt, den Vitalstatus der zum Zeitpunkt des Störfalls in Schwanheim/Goldstein

gemeldeten Bevölkerung zu erheben und in einem zweiten Schritt eine Analyse der Todesursachen

vorzunehmen. Mit den Ergebnissen wird Anfang 2009 gerechnet.

Zusammenfassung:

Es liegen eine Reihe unterschiedlicher Erkenntnisse und Daten zu gesundheitlichen Auswirkungen

des Störfalls von 1993 vor.

In verschiedenen Erhebungen wurden akute und subakute Beschwerden in der Bevölkerung, bei

Kindern und Erwachsenen, aber auch bei Mitarbeitern der Hoechst AG bzw. der damals beauftragten

Fremdfirmen festgestellt und beschrieben. Die Hinweise aus der NORDIG-Studie auf vermehrte

Symptome des asthmatischen Formenkreises und von atopischer Dermatitis bei Kindern konnten

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Isoproturon-Störfall am 27.01.1996

145

durch die Auswertung der flächendeckenden Schuleingangsuntersuchungen von 1988 bis 1999

(Totalerhebung) nicht bestätigt werden; auch die mehrfache Befragung niedergelassener Ärzte ein-

schließlich Kinderärzte und Dermatologen hat bis 2002 keine Hinweise auf chronische Beschwerden

bei der betroffenen Bevölkerung ergeben.

Das Gesundheitsamt hat sämtliche vorliegenden Gutachten und Daten in mehreren Berichten des

Amtes, aber auch in weiteren Publikationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und wird dies auch

mit den erwarteten Ergebnissen der Vitalstatuserhebung und Mortalitätsuntersuchung tun.

Isoproturon-Störfall am 27.01.1996

Am Samstag, den 27.01.1996, wurde um 06:47 Uhr in einem Produktionsbetrieb der AgrEvo GmbH im

Werk Griesheim/Frankfurt etwa eine Tonne des Harnstoffherbizids Isoproturon (als Reinsubstanz

nach dem letzten Trocknungsschritt) freigesetzt. Der Großteil der freigesetzten Substanz schlug sich

unmittelbar neben dem Behälter auf dem Werksgelände nieder; bei der vorhandenen Windstärke und

-richtung war jedoch auch im angrenzenden Wohngebiet Frankfurt-Schwanheim mit Kontaminationen

zu rechnen. Am frühen Nachmittag lagen die ersten Ergebnisse der Boden- und Schneeanalysen vor.

Sie wiesen deutliche Belastungen in einem nahe gelegenen eng umgrenzten Wohngebiet auf mit

Maximalwerten bis ca. 500mg/m2. Mit Reinigungs- und Sanierungsmaßnahmen wurde sofort

begonnen.

Abb. 61 Isoproturon-Boden/Schnee-Belastung (mg/m2) in Schwanheim unmittelbar nach dem Unfall

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Isoproturon-Störfall am 27.01.1996

146

Orientierende Expositions- und Risikoabschätzung als Grundlage für Sanierungsmaßnahmen – Angebot eines Human-Biomonitoring

Aufgrund der Ergebnisse der Bodenuntersuchungen und der toxikologischen Stoffdaten konnte

wenige Stunden nach dem Unfall eine erste orientierende Expositionsabschätzung für die betroffenen

Anwohner vorgenommen werden. Diese zeigte, dass selbst in dem angenommenen ungünstigen Fall

der NOEL deutlich unterschritten, der ADI-Wert jedoch durchaus kurzfristig überschritten sein kann.

Als Reinigungs- und Sanierungsmaßnahmen wurden festgelegt: Der kontaminierte Schnee wurde

noch am gleichen und am darauf folgenden Tag von Gehwegen und Straßen entfernt. Die gesperrten

Außenflächen der im Belastungsgebiet liegenden Kinder- und Schuleinrichtungen wurden erst nach

Kontrolluntersuchungen wieder freigegeben. Bei anhaltend kaltem Wetter wurde in den folgenden

Tagen auf Wunsch der Besitzer Schnee auch aus Privatgärten im Belastungskegel entfernt.

In Anbetracht der Unsicherheiten der rechnerischen Expositionsabschätzung bot das Gesundheitsamt

den betroffenen Anwohnern, insbesondere den Kindern, bereits am Tag des Unfalls ein Urinbiomoni-

toring an. Wegen der bekannt kurzen Eliminationszeit (ca. 8 Stunden) und fehlenden Akkumulations-

tendenz von Isoproturon wurden die Urinproben unmittelbar nach dem Störfall am Wochenende des

27.-28.01.1996 eingesammelt (149 Kinder und 5 Erwachsene). Darüber hinaus haben Mitarbeiter der

städtischen Feuerwehr, die mit Reinigungs- und Aufräumarbeiten beschäftigt waren, am 27.01.1996

ebenfalls Urin abgegeben (n = 90).

Aufbauend auf dem von der Firma Hoechst für arbeitsmedizinische Zwecke durchgeführten flüssig-

keitschromatographischen Verfahren (HPLC) zur Bestimmung des Hauptstoffwechselprodukts von

Isoproturon HMEPMH (1-(4-(Hydroxy-1-methylethyl)-3-methyl-harnstoff), die von der Firma Hoechst

AG zur Verfügung gestellt wurde, wurde eine Methode erarbeitet, die es erlaubte, den Isoproturon-

metaboliten auch im unteren µg/l-Bereich zu bestimmen (Institut für Arbeits- Umwelt- und Sozial-

medizin, Erlangen-Nürnberg und Hygiene-Institut des Ruhrgebiets, Gelsenkirchen).

Ergebnisse - Humanbiomonitoring

Bei 87,7% der untersuchten Anwohner lagen die Konzentrationen von HMEPMH im Urin unter der

Bestimmungsgrenze, bei 12,3% der Urinproben war der Metabolit HMEPMH sicher bestimmbar.

Während HMEPMH nur bei 3,5% der außerhalb des Belastungsgebiets wohnenden Teilnehmer

nachgewiesen werden konnte, war bei 17,5% der Anwohner zwischen Rheinlandstraße im Osten und

Isoproturon ist seit 20 Jahren ein als Unkrautvernichtungsmittel zugelassenes Harnstoffherbizid. Ergebnisse umfassender tierexperimenteller Untersuchungen zur Toxizität liegen vor: Geringe akute, subchronische und chronische Toxizität, kein Hinweis auf haut- und schleimhautreizende sowie allergisierende Wirkung (Kaninchen- und Meerschweinchentest), kein Hinweis auf Neuro-und Fetotoxizität, Teratogenität oder Mutagenität, aber ab einer Dosierung von 400 mg/kg Futter (männl. Ratten) bzw. 2000 mg/kg Futter (weibl. Ratten) Anzeichen einer toxischen Wirkung auf die Leber, einhergehend mit einer Lebergewichtserhöhung und einer erhöhten Inzidenz von Lebertu-moren. Weitergehende Untersuchungen zum Wirkungsmechanismus deuten darauf hin, dass Isoproturon an der Rattenleber nicht als Initiator, sonder als Promotor wirkt. Anhand der vorliegenden Daten zur chronischen Toxizität mit einem „no observed effect level“ (NOEL) von 3,1 mg/kg und Tag bei der Ratte war mit einem mehr als 1000-fachen Sicherheitsabstand eine tägliche tolerable Zufuhr (TDI-Wert) von 2,5µg/kg Körpergewicht (Bundesgesundheitsamt 1993), bzw. 3µg/kg KG (WHO 1993) festgelegt worden. Unter der Annahme, dass maximal 10% der täglichen duldbaren Aufnahme durch Trinkwasser erfolgen darf, war für Trinkwasser ein Richtwert von 9µg Isoproturon pro Liter errechnet worden (WHO 1993).

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Isoproturon-Störfall am 27.01.1996

147

Eifelstraße im Westen und bei 22,5% der Anwohner der besonders belasteten Straßen (Hegartstraße,

Wilhelm-Kobelt-Straße, Silcher Straße und entsprechender Abschnitt der Martinskirchstraße) ein

Metabolitennachweis möglich. - Die Anwohner der höchstbelasteten Straßen hatten ein signifikant

höheres Risiko für einen positiven Metabolitennachweis im Urin als die Bewohner außerhalb (Tab.

58).

Verlaufskontrollen – Bodenproben

Auf den Boden aufgebrachtes Isoproturon wird mit einer Halbwertszeit (DT 50) je nach

Bodentemperatur zwischen 6 und 23 Tagen abgebaut (AgrEvo, 1995). Vor diesem Hintergrund

untersuchte die AgrEvo im belasteten Wohngebiet die Abbaurate an drei Standorten über 128 Tage.

Eine eindeutige Abnahme des Isoproturongehaltes war erst nach Ende der kalten Winterwitterung ab

Ende Februar zu verzeichnen. Das Messprogramm wurde beendet, als die Belastungen den Bereich

der Nachweisgrenze von ca. 1mg/m2, resp. 0,01mg/kg erreicht hatten (Abb. 62).

Tab. 58 Häufigkeit und Höhe positiver Metabolitennachweise im Urin der Anwohner und der Feuerwehrleute. Auswertung in Abhängigkeit vom Wohnort/Wohnadresse und von der Angabe zu Schneekontakt im betreffenden Gebiet

Anzahl n

Werte kleiner NWGa

n %

Maximalwert µg/l

Odds-Ratiob

OR 95%-Clc

Anwohner: Angabe Wohnort alle 54

außerhalb Rheinlandstraße/Eifelstraße 57zw. Rheinlandstraße/Eifelstraße 97

nur besonders belastete Straßend 31

19 12,32 3,51 17,57 22.5

14,2 2,7

14,2 5,1

- 1 5,8 1,2-38,28,0 1,4-60,8

Anwohner: Angabe Schneekontakt alle 129

außerhalb Rheinlandstraße/Eifelstraße 39zw. Rheinlandstraße/Eifelstraße 90

nur besonders belastete Straßend 31

2,4 5,1 15,6 6 19,4

14,2 2,7

14,2 5,1

- 1 3,4 0,7-22,94,4 0,7-34,9

Feuerwehrleute alle 90

13 14,4

46,0

- -

a NWG: Nachweisgrenze b Odds-Ratio: hier Wahrscheinlichkeit für einen positiven Metabolitennachweis im Urin c 95% Cl: 95% Konfidenzintervall d Hegart-, Wilhelm-Kobelt-, Silcher- und Martinskirchstraße

Abb. 62 Verlaufskontrollen der Isoproturon-Bodenbelastung an ausgewählten Punkten in Schwanheim - Bodenproben

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Isoproturon-Störfall am 27.01.1996

148

In mehreren privaten Kleingärten im Schadensgebiet wurden vom Hessischen Landesamt für

Bodenforschung und dem Hessischen Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft ab

April Boden- und Aufwuchsproben entnommen und untersucht. Die höchste Belastung betrug 8,5mg

Isoproturon/kg Trockensubstanz Boden. Insgesamt zeigte sich eine deutliche Abnahme des Isoprotu-

rons mit der Zeit.

Verlaufskontrollen – Aufwuchsproben

In den ersten Mitte Mai entnommenen Aufwuchsproben wurden geringe Isoproturongehalte fest-

gestellt. Ein Verzehrsverbot auf der Grundlage der Höchstmengenverordnung, die eine maximale

zulässige Belastung von 0,01mg/kg Frischgewicht vorsieht, erschien aufgrund dieser geringen

Belastung nicht angemessen. Selbst bei intensivem Konsum von in diesen Gärten angebauten

Gartenfrüchten würde der ADI-Wert stets sicher unterschritten, akute oder chronische Störungen

waren nicht zu befürchten. Die Gartenbesitzer wurden hierüber informiert; trotzdem wurde ihnen auf

Anregung des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz

vorsorglich empfohlen, auf den Verzehr des – wenn auch gering – mit Isoproturon kontaminierten

Eigenanbaus zu verzichten. Mitte Juni 1996 lag die Isoproturonbelastung aller Aufwuchsproben unter

der Nachweisgrenze von < 0,005mg/kg Frischsubstanz (Tab. 59).

Tab. 59 Boden- und Aufwuchsuntersuchungen auf Isoproturon im Frühjahr/Sommer 1996

11.-12. April 14.-15. Mai 17. Juni Boden Boden Aufwuchs Boden Aufwuchs mg/kg TS* mg/kg TS mg/kg Feuchtgewicht mg/kg TS mg/kg Feuchtgewicht 2,51* 1,48 0,08-0,09 0,02 Schnittlauch n.n. Schnittlauch n.n. Kohlrabi 8,49* 5,57 0,85-1,13 0,08 Spinat n.n. Tomaten 0,06 Zwiebelschalotten n.n. Erdbeeren n.n. Knoblauchzwiebeln n.n. Kartoffeln - 5,11 n.n. Rhabarber 2,94 0,26 0,07 Schnittlauch n.n. Schnittlauch 5,84* 1,22-6,73 0,58 n.n. Rhabarber n.n. Erdbeeren - - 0,02 n.n. Zwiebeln < 1 (Kleingartenanlage) - - Bodenproben: Hessisches Landesamt für Bodenforschung (* Boden 0-2 cm; spätere Bodenproben 0-5 cm), Hessische landwirtschaftliche Versuchsanstalt. Aufwuchsproben: Hessisches Landesamt für Regionalentwicklung und Landwirtschaft, Hessische Landwirtschaftliche Versuchsanstalt.

Umgang mit Störfällen – Empfehlungen der Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes1

Aufgrund der Erfahrungen der Vergangenheit – und insbesondere auch auf der Grundlage der

Erfahrungen aus Frankfurt/M – hat die Kommission Humanbiomonitoring sich mit der Frage des

Umgangs mit Störfällen und der Möglichkeit des Einsatzes von Human-Biomonitoringverfahren bei

Störfällen befasst. Während die Analyse der Umweltkontaminationen in aller Regel vorgenommen

1 Kommission Human-Biomonitoring: Empfehlungen zum Einsatz von Human-Biomonitoring bei einer stör- oder unfallbedingten Freisetzung von Chemikalien mit Exposition der Bevölkerung. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2006) 49: 704-712.

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Spezielle Themen - Störfälle und Sonderuntersuchungen - Isoproturon-Störfall am 27.01.1996

149

werden, empfiehlt die HBM-Kommission, dem Human-Biomonitoring einen vergleichbaren Stellenwert

einzuräumen, nicht nur im Hinblick auf die Festlegung notwendiger Maßnahmen, insbesondere aber

auch zur Beweissicherung und Begutachtung möglicher Spätfolgen, bei akuten Schäden ggf. auch zur

Therapieüberwachung.

Die Kommission hat hierfür die derzeit verfügbaren in Frage kommenden Methoden zusammen-

gestellt, weist aber auch darauf hin, dass je nach Schadenslage ggf. auch erst neue Methoden zu

erarbeiten sind, wie beispielsweise nach dem Störfall in der Höchst AG vom Februar 1993. Wichtig ist

aber grundsätzlich die Berücksichtigung, dass manche Stoffe rasch verstoffwechselt und

ausgeschieden werden. Wenn also Stoffwechselprodukte im Urin untersucht werden sollen, ist es

wichtig, die Proben in den ersten Tagen nach dem Störfallereignis zu nehmen – ggf. auch, wenn noch

keine Methode entwickelt vorliegt. So war das Gesundheitsamt auch nach den beschriebenen

Störfällen in Frankfurt/M vorgegangen. Stoffe, die sich an Blut-Inhaltsstoffe anlagern (Addukte an den

roten Blutfarbstoff Hämoglobin, an Bluteiweiß Albumin oder an die DNA) sind länger im Blut

nachweisbar, sodass hier die Probenahme etwas Zeit hat (Abb. 63).

Urinproben haben den Vorteil, dass sie unproblematisch gewonnen werden können – das Einver-

ständnis der Eltern vorausgesetzt auch bei Kindern. Selbst wenn keine angemessenen Analysen-

methoden entwickelt werden können, besteht kein ethisches Problem, diese nicht invasiv gewon-

nenen Proben zu verwerfen. Diese Möglichkeit sollte mit den Betroffenen aber frühzeitig besprochen

werden, um falsche Erwartungen zu vermeiden. – Blutproben sollten u.a. auch deswegen erst dann in

größerem Umfang genommen werden, wenn geklärt ist, wie und wo diese sinnvoll untersucht werden

können.

Abb. 63 Ablaufschema zur Einbindung des HBM bei Stör-/Transportunfällen – sowie Zeitfenster für den Einsatz unterschiedlicher HBM-Marker (HBM-Kommission 2006)

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Einleitung

150

PAK und Pestizide im Hausstaub

Einleitung

Im Frühjahr 1997 wurde im Zusammenhang mit der Vorstellung einer Patientin in der umweltmedi-

zinischen Sprechstunde des Gesundheitsamtes der Stadt Frankfurt am Main in einer Hausstaubprobe

– neben verschiedenen Pestiziden (DDT, Chlorpyrifos) – eine unerwartet hohe Belastung mit den als

krebserzeugend eingestuften polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), resp. Benzo-

(a)pyren (BAP) festgestellt. Als Quelle dieser PAK-Belastungen konnte der Parkettkleber der in den

Jahren 1955/56 errichteten Wohnung (ehemalige US-Housing) identifiziert werden. Die zur

Abschätzung der inhalativen Exposition (Aufnahme mit der Luft) durchgeführte Untersuchung des

Schwebstaubs (Raumluft) ergab keine auffälligen BaP-Gehalte. Weitere im November/Dezember

1997 durchgeführte Untersuchungen bestätigten die ersten Befunde.

In einer ersten orientierenden Expositionsabschätzung musste demzufolge für die Bewohner nicht von

einer erhöhten Schadstoffaufnahme über die Atemwege ausgegangen werden; wohl aber war für die

am Boden spielenden Kleinkinder, die beim Spielen Bodenstaub oral aufnehmen können, mit einer

nicht unerheblichen möglichen Zusatzbelastung zu rechnen. Deshalb führte das Gesundheitsamt eine

Humanbiomonitoring-Untersuchung bei Kindern unter 6 Jahren aus den ehemaligen US-Housing im

Vergleich mit nicht in diesen Wohnungen wohnenden „Kontrollkindern“ durch.

Weitere Recherchen zeigten, dass hier ein allgemeines, bundesweites Problem „aufgedeckt“ worden

war: Vergleichbare Parkettkleber auf Teerölbasis waren allgemein in der Bundesrepublik Deutschland

bis in die 70er Jahre verwendet worden – nicht nur in Frankfurt und nicht nur in den US-Housing

Areas. Das Gesundheitsamt informierte daraufhin übergeordnete Ministerien auf Landes- und

Bundesebene und organisierte ein erstes Experten-Hearing im Februar 1998 in Frankfurt am Main.

Bei diesem Hearing am 05.02.1998 in Frankfurt am Main konnte zwischen den anwesenden Experten

aus Universitäts- und Bundes-Instituten, Landes- und Bundesministerien sowie Untersuchungslabors

Einigung dahingehend erzielt werden, dass Pestizide kein generelles, sondern ein punktuelles

Problem in den ehemaligen US-Housing darstellen, dass aber der PAK-Belastung im Parkettkleber

weiter nachgegangen werden soll. Das PAK-Problem wurde von Bundesministerien aufgegriffen, auf

deren Bitten das Umweltbundesamt im März und April 1998 zwei Expertengespräche durchführte. Die

Ergebnisse wurden in Pressemitteilungen veröffentlicht1, sie dienten als Grundlage für die in den

darauf folgenden Monaten publizierten einschlägigen Erlasse verschiedener Bundesländer sowie für

die Beratungen der AG Schadstoffe der Bauministerien der Länder (ARGEBAU).

Bereits 1998 wurden in Frankfurt am Main in allen ca. 2800 Wohnungen der ehemaligen US-Housing

Area die BaP-Gehalte im Kleber und Hausstaub (modifiziertes Kehr-Wischverfahren) untersucht; in

ca. 70 Wohnungen mit einem BaP-Gehalt im Kleber > 3000mg/kg und weniger als 10mg BaP/kg

Hausstaub wurden zusätzlich Raumluftuntersuchungen durchgeführt. Insgesamt wiesen etwa 40% der

Wohnungen einen BaP-Gehalt im Kleber von weniger als 10mg/kg auf und je etwa 30% hatten

Belastungen zwischen 10 und 3000mg BaP/kg bzw. über 3000mg BaP/kg Kleber. In weniger als 2%

der Hausstaubproben lag der BaP-Gehalt über 10mg/kg; in keiner der Raumluftproben wurden mehr

1 Umweltbundesamt: Belastung mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) in Wohnungen mit Parkettböden. Presse-Information vom 27. März 1998, Berlin (1998)sowie Empfehlungen zu polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) in Wohnungen mit Parkettböden. Presse-Information vom 29. April 1998, Berlin (1998)

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Einleitung

151

als 3ng BaP/m³ über der Außenluftbelastung festgestellt. Es zeigten sich keine Zusammenhänge

zwischen BaP im Kleber und Hausstaub, Kleber und Raumluft und Hausstaub und Raumluft (Bericht

1999).

Im Sommer 2000 hat die Arbeitsgruppe Schadstoffe der Arbeitsgemeinschaft der Bauministerien der

Länder nach Abschluß ihrer Beratungen ihre „PAK-Hinweise“ veröffentlicht2; nachdem die ad-hoc-

Gruppe der Innenraumkommission des Umweltbundesamtes anhand der vorliegenden Daten keine

Gefahr im baurechtlichen Sinne feststellen konnte, empfahl die ARGEBAU – eher aus Vorsorge-

gründen – bei Überschreitung von 100mg BaP/kg Hausstaub in Aufenthaltsräumen und bei

Überschreitung von 10mg BaP/kg Hausstaub in Wohnungen oder wohnähnlich genutzten Räumen

„expositionsmindernde Maßnahmen“.

Pestizide

Auf dem Hearing am 05.02.1998 hatten die Experten festgestellt, dass es sich bei den Ergebnissen

zur Pestizidbelastung in den vorliegenden Hausstaubproben aus den ehemaligen US-Housing

offenbar nicht um ein generelles, sondern ein punktuelles Problem handelt, dem aber nachgegangen

werden sollte. Es wurde verschiedentlich die Vermutung geäußert, dass die vormaligen Bewohner

sehr „groß-zügig“ mit Schädlingsbekämpfungsmitteln umgegangen sein könnten.

Im Sommer 1998 konnte das Gesundheitsamt 295 mittels Saugen gewonnene Hausstaubproben

auswerten, die in aller Regel von den Bewohnen der ehemaligen US-Housing nach Anleitung des

untersuchenden ARGUK-Instituts selbst genommen worden waren (möglichst 7-Tage alter Staub).

Diese Ergebnisse können – ohne Anspruch auf Vollständigkeit - mit verschiedenen veröffentlichten

Studien verglichen werden (Tab. 60). Unter methodischen Gesichtspunkten ist ein direkter Vergleich

zwischen den verschiedenen Untersuchungen problematisch, da Untersuchungsanlässe,

Probenahme-, Aufbereitungs- und Analyseverfahren nicht identisch sind. Während es sich beim

Umweltsurvey des Umweltbundesamtes um eine repräsentative Studie in Deutschland handelt –

wobei in der hier vorliegenden Darstellung ausschließlich die Daten aus Westdeutschland

wiedergegeben werden – handelt es sich bei der ANBUS-Studie um anlaßbezogene Proben; bei

letzteren besteht bereits bei der Probenauswahl die Möglichkeit einer erheblichen Verzerrung.

Vor diesem methodischen Hintergrund zeigte sich bei DDT im Hausstaub der ehemaligen US-Housing

sowohl im Median, als auch in den 90er oder 95er Perzentilen und im Maximalwert eine 2-3fach

höhere Belastung als in den anderen größeren Studien. Bezüglich Lindan wurden im Vergleich mit

den publizierten Studien keinerlei Auffälligkeiten festgestellt. Die PCP- und die Permethrinbelastung in

den Hausstaubproben waren vergleichsweise niedrig. Die Chlorpyrifoswerte waren weder im Mittel

(Median) noch bei Betrachtung der Maximalwerte auffällig; im Bereich der oberen Perzentilen war je-

doch eine deutlich höhere Belastung als in den zum Vergleich herangezogenen anderen Studien

erkennbar.

Die zunächst auffällig erscheinenden DDT - Befunde sind angesichts des Alters der ehemaligen US-

Häuser plausibel zu erklären: die untersuchten ehemaligen US-Wohnungen waren ausnahmslos vor

über 40 Jahren errichtet worden, zu einer Zeit, als DDT sowohl in den USA als auch in der

Bundesrepublik Deutschland noch zugelassen war und verbreitet eingesetzt wurde. Auch in der

2 ARGEBAU: Bauministerkonferenz: Hinweise für die Bewertung und Maßnahmen zur Verminderung der PAK-belastung durch Parkettböden mit Teerklebstoffen in Gebäuden (PAK-Hinweise). Mitteilungen des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt-Mitteilungen 4/2000)

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Einleitung

152

Studie aus Schleswig-Holstein (keine US-Housing) war in Häusern aus diesen Jahren im Mittel

ebenfalls eine 2-3fach höhere DDT-Belastung im Hausstaub gefunden worden als in der Gesamtheit

der untersuchten Häuser. Es handelt sich also offenbar um ein allgemeines Problem älterer Häuser,

nicht aber um ein spezielles Problem ehemaliger US-Wohnungen. Die eher niedrigen PCP-und

Permethrinbefunde lassen sich mit dem Fehlen von (früher oft PCP-behandelten) tragenden

Holzbauteilen sowie mit dem Bodenbelag (Parkett statt möglicherweise pyrethroidbehandelter

Teppichböden) erklären. Die gefundenen Chlorpyrifoswerte sprechen für eine frühere Anwendung in

einem Teil der Wohnungen. Dies stimmt mit den Angaben der früheren Nutzer überein: Eine

Nachfrage bei der US-Armee hatte ergeben, dass diese bei Bedarf – neben Pyrethrum – insbe-

sondere Chlorpyrifos als Insektizid eingesetzt hatte.

Tab. 60 Pestizide im durch Saugen gewonnenen Hausstaub der früheren US-Housing in Frankfurt am Main - Vergleich mit größeren Untersuchungen in Deutschland

Parameter Untersuchung Anzahl n

Median mg/kg

P 90 mg/kg

P 95 mg/kg

Maximalw. mg/kg

DDT Housing Ffm 295 0.42 4.0 12.6 51.3 (101) Bayern 272 < 0.3 1.6 5.1 44.0 Niedersachsen/NRW 336 0,31 4.2 40.0 Schleswig-Holstein 220 0.3 4.4 14 PCP Housing Ffm 295 0.13 0.84 1.2 24.8 BRD (ABL) Umweltsurvey 683 0.41 1.77 2.79 30.87 Bayern (Anbus) 272 0.3 3.9 13.3 43.0 Niedersachsen/NRW 336 < 0,1 8,0 40.0 Schleswig-Holstein 220 1.4 9.1 53 Lindan Housing Ffm 295 < NWG 0.5 1.0 4.4 BRD (ABL)Umweltsurvey 683 0.14 0.64 1.07 11.45 Bayern (Anbus) 272 < 0.2 0.7 1.0 5.0 Niedersachsen/NRW 336 < 0,1 0,83 4.8 Schleswig-Holstein 220 < 0.1 1.1 2.2 Permethrin Housing Ffm 295 < NWG < NWG 4.8 18.8 BRD (ABL)Umweltsurvey 969 0.16 4.64 13.36 266.65 Bayern (Anbus) 272 < 0.5 8.7 25.0 100.0 Niedersachsen/NRW 336 < 0,1 37.0 150.0 Schleswig-Holstein 220 1.1 73.0 990 Chlorpyrifos Housing Ffm 295 0.19 4.4 7.9 38.0 (48) Bayern (Anbus) 272 < 0.3 < 0.3 0.6 3.9 Niedersachsen/NRW 336 < 0,1 0.63 870.0 Schleswig-Holstein 220 < 0.1 0.5 1300

Nachdem Anfang 1998 in einigen Hausstäuben auch Polychlorierte Biphenyle gefunden worden

waren, veranlaßte das Gesundheitsamt im März 1998 die Untersuchung der Raumluft in 12

Wohnungen mit den dem Amt bekannt höchsten PCB-Gehalten im gesaugten Staub, mit Werten

zwischen 10 und 160mg PCB/kg. Die Raumluft-Untersuchungen wurden entsprechend der bundes-

weit geltenden PCB-Richtlinie durchgeführt und bewertet, wobei zur Simulation eines am Boden

spielenden Kleinkindes die Proben teilweise mit einer abgesenkten Ansaughöhe von 40cm über dem

Parkett genommen wurden. In keinem Fall konnte eine PCB-Raumluftbelastung über dem

Sanierungseingreif- oder über dem Sanierungzielwert von 3000 resp. 300ng PCB/ m³ festgestellt

werden: der maximale gefundene Wert lag bei 160ng/ m³, im Mittel lag die PCB-Belastung bei ca.

30ng/ m³. Ein Handlungsbedarf konnte somit nicht abgeleitet werden. Als Ursache der PCB-Funde

wurde ein PCB-haltiger Parkettfugenkitt festgestellt, der in früheren Jahren offenbar zum Ausbessern

von Ritzen und Fugen im Parkettboden verwendet worden war; in diesem Fugenkitt mit einem PCB-

Gehalt von ca. 350mg/kg war offenbar seinerzeit PCB als Weichmacher zugesetzt worden. – Bei den

umfassenden Hausstaub-Untersuchungen aller Wohnungen wurden PCB im Hausstaub mit unter-

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Ergebnisse zur inneren Belastung der Bewohner mit PAK-, PCB und Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten

153

sucht; die in der Pilotuntersuchung erhaltenen Ergebnisse konnten dabei bestätigt werden. Angesichts

der großen Besorgnis der Bewohner wurde mit den Hausbesitzern vereinbart, dass diese im durch

Kehren gewonnenen Hausstaub nicht nur BaP, sondern auch PCB und verschiedene Pestizide

untersuchen lassen: PCP, Lindan, DDT, Dieldrin, Chlorpyrifos, Permethrin, Cyfluthrin, Cypermethrin.

Umweltmedizinischen Sprechstunde im Gesundheitsamt

Das Gesundheitsamt bot den Bewohnern der ehemaligen US-Housing eine kostenlose umwelt-

medizinische Beratung und Untersuchung auf die diskutierten Schadstoffe im Blut oder Urin an. Alle

Parameter, für welche etablierte, validierte Methoden auch im umweltmedizinischen Bereich zur

Verfügung standen, wurden in das Untersuchungsangebot mit aufgenommen. Die Untersuchungen

wurden im Labor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-

Nürnberg unter Leitung von Prof. Dr. Angerer durchgeführt.

Das Konzept der umweltmedizinischen Sprechstunde im Gesundheitsamt umfasste:

- Information und Beratung durch einen erfahrenen Umweltmediziner

- Ausführliche fragebogengestützte Anamnese (Erhebung von Beschwerden und Symptomen)

- Blutentnahme bei Erwachsenen – Analyse auf PCP, Lindan, DDE/T, PCBs

- Urinabgabe von Kindern und Erwachsenen – Analyse auf Stoffwechselprodukte der PAK,

Organophosphate und Pyrethroide

Aus ethischen Gründen sollte bei Kindern auf die Blutentnahme verzichtet werden und Kinder nur auf

die im Zentrum des Interesses stehenden PAK-Stoffwechselprodukte sowie Organophosphat- und

Pyrethroidmetabolite im Urin untersucht werden. Auf Drängen der Eltern wurde später auch bei

Kindern Blut abgenommen und auf Organochlorverbindungen untersucht.

Ergebnisse zur inneren Belastung der Bewohner mit PAK-, PCB und Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten

Die Sprechstunde wurde bis Ende Dezember 1998 durchgeführt. Insgesamt hatten sich etwa 1200

Menschen (ca. 500 Erwachsene und 700 Kinder und Jugendliche) vorgestellt. Die Ergebnisse der

Blut- und Urinuntersuchungen wurden bereits in einem ausführlichen Bericht des Gesundheitsamtes

1999 als auch in mehreren Berichten des Amtes und in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht

(s. S. 168). Es konnten keine Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass die Schadstoffbelastung in

den Wohnungen zu einer messbar höheren inneren Schadstoffbelastung der Bewohner geführt hätte.

In den nachstehenden Abbildungen sind bei den Ergebnissen der Urinuntersuchungen die Daten von

Kindern unter 6 Jahren dargestellt, da diese durch ihre Spielaktivität am Boden am ehesten belasteten

Hausstaub aufnehmen und sich exponieren können („Risikokollektiv“); die Darstellung der Gehalte der

Organochlorverbindungen im Blut umfasst sowohl Kinder als auch Erwachsene.

Wie die Abb. 64 beispielhaft zeigt, hatten Kinder, die in Wohnungen mit BaP-haltigem Parkettkleber

oder mit BaP-kontaminiertem Hausstaub wohnten, keine höheren PAK-Metabolitenkonzenrationen im

Urin als Kinder, in deren Wohnungen kein PAK-haltiger Parkettkleber (<10mg BaP/kg; 10-<3000mg

BaP/kg; > 3000mg BaP/kg) verwendet worden war oder keine Kontamination des Hausstaubs mit

PAK (S1: < Nachweisgrenze; S2: < 1mg BaP/kg; S2: >1mg BaP/kg) nachgewiesen wurde.

Soweit Referenzwerte vorhanden waren, waren diese nicht überschritten (s. S. 179). Allerdings konnte

gezeigt werden, dass Rauchen zu einer signifikanten und dosisabhängigen Erhöhung der PAK-

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Ergebnisse zur inneren Belastung der Bewohner mit PAK-, PCB und Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten

154

Stoffwechselprodukte im Urin führt (s. S. 187). Bei einer Untergruppe von ca. 100 Kindern, deren Urin

auf Cotinin, ein spezifisches Stoffwechselprodukt von Nikotin, nachuntersucht wurde, konnten

signifikante Zusammenhänge gefunden werden zwischen einer durch Cotinin im Urin bestätigten

Passivrauchbelastung und der Ausscheidung an 1-Hydroxypyren im Urin, dem bestuntersuchten

Marker für eine PAK-Belastung (s. S. 129).

In der Gesamtgruppe der Untersuchten ließen sich auch keine Zusammenhänge zwischen äußerer

Belastung mit Organochlorverbindungen und Konzentrationen dieser Stoffe im Blut der Bewohner

feststellen. Die vorliegenden Referenzwerte – wie z.B. für PCP und PCB im Blutplasma von

Erwachsenen – wurden deutlich unterschritten. Dies wurde als Ausdruck der allgemeinen Abnahme

der Hintergrundbelastung mit diesen Stoffen interpretiert, nachdem diese in den 1980er Jahren

verboten worden waren (hierzu und zu weiteren Humanbiomonitoringuntersuchungen s. S. 182).

Abb. 64 PAK-Metabolite (monohydroxylierte Phenanthrene und 1-Hydroxypyren) im Urin von Kindern unter 6 Jahren – in Abhängigkeit vom BaP-Gehalt des Hausstaubs (links) und des Parkettklebers (rechts) in ihrer Wohnung

Abb. 65 Innere Belastung der teilnehmenden Kinder unter 6 Jahren mit Organophosphaten und Pyrethroiden, dargestellt als Summenparameter der entsprechenden Metabolite im Urin – in Abhängigkeit von der PAK(BaP)-, Organophosphat(Chlorpyrifos)- und Pyrethroid(Permethrin)-Belastung der Wohnung

3156137N =

Permethrin im Hausstaub

>=1mg/kg>NWG-<1mg/kg<NWG

Su

mm

e P

yre

thro

idm

eta

bo

lite

n (

µg

/l)

2,0

1,8

1,6

1,4

1,2

1,0

,8

,6

,4

,2

0,02678112N =

Chlorpyrifos im Hausstaub

>=1mg/kg>NWG-<1 mg/kg<NWG

Su

mm

e O

rge

no

ph

osp

ha

tme

tab

olit

en

g/g

Kre

a

500

400

300

200

100

0

(S3)

1-O

HP

yr (

S2)

(S1)

(S3)

4-O

HP

he (

S2)

(S1)

(S3)

3-O

HP

he (

S2)

(S1)

(S3)

2-O

HP

he (

S2)

(S1)

(S3)

1-O

HP

he (

S2)

(S1)

ng/g

Kre

atin

in

1200

1100

1000

900

800

700

600

500

400

300

200

100

0

(>

30

00

)

1-O

HP

yr (

10-3

000)

(<

10

)

(>3

00

0)

4-O

HP

he(1

0-30

00)

(<1

0)

(>3

00

0)

3-O

HP

he (

10-3

000)

(<

10

)

(>3

00

0)

2-O

HP

he (

10-<

3000

)

(<

10

)

(>3

00

0)

1-O

HP

he (

10-<

3000

)

<1

0)

ng

/g K

rea

tinin

1200

1100

1000

900

800

700

600

500

400

300

200

1000

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Ergebnisse zur inneren Belastung der Bewohner mit PAK-, PCB und Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten

155

Abb. 66 PCP, Lindan, DDE und DDT im Blutplasma der untersuchten Bewohner der ehemaligen US-Housing – in Abhängigkeit von der entsprechenden Stoffbelastung im Hausstaub

Symptome und Beschwerden bei Kindern aus den ehemaligen US-Housing

Bei allen Teilnehmern der umweltmedizinischen Sprechstunde wurde eine fragebogengestützte

Anamnese (Krankengeschichte, Beschwerden) erhoben, wobei für Kinder ein modifizierter ISAAC-

Fragebogen (International Society of Asthma and Allergies in Childhood) zur Anwendung kam, der

bereits bei anderen Untersuchungen im Raum Frankfurt und Südhessen eingesetzt worden war. Eine

der ersten Fragen im Fragebogen lautete „Haben Sie, seitdem das Kind in der neuen Wohnung lebt,

Besonderheiten, Symptome beobachtet, und wenn ja welche?“. Die Eltern von 398 Kindern bejahten

Frage nach Besonderheiten und Symptomen nach Einzug in die neue Wohnung und bei 246 Kindern

und Jugendlichen wurde diese Frage verneint.

Die am häufigsten genannten Symptome waren (Mehrfachnennungen waren möglich): Symptome der

Haut wie trockene Haut, Juckreiz, Ekzem, Neurodermitis 126 Nennungen; Symptome der Bronchien

und Lunge wie z.B. Bronchitis, Husten, Atembeschwerden, Asthma 114 Nennungen. Über

Kopfschmerzen wurde bei 78 Kindern, über Symptome der Nase (verstopfte Nase, juckende Nase,

Schnupfen) bei 77 Kindern, über Fieber und häufige Erkältungen bei 64 Kindern berichtet. Vermehrt

Bauchschmerzen wurde bei 33 Kindern angegeben; Aggressivität, Hyperaktivität und

Konzentrationsschwierigkeiten bei 27 und Augensymptome (tränende Augen, Konjunktivitis) bei 25

Kindern. Allergien sowie Durchfall, Erbrechen und Übelkeit wurde bei 24 Kindern angegeben,

Appetitlosigkeit wurde bei 20 Kindern und Halsschmerzen und Schlafstörungen wurden jeweils bei 18

Kindern angegeben.

6160333N =

PCP im Hausstaub (mg/kg)

>=1NWG-<1< NWG

PC

P (

µg

/l B

lutp

las

ma

)

10

9

8

7

6

5

4

3

2

1

0540457N =

Lindan im Hausstaub (mg/kg)

>=1NWG - <1<NWG

Lin

da

n (

µg

/l B

lutp

las

ma

)

,20

,18

,16

,14

,12

,10

,08

,06

,04

,02

0,00

78183241N =

DDT im Hausstaub (mg/kg)

>=1NWG-<1<NWG

DD

E (

µg

/l B

lutp

las

ma

)

20

18

16

14

12

10

8

6

4

2

08418397N =

PCB im Hausstaub

>=11,00NWG - <1

PC

B-S

um

me

g/l

Blu

tpla

sm

a)

6

5

4

3

2

1

0

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Ergebnisse zur inneren Belastung der Bewohner mit PAK-, PCB und Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten

156

Eltern, die nach dem Einzug vermehrt Symptome bei ihren Kindern beobachtet und angegeben

hatten, hatten auch signifikant häufiger Arztdiagnosen und Symptome in den letzten 12 Monaten

angegeben als Eltern von Kindern ohne vermehrte Symptome nach Einzug in die neue Wohnung. Um

Hinweise auf Zusammenhänge mit der Belastung in Kleber oder Hausstaub oder der inneren

Belastung der Kinder zu untersuchen, wurden die absoluten Belastungsdaten (äußere und innere

Belastung) der Kinder mit und ohne vermehrte Symptome verglichen, zum anderen wurde überprüft,

inwiefern die Kinder mit vermehrten Symptomen eher in den höheren Belastungsgruppen (äußere

oder innere Belastung) zu finden waren. Insgesamt war die äußere oder innere Belastung der Kinder

mit vermehrten Symptomen im Vergleich mit den Kindern ohne vermehrte Symptome nach dem

Einzug in die neue Wohnung nicht unterschiedlich. D.h. es ergab sich kein Hinweis, dass die

Symptome durch eine höhere Schadstoffbelastung in der Wohnung, d.h. durch die gemessenen

Chemikalien verursacht waren.

Für die angegebenen vermehrten Beschwerden der Kinder könnten gleichwohl mehrere Ursachen in

Frage kommen:

- Die Auswirkung weiterer, unbekannter und daher nicht erfasster Einflussgrößen ist nicht auszu-

schließen.

- Unabhängig von der chemischen Belastung vorhandene Beschwerden könnten – entsprechend

einem Kausalitätsbedürfnis der Eltern - auf die vermeintliche Belastung in der neuen Wohnung

zurückgeführt worden sein (obwohl jetzt bei allen statistischen Testverfahren kein Anhalt für einen

Zusammenhang mit der chemischen Belastung gefunden werden konnte).

- Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass angesichts der Medienberichte und der Diskussionen

um Belastungen in den ehemaligen US-Housing Ängste, Sorgen und Befürchtungen entstanden

sind, die dann tatsächlich zu vermehrten Symptomen bei den Kindern geführt haben, d.h. die

Kinder „krank gemacht“ haben.

Insgesamt war auch kein Hinweis darauf zu erkennen, dass sich der Gesundheitszustand der

untersuchten Kinder aus den ehemaligen US-Housing systematisch von dem anderer Kinder

unterscheidet, die wenige Jahre zuvor in Frankfurt oder in Südhessen untersucht wurden.

Die explorative Untersuchung im Hinblick auf die Frage von Zusammenhängen zwischen äußerer

Belastung im Hausstaub und innerer Belastung der Kinder (Blut oder Urin) ließ keine systematischen

Zusammenhänge erkennen (Tab. 61). Die meisten signifikanten Odds-Ratios und Korrelationen

wurden mit der angegebenen Passivrauchbelastung in der Wohnung gefunden, nicht mit den

Belastungen im Hausstaub.

Insgesamt erbrachte die Auswertung der von den Eltern ausgefüllten Fragebögen von mehr als 600

Kindern und Jugendlichen aus den ehemaligen US-Housing, die das Angebot der umweltmedizini-

schen Sprechstunde des Gesundheitsamtes annahmen:

- keinen Hinweis, dass Kinder aus den ehemaligen US-Housing vermehrt an den erfragten

Erkrankungen oder Symptomen gelitten hätten - im Vergleich mit Kindern aus zwei anderen

Untersuchungen im Raum Frankfurt und Südhessen.

- keine systematischen Hinweise, dass die in den Hausstäuben festgestellten Schadstoffe bzw. die

inneren Belastungen mit PAK, PCB und Pestiziden im Blut bzw. deren Stoffwechselprodukten im

Urin zu vermehrten Erkrankungen, Symptomen oder Beschwerden bei den Kindern und Jugend-

lichen geführt hätte.

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Ergebnisse zur inneren Belastung der Bewohner mit PAK-, PCB und Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten

157

- deutliche Hinweise, dass eine Passivrauchbelastung in der Wohnung zu unerwünschten Auswir-

kungen auf die Gesundheit der Kinder führt und insbesondere Symptome der Atemwege, aber

auch vermehrte Übelkeit verursacht.

D.h. die gefundenen Schadstoffbelastungen im Parkettkleber und Hausstaub – die bei Überschreitung

entsprechender Prüf- und Handlungswerte umfangreiche Sanierungen zu Folge hatten – hatten

keinen erkennbaren Einfluss auf den Gesundheitszustand der untersuchten Kinder und Jugendlichen.

Die ergriffenen Sanierungsmaßnahmen waren offenbar – wie auch bei der Ableitung der Prüf- und

Handlungswerte beabsichtigt – weit im Vorsorgebereich.

Tab. 61 Symptome und Beschwerden der untersuchten Kinder unter 6 Jahren in den letzten 12 Monaten – in Abhängigkeit von der äußeren Belastung in den Wohnungen (BaP im Kleber, BaP, Chlorpyrifos, DDT und Gesamtbelastung im Hausstaub sowie Passivrauchen) – Odds-Ratios

Arzt-Diagnosen jemals Kleber

Hausstaub

Odds-Ratios BaP BaP Chlor-pyrifos

DDT Alle

Stäube

Passiv-

rauch

Haut- / Schleimhautsymptome Juckende Hautveränderung in

Gelenkbeugen >2

juckende, gerötete, brennnessel-stichartige Hautquaddeln

>2 >2 >2 >2

Juckreiz an Lippen, Gaumen oder Rachen

>4 >3

Tränende Augen >3 Niesanfälle, laufende Nase ohne

Erkältung >2 >2

Verstopfte, juckende Nase >2 Nasenbluten >6

Pfeifende Atemgeräusche >2 Bei körperlicher Anstrengung >3 >5

Bei einer Erkältung >2 Ohne Erkältung >2 >8

Besonders nachts >2 Bei Aufenthalt an kalter Luft >6 -

Trockener Reizhusten Bei körperlicher Anstrengung >3 >3 >3

Bei einer Erkältung Ohne Erkältung >2

Besonders nachts >2 >2 Bei Aufenthalt an kalter Luft >2 >5

Gehäufte Infektionserkrankungen 1-2x in den letzten 12 Monaten

bis 5x in den letzten 12 Monaten mehr als 5x in den letzten 12 Monaten

Weitere Symptome Auffällige Unruhe, Zappelig-, Zittrigkeit

Konzentrationsstörungen >3 Vermehrte Übelkeit >8

Erbrechen Durchfälle <1

Lösen bestimmte Dinge bei Ihrem Kind Beschwerden aus?

Nahrungsmittel >5 >2 >3 >2 Pollen >4

Hausstaub Tierkontakte >4 >2 >5

freies Feld: OR unter 1 oder 1-<2; > Zahl: OR über Zahl; fett: OR signifikant

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Spezielle Themen - PAK und Pestizide im Hausstaub - Ergebnisse zur inneren Belastung der Bewohner mit PAK-, PCB und Pestiziden oder deren Stoffwechselprodukten

158

Tab. 62 Symptome und Beschwerden der untersuchten Kinder unter 6 Jahren in den letzten 12 Monaten - in Abhängigkeit von der äußeren Belastung in den Wohnungen (BaP im Kleber, BaP, Chlorpyrifos, DDT und Gesamtbelastung im Hausstaub sowie Passivrauchen) - Korrelationen

Beschwerden und Symptome in den letzten

12 Monaten Kleber Hausstaub

Korrelationen BaP BaP Chlor-pyrifos

DDT Alle

Stäube

Passiv-

rauch

Haut- / Schleimhautsymptome Juckende Hautveränderung in

Gelenkbeugen - - - +**

juckende, gerötete, brennnessel-stichartige Hautquaddeln

-

Juckreiz an Lippen, Gaumen oder Rachen

- -

Tränende Augen - - - +* Niesanfälle, laufende Nase ohne

Erkältung - - +*

Verstopfte, juckende Nase - - +* Nasenbluten - +**

Pfeifende Atemgeräusche - +** Bei körperlicher Anstrengung - - - +**

Bei einer Erkältung - - - Ohne Erkältung +**

Besonders nachts - - +** Bei Aufenthalt an kalter Luft - +*

Trockener Reizhusten - - - Bei körperlicher Anstrengung +**

Bei einer Erkältung -* - - Ohne Erkältung +**

Besonders nachts - - Bei Aufenthalt an kalter Luft - - - - +*

Gehäufte Infektionserkrankungen

- - -

1-2x in den letzten 12 Monaten - - -** bis 5x in den letzten 12 Monaten - - - -

mehr als 5x in den letzten 12 Monaten

- - - -

Weitere Symptome Auff. Unruhe, Zappelig-,

Zittrigkeit - - - -

Konzentrationsstörungen - - +* Vermehrte Übelkeit - +**

Erbrechen - - - +* Durchfälle -* -* - -

Lösen bestimmte Dinge bei Ihrem Kind Beschwerden aus?

Nahrungsmittel - Pollen - - - +*

Hausstaub - Tierkontakte -

Freies Feld: Korrelation positiv; - : Korrelation negativ; *: Korrelation signifikant (p<0,05); **: Korrelation signifikant (p<0,01) n.u.: nicht untersucht (nicht berechnet)

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Spezielle Themen - Belastung von Kindern mit Acrylamid und Phthalaten - sowie durch Passivrauchen - Einführung

159

Belastung von Kindern mit Acrylamid und Phthalaten - sowie durch Passivrauchen

Einführung

Kinder sind vielfältigen Risiken in ihrer Umwelt ausgesetzt. Das betrifft nicht nur chemische Risiken

aus der Umwelt wie Schadstoffe in Wasser, Boden und Luft – und mittelbar auch in der Nahrung –,

sondern auch die biologische Umwelt. Zur gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen

in Deutschland war in den Jahren 2003 bis 2006 erstmals ein bundesweit repräsentativer Kinder-,

Jugend- und Gesundheitssurvey (KiGGs) durchgeführt worden. Ein Modul des KiGGS war der Kinder-

umweltsurvey KUS mit ca. 1800 Kindern bundesweit. Im Rahmen des KUS waren auch zahlreiche

Schadstoffe bei den Kindern untersucht worden, z.B. Blei, Cadmium, Nickel, Quecksilber, Arsen,

Organochlorverbindungen wie z.B. DDT und PCB, Stoffwechselprodukte von Pestiziden wie z.B.

Organophosphaten und Pyrethroiden im Urin, Pentachlorphenol (PCP) und andere Chlorphenole,

PAK-Metabolite. Bei allen untersuchten Substanzen waren im Vergleich zu früheren Untersuchungen

abnehmende Belastungen feststellbar, mit Ausnahme der Cotinin-Belastung, dem Marker für eine

(Passiv)-Rauchbelastung. Die Cotininbelastung hatte zugenommen.

Vor diesem Hintergrund sollte im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung „Gesundheit von Kindern

in Frankfurt“ auch auf Umweltbelastungen eingegangen werden. Bei den Einschulungsunter-

suchungen 2007 wurden auf der Basis freiwilliger Teilnahme Urinproben von Kindern auf aktuelle und

relevante Schadstoffe untersucht. Ziel war, das Ausmaß der Belastung von Kindern aktuell zu

bestimmen, als Grundlage nicht nur für die Gesundheitsberichterstattung bei Kindern, sondern auch

für die Entwicklung geeigneter Präventionskampagnen/-maßnahmen. Dabei wurde zum einen die

Frage der Passivrauchbelastung der Kinder durch Bestimmung des Cotiningehalts im Urin

aufgegriffen. Es wurden aber auch weitere aktuelle Stoffe, die im KUS (noch) keine Berücksichtigung

fanden, untersucht: Phthalate sowie Acrylamid.

Phthalate werden weltweit eingesetzt als Weichmacher und können enthalten sein in PVC Plastik,

Baumaterialien, Innenraumausstattungsmaterialien, z.B. Tapeten, Kosmetika, Medikamenten, medizi-

nischen Gegenständen (Infusionsschläuche, Sonden…), Spielzeug für Kinder, Verpackungsmateria-

lien für Lebensmittel, Produkten in der Automobilindustrie (Sitze, Polster), Reinigungsprodukten uvm.

Phthalate reichern sich zwar nicht in der Umwelt an, sie sind wenig biostabil und nicht bioakkumu-

lierend, sie haben jedoch im Tierversuch deutliche schädliche Wirkungen auf das Reproduktions-

system („endocrine disruptors“), weshalb ihr Einsatz insbesondere im Hinblick auf Kinder und auf

Frauen im gebärfähigen Alter sehr kritisch gesehen wird. In der EU wurde die Verwendung von

Phthalaten in Kinderspielzeug verboten. Die Verwendung von Di-Ethylhexylphthalat (DEHP) in medizi-

nischen Gegenständen wird kritisch gesehen und nach Alternativen wird gesucht.

Inzwischen liegen einige Studien zur DEHP-Metabolitenausscheidung in der Bevölkerung vor. U.a.

waren in einem Vortest zum KUS im Jahre 2001/2 ca. 250 Kinder auf ihre Belastung mit einem

bestimmten Weichmacher, nämlich Di-Ethylhexylphthalat (DEHP), untersucht worden und es hatte

sich gezeigt, dass die Metaboliten-Ausscheidung insbesondere bei sehr kleinen Kindern sehr hoch

war; je jünger die Kinder, desto höher war ihre Belastung; sie überstieg bei einem erheblichen Anteil

der Kinder die tolerable Zufuhr1. Leider wurde diese Analytik im KUS insgesamt nicht mitgeführt,

sodaß nur Daten für ca. 250 Kinder aus dem Jahre 2001/2 vorliegen. In einer weiteren Untersuchung

1 Becker K, Seiwert M, Angerer J, Heger W, Koch HM, Nagorka R, Rosskamp E, Schlüter C, Seifert B, Ullrich D. DEHP metabolites in urine of children and DEHP in house dust. Int J Hyg Environ Health (2004) 207: 409-417

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Spezielle Themen - Belastung von Kindern mit Acrylamid und Phthalaten - sowie durch Passivrauchen - Untersuchung von Einschülern aus Frankfurt – 2007

160

aus Deutschland wurde die innere Belastung von Kindern und Erwachsenen mit Dibutylphthalat

untersucht, wobei insbesondere durch Medikamente in Einzelfällen sehr hohe innere Belastungen

feststellbar waren. Diese Medikamente sind teilweise frei verkäuflich und werden auch Kindern

verabreicht2. Letztendlich aber gibt es noch kaum Erkenntnisse über die Belastung von Kindern mit

den höher-molekularen Phthalaten, die in letzter Zeit zunehmend als Ersatz für das DEHP eingesetzt

werden. Entsprechende valide Analysenmethoden für die Erfassung der Stoffwechselprodukte ande-

rer, höhermolekularer Phthalate wurden erst in den letzten Jahren entwickelt. Daten zur Belastung von

Kindern mit dieser Stoffgruppe liegen bislang noch nicht vor.

Die Problematik von Acrylamid erlangte in Deutschland im Jahre 2002 große öffentliche Aufmerk-

samkeit, nachdem in zahlreichen Lebensmitteln, insbesondere in Pommes frites, Kartoffelchips etc.,

teilweise sehr hohe Acrylamid -Gehalte gefunden worden waren (bis über 3000µg/kg). Angesichts der

möglichen krebsauslösenden Wirkung dieser Substanz wurde nach Minderungsmaßnahmen gesucht.

Obwohl in den letzten Jahren Methoden zur Bestimmung von Acrylamid und seiner Abbauprodukte in

Blut oder Urin etabliert und bereits in verschiedenen bevölkerungsmedizinischen Untersuchungen bei

Erwachsenen eingesetzt wurden, liegen bis heute keine Daten zur inneren Belastung von Kindern und

Jugendlichen mit Acrylamid vor. Stoffwechselprodukte von Acrylamid im Urin wurden im Rahmen des

KUS (noch) nicht untersucht.

Untersuchung von Einschülern aus Frankfurt – 2007

Vor dem Hintergrund offenkundiger umweltmedizinischer Probleme – nämlich der Zunahme der

Passivrauchbelastung von Kindern, hoher Belastung mit DEHP (Di-ethylhexylphthalat) bei gleich-

zeitiger Steigerung des industriellen Einsatzes anderer Phthalate, für die keine Untersuchungsdaten

bei Kindern vorliegen, sowie fehlender Daten zur Belastung von Kindern mit Acrylamid – wurde im

Februar/März 2007 im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen in Frankfurt die Belastung von

Kindern mit diesen Stoffen untersucht.

In den Urinproben wurden die Merkaptursäuren AAMA und GAMA nach Festphasenextraktion mittels

LC-MS/MS quantifiziert. Die Analytik der Phthalatmtabolite basiert auf einer multidimensionalen

Flüssigkeitschromatographie/Tandem Massenspektrometrie (LC/LC-MS/MS) und ermöglicht die

simultane Erfassung verschiedener Phthalatmetabolite im Urin. Damit können Primär- und/oder

Sekundärmetabolite in einem einzigen Analyseschritt detektiert werden.

Die Bedeutung möglicher Quellen und Einflussfaktoren wurde durch einen Fragebogen erhoben.

Darin wurde nach dem Konsum von Obst und Gemüse, Fleisch und Wurst, Pommes, Kartoffelchips,

Bratkartoffeln, Keksen, Müsli etc. sowie nach Getränken oder Lebensmitteln aus Kunststoffver-

packungen, nach der Anwendung von Körperpflegemitteln, der Einnahme von Medikamenten und

nach der Passivraucherbelastung in der Wohnung gefragt.

2 Koch HM, Preuss R, Drexler H, Angerer J. Exposure of nursery school children and their parents and teachers to di-n-butylphthalate and butylbenzylphthalate Int Arch Occup Environ Health (2005) 78: 223-9.

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Spezielle Themen - Belastung von Kindern mit Acrylamid und Phthalaten - sowie durch Passivrauchen - Untersuchung von Einschülern aus Frankfurt – 2007

161

Insgesamt 111 Kinder, 63 Jungen und 48 Mädchen, nahmen an der Untersuchung teil; bei einem Kind

war sehr wenig Urin abgegeben worden, weshalb bei diesem nur die Phthalatmetabolite analysiert

wurden, die Stoffwechselprodukte von Acrylamid aber nicht mehr untersucht werden konnten.

Die angegebenen Ernährungsgewohnheiten unterschieden sich nicht zwischen Jungen und Mädchen,

mit Ausnahme eines bei Mädchen signifikant geringeren Fischkonsums. Deutlich mehr als 80% der

Kinder konsumierten regelmäßig (häufig) Getränke aus Kunststoffflaschen und Lebensmittel aus

Plastikverpackungen. Ca. 90% der Kinder aßen oft Fleisch und frisches Obst und Gemüse, ca. zwei

Drittel der Kinder nahmen sehr häufig Müsli, Cornflakes und Toastbrot zu sich, mehr als die Hälfte der

Kinder aßen häufig Schokolade. Bei 38 Kindern (34,2%) wurde angegeben, dass ein Familienmitglied

raucht, bei 16 Kindern (14,4%) wurde angegeben, dass auch in der Wohnung geraucht wird.

Passivrauchbelastung – Cotinin im Urin

Zur Untersuchung der Passivrauchbelastung wurde Cotinin im Urin analysiert. Cotinin, ein

Abbauprodukt von Nikotin, wird mit einer längeren Halbwertszeit als Nikotin im Urin ausgeschieden

und zeigt zuverlässig eine Rauch- bzw. Passivrauchbelastung an. Die durchschnittliche Cotinin-

Konzentration im Urin der teilnehmenden Kinder betrug 1,5µg /l. Rauchte ein Familienmitglied, so

Acrylamid

Acrylamid ist im Tierversuch als krebserzeugend (DFG: Kategorie 2; IARC: Kategorie 2A) und als keimzell-mutagen (DFG: Kategorie 2) eingestuft. Mäuse reagieren sensitiver als Ratten. Dies dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass im Stoffwechsel von Mäusen etwa dreifach höhere Mengen an Glycidamid (GA) gebildet werden als bei Ratten. GA hat sich als das ultimal krebserzeugende Agens des Acrylamid erwiesen (Rice 2005). Die für den Menschen wichtigsten Wirkungen des Acrylamids sind die potentielle Kanzerogenität und Keimzellmutagenität sowie die erwiesene (reversible) Neurotoxizität.

Nahrung und Tabakrauchen sind die wesentlichen Acrylamidaufnahmequellen. Bei Untersuch-ungen mit Erwachsenen konnte nach einmaliger acrylamidreicher Mahlzeit (Bratkartoffeln) eine 10fach höhere Ausscheidung an AAMA und GAMA als zuvor gefunden werden. Umgekehrt führte eine gezielt acrylamidarme Ernährung über drei Tage zu einer deutlichen Abnahme von AAMA und GAMA im Urin. Raucher hatten stets eine 2-4fach höhere Metabolitenausscheidung als Nichtraucher.

Phthalate

Phthalate sind nur gering akut toxisch. Alle Phthalate haben sich nicht als mutagen und/oder gentoxisch erwiesen. Im Hinblick auf eine mögliche krebsauslösende Wirkung erwies sich DEP als negativ, auch für DiNP wurden keine Hinweise auf eine krebsauslösende Wirkung erhalten; DBP zeigte eine gewisse tumorfördernde Wirkung. DEHP-Exposition führte bei den Versuchstieren zu Leberzellkarzinomen. Da der Mensch Phthalate über andere Wege verstoffwechselt als die Versuchstiere und weitere Hinweise auf eine krebsauslösende Wirkung beim Menschen fehlen, werden in der internationalen aktuellen Bewertung Phthalate als krebserzeugend beim Tier eingestuft, aber nicht beim Menschen (IARC 2000).

Die entwicklungs- und reproduktionstoxischen Wirkungen der Phthalate stellen das größte Problem dar. Da aussagekräftige Studien bei Menschen fehlen, stützt sich die toxikologische Bewertung nahezu ausschließlich auf Tierversuchsdaten. Dort wurden feingewerbliche Veränderungen in den Hoden und verminderte Spermienzahlen sowie eine reduzierte Fertilität gefunden. In Entwicklungsstudien fanden sich teilweise eine erhöhte vorgeburtliche Sterblichkeit, vermindertes Geburtsgewicht und verschiedene Missbildungen. In Zwei-Generationen-Studien wurde auch eine Abnahme der „anogenitalen Distanz“, verminderte Serum-Testosteron-Spiegel gefunden. Es zeigtesich eine besonders empfindliche Phase bei Exposition vor der Geburt. Diese Befunde gelten als auf den Menschen übertragbar und führten zur Einstufunf als „endocrine disruptors“.

Aufgenommene Phthalate werden im Körper rasch verstoffwechselt und als Mono-Ester bzw. weiter oxidierte Sekundärmetabolite im Urin ausgeschieden.

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162

betrug die mittlere Belastung der Kinder 4,05µg Cotinin/l, wurde in der Wohnung selbst geraucht, stieg

die mittlere Belastung auf 13,6µg Cotinin/lUrin an. Wurde in der Wohnung nicht geraucht, war die

mittlere Cotininbelastung mit 1,36µg /l etwa 10fach geringer. Die Kinder, bei denen kein

Familienmitglied überhaupt rauchte, hatten die niedrigsten Cotinin-Werte im Urin, im Mittel 1,19µg /l

(Tab. 63; Abb. 67). Es zeigten sich auch eindeutige Zusammenhänge mit der Anzahl der in der

Wohnung gerauchten Zigaretten. Die Ergebnisse stimmten sehr gut überein mit den Daten des

Kinderumweltsurveys von 2003-2006 (Tab. 63).

Tab. 63 Cotinin im Urin der Kinder - im Vergleich mit anderen Untersuchungen

Abb. 67 Cotinin im Urin - in Abhängigkeit von den Rauchgewohnheiten in der Familie und der Rauchbelastung in der Wohnung

Kinder (n) x ± sdev. Median P 95 Kinder – diese Untersuchung 2007 µg/l µg/l µg/l alle 111 4,3 ± 7,1 1,55 22,13 Raucher in der Familie 38 9,4 ± 10,4 4,05 31,2 Rauchen in der Wohnung 16 15,2 ± 11,3 13,6 36,9 kein Raucher in der Familie 73 1,70 ± 1,45 1,19 5,57 kein Raucher in der Wohnung 95 2,49 ± 0,24 1,36 8,00 Kinder-Umwelt-Survey (KUS) 2003/6 Alle Kinder 3-14 J 1723 31,6 2 28 Kinder 3-5 J 373 4,2 <2 23 Kinder 6-8 J 431 3,2 <2 10 Mehr als ein Raucher in der Wohnung 271 9 5 33 Ein Raucher in der Wohnung 500 4,4 2 17 Kein Raucher in der Wohnung 884 <2 <2 5

3873N =

Raucher in der Familie

janein

Co

tinin

µg

/l

40

35

30

25

20

15

10

5

01695N =

Rauchen in der Wohnung

janein

Co

tinin

µg

/l

40

35

30

25

20

15

10

5

0

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163

Acrylamid

Acrylamid wird nach der Aufnahme in den Körper rasch verstoffwechselt und als Mercaptursäure-

Stoffwechselprodukte AAMA und GAMA ausgeschieden. Die Metabolite AAMA und GAMA lagen bei

99 bzw. 96% der Kinder über der Nachweisgrenze. Die Ergebnisse sind in Tab. 64 zusammengefaßt.

AAMA (Mittelwert 57,8µg/l, Median 36,0µg/l und 95. Perzentile 135,7µg/l) lag in etwa dreifach höherer

Konzentration vor als GAMA (Mittelwert 18,3µg/l, Median 13,4µg/l und 95. Perzentile 45,6µg/l). In Tab.

64 sind auch die Analysen zur Frage eines Zusammenhangs zwischen dem Konsum verschiedener

Lebensmittel und der Ausscheidung der Acrylamidstoffwechselprodukte im Urin dargestellt. Die

erwarteten Zusammenhänge mit dem Verzehr von Pommes, Kartoffelchips konnten in Korrelations-

tests bestätigt werden. Eine Passivrauchbelastung führte demgegenüber nicht zu einer erkennbar

höheren Acrylamidbelastung.

Tab. 64 Acrylamid-Mercaptursäureausscheidung bei Jungen und Mädchen – Zusammenhang mit der Ernährung

Wurden Pommes frites sowie frittierte Lebensmittel häufig verzehrt, hatten die Kinder eine signifikant

höhere Mercaptursäureausscheidung als die Gruppe der Kinder, die diese Lebensmittel selten

verzehrte. Auch häufiger Verzehr von Müsli und von bestimmten Keksen zeigte einen deutlichen

Einfluß auf die Mercaptursäureausscheidung, der im statistischen Test allerdings nicht signifikant war

(Tab. 64 auch Abb. 68 a, b).

Da mit dieser Untersuchung erstmals Daten zur Acrylamidausscheidung bei Kindern vorliegen,

können sie nur mit Daten aus Untersuchungen bei Erwachsenen verglichen werden. Im Literbezug

haben Kinder vergleichbare Metabolitenkonzentrationen im Urin wie nichtrauchende Erwachsene. Die

Konzentration an AAMA übersteigt die des oxidativen Metaboliten GAMA immer deutlich. Das

Verhältnis GAMA / AAMA, also des toxikologisch relevanteren oxidativen Metaboliten GAMA zu

AAMA, liegt bei den Kindern deutlich höher als bei Erwachsenen aus Süddeutschland, es liegt aber in

dem gleichen Bereich wie bei 65 nichtrauchenden Erwachsenen aus Dänemark.

AAMA GAMA µg/l µg/l

Mittelwert± Standardabw. (Median) 57,8±119,5 (36,0) 18,3±15,3 (42,2) Zusammenhangsanalysen mit Ernährungsgewohnheiten (Häufigkeit)

R P-Wert R p

Kartoffelchips /-sticks 0,192 0,044 0,115 0,232 Cracker, Salzstangen, Popcorn 0,030 0,753 -0,015 0,876 Butterkekse, Lebkuchen 0,092 0,341 0,065 0,497 Pommes frites 0,322 0,001 0,310 0,001 Frittierte Lebensmittel (Kalamares, Kroketten) 0,154 0,108 0,133 0,165 Bratkartoffel, Schweizer Rösti -0,025 0,797 -0,033 0,732 Knäckebrot -0,029 0,763 -0,008 0,937 Toastbrot -0,015 0,874 -0,015 0,875

Müsli, Cornflakes 0,122 0,245 0,016 0,869

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Abb. 68 a-d AAMA- und GAMA im Urin in Abhängigkeit vom dem Verzehr bestimmter Lebensmittelgruppen

86240 86240N =

Verzehr von Pommes frites

häufiggelegentlichselten

µg

/l

220

200

180

160

140

120

100

80

60

40

20

0

AAMA_L

GAMA_L

54560 54560N =

Verzehr frittierter Lebensmittel

321

µg

/l

220

200

180

160

140

120

100

80

60

40

20

0

AAMA_L

GAMA_L

77267 77267N =

Verzehr Müsli

häufiggelegentlichselten

µg

/l

140

120

100

80

60

40

20

0

AAMA_L

GAMA_L

55847 55847N =

Verzehr an Butterkeksen

häufiggelegentlichselten

µg

/l

140

120

100

80

60

40

20

0

AAMA_L

GAMA_L

Berechnung der Acrylamid-Aufnahme aus den literbezogenen Merkaptursäuren-Konzentrationen im Urin

Aus dem Ergebnis der AAMA- und GAMA-Ausscheidung wurde – unter der Annahme eines Gleich-

gewichtszustandes („steady state“) die Aufnahme von Acrylamid nach folgender Formel abgeschätzt:

UEsumme (µmol/g Kreatinin) x Kreatinin-Ausscheidunggeglättet (g/Tag) x MG Ausgangssubstanz (g/Mol)

F UE + Körpergewicht (kg)

UESumme: Molare Ausscheidung der Metabolite in µmol/g Kreatinin, hier AAMA und GAMA Kreatinin-Ausscheidung geglättet: Referenzwerte für Kreatininausscheidung bezogen auf Größe und Geschlecht von 3-18 J alten Kindern und Jugendlichen (Remer et al., 2002) MG Ausgangssubstanz: Molekulargewicht der aufgenommenen Substanz, hier Acrylamid F UE: Molares Verhältnis der Metabolitenausscheidung zur Aufnahme der Ausgangssubstanz

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165

Die mittlere Acrylamidaufnahme (Median) beträgt 0,73µg/kg KG und Tag, die 95.Perzentile beträgt

1,9µg/kgKG und Tag, d.h. 95% der Kinder nehmen weniger als diese Menge Acrylamid pro Tag auf.

Damit liegt die so ermittelte mittlere Acrylamid-Zufuhr der untersuchten Kinder in dem von der

Weltgesundheitsorganisation WHO abgeschätzten Bereich von 0,3-0,8µg/kgKG*Tag und etwas

niedriger als nach den Abschätzungen anhand der Acrylamid-Belastung der Lebensmittel und der

aufgenommenen Nahrungsmengen für Kinder dieses Alters berechnet wurde. Die hier anhand der

gemessenen inneren Belastung ermittelte Acrylamid-Aufnahme liegt in etwa in dem gleichen Bereich

wie bei Erwachsenen Nichtrauchern. Allerdings liegt bei 30% der Kinder eine Aufnahme von mehr als

1µg/kgKG*Tag vor, bei 2,8% über 2µg/kgKG*Tag, mit einem Maximalwert von 9,6µg/kgKG*Tag.

Phthalate

Es wurden die Stoffwechselprodukte

verschiedener Phthalate untersucht.

Tab. 65zeigt die Ausgangssub-

stanzen, die untersuchten Stoffwech-

selprodukte sowie deren Ergebnisse

im Median-Wert, der 95. Perzentile

und die Maximalwerte. Die höchsten

Konzentrationen fanden sich bei

MnBP (Median 36,8µg/l) und MiBP

(Median 42,8µg/l), den Metaboliten

von Butylphthalaten. Die Metaboliten

von DEHP wiesen in der Summe

ebenfalls recht hohe Konzentrationen

auf: Die Medianwerte betrugen für

MEHP 4,7µg/l, 5OH-MEHP 17,4µg/l,

5oxo-MEHP 15,1µg/l, 5cx-MEPP

28,4µg/l und für 2cx-MMHP 11,3µg/l.

An dritter Stelle lagen die

Stoffwechselprodukte von DiNP: 7OH-

MiNP 7µg/l, 7oxo-MiNP 4.22µg/l und

7cx-MiNP 13,1µg/l.

Nur für wenige Metabolite liegen Daten aus dem Kinderumweltsurvey vor. Im Vergleich mit diesen

Daten aus den Jahren 2001/2 wurde eine niedrigere Belastung für die Weichmacher DEHP, DnBP

und DBzP gefunden, die Stoffwechselprodukte der anderen Phthalate wurden hier erstmals unter-

sucht, so dass hier keine Vergleichswerte angegeben werden können.

DiNP (DINP) Di-iso-nonyl phthalat DiDP (DIDP) Di-iso-decyl phthalate

MEHP Mono-(2-ethyl-hexyl) Phthalat (Stoffwechselprodukt von DEHP)

5OH-MEHP Mono(2-ethyl-5-hydroxyhexyl) phthalat (Stoffwechselprodukt von DEHP)

5oxo-MEHP Mono(2-ethyl-5-oxohexyl) phthalat (Stoffwechselprodukt von DEHP)

5cx-MEPP Mono(2-ethyl-5-carboxypentyl) phthalat (Stoffwechselprodukt von DEHP)

2cx-MMHP Mono(2-carboxymethyl-hexyl) phthalat (Stoffwechselprodukt von DEHP)

MnBP Mono-n-butyl phthalat (Stoffwechselprodukt von DnBP)

MiBP Mono-iso-butyl phthalat (Stoffwechselprodukt von MiBP)

MBzP Monobenzyl phthalat (Stoffwechselprodukt von BBzP)

OH-MiNP Mono-iso-nonyl phthalate mit einer Hygroxygruppe (Stoffwechselprodukt von DiNP)

oxo-MiNP Mono-iso-nonyl phthalate mit einer Ketogruppe (Stoffwechselprodukt von DiNP)

cx-MiNP Mono-iso-nonyl phthalate mit einer Carboxygruppe (Stoffwechselprodukt von DiNP)

OH-MiDP Mono-iso-decyl phthalate mit einer Hygroxygruppe (Stoffwechselprodukt von DiDP)

oxo-MiDP Mono-iso-decyl phthalate mit einer Ketogruppe (Stoffwechselprodukt von DiDP)

cx-MiDP Mono-iso-decyl phthalate mit einer Carboxygruppe (Stoffwechselprodukt von DiDP)

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166

Tab. 65 Phthalate und ihre untersuchten Metaboliten im Urin der Kinder – im Vergleich mit den Daten des Kinderumweltsurveys KUS(Preterst 2001/2)

Ausgangs-substanzen

Untersuchte Metabolite

Kinder aus Frankfurt (n=111) Kinderumweltsurvey (n=

n>

NWG Median P 95 Median P 95 Median P 95

DnBP MnBP 111 36,8 155,5 166 624 DiBP MiBP 111 42,77 215,05 - - BBzP MBzP 95 7,16 93,65 18,8 123

MEHP 107 4,66 21,05 - -

5OH-MEHP 111 17,4 86,05 52,1 188

5oxo-MEHP 111 15,10 70,95 41,4 139

5cx-MEPP 111 28,4 101,0 - -

DEHP

2cx-MMHP 111 11,33 46,08 - -

7OH-MiNP 106 7,01 25,5 - -

7oxo-MiNP 87 4,22 12,45 - - DiNP

7cx-MiNP 110 13,10 45,50 - -

OH-MiDP 66 0,39 4,86 - -

oxo-MiDP 33 0,13 1,19 - - DIDP

cx-MiDP 104 1,31 4,46 - -

Berechnung der Aufnahme der verschiedenen Phthalate aus den Metaboliten-Konzentrationen im Urin

Aus den Ergebnissen der Metaboliten-Ausscheidung wurde anhand des oben für Acrylamid

vorgestellten Verfahrens analog die Aufnahme der verschiedenen Phthalate abgeschätzt. Demnach

liegt die DEHP-Aufnahme am höchsten (Median 4,4µg/kgKG und Tag; P 95 18µg/kgKG und Tag); sie

ist etwa doppelt so hoch wie die Aufnahme von DnBP (Median 1,9µg/kgKG und Tag; P 95 6,4µg/kgKG

und Tag) und DiBP (Median 2,1µg/kgKG und Tag; P 95 11µg/kgKG und Tag) sowie DiNP (Median

2,4µg/kgKG und Tag; P 95 9,5µg/kgKG und Tag). Die Aufnahme von BBzP und DiNP liegt um etwa

eine Größenordnung niedriger (Medianwerte 0,3µg BBzP/kgKG und Tag und 0,28µg DiDP/kgKG und

Tag) (Tab. 66). Die Ergebnisse liegen im Mittel und in den oberen Perzentilen deutlich unter den

„erlaubten“ Zufuhrmengen – mit Ausnahme von DiBP. Etwa 5% der Kinder liegen über dem TDI-Wert.

Tab. 66 Aufnahme verschiedener Phthalate bei den untersuchten Kindern – berechnet aus der Ausscheidung der Metaboliten

DEHP [µg/kgKG und Tag]

DnBP [µg/kgKG und Tag]

DiBP [µg/kgKG und Tag]

BBzP [µg/kgKG und Tag]

DiNP [µg/kgKG und Tag]

DiDP [µg/kgKG und Tag]

Median 4,452 1,907 2,120 0,311 2,396 0,284 95. Perzentile 17,993 6,388 10,991 2,614 9,530 1,179 Min 1,057 0,160 0,275 0,004 0,038 0,020 Max 44,530 11,159 59,429 10,429 31,193 2,167 TDI-Wert 50 10 10 500 150 150

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167

Einfluß potentieller Phthalat-Expositionen über Bedarfsgegenstände und Medikamente

Da Phthalate in Bedarfsgegenständen, Lebensmitteln und – bestimmte Phthalate wie Butylphthalat –

auch in bestimmten Medikamenten enthalten sein können, hatten wir speziell nach diesen möglichen

Expositionen gefragt. Es wurden Assoziationen zwischen der Ausscheidung der verschiedenen

Phthalatmetabolite im Urin und den anamnestischen Angaben untersucht. Getestet wurde nach den

Angaben der Häufigkeit der Aufnahme von Getränken aus Kunststoffflaschen, von Lebensmitteln aus

Kunststoffverpackungen, der Verwendung von Shampoo und Körpercremes sowie der Einnahme von

Medikamenten.

Es zeigten sich keine Assoziationen zwischen der angegebenen Zufuhr von Getränken aus

Plastikflaschen und den verschiedenen untersuchten Metaboliten. Auch zwischen der Anwendung von

Shampoo und Körpercremes und der Konzentration der untersuchten Metaboliten konnten keine

Assoziationen gefunden werden. Es deuteten sich grenzwertig signifikante Assoziationen zwischen je

einem DEHP-Metaboliten (2cx-MMHP) und einem DiNP-Metaboliten (cx-MiNP) und der Aufnahme

von Lebensmitteln aus Kunststoffverpackungen an (Tab. 67). Auffällig war eine - unerwartete –

Assoziation zwischen der Angabe Medikamenteneinnahme und allen untersuchten DiNP-Metaboliten

(7OH-MiNP, 7oxo-MiNP, 7cx-MiNP).

Tab. 67 Assoziationen zwischen innerer Phthalatbelastung und potentieller Exposition über Bedarfsgegenstände und Medikamente – generelle Häufigkeit (Korrelationen)

Getränke aus Kunststoff-flaschen

Lebensmittel aus Kunststoff-verpackungen

Shampoo Körpercreme Medikamente

r p r p r p r p r p Anzahl MEHP -0,112 0,241 0,098 0,305 -0,034 0,724 -0,034 0,727 0,089 0,351 5OH-MEHP -0,032 0,736 0,125 0,193 0,035 0,718 -0,009 0,927 0,169 0,076 5oxo-MEHP -0,003 0,973 0,181 0,057 -0,016 0,868 -0,035 0,718 0,149 0,119 5cx-MEPP -0,021 0,830 0,152 0,111 -0,033 0,732 -0,072 0,451 0,190 0,046 2cx-MMHP 0,011 0,905 0,191 0,045 -0,019 0,843 0,153 0,110 0,164 0,086 MnBP -0,085 0,376 0,052 0,589 0,090 0,345 -0,067 0,486 0,098 0,306 MiBP -0,010 0,918 0,122 0,203 -0,022 0,817 -0,131 0,171 0,137 0,152 MBzP 0,051 0,594 0,176 0,065 0,032 0,736 -0,004 0,970 0,077 0,419 OH-MiNP 0,037 0,697 0,144 0,130 0,139 0,145 -0,017 0,857 0,175 0,066 oxo-MiNP 0,017 0,862 0,150 0,116 0,092 0,337 0,008 0,931 0,125 0,192 cx-MiNP 0,042 0,662 0,196 0,040 0,177 0,063 -0,024 0,802 0,216 0,023 OH-MiDP 0,042 0,664 0,079 0,409 0,054 0,575 0,117 0,222 0,081 0,396 oxo-MiDP -0,133 0,165 -0,030 0,765 0,027 0,780 0,028 0,771 -0,057 0,549 cx-MiDP -0,012 0,897 0,093 0,330 0,111 0,247 -0,050 0,604 0,059 0,538

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse zeigen, dass praktisch alle Kinder Belastungen mit

Acrylamid und Phthalaten aufweisen und dass Rauchen im Umfeld von Kindern diese ebenfalls

nachweislich mit Inhaltsstoffen des Nebenstromrauchs belastet.

Angesichts des allgemeinen Einsatzes von Weichmachern und der allgemeinen Exposition gegenüber

diesen Stoffen können keine individuellen Minderungsempfehlungen gegeben werden, weshalb die

Ergebnisse an die entsprechenden Stellen im Bund weitergeleitet wurden, um die Verminderung

dieser allgemeinen Belastung in Bedarfsgegenständen bzw. die Phthalat-Freisetzung daraus zu unter-

stützen.

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Spezielle Themen - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung - Untersuchung von Einschülern aus Frankfurt – 2007

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Die Daten zur Passivrauchbelastung zeigen eindeutig, dass ein konsequentes „Rauchverbot in der

Wohnung“ durchaus die Belastung der Kinder mindern kann – vielleicht als erster Schritt zur weiteren

Minimierung. D.h. – wenn schon nicht der eigentlich zu empfehlende völlige Verzicht auf das Rauchen

gelingt - gibt es durchaus einen Minderungsweg. Generell sollte jedoch im Umfeld von Kindern auf

den Tabakkonsum gänzlich verzichtet werden.

Auf der Grundlage der neuen Daten wird Eltern zur Minderung der Acrylamidbelastung ihrer Kinder

empfohlen, insbesondere Pommes frites und andere frittierte Kartoffelprodukte eher selten anzubie-

ten, zumindest aber darauf zu achten, dass diese nicht dunkelbraun, sondern nur hellgelb zubereitet

werden– Stichwort „vergolden statt verkohlen“. Dabei geht es nicht um ein „Total-Verbot“, sondern um

ein abwägendes Handeln im Sinne einer vernünftigen, machbaren Verminderung.

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

Berichte:

Der Störfall in der Hoechst AG vom 22.2.1993 – Ein Jahr danach – Dokumentation. Frankfurt, Februar 1994.

Gesundheitsfolgenuntersuchungen des Störfalls der Hoechst AG vom 22.2. 1993. Untersuchungen des NORDIG-Instituts. Bericht des Stadtgesundheitsamtes, August 2000.

Störfall der Hoechst AG vom 22.2.1993 – Expositionsregister des Bremer Instituts für Präventions-forschung und Sozialmedizin – Geschichte und aktueller Sachstand. Februar 2001

Umweltmedizinische Sprechstunde für Bewohner der ehemaligen US-Housing in Frankfurt am Main. Ergebnisse der Blut- und Urinuntersuchungen auf PAK, PCB und Pestizide oder deren Stoffwechsel-produkte. Frankfurt, im Oktober 1999.

Umweltmedizinische Sprechstunde für Bewohner der ehemaligen US-Housing in Frankfurt am Main. Diagnosen und Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen. Frankfurt, im März 2002.

Kindergesundheit und Umwelt. Belastung von Kindern mit Acrylamid, Phthalaten und Nebenstrom-rauch. Frankfurt, im September 2007.

Publikationen zu Störfällen:

Heudorf U, Peters M: Der Störfall in der Fa. Hoechst AG vom 22.2.1993. Ausmaß der Umweltbela-stung und Sanierungsverlauf. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 347-352.

Heudorf U, Neumann H-G, Peters M: Der Störfall in der Fa. Hoechst AG vom 22.2.1993. - 2. Gesund-heitliche Bewertung. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 405-410.

Heudorf U, Peters M: Human-Biomonitoring nach einem schweren Chemiestörfall - Ergebnisse der Untersuchungen nach dem Störfall in der Hoechst AG vom 22.2.1993. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 558-562.

Heudorf U, Peters M: Der Hoechst-Störfall vom Februar 1993. Ein Jahr danach. Hessisches Ärzteblatt (1994) 55: 77-78.

Heudorf U, Peters M: Chemical accident at Hoechst AG Frankfurt/Main, Germany, 1993 – Environ-mental Pollution, Redevelopment, Investigation of Internal Exposure of the Population, Risk Assessment and Ongoing Studies. In: BIPS (Hrsg): Environmental Epidemiology in Europe 1995. BIPS, Bremen, Germany, 1996

Heudorf U: Beratung Teil 2: Umgang mit Störfällen. In Beyer, A., Eis, D.: Praktische Umweltmedizin, 5.3, S. 1-21, Folgelieferung April 1998.

Heudorf U, Meireis H, Peters M, Hahn A: Der Störfall der Hoechst AG vom 22.2.1993 – Vorliegende Erkenntnisse und weitere Planungen. Hessische Ärzteblatt (2001) 62: 113-115.

Heudorf U, Bader M, Koch A, Ewers U, Angerer J: Humanbiomonitoring: Expositions- und Risiko-abschätzung nach einem Chemieunfall. Umweltmedizin in Forschung und Praxis (1997) 2: 23-24.

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Spezielle Themen - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung - Untersuchung von Einschülern aus Frankfurt – 2007

169

Heudorf U, Peters M: Risikomanagement nach einem Chemieunfall am Beispiel der Isoproturon-Freisetzung der AgrEvo vom Januar 1996. Das Gesundheitswesen (1997) 59: 661-666.

Heudorf U: Beratung Teil 2: Umgang mit Störfällen. In Beyer, A., Eis, D.: Praktische Umweltmedizin, 5.3, S. 1-21, Folgelieferung April 1998.

Publikationen zu PAK- und Pestiziden in den ehemaligen US-Housing und bei deren Bewoh-nern

Heudorf U, Angerer J: Humanbiomonitoring auf PAK-Metabolite von Kindern aus Wohnungen mit PAK-haltigem Kleber. Umweltmed Forsch Prax (1998) 3: 266-274.

Hardt J, Heudorf U, Angerer J: Zur Frage der Belastung der Allgemeinbevölkerung durch Pyrethroide. Umweltmed Forsch Prax (1999) 4: 54-55.

Heudorf U, Moriske HJ: Spezielle Fragen der Innenraumlufthygiene. Auftreten von PAK-Belastungen in Wohnungen mit Parkettböden. In: Moriske H-J (Hrsg).: Handbuch der Bioklimatologie und Lufthygiene, 1. Ergänzungslieferung 4/1999.

Heudorf U, Angerer J: Humanbiomonitoring auf PAK-Metabolite von Kindern aus Wohnungen mit PAK-haltigem Kleber. Ergänzende Mitteilung. Umweltmed Forsch Prax (1999) 4: 97-100.

Heudorf U, Engler A, Peters M, Angerer J: Pestizide in Wohnungen der ehemaligen US-Housing areas in Frankfurt/M - Äußere und innere Exposition der Bewohner – Zwischenbericht. Kinderarzt und Umwelt. Dokumentationsstelle für Umweltfragen im Kindesalter. Jahresbericht 1996/98, S. 48-59.

Heudorf U, Peters M, Angerer J: Das neu erkannte Problem PAK-haltiger Parkettkleber in Wohnungen. Kinderarzt und Umwelt. Dokumentationsstelle für Umweltfragen im Kindesalter. Jahresbericht 1996/98, S. 36-47.

Heudorf U: PAK, PCB und Pestizide im Hausstaub. Welche Gesundheitsgefahren drohen den Bewohnern, besonders den auf dem Boden spielenden Kindern? Pädiatr Prax (1999) 56: 755-768.

Heudorf U: Innenraumbelastungen mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen durch PAK-haltige Parkettkleber. Sachstandsbericht zur Bewertung und zum Umgang mit dieser neuen Altlast im Innenraum. Das Gesundheitswesen (1999) 61: 567-572.

Heudorf U: Hohe PCP-Blutspiegel durch PCP-belastete Lederkleidung. DMW (2000) 125: 766-768.

Heudorf U, Angerer J: Aktuelle PCB-Belastung einer Wohnbevölkerung in Deutschland 1998. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 137-142.

Heudorf U: Hohe Organophosphatmetabolitenkonzentrationen im Urin durch Verzehr großer Mengen Obst? Eine Kasuistik. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 189-191.

Heudorf U, Angerer J: Humanbiomonitoring auf PAK-Metaboliten im Urin von Kindern aus Wohnun-gen mit PAK-haltigem Parkettkleber – Ergebnisse aus der umweltmedizinsichen Sprechstunde des Frankfurter Gesundheitsamtes. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 218-226.

Heudorf, U., Moriske H.J: Spezielle Fragen der Innenraumlufthygiene. Auftreten von PAK-Belastungen in Wohnungen mit Parkettböden. In: Moriske H-J (Hrsg).: Handbuch der Bioklimatologie und Lufthygiene, ergänzende Mitteilung, Dezember 2000

Heudorf U, Letzel S, Peters M, Angerer J: PCP in the blood plasma: Current exposure of the population in Germany, based on data obtained in 1998. Int J Hyg Environ Health (2000) 203: 135-139.

Heudorf U, Schubert W: Innenraumbelastung mit polyzyklischenaromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) durch PAK-haltige Parkettklebstoffe – Hinweise der Projektgruppe Schadstoffe der Baumini-sterkonferenz. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 431-344.

Heudorf U, Angerer J: Internal exposure to PAHs of children and adults living in homes with parquet flooring containing high levels of PAHs in parquet glue. Int Archives of Occupational and Environmen-tal Medicine (2001) 74: 91-101.

Heudorf U, Angerer J: Urinary monohydroxylated phenanthrenes and hydroxypyrene – the effects of smoking habits and changes induced by smoking on monooxigenase mediated metabolism. Int Archives of Occupational and Environmental Medicine (2001) 74: 177-183.

Page 181: 30 Jahre Umwelthygiene - frankfurt.de · die Erfolge der eingeleiteten Maßnahmen. So gehen heute in Frankfurter Einrichtungen kaum noch Gesundheitsgefahren von Legionellen in Warmwassersystemen

Spezielle Themen - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung - Untersuchung von Einschülern aus Frankfurt – 2007

170

Heudorf U, Angerer J: Metabolites of pyrethroid insecticides in urine specimens: current exposure in an urban population in Germany. Environmental Health Perspectives (2001) 109: 213-217.

Heudorf U, Angerer J: Metabolites of organophosphorous insecticides in urine specimens from inhabitants of a residential area. Environmental Research (2001) 86: 80-87.

Heudorf U, Letzel S, Angerer J, Drexler H.: Einfluss einer Passivrauchbelastung auf die Konzentration von PAK-Metaboliten im Urin von Kindern. Umweltmed Forsch Prax (2001) 6: 336-342.

Heudorf U, Schümann M, Angerer J, Exner M: Dermal and bronchial symptoms in children: are they caused by PAH containing parquet glue or by passive smoking? Int Arch Occup Environ Health (2005) 78: 655-62.

Publikationen zu Acrylamid und Phthalaten

Heudorf U, Mersch-Sundermann V, Angerer J. Phthalates: Toxicology and exposure. Int J Hyg Environ Health (2007) 210: 623-634.

Heudorf U, Hartmann E, Angerer J. Acrylamide in children - exposure assessment via urinary acrylamide metabolites as biomarkers. Int J Hyg Environ Health. 2008 Jun 12. [Epub ahead of print

Heudorf U: Phthalate und Kinder. Umweltmed Forsch Prax, im Druck

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Umgang mit Risiken - Expositions- und Risikoabschätzung - Einleitung

171

Umgang mit Risiken

Expositions- und Risikoabschätzung

Einleitung

Der Schutz und die Förderung der Gesundheit der Bevölkerung ist eine originäre Aufgabe des öffent-

lichen Gesundheitsdienstes. Dabei gilt es zunächst, etwaige Probleme zu identifizieren, das Risiko zu

charakterisieren, erforderliche Maßnahmen zu entwickeln, zu kommunizieren und diese dann

umzusetzen. Im optimalen Fall folgt dann die Evaluation des Effekts der ergriffenen Maßnahmen.

Die Risikobetrachtung stützt sich zum einen auf die Toxizitätsabschätzung des/r in Frage stehenden

Stoffe/s, z.B. Kenntnisse von Dosiswirkungsbeziehungen, Endpunkten der spezifischen Toxizität

(Lowest observed adverse effect level LOAEL, no observed adverse effect level NOAEL) oder bei

kanzerogenen Stoffen die Risiko-spezifische Dosis „unit risk“. Diese Angaben können in der Regel der

Literatur entnommen werden. Aus der Toxizität eines Stoffes lässt sich aber nur dann ein Risiko

ableiten, wenn dieser Stoff auch zu Expositionen führt und z.B. von den Menschen aufgenommen

wird. Auch bei hochtoxischen Substanzen gilt: Ohne Exposition kein Risiko. Im Alltag wird diese

Tatsache aber sehr häufig nicht beachtet: Sobald eine toxische Substanz gefunden wird, wird von

einem gesundheitlichen Risiko ausgegangen. Für eine korrekte Risikoabschätzung muss jedoch

immer zwingend auch eine Expositionsabschätzung erfolgen. Erst aus der zusammenfassenden

Betrachtung Toxizitätsabschätzung und Expositionsabschätzung lässt sich das tatsächliche

gesundheitliche Risiko charakterisieren (Abb. 69).

Abb. 69 Ablaufschema des Prozesses zur Risikoabschätzung (AGLMB, Leitfaden zur Expositionsabschätzung)

Zur Abschätzung der Expositionen wurden verschiedene rechnerische Expositionsszenarien

erarbeitet. Die Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Ministerialbeamten der Länder (AGLMB) hat für die

Gesundheitsämter einen Leitfaden zur Expositionsabschätzung veröffentlicht. Allen diesen Modellen

ist gemeinsam, dass die Vielgestaltigkeit der (individuellen) Lebensumstände nicht erfasst werden

kann und dass bezüglich der anzunehmenden Standards keine allgemein gültigen Konventionen be-

stehen. Angesichts der genannten Unsicherheiten haben alle „klassischen“ Modelle die Tendenz zu

worst-case Annahmen, die in der Regel zu einer erheblichen Überschätzung der Exposition führen.

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Umgang mit Risiken - Expositions- und Risikoabschätzung - Beispiel: PCB im Innenraum

172

Die mehrfache Verknüpfung ungünstiger Annahmen in einer worst-case-Schätzung kann zu sehr

unrealistischen Schätzungen der Expositionen führen. So liefert z.B. eine Multiplikation von drei

Modellparametern, die jeweils als 95. Perzentilwert eingehen, ein Resultat, das nur in etwa einem von

8000 Fällen überschritten wird, bei Multiplikation von fünf Parametern ist es nur ein Fall von 3,2

Millionen14.

Vor diesem Hintergrund sollte – wo immer geeignete Methoden zur Verfügung stehen – das Human-

Biomonitoring als Methode der Expositionsabschätzung favorisiert werden. Dabei wird der in Frage

stehende Stoff oder seine Metabolite in Körperflüssigkeiten (in der Regel Blut, Urin) untersucht. In

Kenntnis des Stoffwechsels kann die Aufnahme errechnet werden.

Als Vorteile des Human-Biomonitorings gelten:

Es wird die individuelle Exposition und damit auch die Vielgestaltigkeit möglicher tatsächlicher

Expositionen erfasst.

Die Unsicherheiten der rechnerischen Expositionsabschätzung mit ihren stark divergierenden

Annahmen werden umgangen.

Es wird die Gesamt-Exposition erfasst und nicht nur der Expositionspfad, der gerade im

Zentrum des Interesses steht. Damit können präventivmedizinische Programme sicherer

begründet und priorisiert werden und Fehleinschätzungen, die nur durch Betrachtung eines

einzelnen Expositionspfades entstehen können, vermieden werden.

Beide Methoden der Expositionsabschätzung, die klassische rechnerische Modellierung und

analytische Erfassung mittels Human-Biomonitoring werden nachfolgend an zwei Innenraumpro-

blemen dargestellt und vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer wirksamen Risikoprävention

diskutiert.

Beispiel: PCB im Innenraum

Polychlorierte Biphenyle (PCB) wurden wegen ihrer Stabilität gegenüber Hitze, ihrer hohen Reaktions-

trägheit, Schwerentflammbarkeit und Alterungsbeständigkeit in zahlreichen Anwendungsbereichen

eingesetzt: Als Weichmacher in Kunststoffen, Klebstoffen, Imprägnierungs- und Flammschutzmittel,

als Isolier- und Kühlflüssigkeit in Transformatoren etc. Die PCB sind gering akut toxisch, das größte

gesundheitliche Problem besteht in ihrer Biobeständigkeit und Anreicherungstendenz in der

Nahrungskette und im menschlichen Fettgewebe sowie in der Muttermilch. Nicht zuletzt aus diesen

Gründen wurden die PCB seit 1983 in Deutschland nicht mehr hergestellt. 1989 wurden sie völlig

verboten. Die tolerable tägliche PCB-Zufuhr wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO mit

1µg/kg KG und Tag ermittelt, die derzeitige Zufuhr in Deutschland über die Nahrung wird auf

<0,1µg/kg KG und Tag geschätzt.

Seit Beginn der 1990er Jahre wurde in der Raumluft zahlreicher Schulen und öffentlicher Gebäuden –

auch in Frankfurt – PCBs gefunden, bedingt durch PCB-haltige Baustoffe in diesen Gebäuden.

Aufgrund von rechnerischen Expositionsabschätzungen (Tab. 68 linke Spalte) wurden Sanierungs-

14 Um diese Problematik zu verbessern, werden derzeit sog. Probabilistische Modelle entwickelt. Hier werden – im Gegensatz zur Punktschätzung – nicht einzelne Werte, sondern statistische Verteilungen als Eingangsvariablen verwendet. Probabilistische Verfahren benötigen sehr viel mehr Ausgangsdaten und sind demzufolge ressourcenintensiver als die bisher etablierten Verfahren der Expositionsabschätzung. Sie sind noch in der Entwicklung und stoßen (noch?) auf Akzeptanzprobleme (Mekel, Ewers, 2005).

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Umgang mit Risiken - Expositions- und Risikoabschätzung - Beispiel: PCB im Innenraum

173

richtwerte erarbeitet. Ziel war es, eine spezifische Gefährdung durch PCB in der Raumluft für die

Raumnutzer in diesen Gebäuden auszuschließen. Der TDI-Wert sollte durch Aufenthalt in solchen

Räumen nicht längerfristig überschritten werden; maximal 10% des TDI-Werts sollten längerfristig

über die Luft aufgenommen werden. Unter der (worst-case) Annahme, dass ein 30kg schweres

Schulkind sich an 365 Tagen 24 Stunden in diesen Räumen aufhält, sollte bei Überschreitung von

3000ng/m3 (entspricht dann TDI-Wert) eine Sanierung erforderlich werden; als langfristig tolerabel

wurden 10% des TDI-Werts festgesetzt (entspricht 300ng/m3). Aufgrund dieser rechnerischen

Expositionsabschätzung wurde 1994 seitens der Arbeitsgemeinschaft der Bauministerien der Länder

(ARGEBAU) die PCB-Richtlinie publiziert (s. S. 197). Seither wurden in vielen Orten der

Bundesrepublik mit großem Aufwand Schulen und andere öffentliche Gebäude saniert. - Wird jedoch

statt mit worst-case-Szenarien mit realistischeren Annahmen gerechnet (Tab. 68 mittlere Spalte), d.h.

eine 30%ige Resorption, ein Aufenthalt von 6 Stunden an 5 Wochentagen über 40 Wochen im Jahr,

erhält man sehr viel niedrigere Zusatzexpositionen – und damit auch weniger Sanierungsbedarf.

Tab. 68 Abschätzung der Zusatzbelastung durch Aufenthalt in PCB-haltigen Gebäuden. Worst case – vs. realistischere Annahmen

„Worst-Case“-Annahmen für PCB-Richtlinie

Realistischere Annahmen

Unterschied (Faktor)

ADI/TDI-Wert 1µg/kg KG, Tag Annahme: Kind 30kg KG

30µg/Tag „duldbar“

Annahmen: (Kind) Luftaufnahme/Tag Resorption Aufenthalt in Schule: Stunden/Tag Tage/Woche Wochen/Jahr

10 m³ 100%

24 7

52

10 m³ 30%

6 5

40

1

ca. 3 4

1,5 1,3

Errechnete Aufnahme 3000ng/m³ 300ng/m³

1µg/kg, Tag

0,1µg/kg, Tag

0,05µg/kg KG, Tag

0,005µg/kg KG, Tag

(20) (20)

Inzwischen liegen zahlreiche Untersuchungen zur inneren PCB-Belastung der Nutzer solcher PCB-

belasteter Gebäude vor. Generell waren keine signifikanten Zusatzbelastungen über die nahrungs-

bedingte allgemeine Hintergrundbelastung der Bevölkerung hinaus erkennbar, und dies, obwohl die

Teilnehmer in verschiedenen Studien maximalen Raumluftkonzentrationen über 10.000ng/m3 ausge-

setzt waren. D.h. die analytische Expositionsbestimmung mittels Human-Biomonitoring stimmte mit

der rechnerischen (worst-case) Abschätzung keineswegs überein, sie bestätigte eher die „realisti-

schere Abschätzung.“

Vor diesem Hintergrund sind die Sanierungsmaßnahmen, die in vielen Kommunen durchgeführt

werden, im Hinblick auf ihren tatsächlichen präventivmedizinischen Wert kritisch zu hinterfragen. Auch

die Kommission Human-Biomonitoring kam angesichts der vorliegenden Human-Biomonitoring-Daten

zu dem Schluss: „Im Zuge einer Revision der PCB-Richtlinie sollten auch Human-Biomonitoring-

Untersuchungen als Entscheidungskriterium in Erwägung gezogen1 werden, damit Entscheidungen

über Sanierungsmaßnahmen angemessen getroffen werden können.“

1 HBM-Kommission. Abschätzung der zusätzlichen Aufnahme von PCB in Innenräumen durch die Bestimmung der PCB-Konzentrationen in Plasma bzw. Vollblut. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheits-schutz (2003) 46: 923-927.

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Umgang mit Risiken - Expositions- und Risikoabschätzung - Beispiel: PAK im Parkettkleber

174

Beispiel: PAK im Parkettkleber

1997/8 wurde in den ehemaligen US-Housing in Frankfurt am Main im Zusammenhang mit

Hausstaubanalysen, die erhöhte PAK-Werte aufwiesen, eine neue „Altlast im Innenraum“ entdeckt:

Parkettkleber mit PAK-Konzentrationen bis in den Bereich von 20 Gewichts-Prozent. Weitere

Recherchen ergaben, dass die Verwendung solcher Kleber bis in die 1970er Jahre hinein in

Deutschland Stand der Technik bei der Verlegung von Parkett war. Die Entdeckung der PAK im

Parkettkleber erregte großes, bundesweites öffentliches Interesse; dementsprechend lastete ein

enormer Sanierungs-Druck auf Kommunen mit solchen Liegenschaften.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind eine große Gruppe von mehreren Hundert

organischen Verbindungen, die bei der unvollständigen Verbrennung von organischen Materialien

entstehen. Verschiedene PAKs sind als kanzerogen eingestuft; für den Parameter Benzo-a-Pyren sind

die meisten toxikologischen Daten verfügbar. Beschrieben sind u.a. Lungen- und Hautkrebs. Das unit

risk wird seitens der WHO mit 8,7 Krebserkrankungen bei lebenslanger Aufnahme von 1ng BaP/m³

angegeben. PAK sind in der Umwelt ubiquitär verbreitet. Die geschätzte PAK-Zufuhr über die Nahrung

wird für Erwachsene mit 3µg/Tag angegeben, Raucher nehmen nochmals die gleiche Menge über das

Rauchen auf.

Auf der Grundlage von Raumluft- und Hausstaubproben aus Wohnungen mit PAK-haltigem Parkett-

kleber wurden zunächst rechnerische Expositionsabschätzungen vorgenommen. Nachdem in

mehreren Raumluftproben keine erhöhten BaP-Gehalte festgestellt worden waren, war nicht von einer

erhöhten inhalativen BaP-Belastung für die Bewohner dieser Wohnungen auszugehen. Allerdings

wurden am Boden spielende Kleinkinder, die über Hand-Mund-Kontakt („mouthing“) PAK-belasteten

Hausstaub aufnehmen können, als Risikogruppe angesehen. Unter der Annahme, dass ein Kind

täglich 100mg Hausstaub aufnimmt und das darin enthaltene BaP vollständig in den Organismus

gelangt, wurde seitens des Umweltbundesamtes unter Zugrundelegung eines gefahrenbezogenen

Prüfwerts von 5x10-5 für die lebenslange Exposition ein Prüfwert von 10mg BaP/kg Hausstaub

genannt. „Dies würde bedeuten, dass bei lebenslanger Aufnahme von täglich 100mg Hausstaub mit

einem BaP-Gehalt von 10mg/kg mit fünf zusätzlichen Krebsfällen pro 100.000 Personen zu rechnen

wäre“ (uba, 1998) – Auch dies war explizit eine worst-case-Rechnung, denn die tägliche Boden-/

Staubaufnahme kleiner Kinder liegt im Mittel eher bei 20mg (P 95: 100mg), und dies nur über die

frühe Kindheit (Spielen auf dem Boden), nicht über das ganze Leben. Auch ist realistischerweise nicht

von einer vollständigen Resorption auszugehen. – Darüber hinaus handelt es sich bei der

Untersuchung von Hausstaub um einen unstandardisierten Passivsammler und die gemessenen

Schadstoffkonzentrationen sind stark abhängig vom Alter des Staubs und der Art der Probenahme.

Tab. 69 Benzo(a)pyrenaufnahme durch Aufnahme BaP-belasteten Hausstaubs – geschätzte Werte

Annahme zur Resorption

Staubbelastung gemessen

Staubaufnahme 20mg/d angenommen

Staubaufnahme 100mg/d angenommen

Saugprobe – 100% Resorption

Median 5mg/kg Maximalwert: 90mg/kg

100ng 1800ng

500ng 9000ng

Kehrprobe – 100% Resorption

Median: 0,05mg/kg Maximalwert: 0,8mg/kg

1ng 16ng

5ng 80ng

Kehrprobe – 10% Resorption

Median: 0,05mg/kg Maximalwert: 0,8mg/kg

0,1ng 1,6ng

0,5ng 8,0ng

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Umgang mit Risiken - Expositions- und Risikoabschätzung - Beispiel: PAK im Parkettkleber

175

Die Abschätzung der Exposition für Kinder in den ehemaligen US-Housing in Frankfurt am Main auf

Basis der ersten vorliegenden durch Staubsaugen gewonnenen Hausstaubproben – unter der

Annahme einer vollständigen Resorption und einer Aufnahme von 20 resp. 100mg Hausstaub pro Tag

– erbrachte eine mittlere Zusatzbelastung von 100 resp. 500ng BaP/Tag Tag, was mehr als eine

Verdoppelung der allgemeinen Hintergrundbelastung bedeuten würde (Tab. 69). Im Weiteren stellte

sich heraus, dass in Hausstaubproben, die durch Absaugen der Parkettoberfläche mit dem

Staubsauger gewonnen worden waren, teilweise kleine schwarze Partikel gefunden worden waren,

vermutlich Kleberpartikel, die beim Saugen aus den Ritzen zwischen den Parkettstäben hoch gesaugt

worden waren, die jedoch nicht als expositionsrelevant für am Boden spielende Kinder angesehen

werden können. Deshalb empfahl das Umweltbundesamt zur Probenahme des auf dem Boden

liegenden expositions-relevanten Staubs von solchen Parkettflächen eine Kehr-/Wischmethode. Die

BaP-Konzentrationen in durch Kehr-/Wischverfahren gewonnenen Hausstaubproben aus denselben

Wohnungen lagen um bis zu 100fach niedriger als die BaP-Konzentrationen aus Staubsaugerproben.

Wurde darüber hinaus mit einer realistischeren Resorptionsrate von 10% statt 100% gerechnet,

wurden, je nachdem welche Staubproben (Kehr- oder Wischproben) für die rechnerische Expositions-

abschätzung eingesetzt wurden und mit welchen Hausstaubaufnahmen (20 oder 100mg/Tag) und

Resorptionsraten (100% oder 10%) gerechnet wurde – bei gleicher tatsächlicher Exposition! -

Expositionen errechnet, die sich bis um den Faktor 1000 unterschieden.

In umfangreichen Human-Biomonitoring-Untersuchungen konnten jedoch diese rechnerischen (worst-

case) Abschätzungen nicht bestätigt werden – insbesondere auch bei kleinen Kindern unter 6 Jahren

nicht. Untersucht wurde 1-Hydroxypyren und vier monohydroxylierte Phenanthrene, die als

Indikatoren einer PAK / BaP-Belastung etabliert sind. Kinder aus Wohnungen mit hochbelastetem

Parkettkleber (> 3000mg BaP/kg) wiesen keine höheren PAK-Metabolitenkonzentrationen im Urin auf

als Kinder aus Wohnungen, in denen der PAK-haltige Parkettkleber offenbar nicht verwendet worden

war (< 10mg BaP/kg) (s. S. 153) Darüber hinaus lag die innere PAK-Belastung der Kinder aus den

ehemaligen US-Housing im gleichen Bereich wie die der im Umweltsurvey 1998 untersuchten Kinder

aus den alten Bundesländern insgesamt. Darüber hinaus konnten keine Zusammenhänge zwischen

der PAK-Belastung im Parkettkleber und Hausstaub und Symptomen und Erkrankungen von Kindern

aus diesen Wohnungen gefunden werden (s. S. 155).

Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten der rechnerischen Expositionsabschätzungen auf der

Grundlage von Hausstaubproben hatten verschiedene Bundesländer auch die Untersuchung der inne-

ren Belastung zur Ermittlung der Exposition und als Grundlage für eventuelle Sanierungsentschei-

dungen vorgezogen. Die Human-Biomonitoring-Daten waren u. a. auch Grundlage für die Betrach-

tungen der Ad-hoc-Kommission aus Mitgliedern der Innenraumkommission und der Arbeitsgemein-

schaft der obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG). Da das Human-Biomonitoring keine innere

Zusatzbelastung erkennen ließ, konnte die Kommission keinen Grenzwert für BaP im Hausstaub oder

Parkettkleber ableiten, bei dessen Überschreitung eine Gefahr im baurechtlichen Sinne festzustellen

ist. Diese Kommission war von der Arbeitsgruppe Schadstoffe der Arbeitsgemeinschaft der Baumini-

sterien der Länder (ARGEBAU) um eine gesundheitliche Stellungnahme gebeten worden. Vor dem

Hintergrund dieser Stellungnahme musste und konnte die ARGEBAU keine verpflichtende

Sanierungsrichtlinie für Räume mit PAK-haltigen Klebern veröffentlichen.

Schlussfolgerung: Das PCB-Beispiel zeigt, dass auf der Grundlage rechnerischer worst-case-

Expositionsabschätzungen in Deutschland Millionen für Sanierung von Gebäuden mit PCB-haltigen

Bauteilen ausgegeben wurden, ohne dass bei den Nutzern solcher Gebäude eine signifikant höhere

PCB-Belastung – und damit ein signifikant höheres Gesundheitsrisiko - als in der Allgemein-

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Umgang mit Risiken - Expositions- und Risikoabschätzung - Schlussfolgerung

176

bevölkerung gefunden wurde. D.h. trotz des erheblichen Aufwands wird die Sanierung der Gebäude

demnach auch keine erkennbare Verminderung der PCB-Belastung der Gebäudenutzer erwarten

lassen. Die PCB-Richtlinie war veröffentlicht worden, bevor die rechnerischen Expositionsabschätzun-

gen durch geeignete Human-Biomonitoringuntersuchungen überprüft worden waren. Bei der PAK-

Problematik wurden frühzeitig umfangreiche Human-Biomonitoringuntersuchungen (in Frankfurt)

durchgeführt, deren Ergebnisse in die Beratungen der Kommissionen einbezogen wurden. Die Folge

war, dass teure Sanierungsmaßnahmen, die nicht wirklich zu einer Minderung der Belastung der

Betroffenen führen (können), vermieden werden konnten.

Schlussfolgerung

Bereits 1996 war festgestellt worden: „In Bezug auf den modelltheoretischen Ansatz ist anzumerken,

dass je nach Wahl der Eingangsparameter und Grundannahmen stark divergierende Ergebnisse

bezüglich der Expositionsabschätzung erhalten werden. In Hinsicht auf die Bewertung von Gefähr-

dungspotentialen ergeben sich hieraus erhebliche Unsicherheiten…. Das Human-Biomonitoring stellt

demgegenüber ein empirisches Verfahren zur Abschätzung der inneren Schadstoffbelastung

exponierter Personen dar. Die Messwerte spiegeln die innere Schadstoffbelastung wider ... Sofern

geeignete Parameter zur Verfügung stehen, sind bei der Expositionsabschätzung Human-

Biomonitoring-Untersuchungen gegenüber Modellrechnungen grundsätzlich zu bevorzugen.“

In bestimmten Fällen jedoch muss auf rechnerische Expositionsabschätzungen zurückgegriffen

werden, z.B. wenn keine geeigneten Analysemethoden im Human-Biomonitoring zur Verfügung

stehen, wenn der in Frage stehende Schadstoff nicht resorbiert wird sondern an der Körperoberfläche

abreagiert, oder wenn die Exposition noch nicht besteht und im Vorfeld abgeschätzt werden soll (z.B.

Bebauung einer Altablagerung oder einer Altlast). Beide Verfahren schließen demnach einander nicht

aus, sondern sollten sich – entsprechend der Fragestellung – ergänzen. So empfiehlt es sich, bei

festgestellten äußeren Belastungen in Ergänzung zu rechnerischen Expositionsabschätzungen

Human-Biomonitoring-Untersuchungen zur Ermittlung der tatsächlichen Exposition durchzuführen.

Andererseits wird nach Ermittlung einer inneren Exposition häufig eine Quellensuche notwendig, um

sinnvolle und gezielte Minimierungsmaßnahmen begründen und einleiten zu können (Ewers und

Suchenwirth, 1996).

Obwohl das Human-Biomonitoring auch international als Methode für die Expositions- und

Risikoabschätzung seit Jahren empfohlen wird, wird es hierzu in Deutschland nach wie vor kaum

eingesetzt. Stattdessen werden auf der Grundlage von worst-case-Abschätzungen mit Steuergeldern

sehr aufwendige Sanierungen durchgeführt15.

Gerade der öffentliche Gesundheitsdienst ist verpflichtet, sachgerechte Risikobewertungen

vorzunehmen und die Entscheidungsträger dahingehend zu beraten, dass die Risiken für die

Bevölkerung wirksam minimiert werden. Dem stehen in der Praxis oft erhebliche Widerstände

entgegen, vom Vorwurf der Verharmlosung von (vermeintlich großen) Gefahren bis hin zu

persönlichen Diffamierungen. Die Kommunikation über Risiken wird immer ein schwieriger Prozess

15 Angerer et al: Über das Biological Monitoring, den Unwillen Gesundheitsrisiken rational abzuschätzen und die Lust an radikalen Maßnahmen. Umweltmedizin in Forschung und Praxis (2004) 9: 61-64; Ewers U, Suchenwirth R: Modellabschätzungen vs. Humanbiomonitoring. UWSF – Z Umweltchem Ökotox (1996) 8: 213-222. Beck U: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 1986.

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Umgang mit Risiken - Expositions- und Risikoabschätzung - Schlussfolgerung

177

sein und bleiben, u.a. weil verschiedene Gruppen ein unterschiedliches Risikoverständnis haben, was

zu Problemen in der Kommunikation und der Zusammenarbeit führt (führen muss). Auch bei bestem

Willen der Akteure und bei Miteinbeziehung anerkannter Risikokommunikationsexperten wie Dr.

Wiedemann im Zusammenhang mit der PAK-Belastung in den ehemaligen US-Housing in Frankfurt,

kam es auch in Frankfurt wiederholt zu Enttäuschung auf verschiedenen Seiten, wenn kein Konsens

herstellbar war. Dies ist aber verstehbar und nachvollziehbar (s. Kästchen).

Auch wenn einzuräumen ist, dass ein gesellschaftlicher und politischer Konsens für eine Asbest- oder

PCB-Sanierungsrichtlinie offenbar leichter zu erreichen ist als für ein – aus fachlicher Sicht

beispielsweise prioritär zu forderndes wirksames – Nichtraucherschutzgesetz, bleibt doch festzu-

halten: Insbesondere auch in Zeiten knapper finanzieller öffentlicher Mittel muss der öffentliche

Gesundheitsdienst Sorge dafür tragen, dass die öffentlichen Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden.

Es muss vermieden werden, dass es weiterhin auf Basis theoretischer Überlegungen / Berechnungen

zu Fehlleitungen knapper Finanzmittel kommt, die an anderer Stelle im Gesundheitswesen fehlen.

Das Human-Biomonitoring stellt hier eine wesentliche Methode zur sachgerechten Problemanalyse

und – bewertung dar. Diese Methode sollte deshalb nicht nur bei der Richtwertfestsetzung und deren

Umsetzung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst stärkere Berücksichtigung finden. Der

öffentliche Gesundheitsdienst sollte sich der Methode des Human-Biomonitoring wo immer möglich

bedienen zur Analyse und Bewertung von Umweltproblemen, als Grundlage für eine fundierte

isikoabschätzung, eine gute Risikokommunikation und ein angemessenes Risikomanagement, d.h.

eine wirksame Risikominimierung für die Bevölkerung durch sinnvollen Einsatz der Ressourcen.

Über das Biological Monitoring, den Unwillen Gesundheitsrisiken rational abzuschätzen und die Lust an radikalen Maßnahmen

Nicht nur die rechnerischen Expositionsabschätzungen werden in der Regel auf der Grundlage von worst-case-Betrachtungen vorgenommen. Auch die hierfür erforderlichen Raumluftmessungen „werden in der Praxis häufig unter worst-case-Bedingungen durchgeführt, d.h. bei geschlossenen Türen und Fenstern und bei möglichst hohen Temperaturen. ... Es bedarf häufig gar nicht der Überschreitung des Interventionswertes, es reicht schon, wenn einige Messwerte höher liegen als der Zielwert, um aufwendigste Sanierungen durchzusetzen. Betroffene und deren Druck auf die lokalen Entscheidungsträger, der ggf. durch die Medien verstärkt wird, begünstigen dieses Vorgehen. … Dass man die Vorteile des Biomonitoring nicht zur Kenntnis nimmt und es nicht einsetzt, ist ein Skandal. Politik und nachgeordnete Behörden sind aufgefordert, Änderungen herbeizuführen, … dass die vorhandenen Ressourcen klug eingesetzt werden.“ (Angerer et al., 2004)

Virtual Reality

„... Auf der Grundlage komplexer Modellrechnungen, deren Ergebnisse durch große Unsicherheiten gekennzeichnet und empirisch nicht überprüfbar sind, werden häufig weitreichende Schlussfolgerungen bzgl. eines für erforderlich angesehenen Sanierungsbedarfs gezogen. ....Vor einer derartigen Entwicklung muss eindringlich gewarnt werden. Es kann nicht zugelassen werden, dass es auf der Basis theoretischer Überlegungen und Berechnungen, deren Ergebnisse z.T. mehr dem Bereich „virtual reality“ zuzurechnen sind als dem Bereich nachprüfbarer Fakten, zu Fehlleitungen knapper Finanzmittel kommt, die an anderer Stelle viel wirksamer eingesetzt werden könnten ....“ (Ewers und Suchenwirth, 1996).

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Umgang mit Risiken - Expositions- und Risikoabschätzung - Schlussfolgerung

178

Risiken und Risikokommunikation

Unterschiede im Risikoverständnis verschiedener Akteure und daraus entstehende Probleme (Wiedemann, 1989)

Akteure Risikoverständnis Beziehungsprobleme

Experten Quantitativer Risikobegriff Ablehnung anderer Formen der

Risikowahrnehmung als „irrational“

Öffentlichkeit/ Laien Qualitativer Risikobegriff Misstrauen gegenüber Experten, Behörden,

Politikern

Behörden/ Politiker Dilemma der Entscheidung

zwischen Risikobegriff der Laien und der Experten

Legitimation von Entscheidungen gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber geltendem Recht

Medien Präferenz für Krisen und Kontroversen

Tendenz zur Politisierung und Skandalisierung

Ulrich Beck hat in seinem Buch „Risikogesellschaft“ (1986) verschiedene Aspekte von Risiken dargelegt (Hervorhebungen U.H.)

„Risiken … bleiben im Kern meist unsichtbar, basieren auf kausalen Interpretationen, stellen sich also erst und nur im (wissenschaftlichen bzw. antiwissenschaftlichen) Wissen um sie her, können im Wissen verändert, verkleinert oder vergrößert, dramatisiert oder verharmlost werden und sind somit im besonderen Maße offen für soziale Definitionsprozesse. Damit werden Medien und Positionen der Risikodefinition zu gesellschaftlich-politischen Schlüsselstellungen. …Alle diese Wirkungen treten ein ganz unabhängig davon, wie haltbar die unterstellten Kausal-interpretationen aus einem möglichen wissenschaftlichen Blickwinkel erscheinen. … Die soziale Wirkung ist also nicht von ihrer wissenschaftlichen Haltbarkeit abhängig.

Das Geschäft mit dem Risiko wächst. Weit gefehlt, dass das Aufzeigen von Gefährdungen und Risiken der zivilisatorischen Entwicklung nur Kritik sei; sie ist auch … ein wirtschaftlicher Aufschwungsfaktor ersten Ranges. …Risiken sind ein Bedürfnis-Fass ohne Boden, unabschließbar, unendlich. Anders als Bedürfnisse können Risiken nicht nur (durch Werbung etc.) hervorgerufen, absatzkonform verlängert, kurz: Manipuliert werden. Es können durch wechselnde Risikodefinitionen ganz andersartige Bedürfnisse – und damit Märkte geschaffen werden. Vor allem anderen das Bedürfnis der Risikovermeidung – interpretationsoffen, kausal konstruierbar, unendlich vermehrbar, … das selbst herstellbare Risiko“.

Was ist Risikokommunikation und wann ist sie erfolgreich? National Research Council, 1989

„Risikokommunikation ist der Prozess des Austausches über den besten Weg, Risiken abzuschätzen und zu beherrschen zwischen Experten, Behörden, Praktikern, Interessengruppen und der Allgemeinbevölkerung, ein interaktiver Prozess des Austauschs von Informationen und Meinungen unter Individuen, Gruppen und Institutionen. - Risikokommunikation beinhaltet multiple Botschaften über das Risiko selbst sowie weitere Botschaften, nicht nur zu dem Risiko, sondern auch zu Befürchtungen, Meinungen oder Reaktionen auf Risiko-Nachrichten oder zur rechtlichen und institutionelle Arten des Risikomanagements.

Expertenaussagen sind zwar ein notwendiger Bestandteil des Risikokommunikations-Prozesses, aber für den Erfolg des Prozesses nicht hinreichend. Risikokommunikation ist erfolgreich, wenn das Verständnis der relevanten Fakten verbessert und das Bedürfnis der Betroffenen nach Information auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse befriedigt wird.

Erfolgreiche Risikokommunikation muss nicht notwendigerweise zu einem Konsens führen oder zu einheitlichem Vorgehen gegenüber der Risikoquelle. Risikokommunikation führt nicht immer zu besseren Entscheidungen, weil sie nur ein Teil des Risikomanagementprozesses ist“.

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Umgang mit Risiken - Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen - Human-Biomonitoring- und Referenzwerte

179

Human-Biomonitoring ist auch geeignet, den Erfolg staatlicher Regelungen zu überprüfen. So kann

durchaus der Erfolg der Verbote von Perchlorethylen in Chemischreinigungen, PCB und PCP aber

auch des Benzin-Bleigesetzes und weiterer Maßnahmen zur Minderung der Bleibelastung anhand von

deutlichen Reduktionen der inneren PER-, PCB-, PCP- und Blei-Belastung der Bevölkerung gezeigt

werden – teilweise auch mit Daten aus Frankfurt/M.

Aus fachlicher Sicht ist erfreulich, dass gerade in Frankfurt das Human-Bomonitoring in der umwelt-

medizinischen Bewertung schon sehr früh eingesetzt wurde. Schon bei dem Schadensfall der Queck-

silberbelastung (Altlast eines Industriebetriebs) wurde 1988/89 den Betroffenen die Bestimmung der

inneren Belastung angeboten (s. S. 101). Auch bei der Fragestellung der Perchlorethylenbelastung im

Umfeld von Chemischreinigungen wurden bereits 1987/88 Human-Biomonitoringverfahren eingesetzt

(s. S. 118). Auch die Untersuchung der inneren PCB-Belastung von Erzieherinnen aus PCB-

belasteten Kindereinrichtungen 1993 zählt zu den ersten zu dieser Problematik in Deutschland

publizierten Studien (s. S. 199). Weitere Einsatzfelder des HBM waren die Frage der Benzol-

Belastung im Umfeld von Tankstellen (s. S. 120), verschiedener störfallbedingter Belastungen, die

große Untersuchungsserie zur PAK-Belastung in Wohnungen mit PAK-haltigem Parkettkleber (s. S.

150). Es wurde darauf geachtet, stets die neuesten und sensitivsten Analyseverfahren einzusetzen

(Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg, Prof. Angerer)

und auch nicht nur anlassbezogene, sondern auch allgemeine Fragen (PCB, Pestizidbelastung)

insbesondere auch neue Fragen (z.B. Acrylamid- und Phthalatbelastung bei Kindern, s. S. 159) auf

diese Weise zu untersuchen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit und den Experten aus

Bundesinstitutionen und Kommissionen etc. für deren Arbeit zur Verfügung zu stellen. Einige Untersu-

chungsergebnisse gingen in die Referenzwert-Festsetzungen der Kommission Human-Biomonitoring

ein (z.B. Organophosphatmetabolite, Pyrethroidmetabolite).

Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen

Human-Biomonitoring- und Referenzwerte

Wenn es darum geht, eine Belastung mit Schadstoffen abzuschätzen oder auch zu bewerten, sollte –

wenn entsprechende Untersuchungsverfahren verfügbar sind - wo immer möglich die innere

Belastung untersucht werden16. Für viele Substanzen stehen geeignete, von der Deutschen

Forschungsgemeinschaft validierte und durch Ringversuche kontrollierbare Untersuchungsmethoden

zur Verfügung, die ausreichend empfindlich sind, um die im umweltmedizinischen Bereich – Bereich

der Allgemeinbelastung oder Hintergrundbelastung – vorkommenden inneren Belastungen sicher

erfassen zu können. Die so ermittelten Werte von untersuchten Einzelpersonen oder von Gruppen

können dann mit so genannten Referenzwerten verglichen werden. Die Kommission Human-

Biomonitoring des Umweltbundesamtes erarbeitet Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte, wobei

Referenzwerte definitionsgemäß rein statistisch errechnete Werte sind, während HBM-Werte

toxikologisch abgeleitete Werte darstellen. Die genauen Definitionen lauten3:

Referenzwert für einen chemischen Stoff in einem Körpermedium (z.B. Blut, Urin) ist ein Wert, der

aus einer Reihe von Messwerten einer Stichprobe einer definierten Bevölkerungsgruppe nach einem

16 Ewers U, Suchenwirth R: Expositionsabschätzung: Human-Biomonitoring vs. Modellrechnungen. UWSF – Z Umweltchem Ökotox (1996)8: 213-220. 3 Kommission Humanbiomonitoring des Umweltbundesamtes: Konzept der Referenz- und Humanbiomonitoring-werte (HBM) in der Umweltmedizin. Bundesgesundheitsbl (1996) 221-224.

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Umgang mit Risiken - Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen - Human-Biomonitoring- und Referenzwerte

180

vorgegebenen statistischen Verfahren abgeleitet ist – in der Regel das 95. Perzentil (d.h. 95% der

Untersuchten aus der Referenzpopulation haben niedrigere und 5% haben höhere Werte). Ihm kommt

keine gesundheitliche Bedeutung zu. Da Referenzwerte Situationen in bestimmten Bevölke-

rung(sgrupp)en zu bestimmten Zeiten beschreiben, müssen sie – besonders bei Stoffen, die in der

Umwelt ab- oder zunehmen, immer wieder aktualisiert werden. Wenn keine geeigneten repräsenta-

tiven Untersuchungen zur Verfügung stehen (Kostenfrage) kann die Entwicklung auch anhand

anderer geeigneter größerer Untersuchungen dargestellt und „vorläufige aktualisierte Referenzwerte“

erarbeitet werden.

Human-Biomonitoring-Werte (HBM-Werte), diese sind toxikologisch abgeleitet.

Der HBM-I-Wert entspricht der Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium, bei dessen

Unterschreitung nach dem aktuellen Stand der Bewertung durch die Kommission nicht mit einer

gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen ist und sich somit kein Handlungsbedarf ergibt. Eine

Überschreitung des HBM-I-Wertes sollte Anlass sein, den Befund durch weitere Messungen zu

kontrollieren, bei Bestätigung der Ursache für die Erhöhung nachzugehen und ggf. verantwortliche

Belastungsquellen, soweit unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit sinnvoll, zu mindern oder zu

eliminieren. „Quasi Prüfwert“.

Der HBM-II-Wert entspricht der Konzentration eines Stoffes in einem Körpermedium, bei deren

Überschreitung eine für die Betroffenen als relevant anzusehende gesundheitliche Beeinträchtigung

möglich ist. Bei Überschreitung des HBM-II-Werts ist eine umweltmedizinische Betreuung (Beratung)

der Betroffenen zu veranlassen und, soweit möglich, umgehend Maßnahmen zur Minderung der

Belastung zu ergreifen. „Quasi Interventionswert“.

Die Tab. 70 und Tab. 71 auf den nächsten Seiten zeigen die aktuellen Referenzwerte der HBM-

Kommission.

Tab. 70 Referenzwerte für Organochlorverbindungen im Vollblut – Datengrundlage: Erwachsene Umweltsurvey 1998, 9-11 J Kinder der Beobachtungsgesundheitsämter Baden-Württemberg 1998/9

Alters-gruppen

PCB 138 PCB 153 PCB 180 PCB Sum. γ-HCH HCB DDE µg/l

µg/l µg/ µg/l µg/l µg/l µg/l ABL NBL 9-11 J 0,3 0,4 0,3 0,9 0,3 0,3 0,7 - 18-19 J 0,4 0,6 0,3 1,1 0,3 0,4 1,5 3 20-29 J 0,6 0,9 0,6 2,0 0,5 2 5 30-39 J 0,9 1,6 1,0 3,2 1,0 4 11 40-49 J 1,4 2,2 1,6 5,1 2,5 7 18 50-59 J 1,7 2,8 2,1 6,4 0,5 3,3 8 31 60-69 J 2,2 3,3 2,4 7,8 0,9 5,8 11 31

ABL alte Bundesländer, NBL neue Bundesländer Kommission Humanbiomonitoring: Aktualisierung der Referenzwerte für PCB 138,-153, 180 im Vollblut sowie referenzwerte für HCB, b-HCH und DDE im Vollblut. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheits-schutz (2005) 48: 1187-1193.

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Umgang mit Risiken - Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen - Human-Biomonitoring- und Referenzwerte

181

Tab. 71 Referenzwerte, abgeleitet von der Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes (US= Umwelt-Survey; KUS= Kinder-Umwelt-Survey)

Analyt und Probenmaterial

Personengruppen/ Lebensalter

Bezugs-jahr

Referenz-wert

Referenzwert alt

PCP, Pestizide, PAK und Phthalate Umweltsurvey 1990/1

PCP Serum Allgemeinbevölkerung* 1995/6 12µg/l

PCP Morgenurin Erwachsene 18-69J, Umweltsurvey

1998 5µg/l

Organophosphat-metabolite DMP Urin DMTP Urin DEP Urin

Allgemeinbevölkerung (Frankfurt)

1998

135µg/l 160µg/l 16µg/l

Pyrethoidmetabolite cis-CL2CA Urin trans-CL2CA Urin 3 PBA Urin

Allgemeinbevölkerung** Versch. 1µg/l 2µg/l 2µg/l

1-OH-Pyren Urin Allgemeinbevölkerung Umweltsurvey 1998 und KUS Pilot 2001/2

1998 und 2001/2

0,5µg/l

Phthalatmetabolite 5oxo-MEHP Urin 5OH-MEHP Urin

Kinder: KUS Pilot 2001/2 Erwachsene: Allgemeinbevölkerung***

2001/2 150µg/l 220µg/l

Arsen und Metalle in Blut und Urin Arsen Morgenurin KUS Pilot 2001/2;

Baden-Württemberg 2002/3; US 1998

1998 2001-3

15µg/l

Blei Vollblut 6-12 J (KUS Pilot und BW) Frauen (US 1998) Männer (US 1998))

2001/3 1998 1998

50µg/l 70µg/l 90µg/l

60µg/l 90µg/l 120µg/l

Cadmium Morgenurin 6-12 J (KUS Pilot) Erwachsene US 1998 (NR)

2001/2 1998

0,5µg/l 0,8µg/l

0,5µg/l 1,5µg/l

Cadmium Vollblut 6-12 J (KUS Pilot) Erwachsene US 1998

2001/2 1998

0,5µg/l 1µg/l

0,5µg/l 1,4µg/l

Quecksilber Morgenurin 6-12 J (KUS Pilot) Erwachsene US 1998

2001/2 1998

0,7µg/l 1µg/l

1,4µg/l 1,4µg/l

Quecksilber Vollblut 6-12 J (KUS Pilot) Erwachsene US 1998

2001/2 1998

1µg/l 2µg/l

1,5µg/l

Nickel Urin Erwachsene* 3µg/l Platin Morgenurin Erw., ohne Inlays (US

1998) 1998 10ng/l

Kommission Human-Biomonitoring: 1-Hydroxypyren im Urin als Indikator einer inneren Belastung mit polyzyk-lischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) Referenzwert für 1-Hydroxypyren im Urin. Bundesgesundheits-blatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2005) 48: 1194-1206 Kommission Humanbiomonitoring: Neue und aktualisierte Referenzwerte für Schadstoffgehalte in Blut und Urin von Kindern – Arsen, Blei, Cadmium und Quecksilber. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheits-schutz (2005) 48: 1308-1312. Kommission Human-Biomonitoring: Aktualisierung der Referenzwerte für Blei, Cadmium und Quecksilber im Blut und Urin von Erwachsenen. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2003) 46: 1112-1113. Kommission Human-Biomonitoring: Innere Belastung der Allgemeinbevölkerung in Deutschland mit Organophos-phaten und Referenzwerte für Organophosphatmetabolite DMP, DMTP und DEP im Urin. Bundesgesundheits-blatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2003) 46: 1107-1111. Kommission Human-Biomonitoring: Innere Belastung der Allgemeinbevölkerung in Deutschland mit Pyrethroiden und Referenzwerte für Pyrethroidmetabolite im Urin. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheits-schutz (2005) 48: 1187-1193. Kommission Human-Biomonitoring: Phthalate Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2005) 48: 1187-1193.

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Umgang mit Risiken - Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen - Human-Biomonitoring-Daten aus Frankfurt

182

Human-Biomonitoring-Daten aus Frankfurt

Zum Vergleich werden hier die P95-Werte der Untersuchungsergebnisse im Rahmen der umweltme-

dizinischen Sprechstunde des Stadtgesundheitsamtes Frankfurt für Bewohner der ehemaligen US-

Housing aus dem Jahre 1998 angegeben. Dabei ist zu beachten, dass die Analysen für Organo-

chlorverbindungen PCB, PCP und DDE in Serumproben durchgeführt wurden. Zu diesem Zeitpunkt

waren Referenzwerte der HBM-Kommission auch als Serumwerte publiziert worden. Da diese Sub-

stanzen praktisch vollständig im Serum und nicht in den Blutkörperchen vorhanden sind, ist beim

direkten Vergleich mit den neueren Referenzwerten der HBM-Kommission in Vollblut zu beachten,

dass die Schadstoffgehalte in Serumproben etwa doppelt so hoch liegen – bei gleicher Belastung der

Personen.

Tab. 72 Innere Belastung der Bewohner der ehemaligen US-Housing mit PCB, PCP und HCH im Serum – dargestellt anhand der 95er Perzentilen.

Alter n PCB 138

PCB 153

PCB 180

PCB Sum. Alter n HCH PCP

µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l 0-< 6 J 30 1,02 1,47 0,88 3,28 0-< 6 J 30 0,12 6-< 12 J 60 1,05 1,23 1,23 3,51 6-< 12 J 60 0,08 12-<18 J 40 0,61 0,59 0,39 1,34 12-<20 J 49 0,09

7,7

18-25 J 28 1,01 1,26 0,88 3,03 > 20 J 485 0,10 5,9 26-35 J 205 1,22 1,53 1,16 3,89 36-45 J 200 1,44 2,11 1,71 4,87 46-55 J 50 2,23 3,27 2,16 7,85 Ab 55 J 11 2,94 3,98 3,31 9,36

Abb. 70 Innere Belastung der Bewohner der ehemaligen US-Housing mit PCB und PCP im Serum (1998) – im Vergleich mit Referenzwerten früherer Jahre

Aus Tab. 72 und Abb. 70 ist leicht erkennbar, dass sowohl die PCP-Werte (seit 1986) und die

altersabhängigen PCB-Werte (seit 1991) deutlich abgenommen haben. Dies ist ein Erfolg der staat-

lichen Maßnahmen, d.h. des PCP- und des PCB-Verbots.

Die Ergebnisse der in Frankfurt/M erhaltenen Ergebnisse zu PAK-Metaboliten (Tab. 73) konnten nicht

mit früheren Daten aus Deutschland verglichen werden, da die Methode erst relativ neu war und somit

früher noch keine Untersuchungen damit durchgeführt worden waren. Die Ergebnisse konnten aber

mit den zeitgleich gewonnen Ergebnissen zu PAK-Metaboliten im Urin bei den Teilnehmern des

Umweltbundes-Surveys 1998 verglichen werden (Abb. 71). Dabei zeigt sich, dass die PAK-Belastung

der untersuchten Frankfurter in etwa vergleichbar war mit der PAK-Belastung der Bevölkerung aus

den alten Bundesländern, dass die Menschen in den neuen Bundesländern jedoch sehr viel höhere

PAK-Belastungen aufwiesen, bedingt durch höhere Umweltbelastung dort.

PCB Summe im Blutplasma bei Erwachsenen1991, 1994 und 1998

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

18-25 J 26-35 J 36-45 J 46-55 J Ab 56 J

µg/l

1991/4

1994/5

1998 F

P C P im B lutplasma bei Erwachsenen 1986 bis 1998

0

10

20

30

40

50

60

70

80

1986 1991 1991/2 1996 1998 F

µ g/ l

Page 194: 30 Jahre Umwelthygiene - frankfurt.de · die Erfolge der eingeleiteten Maßnahmen. So gehen heute in Frankfurter Einrichtungen kaum noch Gesundheitsgefahren von Legionellen in Warmwassersystemen

Umgang mit Risiken - Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen - Human-Biomonitoring-Daten aus Frankfurt

183

Tab. 73 Innere Belastung der Bewohner der ehemaligen US-Housing mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (1998) – dargestellt sind die P95-Werte

1-OH-

Phenanthren 2-OH-

Phenanthren 3-OH-

Phenanthren 4-OH-

Phenanthren 1-OH-Pyren

µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l

0-6 J 1061 550 905 233 417

6-14J 1064 649 1041 177 420

Erwachsene 1274 765 994 199 486

Abb. 71 Innere Belastung der Bewohner der ehemaligen US-Housing mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (1998) – im Vergleich mit Referenzwerten aus dem Umweltbundessurvey (1998)

Tab. 74 zeigt die P 95-Werte der Organophosphat- und Pyrethoidmetaboliten-Konzentrationen im

Urin, diese gingen in die Referenzwertbestimmungen der Kommission Human-Biomonitoring ein.

Tab. 74 Innere Belastung der Bewohner der ehemaligen US-Housing mit Organophosphaten und Pyrethroiden (1998) – dargestellt sind die P95-Werte

Alter n DMP DMTP DMDTP DEP DETP DEDTP Cis-Cl2CA

Trans-Cl2CA

Br2-CA

F-PBA

µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l µg/l 0-<6 J 309 242 334,4 24,1 31,4 15,7 0 0,39 1,07 0,25 0,396-<14 J 294 119 183,6 14,4 14,8 8,6 0 0,45 1,17 0,33 0,3114-< 20 J 59 98,6 50,9 3,7 10,6 4,2 0 1,32 2,41 0,53 0,3>=20 J 484 103 125,8 13,1 11,6 6,4 0 0,65 1,67 0,29 0,1

Kommission Human-Biomonitoring: Innere Belastung der Allgemeinbevölkerung in Deutschland mit Organophosphaten und Referenzwerte für Organophosphatmetabolite DMP, DMTP und DEP im Urin. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2003) 46: 1107-1111. Kommission Human-Biomonitoring: Innere Belastung der Allgemeinbevölkerung in Deutschland mit Pyrethroiden und Referenzwerte für Pyrethroidmetabolite im Urin. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2005) 48: 1187-1193.

Nachfolgend werden einige weitere Beispiele aus der umweltmedizinischen Arbeit des

Stadtgesundheitsamtes gezeigt, nämlich Daten zum Zusammenhang zwischen PCB-Belastung im

Blut der Kinder und deren Stillanamnese, Zusammenhang zwischen Organophosphatbelastung im

Urin und hohem Obstkonsum (behandeltes Obst?), zwischen PCP-Belastung und einer PCP-

belasteten Lederjacke sowie zwischen PAK-Belastung und Rauchen.

PAK-Metabolite im Urin Kinder 6-14 J

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

1-OH-Phe. 2-OH-Phe. 3-OH-Phe. 4-OH-Phe. 1-OH-Pyr.

µg

/l

6-14J Frankfurt6-14 UBA West6-14 UBA Ost

PAK-Metabolite im Urin - Erwachsene

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500

1-OH-Phe. 2-OH-Phe. 3-OH-Phe. 4-OH-Phe. 1-OH-Pyr.

µg

/l

Erw. Frankfurt

Erw. UBA WestErw. UBA Ost

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Umgang mit Risiken - Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen - HBM- Beispiele zu Spezialfragestellungen - Frankfurt

184

HBM- Beispiele zu Spezialfragestellungen - Frankfurt

PCB im Blutplasma bei Kindern und Jugendlichen – Einfluß des früheren Stillens

Gestillte Kinder weisen deutlich höhere PCB-Gehalte im Blutplasma auf als nicht gestillte. Dies ist

auch noch bei Jugendlichen nachweisbar. Das konnten wir bei der Auswertung der 130 Blut-

untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen aus den ehemaligen US-Housing noch in der

Altersgruppe der 6-12 und der 12-18 Jährigen nachweisen. Während bei den ehemals gestillten

Kindern die PCB-Gehalte im Blutplasma mit zunehmendem Alter abnahmen, stiegen sie in der kleinen

Gruppe der ehemalig nicht gestillten Kinder mit zunehmendem Alter an (Abb. 72).

Tab. 75 Polychlorierte Biphenyle im Blutplasma von Kindern und Jugendlichen - in Abhängigkeit von ihrer Stillanamnese

PCB 138 (µg/l) PCB 153 (µg/l) PCB 180 (µg/l) PCBsumme

(µg/l) Alter

(Jahre) Still-Anamnese n

Med. Max. Med. Max. Med. Max. Med. Max. 0 - < 6 gestillt

nicht gestillt 19 4

0,30 0,17

1,33 0,25

0,58 0,17

1,65 0,41

0,27 0,09

1,03 0,34

1,33 0,46

4,01 0,95

6 -< 12 gestillt nicht gestillt

43 5

0,30 0,25

1,06 0,72

0,41 0,36

0,75 0,60

0,38 0,40

1,94 0,58

0,97 0,77

4,90 2,05

12-<18 gestillt nicht gestillt

25 9

0,20 0,13

0,62 0,31

0,27 0,29

0,60 0,47

0,15 0,16

0,40 0,33

0,66 0,56

1,27 0,99

Abb. 72 PCB-Spiegel im Blutplasma bei ehemals gestillten (links) und nicht gestillten (rechts) Kindern (PCB-Summe)

Zum Einfluss von PCB-Belastungen auf Neugeborene und Kinder wurden verschiedene große

Studien durchgeführt, wobei insbesondere deren neuropsychologische Entwicklung untersucht wurde.

Die Ergebnisse sind insgesamt nicht ganz einheitlich, was neben methodischen Problemen auch mit

dem geringen Ausmaß der festgestellten Abweichungen der neuropsychologischen Entwicklung der

Kinder erklärt wurde. Die Befunde liegen innerhalb der Streubreiten der Messergebnisse bzw. im

Bereich der Normalwerte, weshalb ihnen keine individuelle klinische Relevanz zugeschrieben wurde.

Generell besteht Übereinstimmung darin, dass die postnatale (nach der Geburt erworbene) PCB-

Belastung mit der Muttermilch, die die pränatal (vor der Geburt) aufgenommene PCB-Menge um ein

Vielfaches übersteigt, keine nachhaltigen Effekte auf die Entwicklung der Kinder zeigt, wohingegen

verschiedene Studien Hinweise auf eine Auswirkung der pränatal erworbene PCB-Belastung auf die

neuropsychologische Entwicklung der Kinder erbracht haben. D.h. gerade das Zentralnervensystem

des Ungeborenen reagiert besonders sensibel auf PCB-Belastungen. Eine spätere PCB-Zufuhr durch

Alter (Jahre)

12-<186-<12<6

PC

B-S

um

me

µg

/l P

lasm

a (

ge

still

te K

ind

er)

3

3

2

2

1

1

0

Alter (Jahre)

12-<186-<12<6

PC

B-S

um

me µ

g/l

Pla

sma

(nic

ht ge

still

te K

inder) 3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

,5

0,0

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185

Stillen bewirkt demgegenüber keine weiteren nachweisbaren Effekte1. In der Holland-Studie hatten

gestillte Kinder trotz nachgewiesen höherer PCB-Zufuhr eine bessere neuropsychologische Ent-

wicklung als nicht gestillte Kinder. Auf diese positiven Effekte des Stillens soll nicht verzichtet werden2.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der großen Studien sowie angesichts der in den letzten Jahren

deutlich abnehmenden PCB-Belastung in Muttermilchproben wurde 1996 die im Jahre 1984 von der

Deutschen Forschungsgemeinschaft empfohlene Beschränkung des Stillens auf 4 Monate

aufgehoben. Es kann erwartet werden, dass sich mit dem weiteren Rückgang der PCB-Belastung in

der Muttermilch auch die Unterschiede in den PCB-Spiegeln von gestillten und nicht gestillten Kindern

verringern werden.

Demgegenüber muss die pränatal erworbene PCB-Belastung als problematisch eingestuft werden

und Minimierungsbestrebungen sollten hier ansetzen. Eine Empfehlung könnte sein, auch im Hinblick

auf die pränatale PCB-Belastung der Kinder während der Schwangerschaft nicht zu rauchen, da

gezeigt werden konnte, dass Neugeborene von Raucherinnen signifikant höhere PCB-Blutgehalte

aufwiesen als Neugeborene von Nichtraucherinnen (1,19 vs. 0,70µg PCB-Summe/l); selbst ein

deutlicher Einfluss des Passivrauchens war zu verzeichnen (0,91 vs. 0,70mg PCB-Summe/l)3.

PCP-Belastung durch Lederkleidung

Pentachlorphenol (PCP) wurde bis in die 1980er Jahre im Holz- und Bautenschutz und der Leder- und

Textilimprägnierung eingesetzt. 1989 wurde die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwen-

dung von PCP in Deutschland verboten. In verschiedenen Ländern, beispielsweise auch in den USA,

wird PCP jedoch noch produziert und angewendet, so dass über Importe, z.B. von behandelten Leder-

waren und Textilien, weiterhin eine Exposition bestehen kann. Dies zeigt folgendes Fallbeispiel:

Bei einer Familie aus den ehemaligen US-Housing wurden im Rahmen der umweltmedizinischen

Sprechstunde auffällige PCP-Werte im Blut gefunden. Aus der Wohnungsanamnese hatte sich kein

Hinweis auf die Anwendung von Holzschutzmitteln ergeben, die PCP-Konzentration in der Hausstaub-

probe lag < 1mg/kg. Bei der weiteren Befragung wurde dann von einer Lederjacke des Vaters berich-

tet, die dieser bis einen Monat vor der Blutentnahme regelmäßig getragen hatte. Mutter und Tochter

klagten über einen sehr unangenehmen Geruch dieser Jacke. Die dann veranlasste Materialanalyse

der Lederjacke erbrachte 2265mg PCP/kg. Die Jacke wurde als Sondermüll entsorgt. Bei der

Nachkontrolle waren bei allen Familienmitgliedern deutlich niedrigere PCP-Belastungen festzustellen.

Bei dem Kind wurde im Dezember auf eine weitere Blutentnahme verzichtet und statt dessen eine

Urinprobe genommen sowie eine Rückstellprobe des früher abgegebenen Urins nachuntersucht,

dabei zeigte sich, dass die PCP-Konzentration im Urin von 11,5 auf 7,6µg/l abgenommen hatte.

1 Kommission „Human-Biomonitoring“ des Umweltbundesamtes (1999) Stoffmonographie PCB – Referenzwerte für Blut. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 42: 511-521. 2 Brower A, Ahlborg UG, van Leeuwen FX, Feeley MM (1998) Report on the WHO working group on the assessment of health risks for human infants from exposure to PCDDs, PCDFs and PCBs. Chemosphere 37: 1627-1743. 3 Lackmann GM, Angerer J, Töllner U (2000) Parental smoking and neonatal serum levels of polychlorinated biphenyls and hexachlorobenzene. Pediatr Research 47: 598-601

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186

Tab. 76 PCP-Belastungen bei einer Familie – verursacht durch die PCP-haltige Lederjacke des Vaters

Verlauf Vater PCP/l

Mutter PCP/l

Kind PCP/l

Juni 1998 (Erstuntersuchung): Der Vater hatte die Lederjacke bis Mai regelmäßig getragen. Die Lederjacke befand sich in der Wohnung.

60µg/l Blut 10µg/l Blut 24µg/l Blut 11,5µg/l Urin

November 1998: Der Vater hatte die Lederjacke 6 Monate nicht getragen. Die Lederjacke befand sich in der Wohnung.

5,8mg/l Blut n.a. n.a.

Dezember 1998: Die Lederjacke befand sich seit einem Monat nicht mehr in der Wohnung.

n.a. 4,76µg/l 7,6µg/l Urin

Das Fallbeispiel zeigt:

- Trotz der allgemein günstigen Entwicklung in der PCP-Belastung der Bevölkerung kann es in

Einzelfällen auch heute noch – z.B. durch PCP-behandelte Lederkleidung – zu hohen inneren

PCP-Belastungen kommen.

- Nach Entfernung der Quelle kommt es – wegen der relativ kurzen Halbwertszeit von PCP im Blut

– rasch zu einer Abnahme oder Normalisierung der PCP-Konzentrationen im Blut.

- Zur Suche nach und zur Beurteilung von einer PCP-Belastung von Patienten sollte immer eine

Blut- oder Urinuntersuchung durchgeführt werden. Hausstaubuntersuchungen sind hierzu nicht

oder nur bedingt geeignet.

Hohe Organophosphat-Metabolitenkonzentrationen im Urin durch Verzehr großer Mengen Obst? Ein Fallbeispiel.

Organophosphate zählen heute zu den am meisten eingesetzten Pestiziden in der Landwirtschaft, im

Gartenbau und im Haus. Die Daten der Lebensmitteluntersuchungsämter weisen jedoch nur relativ

selten Überschreitungen der zulässigen Höchstmengen bei Obst und Gemüse auf. Bei sehr hohem

Obstkonsum können selbst bei Einhaltung der zugelassenen Höchstmengen u.U. große Mengen an

Wirkstoffen aufgenommen werden. Dieser Hinweis wurde aus folgendem Fallbeispiel erhalten:

Im Rahmen der umweltmedizinischen Sprechstunde für die Bewohner der ehemaligen US-Housing

wurde eine Familie ohne Hinweis auf Innenraum- oder berufliche Belastung untersucht. In den Urin-

proben von Vater und Kind wurden unauffällige Gehalte an Organophosphat-Stoffwechselprodukten

gefunden, bei der Mutter jedoch erhöhte Werte, die bei einer Kontrolle im November 1998 bestätigt

wurden. Zu dieser Zeit ernährte sie sich sehr obstreich, wobei sie das Obst in einem Supermarkt

kaufte. Vater und Kind hingegen aßen „normale Mischkost“.

Tab. 77 Organophosphatmetabolitenkonzentrationen in Urinproben der Familie – bei unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten (µg/g Kreatinin)

DMP DMTP DMDTP DEP DETP DEDTP Referenzwerte 102 125 13 12 6 <1 Sohn, Urin, Mai 1998 14 33 <1 2 1 <1 Vater, Urin, Mai 1998 20 61 10 2 <1 <1 Mutter, erster Urin, Mai 1998 zweiter Urin, November 1998 dritter Urin, Juli 1999 – nach Ernährungsumstellung

129 248 12

258 390

3

6 6

<1

7 24 <1

10 32 <1

<1 <1 <1

Fett gedruckt: über Referenzwerten für Erwachsene

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Umgang mit Risiken - Human-Biomonitoringuntersuchungen zur Abschätzung von Schadstoffbelastungen - HBM- Beispiele zu Spezialfragestellungen - Frankfurt

187

Die Mutter stellte ihre Ernährung um und bezog Obst und Gemüse nahezu ausschließlich nur noch

aus einem Naturkostladen oder vom Biobauernhof. Bei der Kontrolle danach (Juli 1999) lagen ihre

Metabolitenkonzentrationen ebenfalls im unteren Normbereich.

Angesichts fehlender Hinweise auf andere Organophosphatquellen kann angenommen werden, dass

der außergewöhnlich hohe Konsum an Obst aus „konventionellem Anbau“ eine Erklärung für die hohe

innere Exposition der Mutter sein kann. Möglicherweise können Maximalwerte und „Ausreißer“ in der

Organophosphatbelastung der Allgemeinbevölkerung auf vergleichbare Weise erklärt werden, sofern

andere Ursachen, wie z.B. berufliche Belastung, ausgeschlossen sind. Dies sollte durch weitere

Untersuchungen überprüft werden.

PAK-Metabolite im Urin in Abhängigkeit vom Zigarettenrauchen

Eine wesentliche PAK-Zufuhr geschieht durch das Zigarettenrauchen. Während die allgemeine Zufuhr

durch die Nahrung auf ca. 3µg pro Person und Tag geschätzt wird, nehmen Raucher schätzungs-

weise nochmals die gleiche Menge PAK durch Zigarettenrauchen auf.

In zahlreichen Untersuchungen wurden bei Rauchern höhere 1-Hydroxypyrenmetaboliten-Konzentra-

tionen im Urin gefunden als bei Nichtrauchern; oft konnten sogar Dosisbeziehungen mit der Anzahl

der täglich gerauchten Zigaretten festgestellt werden. Demgegenüber liegen bisher wenige Studien

zur Konzentration von monohydroxylierten Phenanthrenen bei Rauchern im Vergleich mit

Nichtrauchern vor. Vor diesem Hintergrund wurden die bei den Bewohnern der ehemaligen US-

Housing erhobenen Daten zur PAK-Metaboliten-Ausscheidung (s. S. 153) auch im Hinblick auf die

Angaben im Fragebogen zum Rauchverhalten ausgewertet. Insgesamt 288 erwachsene Teilnehmer

hatten angegeben, nicht zu rauchen, 100 hatten berichtet, regelmäßig Zigaretten zu rauchen. Die

Raucher/innen hatten nicht nur signifikant höhere Konzentrationen an allen Phenanthrenmetaboliten –

mit Ausnahme von 1-Hydroxyphenanthren – und an 1-Hydroxypyren (Tab. 78). Es konnte auch eine

klare und signifikante Abhängigkeit der PAK-Metabolitenausscheidung von der Anzahl der gerauchten

Zigaretten nachgewiesen werden (Abb. 73).

Durch Enzyminduktion wird bei Rauchern die Cytochrom 1A1-Aktivität gesteigert und damit werden

die 3, 4-hydroxylierten Phenanthrene bevorzugt gebildet1 – mit der Folge, dass der Quotient 1,2-

hydroxylierte Phenanthrene / 3, 4-hydroxylierte Phenanthrene bei Rauchern niedriger ist als bei

Nichtrauchern. Bei den Teilnehmern der umweltmedizinischen Sprechstunde konnten wir auch eine

Dosisabhängigkeit von der Anzahl der gerauchten Zigaretten/Tag nachweisen (Signifikant) (Abb. 73).

Tab. 78 PAK-Metabolitenkonzentrationen im Urin von Raucher/innen und Nichraucher/innen – Frankfurt am Main

Nichraucher (n=288) Raucher (n=100)

Angaben in ng/g Kreatinin

Mittel wert

Median P 95 Mittel wert

Median P 95

Mann-Whitney U-test

Korrel. mit Anzahl Zigaretten

1-OH-Phen 445 350 1104 437 357 878 0,522 0,191 2-OH-Phen 266 206 625 314 240 745 0,005** 0,007** 3-OH-Phen 305 244 682 473 389 946 0,001*** 0,001*** 4-OH-Phen 58 30 147 65 39 176 0,040** 0,029** 1-OH-Pyren 100 77 263 195 152 537 0,001*** 0,001***

1 Jacob J, Grimmer G, Dettbarn G (1999) Profile of urinary phenanthrene metabolites in smokers and non-smokers. Biomarkers 4: 319-327

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Umgang mit Risiken - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung - HBM- Beispiele zu Spezialfragestellungen - Frankfurt

188

Abb. 73 PAK-Metabolitenkonzentrationen im Urin von Nichtrauchern und Rauchern – in Abhängigkeit von der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten (ns=Nichtraucher; s= Raucher; Zahlen in Klemmer: Zigaretten/Tag)

s (>20)s (10-<20)s (<10)ns

sum

of

hyd

roxy

ph

en

an

thre

ne

s /

hyd

roxy

py

ren

e

30

25

20

15

10

5

0

Abb. 74 Quotienten von 1,2-hydroxylierten / 3, 4 hydroxylierten Phenanthrenmetaboliten bzw. von hydroxylierten Phenanthrenen / 1-Hydroxypyren im Urin von Nichtrauchern und Rauchern – in Abhängigkeit von der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten als Zeichen der Enzyminduktion (ns=Nichtraucher; s= Raucher; Zahlen in Klammer: Zigaretten/Tag)

314227288N =

s (>20)s (10-<20)s (<10)ns

1-h

ydro

xyp

yre

ne

(n

g/g

cre

atin

ine

)

700

600

500

400

300

200

100

0

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

Heudorf U, Angerer J, Göen Th: PCB-Konzentrationen im Blut von Mitarbeiterinnen PCB-belasteter Kindertagesstätten, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin (1995) 30: 398-407.

Heudorf U, Salzmann: Erhöhte PCB-Belastung in der Raumluft in Schulen. Gefahr für Kinder und Lehrer? Internistische Praxis (1997) 37: 221-228.

Heudorf U, Angerer J: Humanbiomonitoring auf PAK-Metabolite von Kindern aus Wohnungen mit PAK-haltigem Kleber. Umweltmed Forsch Prax (1998) 3: 266-274.

Hardt J, Heudorf U, Angerer J: Zur Frage der Belastung der Allgemeinbevölkerung durch Pyrethroide. Umweltmed Forsch Prax (1999) 4: 54-55.

Heudorf U, Angerer J: Humanbiomonitoring auf PAK-Metabolite von Kindern aus Wohnungen mit PAK-haltigem Kleber. Ergänzende Mitteilung. Umweltmed Forsch Prax (1999) 4: 97-100.

s (>20)s (10-<20)s (<10)ns

ratio

1,2

-/3

,4-h

ydro

xyp

he

na

nth

ren

es

4,0

3,5

3,0

2,5

2,0

1,5

1,0

,5

0,0

314227288N =

s (>20)s (10-<20)s (<10)nssu

m o

f h

ydro

xyp

he

na

nth

ren

es

(ng

/g c

rea

tinin

e)

4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

0

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Umgang mit Risiken - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung - HBM- Beispiele zu Spezialfragestellungen - Frankfurt

189

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Heudorf U: Hohe PCP-Blutspiegel durch PCP-belastete Lederkleidung. DMW (2000) 125: 766-768.

Heudorf U, Angerer J: Aktuelle PCB-Belastung einer Wohnbevölkerung in Deutschland 1998. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 137-142.

Heudorf U: Hohe Organophosphatmetabolitenkonzentrationen im Urin durch Verzehr großer Mengen Obst? Eine Kasuistik. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 189-191.

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Heudorf U: Analyse umweltbedingter Risiken – Fakten vs. Fiktion. Expositions- und Risikoanalyse als Basis einer wirksamen Risikoprävention. Umweltmed Forsch Prax (2006) 11: 131-139

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Einleitung

190

Schulen in Frankfurt am Main 1990-2005

0102030405060708090

mitGrund-schul-

klassen

mitHaupt-schul-

klassen

Förder-stufen

Sonder-schulen

Real-schulen

Gymna-sien

Gesamt-schulen

An

zah

l

1990

1999

2001

2003

2005

Schüler in Frankfurt am Main 1990-2005

0

5000

10000

15000

20000

25000

mitGrund-schul-

klassen

mitHaupt-schul-

klassen

Förder-stufen

Sonder-schulen

Real-schulen

Gymna-sien

Gesamt-schulen

An

zah

l

1990

1999

2001

2003

2005

Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen

Schulen und Kindergärten

Einleitung

In der Stadt Frankfurt am Main gibt es derzeit 181 Schulen mit etwa 60.000 Schülern. Die Zahl der

Schulen hat über die letzten 15 Jahre um 4 abgenommen, die der Schüler um 4.000 zugenommen.

Insbesondere Hauptschulen haben seit 1990 abgenommen (von 31 auf 17 Schulen, von 3155 auf

2703 Schüler), während mehr andere Schulen gebaut wurden und deren Schülerzahl zunahm.

Tab. 79 Schulen und Schülerinnen und Schüler in Frankfurt 1990-2005 – nach Schulformen

1990 1999 2001 2005 Schulen Schüler Schulen Schüler Schulen Schüler Schulen Schüler

mit Grundschul-klassen 80 20133 80 21151 80 20519 82 21128 mit Hauptschul-klassen 31 3155 18 2316 18 2747 17 2703 Förderstufen 10 912 14 1122 12 1015 11 558 Sonderschulen 17 1746 19 2085 19 2199 19 2393 Realschulen 15 4773 16 5259 16 5297 17 5353 Gymnasien 22 17732 23 18074 23 17875 23 18073 Gesamtschulen 10 7554 12 8740 12 9291 12 9892 185 56005 182 58747 180 58943 181 60100

Abb. 75 Schulen und Schülerinnen und Schüler in Frankfurt 1990-2005 – nach Schulformen

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Einleitung

191

Die Anzahl der Kindereinrichtungen in Frankfurt am Main – in städtischer oder in sonstiger

Trägerschaft - hat zwischen 1990 und 2006 um etwa ein Drittel zugenommen, desgleichen die Anzahl

der Plätze und der angemeldeten Kinder. Die Zunahme beim Hortangebot und die Inanspruchnahme

der Hortplätze in dieser Zeit war mit 52%, bzw. um 59% besonders hoch, die Steigerung des

Kindergartenangebots lag bei knapp 30% (Tab. 80 undAbb. 76).

Tab. 80 Kindereinrichtungen der Stadt und sonstiger Träger in Frankfurt am Main 1990-2006 – Anzahl der Einrichtungen, der verfügbaren Plätze und der angemeldeten Kinder

Jahr Städtische sonstige Träger Kindergärten Horte Kindergärten Horte Anzahl Plätze Kinder* Anzahl Plätze Kinder* Anzahl Plätze Kinder* Anzahl Plätze Kinder*

1990 96 4854 4239 99 4073 4067 204 9775 9424 80 1957 1929 1991 99 4994 4124 103 4199 3914 215 9972 9518 93 2179 2126 1992 99 5054 3848 103 4229 3799 230 10162 9593 100 2269 2125 1993 104 5304 4477 105 4326 3801 241 10411 9747 101 2352 2258 1994 107 5468 5058 107 4386 4025 254 10681 10095 107 2364 2258 1995 110 6097 5409 109 4646 4222 252 11011 10493 110 2577 2449 1996 116 6736 5951 113 4737 4507 259 11002 10381 106 2400 2374 1997 124 6636 5921 114 4857 4713 261 10974 10405 108 2526 2485 1998 123 6533 5808 114 4878 4780 261 11017 10305 115 2804 2837 1999 122 6320 5745 114 4907 4814 264 10961 10384 122 3093 3119 2000 122 6270 5749 115 4956 4780 260 10950 10453 127 3239 3193 2001 122 6241 5841 114 4947 4882 262 11055 10690 135 3512 3426 2002 121 6158 5828 113 4947 4952 269 11406 10932 142 3773 3628 2003 121 6145 5865 115 5006 5120 273 11740 11055 139 3801 3747 2004 118 6098 5817 115 4995 5140 283 12055 11371 145 3951 3983 2005 118 6097 5807 115 4978 5216 283 12314 11731 145 4023 4055 2006 118 6141 5769 116 4996 5259 289 12711 11969 148 4150 4254

* angemeldete Kinder

Abb. 76 Kindereinrichtungen der Stadt und sonstiger Träger in Frankfurt am Main 1990-2006

Kindereinrichtungen in Frankfurt/M 1990-2006

0

50

100

150

200

250

300

350

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

An

zah

l

KiGa StadtHorte StadtKiGa sonst.Horte sonst.

Plätze in Kindereinrichtungen in Frankfurt/M 1990-2006

0

2000

4000

6000

8000

10000

12000

14000

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

An

zah

l

KiGa StadtHorte StadtKiGa sonst.Horte sonst.

Plätze und angemeldete Kinder in städt. Kindereinrichtungen

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

An

zah

l

Plätze KiGa Stadtangemeldete Kinder KiGa StadtPlätze Horte Stadtangemeldete Kinder Horte Stadt

Plätze und angemeldete Kinder in Einrichtungen sonstiger Träger

0

2000

4000

6000

8000

10000

12000

14000

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

An

zah

l

Plätze KiGa sonst.angemeldete Kinder KiGa sonst.Plätze Horte sonst. angemeldete Kinder Horte sonst.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Einleitung

192

Die Überwachung der Hygiene in Schulen und Kindereinrichtungen ist Aufgabe des Öffentlichen

Gesundheitsdienstes, bis 2001 auf der Grundlage des § 48 Bundesseuchengesetz und seit 2001 nach

§ 36 Infektionsschutzgesetz. In Frankfurt lag diese Aufgabe bis Anfang der 1990er Jahre in der Zu-

ständigkeit des Kinder- und Jugendärztlichen Dienstes, die dieser regelmäßig alle 5 Jahre wahrnahm

und dabei nicht nur die Hygiene überprüfte, sondern auch auf die Ausstattung mit für die Körpergröße

der Kinder angemessenen Schulmöbeln etc. achtete. Bei Bedarf, insbesondere bei speziellen Schad-

stoff-Fragen, wurden die Mitarbeiter des Bereichs Umwelthygiene einbezogen, die dann eigenständig

in Zusammenarbeit mit den Trägern der Einrichtungen Untersuchungen vornahmen und ggf. Maßnah-

men zur Minderung und Sanierung empfahlen. Nachdem im Rahmen von Personaleinsparungen der

Kinder- und Jugendärztliche Dienst des Gesundheitsamtes die routinemäßige Überwachung einstellte,

übernahm der Bereich Umwelthygiene die anlassbezogenen Begehungen, d.h. es wurden keine

Routinekontrollen durchgeführt, Beschwerden wurde jedoch in jedem Fall kurzfristig nachgegangen.

Mit Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes wurde diese Aufgabe der infektionshygienischen Über-

wachung fortgeschrieben. Für die Schulen selbst brachte das Infektionsschutzgesetz neue Pflichten:

Zum einen sind sie nach § 36 Abs. 1 verpflichtet, „in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrens-

weisen zur Infektionshygiene festzulegen. Darüber hinaus wird ihnen in § 35 auferlegt: „Personen, die

… Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstige regelmäßige Tätigkeiten ausführen und

Kontakt mit den dort Betreuten haben, sind vor erstmaliger Aufnahme ihrer Tätigkeit und im Weiteren

mindestens im Abstand von zwei Jahren von ihrem Arbeitgeber über die gesundheitlichen Anforderun-

gen und Mitwirkungspflichten nach § 34 zu belehren. Über die Belehrung ist ein Protokoll zu erstellen

…“. In § 34 ist festgelegt, welche Personen bei welchen Erkrankungen wie lange die Schule nicht

betreten dürfen, um die anderen Mitglieder der Schulgemeinde nicht zu gefährden.

Im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten dieser neuen gesetzlichen Bestimmungen wurden deswegen

alle Leiter von Schulen und Kindereinrichtungen bzw. deren Stellvertreter von Mitarbeitern des Stadt-

gesundheitsamtes über diese Neuerungen informiert. Die insgesamt etwa 1000 Personen wurden in

10 Veranstaltungen informiert. Der Leiter der Abteilung Infektiologie, Herr Dr. Gottschalk, informierte

über die übertragbaren Krankheiten, der Leiter der Kinderärztlichen Abteilung, Herr Dr. Meireis, über

die Empfehlungen zur Wiederzulassung nach Erkrankung und die Leiterin der Abteilung Umwelt-

medizin und Hygiene, Frau Dr. Heudorf, stellte den in der Abteilung eigens entworfenen Muster-

hygieneplan für Kindereinrichtungen vor. Dieser Musterhygieneplan wurde auch ins Internet gestellt

und diente als Muster für eine Vielzahl von Plänen, auch weit über Frankfurt hinaus. Bereits in der

zweiten überarbeiteten Auflage des Kommentars von Bales/Baumann/ Schnitzler zum Infektions-

schutzgesetz wird auf diesen und andere Musterhygienepläne des Stadtgesundheitsamtes

hingewiesen1. Der Musterhygieneplan weist folgende Gliederung auf:

Musterhygieneplan des Frankfurter Stadtgesundheitsamtes für Schulen – Gliederung:

Hygiene in Unterrichtsräumen (Lufthygiene, Bodenreinigung und Abfallentsorgung,

Kleiderablage)

Schulreinigung (Schulreinigung durch Fremdfirmen, Schutzmaßnahmen des stadteigenen

Personals, Unfallgefahren)

Hygiene im Sanitärbereich (Sanitärausstattung, Wartung und Pflege, Be- und Entlüftungen)

Turnhalle

1 Bales/Baumann/Schnitzler: Infektionsschutzgesetz, Kommentar und Vorschriftensammlung. 2. überarbeitete Auflage. Kohlhammer Verlag Stuttgart, 2003, S. 249.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Spezielle Schadstoffe

193

Trinkwasserhygiene (Legionellenprophylaxe, Vermeidung von Stagnationsproblemen)

Erste Hilfe, Schutz des Ersthelfers (Versorgung von Bagatellwunden, Behandlung

kontaminierter Flächen, Überprüfung des 1.Hilfe-Inventars, Notrufnummern)

Küche (allgemeine Anforderungen, Händedesinfektion, Flächenreinigung und -desinfektion,

Lebensmittelhygiene, tierische Schädlinge)

Schulschwimmbad (Verhaltensregeln für die Badegäste, Barfuß- und Nassflächen, hygiene-

technische Anlagenkontrolle, hygienische Badewasserkontrollen, Arbeitsschutz/Umgang mit

Chemikalien, raumlufttechnische Anlagen, Sonderfragen)

Nachfolgend werden zunächst die speziellen Untersuchungsprogramme in Schulen und Kindergärten

vorgestellt, die bis Mitte der 1990er Jahre vorgenommen wurden. In einem weiteren Absatz werden

die neueren Aktivitäten aus den letzten 10 Jahren geschildert.

Spezielle Schadstoffe

Holzschutzmittel, Formaldehyd

Bereits in den 1980er Jahren wurde angesichts der damals aktuellen Problematik der Holzschutzmittel

in allen Schulen (und Kindereinrichtungen) durch Begehungen nach möglichem Einsatz von

Holzschutzmitteln geforscht und bei Verdacht messtechnische Untersuchungen und bei Bedarf

Sanierungen vorgenommen. Leider sind die Daten weder in Publikationen noch Magistratsberichten

o.ä. veröffentlicht, sondern wurden nach Ende der geforderten Archivierungszeit vernichtet, so dass

hier über das große Projekt keine Details berichtet werden können. Auch Formaldehyd war bereits

früh in der öffentlichen Diskussion, und auch zu diesem Schadstoff wurden in den Kindereinrichtungen

aktiv umfangreiche Erhebungen, begleitet von Messungen und Sanierungen, vorgenommen. Auch

hier sind die Unterlagen nicht mehr archiviert.

Asbest in Schulen

Im Jahre 1986 fanden Mitarbeiter des Bereichs Umwelthygiene des Stadtgesundheitsamtes Blau-

asbestfaser-Packungen in erheblichem Umfang vor, die als brandschutztechnische Stockwerks-

abdichtung locker auf einer Unterlage zwischen den Geschossen aufgebracht waren und direkten

Kontakt zur Innenraumluft hatten. Da Asbest ein stark krebsauslösender Stoff ist (s. Kästchen),

wurden umgehend Sanierungsmaßnahmen eingeleitet. Zum damaligen Zeitpunkt gab es noch keine

Richtlinie, wie Asbestfunde zu bewerten und zu behandeln waren. Nachdem diese dann 1989 publi-

ziert worden war, wurden gemeinsam vom Stadtschulamt, Hochbauamt und Stadtgesundheitsamt um-

fassende Untersuchungsprogramme und darauf folgend Sanierungsprogramme durchgeführt. Zur

Bewertung ist in dieser Richtlinie keine Fasermessung vorgeschrieben. Stattdessen werden die

Räume begangen und nach einem Stufenschema bewertet (Tab. 81). Als Sanierungsmaßnahmen

sind nach Richtlinie drei verschiedene Verfahren möglich:

- Entfernung

- Verfestigung und Beschichtung

- Räumliche Trennung.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Spezielle Schadstoffe

194

Der Sanierungserfolg wird danach durch eine so genannte Freimessung, bei welcher die Faserzahl

unter 500 pro m³ liegen muss, messtechnisch bestätigt.

Tab. 81 Bewertungskriterien für die Dringlichkeit einer Sanierung nach Asbestrichtlinie

Punkte Art der Asbestverwendung Spritzasbest, asbesthaltiger Putz, leichte asbesthaltige Platten, sonstige asbesthaltige Produkte

5, 10, 15, 20

Asbestart Amphibol-Asbeste, sonstige Asbeste

0, 2

Struktur der Oberfläche des Asbestprodukts Aufgelockerte Faserstruktur, feste Faserstruktur ohne oder mit nicht ausreichend dichter Oberflächenbeschichtung, beschichtete, dichte Oberfläche

0, 4, 10

Beeinträchtigung des Asbestprodukts von außen Direkte Zugänglichkeit; am Asbestprodukt werden gelegentlich Arbeiten durchgeführt, Produkt ist mechanischen Einwirkungen, Erschütterungen, starken klimatischen Wechselbeanspruchungen ausgesetzt, es kann Abrieb auftreten ... Produkt ist von außen nicht beeinträchtigt

0, 3, 7, 10

Raumnutzung Regelmäßig von Kindern, Jugendlichen, Sportlern benutzter Raum; zeitweise oder nur selten benutzter Raum

8, 15, 20, 25

Lage des Produkts Unmittelbar im Raum; im Lüftungssystem; hinter einer abgehängten undichten Decke oder Bekleidung; hinter dichter Decke.., hinter staubdichter Unterfangung, außerhalb dichter Belüftungskanäle

0, 25

Sanierung Unverzüglich erforderlich (Dringlichkeitsstufe I) Mittelfristig erforderlich (Dringlichkeitsstufe II) Langfristig erforderlich (Dringlichkeitsstufe III)

>= 80 70 – 79 < 70

Obwohl Raumluftmessungen zur Bewertung der Sanierungsdringlichkeit nicht vorgeschrieben waren,

hat die Stadt Frankfurt am Main angesichts der Sorge vieler Eltern und Lehrer Hunderte von Messun-

gen in den Schulen durchführen lassen, die nach der Asbestrichtlinie sanierungspflichtig waren (Tab.

82). Nach diesen Erkenntnissen kann davon ausgegangen werden, dass es auch in sanierungs-

pflichtigen Gebäuden nie zu dauerhaften Belastungen von 1000 Fasern und mehr pro m³ kam. Die

Raumluftbelastungen waren weitgehend unabhängig vom Bodenbelag. Auch die Überprüfung von 60

Nachtspeichergeräten bei laufendem Betrieb und unter entsprechendem „Anrempeln“ (Simulation des

üblichen Schulbetriebes) zeigte keine Werte über 1000 Fasern pro m³. Auf Anregung verschiedener

Betroffener wurden durch die Stadt Frankfurt am Main unterschiedliche Simulationsbedingungen

verglichen, nämlich einerseits die DIN-Simulation und andererseits direkt die Schulnutzung: Auch hier

wurde keine Werte über 1000 Fasern erhalten. Nachdem erkannt worden war, dass es nach

verschiedenen früheren Sanierungsmaßnahmen bei intensiver mechanischer Belastung der Stützen,

die mit weiterem Material umbaut, d.h. räumlich getrennt, worden waren, in einem nicht unerheblichen

Maße zur Freisetzungen von Asbestfasern kommen konnte, wurde beschlossen, in sämtlichen

Schulen eine Totalsanierung von Asbest durchzuführen.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Spezielle Schadstoffe

195

Asbest

Asbestmineralien sind natürliche Bestandteile der Erdkruste und wurden bereits früh wegen ihrer Materialeigenschaften verwendet. Das aus dem Griechischen stammende Wort „Asbestos“, d. h. unauslöschlich und vergänglich, bezeichnet die wichtigsten Eigenschaften von Asbest, wie nicht Brennbarkeit, Hitzebeständigkeit, chemische Beständigkeit, Beständigkeit gegen Fäulnis und Korro-sion, Isolierfähigkeit.

Vor mehr als 100 Jahren begann die großindustrielle Förderung und Nutzung von Asbest. Unter den damaligen Arbeitsbedingungen ohne jegliche Schutzmaßnahmen waren die Arbeiter Asbestkonzen-trationen von mehreren 10 Millionen Fasern pro m³ Luft ausgesetzt. Asbestbedingte Lungenerkran-kungen waren die Folge.

- Die Asbestose, eine Fibrose (Verhärtung) von Lungengewebe und Rippenfell. Nur bei Asbest-arbeitern, da eine über Jahre bis Jahrzehnte dauernde Exposition gegenüber sehr hohen Faser-konzentrationen Voraussetzung ist.

- Der asbestbedingte Lungenkrebs tritt nach langer Expositionszeit von 10-20 Jahren bei hohen Faserkonzentrationen nach einer durchschnittlichen Latenzzeit (Ruhezeit) von 25 Jahren auf. Es sind nur beruflich Exponierte betroffen. Die Sterblichkeit wir durch Zigarettenrauchen stark erhöht.

- Asbestbedingte Mesotheliome, bösartige Tumore des Rippen- und Bauchfells, treten auch nach kürzeren Expositionszeiten von wenigen Monaten an besonders staubigen Arbeitsplätzen auf. Sie wurden auch bei Anwohnern von asbestverarbeitenden Betrieben und bei nicht beruflich exponierten Familienangehörigen von Asbestarbeitern beschrieben.

Risiko eines Mesothelioms:

Mesotheliomerkrankungen haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen, bei Männern, nicht bei Frauen. Da angenommen werden kann, dass das Mesotheliom bei zunehmender Bekanntheit auch häufiger diagnostiziert wird, wurde aus der fehlenden Zunahme asbestbedingter Mesotheliome bei Frauen der Schluss gezogen, dass das nicht berufsbedingte Asbestrisiko extrem gering sein muss. In Deutschland erkranken jährlich etwa 2 von 100 000 Einwohnern.

Das frühere Bundesgesundheitsamt hat 1983 festgestellt: „Das Krebsrisiko durch eine kontinuierliche (24-stündige) Asbestbelastung von 1000 Fasern pro m³ über das ganze Leben ist größenordnungsmäßig vergleichbar mit dem Risiko, das durch das Rauchen von 2 Zigaretten pro Jahr hervorgerufen wird. ...“. Einer Studie des Bundesgesundheitsamtes zur Folge besteht kein Zweifel daran, dass Schüler durch Passivrauchen zu Hause deutlich mehr gefährdet sind als durch den 10-jährigen Besuch einer Schule mit einer Asbestfaserbelastung von 1000 Fasern pro m³. Das Lungenkrebsrisiko durch Passivrauchen wird nach Schätzungen des Bundesgesundheitsamtes auf 1,8 pro 1000 (180 pro 100 000) geschätzt und ist damit mehr als hundertfach höher als das Mesotheliomrisiko durch eine Asbestbelastung von 1000 Fasern pro m³.

Die Risikoabschätzungen der Weltgesundheitsorganisation und der Bundesärztekammer zu Asbest sind in untenstehender Tabelle dargestellt.

Risiko für die Allgemeinbevölkerung (USA, WHO) Risiko / 100 000 Asbestbelastung von 100 F/m³ über das ganze Leben Mesotheliom 0,5-2,0 Bronchialkarzinom bei Nichtrauchern < 0,2 Besuch einer asbestbelasteten Schule (Todesfälle nach bis 30 J.) 1,0 Lungenkrebs durch Rauchen 8 800 Tödlicher Autounfall 1 600 Tödlicher Verkehrsunfall als Fußgänger 290 Tödlicher Verkehrsunfall mit dem Fahrrad 75 Risiken für Kinder in Deutschland (BÄK) Asbestbelastung mit 1000 F/m³ vom 11.-15. Lebensjahr* 0,36 Tödliche Unfälle im 11.-15. Lebensjahr 37 Passivrauchen zu Hause (Tumorrisiko) 180

*Todesfälle über das ganze Leben (BÄK: Bundesärztekammer)

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Spezielle Schadstoffe

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Tab. 82 Messwerte zum Asbestgehalt in der Raumluft von Schulen in Frankfurt, die nach der Asbestrichtlinie dringend zu sanieren waren – vor der Sanierung

Messungen Belastungsklassen F/m³ Asbestfasergehalte in der Raumluft Median Max. <100 100<1000 >1000 n F/m³ F/m³ n % n % n % Alle Messungen 1987 – 1994 499 56 14 000 306 61,0 176 35,0 20 4,0 Prüfung Teppichboden Räume mit Teppichboden 204 54 11050 125 61,3 69 33,8 10 4,9 Räume ohne Teppichboden 216 80 14 000 131 60,5 77 35,6 8 3,8 Prüfung Nachtspeichergeräte bei laufendem Betrieb 60 50 330 58 96,7 2 3,3 - - Prüfung Simulation nach DIN-Simulation 39 50 590 26 66,7 13 33,3 - - nach Ende der Schulnutzung 47 50 200 26 55,3 21 44,7 - - DIN- und Deckensimulation* 50 52 2 500 26 52,0 21 42,0 3 6,0 DIN-, Decken- und Stützen-simulation*

32 440 52 250 3 9,3 15 46,9 14 43,8

* * Daten vom August 1995, nicht in der Gesamtzahl von 499 enthalten

Künstliche Mineralfasern

In den 1990er Jahren gerieten die künstlichen

Mineralfasern in den Blickpunkt umweltmedi-

zinischer Bewertung und in die öffentliche

Diskussion, nachdem allenthalten Asbestsa-

nierungen durchgeführt wurden und nun neue

Materialien zum Einsatz kamen.

Aus der Asbestproblematik war bekannt, dass

die tumorauslösende Wirkung im Wesent-

lichen durch die Fasergeometrie (lange, dün-

ne Fasern) und die Biobeständigkeit (Nicht-

Auflösbarkeit) der Fasern in der Lunge hervor-

gerufen wird. Vor diesem Hintergrund wird

darauf geachtet, dass künstliche Mineral-

fasern mit einer anderen Fasergeometrie

produziert werden und diese im Organismus

aufgelöst werden können. Vor diesem Hinter-

grund werden die künstlichen Mineralfasern

nach der Gefahrstoffverordnung seit 1998

über ihre stoffliche Zusammensetzung anhand

des Karzinogenitätsindex (KI-Index) ein-

gestuft. (Der KI-Wert ergibt sich aus der

Differenz der Massegehalte der Oxide der

Elemente Na, K, B, Mg, Ca, Ba und dem

Zweifachen des Al-Oxid-Gehalts):

- KI-Wert ≤30: K2-Stoffe, die als krebserzeugend für den Menschen angesehen werden sollten.

- KI-Wert 30-<40: K3-Stoffe, die wegen möglicher krebserzeugender Wirkung beim Menschen Anlass zur Besorgnis geben.

- KI-Wert ≥40: keine Einstufung als krebserzeugend.

Künstliche Mineralfasern

Künstliche Mineralfasern (KMF) sind Faser-produkte, die aus verschiedenen Silikaten durch technische Verarbeitungsprozesse hergestellt werden. Je nach ihren Ausgangsprodukten – Glas, Steine oder Schlacken – werden Glas-, Stein- oder Schlackenfasen unterschieden, die als lose Fasern, Wollen oder Endlosfasern produziert werden. In Deutschland wurde die Produktion von künstlichen Mineralfasern bereits vor mehr als 100 Jahren begonnen. Hauptverwendungszweck der künst-lichen Mineralfasern sind neben dem Brandschutz die Wärme- und Schallisolierung.

Im Gegensatz zu Asbest haben künstliche Mineral-fasern keine bösartigen Erkrankungen bei den Ar-beitern, die Umgang mit diesen Fasern bei der Herstellung und der Verarbeitung hatten, ausgelöst. Auch Inhalationsversuche mit Tieren waren in der Regel negativ, wobei allerdings wegen der unter-schiedlichen anatomischen Größenverhältnisse zwi-schen Mensch und Maus die Übertragbarkeit der Tierdaten auf den Menschen problematisch ist. Bei Verabreichung von Mineralfasern direkt in den Bauchraum der Tiere wurden Bauchfell-Meso-theliome ausgelöst (analog Rippenfell-Mesothelio-me bei Asbest). Da diese Verabreichungsform aller-dings extrem unphysiologisch ist, wurden diese seitens der MAK-Kommission „als ob“ kanzerogen im Tierversuch eingestuft.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Spezielle Schadstoffe

197

Fasern mit einem KI > 40 gelten nach heutigem Kenntnisstand als frei von Krebsverdacht, da ihre

Biobeständigkeit nur noch ca. 30-40 Tage beträgt. Etwa seit Ende der 1990er Jahre sind in Deutsch-

land nur noch Dämmstoffe mit einem KI-Wert > 40 im Handel. Die künstlichen Mineralfasern können

bei der Verarbeitung bzw. bei nicht sachgerechtem Einbau Haut- und Schleimhautreizungen auslösen,

sie können aber praktisch nicht inhaliert werden oder zu Spätreaktionen führen. Da die freigesetzten

Fasern größer und schwerer sind als Asbestfasern, setzen sie sich schneller ab und können so durch

feuchtes Reinigen gut entfernt werden. Vor diesem Hintergrund wurden die Mineralfasern – im

Gegensatz zu Asbest – weder verboten noch wurden Sanierungsmaßnahmen vorgeschrieben.

Die Stadt Frankfurt hat darauf geachtet, dass diese Stoffe in den Kindereinrichtungen sachgerecht

ein- und verbaut wurden; wo dies nicht der Fall gewesen war, wurden Messungen vorgenommen. In

der Regel waren die Messwerte nicht erhöht, vergleichbar mit anderen Untersuchungen im

Bundesgebiet. Größere Sanierungsprogramme waren nicht erforderlich.

Polychlorierte Biphenyle

Polychlorierte Biphenyle (PCB) wurden seit den 1920er Jahren in großem Maßstab produziert und

wegen ihrer günstigen Materialeigenschaften wie Hitzestabilität, hohe Reaktionsträgheit, schwere

Entflammbarkeit und Alterungsbeständigkeit eingesetzt: als Weichmacher in Kunststoffen, in Kleb-

stoffen, als Imprägnierungs- und Flammschutzmittel, als Isolier- und Kühlflüssigkeit in Transfor-

matoren. Chemisch handelt es sich um eine Gruppe von bis zu 209 verschiedenen Einzelkongeneren,

die entsprechend der Anzahl und Stellung der Chloratome nummeriert werden. Üblicherweise werden

die Kongenere 28, 52, 101, 138, 153 und 180 untersucht.

In den 1960er und 1970er Jahren fanden polychlorierte Biphenyle im Hochbau in großem Maßstab

Verwendung, insbesondere als Weichmacher in Dichtungsfugen zwischen Betonplatten oder auch als

flammschutzhemmende Anstriche von Deckenplatten etc. Erst nach größeren Vergiftungsfällen mit

PCB-kontaminierten Reisölen in Asien 1968 und 1978 wurde die gesundheitsschädliche Wirkung der

polychlorierten Biphenyle richtig erkannt. Deswegen wurde ihre offene Anwendung (z.B. in Fugen

oder Anstrichen) im Jahre 1983 verboten und ab 1989 durften sie auch in geschlossenen Systemen

(wie z.B. Kondensatoren) nicht mehr verwendet werden.

Nachdem es zu einigen Schadensfällen durch defekte Kondensatoren gekommen war, wurden in

Frankfurter Kindereinrichtungen nicht zuletzt auf Betreiben des Gesundheitsamtes bereits in den

1980er Jahren alle PCB-haltigen Kondensatoren vorsorglich ausgetauscht.

Nach ersten Publikationen aus anderen Städten und nach entsprechenden Recherchen und weiteren

Vorbereitungen im Vorfeld, u.a. der Erhebung sämtlicher in den Jahren 1955-1975 errichteter Neu-

oder Anbauten in Schulen und anderen Kindereinrichtungen, wurde in Frankfurt Ende 1993 unmittel-

bar nach Erscheinen des PCB-Erlasses des Landes Hessen mit einem umfassenden Untersuchungs-

programm in städtischen Kindereinrichtungen (Kindertagesstätten und Schulen) begonnen. Als

Bewertungsgrundlage diente die ARGEBAU-Richtlinie (Arbeitsgemeinschaft der Bauministerien der

Länder) (Tab. 83).

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Spezielle Schadstoffe

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Tab. 83 PCB-Richtlinie der ARGEBAU – Raumluftkonzentrationen und Handlungsbedarf

Raumluft Maßnahmen < 300 ng/m³

Raumluftkonzentrationen unter 300ng/m³ sind als langfristig tolerabel anzusehen (Vorsorgewert).

300-3000 ng/m³

Bei Raumluftkonzentrationen zwischen 300 und 3000ng/m³ wird empfohlen, die Quelle der Raumluftverunreinigungen aufzuspüren und nach Möglichkeit unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zu beseitigen oder zumindest eine Verminderung der PCB-Konzentration (z.B. durch regelmäßiges Lüften sowie gründliche Reinigung und Entstaubung der Räume) anzustreben.

> 3000 ng/m³

Raumluftkonzentrationen oberhalb 3000ng/m³ Luft sollten im Hinblick auf mögliche andere nicht kontrollierbare PCB-Belastungen vermieden werden. Bei Bestätigung des Wertes sollten in Abhängigkeit von der Belastung zur Vermeidung gesundheitlicher Risiken in diesen Räumen unverzüglich Maßnahmen zur Verringerung der Raumluftkonzentrationen von PCB ergriffen werden. Der Zielwert liegt auch hier bei weniger als 300ng PCB/m³ Luft (Sanierungsleitwert).

Diese ARGEBAU-Richtlinie wurde in Hessen baurechtlich eingeführt– allerdings mit einer

Modifikation. In der ARGEBAU-Richtlinie war die toxikologische Ableitung der zulässigen Werte

dargelegt worden und es wurde festgestellt, dass diese auf der Annahme einer täglichen

Aufenthaltsdauer von 24 Stunden beruhen. Weiter hieß es: „Bei kürzerer mittlerer Aufenthaltsdauer

sind bei Überschreitung entsprechend höherer Raumluftkonzentrationen Gefahrenabwehrmaßnahmen

angezeigt“. D.h. in Schulen, wo maximal mit einem Aufenthalt von 8 h/Tag zu rechnen war, wären vor

diesem Hintergrund 9.000ng/m³ als sanierungsauslösender Wert zulässig gewesen; dies wurde in

einem Teil der Bundesländer so praktiziert. In Hessen wurde dieser letzte Satz nicht übernommen,

weshalb hier die PCB-Richtlinie am strengsten galt und umzusetzen war. In Frankfurt wurden ab 1993

alle städtischen Kindertagesstätten und Schulen flächendeckend auf PCB untersucht; 17 Gebäude mit

Werten über 300ng/m³ wurden – auf der Grundlage der Hessischen Richtlinien –für über 20 Millionen

DM saniert

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199

PCB in der Raumluft von Kindergärten und Schulen

Nachdem 1993 in vier der untersuchten Kindertagesstätten PCB-Raumluftgehalte über dem

Vorsorge/Zielwert von 300ng/m³ festgestellt worden waren – mit einem Maximalwert von 1489ng/m³ –

bot das Gesundheitsamt den Mitarbeiterinnen dieser Einrichtungen auf freiwilliger Basis eine

Untersuchung der inneren Belastung an. Diese Untersuchung wurde mit dem Ziel durchgeführt, die

Aufnahme der PCB in der Raumluft und damit die mögliche Gesundheitsgefahr für die Raumnutzer

besser abschätzen zu können. Bei den Erzieherinnen, die über viele Jahre in PCB-belasteten

Kindertagesstätten gearbeitet hatten, wurde 1993/4 nicht nur die innere PCB-Belastung (PCB im

Blutplasma) gemessen, sondern es wurden auch weitere Untersuchungen wie Blutbild, Leberwerte

PCB allgemeine Informationen

Die akute Toxizität der PCB ist gering. Aus Vergiftungen im arbeitsmedizinischen Bereich und den Reisölvergiftungen in Japan und Taiwan mit sehr hohen PCB-Belastungen sind folgende Symptome bekannt: Chlorakne, vermehrte Pigmentation, eitrige Konjunktivitiden, Lidödeme, Übelkeit, Verdauungsbeschwerden, Leberfunktionsstörungen, Schwäche, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen, Störungen des Immunsystems. Insbesondere nach pränataler PCB-Belastung wurden bei Kindern darüber hinaus Auffälligkeiten in der neurologischen Entwicklung beschrieben. Im Tierversuch haben sich die PCB als krebserregend erwiesen. Die kanzerogene Wirkung ist für den Menschen nicht nachgewiesen, es besteht jedoch ein Verdacht auf eine tumorauslösende Wirkung auch beim Menschen.

Das Hauptproblem der PCB besteht in der Anreicherungstendenz und der chronischen Toxizität. Im Vordergrund stehen Wirkungen auf die Leber, die Haut, das Immunsystem und – bei Kindern –das Zentralnervensystem.

Wegen ihrer großen Beständigkeit und geringen biologischen Abbaubarkeit reichern sich die PCB im Ökosystem und in der Nahrungskette an. Sie sind heute ubiquitär nachweisbar. Besonders hohe Gehalte werden in fetthaltigen tierischen Lebensmitteln gefunden, aber auch im menschlichen Fettgewebe und in der Muttermilch. Menschen aus industrialisierten Ländern weisen allgemein eine höhere PCB-Belastung im Blut auf als Menschen aus agrarischen, nicht industrialisierten Ländern.

Aufgrund ihrer toxischen Eigenschaften, ganz besonders aber wegen ihrer Anreicherungstendenz, wurden die PCB 1989 verboten (Anwendungs-, Herstellungsverbot). In der Folge sind die allgemeinen PCB-Belastungen in der Umwelt-, der Nahrung, aber auch im Blut der Bevölkerung und in der Muttermilch in den letzten Jahren deutlich rückläufig.

Mit diesem Produktions- und Verteilungsverbot ist das PCB-Problem jedoch nicht gelöst. Besonders zwischen 1955 und 1975 waren PCB in vielen Gebäuden in Dichtungsmassen oder als Flammschutzmittel eingesetzt worden. Aus diesen Materialien können sie über lange Zeit freigesetzt werden und in die Atemluft gelangen. Zur Bewertung von Raumluftkontaminationen wurden Richtwerte veröffentlicht, die wie folgt abgeleitet wurden: Ausgehend von Tierversuchen, aber auch von Vergiftungsfällen bei Menschen wurde für die PCB eine tolerable tägliche Zufuhr (TDI) von 1µg/kg Körpergewicht und Tag errechnet, bei welcher keine unerwünschten Wirkungen zu erwarten sind.

Unter Vorsorgeaspekten wurde festgelegt, dass über die Luft nicht mehr als 10% des TDI auf-genommen werden dürfen, d. h. zum Beispiel für ein 30 kg schweres Kind max. 3µg pro Tag. Für ein 70 kg schweren Erwachsenen max. 7µg pro Tag. Bei einem Atemvolumen von 10 m³ pro Kind und 20 m³ pro Erwachsenem sollten demnach 300ng PCB auf Dauer unterschritten werden (Vor-sorgewert). Bei ständigem Aufenthalt in Räumen mit PCB-Konzentrationen über 3000ng PCB pro m³ würde alleine durch die Luft der TDI-Wert erreicht, weshalb hier wirkungsvolle Sanierungs-maßnahmen gefordert werden (Eingreifwert). Da jedoch die tägliche Aufenthaltsdauer in Kindertagesstätten und Schulen usw. in aller Regel 8 Stunden nicht überschreitet, wurden hier auch 10.000ng PCB pro m³ in anderen Bundesländern für tolerierbar gehalten, nicht jedoch in Hessen, wo bei Überschreitung von 3000ng PCB pro m³ unverzüglich Minderungsmaßnahmen durchzuführen sind.

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200

(Transaminasen g-GT), Cholesterin und Triglyceride, Harnsäure und Blutzucker vorgenommen.

Weiterhin wurde nach gesundheitlichen Beschwerden, Ernährungsgewohnheiten, Zigarettenkonsum,

Schwangerschaften, Geburten, Stilldauer etc. gefragt. Die Blutproben von 32 Mitarbeiterinnen wurden

in den Einrichtungen selbst entnommen und im Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der

Universität Erlangen-Nürnberg auf PCB untersucht.

Während die niederchlorierten PCB-Kongenere 28, 52 und 101 nahezu 80% der analysierten

Kongenere in der Raumluft ausmachten, waren diese im Blut der Mitarbeiterinnen nicht nachweisbar –

wie sie üblicherweise auch in der Referenzbevölkerung unter der Nachweisgrenze von 0,1µg/m³

bleiben. D.h. die Belastungsmuster waren in der Raumluft und im Blut sehr unterschiedlich (Abb. 77).

Die höherchlorierten PCB 138, 153 und 180 sowie deren Summe blieben innerhalb der publizierten

altersabhängigen Referenzwerte (Abb. 78) Es zeigte sich die erwartete Altersabhängigkeit der inneren

PCB-Gehalte, Zusammenhänge mit auffälligen anderen Laborwerten konnten jedoch nicht festgestellt

werden. Ebenso wurden keine Hinweise auf Zusammenhänge mit der Belastungssituation in der

Raumluft festgestellt.

Abb. 77 PCB-Konzentrationen in der Raumluft in Kindergärten (helle Balken) und im Blut der Erzieherinnen (schwarze Balken)

Abb. 78 PCB-Konzentrationen im Blut der Erzieherinnen, in Abhängigkeit vom Alter – im Vergleich mit publizierten Referenzwerten (untere Linie, 5er Perzentile, mittlere Linie 50er Perzentile und obere Linie 95er Perzentile)

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201

Diese Ergebnisse stimmen überein mit zahlreichen inzwischen publizierten Untersuchungen, die in

einer Übersichtsarbeit zusammengestellt wurden1. Obwohl in allen Studien die PCB-Raumluft-

belastungen über dem Zielwert der Richtlinie, teilweise deutlich über den Eingreifwert lagen, mit

Maximalwerten über 10.000ng PCB/m³, wurden in aller Regel keine Hinweise auf Überschreitungen

der Referenzwerte gefunden, d.h. keine signifikante, erkennbare innere Zusatzbelastung erhalten.

Hieraus kann geschlossen werden, dass die Richtwerte für Sanierungsmaßnahmen tatsächlich im

Vorsorgebereich liegen. Andererseits ließen alle Studien auch die Bedeutung der Nahrung als PCB-

Belastungsquelle erkennen und die Notwendigkeit für Minimierungsmaßnahmen in diesem Bereich.

Dioxine und Furane

Die Gesundheitsgefahren durch Dioxine und Furane wurden von der Öffentlichkeit insbesondere nach

dem Seveso-Unglück wahrgenommen. Damals war nach der Freisetzung von Dioxinen in einem Be-

trieb in Seveso in Norditalien zunächst Weidevieh erkrankt, später waren auch bei Kindern und Er-

wachsenen Symptome zunächst der Haut aufgetreten. Dioxine und Furane, insbesondere das so

genannte Seveso-Dioxin 2,3,7,8 Tetrachlordibenzodioxin, zählen zu den am stärksten krebsauslösen-

den Substanzen, die bekannt sind.

In Folge staatlicher Maßnahmen in den letzten Jahrzehnten, wie z.B. die Scavenger Verordnung, die

17. BimschV, das PCP- und PCB-Verbot, konnte die Dioxinfreisetzung und die allgemeine Dioxin-

belastung stark vermindert werden. So ist nicht nur die Dioxinbelastung in der Umwelt und in der

Nahrungskette, sondern auch in den Menschen (Blut, Muttermilch) deutlich rückläufig.

Dioxine in einer Frankfurter Schule

Im Frühjahr 1995 wurde auf den Werkbänken in einer Schule in Frankfurt eine erhebliche Dioxin-/

Furanbelastung festgestellt: Auf der Tischoberfläche (mit einem Hobel wurden 1-1,5 mm entnommen)

wurden 49 430ng I-TEFPCDD/F pro kg Holz gemessen. Die Raumluftbelastung betrug 7,7pg I-

TEFPCDD/F pro m³. Auch nach Entfernen der Tische blieb die Dioxinraumluftbelastung mit 4,2pg I-

TEF pro m³ im Vergleich mit einem Kontrollraum 0,25pg I-TEF pro m³ und der Außenluft 0,07pg I-TEF

pro m³ weiterhin extrem erhöht. Der entsprechende Gebäudeteil wurde geschlossen.

Da aus dem Schadstoffgehalt in der Raumluft und der äußeren Exposition nur sehr bedingt auf das für

die Exponierten hierdurch entstandene zusätzliche Risiko geschlossen werden kann, wurde den 12

Lehrern, die jahrelang in diesem Gebäudeteil unterrichtet hatten und die PCDD/F sowohl über die

Atmung als auch über die Haut, durch direkten Hautkontakt mit den kontaminierten Werkbänken,

möglicherweise schon über mehrere Jahre aufgenommen haben konnten, auf freiwilliger Basis eine

Blutuntersuchung auf Dioxine/Furane angeboten. Es wurden Alter, Größe, Gewicht, Ernährungs- und

Rauchgewohnheiten sowie Beschäftigungsdauer in dem fraglichen Gebäudeteil erfragt. Die Proben

für die Dioxin-/Furanbestimmung wurden im Hygieneinstitut des Ruhrgebiets in Gelsenkirchen, Institut

für Umwelthygiene und Umweltmedizin an der Ruhruniversität Bochum, mittels Kapillar-Gaschromato-

1 Bleeker I, Fischer AB, Tilkes F, Eikmann T: PCB-Konzentrationen im menschlichen Blut. Umweltmed Forsch Prax (1999) 4: 84-96.

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graphie/hochauflösender Massenspektrometrie analysiert. Die Ergebnisse konnten mit den 1991/1992

erstellten und 1993 publizierten altersabhängigen Referenzwerten1 verglichen werden.

Selbst bei Raumluftbelastungen, die mehr als 100fach über der Außenluftbelastung (70fg PCDD/F pro

m³) liegen, zeigte sich auch nach jahrelanger Exposition keine erkennbar erhöhte Blutbelastung bei

den Exponierten im Vergleich mit einer unbelasteten Kontrollgruppe. Vor dem Hintergrund der

allgemeinen Belastung mit persistenten Substanzen in der Nahrung war der Anteil der PCDD/F-

Belastung in der Atemluft offenbar zu gering, um zu einer messbaren zusätzlichen Aufnahme und

Anreicherung zu führen.

Durch das Angebot der Humanbiomonitoring-Untersuchung fühlten sich die Menschen mit ihren

Sorgen ernst genommen. Die Betroffenen konnten sich überzeugen, dass ihre innere Dioxinbelastung

nicht höher als die von nicht in der Schule exponierten Kontrollpersonen war. Da bei den persistenten

Kohlenwasserstoffen die Zufuhr mit der Nahrung tatsächlich die bedeutendste Belastungsquelle

darstellt, wurde gefordert, diese Belastung weiter zu minimieren.

Abb. 79 Altersabhängige PCDD/F-Belastung im Blut von 12 Lehrern der PCDD/F-belasteten Schule im Vergleich zu den 5., 50. und 95. Perzentil-Werten eines Kontrollkollektivs.

1 Schrey P, Wittsiepe J, Ewers U, Exner M, Selenka F: Polychlorierte Dibenzoparadioxine und Dibenzofurane in Humanblut. Bundesgesundheitsbl. (1993) 455-463

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Hygiene in Schulen

Die Schulhygiene in Deutschland kann sich auf eine lange Traditionen berufen, u.a. Johann Peter

Frank. „.. zum ersten Male (ist) im Jahre 1780 (bei Schwan in Mannheim) ein Buch über Schulhygiene

erschienen, dessen Verfasser, der Hochfürstlich Speyerische Geheimrat und Leibarzt Joh. Peter

Frank als Begründer der Schulhygiene anzusehen ist. (Es) enthält … die meisten Fragen, die uns

auch heute noch als wesentlich erscheinen“, schreibt Prof. Haberda in seinem im Jahre 1951

erschienen Buch Schulhygiene1. Aber auch Klagen über missliche Zustände in Schulen haben

Tradition. So schrieb Leubuscher bereits 1914: „Man kann bei der Lektüre des Frank´schen Buches

ein bitteres und niederdrückendes Gefühl nicht vermeiden, wenn man sich überlegt, wie wenig wir im

Laufe der vielen Jahre auf dem Gebiet der Schulgesundheitspflege erreicht haben“. Haberda schreibt

weiter: „Diese Bemerkung gilt vollinhaltlich auch für die heutige Zeit. … Es ist doch bezeichnend, dass

das Wort Schularzt erst im Jahre 1877 … zum ersten Mal gebraucht wird. Gegen die Anstellung von

Schulärzten erhob sich nicht nur von Seiten der Lehrerschaft, sondern auch bei den Behörden

lebhaftester Widerspruch. Frankfurt am Main gebührt der Ruhm, im Jahre 1883 den ersten Schularzt

angestellt zu haben. -. … Der erste Weltkrieg hat diese Entwicklung so gründlich unterbrochen. – Seit

dem Handbuch der Schulhygiene von Burgenstein und Netolitzky2 und dem Handbuch der Deutschen

Schulhygiene“ von Selter ist in deutscher Sprache kein derartiges Werk mehr erschienen“. Einige

wesentliche Punkte aus dem Schulhygiene-Buch von Haberda1 sind auf der nächsten Seite zusam-

mengestellt.

Und heute? Meldungen über mangelnde Reinigung von Schulen gehören inzwischen zum Alltag und

müssen als Zeichen gewertet werden, „dass früher selbstverständliches Wissen und Handeln nach

den Grundregeln der Hygiene bei den Behörden offenbar mehr und mehr abhanden kommt bzw. –

überwiegend aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen – nicht mehr die angemessene Beachtung

findet.“ Die gute Tradition der Schulhygiene, die vor 100 Jahren in Deutschland durchaus vorhanden

war, scheint verloren zu sein3.

1 Haberda M. Schulhygiene (Schulgesundheitslehre). Verlag Wilhelm Maudrich, Wien 1951 2 Burgerstein L, Netolitzky A. Handbuch der Schulhygiene, Barth-Verlag, Leipzig, 1912. 3 Eikmann T, Herr C. Schmutzige Schulen sind ein Zeichen für fehlendes hygienisches Bewußtsein im öffentlichen bereich. Umweltmed Forsch Prax (2005) 10: 5-6.

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Das Schulhaus (Auszüge)

Der Baugrund muß bautechnisch einwandfrei sein, was durch Aufgraben, Sondieren, Probebohrungen und ähnliche Methoden ermittelt werden kann. Die Kosten hierfür … machen sich früher oder später bezahlt.

Es ist übel angebracht, sich mit möglichst kleiner Fläche zu begnügen. … Für den Turnplatz wird ein Ausmaß von 30x80 m gefordert, als Spielfläche 4 m² für jeden Schüler für den Pausenhof 3m²…

Über die Himmelsrichtung gehen die Meinungen derart auseinander, dass eine bestimmte Vorschrift nicht möglich ist. Die Schulzimmer sollen zwar sonnig sein, aber nicht so, dass die Sonne durch zu grelles Licht oder Hitze störend wirkt. …

Gänge sollen mindestens 2 m, wenn möglich breiter sein. Der Fußboden … ist als Hohlkehle etwa 10 cm an der Wand hinauf zu ziehen, damit sich keine Gelegenheit zur Ansammlung von Schmutz und Staub bietet und eine leichte Reinigungsmöglichkeit besteht. In den Gängen sollen Kleiderablagen vorhanden sein … Jedenfalls gehören in ein Klassenzimmer keine Kleider, die namentlich im Winter, wenn sie schneefeucht im warmen Raum hängen, die Luft sehr verschlechtern. …

Auch Trinkstellen sind vorzusehen. Sie werden jetzt allgemein als Springbrunnen eingerichtet, aus denen der Wasserstrahl von unten schräg in den Mund spritzt, sodaß eine Ansteckung durch Becher unmöglich wird. … Die Trinkwasserversorgung für Schulen darf nicht zu leicht genommen werden, da durch ungeeignetes Wasser Epidemien entstehen können. Wo städtische Wasserleitungen zur Verfügung stehen, wird die Trinkwasserfrage keine Sorge machen, da öffentliche Wasserleitungen ohnehin unter sanitärpolizeilicher Überwachung stehen.

Der Anlage der Aborte wird in der Regel zu wenig Bedeutung geschenkt. … im Schulhaus, jedoch so, dass eine Belästigung durch Geruch ausgeschlossen wird. .. Jeder Abort muß einen Vorraum haben, in dem genügend Waschmöglichkeiten …vorhanden sind. Darüber empfiehlt sich eine Tafel mit der Inschrift: „Nach dem Stuhlgang, vor dem Essen Händewaschen nicht vergessen!“. … Die Wände werden am besten mit Glaskacheln ausgekleidet, damit sie leicht gereinigt werden können. Die oft anzutreffende Art eines sehr groben Verputzes schützt zwar gegen Bekritzeln, macht aber eine Reinhaltung unmöglich. …

Das Schulzimmer: Die Größe ist von folgenden Umständen abhängig: 1. Schülerzahl, 2. Entfernung der letzten Bank von der Tafel 3. Beleuchtung des vom Fenster entferntesten Sitzplatzes.

(über diese Frage hinaus stellt Haberda Berechnungen für den Luftbedarf an:) … dass eine Klasse für 35 Schüler die Maße 9x6x4 m haben soll. Das ergibt 6 m³ für jeden Schüler. … Das Schulbaumerkblatt begnügt sich mit einer Höhe von 3,5 m, die bei kleinerer Schülerzahl zweifellos ausreichen würde. Da man aber von vornherein nie sagen kann, ob nicht einmal die Verhältnisse dazu zwingen werden, unvorhergesehene Schülerzahlen in den Klassen zu führen …dürften 4 m Höhe zu rechtfertigen sein.

Wände und Decken … 1. Sie müssen schalldicht sein, 2. keinen Nachhall bilden, 3. leicht rein zu halten sein, 4. müssen sie Raum bieten für Einbauschränke für Klassenerfordernisse. … Kaseinfarben dürfen nicht verwendet werden, da das Bindemittel guter Nährboden für Bakterien und Schimmelpilze ist…

Der Fußboden … muss 1. besonders schall- und wärmeisolierend sein, 2. ist großer Beanspruchung ausgesetzt und 3. muss auch leicht zu pflegen sein. 4. Da ferner auf das massenhafte Vorhandensein von Keimen Rücksicht genommen werden muss, soll er glatt sein, jedoch nicht zu glatt, um das Ausgleiten zu verhindern. 5. Wenn möglich soll er an sich schon keimarm sein. Daher hat man Untersuchungen angestellt, wie lange sich Typhuskeime auf verschiedenen Böden halten. Es starben die Keime ab: bei Linoleum in 16 Stunden, … Tonfließen und Xylolith in 48 Stunden, ,,, Fichte in 120 Stunden. … Holz schneidet also am schlechtesten ab. Es hat aber auch noch andere Nachteile. Holz nützt sich verhältnismäßig rasch ab und schwindet auch, wodurch Fugen entstehen, in denen sich Staub und Keime halten. Haberda Schulhygiene (1952)

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Teppichböden in Schulen?

Eine der ersten Publikationen aus dem Bereich Umwelthygiene wurde im Jahr 1985 veröffentlicht

(Hentschel und Werner 1985). In den vorangegangenen Jahren waren in einigen Schulen in Frankfurt

Teppichböden verlegt worden. Als positiv waren die Erhöhung der Ästhetik, die bessere

Trittschalldämmung und die allgemeine Schalldämmung und -dämpfung, die Gleitsicherung und die

thermischen Eigenschaften eingestuft worden. Dem gegenüber standen nicht nur die höhere

Brandgefahr, sondern auch hygienische Bedenken. Eine gute und sachgerechte Reinigung in Schulen

wurde aus gesundheitsamtlicher Sicht für unabdingbar gehalten.

Eine erste systematische Untersuchung zur Hygiene in Schulen führte das Gesundheitsamt bereits im

Jahre 1983 durch, nachdem die Stadt aus Kostengründen beschlossen hatte, die Reinigungsfrequenz

in öffentlichen Gebäuden zu vermindern – es war von einer täglichen Teppichbodenreinigung auf 2-3x

wöchentlich übergegangen worden. Gründliche Reinigungen wie Sprühextraktionsverfahren fanden

nur noch selten statt. „Dies war in Verbindung mit verschiedenen Klagen von Lehrern, Schülern und

Eltern über ein angeblich vermehrtes Auftreten von Infektionen des Respirationstrakts Anlaß für eine

Untersuchung der Luftkeimzahlen und Staubbelastung an verschiedenen, überwiegend mit Teppich-

böden ausgestatteten Schulen“. Die Untersuchungen fanden in der Otto Hahn-Schule und der

Gesamtschule Griesheim statt. In beiden Schulen wurde eine raumlufttechnische Anlage betrieben.

Es wurden Stäube von Teppichböden und Luftproben auf den Gehalt an Keimen untersucht.

In der Otto-Hahn-Schule wurde zunächst die Schmutzbelastung durch Absaugen einer definierten

Fläche und Auswiegen des Staubsaugerbeutels bestimmt. Die Schmutzmengen waren in den stark

frequentierten Pausenräumen 10fach höher als in den Klassenräumen. Auch die Keimzahlen (KBE

koloniebildende Einheiten) pro Kubikmeter Luft – 10 cm über der Bodenoberfläche gesammelt - lagen

im Pausenraum 4-6fach höher als in den Klassenräumen. Diese konnten zwar durch die

Bodenreinigung deutlich reduziert werden, blieben aber im Pausenraum auch nach der Reinigung

deutlich über denen der Klassenräume (Abb. 80, links).

In der Gesamtschule Griesheim wurde ein anderes Luftsammelgerät eingesetzt und die Luftproben 30

cm über der Oberfläche von glatten Böden und von Teppichböden genommen. Die Messungen

wurden während des Unterrichts durchgeführt. Eine Besonderheit der Schule ist die „Wanne“, eine

teppichbelegte Vertiefung von etwa 50 cm innerhalb der Pausenhalle, die besonders gerne von den

Schülern aufgesucht wird. Die Messungen ergaben gegenüber der Außenluft eine Erhöhung der

Keimzahl während der Pause um etwa das 15fache in der Pausenhalle und um etwa das 30fache in

der „Wanne“. Außerhalb des Schulbetriebs wurden Keimzahlen erhalten, die teilweise unter denen der

Außenluft lagen. – Vergleichsmessungen in einer Schule, deren Pausenhalle mit Gumminoppenbelag

ausgestattet war, erbrachten eine erheblich geringere Erhöhung der Luftkeimzahlen während des

Pausenbetriebs gegenüber der mit Teppichbodenbelag ausgestatteten Halle.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

206

Abb. 80 Keimzahlmessungen in der Luft in zwei Schulen mit unterschiedlichen Bodenbelägen (links: Otto-Hahn-Schule, rechts Griesheimer Gesamtschule)

Die Schlussfolgerung des Amtes lautete:„ Die Verschlechterung der Luftqualität durch Teppichböden

in Eingangshallen und stark frequentierten Außenräumen ist nach den vorliegenden Untersuchungs-

ergebnissen augenfällig. … (es) muss ein signifikanter Zusammenhang zwischen Schmutzfracht und

Luftkeimzahl angenommen werden, was sicherlich analog für die Konzentration von Viren (Rhinitis

u.ä.) in der Raumluft vermutet werden kann. Nach unserer Auffassung ist es durchaus wahrscheinlich,

dass durch den festgestellten stark erhöhten Luftkeimgehalt in den Pausenräumen ein zusätzliches

Gefährdungspotential für Infektionskrankheiten des Respirationstrakts, insbesondere während der

Wintermonate, gegeben ist. Infolge dessen ist bei der Entscheidung, welche Bodenbeläge für die ver-

schiedenen Schulbereiche akzeptabel sind, eine Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile vorzu-

nehmen. Nach den hier dargestellten Untersuchungsergebnissen sind die positiven Auswirkungen wie

Lärmdämmung, Wärmeisolierung, Erhöhung des durch ästhetische Werte geprägten Wohnungsem-

pfindens durch Teppichböden in Fluren und Klassenräumen trotz verringerter Reinigungsfrequenz

immer noch höher zu bewerten als die hygienischen Nachteile. In den Pausenräumen und ähnlichen

Zonen überwiegen die hygienischen Nachteile jedoch so deutlich, dass hier eine strikte Ablehnung

von Teppichböden angemessen erscheint.“

Weitere Untersuchungen zur Frage Staubbelastung und Teppichböden in Frankfurter Schulen

Nach Beschwerden aus verschiedenen Schulen wurden 1995 weitere Untersuchungen zur Staubbela-

stung in Schulen vorgenommen. Im Zentrum standen wiederum die Bodenausstattung mit Teppich-

böden und eine möglicherweise dadurch verursachte Belastung der Raumluft mit Staub. Es wurde

eine aktive Probenahme über ca. 5 h vorgenommen in Anlehnung an VDI-Richtlinie 2436 Blatt 7

„Messen von Partikeln, Messen der Massenkonzentrationen (Immission), Filterverfahren,

Kleinfiltergerät GS 050“. Die Untersuchungen fanden im Mai 1995 statt; in dieser Zeit waren weder

Heizung noch RLT-Anlage in Betrieb. Die Ergebnisse waren nicht eindeutig zu interpretieren.

Teilweise lagen die Staubbelastungen in der Raumluft unter den Außenluftbelastungen, zumeist aber

darüber. Eine klare Abhängigkeit zur Ausstattung mit Teppichböden konnte nicht gezeigt werden, es

entstand im Gegenteil sogar der Eindruck, dass die besonders hohen Raumluftkonzentrationen bei

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Ausstattung mit Teppichböden gerade nicht gemessen wurden. Zu Diskutieren wäre hier eine gewisse

„staubbindende“ Wirkung der Teppichböden, die sedimentierten Staub „festhalten“, so dass dieser

weniger zur Wieder-Aufwirbelung zur Verfügung steht.

Tab. 84 Staubbelastungen in der Raumluft von Schulräumen mit unterschiedlichen Bodenbelägen im Vergleich mit der Außenluft (1995)

Schule Raum Staubkonz µg/m³ Raumnutzung Schüler Fußboden

Michael Grzimek Außenluft 16 Michael Grzimek Raum 29 34 Unterricht 24 Teppich, Nadelfilz Michael Grzimek Raum 306 36 Unterricht 20 Linoleum Michael Grzimek Raum 31 <nwg Unterricht 24 Teppich, Nadelfilz Michael Grzimek Raum 12 22 Unterricht 23 Linoleum Holzhausen Außenluft 46 Holzhausen Raum 11 46 Unterricht 28 Linoleum Holzhausen Raum 206 <nwg Unterricht 28 Linoleum Fritjof-Nansen Außenluft 38 Fritjof-Nansen Raum 3 18 Unterricht viel Papier Linoleum Fritjof-Nansen Raum 8 <nwg Unterricht viel Papier Linoleum Fritjof-Nansen Raum 6 91 Unterricht viel Papier Linoleum Fritjof-Nansen Raum 10 33 Unterricht 24 Teppich Fritjof-Nansen Raum 13 20 Unterricht 26 Teppich Fritjof-Nansen Raum 16 31 Unterricht 23 Teppich Gesundheitsamt Außenluft 26 Gesundheitsamt 5.OG <nwg Büro Linoleum

Raumlufthygienische Qualität der IPI-Bauten in Frankfurt

Ende der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre wurde in zahlreichen Schulen der Stadt Frankfurt am

Main zusätzlicher Raum benötigt. Zur Schaffung dieses Raumes wurden „IPI-Bauten“ aufgestellt,

benannt nach der Herstellerfirma aus Mailand. Diese hatten den Vorteil, dass sie schnell aufgebaut

werden konnten (Fertigteil-Bauweise), unabhängig von zentralen Heizungssystemen waren (Nacht-

speicherheizung) und als umsetzbar, d.h. de- und remontierbar galten.

Im Laufe der Standzeit dieser Gebäude erhöhten sich die Instandhaltungskosten und auch die

Betriebskosten stiegen aufgrund des hohen Energiebedarfs der Nachtspeicheröfen stark an. Hinzu

kamen Beschwerden der Lehrerinnen und Lehrer und der Schülerinnen und Schüler über das

Raumklima. Es wurde häufig über Augenreizungen, Übelkeit, Kopfschmerzen und Halsreizungen

geklagt. Um die Ursachen zu ermitteln, wurde eine umfassende Untersuchung der raumlufthygieni-

schen Situation durchgeführt. Die Ergebnisse der Begehungen sind in Tab. 85 dargestellt.

Grundsätzlich können Quellen von Luftverunreinigungen in Innenräumen der Mensch selbst (Abgabe

von Kohlendioxid, Geruchsstoffen, Viren, Bakterien) sein, aber auch Baumaterialien, Einrichtungs-

gegenstände, Renovierungsmaterialien, Reinigungsmittel, biozide Produkte aus raumlufttechnischen

Anlagen etc. Um die unterschiedlichen Emissionsquellen zu berücksichtigen, wurde folgendes

Untersuchungsprogramm aufgestellt:

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

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- Untersuchung der Ausstattung der Gebäude

- Überprüfung des Luft- und Trittschallschutzes

- Bestimmung des Tageslichtquotienten

- Bestimmung der CO2-Konzentrationen während einer Unterrichtseinheit

- Untersuchung der Innenraumluft auf mögliche Schadstoffbelastungen aufgrund von Baumaterialien

und möglichen Emissionen von Nachtspeicherheizungen.

Tab. 85 Begangene IPI-Schulen in Frankfurt am Main (1993) – Ausstattung der Schulen und Klagen der Schulgemeinde

Schulen Klassen-räume

Schüler/ Raum Bodenbelag Heizung

mögl. Lärmquellen Bemerkungen

Herder 15 25 Teppich NS Lüfter -

Zentgrafen 15 25 Teppich NS Lüfter im Sommer extrem heiß,Lehrer öfter krank

Wöhler 26 30 Teppich/PVC Gas/ NS KLT/Lüfter KLT-Anlage sehr laut Carlo-Mierendorf 20 20 Teppich NS Lüfter -

Ernst-Reuter II 57 25 Teppich/Noppen NS KLT/Lüfter

Sonnenschutz teilw. defekt, Augenreizung, trockene Luft

Albert-Griesinger 32 8 Teppich/Linoleum NS - bei Sturm hebt sich der Teppichboden

Erich-Kästner 8 24 Teppich/PVC/Stein NS - trockene Luft

Römerstadt 12 27 Teppich/Noppen NS - hohe Temp.schwan-kungen, trockene Luft

Heinrich-Kromer 7 24 Teppich/Noppen/SteinNS - Kerschensteiner 8 20 Teppich Zentral - - Liebig 11 25 Teppich NS Lüfter/Autobahn- Helmholtz 11 27 Teppich/Linoleum NS - - Franz-Böhm 49 39 Teppich/PVC NS Lüfter - Kita 109 12 17 Teppich/Linoleum NS - Augenreizungen Leibnitz 12 27 Teppich Zentral - -

Casino 16 15 Teppich NS -

Hals- u. Augenreizun-gen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konz-Schwäche

Karl-v.-Ibell 25 22 Teppich Ol-Zentral Lüfter - Friedr.-Dessauer 38 20 Linoleum/stein Zentral (S-Bahn) -

Fridtjof-Nansen 9 25 Teppich NS /Fernw. Lüfter

Kopfschmerzen, Übelkeit, zu heiß

Goldstein 8 27 Teppich NS

Fluglärm häufig Erkältungskrank-heiten, Geruch im Flur

Rödelheim 4 24 PVC NS Lüfter zu heiß Sommerhofpark 47 12 Teppich NS Lüfter - Martin-Buber 12 21 Teppich NS Lüfter trockene Luft, zu heiß

Grunelius 8 25 Teppich NS Lüfter

Kopfschmerzen, Erbre-chen, Augenreizungen, Einflugschneise

Käthe-Kollwitz 10 22 Teppich NS Lüfter zu heiß Henri-Dunant 9 22 Teppich Zentral Lüfter/Autobahn- Konrad-Haenisch 10 20 Teppich NS Lüfter -

In zwei Schulen, der Casino-Schule und der Helmholtz-Schule, wurden weitere Untersuchungen

durchgeführt. Im Ergebnis zeigte sich, dass in der Casino-Schule der Tageslichtquotient nicht

ausreicht und somit häufig mit künstlichem Licht, das ermüden und Kopfschmerzen verursachen kann,

gearbeitet werden musste. Die Untersuchungen auf Schadstoffe in der Raumluft waren sämtlich nicht

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

209

zu beanstanden. Auch die Kohlendioxidgehalte stiegen – nach gründlicher Pausenlüftung – innerhalb

einer Unterrichtsstunde nicht über den für technisch belüftete Räume festgelegten Richtwert von 1500

ppm an. Auch die anderen Stoffe, die aus Lösungsmitteln (BTX, Benzol, Toluol und Xylole) oder

Baumaterialien (zB PCB) oder aus Verbrennungsvorgängen von Stäuben (Staub und Restorganik)

kommen konnten, blieben im Bereich der Bewertungskriterien.

Auffällig war jedoch in beiden Schulen der mangelnde Schallschutz: In der Helmholtz-Schule (Lino-

leumboden) entsprachen weder die Luft- noch die Trittschalldämmung den Mindestanforderungen, in

der Casino-Schule (Teppichboden) war zumindest der Trittschallschutz eingehalten. Da diese

Messergebnisse aufgrund der identischen Bauweise aller IPI-Bauten auf alle genannten Schulen

übertragbar waren, war festzustellen, „dass die Isolierung der IPI-Bauten nicht ausreicht, um entspre-

chenden Schallschutz zu gewährleisten; es ist zu laut in den Schulen.“.

Tab. 86 Untersuchungen in zwei IPI-Schulen – Licht, Luft und Lärm (1991)

Maß Helmholtz-Schule

Casino-Schule

Bewertung

Licht Tageslichtquotient (%) 1,4-5,4

1,7-6,6 0,2-0,5 0,6-2,8 0,1-0,3 0,2-1,0 0,2-0,5

Mind. 1% überall

Luft Kohlendioxid ppm < 1500* < 1500* 1000 resp. 1500 ppm Formaldehyd µg/m³ 41,8 66,3 120 (BGA Richtwert 1977) PCB ng/m³ 40 580 3000 (BGA Orientierungswert 1991) Benzol µg/m³ 7,8 6,1 10 (Verordnungs-Entwurf AL, 1992) Toluol µg/m³ 20,9 47,1 400 (Sagunski et al, 1990) Xylole µg/m³ 20,9 13,9 400 (Sagunski et al, 1990) Staub und Restorganik µg/m³ 78,6 25,7 Schall Luftschalldämmung Trennwände Decken

R´w

R´w

34 34 51 51

33 35 47 48

Anforderungen der DIN 4109 47 47 55 55

Trittschalldämmung Decken R´w

R´w

65 65

54 51

Anforderungen der DIN 4109 53 (+10)

*Nach vorheriger gründl. Lüftung, keine Überschreitung innerhalb einer Stunde

Bei den Begehungen wurde immer wieder berichtet, dass durch die Nachtspeicheröfen ungünstige

Temperaturverhältnisse im Raum herrschten. Kinder, die in unmittelbarer Nähe der Öfen sitzen, seien

großer Hitze ausgesetzt. Darüber hinaus entstünden, auch ohne eingeschaltetes Gebläse, durch den

Betrieb der Öfen deutliche Luftgeschwindigkeiten im Raum, die als „Zugluft“ belästigend empfunden

würden. Dies wird noch durch die Doppelfenster mit nicht thermisch getrennten Aluminium-Rahmen

unterstützt, da bedingt durch die hohe Wärmeleitfähigkeit des Metalls bei entsprechenden Tempera-

turdifferenzen zwischen der Innen- und Außenluft sog. „Kältebrücken“ entstehen, die von den Raum-

nutzern als „Zugluft“ empfunden werden können, auch wenn die Fensterrahmen selbst keine Undich-

tigkeiten aufweisen. – Im Sommer hingegen wurde geklagt, wäre kein ausreichender passiver Wärme-

schutz möglich, da die Sonnenschutzvorrichtungen vieler IPI-Bauten unzureichend oder defekt wären.

Eine 1991 im Auftrag des Hochbauamtes durchgeführte Untersuchung ergab, dass die IPI-Bauten

zwar im Vergleich mit zeitgleich errichteten Gebäuden durchschnittliche Isolationseigenschaften

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

210

aufweisen, sie aber heutigen Anforderungen längst nicht mehr entsprechen. Besondere Schwach-

stellen sind die Wandelemente und die Doppelfenster mit nicht thermisch getrennten Aluminium-

Rahmen.

Zusammenfassend konnte die raumlufthygienische Qualität der IPI-Bauten als gut bezeichnet werden,

während die physikalischen Bedingungen (Licht, Schalldämmung, thermische Behaglichkeit) als

verbesserungsbedürftig eingestuft wurden. Auffallend ist, dass bei den häufigen Klagen über

Schleimhautreizungen (Augen, Hals, Nase) oder Kopfschmerzen, Müdigkeit etc. in der Regel

Luftschadstoffe vermutet werden. Unsere Untersuchungen haben zeigen können, dass die Luftqualität

bei guter Pausenlüftung durchaus nicht zu beanstanden ist, dass aber physikalische Faktoren das

Wohlbefinden im Raum deutlich beeinträchtigen können, seien es ungünstige Licht- und Lärm-

verhältnisse, die zu Ermüdung und Kopfschmerzen und Konzentrationseinbußen führen können oder

Zugerscheinungen durch ungünstige Heizungssysteme und Fensterausstattung, die Erkältungs-

symptome auslösen können.

Feinstaub und Kohlendioxid und der Einfluss der Reinigung und der Lüftung

Feinstaub

In den letzten Jahren wird auch in Frankfurt der Frage nach der Raumbelastung in Klassenräumen mit

Feinstaub intensiv nachgegangen, nachdem eine große Studie in Berliner Kindergärten gezeigt hatte,

dass die Feinstaubkonzentrationen dort mit 53µg/m³ in Konzentrationsbereichen wie in Raucher-

wohnungen (ca. 60µg/m³) und damit deutlich über den Belastungen in normalen Nichtraucher-

haushalten (ca. 30µg/m³) lagen1. Eine weitere größere Studie an 40 Berliner Schulen im Winter

2002/3 bestätigte diese Ergebnisse: Auch dort lagen die Feinstaubkonzentrationen im Median mit

59µg/m³ im gleichen Bereich wie in Raucherhaushalten Eine weiterführende Untersuchung in Berlin

hatte Hinweise erbracht, dass durch vermehrtes Reinigen und Lüften diese Innenraumbelastungen mit

Feinstaub vermindert werden konnten.

Vor diesem Hintergrund ließ die Stadt Frankfurt im Winter 2006 die Feinstaub- und Kohlendioxid-

belastung in jeweils 2 Klassenräumen von zwei Schulen untersuchen. Die Untersuchungen wurden

vom Stadtschulamt beauftragt (TÜV SÜD Industrie Service GmbH sowie vom SGS Institut Fresenius

GmbH, Taunusstein), die Planung und Aus- und Bewertung der Untersuchung führte das

Stadtgesundheitsamt durch. Drei Wochen lang wurden während des Unterrichts u.a. Feinstaub

(Gravitationsmethode, d.h. Sammeln über 6 h und Lasermessung mit Aufzeichnung der Messwerte in

Minutenabständen) und Kohlendioxid gemessen und parallel dazu die Anzahl der Personen im Raum,

deren Aktivitäten und die Lüftung in 5-min-Abständen dokumentiert. In der ersten Woche wurde wie

üblich gereinigt, d.h. 2x Feuchtreinigung pro Woche; in der 2. und 3. Woche wurde die Reinigungs-

frequenz auf 5x Feuchtreinigung pro Woche erhöht. In einer weiteren Schule wurde im Winter 2007

während 5x Feuchtreinigung/Woche die gleichen Analysen vorgenommen (s. S. 213).

1 Fromme H, Lahrz T, Hainsch A, Oddoy A, Piloty M, Ruden H. Elemental carbon and respirable particulate matter in the indoor air of apartments and nursery schools and ambient air in Berlin (Germany). Indoor Air. (2005) 155: 335-41. 2 Lahrz T, Piloty M: Innenraumluftqualität in Berliner Schulen – Feinstaub und adsorbierte Substanzen. Bericht im Auftrag des Landesamtes für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit, Berlin (LAGetSi), 2005 Lahrz T: Innenraumluftqualität in Berliner Schulen – Feinstaub und Adsorbierte Substanzen. In: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Aktuelle umweltmedizinische Probleme in Innenräumen, Teil 1. Band 13 der Schriftenreihe: Materialien zur Umweltmedizin. Erlangen, 2006, S. 88-113

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

211

In allen Schulen wurden hohe Feinstaubkonzentrationen festgestellt, mit erheblichen Differenzen an

verschiedenen Tagen, aber auch zwischen den Klassenräumen insgesamt (Tab. 87). Die höchsten

Werte traten im Klassenraum AB der Außenbereichsschule jeweils mittwochs in den ersten beiden

Wochen auf. Es wurden Maximalwerte von über 1000µg/m³ gefunden, verursacht durch Aktivitäten im

Raum, nämlich Kerzengießen. Im Klassenraum NB der Außenbereichsschule wurde in der dritten

Woche eine deutlich ansteigende Feinstaubbelastung in der Raumluft gefunden. In dieser Zeit

bastelten die Kinder mit Wolle. Generell waren die Feinstaubbelastungen in den Klassenräumen der

Innenstadtschule geringer als in der Außenbereichsschule und man erkennt auch eine Abnahme in

der zweiten Woche, die in der dritten Woche anhielt (Abb. 81).

Tab. 87 Untersuchungen zur Feinstaub- und Kohlendioxidbelastung in zwei Frankfurter Schulen (4 Klassen) im Winter 2006

Außenbereichsschule Innenstadtschule Klassenraum AB NB 1 2 Feinstaub (alle) x±sdev Median (Maximalwert)

90 ± 153 50 (1090)

61 ± 27 58 (175)

68 ± 45 60 (474)

58 ± 32 54 (234)

Normale Reinigung x±sdev Median (Maximalwert)

134 ± 213 58 (1090)

56 ± 22 51 (168)

87 ± 50 79 (286)

68 ± 35 62 (234)

Tägliche Reinigung x±sdev Median (Maximalwert)

67 ± 105 48 (1060)

64 ± 28 62 (175)

58 ± 39 53 (474)

53 ± 29 50 (197)

Personen n x±sdev Median (Maximalwert)

12,4±11,8

4 (32)

10,4±9,7

4 (26)

13,6±10,4

21 (25)

12,9±10,1

16 (24)

Lüftung*

x±sdev Median (Maximalwert)

0,4±1,2

0 (7)

0,5±1,5

0 (7)

2,2±1,7 1,5 (8,5)

2,3±1,6 2 (6,5)

Die detaillierten Tagesbeispiele zeigen, dass stets bei Anwesenheit der Kinder in der Klasse höhere

Feinstaubbelastungen gemessen wurden, die oft zum Ende der Schulstunde anstiegen und in den

Pausen – während sich die Kinder bewegten – weiter zunahmen, um während der Lüftung bzw. nach

Unterrichtsende langsam abzufallen (Abb. 82 jeweils links). Durch Lüftung auch nach Unterrichtsende,

d.h. in der leeren Klasse (nur der Probenehmer ist anwesend), nahm der Feinstaubgehalt in der

Raumluft stets nochmals rasch zu, offenbar bedingt durch Aufwirbelung (Abb. 82 jeweils rechts).

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

212

Abb. 81 Feinstaubkonzentrationen (PM 10) in den Klassenräumen über 3 Wochen

Außenbereichsschule AB und NB

737373737373737372737372737373N =

TAGE

3fr

3do

3mi

3di

3mo

2fr

2do

2mi

2di

2mo

1fr

1do

1mi

1di

1mo

ST

AU

B µ

g/m

3

1000

800

600

400

200

0

737373737371737373737573737373N =

TAGE

3fr

3do

3mi

3di

3mo

2fr

2do

2mi

2di

2mo

1fr

1do

1mi

1di

1moS

TA

UB

µg/

m3

200

150

100

50

0

Innenstadtschule Klasse 1 und 2

707370736766636339627162707360N =

ZEIT

3fr

3do

3mi

3di

3mo

2fr

2do

2mi

2di

2mo

1fr

1do

1mi

1di

1mo

ST

AU

B µ

g/m

3

260

240

220

200

180

160

140

120

100

80

60

40

200

737373737173737372737373737373N =

ZEIT

3fr

3do

3mi

3di

3mo

2fr

2do

2mi

2di

2mo

1fr

1do

1mi

1di

1mo

ST

AU

B

µg/m

3

260

240

220

200

180

160

140

120

100

80

60

40

200

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

213

Abb. 82 Feinstaubbelastung in zwei Klassenräumen – Tagesprofile in Abhängigkeit von der Anzahl der Personen im Raum und vom Lüftungsverhalten

Feinstaubbelastung im Klassenraum - 21.02.06

0,000

0,020

0,040

0,060

0,080

0,100

0,120

08:0

0

08:2

0

08:4

0

09:0

0

09:2

0

09:4

0

10:0

0

10:2

0

10:4

0

11:0

0

11:2

0

11:4

0

12:0

0

12:2

0

12:4

0

13:0

0

13:2

0

13:4

0

14:0

0

mg/m3

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100Staub

Personenzahl

Lüftung*10

Feinstaubbelastung im Klassenraum - 14.03.06

0,000

0,010

0,020

0,030

0,040

0,050

0,060

0,070

0,080

0,090

08:0

0

08:2

0

08:4

0

09:0

0

09:2

0

09:4

0

10:0

0

10:2

0

10:4

0

11:0

0

11:2

0

11:4

0

12:0

0

12:2

0

12:4

0

13:0

0

13:2

0

13:4

0

14:0

0

µg

/m3

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

Staub

Personenzahl

Lüftungsindex*10

Feinstaubbelastung im Klassenraum - 21.02.06

0,000

0,020

0,040

0,060

0,080

0,100

0,120

08:0

0

08:2

0

08:4

0

09:0

0

09:2

0

09:4

0

10:0

0

10:2

0

10:4

0

11:0

0

11:2

0

11:4

0

12:0

0

12:2

0

12:4

0

13:0

0

13:2

0

13:4

0

14:0

0

µg

/m3

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200Staub

Personenzahl

Lüftung*10

Feinstaubbelastung im Klassenraum - 14.03.06

0

0,01

0,02

0,03

0,04

0,05

0,06

0,07

0,08

0,09

0,1

08:0

0

08:2

0

08:4

0

09:0

0

09:2

0

09:4

0

10:0

0

10:2

0

10:4

0

11:0

0

11:2

0

11:4

0

12:0

0

12:2

0

12:4

0

13:0

0

13:2

0

13:4

0

14:0

0

mg/m3

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200Staub

Personenzahl

Lüftungsindex*10

Abb. 83 Feinstaubbelastung in Klassenräumen – während „DIN“-Reinigung (2x Feuchtreini-gung pro Woche) und verstärkter Reinigung (5x Feuchtreinigung pro Woche) – Wochenmittelwerte

In der statistischen Auswertung zeigten sich hochsignifikante Zusammenhänge zwischen der

Feinstaubbelastung im Klassenraum, der Anzahl der Personen im Raum und deren Aktivitäten sowie

zum Kohlendioxidgehalt (als Marker für die Anwesenheit von Personen im Raum), darüber hinaus

waren negative Zusammenhänge zwischen der Feinstaubbelastung und der Intensität der Reinigung

nachweisbar, allerdings – angesichts der anderen bedeutenderen Einflussfaktoren wie Personen im

Raum und Aktivitäten – nicht signifikant. In der Gesamtauswertung über Wochenmittel zeigte sich,

Feinstaubbelastung im Innenraum - "Innenraumanteil" nach Abzug der Außenluftbelastung

0

20

40

60

80

100

120

140

AB NB Innen1 Innen 2 Passiv 3 Passiv 4

µg/m

3

DIN

tägl.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

214

dass die Zusatzbelastung durch Schulbetrieb im Mittel ca. 30µg/m³ betrug, während sie vor der

intensivierten Reinigung im Mittel über 50µg/m³ lag (Abb. 83).

Die hier vorgestellten Daten zur Feinstaubbelastung in den Klassenräumen können als Hinweise

gewertet werden, dass die vermehrte Reinigung (wöchentlich 5x Feuchtwischen des Bodens und der

Oberflächen statt wöchentlich 2x) zu einer Verminderung der schul- und klassentypischen

Zusatzbelastung durch den Schulbetrieb und Unterricht führt. Daraus kann geschlossen werden, dass

durch konsequentes gründliches Feuchtreinigen die Feinstaubbelastung in Klassenräumen gut

vermindert werden kann. Durch Feuchtreinigen werden sedimentierte Feinstaubpartikel aus dem

Raum ausgetragen; sie stehen dann nicht mehr für eine erneute Aufwirbelung zur Verfügung. Dies

zeigen auch die Tagesverläufe in dem Klassenraum AB. Dort wurden mittwochs Kerzen gegossen,

erkennbar an den hohen Feinstaubbelastungen an allen drei Mittwochen. Nur in der ersten Woche

jedoch wurde auch donnerstags eine

höhere Feinstaubbelastung gesehen,

offenbar verursacht durch Wiederaufwirbe-

lung des am Vortag entstandenen und

sedimentierten Staubes. Bei täglicher

Feuchtreinigung in den beiden darauf

folgenden Wochen war dieser Staub durch

Reinigung bereits entfernt, d.h. die Fein-

staubbelastung für die Kinder war an den

Folgetagen niedriger.

Damit wird letztendlich Prausnitz bestätigt, der sich bereits vor mehr als 100 Jahren zum Umgang mit

Staub in Schulen geäußert hatte (s. Kästchen). Die Stadt Frankfurt reagierte auf diese Situation und

erhöhte die Reinigungsfrequenz in Klassenräumen ab Winter 2006 wieder auf 5maliges Feucht-

wischen pro Woche, im Sommer auf 3x Feuchtwischen pro Woche (s. S. 226).

Im Oktober 2006 führte das Stadtgesundheitsamt eine weitere Untersuchung zur Feinstaubbelastung

in Klassenräumen durch und analysierte die Partikelkonzentrationen mit dem APC Plus

Laserpartikelzähler von Biotest simultan (0,3-<0,5µm/m³, 0,5-<1µm/m³; 1-<5µm/m³ und 5-<20µm/m³)

– parallel wurden die anderen o.g. Parameter in 5min-Abständen erfasst und dokumentiert. Je kleiner

die Partikel, desto höher deren Konzentration in der Raumluft. Im Vergleich mit den „größeren“

Partikeln > 5µm lagen die Partikel mit 0,3-<0,5µm in ca. 100fach höherer, die Partikel 0,5-<1µm in ca.

20fach höherer und die Partikel 1-<5µm in ca. 8fach höherer Konzentration vor. Auch in der Außenluft

dominierten die sehr kleinen Partikel (0,3 -<0,5µm). Im Vergleich mit der Außenluft fanden sich in der

Raumluft deutlich weniger sehr kleine (0,3-<0,5µm), aber deutlich mehr größere Partikel (1-<5 und >

5µm).

Während die „größeren“ Partikel untereinander hohe positive Korrelationen aufwiesen, waren sie

negativ mit den sehr kleinen Partikeln (0,3-<0,5µm) korreliert. Die sehr kleinen Partikel wiesen eine

hochsignifikant positive Korrelation mit der Lüftung auf, sie waren signifikant negativ mit dem CO2-

Gehalt und der Anzahl der Personen im Raum korreliert. Demgegenüber waren die „größeren“

Partikel 1-<5µm und > 5µm hochsignifikant positiv mit der Anzahl der Personen im Raum, deren

Aktivitäten und der Kohlendioxidbelastung und hochsignifikant negativ mit zunehmender Lüftung

assoziiert. Partikel mit 0,5-<1µm nahmen eine Mittelstellung ein (Tab. 88). D.h. die Belastung mit

größeren Partikeln im Klassenraum war im Wesentlichen abhängig von Bedingungen im Innenraum

und konnte durch Lüften gut vermindert werden (Tab. 88).

„Es ist vielmehr notwendig, dass die Schulzimmer möglichst oft – am besten täglich – durch nasses Aufwischen von dem Staub und Schmutz gereinigt werden, welche die Schulkinder jeden Tag in das Schulzimmer hereinbringen. Dieser Schmutz und Staub bildet in trockenem Zustande bei der häufig lebhaften Bewegung der Schulkinder die hauptsächlichste Veranlassung zur Verunreinigung der Luft des Schulzimmers…“ Prausnitz, 1891

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215

Tab. 88 Anzahl von Partikeln unterschiedlicher Größe in der Außen- und Raumluft - Korrelatio-nen zwischen den Partikeln unterschiedlicher Größe in der Raumluft untereinander sowie zwischen diesen und dem Kohlendioxidgehalt und der Lüftung, der Anzahl und der Aktivität der Personen im Raum

Partikel 0,3-<0,5µm 0,5-<1µm 1 -<5µm > 5µm Konzentrationen und Verhältnis Außenluft n/l 100736 7992 2720 30 Raumluft n/l 44558 4572 3674 506 Raumluft/AL 0,4 0,6 1,3 17,0 Korrelationen 0,3-<05µm/l 1 0,5-< 1µm/l 0,388 ** 1 1- < 5µm/l -0,388* 0,556** 1 > 5µm/l -0,443** 0,394** 0,884** 1 Raumbedingungen: CO2 -0,457* 0,277** 0,545** 0,603** Lüftung 0,467** 0,197** -0,255** -0,300** Personen -0,229** -0,003 0,212** 0,359** Aktivität 0,009 0,095 0,196** 0,319**

Diese Daten bestätigten Untersuchungen aus Klassenräumen in Frankreich1, dort lagen die

Mittelwerte der Partikel 0,3-0,4µm bei 49 000/l (unsere Daten: 0,3-0,5µm 44000/l), der Partikel 1,6-

2µm bei 265/l (unsere Daten: 1-5µm 3654/l). Auch dort war das Verhältnis Außen-/Raumluft bei den

sehr kleinen Partikeln kleiner als 1 und nahm mit zunehmender Partikelgröße zu (> 1). Auch dort

wurde die positive Korrelation zwischen den größeren Partikeln und dem CO2-Gehalt (als Indikator für

die Belegung der Klasse) gefunden, nicht aber bei den kleineren Partikeln. In einer weiteren Studie

waren größere Partikel gut durch Lüftung zu entfernen, nicht die kleineren Partikel2 – ein mit unseren

Daten übereinstimmender Befund. In unserer Untersuchung war erkennbar, dass die kleineren

Partikel <0,5µm durch Lüften in die Klassen eingetragen werden, nicht die größeren Partikel.

Kohlendioxid

Bereits im 19.Jahrhundert, als Pettenkofer1 sich intensiv mit Fragen der Innenraumhygiene be-

schäftigte und zu erreichende Standards formulierte, standen Kohlendioxidkonzentrationen im

Zentrum des Interesses. Die „Pettenkoferzahl“ 1000 ppm Kohlendioxid bezeichnet den lufthygienisch

akzeptablen Bereich. Bei Überschreitungen sind eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens, Müdigkeit

und eingeschränkte Leistungsfähigkeit zu erwarten.

Diese Problematik hoher Kohlendioxidbelastungen in Klassenräumen besteht bis heute unvermindert

fort. So zeigen viele Untersuchungen, dass in Klassenräumen in der Regel sehr hohe Kohlendioxid-

konzentrationen bestehen: Medianwerte zwischen 1000 bis 1500 ppm sind publiziert - mit

Maximalwerten bis 10700 ppm. Da jeder Mensch pro Stunde bei sitzender Tätigkeit ca. 15-20 Liter

CO2 ausatmet, können diese Werte in Klassenräumen sehr rasch erreicht werden, wenn nicht

ausreichend gelüftet wird.

1 Blondeau P, Iordache V, Poupard O, Genin D, Allard F. Relationship between outdoor and indoor air quality in eight French schools. Indoor Air. (2005) 15: 2-12. 2 Chang TJ, Hsieh YF, Kao HM. Numerical investigation of airflow pattern and particulate matter transport in naturally ventilated multi-room buildings. Indoor Air. (2006) 16: 136-52. 1 Pettenkofer vW. Über den Luftwechsel in Wohngebäuden. Literarisch-artistische Anstalt der Cotta´schen Buchhandlungen, München 1858.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

216

“Ich bin auf das Lebendigste überzeugt, dass wir die Gesundheit unserer Jugend wesentlich stärken würden, wenn wir in den Schulhäusern, in denen sie durchschnittlich fast den fünften Theil des Tages verbringt, die Luft stets so gut und rein erhalten würden, dass ihr Kohlensäuregehalt nie über 1 pro mille anwachsen könnte“…. „der Kohlensäuregehalt alleine macht die Luftverderbnis nicht aus, wir benutzen ihn bloß als Maßstab, wonach wir auch noch auf den größeren und geringeren Gehalt an anderen Stoffen schließen, welche zur Menge der ausgeschiedenen Kohlensäure sich proportional verhält“ (Pettenkofer 1858). Ein halbes Jahrhundert später wurde festgestellt:

„Zahlreiche Untersuchungen der Schullokale verschiedener Orte auf Kohlensäuregehalt haben gelehrt, dass die Luftverunreinigung, an diesem Maße gemessen, in der Regel eine beträchtliche, mitunter eine sehr weitgehende ist, ja die Luft im Schulzimmer ist bereits vor Beginn des Unterrichts im Sinne des PETTENKOFER-schen Maximums als verdorben zu bezeichnen, wie solches z.B. von BOUBNOFF und IGNATIEFF in Moskau, G. BELLEI in Bologna zeigten: unzureichende Ventilation der Zimmer nach Schulschluß und vor Beginn des Unterrichts“ (Burgerstein und Netolitzky 1912).

Im Rahmen der bereits geschilderten

Untersuchungsreihe zur Feinstaubela-

stung in Klassenräumen (s. S. 210)

wurde auch der Kohlendioxidgehalt in

den Klassenräumen der zwei Schulen

über drei Wochen untersucht und der

Anzahl der Personen im Raum und

deren Lüftungsverhalten gegenüber-

gestellt. Während Anwesenheit der

Klassen im Raum lag die mittlere Koh-

lendioxidbelastung (Median) in drei

Klassenräumen über (an) dem Petten-

kofer-Wert und die Maximalwerte

lagen über 2000 ppm. In einer Grund-

schulklasse jedoch lag die mittlere

Belastung über 2500 ppm, mit einem

Maximalwert von 4850 ppm, d.h.

knapp unter dem MAK-Wert. Dies sind

Belastungen, die bei den Raumnutzern

zu Müdigkeit und Konzentrationsstö-

rungen führen müssen. In diesem

Klassenraum war nachweislich über

eine Woche kein Fenster geöffnet worden.

Tab. 89 Kohlendioxidbelastungen in zwei Klassenräumen über drei Unterrichtswochen – Ergebnisse bei Anwesenheit der Kinder

Schule A Schule B Messtage 20.-24.02. und 06.-

17.03.2006 20.-24.02. und 06.-

17.03.2006 Klassenräume K1 K2 K3 K4 Personen im Raum x ± sdev (max.) 23,8±4,9

(32) 20,0±3,3

(26) 21,2±4,5

(25) 19,9±4,5

(24) Ventilations-Index x ± sdev (max.) 0,14±0,49

(6) 0,42±1,13

(7) 2,12±1,55

(7,5) 2,43±0,97

(5) Messwerte Anzahl 541 539 642 680 Kohlendioxid (ppm) x ± sdev

Median Max.

2638±977 2620 4850

1278±527 1230 2890

1161±342 1100 2200

995±294 1000 2100

Abb. 84 zeigt die Belastungen an den einzelnen Tagen in den 4 Klassenräumen. In der dritten

Untersuchungswoche sollte vermehrt gelüftet werden, diese Vorgabe wurde nur in der

Außenbereichsschule umgesetzt (und auch da nur von den Institutsmitarbeitern, die die Messungen

durchführten, nicht von den Klassen selbst), nicht in der Innenstadtschule.

Dabei konnte an allen Tagen gezeigt werden, wie rasch und stark selbst eine kurze Querlüftung die

Kohlendioxidbelastung in den Klassenräumen mindern kann. Vor diesem Hintergrund wurde in der

Stadt Frankfurt – parallel zur Intensivierung der Reinigung ab Herbst 2006 – eine Lüftungsinitiative

gestartet und alle Kindereinrichtungen mit Flyern über die Notwendigkeit und Art und Weise einer

guten Pausenlüftung informiert.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

217

Abb. 84 Kohlendioxidkonzentrationen in den Klassenräumen über 3 Wochen - Außenbereichsschule AB und NB (oben) - Innenstadtschule Klasse 1 und 2 (unten)

737373737373737373737373737373N =

TAGE

3fr

3do

3mi

3di

3mo

2fr

2do

2mi

2di

2mo

1fr

1do

1mi

1di

1mo

CO

2 pp

m

5000

4500

4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

0737373737371737373737573737373N =

TAGE

3fr

3do

3mi

3di

3mo

2fr

2do

2mi

2di

2mo

1fr

1do

1mi

1di

1mo

CO

2 p

pm

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

0

707370736766636339627162707359N =

TAGE

3fr

3do

3mi

3di

3mo

2fr

2do

2mi

2di

2mo

1fr

1do

1mi

1di

1mo

CO

2 pp

m

2400

2200

2000

1800

1600

1400

1200

1000

800

600

400

200

0

737373737173737373737373737373N =

ZEIT

3fr

3do

3mi

3di

3mo

2fr

2do

2mi

2di

2mo

1fr

1do

1mi

1di

1mo

CO

2 p

pm

2400

2200

2000

1800

1600

1400

1200

1000

800

600

400

200

0

Abb. 85 Außenbereichsschule AB – Tagesbeispiele Kohlendioxidkonzentrationen – Anzahl der Personen im Raum – mit mangelhafter Lüftung (links) und verbesserter Lüftung (rechts)

Kohlendioxidbelastung im Klassenraum 21.02.06

0

1000

2000

3000

4000

5000

08:0

0

08:3

0

09:0

0

09:3

0

10:0

0

10:3

0

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0

11:3

0

12:0

0

12:3

0

13:0

0

13:3

0

14:0

0

0

50

100

150

200

CO2

Personenzahl

Lüf t ung*10

Kohlendioxidbelastung im Klassenraum 14.03.06

0

1000

2000

3000

4000

5000

08:0

0

08:3

0

09:0

0

09:3

0

10:0

0

10:3

0

11:0

0

11:3

0

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0

12:3

0

13:0

0

13:3

0

14:0

0

0

50

100

150

200CO2

Personenzahl

Lüf t ungsindex*10

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

218

Raumlufthygienische Probleme in Schulen – Bringen Passivhausschulen die Lösung?

Passivhäuser haben Konjunktur, insbesondere im Zusammenhang mit der Diskussion um Klimaschutz

und Energieeinsparung. Passivhaus-Qualität bedeutet, den Heizenergiebedarf eines Hauses auf 15

kWh/m² und Jahr (ca. 1,5 l Heizöl pro m² und Jahr) zu begrenzen sowie den Primärenergiebedarf für

Strom und Heizung unter 120 kWh/m² zu halten. Seit einigen Jahren wird das Passivhauskonzept

auch für den Schulbau propagiert. Dabei wird nicht nur mit Klimaschutz und Energievorteilen

argumentiert. Da eine maschinelle Grundlüftung mit guter Wärmerückgewinnung als unerlässlicher

Bestandteil für ein Passivhaus-Konzept gilt, wird darüber hinaus auf die bessere Raumluftqualität und

damit verbesserte Lern- und Lehrbedingungen in Passivhausschulen verwiesen.

In Frankfurt am Main wurde im Herbst 2004 die erste Passivhausschule eröffnet, die Riedbergschule,

zu Beginn des Schuljahres 2007/8 die zweite, die Grundschule Preungesheim. Die Lüftungsanlagen

sind als Zuluftsysteme mit Wärmerückgewinnung ohne Heizregister ausgelegt. Die Restbeheizung der

Räume erfolgt über einen kleinen Heizkörper pro Raum. Die Zuluft wird über einen Gegenstrom-

Kreuzstrom-Plattenwärmeaustauscher erwärmt und den Räumen ohne Nachheizung über Weitwurf-

schlitze zugeführt. Die Lufttemperatur bei Einblasung unter der Decke beträgt mindestens 16°C. Die

geringe Luftmenge garantiert die Aufheizung durch die Schüler. Der Luftwechsel pro Person beträgt in

der Riedbergschule ca. 15 m³/h, in der Preungesheimer Schule ist er auf 20 m³/Person im Raum

ausgelegt. Die Lüftungsanlagen werden nach einem Wochenprogramm durch eine Gebäudeleit-

technik (GLT) gesteuert. Bei Einstufung „Klassenzimmer belegt“ gibt das Zeitprogramm montags eine

Lüftung von 5 bis 13 Uhr, dienstags bis freitags von 7 bis 13 Uhr vor. Dabei dienen die Zeiten vor

Unterrichtsbeginn um 8 Uhr zum „Vorspülen“ der Räume nach Nacht- und Wochenendstunden ohne

Lüftung. Für Räume mit anderer Nutzung sind andere Lüftungszeiten in der GLT hinterlegt.

Da bislang keine größeren Datensätze zur Raumluftqualität von Passivhausschulen vorlagen, beauf-

tragte das Stadtschulamt das Institut Fresenius mit Untersuchungen, die Auswertung wurde vom

Stadtgesundheitsamt vorgenommen. In beiden Schulen wurden jeweils in zwei Klassenräumen über

eine ganze Unterrichtswoche von Montag bis Freitag zwischen 7:30 und 13:30 Uhr u.a. Messungen

des Kohlendioxidgehalts vorgenommen und in Abständen von 5 Minuten die Anzahl der Personen im

Raum, deren Aktivitäten und die Raumlüftung nach einem standardisierten Schema dokumentiert.

Erfasst wurden auch die Anzahl der Türen, Fenster und Oberlichter, die jeweils geöffnet, gekippt oder

geschlossen waren. Da diese Messungen nach dem identischen Konzept wie die in den konventionell

errichteten Schulen (s. S. 215) vorgenommen worden waren, konnten die Ergebnisse gut miteinander

verglichen werden. Die Untersuchung der bereits Ende 2004 in Teilen in Betrieb gegangenen

Passivhausschule Riedberg wurden vom 26.02.07 bis 02.03.07 durchgeführt, die der im Sommer

2007 in Betrieb genommenen Passivhausschule Preungesheim in der Zeit vom 03.03.08 bis 07.03.08.

Die hier vorgestellten Ergebnisse umfangreicher CO2-Messungen in zwei Passivhausschulen und

detaillierter Erfassung verschiedener Einflussparameter über insgesamt 20 Unterrichtstage im

Winterbetrieb, d.h. mit mechanischer Grundlüftung, im Vergleich mit 60 Unterrichtstagen in zwei

Schulen konventioneller Bauweise und ausschließlicher Lüftung über Fenster/Türen zeigen

vergleichbare mittlere Kohlendioxidbelastungen - wenn der Raum K1, in dem nachweislich über eine

Woche nicht über Fenster gelüftet wurde, als Ausreißer nicht berücksichtigt wurde. Sie stimmen in der

Tendenz auch mit anderen publizierten Daten aus konventionell errichteten Schulbauten überein. Der

DIN-Wert von 1500 ppm wurde in den Klassenräumen der Passivhausschulen an 14 von 20 Winter-

messtagen (70%) überschritten. Die im Rahmen der hier vorgestellten Untersuchungen gemessenen

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

219

Maximalwerte in den Klassenräumen der Passivhausschulen lagen aber deutlich niedriger als in den

konventionell gelüfteten Klassenräumen.

Abb. 86 Kohlendioxidgehalte in 4 Klassenräumen konventioneller Bauweise (K1-K4) und in 4 Klassenräumen in Passivhausbauweise (P1-P4) – Nur Messungen während der Anwesenheit der Klassen im Raum

Da die Raumluftqualität einerseits sehr von der Nutzung abhängt und andererseits aber auch gerade

im Hinblick auf die Nutzer und ihre Exposition von Bedeutung ist, wurden die erhobenen Messwerte

nicht nur auf die gesamte Messzeit unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Räume, sondern

auch auf die Messzeiten ausschließlich in Anwesenheit der Klassen bezogen. Bei beiden

Betrachtungen wurden in den Passivhausschulen signifikant niedrigere Kohlendioxidbelastungen

gefunden, die Unterschiede in der durchschnittlichen CO2-Konzentration betrugen – unabhängig von

der Belegung – ca. 350 ppm. Im Median jedoch ergaben sich insgesamt kein bzw. nur ein geringer

Unterschied bei Betrachtung der Klassen während des Unterrichts von ca. 80 ppm zugunsten der

Passivhausschulen – wobei in der Passivhausschule Preungesheim zusätzlich zur mechanischen

Grundlüftung eine Fensterlüftung in den Pausen vorgenommen worden war.

Die hier vorgestellten Messwerte wurden bei ordentlicher Funktion der Gebäudeleittechnik in den

Passivhausschulen erhalten. Allerdings mussten die geplanten Untersuchungszeiten in beiden

Schulen wegen Problemen in der Gebäudeleittechnik zunächst verschoben werden. Darüber hinaus

wurden im Rahmen einer anderen Untersuchung in der Passivhausschule Riedberg während Ausfalls

der Gebäudeleittechnik über Wochen sehr hohe Kohlendioxidkonzentrationen dokumentiert, mit

Maximalwerten durchweg über 2000 ppm1. Auch in der Passivhausschule Preungesheim hatte eine

orientierende Messserie im November 2007 mit einem Maximalwert deutlich über 2500 ppm CO2

teilweise Probleme mit der Gebäudeleittechnik gezeigt.

1 Feist W. Passivhausschule Frankfurt Riedberg. Messtechnische Untersuchung und Analyse. Juli 2007

193193188238681642539541N =

Klasse

P4P3P2P1K4K3K2K1

CO

2 p

pm

5000

4500

4000

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500

0

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

220

Abb. 87 Tagesbeispiel Kohlendioxidkonzentrationen in einer Passivhausschule – in Abhängigkeit von der Anzahl der Personen im Raum.

In beiden hier vorgestellten Passivhausschulen kam es über längere Zeit zu Problemen mit der

Gebäudeleittechnik und in Folge zu hohen Kohlendioxidbelastungen in den Klassenräumen. Daraus

folgt, dass die Raumnutzer unbedingt informiert werden müssen, dass bei Ausfall der Gebäudeleit-

technik ein ausreichender Luftaustausch ausschließlich über die Fenster erfolgen kann und eine

Fensterlüftung wie in der Sommerphase (ohne zusätzliche maschinelle Lüftung) zwingend erforderlich

wird.

Vor dem Hintergrund möglicher Störungen der Technik, insbesondere aber, da die Lüftung von

Passivhausschulen sich im Sommerbetrieb, d.h. ohne mechanische Lüftung, in keiner Weise von der

Lüftung in konventionell erbauten Schulen unterscheidet, ist auf eine ausreichende manuelle

Lüftungsmöglichkeit auch in Passivhausschulen zu achten. Es müssen ausreichende Fensterflächen

zum Öffnen vorhanden sein, um zu jeder Jahreszeit ein gutes Raumklima sicher zu ermöglichen. Die

Messergebnisse aus der Sommerphase mit ausschließlicher konventioneller Lüftung über Fenster,

Oberlichter und Türen zeigen, dass in den untersuchten Passivhausschulen nur dann eine

angemessene Raumluftqualität zu erreichen war, wenn die Fensterlüftung sich nicht nur auf die

Pausenzeiten beschränkte, sondern nahezu dauerhaft, d.h. auch während des Unterrichts, fortgesetzt

wurde.

Zusammengefasst ergeben sich aus den hier vorgestellten Untersuchungen folgende Schlussfol-

gerungen:

- Während der „Sommerphase“, d.h. ohne maschinelle Grundlüftung, muss in einer Passiv-

hausschule wie in Schulen konventioneller Bauweise eine ausreichende Raumluftqualität

durch Fensterlüftung sichergestellt werden. Das bedeutet: Es sind ausreichende Lüftungs-

möglichkeiten erforderlich, die über die Möglichkeiten der hier vorgestellten Schulen

hinausgehen. Die Schule muss über die notwendige Lüftung informiert sein. Das

Lüftungsregime sollte im Hygieneplan nach § 36 Infektionsschutzgesetz festgelegt und bei

den Begehungen der Gesundheitsämter angesprochen und überprüft werden.

- Während der „Winterphase“ wird in Passivhausschulen mit integrierter maschineller Grundl-

üftung mit Wärmerückgewinnung eine Basislüftung vorgehalten. Aus energetischen Gründen

wird in der Regel keine Gesamtlüftung vorgehalten. D.h. je nach dem gewählten Volumen-

Passivhausschule Klasse P1 - 26.02.07

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

07:3

0

07:5

5

08:2

0

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5

09:1

0

09:3

5

10:0

0

10:2

5

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0

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5

11:4

0

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5

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0

12:5

5

13:2

0

CO

2 p

pm

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100P

erson

enan

zahl; T

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eratur C

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ex*10

CO2

Temperatur

Personenzahl

Lüftungsindex*10

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

221

strom ist eine zusätzliche Pausenlüftung zwingend erforderlich, um eine gute Luftqualität im

Klassenraum sicherzustellen. Auch hierüber ist die Schule zu informieren und das gewählte

Lüftungsregime ist im Hygieneplan festzulegen.

- In der „Winterphase“ kann es zu Ausfällen der Gebäudeleittechnik und damit der maschinellen

Lüftung kommen; auch in diesem Fall muss die Möglichkeit einer ausreichenden manuellen

Lüftung bestehen (ausreichende Fensterflächen), die entsprechenden Informationen in der

Schule vorhanden sein und das Lüftungsverhalten festgelegt werden.

Ohne die Argumente der Energieeinsparung oder

des Klimaschutzes zu schmälern: Aus hygienischer,

präventivmedizinischer Sicht steht in Schulen

eindeutig die Frage des Raumklimas, der

Innenraumhygiene, d.h. die Gesundheit und das

Wohlbefinden der Raumnutzer im Zentrum des

Interesses. Die hier vorgestellten Untersuchungen

haben die seitens der Passivhaus-Vertreter

propagierten guten raumhygienischen Standards in

Passivhausschulen so nicht bestätigen können. Vor

diesem Hintergrund ist Zenger et al. (2003) zuzu-

stimmen: „Es ist ein erstrebenswertes Ziel, dass bei

der Planung, Auslegung und Sanierung von

Schulgebäuden neben den energetischen Aspekten

vermehrt auch lufthygienische Kriterien berück-

sichtigt werden.“ Pettenkofer und seine Forderungen

sind also nach wie vor aktuell, auch in

Passivhausschulen.

„Die Lüftungsfrage hat von jeher viele Fachleute beschäftigt und auch zahlreiche Lösungen gezeitigt, die allerdings selten befriedigt haben. … Die verschiedenartigen „Ventilationen“ … können nicht recht befriedigen. Die Kinder gehen zu unachtsam damit um…. Sie .. kommen der hohen Kosten für Anlage und Wartung wegen für Schulen nicht in Betracht, da für Schulen meist nur die allernötigsten Mittel zur Verfügung stehen“ (Haberda, 1952)

Grundsätzlich sollten – auch im Hinblick auf Lüftungsanlagen – „Neuentwicklungen besser abwartend und kritisch betrachtet werden, ehe sie für den Schulbau propagiert werden, ohne dass ihre Bewährung ausreichend unter beweis gestellt wird“ (Rüden, 1974).

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

222

Hygiene in Sanitäreinrichtungen von Schulen

Unzureichende Sanitärhygiene in

Schulen war schon vor mehr als 40

Jahren allgemein beklagt worden (s.

Kästchen). Diese Feststellungen haben

leider nichts an Aktualität verloren.

Klagen aus den Schulen über hygieni-

sche Missstände in Klassenräumen,

insbesondere aber in den Sanitäran-

lagen, sind auch in Frankfurt häufig.

Obwohl die Stadt hier hohe Investitionen

zur Sanierung und Renovierung der

Anlagen vornimmt, macht Vandalismus

oft aufwändige Sanierungsmaßnahmen

in kürzester Zeit wieder zunichte.

In Frankfurt wurden im Rahmen eines

wissenschaftlichen Projekts des Stadt-

schulamtes gemeinsam mit Vertretern

der Schulen verschiedene Lösungs-

wege entwickelt (Umweltlernen 2000).

Als Probleme waren benannt worden:

- Vandalismus

- ungeeignete Ausstattung (zu leicht defekt)

- mangelnde Hygiene und Reinigung

- soziale und altersspezifische Aspekte

Es wurden detaillierte Vorschläge zur Gestaltung von Schultoilettenanlagen erarbeitet. Als essentiell

wurde darüber hinaus auch die pädagogische Einbindung benannt:

- Beteiligung der Schulen an der Planung von Toilettensanierungen

- Renovierung/Gestaltung der Toiletten durch die Schüler selbst

- Toilettenpatenschaften

- Thematisierung von Vandalismus im Unterricht

- Hygiene als Unterrichtsthema, ggf. auch im Hinblick auf kulturelle Unterschiede in den einzelnen Herkunftsländern der Kinder.

Die weiter fortbestehenden Klagen von Schulgemeinden lassen jedoch den Eindruck gewinnen, dass

diese Vorschläge entweder wenig umgesetzt wurden bzw. keinen dauerhaften Erfolg zeigen. Die

Mitarbeiter des Stadtgesundheitsamtes führen bei Beschwerden zu hygienischen Missständen in

Sanitäreinrichtungen von Schulen und Kindereinrichtungen Begehungen durch und können diese in

aller Regel bestätigen.

Die Stadt selbst gibt viel Geld für die Instandhaltung/Sanierung/Renovierung der Sanitäranlagen aus

(2008: 800.000 €, 2009: 1 Million €), allerdings sind diese oft in sehr kurzer Zeit wieder in einem sehr

schlechten Zustand. Insofern ist der Schuldezernentin der Stadt, Frau Bürgermeisterin Ebeling,

„Es kann bei den heutigen Schulen mit oft großen Schülerzahlen davon ausgegangen werden, dass nur durch fortgesetzte Überwachung der angestrebte hygienische Zustand erreicht und gehalten werden kann. Von allen hygienischen und gesundheitsgefährdenden Folgen einer schlecht gepflegten oder unzureichenden Schultoilettenanlage einmal abgesehen, sollte die erzieherische Bedeutung einer modern ausgestatteten und hygienisch einwandfrei gearteten Schultoilette nicht ganz übersehen werden. …Gerade der Sanitärbereich in Schulen führt immer wieder zu Problemen. Dies insbesondere, wenn weder Schulleitung noch Lehrerschaft, noch Hausmeister sich darum kümmern und nicht ständig erzieherisch und beaufsichtigend tätig werden. Textilhandtuchrollen zum Trocknen der Hände müssen zu häufig ersetzt werden; Lufttrockner sind für den stoßweise anfallenden Gebrauch in den Schulpausen wenig geeignet. In der Praxis am besten bewährt haben sich Papier-Einzelhandtücher, vorausgesetzt es gelingt, die Schüler so zu belehren und zu diziplinieren, dass auch mit diesen Papierhandtüchern kein Unfug getrieben wird“ Grünes Gehirn, 1963

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

223

zuzustimmen, die kürzlich auch unter Hinweis auf die Verantwortung der Schulträger für Ausstattung,

Seife und Handtücher auf die Verantwortung der Schüler hingewiesen hat: „Wir brauchen Vereinba-

rungen in den Schulen über das Verhalten auf den Toiletten“.

Wasserhygiene in Schulen

Die Wasserversorgung in Schulen hat – aus Sicht der öffentlichen Gesundheit – viele Facetten: Als

Wasser zum Trinken (und zur Nahrungszubereitung), zur Händehygiene und zur Körperpflege nach

dem Sport.

Kinder sollen ermuntert werden, viel zu trinken. Die früher propagierten Trinkbrunnen, die ohne

direkten Kontakt des Trinkenden mit dem Wasserhahn bzw. ohne Nutzung von Bechern das Trinken

ermöglichten, indem das Wasser in einer Fontäne von unten oder von der Seite frei in den Mund floss,

sind aus der Mode gekommen. Der Vorteil dieser Trinkeinrichtungen lag darin, dass Keimübertra-

gungen durch Becher oder kontaminierte Hähne vermieden wurden. Heute ist es in vielen Grund-

schulklassen üblich, dass die Eltern Mineralwasser(kästen) in die Schule bringen und jedes Kind

seinen eigenen Trinkbecher hat. Größere Kinder bringen sich in der Regel Pausengetränke mit bzw.

versorgen sich im Schulkiosk mit Getränken – oft mit kalorienhaltigen Süßgetränken. Dies ist vor dem

Hintergrund des zunehmenden Anteils übergewichtiger und adipöser Kinder keinesfalls wünschens-

wert. Das Trinken von Wasser sollte gefördert werden. Unsere umfangreichen Untersuchungen zur

Qualität des Trinkwassers in Einrichtungen, die Wasser an die Öffentlichkeit abgeben“ (s. S. 16),

haben gezeigt, dass das Trinkwasser in den Schulen und Kindereinrichtungen einwandfrei ist und zum

Trinken unbedingt empfohlen werden kann.

Ggf. könnten auch die modernen Wasserzapfanlagen, die Trinkwasser kühlen und mit Kohlendioxid

versetzen, genutzt werden. Diese Geräte haben sich in vielen Einrichtungen, so auch in Kranken-

häusern, in den letzten Jahren zunehmend bewährt. Bei Sicherstellung einer regelmäßigen Wartung

der Geräte, der Aufbereitung der Trinkgefäße sowie der Überwachung vor Unfug und Vandalismus

sollten diese Geräte auch in Schulen aufgestellt werden können.

Tab. 90 Ergebnisse der Trinkwasseruntersuchungen in Schulen und Kindertagesstätten in Frankfurt am Main 2004/5

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

224

Die Bedeutung einer guten Händehygiene und entsprechender Wascheinrichtungen für die Schulen

und die Infektionsprävention in Schulen ist ebenfalls seit vielen Jahrzehnten bekannt und unbestritten

(Burgerstein und Netolitzky, 1912), und auch neuere Studien haben zeigen können, dass die Eta-

blierung einer guten Händehygiene in Schulen und Kindereinrichtungen das Infektionsrisiko an Atem-

wegs- und Magendarm-Erkrankungen günstig beeinflusst und Fehlzeiten durch diese Erkrankungen

teilweise signifikant reduziert. Verschiedene Programme wurden entwickelt, mit denen Kinder

spielerisch mit der Notwendigkeit des Händewaschens vertraut gemacht werden und dieses einüben

können (z.B. Hygienetipps für Kids). Die Situationen in den sanitären Einrichtungen der Schulen sind

aber oft unzureichend, ja teilweise unzumutbar. Die Klagen von Eltern, Schülern und Lehrern sind bei

Begehungen der Gesundheitsämter in aller Regel zu bestätigen. Vandalismus an Schulen macht oft

eine gute Händehygiene unmöglich (s. S. 222).

Aus hygienischer Sicht ist nach anstrengendem Schulsport Duschen zu empfehlen. Die in unseren

Untersuchungen erfassten Duschen von Schulturnhallen waren über viele Jahre jedoch in der

überwiegenden Mehrzahl wegen überhöhter Legionellenkontaminationen zu beanstanden. Gemäß

DVGW-Arbeitsblatt W 551 bestand in 60% der Hallen ein mittel- oder kurzfristiger Sanierungsbedarf

(1000-10.000 KBE/L und 10.000 bis 100.000 KBE/l), in etwa 10% der Hallen mussten die Duschen

wegen akuter Gesundheitsrisiken durch Legionellen kurzfristig bis zur Sanierung geschlossen werden

(> 100.000 KBE/L). Lediglich in 40% der Hallen waren die Legionellenkonzentrationen konstant unter

1000 KBE/L und damit im tolerablen Bereich. Die Sanierungsmaßnahmen bestehen in der Regel aus

Hocherhitzung und Spülung der Warmwasserversorgungsanlage sowie Reinigen und Entschlämmen

der Boiler und möglichst der Ertüchtigung des Systems durch Entfernen von Totleitungen und

Verbesserung der Warmwasserzirkulation. (vgl. Abb. 88).

Abb. 88 Legionellen in Warmwassersystemen von Schulturnhallen in Frankfurt (1997-2005)

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

225

Die DIN 18032 sieht für Turnhallen mit einer Übungseinheit 20 Duschen vor, mit 2 Übungseinheiten

30 Duschen und bei 3 Übungseinheiten 40 Duschen (DIN 18032). Die Erfahrung zeigt aber, dass die

Schülerinnen und Schüler und oft auch die Lehrer die Duschen praktisch nicht nutzen. Viele Duschen

in Schulturnhallen werden nur im Rahmen der abendlichen Vereinsnutzung genutzt. Eine Umfrage in

7 Frankfurter Schulen hat gezeigt, dass in den meisten Schulen zwischen 0,2 und 0,5 Liter

Warmwasser pro Schüler/Lehrer und Woche verbraucht werden, selten mehr. Die Maximalwerte lagen

in zwei Schulen bei ca. 4 l /Schüler bzw. Lehrer und Woche. D.h. die Schulduschen werden praktisch

nicht genutzt mit der Folge langer Stagnationszeiten und hoher Legionellenkontaminationen. Vor dem

Hintergrund der Gesundheitsrisiken hoher Legionellenkontaminationen im Duschwasser wurden

einerseits technische Verbesserungen am Trinkwasserleitungssystem gefordert mit optimaler

Zirkulation der Warmwassersysteme, ggf. dem Einsatz automatisch regelnder Zirkulationsarmaturen

und Einsatz von Gebäudeleittechnik (GLT) zur laufenden Prozesskontrolle, andererseits der Rückbau

zu groß dimensionierter Duschanlagen auf das

Ausmaß der tatsächlichen Benutzung und

Versorgung kleinerer Duscheinheiten mit dezen-

traler Warmwasseraufbereitung bzw. mit lokalen

Gasdurchlauferhitzern. Aus Sicht der Hygiene

sollte jedoch die bessere Nutzung der Duschen

nach dem Turnunterricht im Vordergrund

stehen. Dem wird – nicht erst seit heute – das

Argument mangelnder Zeit entgegengehalten

(s. Kästchen).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass heute bei einer guten zentralen Trinkwasserversorgung die

Wasserhygiene in Schulen prinzipiell kein Problem darstellen muss. Das den Schulen gelieferte

Trinkwasser ist in aller Regel einwandfrei und die technischen Möglichkeiten, auch mikrobiologisch

nicht zu beanstandendes Duschwasser zur Verfügung zu stellen, bestehen. Vor diesem Hintergrund

ist die bessere Nutzung von Trinkwasser in Schulen anzustreben: Trinkwasser (mit oder ohne

Kohlensäure versetzt) ist nicht nur das hygienisch bestkontrollierte Lebensmittel, es ist auch der ideale

und gesündeste Durstlöscher und gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Adipositasepidemie

von nicht zu überschätzendem krankheitspräventiven Wert. Wasser zum Händewaschen und zur

Körperpflege sollte auch in Schulen mehr propagiert und gefördert werden, nicht nur aus Gründen des

Wohlbefindens und der Hygiene, sondern auch vor dem Hintergrund des auch in neueren Untersu-

chungen nachgewiesenen infektionspräventiven Effekts.

„Die Kürze der Zeit bei überwiegend Einzelstunden gestattet es nicht, eine gründliche Reinigung vorzunehmen. Einerseits ist es traurig, wenn man als Leibeserzieher gezwungen ist, die Körperhygiene zu vernachlässigen, andererseits wäre es für die körperliche Gesundheit … von bestimmt noch größerem Übel, wenn man von den 2 kärglichen Wochenstunden noch Zeit für das Waschen abzweigte“ (Fuchs, 1969).

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

226

Schulreinigung

Die Bedeutung der Schulreinigung wurde bereits

seit den Anfängen der Schulhygiene im 19.

Jahrhundert sehr hoch eingestuft. In dem vor

über 50 Jahren erschienenen Buch von Haber-

da zur Schulhygiene ist dies weiterhin als sehr

hoch eingestuft (siehe Kästchen).

Wie in vielen anderen Städten auch wurden

Anfang der 1990er Jahre im Rahmen von

Sparmaßnahmen der Städte die Mittel für die

Schulreinigung reduziert und die Reinigung

vermindert. Angesichts vieler Klagen aus den

Schulen führte das Stadtgesundheitsamt 1995

eine Umfrage in anderen Großstädten durch.

Eine weitere Umfrage mit den identischen

Fragen wurde 2005 vorgenommen.

Es zeigte sich, dass in allen Kommunen die Reinigungsleistungen in den letzten Jahrzehnten mehr-

fach reduziert wurden und allenthalben über schlechte Reinigung in Schulen geklagt wird. Im Gegen-

satz zu der hohen Aufmerksamkeit, die einzelnen Stoffen wie z.B. Asbest oder PCB zuteil wird, wird

die Bedeutung einer guten Feuchtreinigung für die Innenraumluftqualität in der Regel unterschätzt.

Können doch durch gutes Feuchtreinigen mit dem sedimentierten Staub die daran anhaftenden

schwerflüchtigen Schadstoffe, aber auch Toxine und Allergene, erfolgreich entfernt werden.

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Feinstaubbelastung in der Außenluft wurden in den

letzten Jahren in verschiedenen Städten auch Untersuchungen zur Feinstaubbelastung in Kinder-

gärten und Schulen durchgeführt mit regelhaft deutlich höheren Belastungen im Klassenraum als in

der Außenluft (s. S. 210). Auch das Stadtschulamt Frankfurt hat hier in den Jahren 2006 bis 2008

mehrere größere Untersuchungsserien durchführen lassen; die Planung, Aus- und Bewertung hat das

Stadtgesundheitsamt übernommen (s. S. 210). Dabei wurden Hinweise erhalten, dass vermehrtes

Feuchtreinigen die Wiederaufwirbelung sedimentierten Staubes verhindert und so die Feinstaub-

belastung im Klassenraum reduzieren kann. Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Frankfurt ab Herbst

2006 die Reinigungsfrequenz in Klassenräumen wieder erhöht auf 3x/Woche im Sommer und

5x/Woche im Winter. Mit Beginn des Schuljahrs 2008/9 wurde die Reinigungsfrequenz sogar generell

auf tägliche Feuchtreinigung wieder erhöht. Nach unserer Kenntnis hat bislang ausschließlich

Frankfurt am Main Konsequenzen aus den Feinstaubuntersuchungen gezogen und die

Reinigungsfrequenz in Klassenräumen wieder erhöht (Zeitungszitate s.u.). Es bleibt zu hoffen, dass

auch die Bemühungen der Stadt nicht nur zur Erhöhung der Reinigungsfrequenz, sondern auch zur

Verbesserung der Reinigungsqualität generell erfolgreich sein werden.

„Die Reinigung der Schulräume ist eine der wichtig-sten Angelegenheiten der Schulhygiene, die leider in ihrer ganzen Tragweite selten erkannt wird und daher fast überall viel zu wünschen übrig lässt. Dass Staub ungesund ist, wird wohl von niemandem geleugnet … Es ist daher wichtig, dafür zu sorgen, dass in den Schulräumen möglichst wenig Staub vorhanden ist. Eine entsprechende Reinigung ist aber keine ganz einfache Sache. An Personal dazu wird meist mehr gespart als zuträglich ist … Unter keinen Umständen dürfen Kinder zu Reinigungsarbeiten herangezogen werden … Die Reinigungsarbeiten sollen nach einem gut überlegten Plan erfolgen, der schriftlich festzuhalten und dem Personal in die Hand zu geben oder an geeigneten Stellen anzuschlagen ist“. (Haberda 1951)

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Hygiene in Schulen

227

BILD Frankfurt 27.05.06

FAZ 01.06.06

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

228

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

Asbest und Mineralfasern

Kalker U: Das Problem asbesthaltiger Nachtspeicheröfen. Dt. Ärzteblatt (1992) 89: A1 1341-1342.

Kalker U: Bewertung der Gefährdung durch Elektrospeicheröfen mit Asbestbauteilen. Forum Städtehygiene (1992) 43: 141-143.

Kalker U: Asbest - welche Gefahr droht den Kindern? K E v Mühlendahl (Hrsg): Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch 1991/1992., aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Bosch Druck, Landshut, 1992. (S. 148-160).

Heudorf U: 09.02 Stäube. Teil 2: Asbest. in Beyer/Eis (Hrsg): Praktische Umweltmedizin, Folgelie-ferung November 1995, Springer Verlag 1995.

Heudorf U: Asbest. in: Böse-O`Reilly, Kammerer, Mersch-Sundermann, Wilhelm (Hrsg.): Leitfaden Umweltmedizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Urban und Fischer Verlag München. Jena (2001) 322-326.

Heudorf U: Künstliche Mineralfasern. Einschätzung der Gesundheitsgefahr für Kinder und Erwach-sene. Sozialpädiatrie (1994) 16: 101-108.

Polychlorierte Biphenyle und Dioxine

Heudorf U, Angerer J, Göen Th: PCB-Konzentrationen im Blut von Mitarbeiterinnen PCB-belasteter Kindertagesstätten, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin (1995) 30: 398-407

Heudorf U, Salzmann, Angerer J, Wittsiepe J: Biomonitoring auf Dioxine/Furane sowie auf poly-chlorierte Biphenyle bei stark erhöhten Raumluftbelastungen. Umweltmed Forsch Prax (1996) 1: 6-12.

Heudorf U, Salzmann: Erhöhte PCB-Belastung in der Raumluft in Schulen. Gefahr für Kinder und Lehrer? Internistische Praxis (1997) 37: 221-228.

Heudorf U, Salzmann N: PCB in Schulen. Welche Gefahr besteht für Schüler und Lehrer? – incl. Aktuelle Ergänzung. Kinderarzt und Umwelt. Dokumentationsstelle für Umweltfragen im Kindesalter. Jahresbericht 1996/98, S. 65-74.

Ewers U, Roßkamp E, Heudorf U, Mergner H-J: Zehn Jahre PCB-Richtlinie – Versuch einer Bilanz aus hygienischer und umweltmedizinisch-toxikologischer Sicht. Gesundheitswesen (2005) 67: 809-819

Stäube und Feinstaub

Hentschel W, Werner R. Teppichboden in Schulen und Raumluftqualität. Öff Gesundh.wes. (1985) 47: 116-119.

Heudorf U, Neitzert V, Spark J. Particulate matter and carbon dioxide in classrooms - The impact of cleaning and ventilation. Int J Hyg Environ Health. 2007 Dec 21 [Epub ahead of print]

Heudorf U: Feinstaubbelastungen in Schulen – Untersuchungsergebnisse und Lösungsansätze am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main. Das Gesundheitswesen (2008) 70: 231-238.

Verschiedenes – Wasserhygiene, allgemeine Hygiene, Raumluftqualität

Heudorf U: Hygienische Probleme und Anforderungen an eine gute Raumluftqualität in Schulen. In: Büsching U, Paulus P, Schirm H: Arzt und Schule, Handbuch. Hansisches Verlagskontor GmbH Lübeck, 2005.

Hentschel W, Voigt K, Heudorf U: Umsetzung der neuen Trinkwasserverordnung § 18: Überwachung von Hausinstallationen – Wasser für die Öffentlichkeit. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2006) 49:804-817.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Schulen und Kindergärten - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

229

Heudorf U: Hygiene in Schulen (k)eine Utopie. Hessische Ärzteblatt (2006) 67: 747-748. Nachdruck: Hygiene und Medizin (2006) 31: 472-3

Hentschel W, Heudorf U: Legionellen im Duschwasser von Frankfurter Schulturnhallen. Bericht 1997 bis 2005. Wasser Abwasser (2007) 148: 199-206.

Heudorf U: Bringt die Passivhausschule die Lösung der raumlufthygienischen Probleme in Schulen? Gesundheitswesen (2007) 69: 408-14.

Moriske HJ, Heudorf U. Innenraumhygiene – Situation in deutschen Schulen. Umweltmed Forsch Prax (2008) 13: 197-198.

Heudorf U, Hentschel W. Wasserhygiene in Schulen. Umweltmed Forsch Prax (2008) 13: 227-233.

Heudorf U. Raumlufthygienische Probleme in Schulen – Bringen Passivhausschulen die Lösung? Umweltmed Forsch Prax (2008) 13: 219-226.

Heudorf U, Exner M. Hygiene in Schulen – altbekannte Probleme nach wie vor aktuell. Bundesgesundheitsblatt (2008) im Druck

Page 241: 30 Jahre Umwelthygiene - frankfurt.de · die Erfolge der eingeleiteten Maßnahmen. So gehen heute in Frankfurter Einrichtungen kaum noch Gesundheitsgefahren von Legionellen in Warmwassersystemen

Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Allgemeines

230

Altenpflegeheime

Allgemeines

Die Lebenserwartung in der Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen. Zu Beginn

des Jahrhunderts lag der Anteil der über 60-Jährigen bei etwa 7% der Bevölkerung in Deutschland.

Heute beträgt er etwa 20%. Es wird geschätzt, dass im Jahre 2030 etwa 30% der Bevölkerung älter

als 60 Jahre sein werden.

Abb. 89 Anteil der Personen über 60 Jahren an der Gesamtbevölkerung in Deutschland (statistisches Bundesamt)

Der Anstieg ist bei den höheren Altersgruppen am stärksten: In Frankfurt am Main nahm

beispielsweise zwischen 1901 und 2006 die Bevölkerung insgesamt um 57% zu, der Anteil der

Menschen über 90 Jahre stieg im gleichen Zeitraum um 36295%. Diese Zunahme der über 90 Jahre

alten Bürger betraf insbesondere die Zeit nach 1950.

Tab. 91 und Abb. 90 Entwicklung der Gesamtbevölkerung in Frankfurt und des Anteils der über 90-Jährigen in der Stadt

Gesamtbevölkerung > 90 Jährige

Anzahl

Zunahme gegenüber

1910 (Prozent) Anzahl

Zunahme gegenüber

1910 (Prozent)

1910 414576 19

1925 467520 13 57 200

1950 532032 28 124 553

1996 652324 57 4457 23358

2006 651583 57 6915 36295

Angesichts steigender Lebenserwartungen nehmen auch chronische Erkrankungen in der – älter

gewordenen – Bevölkerung zu. Infolge dieser Vorerkrankungen und einer abnehmenden Immunkom-

petenz im Alter treten Infektionen eher und stärker auf. Darüber hinaus begünstigen die zunehmend

durchgeführten invasiven Maßnahmen (Harnwegskatheter, Ernährung mittels PEG-Sonde, Infusions-

therapien etc.) Infektionen.

In Frankfurt am Main gibt es derzeit ca. 4000 Plätze in 39 Alten- und Pflegeheimen. Die Anzahl der

Plätze hat sich in den letzten Jahren kaum geändert, wohl aber die Anforderungen an Pflege und

Behandlung der dortigen Bewohner, da immer mehr schwerstpflegebedürftige Menschen dort

aufgenommen und betreut werden. Etwa ein Drittel der stationär Gepflegten ist in Pflegestufe 1, ca.

Anteil der Personen über 60 Jahre in Deutschland

0

10

20

30

40

1850 1900 1950 2000 2050

Gesamtbevölkerung und >90-Jährige in Frankfurt 1910 bis 2006

0

100000

200000

300000

400000

500000

600000

700000

1910 1925 1950 1996 2006

An

zah

l

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000Gesamtbevölkerung

> 90 J

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Hygiene in Alten- und Pflegeheimen in Frankfurt am Main

231

45% in Pflegestufe 2 und ein Viertel in Pflegestufe 3 eingestuft. Diese Zahlen stimmen gut mit den

hessen- und bundesweiten Daten überein (Hess. Stat. Landesamt; stat. Bundesamt 2005). In den

letzten 10 Jahren wurden einige größere Heime in Frankfurt neu errichtet, in Anpassung an die gestie-

genen Bedürfnisse in der Wohnqualität, aber auch an die gestiegenen Anforderungen der Hygiene.

Während dies früher eine Seltenheit war, verfügen heute alle Heime über viele Einzelzimmer, sehr

viele mit Nasszelle. Auch die Anforderungen an das Personal haben zugenommen, wobei es ange-

sichts des Arbeitsmarktes und des Tarifgefüges für die Einrichtungen oft schwierig ist, ausgebildetes

Personal zu erhalten.

Tab. 92 Pflegeheime verfügbare Plätze für voll- und teilstationäre Pflege in Frankfurt am Main (statist. Jahrbuch 2006 und 2007)

1999 2001 2003 2005 n n n n

Pflegeheime 37 39 38 39 Verfügbare Plätze 3895 4056 4145 4154 vollstat. Pflege 3771 3942 4018 4038 teilstat. Pflege 124 114 127 116

incl. 2 bzw. 3 Heimen für Menschen mit Behinderung

Hygiene in Alten- und Pflegeheimen in Frankfurt am Main

Die Gesundheitsämter sind nach § 36 Infektionsschutzgesetz (zuvor § 48 Bundesseuchengesetz) zur

infektionshygienischen Überwachung der Altenpflegeheime verpflichtet. Nach § 9 Heimgesetz obliegt

die regelmäßige Überwachung der Heime den „zuständigen Behörden“. In den entsprechenden

Ausführungsverordnungen der Länder wurden in der Regel die Sozialministerien der Länder und die

Versorgungsämter als zuständige Behörde benannt, in Hessen sind es die Versorgungsämter.

Daraufhin wurden in Absprache zwischen dem Stadtgesundheitsamt und der Heimaufsicht die

Aufgabengebiete Heimaufsicht und seuchen- resp. infektionshygienische Überwachung voneinander

getrennt, um eine Doppelarbeit zu vermeiden. Das bot beiden Ämtern die Möglichkeit, ihre

Überwachung weiter zu intensivieren.

Das Amt für Versorgung und Soziales ist für die Überwachung im Sinne § 9 Heimgesetz zuständig,

es überwacht pflegerische Tätigkeiten durch:

Befragung von Bewohnern, Begutachtung (Decubiti etc.)

Einsicht in Dokumentationen, Patientenunterlagen

Überprüfung der Medikamentenschränke incl. Betäubungsmittelbuch

Das Gesundheitsamt ist für die Überwachung im Sinne § 48 a Bundesseuchengesetz zuständig, es

überwacht infektions- und seuchenrelevante Tätigkeiten und Maßnahmen:

Küchenhygiene (nach Absprache mit dem Veterinäramt)

Reinigungs- und Desinfektionspläne (Desinfektion und Sterilisation, Hygieneausstattung im

Pflegebereich, Sanitärräumen, Leichenraum)

Hygieneplan (sämtliche hygienerelevanten Tätigkeiten, Händedesinfektion, Umgang mit

Harnwegskathetern, Instrumentenaufbereitung etc.)

Allgemeine Sauberkeit

Wäscheangelegenheiten, Schutzkleidungsfragen

Wasserversorgung (z.B. Legionellen)

Abfallangelegenheiten

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Hygiene in Alten- und Pflegeheimen in Frankfurt am Main

232

Die Altenpflegeheime in Frankfurt werden seit 1989 durch das Gesundheitsamt regelmäßig einmal pro

Jahr durch Mitarbeiter des Gesundheitsamtes begangen. Der Schwerpunkt der Überwachung des

Gesundheitsamtes wird auf die im engeren Sinne hygienerelevanten Belange gelegt. Mittels Check-

listen werden die Möglichkeiten der Desinfektion und Sterilisation sowie die entsprechenden

Kenntnisse der Mitarbeiter kontrolliert sowie die Schutzkleidung des Personals und die Wäsche-

hygiene allgemein. Hygienepläne werden auf der Grundlage des UVV-Gesundheitsdienstes ab 1996

generell gefordert (Abb. 91).

Seit Beginn stand auch die Überwachung der Küchen- und Lebensmittelhygiene im Mittelpunkt der

Begehungen. Generell wurde das Vorhandensein von Gesundheitsausweisen der Mitarbeiter, die

allgemeine Sauberkeit, die korrekte Anwendung von Desinfektionsmitteln, die Aufbewahrung von

Rückstellproben etc. überprüft und auf neue Gesetzesentwicklungen wie z. B. Hühnereiverordnung

und HACCP hingewiesen. Über einen Reinigungs- und Desinfektionsplan hinaus wurde dann auch ein

Hygieneplan gefordert und auf die erforderlichen Hygieneschulungen der Mitarbeiter hingewiesen

(Abb. 92).

Die Zusammenschau der über die ersten 10 Jahre von 1989–1998 festgestellten Situationen ist in der

Abb. 91 und Abb. 92 dargestellt. Insgesamt war eine positive Entwicklung zu verzeichnen, auch wenn

weiterhin ein Verbesserungsbedarf besteht. Im Bewohnerbereich hatten bis Ende 1998 alle Heime

Reinigungs- und Desinfektionspläne und in mehr als der Hälfte der Heime waren Hygienepläne

erstellt. Kenntnisse über Desinfektionsmaßnahmen beim Pflegepersonal konnten in den letzten

Jahren gesteigert werden, was nicht zuletzt als ein Erfolg der wiederholt geforderten und zunehmend

durchgeführten Hygieneschulungen für das Personal gesehen werden kann. - Im Küchen- und

Lebensmittelbereich wurde eine korrekte Rückstellung von Lebensmittelproben, ab 1995 in gut der

Hälfte, bis 1998 in nahezu allen Küchen vorgefunden. Bis 1998 hatten auch die meisten Heimküchen

Reinigungs- und Desinfektionspläne erstellt, aber erst in etwa einem Drittel der Heimküchen fanden

sich die vom Gesundheitsamt seit 1996 auf der Grundlage des UVV-Gesundheitsdienstes geforderten

Hygienepläne.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Das APH-Ranking – seit 2004

233

Küche: Hygieneplan

0

5

10

15

20

25

30

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr

An

zah

l

ja

i.Arb

Küche: Rückstellproben

0

5

10

15

20

25

30

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr

An

zah

l

ja / richtig

falsch

Wäscherei - Zertifikat

0

5

10

15

20

25

30

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr

An

zah

l

Fremdwäsche

zertifikat

Abb. 91 Ergebnisse der Hygieneüberwachung in Altenpflegeheimen 1989-1999–Bewohnerbereiche

Abb. 92 Ergebnisse der Hygieneüberwachung in Altenpflegeheimen 1989-1999– Küchenbereiche und Wäsche

Bewohnerbereich - Reinigungs- und Desinfektionsplan

0

5

10

15

20

25

30

35

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr

An

zah

l

vorhanden

in Revision

verlangt

Kenntnisse über Desinfektionsmaßnahmen

0

5

10

15

20

25

30

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr

An

zah

l

vorhanden

mangelhaft

Hygiene-Schulungen

0

5

10

15

20

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30

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98

Jahr

An

zah

l

ja

empf

Küche: Reinigungs- und Desinfektionsplan

0

5

10

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20

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35

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr

An

zah

l

ja

i.Arb

Bewohnerbereich - Hygieneplan

0

5

10

15

20

25

30

89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

Jahr

An

zah

l

vorhanden

in Revision

verlangt

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Das APH-Ranking – seit 2004

234

Das APH-Ranking – seit 2004

Im Rahmen der stetigen abteilungsinternen Diskussionen zur Verbesserung der Hygieneberatung und

-überwachung der Altenpflegeheime wurde das so genannte Hygiene-Ranking entwickelt, das seit

2004 flächendeckend eingesetzt wird. Es bestand der Wunsch, die Resultate der Überwachung in

einer einfach verständlichen und schnell überschaubaren Weise zu aggregieren, ohne dabei die

gebotene fachliche Differenzierung außer Acht zu lassen (externe Qualitätssicherung). Das Design

des APH-Rankings ermöglicht zum einen den direkten Vergleich der in den einzelnen Frankfurter

Altenpflegeheimen in den jeweiligen Hygienebereichen erzielten Leistungen, zum anderen kann durch

die Gewichtung und die daraus ermittelte Gesamtbewertung ein schneller und umfassender Überblick

über die gesamte hygienische „Leistung“ gewonnen werden.

Die Beurteilung der Hygiene in Altenpflegeheimen erfolgt nach Überprüfungen in insgesamt 7 auf die

Hygiene bezogenen Prüfbereichen mit über 60 Einzelfeststellungen, die im Anhang aufgeführt wer-

den. Da die verschiedenen Fachbereiche eine unterschiedliche konkrete hygienische Bedeutung

haben, wurden Bewertungsfaktoren vergeben und letztlich auf dieser Basis eine gewichtete Gesamt-

beurteilung erstellt. So gehen z.B. die baulichen und organisatorischen Voraussetzungen mit maximal

je 5% in die Gesamtwertung ein, während dessen die aktuelle Hygiene mit 30% eingeht. So soll

erreicht werden, dass die konkrete Hygienepraxis bei der Bewertung einen Vorrang vor der Bewertung

sekundärer Hygieneparameter erhält, ohne diese jedoch zu vernachlässigen. Die Gewichtungsfakto-

ren sind innerhalb des Stadtgesundheitsamtes nach ausführlicher Fachdiskussion festgesetzt worden.

Tab. 93 Im Rahmen des APH-Rankings berücksichtigte Prüfbereiche und zugehörige Gewichtungsfaktoren

Bereich % Faktor Bauliche Voraussetzungen 5 1 Organisatorische Voraussetzungen 5 1 Fort- und Weiterbildung 10 2 Aktuelle Hygiene 30 6 Wiederholt auftretende Mängel 10 2 Küchenhygiene 20 4 Trinkwasserhygiene 20 4

Gute bauliche Voraussetzungen können sich begünstigend auf die konkrete Hygienepraxis auswirken.

Doch auch bei Vorliegen suboptimaler baulicher Voraussetzungen ist eine gute Hygienepraxis

möglich, sofern diese durch besonderes Engagement der Mitarbeiter kompensiert werden. Unter

„organisatorischen Voraussetzungen“ werden Hygienestrukturen insgesamt erfasst. Auch wenn eine

Hygienekommission oder Hygienebeauftragte - im Gegensatz zum Hygieneplan - derzeit in

Altenpflegeheimen nicht gesetzlich gefordert werden, sind diese aus unserer Sicht aber durchaus

sinnvoll für die Hygienepraxis, ebenso wie regelmäßige Fort- und Weiterbildungen des Personals. Die

Küchenhygiene in den Frankfurter Alten- und Pflegeheimen wird weiterhin- wie schon seit vielen

Jahren - nach erprobten Checklisten durch das Stadtgesundheitsamt intensiv überprüft. Ausgehend

von der Folgerung, dass ein Hygieneregime eines Hauses dann wahrscheinlich als wenig effizient

anzusehen ist, wenn bei den jährlichen Kontrollen immer wieder die gleichen Beanstandungen

festgestellt werden, wurde der Prüfpunkt der wiederholt auftretenden Mängel geschaffen. Sind

wiederholt auftretende Mängel festzustellen, werden entsprechend der Relevanz des Mangels oder

der Mängel Punktabzüge vorgenommen. Die „Aktuelle Hygiene“ ist der relevanteste Bereich der

Bewertung. Er besteht aus 31 Detailfragen sowie aus dem subjektiv zu bewertenden Punkt

„Allgemeiner Eindruck/Sauberkeit“. Die Trinkwasserhygiene wird nach der Trinkwasserverordnung

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Das APH-Ranking – seit 2004

235

beurteilt und berücksichtigt „Legionellenstatus“, „mikrobiologische Parameterüberschreitungen“ und

„chemische Parameterüberschreitungen“.

In jedem der 7 Prüfbereiche kann ein Haus maximal 100 Punkte erreichen. Auf diese Weise lassen

sich die Ergebnisse der verschiedenen Häuser in den einzelnen Bereichen ohne weiters leicht

vergleichen. Hierzu werden die jeweils erreichten Punkte in Beurteilungsnoten gemäß des üblichen

Schulnotensystems (Noten von 1-6 mit Zwischennoten „+“ und „-“) umgesetzt. Zur Ermittlung der

Gesamtbewertung werden die erreichten Punktzahlen der einzelnen Bereiche mit den entsprechen-

den Gewichtungsfaktoren multipliziert, addiert und ebenfalls benotet. Die hierfür eingesetzte EDV-

Lösung ist im Stadtgesundheitsamt selbst erstellt worden und bietet neben der automatischen

Ermittlung der Bewertungen auch die Möglichkeit, die gewünschten Berichte in kurzer Zeit auszu-

drucken. Dieses umfasst neben dem Statusbericht eines einzelnen Heimes (Abb. 93) auch den Quer-

vergleich der in den einzelnen Prüfbereichen erzielten Leistungen aller überprüften Heime (Abb. 94)

sowie die Ergebnisse in den einzelnen Prüfbereichen eines Heimes über mehrere Jahre (Abb. 95).

Abb. 93 Statusbericht eines Heimes (Beispiel)

Die einzelnen Alten- und Pflegeheime erhalten nach Jahresende einen Ausdruck, aus dem sie ihren

im zurückliegenden Jahr erreichten Hygienestatus im Vergleich zum Durchschnitt in Frankfurt am

Main ersehen können. Kein Alten- und Pflegeheim erfährt Einzelwerte oder die Gesamtnote eines

anderen Hauses. Die Abweichungen vom Mittelwert werden verbalisiert ausgedrückt (z.B. „liegt im

Durchschnitt“ oder „besser als der Durchschnitt“), was sie leichter verständlich macht (siehe Abb. 93).

Die Auswertung der Daten aus den Jahren 2004 bis 2007 zeigt, dass insgesamt eine leichte

Verbesserung in allen Bereichen zu verzeichnen war, wobei die Unterschiede in den Bereichen

Organisation und in der Gesamtpunktzahl sowie in der Gesamtnote signifikant waren (Tab. 94 und

Abb. 96). Dies ist leicht nachvollziehbar, da gerade im Bereich Organisation Veränderungen oft

leichter möglich sind als in Baulichkeiten. Inzwischen haben die Heime insbesondere ihre

Hygienepläne überarbeitet und erforderlichenfalls ergänzt.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Das APH-Ranking – seit 2004

236

Abb. 94 Quervergleichsmöglichkeit der einzelnen Fachthematiken

Abb. 95 Hygienequalität eines Heimes über mehrere Jahre

Das Konzept hat sich nun bereits seit einigen Jahren bewährt; das Konzept selbst und erste Ergeb-

nisse wurden in einer fachwissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht. Der Initiator des Hygiene-

Rankings, Herr Hentschel, erhielt hierfür im Jahre 2008 den Stiftungspreis der Krankenhaus-Hygiene-

Kongress-Stiftung (KHK-Stiftungspreis) im Rahmen des wissenschaftlichen Jahreskongresses der

Ärzte und Ärztinnen des öffentlichen Gesundheitswesens in Braunschweig.

Tab. 94 Ergebnisse des Hygienerankings in den Altenpflegeheimen in Franfurt – 2002 bis 2008

n

Baulich-funktionell

Organisa-torisch

Fort-bildung

Aktuelle Hygiene

Redun-danz

Küchen-hygiene

Trink-wasser-hygiene

2002 13 78,3 56,0 73,7 76,4 79,6 77,4 96,22003 20 79,0 54,8 65,2 76,9 71,3 70,1 81,02004 32 82,2 56,7 67,2 81,9 72,4 74,8 76,42005 33 86,0 73,2 68,2 81,7 79,6 78,9 82,22006 36 87,8 78,8 72,2 88,6 81,0 79,8 87,12007 37 89,3 79,6 82,6 90,1 83,9 87,6 82,92008 23 80,0 69,0 74,4 80,8 70,8 71,7 53,8

Insgesamt 206 83,9 68,2 72,6 83,2 77,4 78,1 80,8

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Das APH-Ranking – seit 2004

237

Ergebnisse des Hygiene-Ranking in Altenpflegeheimen Frankfurt/M 2002-2007

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Baulich-funktionell

Organisa-torisch

Fort-bildung AktuelleHygiene

Redundanz Küchen-hygiene

Trinkwasser-hygiene

Pro

zen

t

2002

2003

2004

2005

2006

2007

Abb. 96 Ergebnisse des Hygienerankings in den Altenpflegeheimen in Franfurt – 2002 bis 2007

Seit Jahren bietet das Gesundheitsamt Fortbildungen zu Hygienethemen in Altenpflegeheimen

an. Praktisch alle Heime haben eine Fortbildungseinheit zur Händehygiene und Händedesinfektion

erhalten, in welcher über einen Vortrag hinaus auch die korrekte Händedesinfektion mit einem

fluoreszierenden Händedesinfektionsmittel geübt wird. Bereits im Jahre 2000 wurden in allen

Altenpflegeheimen größere Fortbildungen zur Frage MRSA (s. S. 238) veranstaltet. Darüber hinaus

werden kurzfristig bei Bedarf auch kleine Gruppen anhand konkreter Problemfälle informiert, z.B. zum

Umgang mit gerade einem auf dem Wohnbereich neu aufgenommenen MRSA-besiedelten Bewohner

oder zum Umgang mit Krätze oder mit Noroviren etc.

Ziel sowohl der infektionshygienischen Überwachungen als auch der Fortbildungen ist es,

übertragbare Erkrankungen bei Bewohnern von Altenpflegeheimen vorzubeugen. Gerade in Heimen

mit alten und kranken Menschen können beispielsweise lebensmittelbedingte Infektionen besonders

rasch auftreten und sich ausbreiten. In Alten- und Pflegeheimen treten überproportional häufig

Ausbrüche von infektiösen Magen-Darm-Erkrankungen auf. Salmonellen haben, wenn sie in Alten-

und Pflegeheimen auftreten, eine besonders hohe Todesrate von 3,7%.17 Aber auch Todesfälle an

EHEC (Entero-hämorrhagische Escherischia coli – Infektionen) sind überproportional häufig18. Dies

unterstreicht die Notwendigkeit bester Lebensmittelhygiene in den Heimen.

Aber auch die allgemeine Hygiene auf den Bewohnerbereichen, die Händehygiene, Hygiene beim

Pflegen und die Wäschehygiene sind wichtig, nicht nur um z.B. rasch durch Schmierinfektionen oder

Kontaktinfektionen übertragbare Erkrankungen vorzubeugen (z.B. Noroviren oder auch Krätze). Als

besonders unangenehm wird von den Heimen das Krätzeproblem (Skabies) erlebt. Häufig wird die

Erkrankung eines Patienten an Skabies erst dann diagnostiziert, wenn bereits weitere Patienten

und/oder Mitarbeiter infiziert sind. Eine Skabiesepidemie hat dann umfangreiche hygienische und

therapeutische Maßnahmen zur Folge und der Erfolg lässt oft auf sich warten. Durch Einhaltung einer

optimalen Hände- und Wäschehygiene sowie einer guten Hygiene bei pflegerischen Tätigkeiten, die

mit Schutzkittel durchgeführt werden sollen, kann das Risiko der Weiterverbreitung einer Erkrankung

deutlich vermindert werden. Gerade unter Hinweis auf diese Erkrankung konnten Mitarbeiter zum

17 Ryan MJ, Wall PG, Adak GK, Evans HS, Cowden JM. Outbreaks of infectious intestinal disease in residential institutions in England and Wales 1992–1994. J Inf 1997; 34: 49–54 18 Evans HS, Madden P, Douglas C, Adak GK, O‘Brien SJ, Djuretic T, Wall PG, Stanwell-Smith R. General outbreaks of infectious intestinal disease in England and Wales: 1995 and 1996. Commun Dis Publ Health 1998; 1: 165–171

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

238

Tragen von durch das Haus gestellter Dienstkleidung sowie von Schutzkleidung bei allen pflegeri-

schen Tätigkeiten sowie zur besseren Händehygiene und häufigerer Händedesinfektion bewegt

werden.

Die Überwachung (und Förderung) der Hygiene in Alten- und Pflegeheimen ist eine wichtige,

gesetzlich festgelegte Aufgabe des ÖGD. Ziel muss eine bestmögliche Hygiene und Infektions-

prävention für die Bewohner in Alten- und Pflegeheimen sein – wobei nicht vergessen werden darf,

dass das Altenheim die Wohnung, der Lebensraum für die Bewohner, ein Heim, eine Heimat ist, wo

sie sich wohl fühlen und gerne leben sollen: „Beim Infektionskontrollprogramm ist vor allem die

primäre Aufgabe der Langzeit- und Altenpflege zu respektieren, nämlich ihren Patienten/Bewohnern

einen Lebensraum – und häufig auch einen Ort des Sterbens (in Würde) – zu bieten“ (Bühler).

Spezielle Themen – Auswahl

Multiresistente Keime – MRSA bei Bewohnern von Altenpflegeheimen

Gegen Antibiotika resistente Staphylo-

kokken (methicillinresistente Staphylo-

kokken MRSA) haben sich in den letzten

beiden Jahrzehnten in Krankenhäusern in

der ganzen Welt stark verbreitet, insbeson-

dere in Süd- und Westeuropa (Mittelmeer-

anrainer incl. Türkei, Frankreich, England),

während in Holland und den skandinavi-

schen Ländern angesichts eines strengen

Hygiene- und Antibiotikaregimes die MRSA-

Raten in Krankenhäusern unter 5% gehalten

werden konnten. Im europäischen Vergleich

war in Deutschland in den letzten 10 Jahren

eine rasante Zunahme der MRSA-Proble-

matik in Krankenhäusern festzustellen,

inzwischen sind etwa ein Viertel der S.

aureus Stämme in Blut- oder Urinkulturen

MRSA.

Seit Mitte der 1990er Jahre wird die Problematik multiresistenter Staphylokokken (MRSA) bei

Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen diskutiert. Studien aus anderen Ländern zeigten, dass

MRSA dort auch in den Alten- und Pflegeheimen ein Problem sein kann; in den USA waren bis zu

50% der untersuchten Altenheimbewohner MRSA-positiv. In Holland hingegen mit seinem extrem

restriktiven Hygieneregime im Hinblick auf MRSA lag die MRSA-Rate bei 0%.

1996 wurde das Gesundheitsamt Frankfurt erstmals von einem Altenpflegeheim um Hilfe und

Beratung bei mehreren Bewohnern mit diesem neuen Problemkeim gebeten. Da zu diesem Zeitpunkt

keine Empfehlungen oder Richtlinien in Deutschland vorhanden waren, haben wir auf der Grundlage

US-amerikanischer und britischer Richtlinien Empfehlungen zum Umgang mit MRSA in Alten- und

Pflegeheimen in Frankfurt/M erarbeitet und die Mitarbeiter der Heime intensiv fortgebildet. Ende der

1990er Jahre wurden ähnliche Empfehlungen auch aus Nordrhein-Westfahlen und Niedersachsen

MRSA Methicillin-resistenter Staphylokokkus aureus

Staphylokokken sind als Besiedler der Haut sowie der Schleimhäute von Nase und Rachen beim Menschen und bei Tieren weit verbreitet. Auf der unverletzten Haut sind sie nicht krankmachend, ist die Hautbarriere verletzt, können diese Keime jedoch Infektionen auslösen: Wundinfektionen, Furunkel, Lungenentzündung, Blutvergiftung, Knochenentzünd-ungen etc.

Bereits bald nach dem umfangreichen Einsatz von Penicillinen in den 1940-50er Jahren waren die S.aureus Stämme resistent gegen Penicilline, und bereits wenige Jahre nach Einführung des neuen Antibiotikums Methicillin wurden 1961 erstmals Methicillin-resistente Staphylokokkus-aureus-Stäm-me gefunden. Gegen diese sind nur noch wenige Antibiotika – mit einer relativ hohen Nebenwir-kungsrate wirksam. Und auch hier sind erste Resistenzen beschrieben …

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

239

veröffentlicht, und im Jahre 2005 wurde die Richtlinie Hygiene in Heimen der Kommission für

Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut publiziert1, die im Wesent-

lichen mit den von uns 1997 erarbeiteten Empfehlungen übereinstimmt.

Bis 1999 lagen keine Daten zur MRSA-Häufigkeit außerhalb von Krankenhäusern bzw. in Alten- und

Pflegeheimen in Deutschland vor. Vor diesem Hintergrund suchte das Gesundheitsamt Frankfurt

Partner, um das Ausmaß der Problematik überhaupt erstmals zu untersuchen und nahm im Jahre

1999 an einer überregionalen Untersuchung des Robert Koch-Instituts Berlin zur Ermittlung von

MRSA bei Bewohnern in Alten- und Pflegeheimen teil. Im Jahre 2000/2001 führte es gemeinsam mit

dem Institut für medizinische Mikrobiologie der Universität Frankfurt eine weitere Untersuchung zur

MRSA-Häufigkeit in Alten- und Pflegeheimen, einer geriatrischen Rehabilitationsklinik und bei

ambulanten Pflegediensten durch. Im Jahre 2007/8 wurde eine weitere Untersuchung zu MRSA, aber

auch zu weiteren multiresistenten Bakterien (VRE und ESBL) im Rahmen einer Doktorarbeit

vorgenommen.

Die Untersuchungen waren als freiwillige Querschnitts-Untersuchungen angelegt. Nach Information

der Einrichtungen und ihrer Bewohner (Betreuer) und nach Vorlage der Einverständniserklärungen

wurden zwischen Sommer 1999 und Januar 2000 bzw. zwischen Oktober 2000 und April 2001

(Dissertation Herr Brune) Nasen- und Rachenabstriche entnommen und auf Vorhandensein

Methicillin-resistenter Staphylokokkus aureus-Stämme untersucht. Im Jahre 2007 wurden (Disser-

tation Frau Gruber) wiederum Nasen-, Rachen und ggf. Wund-Abstriche entnommen (incl.

Analabstriche, die auf VRE und ESBL untersucht wurden).

Tab. 95 Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zur MRSA bei Bewohnern von Altenpflegeheimen und in anderen medizinischen Einrichtungen für ältere und pflegebedürftige Menschen in Frankfurt am Main

Altenpflegeheime Geriatrie Unter-

sucht MRSA+

MRSA+%

Unter-sucht

MRSA+

MRSA+%

1999/2000 359 8 2,2 42 2 4,8 2001 319 1 0,3 92 8 8,7 2007 178 16 8,9

Die MRSA-Besiedelungsrate bei Alten- und Pflegeheimbewohnern in Frankfurt 1999/2000 und

2000/2001 ist gut vergleichbar mit den Ergebnissen aus anderen Bereichen in Deutschland aus dieser

Zeit. Leider ist unsere Untersuchung aus dem Jahre 2007 die erste seit 2002 publizierte Studie mit

aktuelleren Ergebnissen. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich tatsächlich um

repräsentative Daten handelt, da eine „Verzerrung“ angenommen werden muss, weil viele Betroffene

mit bekannter MRSA-Anamnese bzw. deren Betreuer die Gelegenheit genutzt haben, Kontrollab-

striche durchzuführen. Dennoch scheint ein gewisser Anstieg der MRSA-Problematik auch in Alten-

pflegeheimen in den letzten Jahren erkennbar. Dieser Befund ist plausibel, da die MRSA-Problematik

in Kliniken in dieser Zeit deutlich zugenommen hat und somit auch mehr MRSA-besiedelte Bewohner

in Altenpflegeheime aufgenommen werden.

1 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention: Infektionsprävention in Heimen. Bundesgeusndheitsblatt gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2005) 48: 1061-1080.

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

240

Tab. 96 Untersuchungsergebnisse verschiedener Studien zur MRSA-Besiedelung bei Bewohnern von Altenpflegeheimen in Deutschland 1999-2007

Jahr Bewohner MRSA positiv Autoren Altenpflegeheime n n % 1999/2000 Frankfurt/O 159 1 2,5 Berlin 579 17 2,9 Höxter, NRW 121 0 0 Köln, NRW 82 1 1,2 Frankfurt/M 401 10 2,4

Heuck et al., 2000

2000/2001 NRW 1057 32 3,1 Neuhaus et al., 2002 Niedersachsen 33 8 21,0 Höpken et al., 2001 Frankfurt/M 319 1 0,3 Heudorf et al., 2002 Heidelberg/Mannheim 3236 49 1,6 v Baum et al., 2002 2007 Frankfurt/M 178 16 8,9 Gruber et al., 2007 6165 135

Sehr positiv ist zu bewerten, dass bei der Nachuntersuchung von 8 der im Jahre 2007 festgestellten

insgesamt 16 MRSA-positiven Bewohner 7 (87,5%) MRSA-frei waren. Diese waren in den Heimen

saniert und bereits als MRSA-negativ getestet worden, was bei der Nachuntersuchung bestätigt

werden konnte. Dies zeigt: MRSA Sanierungen im Altenpflegeheim sind möglich!

Als „Risikofaktoren“ für eine MRSA-Besiedelung wurden in unserer ersten Untersuchung von

1999/2000 festgestellt: Männliches Geschlecht, Aufenthaltsdauer im Heim unter einem Jahr, Anus

präter sowie frühere Besiedelung mit MRSA (alle signifikant). Darüber hinaus ergaben sich Hinweise,

dass Krankenhausaufenthalte in der Anamnese mit einem höheren Risiko der MRSA-Besiedelung

verbunden waren. Bewohner mit Ulcus, Decubitus, Krebsleiden und peripheren Durchblutungs-

störungen hatten ein etwa doppelt so hohes Risiko, mit MRSA besiedelt zu sein; allerdings war diese

Risikoerhöhung bei der relativ kleinen Fallzahl nicht signifikant (Tab. 97). Auch diese Daten stimmen

gut mit weiteren Studien aus Deutschland überein (Tab. 96).

Tab. 97 Risikofaktoren für eine Besiedelung mit MRSA bei Bewohnern von Altenpflegeheimen – Studien aus Frankfurt, Heidelberg und Nordrhein-Westfalen (1999-2001)

MRSA Bewohner APH Frankfurt 1999

N=359 Heidelberg 1999/2000

N=3236 NRW 2001

N=1057 OR 95CI OR 95CI OR 95CI Decubitus 1,8 0,2-14,6 3,25 1,31-8,06 2,6 0,6-11,3 Ulcus cruris 3,2 0,4-27,4 2,13 0,75-5,04 2,5 0,3-19,8 Harnwegs-Katheter 1,8 0,4-8,9 2,71 1,17-6,27 2,7 1,3-5,7 Antibiotika - - 1,62 0,69-3,79 2,6 0,8-9,0 OP in letzten 6 Monaten - - - - 3,7 0,8-16,8 KH in letzten 2 J (6 Mo) 3 0,6-14,4 2,21 1,03-4,75 - - MRSA in Anamnese 24,2 3,8-152 - - - -

Auf Wunsch wurden auch Mitarbeiter untersucht, die – in der Regel ihnen unbekannt – MRSA-besie-

delte Bewohner gepflegt hatten. In den ersten beiden Untersuchungen war keiner der insgesamt ca.

300 getesteten Mitarbeiter MRSA-positiv. In der dritten Untersuchung waren 2 Mitarbeiter (4,6%)

MRSA-positiv (Tab. 98).

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

241

Tab. 98 MRSA-Besiedelung bei Mitarbeitern von Altenpflegeheimen in Deutschland (1999-2007)

Jahr Mitarbeiter MRSA positiv Autoren/Jahr Altenpflegeheime n n Prozent

1999

multizentr. Studie darunter Frankfurt/M

327 148

0 0

0 0

Heuck et al., 2000 Heudorf et al., 2002

2000/1 NRW 193 1 0,5 Neuhaus et al., 2002 Frankfurt/M 148 0 0 Heudorf et al., 2002 Heidelberg/Mannheim 173 4 2,3 v Baum et al., 2002 2002/3 Osnabrück 262 11 4,2 Huesmann, 2005 2007 Frankfurt/M 48 2 4,6 Gruber et al., 2007 1151 18 1,6

Bei genauerer Betrachtung der Befunde bei Heimbewohnern und bei den Mitarbeitern der Heime

ergab sich kein Anhalt, dass MRSA innerhalb der Heime gestreut hätte – weder direkt von Bewohner

zu Bewohner noch über die Mitarbeiter des Pflegepersonals. Dabei ist zu betonen, dass bei den

meisten der MRSA-besiedelten Heimbewohnern die Besiedelung zuvor nicht bekannt war und

demzufolge keine über das übliche Maß hinausgehenden Hygienemaßnahmen in den Heimen ergrif-

fen worden waren. Diese Daten lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Gefahr der Weiterver-

breitung von MRSA innerhalb der Alten- und Pflegeheime bei insgesamt niedriger Besiedelungsrate

derzeit (noch) gering ist. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass bei Zunahme der MRSA-

Problematik in Kranken-häusern das MRSA-Problem in Alten- und Pflegeheimen auch zunehmen

wird. Darüber hinaus zeigt der Nachweis von MRSA bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen,

dass auch dort hohe Hygienestandards und entsprechend ausgebildetes Personal erforderlich sind.

In der Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zum Umgang

mit der MRSA-Problematik in Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen1 wird betont, dass

Patienten baldmöglichst aus dem Krankenhaus entlassen werden sollen, ggf. auch trotz MRSA-

Besiedelung. Angesichts der besonderen Situation Krankenhaus ist auch und gerade für MRSA-

Besiedelte oder –Infizierte jeder Ort günstiger als das Krankenhaus – zum einen ist die Möglichkeit

der Streuung innerhalb des Krankenhauses dann reduziert, zum anderen haben die antibiotika-

resistenten Keime außerhalb des Krankenhauses oder der medizinischen Einrichtungen mit hohem

Antibiotikaeinsatz keinen Selektionsvorteil.

Da die Gefahr MRSA-bedingter Erkrankungen in Alten- und Pflegeheimen offenbar wesentlich

geringer ist als in Akutkrankenhäusern, ist inzwischen in der Richtlinie „Infektionsprävention in

Heimen“ aus dem Jahre 20052 festgelegt, dass Händehygiene bei Mitarbeitern und Bewohnern die

zentrale infektionsverhütende Maßnahme darstellt und dass besiedelte Bewohner in Pflegeheimen

durchaus an Gruppenaktivitäten teilnehmen sollen. Eine Isolierung der Bewohner – wie im

Krankenhaus – wird, von Ausnahmen abgesehen (z.B. große Hautläsionen, die nicht abgedeckt oder

verbunden werden können, produktiver Husten und Tracheostoma), nicht empfohlen. Bei guter

Basishygiene und insbesondere bei konsequenter Einhaltung sachgerechter Händehygiene allgemein

erscheinen in der Regel keine Einschränkungen für Bewohner erforderlich. In diesem Sinne informiert

das Amt seit Jahren in den Alten- und Pflegeheimen – über Merkblätter, bei den Begehungen, aber

auch bei speziellen Fortbildungen für die Mitarbeiter/innen.

1 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention: Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz (1999) 42: 954-958. (www.rki.de) 2 Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention: Infektionsprävention in Heimen. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz (2005) 48: 1061-1080 (www.rki.de)

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242

Umfrage zu Erfahrungen und Kompetenz im Umgang mit MRSA im Altenpflegeheim 2002

Im Jahre 2002 hatte das Stadtgesundheitsamt alle Altenpflegeheime in Frankfurt nach ihren bisheri-

gen Erfahrungen im Zusammenhang mit MRSA und nach Verbesserungsvorschlägen gefragt. Damals

hatten 30 der 32 Heime geantwortet. 22 (73%) der Heime hatten in den vorangegangenen 12

Monaten MRSA-besiedelte Bewohner gepflegt bzw. aus dem Krankenhaus zurück übernommen. In

24 (80%) der Heime war im vergangenen Jahr ein Antrag auf Neuaufnahme eines MRSA-besiedelten

Bewohners gestellt worden, in 10 (33%) der Heime waren ein oder mehrere MRSA-besiedelte Men-

schen neu aufgenommen worden. Nur ein Heim (3%) gab an, generell keine MRSA-besiedelten Men-

schen neu aufzunehmen, andere nannten folgende Bedingungen für eine Neuaufnahme: Nur nach

vorheriger Absprache 1x, nur bei gegebenen räumlichen und personellen Ressourcen 3x, nach Mög-

lichkeit nur in Einzelzimmer 6x.

12 Heime hielten die Informationen der Krankenhäuser für ausreichend, 13 sahen Mängel. Hier wurde

zumeist die verspätete Information genannt, die den Heimen z. T. erst durch den Arztbrief zur

Kenntnis kam. Ein Heim berichtete demgegenüber positiv, dass das Altenpflegeheim über die MRSA-

Besiedelung eines Bewohners im Krankenhaus informiert wurde und dieser Bewohner erst nach

Sanierung wieder ins Heim entlassen wurde. 22 der Heime äußerten sich zu Verbesserungs-

möglichkeiten: Jeweils 12 mal wurden mehr Information durch die Krankenhäuser bzw. entsprechende

Erstattung des finanziellen Mehrbedarfs (Schutzkleidung, Zeit für die Pflege...) gefordert. Zwei der

Heime plädierten für eine generelle Testung der Menschen auf MRSA, die in Altenpflegeheime verlegt

werden sollen. Fast alle Heime wünschten weitere Informationen / Fortbildungen durch das

Gesundheitsamt. Mehrfach wurde angegeben, dass die Hausärzte zu wenig über MRSA informiert

seien und es wurde eine bessere Koordination zwischen Ärzten im Krankenhaus und in der Praxis

angemahnt. Auch wurden – bei insgesamt eher guten Informationen für das Pflegepersonal – mehr

Informationen für das hauswirtschaftliche Personal und für die Angehörigen für notwendig erachtet.

Ein Heim berichtete, dass alle Bewohner innerhalb weniger Wochen wieder MRSA-frei waren. Eine

Routinetestung auf MRSA-Besiedelung vor Aufnahme der Bewohner wurde von einem Heim

gewünscht. Ein anderes Heim wies nochmals auf die Kostenproblematik hin, die z. B. über die

Eingruppierung in eine andere Pflegestufe gelöst werden könne. Drei Heime sahen keinen

zusätzlichen Informationsbedarf bzw. betonten, alle erforderliche Unterstützung durch das Gesund-

heitsamt bereits erhalten zu haben.

Die Wünsche nach Fortbildung der Heime und der Vermittlung einer besseren Kommunikation

zwischen den Krankenhäusern und den Altenpflegeheimen und umgekehrt wurden ebenso

aufgegriffen wie die Anregung einer besseren Fortbildung für die niedergelassenen Ärzte; hier wurden

mehrere Fortbildungen in der Akademie für Ärztliche Fort- und Weiterbildung der Landesärztekammer

Hessen mitgestaltet sowie mehrere Fortbildungsbeiträge im Hessischen Ärzteblatt sowie der

Zeitschrift „Der Kassenarzt“ publiziert.

Im Jahre 2009 soll diese Umfrage wiederholt werden - nicht nur in Frankfurt, sondern auch im

Rahmen des geplanten MRSA-Netzwerks Rhein Main auch in Offenbach, Wiesbaden und im Main-

Taunus-Kreis.

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243

Weitere Keime mit Multiresistenzen

In den letzten Jahren wird zunehmend auch über weitere Keime mit Multiresistenzen berichtet, in der

Regel aus dem Krankenhausbereich. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der Doktorarbeit im

Jahre 2007 nicht nur Nasen-/Rachen- und ggf. Wundabstriche auf MRSA, sondern auch Analabstriche

auf VRE und ESBL untersucht. Aus dem Ausland liegen hier vereinzelt Daten vor; nach unserer

Kenntnis ist dies die erste Untersuchung zur Problematik dieser neuen Keime mit Multiresistenzen in

Altenpflegeheimen in Deutschland.

Insgesamt wurden 178 Bewohner aus verschiedenen Altenpflegeheimen in Frankfurt, 46 geriatrische

Patienten in zwei Frankfurter Kliniken sowie 64 Patienten ambulanter Pflegedienste untersucht.

Während bei MRSA davon ausgegangen werden muss, dass die Daten durch die (Selbst)-Auswahl

der Untersuchungsteilnehmer beeinflusst sind, da MRSA bei einigen von ihnen bereits bekannt war,

ist dies für die anderen multiresistenten Keime nicht anzunehmen. Den Teilnehmern bzw. ihren

Betreuern waren diese Keime bislang nicht bekannt und bei keinem Teilnehmer waren diese bisher

nachgewiesen worden. Die Ergebnisse (Tab. 99) waren erstaunlich und unerwartet.

Bei den untersuchten Bewohnern aus Altenpflegeheimen wurden entgegen der Erwartung keine VRE,

aber mehr als 10% ESBL gefunden, oft im Abstrich von der Harnwegskatheter-Austrittsstelle. Diese

ESBL-Rate war höher als bei den Geriatrie-Patienten und Patienten der ambulanten Pflegedienste.

Offenbar wird diese ESBL-Problematik durch die Antibiotika-Verschreibung im ambulanten medizini-

schen Bereich gefördert. Hier sollten die entsprechenden Antibiotika mit größerer Vorsicht gegeben

und möglichst auf andere geeignete Mittel ausgewichen werden. Erfreulich war, dass bei der

angebotenen freiwilligen Nachkontrolle der Heimbewohner mit multiresistenten Keimen mehr als 85%

der MRSA- und ESBL-Besiedelung (7/8 MRSA und 11/13 ESBL) nicht mehr nachweisbar waren Auch

in den geriatrischen Kliniken zeigten sich insgesamt recht hohe Werte für antibiotikaresistente Keime.

ESBL (extended spectrum ß-lactamase enterobacteriacaeae, Enterobakterien mit ß-Lakta-masen mit breitem Wirkungsspektrum) sind nicht nur gegen Penicilline, Drittgenerations-Cephalosporine sondern auch gegen Chinolone und oft auch Aminoglcoside Carbapeneme resistent. Diese 1983 erstmals in Frankreich nachgewiesenen Keime haben sich inzwischen weltweit ausgebreitet. Mehr als 120 verschiedene auf Plasmiden codierte Enzyme können für die Resistenz verantwortlich sein. Über die Plasmide kann die Information der erweiterten Anti-biotikaresistenz auch an andere Keim-Spezies weitergegeben werden, z.B. von E. coli auf Kleb-siellen oder Pseudomonaden. ESBL-Infektionen sind immer mit erheblich verlängerter Liegedauer im Krankenhaus, bis zu 50% Therapieversagen und erhöhter Sterblichkeit verbunden. – Hauptübertragungswege sind die Hände.

VRE, Vancomycinresistente Enterokokken, nehmen nach MRSA und ESBL Platz 3 der multiresistenten Erreger von Krankenhausinfektionen in Deutschland ein. Auch diese Keime wurden in den 1980er Jahren erstmal beschrieben und sind inzwischen weltweit verbreitet. Risikofaktoren für VRE-Kolonisationen sind: Aufenthalt auf Intensivstationen, medical devices (zentralvenöse oder Harnwegskatheter), hochgradige Immunsuppression, Breitspektrum-Antibiotika sowie Nähe zu VRE-besiedelten/infizierten Patienten. VRE werden vor allem in Urin, aber auch in Wundabstrichen und Stuhlproben sowie in Bronchialsekret, Blut und Sputum nachgewiesen. Gefürchtet sind die deutlich erhöhte Sterblichkeit bei immunsupprimierten Patienten sowie die Übertragung der Resistenzgene von Enterokokken auf MRSA. Hauptübertragungswege sind wieder Hände, weshalb auch bei diesem multiresistenten Keim die Händedesinfektion, aber auch die Hygienemaßnahmen unabdingbar sind zur Verhütung weiterer Ausbrüche.

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244

Tab. 99 Multiresistente Keime bei Bewohnern von Altenpflegeheimen und bei Patienten von geriatrischen Kliniken sowie von ambulanten Pflegediensten in Frankfurt am Main, 2007 (Gruber et al., 2007)

Getestet MRSA positiv VRE positiv ESBL positiv n n % n % n % APH 178 17 9,6 0 0,0 21 11,8Geriatrie 46 7 15,2 8 17,4 3 6,5ambulant 64 3 4,7 4 6,3 2 3,1

Infektionserfassung im Altenpflegeheim – „nosokomiale Infektionen“

Das Infektionsschutzgesetz sieht für Altenpflegeheime - im Gegensatz zu Krankenhäusern und

Einrichtungen für ambulantes Operieren (§ 23 IfSG) - keine Pflicht zur Erfassung und Bewertung der

nosokomialen Infektionen vor. Die für den Krankenhausbereich etablierten Definitionen für Infektionen,

die stets Labor- und ggf. auch Röntgenparameter enthalten, sind in Altenpflegeheimen nicht

anwendbar, gibt es dort doch in der Regel keine apparativ-technischen und laborchemischen

Untersuchungskapazitäten. Vor diesem Hintergrund wurden 1991 von McGeer et al. Kriterien zur

Infektionserfassung in Altenpflegeheimen entwickelt, die weitgehend auf Labor- und Röntgenunter-

suchungen verzichten1.

Aus Deutschland liegt bisher eine einzige Studie vor, die diese Kriterien zur Erfassung der Infektions-

inzidenzen in einem Altenpflegeheim angewandt hat. Das untersuchte Altenheim wurde über ein Jahr

von 1998-1999 mehrfach wöchentlich aufgesucht und das Pflegepersonal aktiv nach Infektions-

symptomen befragt2 Dieses sehr aufwendige Verfahren entsprach quasi der Infektionserfassung/-

epidemiologie durch eine Hygienefachkraft. Das Vorhandensein einer Hygienefachkraft wird zwar in

der neuen Richtlinie „Infektionsprävention in Heimen“ (KRINKO 2005) und von der deutschen

Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH 2002) empfohlen, ist aber (noch) nicht durchgängig

Realität.

Vor diesem Hintergrund wurde die vorliegende Studie konzipiert und durchgeführt. In einem Alten-

pflegeheim sollten die Infektionssymptome der Bewohner erhoben werden, ohne den Routineablauf

zu beeinflussen und ohne zeitaufwändige direkte Befragung des Pflegepersonals. Deswegen wurde

ein Heim ausgewählt, das die gesamte Dokumentation auf elektronischen Datenträgern vornimmt –

Verwaltungs-, Pflege- und soweit notwendig auch Arztdokumentation incl. Medikamentendokumen-

tation.

Die Studie hatte drei zentrale Fragestellungen:

Wie hoch ist die Inzidenz an nosokomialen Infektionen in einer stationären Altenpflegeeinrichtung?

Sind die Kriterien nach McGeer et al. für die Erfassung der Infektionsinzidenz in einem Altenpflegeheim mit EDV-gestützter Dokumentation geeignet bzw. können aus den Daten Änderungsvorschläge für die Infektionserfassung abgeleitet werden?

Welche Risikofaktoren sind mit den verschiedenen definierten Infektionserkrankungen assoziiert bzw. ergeben sich aus der Assoziation zu Risikofaktoren Hinweise auf Präventionsstrategien für die Heime?

1 McGeer A, Campbell B, Emori TG, Hierholzer WJ, Jackson MM, Nicolle LE, Peppler C, Rivera A, Schollenberger DG, Simor AE, Smith PW, Wang E EL: Definitions of infection for surveillance in long-term care facilities Am J Infect Control. (1991) 19: 1-7. 2 Engelhart ST, Hanses-Dehrendorf L, Exner M, Kramer MH: Prospective surveillance for health care-associated infections in German nursing home residents. J Hosp Infection (2005) 60: 46-50.

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245

Aus der Pflegedokumentation wurden vom 01.01.06 bis 30.06.06 1-2mal wöchentlich alle relevanten

Angaben zu den Bewohnern entnommen. Neben den nach McGeer et al. zu erfassenden neu

aufgetretenen Symptomen wurden Angaben zum Alter, Geschlecht, Pflegestufe, Grunderkrankungen,

Datum des Einzugs in das Heim, ggf. Auszugs- und Sterbedatum, Abwesenheitstage wegen

Krankenhausaufenthalt, Art und Dauer eventueller Antibiotikatherapien, Anwendung und Dauer

medizinischer Devices wie Harnwegskatheter; PEG-Sonden oder Trachealkanülen erfasst.

Alle 278 Bewohner, die zwischen 01.01.06 und 30.06.06 im Heim wohnten, wurden in der Studie

erfasst. Das durchschnittliche Alter der Bewohner betrug 81,2±13,7 Jahre. Insgesamt drei Viertel der

Bewohner waren Frauen, ein Viertel Männer. Die männlichen Bewohner waren signifikant jünger und

waren signifikant häufiger in höheren Pflegestufen (Stufen 3 und 3+) eingestuft; die pflegeintensiven

Wachkomapatienten waren zum größten Teil Männer (Tab. 100).

Drei Viertel der Bewohner wiesen eine Harninkontinenz und die Hälfte eine Stuhlinkontinenz auf.

Bettlägerig waren 15,3% der Bewohner. Insgesamt 34 (12,1%) der Bewohner (32,9% der Männer und

5,3% der Frauen) hatten einen Harnwegskatheter und 13,2% eine PEG-Sonde (30% der Männer und

7,7% der Frauen). Diese medical devices wurden insbesondere bei den jüngeren und männlichen

Bewohnern mit apallischem Syndrom und Pflegestufe 3 und 3+ eingesetzt. Bei ihnen erfolgte die

Harnableitung auch meist dauerhaft über einen suprapubischen Harnwegskatheter. Im Vergleich mit

anderen publizierten Studien aus Deutschland weisen die hier untersuchten Bewohner höhere

Pflegestufen auf (viele Apalliker) und haben mehr PEG-Sonden (Apalliker), aber weniger Harnwegs-

katheter.

Tab. 100 Verteilung der Pflegestufen und verschiedener Risikofaktoren der in die vorliegende Studie einbezogenen Bewohner im Vergleich mit publizierten Daten bei Bewohnern von Altenpflegeheimen in Deutschland

BRD 2003 Statistisches Bundesamt,

2005

APHs Frankfurt 1999

Heudorf et al., 2001

APHs Duisburg 1998/9

Martin et al., 1999

APH Bonn 1998

Engelhart et al., 2005

APH Frankfurt

2006

alle ca. 612.000 ca. 1100 3860 103 278 Pflegestufe 0 9,2 16,0 24,3 0,7 1 33,3 26,2 21,0 30,1 34,2 2 44,3 34,7 35,0 23,3 36,0 3 21,3 29,9 28,0 22,3 24,1 3+ - - - 5,0 % % % % % Harnwegskatheter n.u. 11,4 16 21 12,1 PEG-Sonde 7,8 * 3,3 9 1 13,2 Dekubitus n.u. 5,3 3 n.u. 2,8 Bettlägerigkeit 13,4 20 12 16 15,3 Harninkontinenz 73 60 63 34 76,2 Stuhlinkontinenz 45 40 43 15 51,2

* Bremen, Becker und Hilbert, 2004

Unter den erhobenen Grunderkrankungen machten neurologisch/psychiatrische Erkrankungen mit

68% den größten Anteil aus, an zweiter Stelle standen Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 58%.

Gastrointestinale Erkrankungen waren mit 18% deutlich seltener. Lungen-, Nieren- oder Krebserkran-

kungen wurden bei weniger als 10% der Bewohner vermerkt.

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246

Die am häufigsten verschriebenen Medikamente waren Analgetika; diese wurden meistens wegen

Beschwerden des Bewegungsapparates verschrieben. Die zweithäufigste Medikamenten-Gruppe

waren Herzmedikamente, besonders Antihypertensiva und Antikoagulantien (33,1%). Diuretika

nahmen 17,3% der Bewohner ein. Insgesamt 60 Bewohner (21,7%) erhielten Neuroleptika. Sedativa

nahmen 11,2% der Bewohner regelmäßig ein. Antidepressiva wurden 27 Bewohnern verschrieben.

Antidementiva erhielten 2,5% der Bewohner.

Zwischen 01.01.06 und 30.06.06 wurden bei den 278 Bewohnern 45710 Bewohnertage im Heim und

857 Tage im Krankenhaus gezählt, 4413 Katheter-Tage (9,7%) bei 34 Bewohnern mit Harnwegs-

kathetern und 6009 (13,1%) PEG-Tage bei 37 Bewohnern mit PEG-Sonden sowie insgesamt 796

(1,75%) Antibiotika-Tage, d.h. Tage, an welchen ein Bewohner ein Antibiotikum erhielt.

Am häufigsten traten Magen-Darm-Infektionen auf (1,9/1000 Tage), gefolgt von Bronchitis/Pneumonie

(0,95/1000 Tage) und Harnwegsinfektionen (0,43/1000 Tage). Erkältungen, Infektionen der Augen

und der Atemwege traten häufiger in den Wintermonaten auf.

Tab. 101 Infektionsinzidenzen (pro 1000 Bewohnertage) in Altenpflegeheimen – Daten aus unterschiedlichen Ländern und Jahren

Nicolle und Garibaldi

1995

Jackson 1992

Steven- son 1999

Steven-son 2005

Engelhart 2005

Frankfurt 2006

Untersuchungszeit: Vor 1995 1984/7 2001/2 1998 2006 pro 1000 Bewohnertage Inzidenz Inzidenz Inzidenz Inzidenz Inzidenz Inzidenz Infektionen insgesamt 1,8-9,4 7,1 3,82 3,64 5,98 5,07 Atemwege Bronchitis, Pneumonie Sinusitis, Otitis Erkältung/Influenzaähnl.

0,3-4,7 0,0-2,3

3,33

1,15 1,75 2,16 1,46

0,89

1,33 0,96*

0,37

Augen 0,2-1,0 0,29 0,37 Harnwege 0,2-2,2 1,28 1,51 0,60 1,01 0,28 – 0,44# Magen-Darm-Trakt 0 – 2,5 0,27 1,24 1,90 # mind. 2 oder mind. 1 Symptom; * mind. 2 Symptome

Risikofaktoren: Bewohner mit Harnwegskatheter hatten nicht nur ein erhöhtes Risiko für Harnwegs-

infektionen (OR 9,4), sondern auch für Infektionen der unteren Atemwege (OR 3,0); PEG-Sonden-

trägertum war assoziiert mit Augeninfektionen und Infektionen der Atemwege (OR 5,4 und OR 3,6).

Im Rahmen der Doktorarbeit wurden leichte Veränderungen der McGeerschen Kriterien zur Infektions-

erfassung vorgenommen. Die erhaltenen Ergebnisse konnten mit anderen veröffentlichten Studien

verglichen werden und lassen insgesamt verlässliche Daten erkennen. Die gute Eignung der von

McGeer et al. (1991) erstellten Kriterien für die Infektionssurveillance in Altenpflegeeinrichtungen auch

in Deutschland wurde – mit leichten Modifikationen – bestätigt.

Die abgeschlossene Doktorarbeit ist im Internet eingestellt (www.frankfurt.de) und wird derzeit zur

Publikation in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift vorbereitet.

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247

Gastroenteritis (nach McGeer et al., 1991)

Mindestens eines der Kriterien muss zutreffen:

- akutes Einsetzen von Diarrhö: mindestens 2* oder mehr ungeformte oder flüssige Stühle in 24 h – „über das für den Bewohner normale hinaus“

- zwei- oder mehrmaliges Erbrechen in 24 h - Stuhlkultur oder Toxinanalyse positiv und mindestens ein Symptom, das mit einer

gastrointestinalen Infektion kompatibel ist (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Abdominalschmerzen).

Kommentar: Eine nicht-infektiöse Ursache, wie eine medikamenten-induzierte Diarrhö, sollte ausgeschlossen sein.

* modifiziert nach Engelhart et al. (2005): mindestens 3

Harnwegsinfektionen (nach McGeer et al., 1991)

Symptomatisch ohne Katheter

Der Bewohner muss mindestens 3# der folgenden Symptome aufweisen:

- Fieber (≥38°C) oder Schüttelfrost - neu aufgetretene/vermehrte Dysurie oder Pollakisurie - neu aufgetretener suprapubischer Schmerz - Veränderungen des Urins:

o blutiger Urin o fauliger Geruch o vermehrtes Sediment o oder laut Laborbericht mikroskopische Hämaturie oder Leukozyturie

- Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder der mentalen Funktionen

# Modifikationsvorschlag aus unserer Studie: mindestens eines der Symptome Dysurie/Pollakisurie, suprapubische Schmerzen, Veränderungen des Urins

Symptomatisch mit Katheter

Der Bewohner muss mindestens 2 der folgenden Symptome aufweisen

- Fieber (≥38°C) oder Schüttelfrost - neu aufgetretener Flankenschmerz oder suprapubischer Schmerz - Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder der mentalen Funktionen - Veränderungen des Urins:

o blutiger Urin o fauliger Geruch o vermehrtes Sediment o oder laut Laborbericht o mikroskopische Hämaturie oder Leukozyturie

- Verschlechterung des Allgemeinzustandes oder der mentalen Funktionen

Kommentar McGeer et al.: Urinkulturen sind nicht in den Kriterien beinhaltet. Nur symptomatische Harnwegsinfektionen sollen erhoben werden. Die Erhebung von asymptomatischen Infektionen wird nicht empfohlen.

Infektionen der oberen Atemwege (nach McGeer et al., 1991)

Erkältungskrankheiten

Der Bewohner muss mindestens 2 der folgenden Symptome aufweisen:

- Schnupfen (laufende Nase oder Niesen) - verstopfte Nase - Halsschmerzen oder Heiserkeit oder Schluckbeschwerden - trockener Husten - cervicale Lymphknotenschwellung

Kommentar McGeer et al.: Fieber kann oder kann nicht auftreten. Die Symptome müssen neu aufgetreten sein und dürfen keine allergische Genese haben.

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248

Influenza-ähnliche Erkrankungen

Beide der folgenden Kriterien müssen zutreffen:

- Fieber (≥38°C)

und mindestens 3 der folgenden Symptome

- Schüttelfrost - neu aufgetretene Kopf- oder Augenschmerzen - neu aufgetretene Gliederschmerzen - Krankheitsgefühl oder Appetitverlust - Halsschmerzen - neuer oder vermehrter trockener Husten

Kommentar McGeer et al.: Die Diagnose kann nur in der Influenza-Saison (November-April) gestellt werden. Wenn die Kriterien für eine influenza-ähnliche Erkrankung und eine obere oder untere Atemwegsinfektion zur gleichen Zeit erfüllt werden, soll nur die Diagnose der influenza-ähnlichen Erkrankung gestellt werden.

Infektionen der unteren Atemwege (nach McGeer et al., 1991)

Bronchitis

Der Bewohner muss mindestens 3 der folgenden Symptome aufweisen:

- neuer oder stärker gewordener Husten - neue oder erhöhte Sputumproduktion - Fieber (≥38°C) - Pleuraschmerzen* - neuer oder veränderter Auskultationsbefund - (trockene Rasselgeräusche (Giemen, Brummen), klingende Rasselgeräusche, Bronchialatmen) - eines der folgenden Hinweise auf Veränderungen des mentalen oder respiratorischen

Zustandes: *neue/vermehrte Kurzatmigkeit oder erhöhte Atemfrequenz >25 Atemzüge pro Minute oder Verschlechterung des mentalen Status

Kommentar McGeer et al.: Diese Diagnose kann nur gestellt werden, wenn keine Röntgen-Thorax-Aufnahme gemacht wurde oder die Diagnose einer Pneumonie nicht durch eine Aufnahme gestellt wurde.

*modifiziert nach Engelhart et al., (2005): Pleuraschmerzen, Kurzatmigkeit (neu oder vermehrt) oder >25 Atemzüge/min wurden weggelassen.

Pneumonie (Lungenentzündung)

Beide Kriterien müssen zutreffen:

Röntgen-Thorax: Das Röntgenbild muss eine Pneumonie oder den V.a. eine Pneumonie zeigen oder ein Infiltrat aufweisen (bei Vorhandensein eines vorherigen Röntgenbildes muss das Infiltrat neu sein)

und

die genannten Kriterien der Bronchitis aufweisen (mindestens 2 der folgenden Symptome)

- neuer oder stärker gewordener Husten - neue oder erhöhte Sputumproduktion - Fieber (≥38°C) - Pleuraschmerzen* - neuer oder veränderter Auskultationsbefund - (trockene Rasselgeräusche (Giemen, Brummen), klingende Rasselgeräusche,

Bronchialatmen) - eines der folgenden Hinweise auf Veränderungen des mentalen oder respiratorischen

Zustandes: *neue/vermehrte Kurzatmigkeit oder erhöhte Atemfrequenz >25 Atemzüge pro Minute oder Verschlechterung des mentalen Status

Kommentar McGeer et al.: Nichtinfektiöse Ursachen müssen ausgeschlossen sein. Insbesondere sollte an ein kardiales Lungenödem gedacht werden, das ähnliche Zeichen verursachen kann.

*modifiziert nach Engelhart et al., (2005): Pleuraschmerzen, Kurzatmigkeit (neu oder vermehrt) oder >25 Atemzüge/min wurden weggelassen.

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249

Zahn- und Mundhygiene im Altenpflegeheim – Status und Verbesserungsmöglichkeiten

Aus zahlreichen Untersuchungen ist bekannt, dass alte Menschen und insbesondere alte, pflegebe-

dürftige Menschen in Altenpflegeheimen eine schlechte Zahn- und Mundhygiene aufweisen, was

wiederum mit einem erhöhten Risiko für schlechte Ernährung und höhere Infektionen verbunden ist.

Im Jahre 2006 berichtete das Gesundheitsamt Heidelberg über eine Befragung zur Mund- und

Zahnhygiene in den Altenpflegeheimen seines Bereiches. Die Daten wurden von den Pflegedienst-

leitungen bzw. den Heimleitungen erfragt. Jeweils 11% der Altenpflegeheimbewohner hatten entweder

Restzähne oder gar keine Zähne und gleichzeitig keine Prothesenversorgung. Abgesehen von der

damit verbundenen Unmöglichkeit, richtig zu kauen, bedeutet dies für die Betroffenen oft die „soziale

Isolation“; sie meiden den Kontakt zu anderen. Bei der Hälfte der Bewohner war ein Transport zum

Zahnarzt entweder gar nicht oder nur unter hohem Aufwand möglich. Nur ein Drittel hatte in den

letzten 12 Monaten Kontakt zu einem Zahnarzt. Drei Viertel der Bewohner benötigten ausschließliche

oder zumindest teilweise Hilfe bei der Mundhygiene. Dennoch bewerteten viele Mitarbeiter des

Pflegepersonals die Zahngesundheit der Bewohner als mindestens zufrieden stellend.

In Frankfurt führten wir unmittelbar danach eine Umfrage mit demselben Fragebogen durch; 21 der

Heime antworteten, das betrifft ca. 50% der Altenpflegeheimbewohner in Frankfurt. Die Ergebnisse

waren mit denen aus den Heidelberger Heimen vergleichbar. 12 der 21 Heime gaben an, dass (min-

destens) ein Zahnarzt ins Heim komme. Die zahnärztliche Versorgung wurde im Mittel mit der „Note

2,8“ (Bereich 1-5) bewertet. Angesichts der Daten aus Heidelberg, wonach in der Mehrzahl der Fälle

der Pflegedienst die Mundhygiene der Bewohner (mit)übernimmt, hatten wir die Heime auch nach

Schulungswünschen für ihre Mitarbeiter gefragt. Die meisten Heime in Frankfurt zeigten sich hier sehr

interessiert.

Tab. 102 Umfrage in Altenpflegeheimen zur Zahn- und Mundhygiene sowie zur zahnärztlichen Versorgung der Bewohner – Heidelberg und Frankfurt

Heidelberg Frankfurt/M

Anzahl Bewohner insgesamt 77% von 6000

50% von 4000

Zahnstatus (%) (%) Restzähne ohne Prothesenversorgung 11 14,2 Restzähne mit Prothese oder Teilprothese 62 70,9 Keine Zähne, keine Prothese 11 9,6 keine Angabe 16 0 Erreichen des Zahnarztes Selbständig / mit Begleitperson 50 39,2 Aufwändiger Transport erforderlich 30 44,5 Transport unmöglich 20 26,3 Kontakt zum Zahnarzt in vergangenen 12 Monaten hat Kontakt 32 27,7 Durchführung der Mund-Zahnhygiene Selbständig / mit Begleitperson 25 29

Benötigt teilweise Hilfe 30 30

Auf Hilfe vollständig angewiesen 45 41

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

250

Auswirkungen eines intensiven Schulungsprogramms auf die Zahn- und Mundgesundheit der

Bewohner

Angesichts der aus verschiedenen Studien bekannten Daten zu mangelnder Mund-/Zahnhygiene bei

Altenpflegeheimbewohnern, der Tatsache, dass viele alte Menschen gar nicht mehr selbstständig ihre

Mundhygiene vornehmen können, sondern auf die kompetente Hilfe des Pflegepersonals angewiesen

sind, und dem seitens der Frankfurter Altenpflegeheimen geäußerten Wunsch nach Fortbildung ihrer

Pflegedienstmitarbeiter im Hinblick auf Zahnhygiene suchten wir nach Lösungsmöglichkeiten.

In Zusammenarbeit mit der Landeszahnärztekammer Hessen konnte eine erfahrene Zahnärztin für

eine Doktorarbeit gewonnen werden. Statt einer weiteren Erhebung des (voraussichtlich) ungünstigen

Zahnhygiene-Status bei Altenpflegeheimbewohnern wurde eine sog. Interventionsstudie konzipiert.

Die Mitarbeiter in der Altenpflege wurden in mehreren Einheiten intensiv im Hinblick auf die

Mundhygiene der von ihnen Gepflegten geschult und der Erfolg dieser Schulungen wurde kurzfristig

sowie über einen längeren Zeitraum bis ein Jahr nachuntersucht.

In Frankfurt nahmen insgesamt 98 Bewohner, darunter 30% Männer und 70% Frauen, in zwei

angesprochenen Heimen teil. 43% der Teilnehmer waren zwischen 80 und 90 Jahre und 15% über 90

Jahre alt. Ein Drittel hatten Pflegstufe 1, die Hälfte Pflegestufe 2 und 17% Pflegestufe 3. 31% gaben

an, einen Zahnarzt zu haben. Neben einer ausführlichen Anamnese zur Krankengeschichte, aber

auch zu Möglichkeiten und Grenzen der Mitarbeit und insbesondere der Handmotorik, wurde bei den

Bewohnern eine Basiserhebung zur Zahn- und Mundhygiene vorgenommen. Vier, 8 und 12 Monate

nach der Basiserhebung mit nachfolgender Hygieneschulung der Mitarbeiter resp. der Betroffenen

selbst wurden Nachuntersuchungen nach dem identischen Schema vorgenommen.

Unter anderem wurde der Zahnstatus erhoben, der sog. Plaque-Index, d.h. die Plaquebildung an den

(Rest)-Zähnen, der Blutungs-Index als Zeichen des Pflegezustands des Zahnfleischs, der sog.

Denture Hygiene-Index, d.h. der Pflege- und Hygienezustand der herausnehmbaren Prothesen sowie

die Sauberkeit der Zunge. Für die Details sei auf die ausführliche Dissertationsarbeit von Frau

Susanne Jäger hingewiesen.

Die Ergebnisse wurden zunächst in der Zeitreihe – d.h. Basisuntersuchung, 1.-3. Nachuntersuchung

nach 4 bis 12 Monaten (Abb. 97) ausgewertet. Dabei zeigte sich – wie aus anderen Untersuchungen

zu erwarten – ein erheblicher Verbesserungsbedarf. Die Hälfte der Bewohner war zahnlos, ein Viertel

hatte noch 1-8 Restzähne und jeweils ca. 10% 9-16 resp. über 16 Zähne. Jeweils ca. 20% der

Restzähne waren kariös oder ganz zerstört. Ca. 70% der Bewohner mit (Rest)Zähnen wiesen einen

hohen Plaqueindex (≥ 2) auf, woraus bei mehr als 90% ein Blutungs-Index (≥ 50%) in Form einer

Gingivitis resultierte. Auch die Pflege der herausnehmbaren Prothese musste in mehr als 50% bzw.

mehr als 70% als sehr ungünstig eingestuft werden (DHI≥ 8-10). Die Zunge war bei drei Viertel der

Teilnehmer belegt, bei einem Viertel mit starken Belägen.

Bis zur ersten Nachuntersuchung waren sehr gute Verbesserungen in allen Indices zu erkennen, die

über die nächsten 8 Monate auch gehalten, teilweise sogar gesteigert wurden. Der Plaqueindex

konnte bei jedem fünften auf besser als 1 vermindert werden, ebenso der Blutungs-Index auf unter

20%, parallel dazu nahm der Anteil der Bewohner mit Plaque-Index > 2 auf weniger als 50%, der

Anteil mit einem schlechten Blutungs-Index (> 50%) auf ca. 60% ab. Der Pflegezustand der Prothesen

war bei mehr als einem Drittel der Bewohner in keiner Weise mehr zu bestanden. Nur noch weniger

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251

als 5% der Bewohner, die die Teilnahme total verweigerten hatten, hatten starke Beläge auf der

Zunge, bei mehr als 80% war diese total sauber und gepflegt.

Abb. 97 Zahnhygienestatus bei 98 Bewohnern von zwei Altenpflegeheimen in Frankfurt am Main – Basisuntersuchung vor der Hygieneschulung der Mitarbeiter sowie 1. bis 3. Nachuntersuchung nach 4, 8 und 12 Monaten

Eine weitere Auswertung wurde unter Berücksichtigung der Fähigkeiten zur Handmotorik der Bewoh-

ner vorgenommen (Abb. 98). Bei der Basisuntersuchung hatte sich gezeigt, dass mit zunehmend

schlechterer Handmotorik sämtliche Hygieneindices schlechter waren (Abb. 98 linke Spalte). Bei den

Nachuntersuchungen (dargestellt ist die 3. Nachuntersuchung, Abb. 98 rechte Spalte) erreichten die

Bewohner mit guter Handmotorik die besten Resultate. Mit zunehmend eingeschränkter Handmotorik

wurden weniger günstige Ergebnisse erzielt. Eine Ausnahme bildete die Hygiene des herausnehm-

Plaque-Index Basis und Nachuntersuchungen

0102030405060708090

100

Basis% NU1 % NU2 % NU3 %

P r oz e nt

>2<1-2<=1

Denture Hygiene Index Basis- und Nachuntersuchungen

0102030405060708090

100

Basis% NU1 % NU2 % NU3 %

P r oz e nt

8 bis 105 bis 71 bis 40

Denture Hygiene Index Basis- und Nachuntersuchungen

0102030405060708090

100

Basis% NU1 % NU2 % NU3 %

P r oz e nt

8 bis 105 bis 71 bis 40

Zunge Basis- und Nachuntersuchungen

0102030405060708090

100

Basis% NU1 % NU2 % NU3 %

P r oz ent

komplett belegtwenig belegtsauber

Blutungsindex Basis - und Nachuntersuchungen

0102030405060708090

100

Basis% NU1 % NU2 % NU3 %

P r oz e nt

>50%>20-50%>10-20%bis 10%

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252

baren Zahnersatzes; diese wurde bei mit zunehmender Einschränkung der Handmotorik fast aus-

schließlich vom Pflegepersonal übernommen und hier wurden auch die besten Ergebnisse erzielt.

Abb. 98 Zahnhygienestatus bei 98 Bewohnern von zwei Altenpflegeheimen in Frankfurt am Main – in Abhängigkeit von der handmotorik der Bewohner – Basisuntersuchung und 3. Nachuntersuchung

Insgesamt waren die Ergebnisse so ermutigend, dass derzeit überlegt wird, eine vergleichbare Schu-

lung in regelmäßigen Abständen für die Mitarbeiter aller Heime anzubieten – ggf. gemeinsam mit der

Landeszahnärztekammer Hessen.

Plaqueindex - Basisuntersuchung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

gut eingeschränkt nicht möglich

Handmotorik

Pro

zen

t

>2

>1-2

<=1

Plaqueindex - 3. Nachuntersuchung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

gut eingeschränkt nicht möglich

Handmotorik

Pro

zen

t

>2

<1-2

<=1

Blutungsindex - Basisuntersuchung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

gut eingeschränkt nicht möglich

Handmotorik

Pro

zen

t

>50%>20-50%>10-20%bis 10%

Blutungsindex - 3. Nachuntersuchung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

gut eingeschränkt nicht möglich

Handmotorik

Pro

zen

t>50%>20-50%>10-20%bis 10%

Denture Hygiene Index OK - Basisuntersuchung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

gut eingeschränkt nicht möglich

Handmotorik

Pro

zen

t

8 bis 105 bis 71 bis 40

Denture Hygiene Index - 3. Nachuntersuchung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

gut eingeschränkt nicht möglich

Handmotorik

Pro

zen

t

8 bis 105 bis 71 bis 40

Zunge - Basisuntersuchung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

gut eingeschränkt nicht möglich

Handmotorik

Pro

zen

t

komplett belegtwenig belegt

sauber

Zunge - 3. Nachuntersuchung

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

gut eingeschränkt nicht möglich

Handmotorik

Pro

zen

t

komplett belegt

wenig belegt

sauber

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

253

Auswirkungen der Hitzewelle im August 2003 auf die Sterblichkeit in Frankfurt am Main

Im Sommer 2003 war eine extreme Hitzeperiode über West-Europa zu verzeichnen. In der Folge kam

es zu einer erheblichen Zunahme an hitzebedingten Todesfällen in Europa um mehr als 20.000: In

Frankreich starben etwa 14802 mehr Menschen als erwartet (+60%), für Italien wurde die Zahl

zusätzlicher Todesfälle mit 3134 (+15%) angegeben, für Portugal mit 2099 (+26%). Aus England und

Wales wurde eine Übersterblichkeit von 2045 Toten (+16%) berichtet.

Auch in Deutschland war vom 03.-13. August 2003 eine extreme Hitzewelle zu verzeichnen. Nach

Angaben des Deutschen Wetterdienstes handelte es sich mit Abstand um den wärmsten Sommer seit

Beginn der Messreihe im Jahre 1901. Die mittlere Sommertagestemperatur der Monate Juni-August

betrug 19,6°C. Sie lag damit um 3,4°C über dem gemittelten Referenzwert von 1961-1990. Die Mittel-

werte der bisher heißesten Sommer wurden nicht nur geringfügig, sondern gleich um 1-2°C

überschritten. Insbesondere im Südwesten der Bundesrepublik Deutschland herrschten über mehrere

Tage Temperaturen über 35°C, während im Nordosten der Republik solche Temperaturen gar nicht

oder nur für 1-2 Tage erreicht wurden. So ist auch nachvollziehbar, dass es gerade aus dem Süd-

westen zu zahlreichen Medienberichten über vermehrte Todesfälle vor allem bei älteren Bewohnern

von Alten- und Pflegeheimen kam. In einigen Fachpublikationen wurde über eine vermehrte Inan-

spruchnahme des Rettungsdienstes infolge hitzebedingter Symptome, aber auch über vermehrte

Todesfälle bei Altenheimbewohnern berichtet.

Vor diesem Hintergrund wurden die Leichenschauscheine aus Frankfurt am Main aus den Monaten

Juni bis August 2003 ausgewertet – als Grundlage für eine Risikobewertung und eine daraus

abgeleitete Entwicklung von Präventionsmaßnahmen für zu erwartende weitere Hitzeperioden.

Abb. 99 Mittlere Tagesmitteltemperatur Sommer Deutschland 1901- 2003, Deutscher Wetterdienst, www.dwd.de

Die Daten der Leichenschauscheine der zwischen dem 01.06.2003 und dem 31.08.2003

Verstorbenen aus Frankfurt am Main wurden in einer eigens erstellten Access-Datenbank erfasst.

Eingegeben wurden u.a. Sterbebuchnummer, Geburts- und Sterbedatum, Geschlecht, die Adresse

der Verstorbenen nach den Anschriften der Altenpflegeheime in Frankfurt, die unter „APH“

verschlüsselt wurden und Privatadressen, die unter „andere“ erfasst wurden. Die Angaben zur

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

254

täglichen Tagesmitteltemperatur, dem Maximal- und Minimalwert (Halbstundenwert), gemessen in

Frankfurt, Messstation Ost, wurden vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG)

überlassen.

Die in Frankfurt Ost im Rahmen des Luftreinhalteplans Rhein-Main von der hessischen Landesanstalt

für Umwelt und Geologie gemessenen Minimal-, Maximal- und Mitteltemperaturen pro Tag sind in

Abb. 100 links dargestellt. In Abb. 100 rechts sind die Todesfälle und die Maximaltemperaturen

gemeinsam dargestellt. Ab 03.08.2003 kam es zu einem deutlichen Temperaturanstieg, danach

wurden über mehrere Tage extreme Temperaturen gemessen: Die Maximaltemperaturen lagen bis

12.08.2003 über 35 C, die Tagesmitteltemperaturen bei 30°C und die Minimaltemperatur in den

Nächten blieb über 21°C. Erst nach dem 15.08.2003 kam es zu einer nachhaltigen Temperatur-

absenkung. Während im Juni-Juli im Mittel 14,6 Menschen pro Tag verstarben, mit maximal 21

Todesfällen pro Tag, stieg die Zahl der Verstorbenen pro Tag – etwas zeitversetzt nach Beginn der

Hitzeperiode – ab dem 06.08.2003 steil an und erreichte am 13.08.2003 mit 51 Verstorbenen den

höchsten Wert; danach nahm die Zahl der Verstorbenen pro Tag abrupt ab.

Abb. 100 Temperaturverlauf in Frankfurt/Main – Mess-Station Frankfurt Ost – vom 01.06. – 31.08.2003 – Tagesmitteltemperatur und Halbstunden-Maximal- und Minimalwerte °C. (links); Vergleich der Maximaltemperaturen mit der Sterblichkeit pro Tag (rechts)

Im Juni verstarben 439 Menschen, im Juli 415 und im August nahm die Zahl der Verstorbenen auf 633

zu. Somit stieg die Sterberate pro Tag von 14,0 im Juni/Juli auf 20,4 im August 2003. In der ersten

Augusthälfte, als die Hitzeperiode herrschte, betrug die Sterberate pro Tag sogar 27,6, in der zweiten

Hälfte sank sie auf 14,5 ab. Dies bedeutet einen Anstieg im August vs. Juni/Juli um 48%, bei

Betrachtung alleine der kritischen Zeit, der ersten Augusthälfte, um 98%. Die Sterblichkeit pro 1000

der Altersgruppe in den verschiedenen Monaten ist in Abb. 101 dargestellt. Die Übersterblichkeit

(Exzess-Mortalität) stieg mit zunehmendem Alter überproportional: Im Vergleich mit der Mortalität im

Juni/Juli 2003 betrug die Zunahme in der ersten Augusthälfte 66% bei den 60-70-Jährigen, 100% bei

den 70-80-Jährigen, 128% bei den 80-90-Jährigen und 146% bei den über 90-Jährigen.

Die Zunahme der Sterblichkeit im August vs. Juni-Juli 2003 betraf sowohl Bewohner von Altenpflege-

heimen als auch alte Menschen in Privatwohnungen bzw. in häuslicher Pflege (Abb. 102).

Temperaturverläufe in Frankfurt Juni-August 2003

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

01.0

6.20

03

08.0

6.20

03

15.0

6.20

03

22.0

6.20

03

29.0

6.20

03

06.0

7.20

03

13.0

7.20

03

20.0

7.20

03

27.0

7.20

03

03.0

8.20

03

10.0

8.20

03

17.0

8.20

03

24.0

8.20

03

31.0

8.20

03

TagesmitteltemperaturTemp. Max 1/2hTemp. min1/2h

Verstorbene und Maximaltemperatur

0

10

20

30

40

50

60

01.0

6.20

03

08.0

6.20

03

15.0

6.20

03

22.0

6.20

03

29.0

6.20

03

06.0

7.20

03

13.0

7.20

03

20.0

7.20

03

27.0

7.20

03

03.0

8.20

03

10.0

8.20

03

17.0

8.20

03

24.0

8.20

03

31.0

8.20

03

Verstorbene

Temp. Max 1/2h

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

255

Abb. 101 Verstorbene in Frankfurt am Main in den Monaten Juni, Juli und August 2003 pro 1000 der Altersgruppe

Abb. 102 Verstorbene in Frankfurt am Main in den Monaten Juni, Juli und August 2003 – nach Aufenthaltsort

Zusammenfassend bestätigen die hier vorgestellten Daten frühere Untersuchungen, die ebenfalls

einen Einfluss von extremer Hitze bzw. von Hitzewellen mit einer Latenz von 1-3 Tagen auf die

Mortalität nahezu ausschließlich bei älteren Menschen gefunden hatten. Im Gegensatz zu

Untersuchungen, die nach der hitzebedingt erhöhten Sterblichkeit eine Abnahme der Sterblichkeit

beobachteten und daraus schlossen, dass es sich lediglich um ein „Vorziehen“ der normalen

Sterblichkeit handelt, konnte dieser Effekt in der vorliegenden Untersuchung nicht festgestellt werden.

Die Mortalitätsraten pro Tag nach der Hitzeperiode waren nicht niedriger als anhand der Monatsmittel

Juni-Juli erwartet.

Im Sommer 2003 war den Medien der Focus stets auf die Sterblichkeit bei Bewohnern von

Altenpflegeheimen gelegt worden, es wurde über vermehrte Todesfälle in einzelnen Heimen berichtet.

Vor diesem Hintergrund wurden die Daten der in Frankfurt Verstorbenen auch nach der im

Leichenschauschein angegebenen Wohnadresse ausgewertet. Die Übersterblichkeit betraf etwa zur

einen Hälfte Bewohner von Altenpflegeheimen, zur anderen Hälfte Menschen aus Privatwohnungen.

Demzufolge besteht das Problem hitzebedingter Gesundheitsschäden bzw. Exzess-Mortalität nicht

nur für Bewohner von Altenpflegeheimen, sondern für alte Menschen insgesamt. Insofern kann aus

der Tatsache, dass während der Hitzeperiode die Übersterblichkeit bei Menschen aus Heimen und

aus Privatwohnungen etwa gleich hoch war, nicht unmittelbar auf die Situation innerhalb oder

Verstorbene pro 1000 in der Altersgruppe

0

5

10

15

20

25

30

35

< 60 60-<70 70-<80 80-<90 >90

Juni/1000

Juli/1000

August/1000

Gestorbene nach Aufenthaltsort und Monat

0

100

200

300

400

500

Altenpflegeheim Privatw ohnung

Anzahl

Juni

Juli

August

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

256

außerhalb der Heime geschlossen werden. Die bereits im Sommer 2003 vermehrt durchgeführten

Kontrollen des Versorgungsamtes in den Heimen in Hessen – auch in Frankfurt – ließen keine

schweren Pflegemängel erkennen (auch in Baden-Württemberg, wo etwa 1100 Todesfälle auf die

Hitzeperiode im August 2003 zurückgeführt wurden, war die Zunahme der hitzebedingten Sterblichkeit

in den Pflegeheimen nicht größer als in der häuslichen Pflege).

Vor diesem Hintergrund hat die Abteilung Medizinische Dienste und Hygiene des Gesundheitsamtes

Frankfurt im Sommer 2004 nicht nur Informationen zur Prävention hitzebedingter Gesundheits-

schäden an Altenpflegeheime gegeben, sondern auch Faltblätter mit entsprechenden Tipps über

Medien und Kontaktstellen für Senioren an die Zielgruppe der alten Menschen verteilt. Darüber hinaus

hat es an Fortbildungsveranstaltungen für verschiedene Zielgruppen mitgewirkt und eine Internetseite

mit weiteren Informationen eingestellt. Die Abteilungsleiterin hat in verschiedenen Fachzeitschriften

Beiträge zum Gesundheitsrisiko extremer Hitze und zur Therapie geschrieben. Mitarbeiter der

Abteilung haben in der Arbeitsgruppe Prävention von hitzebedingter Morbidität des Hessischen

Sozialministeriums mitgearbeitet, das im Sommer 2004 ein Hitzefrühwarnsystem etabliert hat. Ziel

aller Bemühungen ist es, durch Umsetzung dieser Empfehlungen, die größtenteils originäre Aufgaben

des Öffentlichen Gesundheitsdienstes darstellen, vermeidbare hitzebedingte Morbidität und Mortalität

effektiv zu verhüten.

Im Juli 2006 trat eine weitere Hitzwelle auf („Jahrhundertjuli“) mit Maximaltemperaturen über 35°C für

einige Tage, allerdings nicht ununterbrochen; die Minimaltemperatur blieb mit Ausnahme von 2 Tagen

unter 20°C. Auch hier wurde wieder die Sterblichkeit untersucht. Die Gegenüberstellung der

Ergebnisse aus dem Sommer 2006 mit dem Sommer 2003 zeigt, dass diesmal keine Übersterblichkeit

auftrat. Es kann nicht sicher gesagt werden, ob dies zeigt, dass die Lektionen aus dem Jahre 2003

gelernt wurden. Möglicherweise war die Hitzeperiode aber auch nicht so schwer wie 2003.

Abb. 103 Temperaturverlauf und Sterblichkeit in Frankfurt am Main im Sommer 2003 (links) und 2006 (rechts)

Grippe – Sterblichkeit

Die Influenza ist eine schwerwiegende Erkrankung. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts

kommt es in Deutschland jedes Jahr durch Influenza im Mittel zu 0,8-1,6 Millionen Arbeitsunfähig-

keiten, zu 10.000-20.000 Krankenhauseinweisungen und 5000-8000 Todesfällen. Im Frühjahr 2003

(erste Märzhälfte) gab es nach Angaben des Robert Koch-Instituts eine deutlich stärkere Influenza-

welle in Deutschland mit ca. 20.000-30.000 Krankenhauseinweisungen und einer Übersterblichkeit

Verstorbene - Minimal- und Maximaltemperaturen Sommer 2003

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

1 6 11 16 21 26 1 6 11 16 21 26 31 5 10 15 20 25 30

Verstorbene 2003

Temp. max1/2h 2003

min1/2h 2003

Verstorbene - Minimal- und Maximaltemperaturen Sommer 2006

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

1 6 11 16 21 26 1 6 11 16 21 26 31 5 10 15 20 25 30

Verstorbene 2006

Temp max 1/2 h 2006

Temp min 1/2 h 2006

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

257

von 12.000-20.000 Toten. ). Auch im Winter 2005 trat wieder eine sehr heftige Erkrankungswelle auf.

Den zeitlichen Ablauf in der Bundesrepublik Deutschland zeigen nachfolgende Wochendarstellungen,

wie sie von der Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert Koch-Institut veröffentlicht werden

(www.influenza.rki.de). Die nachfolgend dargestellten Graphiken zeigen, dass in der 5. Kalender-

woche (31.01.- 08.02.05) im Süden eine Influenzawelle ihren Ausgang nahm, diese in der 6. Woche

den gesamten Südwesten Deutschlands erreichte, dann weiter nach Norden und Osten zog. In der

11. Woche (14.03.-21.03.05) war im Südwesten wieder alles vorbei.

Abb. 104 Grippewelle in Deutschland Januar bis März 2005 (Kalenderwochen) (influenza.rki.de)

4. Woche 5. Woche 6. Woche

7. Woche 8. Woche 9. Woche

10. Woche 11. Woche

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Spezielle Themen – Auswahl

258

Vor diesem Hintergrund wurden die Sterbedaten aus Frankfurt am Main – die uns freundlicherweise

vom Einwohnermeldeamt retrospektiv zur Verfügung gestellt wurden – der Wintermonate 2000-2005

im Vergleich ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass in dem Zeitraum, in dem in Deutschland die starke

Grippewelle 2003 zu beobachten war, es in Frankfurt nicht zu einer auffälligen Zunahme der

Sterblichkeit gekommen war; desgleichen war im Winter 2005 die Sterblichkeit nicht auffällig. (Abb.

105). Auch der Vergleich der Wintermonate über die letzten Jahre zeigte keine Auffälligkeiten. (Abb.

106). Allerdings ist zu betonen, dass die Sterblichkeit nur die „Spitze des Eisbergs“ darstellt. Daten zu

Krankheitstagen / Krankenhauseinweisungen liegen dem Amt nicht vor.

Abb. 105 Sterblichkeit in den Wintermonaten 2000 bis 2005 in Frankfurt am Main

Abb. 106 Sterblichkeit in den Wintermonaten Januar – März in den Jahren 2000-2005 in Frankfurt am Main

Verstorbene pro Monat Jan bis März 2000-2005

0

100

200

300

400

500

600

700

2000 2001 2002 2003 2004 2005

AnzahlJanFebrMärz

Sterbefälle pro Tag in Frankfurt am Main - Januar bis März 2000-2005

0

5

10

15

20

25

30

35

40

01.0

1.04

08.0

1.04

15.0

1.04

22.0

1.04

29.0

1.04

05.0

2.04

12.0

2.04

19.0

2.04

26.0

2.04

04.0

3.04

11.0

3.04

18.0

3.04

25.0

3.04

An

zah

l

200320042005Mittelwert 2000-2005

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Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen - Altenpflegeheime - Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

259

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

Hygiene im Altenpflegeheim:

Heudorf U, Hentschel W: Infektionshygienische Überwachung von Altenpflegeheimen durch das Gesundheitsamt – Erfahrungen aus dem Gesundheitsamt in Frankfurt/Main von 1989 bis 1998. Gesundheitswesen (2000) 62: 670-677.

Heudorf U, Hentschel W: Überwachung der Hygiene in Alten- und Pflegeheimen – Aufgabe der Ge-sundheitsämter. Hygiene und Medizin (2002) 32-33.

Hentschel W, Heudorf U: Das Hygiene-Ranking der Frankfurter Altenpflegeheime – Konzept und erste Erfahrungen. Gesundheitswesen (2007) 69: 233-239.

MRSA:

Heudorf U, Bremer V, Heuck D: Methicillinresistente Staphylokokken bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen. Hessisches Ärzteblatt (2000) 61: 511-513.

Heudorf U, Bremer V, Heuck D: MRSA-Besiedelung bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen sowie bei Patienten einer geriatrischen Rehabilitationsklinik in Frankfurt am Main, 1999. Das Gesundheitswesen (2001) 63: 447-454.

Heudorf U: MRSA außerhalb des Krankenhauses – Was tun?. Der Kassenarzt (2002) 48/49: 28-31.

Heudorf U: Umfrage zu MRSA in Alten- und Pflegeheimen in Frankfurt am Main. Hygiene und Medizin (2003) 28: 124-128.

Heudorf U: Methicillinresistenter Staphylococcus aureus (MRSA) in Altenpflegeeinrichtungen. Was tun? Krankenhaus-Hygiene und Infektionsverhütung (2004) 26: 217-221.

Heudorf U, Tessmann R: Aktuelles zu MRSA im Krankenhaus und anderswo. Hessisches Ärzteblatt (2005) 66: 740-741.

Hitzemortalität:

Heudorf U, Stark S: Gesundheitsgefahren durch extreme Hitze – Prävention ist notwendig – Konse-quenzen aus der Hitzeperiode im August 2003. Hessisches Ärzteblatt (2004) 65: 420.

Püllen R, Heudorf U: Bedeutung und Prävention Hitze-assoziierter Erkrankungen. Hessisches Ärzte-blatt (2005) 66: 379-380.

Heudorf U, Meyer C: Gesundheitliche Auswirkungen extremer Hitze – am Beispiel der Hitzewelle und der Mortalität in Frankfurt am Main im August 2003. Gesundheitswesen (2005) 67: 369-374.

Abstracts der Doktorarbeiten:

Schulte D, Heudorf U: Nosokomiale Infektionen im Altenpflegeheim – Inzidenz, Risikofaktoren sowie Präventionsmöglichkeiten durch Hygiene. Gesundheitswesen (2007) 69: 172.

Gruber I, Wichelhaus TA, Heudorf U: Multiresistente Keime bei Bewohnern von Altenpflegeheimen – Prävalenz un d Risikofaktoren von MRSA, VRE und ESBL. Gesundheitswesen (2007) 69: 187

Jäger S, Köster-Schmidt A, Heudorf U. Zahnhygiene und Zahn Gesundheit bei Bewohnern von Altenpflegeheimen – Auswirkungen eines Trainingsprogramms für Pflegekräfte auf die Zahngesundheit der Betreuten. Gesundheitswesen (2008) 70: 197.

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Verschiedenes - Hygiene - Workshop Flughafenhygiene

260

Verschiedenes

Hygiene

Workshop Flughafenhygiene

Unter Flughafenhygiene werden alle Maßnahmen verstanden, die der Sicherung der Gesundheit der

Passagiere und des Personals vor dem Hintergrund der Gegebenheiten des nationalen und

internationalen Flugverkehrs dienen. Die Flughafenhygiene umfasst ein breites Spektrum von

hygienischen Fachbereichen. Die markantesten Oberbegriffe sind Seuchenhygiene des Menschen

und der Tiere, Trinkwasserhygiene und die Sanitärhygiene.

Das Stadtgesundheitsamt Frankfurt führt in seiner Zuständigkeit für den größten deutschen Flughafen

deswegen seit dem Jahr 2002 jährlich den "Workshop Flughafenhygiene" durch. Diese 2-tägige

Veranstaltung richtet sich an alle Gesundheitsämter, die einen Flughafen zu betreuen haben, an die

Betreiber von Flughäfen selbst, an Luftfahrtgesellschaften und an alle anderen interessierten

Personen, Institutionen und Behörden.

Ziele der Workshops sind die Darstellung des aktuellen Wissenstandes der Flughafenhygiene und die

Vermittlung von Praxis. Für die Facharztausbildung des Fachs „Umweltmedizin“ können dabei

Fortbildungspunkte erworben werden.

Die Tagesordnung umfasst jeweils einen Teil mit Plenumvorträgen, die für alle Beteiligten interessant

sind sowie Workshops von Arbeitsgruppen zu den Themen Trinkwasserhygiene und Seuchenhygiene,

in denen neben der eigentlichen Arbeitsgruppenarbeit meist auch Kurzvorträge stattfinden.

Bislang sind folgende Veranstaltungen durchgeführt worden:

Workshop Flughafenhygiene 2002

Der erste Workshop Flughafenhygiene das Stadtgesundheitsamtes fand am 27. und 28. November

2002 in Frankfurt am Main statt.

Plenumvorträge

System der trinkwasserbezogenen Flugzeugüberwachung der DLH Frau Bender, Deutsche Lufthansa, Frankfurt

Betrieb der Trinkwasser-Flugzeugbetankungsanlagen der Fraport AG Herr Klein, Fraport AG

Anforderungen an die Ambulanz eines Großflughafens Dr. Gaber, Fraport AG

Umgang mit hochkontagiösen Erkrankungen im internationalen Reiseverkehr Dr. med. Dipl. Ing. Gottschalk. Stadtgesundheitsamt, Frankfurt a.M.

Als gemeinsame Exkursion fanden statt: Vorfeld-Rundfahrt, Besichtigung des Zollgepäck-

sammellagers und der Fäkalienstation sowie der Flughafenklinik. Des Weiteren wurde die

Trinkwasser-Tankanlage der Fraport AG sowie die Regenwassernutzungsanlage des Terminals 2

besichtigt. Zum Ende der Veranstaltung standen dann das Kennenlernen der Quarantänestation der

Flughafenklinik und der Isolierstation der Universitätsklinik (Haus 68) sowie der zugehörigen

Transportmittel auf dem Programm.

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Verschiedenes - Hygiene - Workshop Flughafenhygiene

261

Workshop Flughafenhygiene 2003

Der Workshop Flughafenhygiene 2003 fand am 03. und 04. Dezember 2003 in Frankfurt a.M. statt.

Die Thematik umfasste schwerpunktmäßig infektiologische Themen.

Plenumvorträge:

Sachstand der Novellierung der internationalen Gesundheitsvorschriften PD Dr. Kramer, Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, Berlin

Insekten als Überträger von Infektionskrankheiten in europäischen Flughäfen PD Dr. Faulde, Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Koblenz

Desinsektionsstrategien für Flugzeuge Dipl.-Ing. Schröder, Deutsche Lufthansa, Hamburg

Erfahrungen mit dem Konzept der Kompetenzzentren Prof. Dr. Fock, Robert Koch Institut

Praktische Erfahrungen mit SARS Dr. Gottschalk, Stadtgesundheitsamt Frankfurt/M

Infektionsrisiken durch Tuberkulose im Flugverkehr Dr. Königstein, Gesundheitsamt Schwarzwald-Baar-Kreis

Veterinärmedizinische Fragen in der Seuchenbekämpfung Frau Dr. Göbel, Tierärztliche Kontrollstelle Flughafen Frankfurt/M

Kurzvorträge der Trinkwasser-Arbeitsgruppe:

Ablaufplan „Flugzeugbetankung" Herr Bohne, airport go ahead, Heidelberg

Aufbau eines Untersuchungsbescheides Herr Schmidt, Rechtsamt der Stadt Frankfurt/M

Stand der technischen Regeln (Mobile Trinkwasseranlagen etc.) Dr. Ing. Bartel, Umweltbundesamt, Berlin

Die Trinkwasser-Arbeitsgruppe beschäftigte sich nach den Kurzvorträgen vorrangig mit Fragen der

Ableitung eines Maximalwertes für Pseudomonas aeruginosa.

Die Arbeitsgruppe "Seuchenhygiene" übte in einem dankenswerterweise von der Deutschen

Lufthansa bereitgestellten Airbus das Vorgehen des Gesundheitsamtes bei Ankunft eines mit

infektionsverdächtigen Passagieren besetzten Flugzeuges.

Die Exkursionsziele waren die Besichtigung vorfeldseitiger Arbeitsplätze, die Besichtigung der

Tierärztlichen Kontrollstelle sowie die Besichtigung eines Großraumflugzeuges der Deutschen

Lufthansa unter Desinfektionsgesichtspunkten.

Workshop Flughafenhygiene 2004

Der Workshop Flughafenhygiene 2004 fand am 01. und 02. Dezember 2004 in Frankfurt a.M. statt

und war in diesem Jahr überwiegend von mikrobiologischen Themen bestimmt.

Plenumvorträge:

Pseudomonas aeruginosa als wasserbedingter Krankheitserreger – Prävention und Kontrolle unter Berücksichtigung mobiler Wasserversorgungsanlagen Prof. Exner, Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit, Bonn

Sachstand der Novellierung der Internationalen Gesundheitsvorschriften HRS PD Dr. Kramer, Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, Bonn

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Verschiedenes - Hygiene - Workshop Flughafenhygiene

262

Emerging Diseases Dr. med. Dipl. Ing. Gottschalk. Stadtgesundheitsamt, Frankfurt a.M.

Kurzvorträge der Trinkwasser-Arbeitsgruppe:

Anforderungen an die Trinkwasserüberwachung des Gesundheitsamtes auf Flughäfen - Untersuchungsergebnisse der Trinkwasserüberwachung auf dem Rhein-Main-Airport Dipl. Ing. Hentschel, Stadtgesundheitsamt Frankfurt a.M.

Das DLH-Manual „Quality Assurance Manual Potable Water for Human Consumption“ Herr Schröder, Deutsche Lufthansa, Hamburg

Die Trinkwasser-Arbeitsgruppe beschäftigte sich danach weiter mit der Formulierung eines

Maximalwertes für Pseudomonas aeruginosa.

Die Arbeitsgruppe "Seuchenhygiene" beschäftigte sich mit dem aktuellen Seuchengeschehen am

Beispiel der Vogelgrippe sowie mit der Kontrolle von Sanitäreinrichtungen.

In einer gemeinsamen Exkursion wurde am 2. Tag der Catering-Betrieb der Lufthansa Service

Gesellschaft besichtigt.

Workshop Flughafenhygiene 2005

Der Workshop Flughafenhygiene 2005 fand am 16. und 17. November 2005 in Frankfurt a.M. statt.

Die Thematik umfasste Fragen der allgemeinen Hygiene, infektiologische Problematiken und der

Umwelthygiene.

Plenumvorträge:

Vogelgrippe – Zusammenhänge zwischen Infektionsepidemiologie und Vogelkunde Herr Dr. Richartz, Vogelschutzwarte Frankfurt

Grundwasserverunreinigungen durch den Flughafenbetrieb Frau Schwarz, Umweltamt Frankfurt a.M.

Neues Verfahren zur Flugzeugdesinsektion des BfR und des UBA Herr Dr. Appel, Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)

Desinfektion Babywickelräume am Flughafen Frankfurt/Main Herr Kohl, Gebäudemanagement der Fraport AG

Hygiene in Sanitäranlagen eines Großflughafens aus Sicht des Gesundheitsamtes Dipl. Ing. Hentschel, Stadtgesundheitsamt Frankfurt a.M.

Kurzvorträge der Trinkwasser-Arbeitsgruppe:

Trinkwasserüberwachung GA Erding Herr Wicklein, Landratsamt Gesundheitsamt Erding

In der Trinkwasser-Arbeitsgruppe wurden die derzeit in den USA intensiv diskutierten

Regelungsvorschläge besprochen und der Sachstand der derzeit in Bearbeitung befindlichen DIN

2001 Bl. 2: Mobile Wasserversorgungsanlagen vorgestellt.

Kurzvortrag der Arbeitsgruppe „Seuchenhygiene“:

Probeentnahme, Umgang und Transport von infektiösen Materialien Mitarbeiter der Abt. Infektiologie des Stadtgesundheitsamtes Frankfurt a.M.

In der Arbeitsgruppe "Seuchenhygiene" wurden praktische Übungen zum Thema des Kurzvortrages

durchgeführt.

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Verschiedenes - Hygiene - Workshop Flughafenhygiene

263

Das neue Gebäude der hiesigen Flughafen-Feuerwehr sowie die Besichtigung der entsprechenden

Spezialfahrzeuge waren das Ziel der Exkursion in diesem Jahr.

Workshop Flughafenhygiene 2006

Der Workshop Flughafenhygiene 2006 fand am 15. und 16. November 2006 in Frankfurt a.M. statt.

Der Workshop 2006 sollte den Teilnehmern einen Einblick in die Arbeitsweisen verwandter

hygienischer Bereiche ermöglichen. Dazu wurden Vorträge zur Trinkwasserüberwachung der

Bundesbahn und zur Überwachungspraxis des hafenärztlichen Dienstes des Hamburg Port Health

Center angeboten.

Plenumvorträge:

Die aktuelle seuchenhygienische Lage aus der Sicht eines Großflughafens Herr Dr. Gaber, Fraport AG

Was können wir aus der Überwachungspraxis des hafenärztlichen Dienstes lernen? Herr Mathias Kalkowski, Hamburg Port Health Center

Was können wir aus der Überwachungspraxis des Eisenbahnbundesamtes lernen? Herr Rainer Mahnke, Bundesbahnaufsichtsamt

Mobile Trinkwasserversorgungsanlagen (Entwurf der DIN 2001 Bl. 2) Herr Dr. Bartel , Umweltbundesamt

Die Trinkwasser-Arbeitsgruppe beschäftigte sich überwiegend mit Zuständigkeitsfragen bei der

Trinkwasserüberwachung.

Die Arbeitsgruppe "Seuchenhygiene" beschäftigte sich interaktiv mit der Frage der gesundheits-

amtlichen Reaktion auf kurzfristige Infektionsmeldungen im internationalen Flugverkehr, das Szenario

lautete: „Aktueller Lassa-Fall in Frankfurt – wie hätten Sie es gemacht?“

Die Exkursionsziele waren in diesem Jahr die neue Wassertankstation des Frankfurter Flughafens

sowie die Besichtigung der Flughafen-Ambulanz und des neuen Infektions-RTW der Frankfurter

Feuerwehr.

Workshop Flughafenhygiene 2007

Der Workshop Flughafenhygiene 2007 fand am 27. und 28. November 2007 in Frankfurt a.M. statt.

Der Workshop 2007 sollte neben der wiederholten Beschäftigung mit den internationalen Gesund-

heitsvorschriften vertiefende Informationen zur Grundwasserproblematik und Instandhaltungs-

Strategien am Beispiel des Frankfurter Flughafens vermitteln. Der geplante Beitrag zu Inhalten der in

Revision befindlichen Trinkwasserverordnung musste leider entfallen, da der Referent aus

terminlichen Gründen kurzfristig verhindert war.

Plenumvorträge:

Die internationalen Gesundheitsvorschriften Herr Höhl, Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, Berlin

Flughafenbetrieb und Trinkwasserhygiene – Grundwassersanierung im Abstrom des Frankfurter Flughafens Herr Werner, Fa. Arcadis Consult GmbH, Darmstadt

Sanierung sanitärer Installationen am Flughafen -Konzept zur Vermeidung von Trinkwasserkontamination und Einhaltung der Trinkwasserverordnung im Terminal 1 Dipl. Ing. Günter Meyer, Fraport AG Bauabteilung

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Verschiedenes - Hygiene - Hygiene im Friseurbetrieb

264

Kurzvorträge der Trinkwasser-Arbeitsgruppe:

Drinking water on board KLM aircraft / Food & Drink Standards Stephen Glass, British Airways

Eine weitere Aktivität der Trinkwasser-Arbeitsgruppe war in diesem Jahr die Sichtung der in den

Workshops ab 2002 bis heute zusammengetragenen Materialien mit dem Ziel, diese im kommenden

Jahr in Schriftform präsentieren zu können.

Kurzvorträge der Arbeitsgruppe „Seuchenhygiene“:

Leichenfreigabe an einem internationalen Schiffshafen/Flughafen Dr. Tobias Riemer, Hamburg Port Health Center

Praktische Pandemievorsorge im Stadtgesundheitsamt Frankfurt a. M. PD Dr. Ursel Heudorf, Stadtgesundheitsamt Frankfurt a.M.

Daran anschließend diskutierte die Arbeitsgruppe "Seuchenhygiene" die Themen der Kurzvorträge

intensiv.

Die diesjährige Exkursion führte die Teilnehmer in Ergänzung zum Plenumvortrag zum Thema

Grundwasserverunreinigungen in das nahe gelegene Wasserwerk Goldstein der Hessenwasser

GmbH & Co KG im Frankfurter Stadtwald.

Hygiene im Friseurbetrieb

Nicht nur in medizinischen Einrichtungen,

auch im Friseurbetrieb ist ein Infektions-

risiko gegeben. So sind die Übertragung

von Viren (HIV, HBV, HCV) durch winzige

Blutmengen an den Steckköpfen von

Haarschneidemaschinen oder am Rasier-

messer möglich oder auch die Übertragung

von Kopfläusen oder von Pilzkrankheiten

an Haut, Haaren und Nägeln. Dieses Infek-

tionsrisiko muss durch Einhaltung geeig-

neter Hygienemaßnahmen minimiert

werden (z.B. TRGS 530 „Friseurhand-

werk“; Hessische Infektions-Hygienever-

ordnung). Die Gesundheitsämter können die Einhaltung dieser Hygienevorgaben auf der Grundlage

einschlägiger Landesverordnungen überwachen.

In Abstimmung mit der lokalen Friseurinnung wurde zunächst ein Merkblatt zur Hygiene im Friseur-

handwerk erarbeitet und über das Internet zur Verfügung gestellt. Folgende Forderungen wurden u.a.

aufgestellt: Für die Händehygiene ist eine entsprechende Ausstattung mit Waschbecken, Flüssigseife

und Einmalhandtüchern unabdingbar; darüber hinaus sollte – nach evtl. Schnittverletzungen oder

Kontakt mit Blut o.ä. – die Möglichkeit zur Händedesinfektion gegeben sein. Schmuck (Ringe,

Armreifen etc.) sind vor der Tätigkeit am Kunden abzulegen, da sie die Händehygiene beeinträchtigen

können. Eine präventive tägliche Flächendesinfektion aller Kontaktflächen (z.B. Nacken- /Kopfstützen,

Armlehnen etc) sowie eine sachgerechte Aufbereitung der Arbeitsmaterialien incl. möglichst täglicher

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Verschiedenes - Hygiene - Hygiene im Friseurbetrieb

265

Hygiene im Friseurbetrieb

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

gute allgemeine Sauberkeit

Arbeitskleidung der Mitarbeiter sauber

kein Arm- und Handschmuck bei den Mitarbeitern

Kundentoilette vorhanden

falls ja: mit Flüssigseife

falls ja: mit Einmalhandtuch?

Desinfektionsmittel vorhanden für

Haut/Hände

Instrumente

Flächen

Waschgelegenheit mit

Flüssigseife

Einmalhandtücher

Händedesinfektionsmittel

Arbeitsflächen

gut zu reinigen

tägl. gründlich nass gereingt

Arbeitsgeräte

Reinigung mindestens täglich

Handtücher

gekocht oder mind. bei 60 C aufbereitet

Hygieneplan vorhanden

Prozent

Desinfektion werden empfohlen. Kundenhandtücher sind bei mindestens 60°C zu waschen, bei

Einsatz von Mehrwegumhängen sind Papierhalskrausen zu verwenden.

Nach entsprechender Information erfolgte eine standardisierte, checklisten-basierte, kostenpflichtige

Begehung der Betriebe durch eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes. Bei Bedarf wurden kurzfristig

Nachkontrollen durchgeführt.

Von April 2006 bis März 2007 wurden 163 Betriebe erstmals begangen. Die Betriebe waren im Mittel

73 m² groß (15-394 m²), hatten 1 bis 5 Räume und 1 bis 24 Bedienplätze bzw. 1 bis 11 Waschplätze.

Insgesamt war den Betrieben eine gute Sauberkeit zu bescheinigen. Über den Verlauf der Monate

zeigte sich eine Tendenz zu Verbesserung, insbesondere was das Nicht-Tragen von Schmuck und

das Vorhandensein gelisteter Desinfektionsmittel anbetrifft. Im Rahmen der ersten Erhebung wurde

angegeben, dass in 22 Friseur-Salons im vorangegangenen Jahr insgesamt 33 Kunden wegen

Kopfläusen abgewiesen wurden.

Abb. 107 Ergebnisse der infektionshygienischen Überwachung von 244 Friseurbetrieben in Frankfurt am Main 2006-2008

Inzwischen wurden insgesamt 244 Friseurbetriebe begangen. Die Aufbereitung der Arbeitsgeräte

erfolgte in 229 der 244 Betriebe täglich und darüber hinaus bei Bedarf, in wenigen Betrieben wurde

angegeben, diese Geräte nur einmal wöchentlich besonders aufzubereiten. In 225 von 244

Einrichtungen wurden Kundenhandtücher nach jedem Kunden gut aufbereitet.

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Verschiedenes - Mensch und Natur - Eichenprozessionsspinner – 2007 auch in Frankfurt

266

Nachdem es sich in den Betrieben herumgesprochen hatte, dass das Gesundheitsamt Hygiene-

kontrollen durchführt, konnte eine gute Zunahme der Akzeptanz für die Beratung und Begehung sowie

zunehmende Hygienekompetenz in den Betrieben festgestellt werden.

Mensch und Natur

Eichenprozessionsspinner – 2007 auch in Frankfurt

In den letzten Jahren breitet sich der Eichenprozessionsspinner in Mitteleuropa aus. Ausgehend von

Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz) ist inzwischen auch Hessen

betroffen; hier kam es beispielsweise im Raum Darmstadt im Jahre 2005 zu Klagen bei

Spaziergängern und Kindern nach Kontakt mit den Raupenhaaren dieser Falterart. In Frankfurt waren

im Jahr 2006 lediglich 12 Standorte mit dem Eichenprozessionsspinner befallen, im Jahre 2007 waren

es bereits mehr als 600. Das Umfeld vieler befallener Bäume musste kurzfristig gesperrt und die

Bäume behandelt werden. Deswegen wurde 2007 auch in Frankfurt vor dem Eichenprozessions-

spinner gewarnt (s. Kästchen). Das Gesundheitsamt informierte die Bevölkerung über das Internet

und Pressearbeit, die Ärzteschaft über einen Beitrag im Hessischen Ärzteblatt (2007).

Abb. 108 Prozession der Raupen des Eichenprozessionsspinners am Stamm einer Eiche

Abb. 109 Hautsymptomatik nach Kontakt mit den Härchen

Nach den Erfahrungen in der Region aus dem Jahre

2007 mit einem massiven Befall der Eichen in Frankfurt

und im Umfeld wurden im Jahr 2008 präventiv Bekäm-

pfungsmaßnahmen durch das Grünflächenamt der Stadt

Frankfurt eingeleitet. Die Maßnahmen waren erfolgreich:

Im Jahr 2008 wurden dem Gesundheitsamt keine Klagen

über den Eichenprozessionsspinner bekannt.

Pressemitteilung 2006:

Nach dem warmen Winter tritt der Eichenprozessions-spinner auch in Frankfurt vermehrt auf. Die Raupen des Falters ernähren sich von Blättern von Eichen und wandern auf den Bäumen „prozessionsartig“ entlang (Abb. 108). Dies gab dem Falter seinen Namen Eichenprozessionsspinner.

Die kleinen, bis zu 0,2 mm langen Härchen der Rau-pen, können abbrechen und vom Wind weiter getra-gen werden. Bei der geringsten Berührung brechen die Härchen und setzen einen Giftstoff frei, der sehr stark juckende Hauterscheinungen hervorruft, die an viele kleine Insektenstiche oder andere Kontakt-allergien erinnern (Abb. 109). Darüber hinaus kann bei Schleimhautkontakt auch eine juckende Augenrei-zung, Niesreiz und Nasenlaufen sowie Hustenreiz, in sehr seltenen Fällen bis hin zur Atemwege auftreten.

Betroffene sollten einen Arzt aufsuchen und auch auf den Kontakt mit Raupenhaaren hinweisen. In der Regel sind die Symptome zwar sehr heftig, aber eher kurz. In den meisten Fällen genügt eine Behandlung mit Antihistaminika und/oder Cortisonsalben.

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Verschiedenes - Mensch und Natur - Ambrosia

267

Ambrosia

Ambrosia breitet sich in den letzten Jahren rasant aus, auch in Hessen. Die Pollen dieser Pflanze –

Ragweed Pollen – gehören zu den stärksten bekannten Inhalationsallergenen. Deswegen fordern

Allergologen wirksame Aktionen, der weiteren Ausbreitung dieser Pflanze in unseren Breiten

zuvorzukommen. Aber nicht nur Ärzte sehen die Ausbreitung dieser Pflanze als sehr problematisch

an. So ist die Art in einigen Ländern (z.B. Ungarn, Kanada) ein gefürchtetes landwirtschaftliches

Unkraut, das Ertragseinbußen bei verschiedenen Feldfrüchten verursachen kann.

Ambrosia kann leicht mit Beifuß verwechselt werden. Charakteristische

Kennzeichen der Ambrosia sind die doppelt fiederteiligen Blätter mit grü-

ner Unterseite (Beifuß: silbrig-grauer Unterseite) und die abstehend

behaarten Stängel (Beifuß: unbehaarte, glatte Stängel).

In den USA, wo diese Pflanze heimisch ist, ist etwa die Hälfte der

Pollenallergien auf Ragweed zurückzuführen. Die Pollen dieser Pflanze

werden zu den stärksten Allergenen gezählt, nicht nur im Hinblick auf die

Häufigkeit und die Schwere der Sensibilisierung, sondern auch bezüglich

der Intensität der Symptome. So reichen wenige Pollen/m³ zur Sensibi-

lisierung aus, die sehr rasch nach Ansiedlung der Pflanze in einer Region

auftreten. Ambrosiapollen können heuschnupfenähnliche Symptome und Pollen-Asthma auslösen.

Auch ältere Erwachsene, die nie Allergieprobleme hatten, können erstmals an einer Ambrosia-Allergie

erkranken, mit schweren Symptomen. Die Symptome sind in Bevölkerungen, wo diese Pflanze neu

auftritt, wesentlich stärker ausgeprägt als in Regionen, wo sie seit langem wächst. Kreuzallergien zu

Beifuß, Kräutern, aber auch zu Nahrungsmitteln wie Melonen, Gurken, Bananen sind beschrieben. Da

die Pollen insbesondere im Spätsommer/Herbst fliegen, treten die Symptome nach der typischen

Gräserpollenflugzeit auf und belasten die Betroffenen bis in den späten September (Anfang Oktober).

Nachdem in den letzten Jahren erstmals Ambrosia auch in Hessen und in Frankfurt festgestellt wurde,

hat das Gesundheitsamt intensiv vor dem Heimischwerden dieser neuen Pflanze gewarnt (Medien,

Internet, Hess. Ärzteblatt). Bislang wurden dem Amt keine Ambrosia-Allergien in Frankfurt bekannt.

Abb. 110 Ausbreitung der Ambrosia in Hessen 2002-2007. Daten der Arbeitsgruppe Biodiversität (Dr. Alberternst und Dr. Nawrath) Hess. Ärzteblatt 2008.

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Verschiedenes - Mensch und Natur - Ambrosia

268

Publikation aus der Arbeit der Abteilung

Heudorf U, Saltuari M, Hentschel W: Hygiene im Friseurbetrieb. Gesundheitswesen (2007) 69: 167-194.

Heudorf U, Heldmann S: Parks und Grünanlagen als Therapieräume. Was ist bewiesen? In: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL): Jahrbuch 2008: Garten und Gesundheit. Zur Bedeutung des Grüns für das Wohlbefinden. Berlin 2008; S. 82-86.

Heudorf U, Behrendt H, Alberternst B, Nawrath S. Ambrosia artemisiifolia in Hessen. Wie kann die Ausbreitung dieser Pflanze mit hohem Allergiepotential noch gestoppt werden. Hessisches Ärzteblatt (2008) 358-360

Heudorf U: Über den Zusammenhang von Grün und Gesundheit. Stadt Raum (2008) 29: 236-241.

Heudorf U: Der Eichenprozessionsspinner – Raupenhaare als Krankheitserreger. Hess Ärzteblatt (2006) 402-403.

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30 Jahre Umwelthygiene im Stadtgesundheitsamt Frankfurt – ein Rückblick

269

30 Jahre Umwelthygiene im Stadtgesundheitsamt Frankfurt – ein Rückblick

Gute Praxis?

Der vorgelegte 30-Jahre-Bericht über besonders hervorstechende Aktivitäten und Projekte des

Bereichs Umwelthygiene zeigt eine Fülle von Themen, Herangehensweisen und Lösungen fachlicher

Belange. Nicht berichtet wurde bisher über das Handwerkliche, das im Hintergrund jeder fachlichen

Entwicklung steht und ohne das vieles überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Die Grundlage dieser

Arbeiten war nicht nur, bestimmt aber zum guten Teil die mit der Einführung von EDV im

Gesundheitsamt entstandene Einsicht, dass die Standardsoftware, in diesem Fall MS Office, eine

Fülle von Werkzeugen und Voraussetzungen dafür mitbringt, um durch Beherrschung der Anwen-

dungsprogrammierung viele Probleme selbst lösen zu können und professionell angebotene

Softwarelösungen nicht immer benötigt werden. Diese Kompetenz musste im Sachgebiet Umwelt-

hygiene erst in einem längeren Prozess erworben werden, ermöglichte dann aber eine vielfältige

Nutzung dieses Wissens und die effektive Ausnutzung der Standardsoftware. Voraussetzung dafür

war natürlich, dass die Amtsleitung hierfür offen war und sich eher als Ermöglicher denn als

Bedenkenträger gesehen hat. Darüber hinaus hat die Gewöhnung an logisches und strukturiertes

Denken, wie es für die Softwareentwicklung nötig ist, sich auch positiv auf die Gestaltung anderer

Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen im Sachgebiet ausgewirkt.

Auch vor dem EDV-Zeitalter war in der öffentlichen Verwaltung sachkundig und gründlich gearbeitet

worden. Die persönliche Erfahrung jedes Menschen, der diese Übergangszeit miterlebt hat, zeigt

jedoch, dass die elektronische Datenverarbeitung neue Horizonte eröffnet und gute Wirkungsgrade

erbracht hat.

Ein weiterer günstiger Faktor war und ist die Verfügbarkeit von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die

die Basis für die vorgestellten Arbeiten geschaffen haben, indem sie neben ihrem fachlichen Beitrag

die Datenerhebung mittels Probenahme geleistet und bereitwillig auch manche Zusatzbelastungen

akzeptiert haben. Der Stamm der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Bereich Umwelthygiene hat sich

trotz mehrerer Organisationsüberprüfungen nach und nach steigern lassen, alleine im Sachgebiet

Umwelthygiene selbst sind derzeit 16 Personen beschäftigt. Möglicherweise ist diese Entwicklung

neben den gestiegenen gesetzlichen Aufgabenzuweisungen auch mit der jederzeit aus unseren EDV-

Programmen heraus darstellbaren Kostentransparenz und Effektivität begründet.

Der Verlauf der Entwicklung im Bereich Umwelthygiene kann anhand der nachstehenden Auflistung

nachvollzogen werden.

Ab 1978 - 4 Stellen im SG 53.23

- Papier und elektrische Schreibmaschine, Schreibkraft

- Start einer Literatursammlung mit Karteikarten-Technik

- Literaturrecherchen über DIMDI und Inanspruchnahme verschiedener Bibliotheken in Frankfurt

- Fortbildungsmöglichkeiten ohne viele Begrenzungen

- Ermöglicher als Vorgesetzte

1986 - 5 Mitarbeiter

1991 - 8 Stellen im SG 53.23

- Lokale PC’s

- Erste Datenarbeiten mit DBase II und IV

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30 Jahre Umwelthygiene im Stadtgesundheitsamt Frankfurt – ein Rückblick

270

1992 - 8 Stellen im SG 53.23

- Erste sehr einfache Datenbank-Anwendungen

1993 - 8 Stellen im SG 53.23

- Eigenes Unix-Netzwerk im SG Umwelthygiene mit 3 Arbeitsstationen, Administration durch eigenes Personal als Insellösung

1995 - 10 Stellen im SG 53.23

- DBase-Vorläufer von TRISYS gekauft, Alt-Dateneingabe über studentische Hilfskraft

- Eigene Foxpro-Datenbankanwendung (DOS) als Vorläufer von CASA mit der Entwicklung der damit verbundenen Ordnungsstrukturen (Stammdatenstruktur, Ablagesystem etc.)

1996 - 9 Stellen im SG 53.23

- Vollentwicklung von CASA, begonnen ab 1995 (siehe unten)

1997 - 10 Stellen im SG 53.23

- Entstehen einer zunehmende Anzahl von Einzellösungen (Bestellprogramm, Biotonnen-Programm etc.) und Datenbankstrukturen in Foxpro

- Installation eines eigenen Netzwerks für das Gesundheitsamt (Win NT), Abschaffung des lokalen Unix-Netzwerkes des SG Umwelthygiene

1997 - 10 Stellen im SG 53.23

- Umstellung der DOS-basierten Programme auf MS Access

2003 - 14 Stellen im SG 53.23

- Internet-Auftritt beginnt

2004 - 15 Stellen

- ein neues Akten-Ablagesystem wird eingeführt, EDV-gestützt (CASA)

2007 - 16 Stellen

Bei den eigenen Anwendungen handelt es sich überwiegend um komplexe bis sehr komplexe

Anwendungen (CASA, Trinkwasserprogramm, Oberflächengewässer, Literatur etc.), teilweise aber

auch nur um einfache Tabellenlösungen ohne Programmlogik.

Bis heute gibt es die Folgenden selbst entwickelten Datenbanken-Anwendungen.

7 Info-Datenbanken

21 Organisations-/Verwaltungs-/Datenhaltungsprogramme

17 Studien-Datenbanken

Den Schwerpunkt bildet dabei das Eigenprodukt CASA (Computerprogramm für Abrechnung, Statistik

und Abteilungsorganisation), über welches alle relevanten Daten des Sachgebietes laufen. CASA

enthält auf der Basis der Stammdaten der von uns zu betreuenden Objekte und mehrerer Hilfsdateien

verschiedene Module, so z.B. zur einfachen Erstellung von Gebührenrechnungen, Dokumentation von

Außendienstzeiten, Datenhaltungen für die Überwachung von Hausinstallationen und Legionellen ( …

für die bis heute die professionellen Entwickler keine überzeugenden Lösungen anbieten),

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30 Jahre Umwelthygiene im Stadtgesundheitsamt Frankfurt – ein Rückblick

271

Controllingfunktionen für die Kosten-Leistungsrechnung, Anbindung an SAP der Rechnungsführung,

elektronischer Aktenplan, Dienstwagenverwaltung, Bestellscheinverwaltung und vieles mehr.

Bei den organisatorisch benötigten EDV-Anwendungen ist neben CASA besonders ein verhältnis-

mäßig kleines Excel-Berechnungsblatt aus dem Jahr 2003 zu nennen, mit dem die Gesundheitsämter

ihren Stellenbedarf für die neuen Anforderungen der TrinkwV 2001 berechnen können. Dieses Excel-

Datenblatt wurde aus der ganzen Bundesrepublik nachgefragt und kostenfrei von uns abgegeben.

Im Sachgebiet Umwelthygiene sind heute, abgesehen vom Office-Paket und dem Statistikprogramm

SPSS, keine weiteren von Softwareherstellern erworbenen Programme mehr im Einsatz. Durch

entsprechende Personalentwicklung ist sichergestellt, dass die selbst entwickelten Produkte

zukunftssicher sind und bleiben.

In Abwandlung eines bekannten Zitats lässt sich zusammenfassend sagen:

Organisation ist nicht alles, aber ohne Organisation ist alles Nichts.

Wolfgang Hentschel

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Mitarbeiter des Bereichs Umwelthygiene

272

Mitarbeiter des Bereichs Umwelthygiene

Abteilungsleiter

Frau Dr. Peters (bis 1988)

Frau Dr. Stark, ehemals Leppek (1988-1992)

Frau PD Dr. Heudorf (seit 1990 Sachgebietsleitung, seit 1992 Abteilungsleitung)

Sachgebietsleiter

Herr Dipl.-Ing. Wolfgang Hentschel (1978-2008)

Gesundheitsingenieure

Herr Dipl.-Ing. Lich (1986-1989)

Frau Dipl.-Ing. A. Quenzer (1991-1998)

Frau Dipl.-Ing. K. Voigt (seit 1998)

Herr Dipl.-Ing. H. Pfetzing (1998-2001)

Frau Dipl.-Ing. E. Götz (seit 2000) - Teilzeit

Herr Dipl.-Ing. T. Westphal (seit 2001)

Herr Dipl.-Ing. K. Krieg (seit 2002) - Teilzeit

Gesundheitsaufseher

Frau Dillmann* (1993-1994)

Frau Gasteyer* (seit 1997)

Frau Hartkopf (1990-1991)

Frau Hertzog* (seit 2001)

Frau Junker (1985-1991)

Frau Kutzke (1991-1999; dann Wechsel in Sachgebiet 53.22)

Frau Müller* (1993-1994)

Frau Riedel* (1995-1996)

Frau Skirla* (seit 2001)

Herr Becht* (seit 2002)

Herr Friedrich (1980-2005)

Herr Fritsch (1972-1991)

Herr Hertlein (1989-1992)

Herr Neuberger* (seit 1993)

Herr Schöler* (2002-2005)

Herr Schultheis* (1999-2001)

Herr Weller* (seit 1997)

Frau Walther* (seit 2002)

* ehemalige/r Auszubildende/r des Stadtgesundheitsamtes Frankfurt/M

Weitere Mitarbeiter:

Frau Sapper (bis 1985) - Sekretariat

Frau Kern, geb. Sponner (1987-1996)- Sekretariat

Herr Ekici (1996) - Sekretariat

Frau Gavrovska, geb Radujkovic (seit 1996)- Sekretariat

Frau Sauer (seit 1997) - Bleiprojekt

Frau Leipold (seit 2002, seit 2006 Erziehungsurlaub) - Verwaltung, Daten

Frau Schönfelder (seit 2004) - Daten - Teilzeit

Frau Börner (seit 2005) - Schulhygiene

Frau Saltuari (seit 2005) - Infektionshygieneverordnung, Hygiene bei Friseuren, Fußpflegern –Teilzeit

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

273

Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

Berichte für die Stadt

Untersuchungen über verkehrsbedingte Schadstoffgehalte in Gartenböden und –pflanzen straßennahe gelegener Standorte in Frankfurt a.M. (o.J, ca 1982)

Perchlorethylen-Belastung in Wohnungen im Beeinflussungsbereich von Chemischreinigungen in Frankfurt a. M. (o.J, ca. 1989)

Verkehr und Gesundheit: Vergleich Individualverkehr - öffentlicher Verkehr. Frankfurt, im Dezember 1991.

Kieselrot auf Sport-, Spiel und Freizeitflächen in Frankfurt. Ablauf und Ergebnisse der Untersu-chungen. Toxikolgische Bewertung der Dioxine und Furane unter besonderer Berücksichtigung des Problems "Kieselrot". Frankfurt, im Juni 1992.

Umweltmedizinische Gesundheitsberichterstattung. Jahresbericht 1991 - Ausgewählte Themen. Frankfurt, im Juli 1992.

Bericht über die Untersuchung der raumlufthygienischen Qualität der IPI-Bauten in Frankfurt am Main. Frankfurt, im Februar 1993. (Quenzer A)

Der Störfall der Hoechst AG vom 22.2.1993 - ein Jahr danach. Frankfurt, im Februar 1994.

Bericht über die Güte der Oberflächengewässer, 1995 (Hentschel W)

Umweltmedizinische Gesundheitsberichterstattung. Jahresbericht 1992-1995. Ausgewählte Themen. Frankfurt, im Mai 1996.

Niederschrift des Expertengesprächs zur Schadstoffbelastung in den ehemaligen US-Housing am 05.02.1998 in Frankfurt am Main. Frankfurt, im Februar 1998.

Umweltmedizinische Sprechstunde für Bewohner der ehemaligen US-Housing in Frankfurt am Main. Ergebnisse der Blut- und Urinuntersuchungen auf PAK, PCB und Pestizide oder deren Stoffwechsel-produkte. Frankfurt, im Oktober 1999.

Gesundheitsfolgenuntersuchungen des Störfalls der Hoechst AG vom 22.02.1993 – Untersuchungen des NORDIG-Instituts. Frankfurt, im August 2000.

MRSA-Besiedelung bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen sowie bei Patienten einer geriatri-schen Rehabilitationsklinik in Frankfurt am Main, 1999. Frankfurt, im September 2000

Hygiene in Alten- und Pflegeheimen in Frankfurt am Main – Erfahrungen aus der Überwachung des Gesundheitsamtes von 1989 bis 1999. Frankfurt, im November 2000.

Legionellen-Antikörper im Blut der Bevölkerung – Vergleich zweier Bevölkerungsgruppen mit unter-schiedlicher Exposition durch das hauseigene Warmwassersystem. Frankfurt, im Dezember 2000.

Der Störfall der Hoechst AG vom 22.02.1993. Expositionsregister des Bremer Instituts für Präven-tionsforschung und Sozialmedizin. Geschichte und aktueller Sachstand. Frankfurt, im Februar 2001.

Umweltmedizinische Sprechstunde für Bewohner der ehemaligen US-Housing in Frankfurt am Main. Diagnosen und Beschwerden bei Kindern und Jugendlichen. Frankfurt, im März 2002.

Die hygienische Qualität der Frankfurter Oberflächengewässer (Götz, Hentschel). Frankfurt, im Juli 2002.

Umweltmedizin und Hygiene im Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main 1992-2002, Frankfurt im Oktober 2002

Tagung Flughafenhygiene 2003 – Workshop 2002.Frankfurt, 2004

Abteilung Medizinische Dienste und Hygiene. Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main Jahresbericht 2003, Frankfurt im Oktober 2004.

Tagung Flughafenhygiene 2004. Frankfurt, April 2005

Tagung Flughafenhygiene 2005. Frankfurt, Mai 2006

Abteilung Medizinische Dienste und Hygiene. Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main Jahresbericht 2004/5. Frankfurt, im August 2006.

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

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Innenraumklima in Schulen. Frankfurt, 2006.

Tagung Flughafenhygiene 2006. Frankfurt, April 2007

Innenraumklima in Schulen. Passivhausschule im Vergleich mit konventionellen Schulen. Frankfurt, 2007.

Kindergesundheit und Umwelt. Belastung mit Acrylamid, Phthalaten und Nebenstromrauch. Frankfurt, im September 2007

Fluglärm und Kinder – Aktuelle Literatur, Frankfurt, Mai 2007.

Innenraumklima in Schulen. Passivhausschule im Vergleich mit konventionellen Schulen. Passivhaus-schule Preungesheim. Frankfurt, im August 2008.

In Vorbereitung

Die hygienische Qualität der Frankfurter Oberflächengewässer 1987-2007

Fluglärm und Gesundheit. Ergebnisse epidemiologischer Studien – Literaturübersicht.

Fluglärm und Gesundheit. Ergänzende Auswertung der RDF-Belästigungsstudie um die Fragen zur Gesundheit

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

275

Wissenschaftliche Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

1986

Ahrens P, Hentschel W. Ergebnisse und Problematik einer Fragebogenerhebung zur Inzidenz einiger ausgewählter bronchopulmonaler Erkrankungen bei 3302 Einschülern der Stadt Frankfurt/Main. Mo-natsschrift Kinderheilkunde (1986) 134: 450-452.

1992

Kalker U: Bewertung der Gefährdung durch Elektrospeicheröfen mit Asbestbauteilen. Forum Städte-hygiene (1992) 43: 141-143.

Kalker U: Asbest - welche Gefahr droht den Kindern? K E v Mühlendahl (Hrsg): Kinderarzt und Um-welt, Jahrbuch 1991/1992., aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugend-medizin. Bosch Druck, Landshut, 1992. (S. 148-160).

Kalker U, Simon B: Legionellen im Warmwassersystem eines Altenheims - klinische Symptome bei den Bewohnern. Forum Städtehygiene (1992) 43: 126-129.

Kalker U, Simon B: Legionellen in Warmwassersystemen - Konsequenzen für die Pflege? Geriatrie Praxis (1992) 4: 50-52.

Kalker U, Hentschel W: Das Problem der Legionellenkontamination in den Warmwassersystemen einer deutschen Großstadt. Gesundheits-Wesen (1992) 54: 597-604.

Kalker U, Peters M, Herklotz K, Cordt T, Ehrmann J: Dioxin-/Furan-Kontamination in der Umgebung kieselrotbelasteter Sport- und Freizeitflächen in Frankfurt am Main. Forum Städte-Hygiene (1992) 43: 266-270.

1993

Kalker U: Gesundheitliche Bewertung der verkehrsbedingten Schadstoffe Stickoxide, Benzol und Dieselruß. Forum Städte Hygiene (1993) 44: 2-9.

Kalker U, Otto M, von Mühlendahl KE: Zur Frage einer möglichen Gefährdung durch Asbest in Arzneimitteln. Der Kinderarzt (1993) 24: 295-296.

Kalker U: Passivrauchen und Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz. Ergebnisse von Umfragen bei Öffentlichkeitsaktionen. Arbeitsmedizin Sozialmedizin Präventivmedizin (1993) 28: 138-149.

Hentschel W, Kalker U, Peters M: Perchlorethylen in der Umgebung von Chemischreinigungen Staub Reinhaltung Luft (1993) 53: 335-340.

Heudorf U: Umgang mit Kieselrot auf Spiel- und Sportflächen. Das Gesundheitswesen (1993) 55: 521-526.

Heudorf U, Peters M: Umweltbelastung und Sanierungsverlauf nach dem Störfall in der Fa. Hoechst AG vom 22.2.1993. Forum Städte Hygiene (1993) 44: 338-344.

1994

Heudorf U: Künstliche Mineralfasern. Einschätzung der Gesundheitsgefahr für Kinder und Erwach-sene. Sozialpädiatrie und Kinderärztliche Praxis (1994) 16: 101-108.

Heudorf U, Peters M: Der Hoechst-Störfall vom Februar 1993 - Ein Jahr danach. Hessisches Ärzte-blatt (1994) 55: 77-78.

Heudorf U, Peters M: Der Störfall in der Fa. Hoechst AG vom 22.2.1993. Ausmaß der Umweltbela-stung und Sanierungsverlauf. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 347-352.

Heudorf U, Neumann H-G, Peters M: Der Störfall in der Fa. Hoechst AG vom 22.2.1993. - 2. Gesund-heitliche Bewertung. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 405-410.

Heudorf U: Kieselrot auf Sport,- Spiel- und Freizeitflächen - Abschätzung der möglichen Gesund-heitsgefahr für Kinder und Sportler. in: K E v Mühlendahl (Hrsg): Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

276

1993/1994, aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugend-medizin. Bosch Druck, Landshut, 1994. (S. 78-84).

Heudorf U: Gesundheitsrisiko durch verkehrsbedingte Schadstoffe. in: K E v Mühlendahl (Hrsg): Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch 1993/1994, aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Bosch Druck, Landshut, 1994 (S. 108-118)

Heudorf U, Otto M, v Mühlendahl KE: Zur Frage einer möglichen Gefährdung der Gesundheit durch Asbest in Arzneimitteln. et al: Asbest in Medikamenten. in: K E v Mühlendahl (Hrsg): Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch 1993/1994, aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Bosch Druck, Landshut, 1994 (S. 122-123)

Heudorf U, Peters M: Human-Biomonitoring nach einem schweren Chemiestörfall - Ergebnisse der Untersuchungen nach dem Störfall in der Hoechst AG vom 22.2.1993. Das Gesundheitswesen (1994) 56: 558-562.

Heudorf U, Kaiser B, Sagunski H: Sanierung Chemischer Reinigungen zur Verringerung der Tetra-chlorethylen-Belastung der Innenraumluft benachbarter Wohnungen: Möglichkeiten und Grenzen. in: Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN: Luftverunreinigung in Innenräumen. Herkunft, Messung, Wirkung, Abhilfe. VDI-Berichte 1122, VDI-Verlag GmbH Düsseldorf, 1994, S. 723-732.

Quenzer A, Hentschel W, Heudorf U: Blei im Trinkwasser - Darstellung eines abgestuften Probenah-meverfahrens. Forum Städte Hygiene (1994) 45: 273-274.

1995

Heudorf U: Chemische Reinigungen. Immissionen - gesundheitliche Bewertung – Handlungsempfeh-lungen. Internistische Praxis (1995) 35,1: 227-231.

Heudorf U, Hentschel W: Benzol im Umfeld von Tankstellen. Zentralblatt für Hygiene und Umweltme-dizin (1995) 196: 416-424.

Otto M, v Mühlendahl KE, Kalker U: 2-Mercaptobenzothiazol in Säuglingsschnullern. Monatsschrift Kinderheilkunde (1995) 143: 321-322. Kalker U, Otto M, v Mühlendahl KE: 2-Mercaptobenzothiazol in Säuglingsschnullern. der Kinderarzt (1995) 26: 751-2.

Heudorf U: Auswirkungen des Kfz-Verkehrs auf die Gesundheit von Kindern - Verkehrsbedingte Luft-schadstoffe und Allergie-Entwicklung, Sozialpädiatrie und Kinderärztliche Praxis (1995) 17: 336-343.

Heudorf U, Peters M, Herklotz K, Birkenfeld T: Kieselrot auf Sport- und Freizeitflächen in Frankfurt/M - Untersuchungen zum Sanierungserfordernis und -verlauf. EPA-Dioxin-Reassessment. Organohalo-gen Compounds (1995) 22: 417-426.

Heudorf U, Angerer J, Göen Th: PCB-Konzentrationen im Blut von Mitarbeiterinnen PCB-belasteter Kindertagesstätten, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, (1995) 30: 398-407.

Hentschel W, Heudorf U, Schmid A: Perchlorethylen in der Nachbarschaft von Chemischreinigungen. Auswirkungen der 2. BImSchV. Staub- Reinhaltung der Luft (1995) 55: 373-375.

Heudorf U: 09.02 Stäube. Teil 2: Asbest. in Beyer/Eis (Hrsg): Praktische Umweltmedizin, Folgeliefe-rung November 1995, Springer Verlag 1995.

1996

Heudorf U, Hentschel W: Benzolbelastungen in Wohnungen - unter besonderer Berücksichtigung der Immissionen von Tankstellen. Internist. Praxis (1996) 36: 453-460.

Heudorf U, Salzmann, Angerer J, Wittsiepe J: Biomonitoring auf Dioxine/Furane sowie auf polychlo-rierte Biphenyle bei stark erhöhten Raumluftbelastungen. Umweltmed Forsch Prax (1996) 1: 6-12.

Heudorf U: Verkehrsbedingte Luftschadstoffe und Krebsrisiko. Auswirkungen des Kraftfahrzeugver-kehrs auf die Gesundheit von Kindern. Sozialpädiatrie und Kinderärztliche Praxis (1996) 18: 216-221.

Hentschel W, Heudorf U: Regenwassernutzungsanlagen. Hygienische Probleme. Bundesgesund-heitsblatt (1996) 39: 130-134.

Heudorf U: Auswirkung verkehrsbeschränkender Maßnahmen auf die Ozonbelastung. Ergebnisse der Ozonversuche Heilbronn und Hessen 1994. Der Kinderarzt (1996) 27: 764-767. und in: K E v Mühlen-

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

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dahl (Hrsg): Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch 1995/1996, aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Bosch Druck, Landshut, 1996, S. 98-107.

Heudorf U: Bericht von der DIOXIN-Informationsveranstaltung Juni 1995, Bayreuth. in: K E v Mühlendahl (Hrsg): Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch 1995/1996, aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Bosch Druck, Landshut, 1996, S. 176-180.

Otto M, von Mühlendahl KE, Heudorf U: Mercaptobenzothiazol in Säuglingsschnullern. in: K E v Mühlendahl (Hrsg): Kinderarzt und Umwelt, Jahrbuch 1995/1996, aus der Dokumentations- und Informationsstelle für Umweltfragen der Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Bosch Druck, Landshut, 1996, S. 282-283.

Heudorf U: Verkehrsschadstoffe und Atemwegssymptome bei Kindern. Sozialpädiatrie und Kinder-ärztliche Praxis (1996) 18: 670-676.

Heudorf U, Peters M: Chemical accident at Hoechst AG Frankfurt/Main, Germany, 1993 – Environ-mental Pollution, Redevelopment, Investigation of Internal Exposure of the Population, Risk Assess-ment and Ongoing Studies. In: BIPS (Hrsg): Environmental Epidemiology in Europe 1995. BIPS, Bremen, Germany, 1996

1997

Heudorf U: Rauchen und Passivrauchen. in: S. Böse-O´Reilly, S. Kammerer (Hrsg.): Leitfaden Umweltmedizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Gustav Fischer Verlag, Lübeck, Stuttgart, Jena, Ulm, 1997, S. 112-117.

Heudorf U: Asbest. in: S. Böse-O`Reilly, S. Kammerer (Hrsg.): Leitfaden Umweltmedizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Gustav Fischer Verlag, Lübeck, Stuttgart, Jena, Ulm, 1997, S. 207-211.

Heudorf U: Künstliche Mineralfasern. in: S. Böse-O`Reilly, S. Kammerer (Hrsg.): Leitfaden Umwelt-medizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Gustav Fischer Verlag, Lübeck, Stuttgart, Jena, Ulm, 1997, S. 256-259.

Heudorf U, Salzmann: Erhöhte PCB-Belastung in der Raumluft in Schulen. Gefahr für Kinder und Lehrer? Internistische Praxis (1997) 37: 221-228.

Heudorf U, Bader M, Koch A, Ewers U, Angerer J: Humanbiomonitoring: Expositions- und Risiko-abschätzung nach einem Chemieunfall. Umweltmedizin in Forschung und Praxis (1997) 2: 23-24.

Quenzer A, Hentschel W, Heudorf U: Blei im Trinkwasser - Erfahrungen mit einem abgestuften Probenahmeschema. Bundesgesundheitsblatt (1997) 40: 122-126.

Heudorf U, Peters M: Risikomanagement nach einem Chemieunfall am Beispiel der Isoproturon-Freisetzung der AgrEvo vom Januar 1996. Das Gesundheitswesen (1997) 59: 661-666.

Heudorf U, Seng U: Die infektionshygienische Überwachung von Arztpraxen mit Zulassung nach § 218 StGB durch das Gesundheitsamt. Ein Diskussionsbeitrag zu dem geplanten Infektionsschutz-gesetz (E-IFSG). Das Gesundheitswesen (1997) 59: 569-573.

Herr J, Fischer AB, Heudorf U, Herr C, Harpel S, Petereit-Wolf G, Angerer J, Eikmann T: Benzol-Belastung bei Anwohnern von Tankstellen. Umweltmedizin in Forschung und Praxis (1997) 2: 171-175.

1998

Heudorf U: Beratung Teil 2: Umgang mit Störfällen. In Beyer, A., Eis, D.: Praktische Umweltmedizin, 5.3, S. 1-21, Folgelieferung April 1998.

Heudorf U: Zur Diskussion um Voraussetzungen für Lebensmittelzeugnisse des Gesundheitsamtes - § 18 Bundesseuchengesetz und §v 43 Infektionsschutzgesetz (Entwurf). Das Gesundheitswesen (1998) 60: 166-169.

Heudorf U: Virale Meningitiden bei Kindern in Frankfurt/M im Sommer 1997 – ein Diskussionsbeitrag zum Referentenentwurf des Infektionsschutzgesetzes. Das Gesundheitswesen (1998) 60: 307-310.

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

278

Heudorf U, Angerer J: Humanbiomonitoring auf PAK-Metabolite von Kindern aus Wohnungen mit PAK-haltigem Kleber. Umweltmed Forsch Prax (1998) 3: 266-274.

Heudorf U, Ullrich D, Ung L: Untersuchung der personenbezogenen Umgebungsluft im Atembereich auf flüchtige organische Stoffe. Vergleich der Anwohner von Tankstellen mit Kontrollpersonen. Umweltmed Forsch Prax (1998) 3: 291-296.

1999

Hardt J, Heudorf U, Angerer J: Zur Frage der Belastung der Allgemeinbevölkerung durch Pyrethroide. Umweltmed Forsch Prax (1999) 4: 54-55.

Heudorf U, Moriske HJ: Spezielle Fragen der Innenraumlufthygiene. Auftreten von PAK-Belastungen in Wohnungen mit Parkettböden. In: Moriske H-J (Hrsg).: Handbuch der Bioklimatologie und Luft-hygiene, 1. Ergänzungslieferung 4/1999.

Heudorf U, Angerer J: Humanbiomonitoring auf PAK-Metabolite von Kindern aus Wohnungen mit PAK-haltigem Kleber. Ergänzende Mitteilung. Umweltmed Forsch Prax (1999) 4: 97-100.

Heudorf U, Engler A, Peters M, Angerer J: Pestizide in Wohnungen der ehemaligen US-Housing areas in Frankfurt/M - Äußere und innere Exposition der Bewohner – Zwischenbericht. Kinderarzt und Umwelt. Dokumentationsstelle für Umweltfragen im Kindesalter. Jahresbericht 1996/98, S. 48-59.

Heudorf U, Peters M, Angerer J: Das neu erkannte Problem PAK-haltiger Parkettkleber in Wohnun-gen. Kinderarzt und Umwelt. Dokumentationsstelle für Umweltfragen im Kindesalter. Jahresbericht 1996/98, S. 36-47.

Heudorf U, Salzmann N: PCB in Schulen. Welche Gefahr besteht für Schüler und Lehrer? – incl. Aktuelle Ergänzung. Kinderarzt und Umwelt. Dokumentationsstelle für Umweltfragen im Kindesalter. Jahresbericht 1996/98, S. 65-74.

Heudorf U: PAK, PCB und Pestizide im Hausstaub. Welche Gesundheitsgefahren drohen den Be-wohnern, besonders den auf dem Boden spielenden Kindern? Pädiatr Prax (1999) 56: 755-768.

Heudorf U: Innenraumbelastungen mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen durch PAK-haltige Parkettkleber. Sachstandsbericht zur Bewertung und zum Umgang mit dieser neuen Altlast im Innenraum. Das Gesundheitswesen (1999) 61: 567-572.

Hentschel W, Karius A, Heudorf U: Das Frankfurter Bleiprojekt. Maßnahmen zur Einhaltung des Grenzwertes für Blei im Trinkwasser. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheits-schutz (1999), 42: 902-910.

Moriske H-J, Heudorf U: Bewertung von Innenraumluftverunreinigungen. Zusammenfassung der Ergebnisse der 6. WaBoLu-Innenraumtage, Berlin, 10.-12.5.1999. Bundesgesundheitsblatt Gesund-heitsforschung Gesundheitsschutz (1999) 42: 943-947.

2000

Heudorf U: Hohe PCP-Blutspiegel durch PCP-belastete Lederkleidung. DMW (2000) 125: 766-768.

Heudorf U, Kutzke G, Seng U: Tätowieren und Piercing – Erfahrungen aus der infektions-hygieni-schen Überwachung eines Gesundheitsamtes. Gesundheitswesen (2000) 62: 219-224.

Heudorf U: Rauchen und Passivrauchen. in: S. Böse-O´Reilly, S. Kammerer (Hrsg.): Leitfaden Umweltmedizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Gustav Fischer Verlag, Lübeck, Stuttgart, Jena, Ulm, 2000, im Druck

Heudorf U, Angerer J: Aktuelle PCB-Belastung einer Wohnbevölkerung in Deutschland 1998. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 137-142.

Heudorf U: Hohe Organophosphatmetabolitenkonzentrationen im Urin durch Verzehr großer Mengen Obst? Eine Kasuistik. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 189-191.

Heudorf U, Angerer J: Humanbiomonitoring auf PAK-Metaboliten im Urin von Kindern aus Wohnungen mit PAK-haltigem Parkettkleber – Ergebnisse aus der umweltmedizinsichen Sprechstunde des Frankfurter Gesundheitsamtes. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 218-226.

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

279

Heudorf, U., Moriske H.J: Spezielle Fragen der Innenraumlufthygiene. Auftreten von PAK-Belastungen in Wohnungen mit Parkettböden. In: Moriske H-J (Hrsg).: Handbuch der Bioklimatologie und Lufthygiene, ergänzende Mitteilung, Dezember 2000

Heudorf U, Letzel S, Peters M, Angerer J: PCP in the blood plasma: Current exposure of the population in Germany, based on data obtained in 1998. Int J Hyg Environ Health (2000) 203: 135-139.

Heudorf U, Bremer V, Heuck D: Methicillinresistente Staphylokokken bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen. Hessisches Ärzteblatt (2000) 61: 511-513.

Heudorf U, Hentschel W: Infektionshygienische Überwachung von Altenpflegeheimen durch das Ge-sundheitsamt – Erfahrungen aus dem Gesundheitsamt in Frankfurt/Main von 1989 bis 1998. Gesund-heitswesen (2000) 62: 670-677.

Heudorf U, Schubert W: Innenraumbelastung mit polyzyklischenaromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) durch PAK-haltige Parkettklebstoffe – Hinweise der Projektgruppe Schadstoffe der Bauminister-konferenz. Umweltmed Forsch Prax (2000) 5: 431-344.

2001

Heudorf U, Angerer J: Internal exposure to PAHs of children and adults living in homes with parquet flooring containing high levels of PAHs in parquet glue. Int Archives of Occupational and Environ-mental Medicine (2001) 74: 91-101.

Heudorf U, Angerer J: Urinary monohydroxylated phenanthrenes and hydroxypyrene – the effects of smoking habits and changes induced by smoking on monooxigenase mediated metabolism. Int Archives of Occupational and Environmental Medicine (2001) 74: 177-183.

Heudorf U, Angerer J: Metabolites of pyrethroid insecticides in urine specimens: current exposure in an urban population in Germany. Environmental Health Perspectives (2001) 109: 213-217.

Heudorf U, Angerer J: Metabolites of organophosphorous insecticides in urine specimens from inhabitants of a residential area. Environmental Research (2001) 86: 80-87.

Heudorf U, Hentschel W: Legionellen-Antikörper im Blut der Bevölkerung – Vergleich zweier Bevölke-rungsgruppen mit unterschiedlicher Legionellen-Exposition durch das hauseigene Warmwassersy-stem. Das Gesundheitswesen (2001) 63: 326-334.

Heudorf U: Brustkrebs durch Organochlorverbindungen – Ergebnisse epidemiologischer Studien. Internist Praxis (2991) 41: 219-226.

Heudorf U: Rauchen und Passivrauchen. in: Böse-O`Reilly, Kammerer, Mersch-Sundermann, Wilhelm (Hrsg.): Leitfaden Umweltmedizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Urban und Fischer Verlag München. Jena (2001) 112-119.

Heudorf U: Asbest. in: Böse-O`Reilly, Kammerer, Mersch-Sundermann, Wilhelm (Hrsg.): Leitfaden Umweltmedizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Urban und Fischer VerlagMünchen. Jena (2001) 322-326.

Heudorf U: Künstliche Mineralfasern. in: Böse-O`Reilly, Kammerer, Mersch-Sundermann, Wilhelm (Hrsg.): Leitfaden Umweltmedizin. Befund, Diagnostik - Therapie, Prävention. Urban und Fischer VerlagMünchen. Jena (2001) 283-286.

Gieler U, Heudorf U, Beck W, Schopper-Jochum S, Teßmann R, Eikmann T. Werden Patienten in der Umweltmedizin „psychiatrisiert“? Hessisches Ärzteblatt (2001) 62: 59-64.

Heudorf U, Meireis M, Peters M, Hahn A: der Störfall der Hoechst AG vom 22.2.1993 – Vorliegende Erkenntnisse und weitere Planungen. Hessisches Ärzteblatt (2001) 62: 113-115.

Heudorf U: Passivrauchen und Erkrankungsrisiko bei Kindern – Ergebnisse epidemiologischer Unter-suchungen. Internistische Praxis (2001) 41: 679-689

Heudorf U, Bremer V, Heuck D: MRSA-Besiedelung bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen sowie bei Patienten einer geriatrischen Rehabilitationsklinik in Frankfurt am Main, 1999. Das Gesund-heitswesen (2001) 63: 447-454.

Heudorf U, Letzel S, Angerer J, Drexler H.: Einfluss einer Passivrauchbelastung auf die Konzentration von PAK-Metaboliten im Urin von Kindern. Umweltmed Forsch Prax (2001) 6: 336-342.

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

280

Heudorf U, Hentschel W, Hoffmann M, Lück C, Schubert R: Prevalence of positive antibody titers against Legionellae in two residential populations wich different Legionella contaminations in their hot water system. In: Marre R et al.: Legionella ASM Press, Washington, DC, 2001, S. 325-329.

2002

Heudorf U, Hentschel W: Überwachung der Hygiene in Alten- und Pflegeheimen – Aufgabe der Gesundheitsämter. Hygiene und Medizin (2002) 32-33.

Heudorf U, Bremer V, Heuck D, Brune I, Wichelhaus TA: MRSA-Prävalenz bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen sowie bei Patienten einer geriatrischen Rehabilitationsklinik. Hygiene und Medizin (2002) 16-19.

Heudorf U, Angerer J, Drexler H: Polychlorinated biphenyls in the blood plasma: Current exposure of the population in Germany. Reviews on Environmental Health (2002) 17: 123-134.

Schettgen T, Heudorf U, Drexler H, Angerer J. Pyrethroid exposure of the general population -is this due to diet. Toxicol Lett (2002) 134: 141-5

Heudorf U: MRSA außerhalb des Krankenhauses – Was tun?. Der Kassenarzt (2002) 48/49: 28-31.

2003

Heudorf U, Angerer J: Polychlorierte Biphenyle (PCB) im Blutplasma von Kindern und Jugendlichen. Monatsschrift Kinderheilk (2003) 151: 293-300.

Heudorf U: Pestizide im Haus – Erkrankungen und Beschwerden bei Kindern. Umweltmed Forsch Prax (2003) 8: 69-78.

Heudorf U, Angerer J, Drexler H: Abschätzung der Exposition gegenüber Organophosphaten und Pyrethroiden in einer Großstadtbevölkerung in Deutschland. Umweltmed Forsch Prax (2003) 8: 79-85.

Heudorf U, Angerer J, Drexler H: Current internal exposure to pesticides in children and adolescents in Germany: Blood plasma levels of pentachlorophenol (PCP), lindane (g-HCH), and dichloro(diphenyl)ethylene (DDE). A biostabile metabolite of dichloro(dihenyl)trichloroethane (DDT). Int J Hyg Environ Health (2003) 206: 485-491.

Heudorf U, Ewers U: Humanbiomonitoring-Untersuchungen bei Innenraumbelastungen. In: Turowski/Moriske: Handbuch für Bioklima und Lufthygiene. II-5-2; S. 1-28; 10. Erg.Lieferung 12/2003

Hentschel W, Heudorf U: Anmerkungen zum Entwurf der Schwimm- und Badebeckenwasser-Verordnung (SchBadebwV) vom März 2002. Gesundheitswesen (2003) 65: 255-262.

Heudorf U, Hentschel W, Kutzke G, Pfetzing H, Voigt K: Anforderungen der Hygiene beim Operieren – Richtlinie und Realität. Ergebnisse der intensivierten Überwachung der Operationseinheiten in Krankenhäusern in Frankfurt am Main durch das Gesundheitsamt. Das Gesundheitswesen (2003) 65: 312-20

Heudorf U: Hygienische Missstände in einer Arztpraxis, was tun? – Ein Fallbericht. Das Gesundheits-wesen (2003) 65: 409-412

Heudorf U: Hygiene im Rettungsdienst und Krankentransport – Empfehlungen und deren Umsetzung. Rettungsdienst (2003) 26: 34-40.

Heudorf U: Umfrage zu MRSA in Alten- und Pflegeheimen in Frankfurt am Main. Hygiene und Medizin (2003) 28: 124-128.

Heudorf U: Aufruf zur Influenza-Impfung 2003/2004. Hessisches Ärzteblatt (2003) 64: 578 und 608.

Heudorf U, Hofmann H, Kutzke G, Otto U: Hygiene beim ambulanten Operieren. Ergebnisse der infektionshygienischen Überwachung von Einrichtungen für ambulantes Operieren in Frankfurt am Main durch das Gesundheitsamt. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz (2003) 46: 756-764.

2004

Heudorf U, Angerer J, Drexler H: Current internal exposure to pesticides in children and adolescents in Germany: urinary levels of metabolites of pyrethroid and organophosphorous insecticides. Int Arch Occup Environ Health (2004) 77: 67-72

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

281

Heudorf U: Umwelt und Allergie. Hessisches Ärzteblatt (2004) 65: 342-343.

Heudorf U, Stark S: Gesundheitsgefahren durch extreme Hitze – Prävention ist notwendig – Konse-quenzen aus der Hitzeperiode im August 2003. Hessisches Ärzteblatt (2004) 65: 420.

Stahl T, Heudorf U, Moriske HJ, Mersch-Sundermann V: Polyzyklische aromatische Kohlenwasser-stoffe (PAH) im Innenraum. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2004) 47: 868-881.

Heudorf U: Wie steht es mit der Hygiene beim ambulanten Operieren? Hessisches Ärzteblatt (2004) 65: 85-86.

Heudorf U: Hygiene beim Endoskopieren mit flexiblen Endoskopen Ergebnisse der Überprüfung von Krankenhäusern und Praxen in Frankfurt am Main durch das Gesundheitsamt, 2003. Hessisches Ärzteblatt (2004) 65:

Heudorf U: Tollwut – eine schon fast vergessene Krankheit, aber ein aktuelles Problem. Bericht über eine Fortbildungsveranstaltung des Stadtgesundheitsamtes Frankfurt/M. Hessisches Ärzteblatt (2004) 65: 698-699

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Heudorf U, Hofmann H, Kutzke G, Otto U: Hygiene beim ambulanten Operieren. Ergebnisse der infektionshygienischen Überwachung von Einrichtungen für ambulantes Operieren in Frankfurt am Main durch das Gesundheitsamt. Nachdruck aus Bundesgesundheitsblatt, 2003, in Knoll, K-H: Angewandte Krankenhaushygiene. Mitteilungen zur Realisierung von Hygienemaßnahmen in Gesundheitseinrichtungen. Supplementheft 14: Rückblick und Ausblick. S. 65-83, Marburg 2004

Heudorf U, Hofmann H, Kutzke G, Otto U, Exner M: Hygiene beim Endoskopieren in Klinik und Praxis, 2003: Ergebnisse der infektionshygienischen Überwachung der Endoskopieeinrichtungen in Frankfurt am Main durch das Gesundheitsamt. Z Gastroenterol (2994) 42: 669-676. – Nachdruck in: Endopraxis (2004) 20: 11-20.

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2005

Rainer Fehr / Hermann Neuss / Ursel Heudorf: Gesundheit und Umwelt. Ökologische Prävention und Gesundheitsförderung. Verlag Hans Huber, Bern, 2005

Heudorf U: Hygienische Probleme und Anforderungen an eine gute Raumluftqualität in Schulen. In: Büsching U, Paulus P, Schirm H: Arzt und Schule, Handbuch. Hansisches Verlagskontor GmbH Lübeck, 2005.

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Heudorf U, Tessmann R: Aktuelles zu MRSA im Krankenhaus und anderswo. Hessisches Ärzteblatt (2005) 66: 740-741.

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Heudorf U, Tiarks-Jungk P, Stark S: Reisemedizinische Beratungen und Impfungen als infektionsprä-ventive Aufgabe – Daten der Sprechstunde des Stadtgesundheitsamtes am Main 2002-2004. Das Gesundheitswesen (2006) 68: 316-322.

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Heudorf U: Hygiene in Zahnarztpraxen – Wege zur Zielerreichung. Hygiene und Medizin (2006) 31: 399-405.

Heudorf U: Überwachung der Hygiene in medizinischen Einrichtungen durch das Gesundheitsamt. In: Eikmann/Christiansen/Exner/Herr/Kramer: Hygiene in Krankenhaus und Praxis. 1. Ergänzungslieferung Juni 2006; Kap. 8.5. S. 1-42.

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

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Heudorf U: Hygiene in Schulen (k)eine Utopie. Hessische Ärzteblatt (2006) 67: 747-748. Nachdruck: Hygiene und Medizin (2006) 31: 472-3

2007

Böse-O'Reilly S, Heudorf U, Lob-Corzilius T, Mühlendahl KE, Otto M, Schmidt S. Children's environ-ment in Central Europe: Threats and chances. Int J Hyg Environ Health (2007) 210: 503-507

Heudorf U, Mersch-Sundermann V, Angerer J. Phthalates: Toxicology and exposure. Int J Hyg Environ Health (2007) 210: 623-634.

Heudorf U: Bringt die Passivhausschule die Lösung der raumlufthygienischen Probleme in Schulen? Gesundheitswesen (2007) 69: 408-14.

Hentschel W, Heudorf U: Legionellen im Duschwasser von Frankfurter Schulturnhallen. Bericht 1997 bis 2005. Wasser Abwasser (2007) 148: 199-206.

Hentschel W, Heudorf U: Das Hygiene-Ranking der Frankfurter Altenpflegeheime – Konzept und erste Erfahrungen. Gesundheitswesen (2007) 69: 233-239.

Heudorf U, Hofmann H, Kutzke G, Otto U: Aufbereitung von Ultraschallsonden im Krankenhaus – ein nicht zu vernachlässigendes Thema. Hygiene und Medizin (2007) 32: 183-186.

Heudorf U, Otto U: Aufbereitung von Cystoskopen in der Urologie. Was geschieht wirklich? Bundesge-sundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz (2007) 50: 1138-1144.

Heudorf U, Herholz H, Kaiser R: Hygiene in der Arztpraxis – Teil 1 Grundlagen und Händehygiene. Hessisches Ärzteblatt (2007) 68: 538-543.

Heudorf U, Herholz H, Kaiser R: Hygiene in der Arztpraxis – Teil 2 Flächendesinfektion und Umgang mit Abfällen. Hessisches Ärzteblatt (2007) 68: 609-611.

Heudorf U, Herholz H, Kaiser R: Hygiene in der Arztpraxis – Teil 3 Instrumentenaufbereitung und Checkliste „Hygiene in der Arztpraxis“. Hessisches Ärzteblatt (2007) 68: 659-663.

Heudorf U, Otto U, Leiß O, Wiesel M: Sachgerechte Aufbereitung starrer und flexibler Zystoskope. Hinweise für die Praxis. Urologe (2007) 46: 1528-1533.

Heudorf U et al. Mindestanforderungen bei der Aufbereitung von Medizinprodukten in Arztpraxen – aktualisiert. Krankenhaushygiene und Infektionsverhütung (2007) 29: 154-156.

Heudorf U, Neitzert V, Spark J. Particulate matter and carbon dioxide in classrooms - The impact of cleaning and ventilation. Int J Hyg Environ Health. 2007 Dec 21 [Epub ahead of print]

2008

Heudorf U, Heldmann S: Parks und Grünanlagen als Therapieräume. Was ist bewiesen? In: Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur e.V. (DGGL): Jahrbuch 2008: Garten und Gesundheit. Zur Bedeutung des Grüns für das Wohlbefinden. Berlin 2008; S. 82-86.

Kramer A, Popp W, Heudorf U. et al: Qualitätsmanagement der Hygiene in ausgewählten industriellen, medizinischen und sozialen Bereichen. In: Kramer/Assadian (HRSG): Wallhäusers Praxis der Sterili-sation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung. Thieme Verlag, Stuttgart, 2008, S. 413-426.

Heudorf U, Kramer A: Qualitätssicherung der Hygiene in Altenpflegeeinrichtungen. In: Kramer/Assa-dian (HRSG): Wallhäusers Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung. Thie-me Verlag, Stuttgart, 2008, S. 550-562.

Heudorf U, Hartmann E, Angerer J. Acrylamide in children - exposure assessment via urinary acryl-amide metabolites as biomarkers. Int J Hyg Environ Health. 2008 Jun 12. [Epub ahead of print

Heudorf U, Behrendt H, Alberternst B, Nawrath S. Ambrosia artemisiifolia in Hessen. Wie kann die Ausbreitung dieser Pflanze mit hohem Allergiepotential noch gestoppt werden. Hessisches Ärzteblatt (2008) 358-360

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

284

Heudorf U: Feinstaubbelastungen in Schulen – Untersuchungsergebnisse und Lösungsansätze am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main. Das Gesundheitswesen (2008) 70: 231-238.

Moriske HJ, Heudorf U. Innenraumhygiene – Situation in deutschen Schulen. Umweltmed Forsch Prax (2008) 13: 197-198.

Heudorf U, Hentschel W. Wasserhygiene in Schulen. Umweltmed Forsch Prax (2008) 13: 227-233.

Heudorf U. Raumlufthygienische Probleme in Schulen – Bringen Passivhausschulen die Lösung? Umweltmed Forsch Prax (2008) 13: 219-226.

Heudorf U. Verbesserung der Händehygiene im Krankenhaus – Was kann das Gesundheitsamt tun? Gesundheitswesen (2008) 70: 415-417.

Heudorf U, Tessmann R. Multiresistente Keime – MRSA, MRE, VRE etc. Rückbesinnung auf bewährte Hygienemaßnahmen ist Gebot der Stunde. Hessisches Ärzteblatt (2008) 69: 707-709.

Heudorf U: Über den Zusammenhang von Grün und Gesundheit. Stadt Raum (2008) 29: 236-241.

Im Druck

Heudorf U, Exner M. Hygiene in Schulen. Altbekannte Probleme nach wie vor aktuell. Bundesgesund-heitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz (2008)

Exner M, Gebel J, Heudorf U, Fischnaller E, Engelhart S, Infektionsrisiken im häuslichen Umfeld. Plädoyer für eine neue Risikobewertung. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforsch Gesundheits-schutz (2008)

Heudorf U: Phthalate und Kindergesundheit. Umweltmedizin Forschung Praxis (2008)

Heudorf U. Überwachung der Infektionshygiene im stationären und ambulanten medizinischen Bereich durch Gesundheitsämter – Strategien, Ziele, Zielerreichung. Gesundheitswesen (2008)

Heudorf U. Hygiene beim Operieren – Ergebnisse der Überwachung von Operationseinheiten in Frankfurter Krankenhäusern 2007 im Vergleich mit 2000. Gesundheitswesen, im Druck

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

285

Mitgliedschaft in Gremien und weitere Funktionen

Dipl.-Ing. W. Hentschel

AG "Blei in der Hausinstallation" der länderübergreifenden Arbeitsgruppe "Musterausführungs-bestimmungen TrinkwV 2001" beim Ministerium f. Familie. Arbeit und Soziales (mfas) in Hannover. Januar 2001 - heute

AG TrinkwV 2001 des Hessischen Sozialministeriums zur Vorbereitung einer Hessischen Ausführungsrichtlinie. August 2001 - heute

Unter-AG "Legionellen" der AG TrinkwV 2001 des Hessischen Sozialministeriums zur Vorbereitung einer Hessischen Ausführungsrichtlinie. April 2002 - heute

Länderübergreifende Lenkungsgruppe "Musterausführungsbestimmungen TrinkwV 2001" beim Ministerium f. Familie. Arbeit und Soziales (mfas) in Hannover. Juli 2002 - heute

Gast im Fachausschuss "Trinkwassererwärmer" (DVGW-FA Trinkwassererwärmer) des Deutschen Vereins für das Gas- und Wasserfach. April 1994 - April 1996

Berufenes Mitglied des Fachausschusses "Trinkwasserhygiene in Gebäuden" (DVGW-FA Trinkwasserhygiene in Gebäuden) des Deutschen Vereins für das Gas- und Wasserfach. April 1995 - heute

Berufenes Mitglied im Arbeitskreis "Regenwasseranlagen" (DVGW-AK Regenwasseranlagen" des Deutschen Vereins für das Gas- und Wasserfach. November 1997 - März 2002

Berufenes Mitglied im Gemeinsamen Technischen Komitees "Wassergüte" (DVGW-GTK Wassergüte) des Deutschen Vereins für das Gas- und Wasserfach. Mai 2001 - heute

Berufenes Mitglied des Projektkreises TrinkwV ("DVGW-PK TrinkwV") des Deutschen Vereins für das Gas- und Wasserfach. Dezember 2001 – heute

Berufenes Mitglied der Trinkwasserkommission des BMG am Umweltbundesamt. Februar 2005 - heute

PD Dr. U. Heudorf

Seit 1993: Mitglied der Umwelt-Kommission der Akademie für Kinderheilkunde der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde

1995/96: Sprecherin der Arbeitsgruppe Umweltmedizin des Landesverbands Hessen der Ärzte und Ärztinnen im öffentlichen Gesundheitswesen.

Seit 1995 Lehrbeauftragte für Umweltmedizin an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen; staatlich beauftragte Prüferin für das Fach Umweltmedizin

Seit 1996: Gründungs-Mitglied im Herausgebergremium der Zeitschrift Umweltmedizin in Forschung und Praxis, ecomed Verlag

Seit 1997 Mitglied im Ausschuß „Umwelt und Medizin“ der Landesärztekammer Hessen

1997/2003 Mitglied im Beraterkreis zum „Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit“ der Bundes-ministerien für Gesundheit und für Umwelt, Natur- und Reaktorsicherheit

1998-2000 Mitarbeit in der Projektgruppe Schadstoffe der Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz – Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der Länder (ARGEBAU): PAK-Hinweise

Seit 2003 Mitglied der Human-Biomonitoring-Kommission des Umweltbundesamtes

Seit 2004/5 Lehrbeauftragte für Umweltmedizin, Hygiene und öffentliche Gesundheit, Universität Bonn.

2003/2006 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat zum Kinder-und Jugendgesundheitssurvey KiGGS

Seit 2004 Mitglied der AG Hitze, Hessisches Sozialministerium

2006/2007 Mitglied der AG zur Novellierung Infektionsschutzgesetz, Bundesministerium für Gesundheit und Soziales, Bonn

Seit 2007 Mitglied im Beirat der bundesweiten „Aktion Saubere Hände“

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Publikationen aus der Arbeit der Abteilung

286

Dipl.-Ing. K. Voigt

Seit 2004 Mitglied der AG Hitze des Hessischen Sozialminisiteriums

Dipl.-Ing. T. Westphal

Seit 2005 Mitglied im DVGW-Technischen Komitee „Schwimmbeckenwasseraufbereitung“

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Danke

287

Danke

Insgesamt 30 Jahre lang hat Herr Hentschel im Stadtgesundheitsamt als Gesundheitsingenieur

gearbeitet und als Leiter des Sachgebiets Umwelthygiene/Umwelttechnik diesen Bereich maßgeblich

gestaltet und geprägt. Dreißig Jahre sind eine lange Zeit. In dieser Zeit wurde die Stadt von vier

Oberbürgermeistern regiert (OB Dr. Wallmann, OB Hauff, OB von Schöler, OB Dr. hc. Roth), hatten

fünf Gesundheitsdezernenten den Gesundheitsbereich der Stadt politisch verantwortet (Herr Rhein,

Frau Nimsch, Herr Glaser, Herr Burggraf, Frau Dr. Rottmann). Das Stadtgesundheitsamt wurde in

dieser Zeit von drei Amtsleiter/innen (Dr. Schildwächter, Frau Dr. Peters, Frau Dr. Stark) geleitet und

der Bereich Umwelt hatte drei Abteilungsleiterinnen (Dr. Peters, Dr. Leppek, PD Dr. Heudorf).

Als die Abteilungsleiterin, die am längsten mit ihm zusammenarbeiten durfte, nämlich 18 Jahre,

möchte ich Herrn Hentschel herzlich danken, für seine Fachkompetenz, seinen unermüdlichen

Einsatz, seine Ideen, seine stete Offenheit für Neues, seine von tiefem Interesse und „Neugier“

geprägte Herangehensweise an umwelthygienische und umweltmedizinische Fragestellungen und vor

allem seine strukturierte Arbeitsweise. Seine Fach- und seine EDV-Kenntnisse waren mir von

unschätzbarem Wert, ein geht nicht, gab’s nicht. Stets fand er Lösungen. So war er immer der

„Ermöglicher“. Seine EDV-Kenntnisse waren aber nicht nur innerhalb des Umweltbereichs hilfreich,

sein Know-how wurde auch darüber hinaus gefragt: Bei der Organisation der Medizinalstatistik des

amtsärztlichen Dienstes, für die Impfsprechstunde, die Humanitäre Sprechstunde und nicht zuletzt zur

Ermöglichung der Auswertung der Einschulungsuntersuchungsdaten des Kinder- und Jugendärzt-

lichen Dienstes. Sein Interesse an Fragen der Abteilungsorganisation und -struktur, sein Wille zur

Struktur und sein Organisationstalent haben wesentliche Grundlagen für die Arbeit der gesamten

Abteilung gelegt. Frühzeitig hatte er für die Abteilung „passgenaue“ EDV-Verwaltungsprogramme

entwickelt, Programme, die primär für Verwaltungsarbeiten erstellt wurden, wie automatisierte

Erfassung der Begehungen, Kontrollen und Ortstermine, automatisierte Verwaltung und Rechnungs-

stellung etc.. Sie waren und sind aber auch Basis für die in dem vorliegenden Bericht dargelegten

Ergebniszusammenfassungen und -auswertungen. Diese waren stets auch Grundlage für abteilungs-

interne Diskussionen: Wo stehen wir? Was haben wir erreicht? Was wollen wir weiter erreichen und

wie?

Und schon früh hat Herr Hentschel immer wieder neue Fragestellungen aufgegriffen und strukturiert

bearbeitet bzw. entsprechende Projekte entwickelt, als Beispiele seien genannt: die Legionellen-

problematik, das Projekt „Frankfurt trinkt bleifrei“, das tatsächlich nach 10 Jahren Laufzeit seinem

guten Ende entgegengeht, oder die Hygieneüberwachung im Altenpflegeheim, das so genannte

„APH-Ranking“. Er hat die Ergebnisse systematisch zusammengetragen und bewertet und in

wissenschaftlichen Arbeiten – als Autor oder Koautor – veröffentlicht. Auf dieser Grundlage konnten

wir dann zahlreiche weitere Fachbeiträge aus der Arbeit der Abteilung veröffentlichen. Die lange

Publikationsliste gibt einen Überblick.

Da blieb es nicht aus, dass man auch außerhalb Frankfurts auf Herrn Hentschel aufmerksam wurde

und er nicht nur gefragter Dozent zahlreicher Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen und wissen-

schaftlicher Tagungen wurde, sondern auch als ordentliches Mitglied in verschiedene Gremien

berufen wurde, vom DVGW bis hin – und darauf sind wir besonders stolz – zur Trinkwasserkommis-

sion des Umweltbundesamtes.

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Danke

288

10.06.2008

Hygiene-Preis geht an Wolfgang Hentschel Erneute Auszeichnung für die Abteilung des Stadtgesundheitsamts

(pia) Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann und die Leiterin des Stadtgesundheitsamts Dr. Sonja Stark freuen sich über die Auszeich-nung Wolfgang Hentschels mit dem KHK-Stiftungspreis. Damit geht dieser Preis der Krankenhaus-Hygiene-Kongress-Stiftung schon zum zweiten Mal in die Hygieneabteilung des Stadtgesundheitsamtes Frank-furt. Wolfgang Hentschel erhielt den Preis für das von ihm entwickelte und seit fünf Jahren systematisch angewandte "Hygieneranking der Altenpflegeheime in Frankfurt". Der Preis wurde ihm bei der wissen-schaftlichen Jahrestagung der Ärzte des öffentlichen Gesundheits-dienstes in der vergangenen Woche in Braunschweig von Professor Walter Steuer verliehen. Dipl.-Ing. Wolfgang Hentschel arbeitet seit 1978 im Stadtgesundheitsamt

im Bereich Umwelthygiene. Dort hat er mit Fragen zur Asbestbelastung, mit Blei im Trinkwasser, PCP und anderen Holzschutzmitteln in Kindereinrichtungen sowie Legionellen im Duschwasser zu tun – bis hin zu allgemeinen Fragen der Trinkwasser-Hygiene. Die Untersuchungsergebnisse, die er mit seinen Kollegen erarbeitet, stellt er im Sinne größtmöglicher Transparenz ins Internet unter www.frankfurt.de ein. Die Krankenhaus-Hygiene-Kongress-Stiftung wurde vor mehr als zehn Jahren von Professor Dr. Karl-Heinz Knoll gegründet, dem ehemaligen Direktor des Hygiene-Instituts der Universität Marburg. Ziel der Stiftung ist die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und deren praktische Auswirkungen auf dem Gebiet der Krankenhaushygiene. Der KHK-Stiftungspreis wird seit dem Jahr 2000 jährlich ausgeschrieben und nach einer anonymen Begutachtung durch die Jury der Stiftung vergeben. Im Jahr 2002 hat ihn bereits die Leiterin der Abteilung Medizinische Dienste und Hygiene des Stadtgesundheitsamtes, Privatdozentin Dr. Ursel Heudorf, erhalten.

Herr Hentschel hat vor 30 Jahren seine Tätigkeit im Stadtgesundheitsamt begonnen, nachdem er sein

Studium zum Gesundheitsingenieur in Giessen erfolgreich absolviert hatte. Dieser Studienzweig war

maßgeblich vom Leiter des Hygieneinstituts der Universität Marburg, Herrn Prof. Dr. Karl-Heinz-Knoll,

strukturiert und von diesem in vielen denkenswerten Vorlesungen persönlich ausgestaltet worden. In

den 1990er Jahren hat Prof. Knoll, der 2005 verstorben ist, die Krankenhaus-Hygiene-Kongress-

Stiftung gegründet, die jährlich einen Preis für hervorragende Arbeiten im Bereich Hygiene und

Infektionsprävention vergibt. Vor diesem Hintergrund hat es Herrn Hentschel – und uns alle –

besonders gefreut, dass er in diesem Jahr 2008, zum Ende seines 30jährigen Wirkens im

Stadtgesundheitsamt für seine Arbeit im Bereich der Hygiene-Überwachung von Altenpflegeheimen,

das so genannte „APH-Ranking“, den von seinem früheren „Lehrer“ gestifteten Hygienepreis der

Krankenhaus-Hygiene-Kongress-Stiftung erhalten hat.

Wir können leider keinen Preis vergeben. Aber wir sagen von ganzem Herzen Danke einem heraus-

ragenden Mitarbeiter, wundervollen Menschen, tollen Chef, zuverlässigen Partner, innovativen

Kollegen und inspirierenden Ideengeber.