3866440790 Chemie Fur Dem Machinenbau

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  • Tarsilla Gerthsen

    Chemie fr den Maschinenbau 1Anorganische Chemie fr Werkstoffe und Verfahren

  • Chemie fr den Maschinenbau 1

    Anorganische Chemiefr Werkstoffe und Verfahren

    von Tarsilla Gerthsen

  • Impressum

    Universittsverlag Karlsruhec/o UniversittsbibliothekStrae am Forum 2D-76131 Karlsruhewww.uvka.de

    Dieses Werk ist unter folgender Creative Commons-Lizenz lizenziert: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/de/

    Universittsverlag Karlsruhe 2006 Print on Demand

    ISBN: 978-3-86644-079-1

    Satz und Grafik:Druckstudio Joachim Waledzik, Rheinstetten

  • Vorwort

    Das vorliegende Buch 1 Chemie fr den Maschinenbau Anorganische Chemie fr Werkstoffe und Verfahren gibt den etwas erweiterten Inhalt meiner Vorlesung an der Berufsakademie Karlsruhe, Staatl. Studienakademie wieder. Es mchte dem Studen-ten des Maschinenbaus im ersten Semester den bergang von der Schulchemie zum anwendungsbezogenen fcherbergreifenden Lernen vermitteln und erleichtern.

    Die Erfahrung lehrte jedes Jahr von neuem, dass ein groer Teil der Studenten, die das Studium des Maschinenbaus whlten, whrend der Schulzeit mehr der Physik als der Chemie zugewandt waren. Ziel fr die vierstndige Chemie-Vorlesung musste also sein, zunchst eine verstndliche, nicht zu tief gehende Einfhrung in die che-mischen Grundkenntnisse zu geben; daneben sollte gleichzeitig der Versuch gemacht werden, die ungeliebte Chemie etwas interessanter zu gestalten. Insofern wurde jedem Kapitel anhand von Beispielen eine kurze Vorausschau auf sptere Fcher angehngt, fr die chemische Kenntnisse im Maschinenbaustudium ntzlich sein knnen.

    Durch den besonderen Studienaufbau an der Berufsakademie Theorie und Indus-triepraxis ist der Kontakt zu den Firmen, die Maschinenbaustudenten beschftigen, sehr gut. Die Frage war daher, mit welchen chemischen Problemen kommen Maschi-nenbaustudenten in den Firmen in Berhrung? Aus dem breiten Spektrum der Fir-menbesichtigungen und den Gesprchen hat sich schnell herauskristallisiert, dass die Chemie fr Werkstoffe und fr spezielle Verfahren von besonderer Bedeutung ist. Zum gleichen Ergebnis fhrte mein Besuch der Seminare an der Universitt (TH) Karlsruhe in Werkstoffkunde und im Fach Kolbenmaschinen.

    Chemische Probleme treten in vielen Betrieben auf, in denen Maschinenbauingeni-eure ttig sind. Meine technischen Beispiele zeigen sicher Lcken und sind vielleicht nicht immer auf dem allerneuesten Stand. Gerne nehme ich Anregungen ber den Ver-lag entgegen.

    Es gibt Abstze in meinem Manuskript, die im Kleindruck geschrieben sind, z.B. Historisches, Vorkommen und Darstellung. Dies soll ausdrcken, dass hiermit inte-ressante Ergnzungen beschrieben werden, die aber nicht unbedingt als Lernstoff im Vordergrund stehen. Desgleichen gilt fr das eine oder andere Kapitel wie z.B. die oft sehr ausfhrliche Beschreibung von Eigenschaften der Werkstoffe und ihre Verwen-dungsmglichkeiten.

    Ein weiteres Buch 2 mit dem Titel Chemie fr den Maschinenbau Organische Chemie fr Kraftstoffe und Schmierstoffe Polymerchemie fr Polymerwerkstoffe wird folgen.

  • Herr Prof. Dr. Bernhard Ziegler hat die Bilder der Kristallmodelle im gesamten Kapitel 4 mit Hilfe eines Computerprogramms erstellt, das von ihm selbst entwickelt wurde. Durch die Mglichkeit, die berechneten Kristallmodelle auf dem Bildschirm des Computers zu drehen, gab es interessante Einsichten in die Strukturen und fr die Studenten konnten die didaktisch gnstigsten Ansichten ausgesucht werden. Als Beispiel mchte ich nur auf die Diamantstrukturen hinweisen. Fr das gesamte Ma-nuskript hat sich Herr Prof. Dr. Dieter Eckhartt Zeit genommen. Er war nicht nur ein guter Kritiker fr meine Ausfhrungen zur Physik, sondern hat auch einiges geordnet, was nicht logisch aufgebaut oder unverstndlich war. Beiden Physikern mchte ich meine Anerkennung und meinen besonderen Dank aussprechen, nicht zuletzt fr den hohen Zeitaufwand.

    Zu danken habe ich auch all jenen, die an diesem fcherbergreifenden Manuskript mitgeholfen und ihr Fachwissen eingebracht haben. Ohne persnliche Mitteilungen fr wertvolle Anregungen und Ratschlge sowie fr Durchsicht, Verbesserungen und Er-gnzungen einzelner Abschnitte wre dieses Manuskript nicht zustande gekommen:

    Herrn Dr. P. Fehsenfeld: Forschungszentrum Karlsruhe, Abschn. 3.1.2 Radionuklid-TechnikHerrn Prof. Dr.-Ing. E. Macherauch: Institut fr Werkstoffkunde, Universitt(TH) Karlsruhe, Abschn. 3.3.1 Metallspektroskopie Herrn Dr.-Ing. G. Steidl: Dozent Berufsakademie Karlsruhe, Abschn. 3.3.2 Schweiverfahren Herrn Dr. K. Eichhorn: Institut fr Kristallographie, Universitt (TH) Karlsruhe, Abschn. 4.1.3 Kristallchemie Herrn Prof. Dr. M. Hoffmann, Dr.-Ing. F. Porz und Dr.-Ing. R. Oberacker: Institut fr Keramik im Maschinenbau, Universitt(TH) Karlsruhe, Abschn. 4.1.7 Oxidkeramik, Abschn. 4.2.6 Nichtoxidkeramik Herrn Dr. A. I. Gaiser: EnBW Karlsruhe, Abschn. 5.2.6 Entstickung und Entschwefelung von Rauchgasen Herrn Patrick Garcia, H. Neumeier und D. Froese: Tenneco Automative, Edenkoben,

    Abschn. 5.2.7 Abgasreinigung bei Otto- und DieselmotorenHerrn Prof. Dr, W. Weisweiler und Dr. E. Mallon: Institut fr Chemische Technik, Universitt(TH) Karlsruhe, Abschn. 5.2.7 Abgasreinigung bei Dieselmotoren Herrn Dr. J. Reissing: BMW Mnchen, Abschn. 5.2.7 Abgasreinigung beim Motorrad Herrn Dr.-Ing. R. Koch: Institut fr thermische Strmungsmaschinen, Universitt(TH) Karlsruhe, Abschn. 5.2.8 Strahltriebwerke

    Karlsruhe, Sommer 2006 Tarsilla Gerthsen

  • Der frhe Tod meines Mannes Peter Gerthsen

    hat mir viel Zeit gelassen

  • Inhalt Seite1 Stoffe 1

    bersicht 1

    1.1 Was versteht man unter einem Stoff? 2

    1.2 Einteilung der Stoffe 3

    1.3 Heterogene Systeme 4

    1.3.1 Allgemeine Begriffe 4

    1.3.2 Spezielle Bezeichnungen fr Dispersionen 6

    1.3.3 Kolloidale Lsungen 8

    1.3.4 Beispiel fr einen Produktionsgang, bei dem ein grobdisperses 11System in ein kolloiddisperses System bergefhrt wird:Die Herstellung eines Magnetbands

    1.4 Homogene Systeme 13

    1.4.1 Homogenes Gemisch, Lsung 13

    1.4.2 Reine Stoffe 15

    1.5 Hinweis auf die Verfahrenstechnik und das Chemieingenieurwesen, 16 auf Stoffumwandlungsverfahren in der Technik

    2 Die chemische Formel Die chemische Reaktionsgleichung 19Stchiometrisches Rechnen

    2.1 Die chemische Formel macht Aussagen ber Massen und Stoffmengen 20

    2.1.1 Die atomare Masseneinheit u 20

    2.1.2 Stoffmenge n(X), Mol 21

    2.1.3 Molare Masse, Molmasse M(X) 22

    2.1.4 Molare Normvolumen eines idealen Gases, Molvolumen Vm(X) 23

    2.1.5 Konzentrationsangaben 23

    2.2 Welche Aussage macht die chemische Formel z.B. fr das 23Wassermolekl H2O?

    2.3 Die chemische Reaktionsgleichung 24

    2.4 Stchiometrisches Rechnen 25

    3 Atomaufbau und Periodensystem der Elemente 27

    3.1 Aufbau eines Atoms 27 3.1.1 Atommodelle, historische Aufzhlung 28

    3.1.2 Atomkern 29

    3.1.3 Struktur der Elektronenhlle 34

    3.1.4 Elektronenkonfiguration der Elemente 43

    Inhaltsverzeichnis

  • 3.2 Periodensystem der Elemente PSE 50

    3.2.1 Die Anordnung der Elemente im Periodensystem 50

    3.2.2 Periodizitt von Eigenschaften 55

    3.2.3 Einzelbesprechungen von Perioden und Gruppen 61

    3.3 Technische Verfahren, die aus dem Atomaufbau eine Erklrung und 69praktische Anwendung finden: Die Anwendung des Lichtbogens

    3.3.1 Metallspektroskopie 70

    3.3.2 Der Lichtbogen in freier Atmosphre beim Lichtbogen- 74schweien

    3.3.3 Schweien mit Elektronen- und Laserstrahlen 81

    4 Chemische Bindung die Bedeutung fr die Eigenschaften 83von Werkstoffen

    4.1 Ionenbindung 83

    4.1.1 Beschreibung der Ionenbindung 83

    4.1.2 Bildung eines Ionenkristalls 85

    4.1.3 Einige Begriffe aus der Kristallchemie 94

    4.1.4 Kristallstrukturen von Ionenverbindungen 107

    4.1.5 Strukturtypen 123

    4.1.6 Allgemeine Eigenschaften von Ionenkristallen 125

    4.1.7 Metalloxide Oxidkeramik, oxidkeramische Hartstoffe, 128Werkstoffe fr den Maschinenbau

    4.2 Atombindung 140

    4.2.1 Beschreibung der Atombindung 140

    4.2.2 Aufbau des Atomkristalls Diamant 158

    4.2.3 Strukturtypen 167

    4.2.4 Graphit, Fullerene 169

    4.2.5 Gegenberstellung Diamant/Graphit 174

    4.2.6 Nichtoxidkeramik nichtmetallische Hartstoffe, Werkstoffe 180fr den Maschinenbau

    4.2.7 Molekle und die zwischenmolekularen Bindungskrfte 190

    4.2.8 Glas, ein amorpher Festkrper Der Glaszustand 205

    4.3 Metallbindung 215

    4.3.1 Beschreibung der Metallbindung 215

    4.3.2 Metallstrukturen 216

    4.3.3 Strukturtypen 225

    4.3.4 Eigenschaften von Metallen, Metametallen und Halbmetallen 226

    Inhaltsverzeichnis

  • 4.3.5 bergang zwischen den Grenztypen Atombindung und 231Metallbindung bei den Elementen in der Hauptgruppe IVa(Gruppe 14) im PSE

    4.3.6 Einteilungsmglichkeiten der Metalle 232

    4.3.7 Ausgewhlte Metalle Werkstoffe fr den Maschinenbau 233

    4.4 Legierung, Legierungssystem 253

    4.4.1 Allgemeine Angaben zum Aufbau einer Legierung 254

    4.4.2 Mischkristalle 255

    4.4.3 Intermedire Phasen 258

    4.4.4 Eutektikum 263

    4.4.5 bergangsmetallcarbide und -nitride metallische Hart- 264stoffe, Werkstoffe fr den Maschinenbau

    4.4.6 bergangsmetallboride und -silicide metallische Hartstoffe, 267Werkstoffe fr den Maschinenbau

    4.4.7 Hartmetalle 267

    4.4.8 Einlagerungshydride 268

    4.4.9 Das Schmelzdiagramm, das Zustandsdiagramm fr Metall- 269Legierungen

    5 Die chemische Reaktion Das chemische Gleichgewicht 277

    5.1 Grundlegende Gesetzmigkeiten fr die chemische Reaktion 278fr das so genannte chemische Gleichgewicht

    5.1.1 Das Massenwirkungsgesetz MWG 278

    5.1.2 Reaktionsenthalpie 283

    5.1.3 Entropie 290

    5.1.4 Freie Reaktionsenthalpie 291

    5.1.5 Reaktionsgeschwindigkeit 292

    5.1.6 Beeinflussung der chemischen Reaktion. Die Verschiebung 302des chemischen Gleichgewichts

    5.2 Chemische Reaktionen Chemische Gleichgewichte mit 308gasfrmigen Reaktionspartnern

    5.2.1 Verbrennung (Oxidation) von Kohlenstoff 309

    5.2.2 Verbrennung (Oxidation) von Wasserstoff, die Knall- 311gasreaktion

    5.2.3 Verbrennung von Kohlenwasserstoffen 321

    5.2.4 Das Boudouard-Gleichgewicht 322

    5.2.5 Bildung von Stickstoffoxiden und Schwefeloxiden bei 327Verbrennungsvorgngen

    Inhaltsverzeichnis

  • 5.2.6 Stickstoffoxide und Schwefeloxide in Rauchgasen und deren 332Minderung

    5.2.7 Bildung von CO, NOx und HC imVerbrennungsmotor und 335deren Minderung

    5.2.8 Bildung von CO, NOx und HC im Strahltriebwerk und 347deren Minderung

    5.3 Chemische Reaktionen Chemische Gleichgewichte von Elektro- 356lyten in verdnnter wssriger Lsung Salze, Suren und Basen

    5.3.1 Elektrolyte 356

    5.3.2 Bildung einer Elektrolytlsung 357

    5.3.3 Das Lslichkeitsprodukt 360

    5.3.4 Suren und Basen, Protolysereaktionen 362

    5.3.5 Einige technisch wichtige Suren und Basen 368

    5.3.6 Ausgewhlte Reaktionen von Elektrolyten in verdnnter 373wssriger Lsung

    5.3.7 Der Ionenaustauscher 377

    5.4 Chemische Reaktionen Chemische Gleichgewichte bei Oxi- 379dations- und Reduktionsvorgngen

    5.4.1 Oxidation und Reduktion, Redoxreaktion 379

    5.4.2 Elektrochemie 387

    5.4.3 Die elektrochemische Energiespeicherung und Energie- 412wandlung

    5.4.4 Korrosion von metallischen Werkstoffen 429

    Anhang 435

    Einheiten 435

    Konstanten 437

    Definitionen in der Chemie 437

    Tabellen 438

    Umrechnung Kc zu Kp mit Hilfe der allgemeinen Zustandsgleichung 441idealer Gase

    Emissionsgrenzwerte fr Kraftfahrzeuge 443

    Umweltprobleme 444

    Glossar 447

    Literaturverzeichnis 454

    Farbtafeln 457

    Stichwortverzeichnis 475

    Inhaltsverzeichnis

  • 11 Stoffe

    bersicht

    Die Flle der Stoffe auf unserer Erde scheint unermesslich und unbersichtlich zu sein. Zu Beginn eines jeden Chemieunterrichts wird daher zunchst ein allgemeines Kapitel ber Stoffe vorangestellt, in dem ein berraschend einfaches Schema fr ihre Eintei-lung angegeben wird (s Abb. 1.1). Gleichzeitig zeigt diese bersicht, welche Mg-lichkeiten es gibt, diese Stoffe so umzuwandeln, dass man letztendlich zu definierten, reinen Stoffen kommt. Aus den reinen Stoffen lassen sich wiederum durch chemische Umwandlungen d.h. chemische Reaktionen neue Produkte fr die Technik und den tglichen Bedarf herstellen.

    Die Chemie ist die Lehre von den Stoffen und den Stoffnderungen: Chemiker sind Stoffumwandler.

    Maschinenbauingenieure haben andere Aufgaben als Chemiker und dementspre-chend andere Lehrgebiete.

    Doch auch der Maschinenbauingenieur muss sich mit dem Begriff Stoff auseinan-dersetzen, wenn auch in anderer, nmlich in anwendungsbezogener Weise. Ihn werden hauptschlich feste Stoffe mit technisch verwertbaren Eigenschaften interessieren, mit denen er als Ingenieur etwas machen, etwas konstruieren und herstellen kann, er nennt sie Werkstoffe. Darunter versteht man Keramik, Metalle, Polymer- und Ver-bundwerkstoffe. Dagegen zhlt nur eine geringe Anzahl an flssigen und gasfrmigen Stoffen zu seinem Themenkreis. Beispiele sind Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Acetylen sowie Kraftstoffe und Schmierstoffe.

    Ebenso drfte die Durchfhrung der chemischen Umwandlungsverfahren, wie sie in Abb. 1.1 angegeben sind und die dafr notwendigen chemischen Reaktionen kaum in seinen Aufgabenbereich fallen. Er wird aber mit chemischen Reaktionen, wie Minde-rung der Schadstoffe in Motorabgasen, Hrtungsverfahren von Stahl, Verbrennungs-reaktionen von Kraftstoffen u.v.a. whrend seines Studiums und mit der einen oder anderen chemischen Reaktion auch spter im Beruf in Berhrung kommen.

    Das Interesse an Stoffen und an chemischen Reaktionen ist bei Chemikern und Maschinenbauingenieuren also sehr verschieden. Und dennoch soll kurz auf dieses allgemeine Kapitel ber Stoffe und deren Umwandlungsverfahren eingegangen wer-den, weil der Student des Maschinenbaus daraus gleich zu Beginn seines Studiums den besonders engen Zusammenhang von Maschinenbau und den mglichen Studien-richtungen der mechanischen, thermischen und chemischen Verfahrenstechnik erfhrt. Die Umwandlungsverfahren, die im bersichtsschema der Abb. 1.1 angegeben sind, im technischen Mastab durchzufhren ist u.a. Aufgabe des Verfahrensingenieurs (s. Abschn. 1.5). Dazu werden allerdings in der chemischen Verfahrenstechnik vertiefte chemische Kenntnisse bentigt.

  • 2

    m = Masse in kg bzw. gV = Volumen in m3 bzw. cm3

    Das Gewicht ist eine Kraft, mit der ein Stoff beispielsweise zur Erde hingezogen wird.

    Gewicht F = m g F = force, Kraft in Newton N (1.2)N = kg m s2

    g = Erdbeschleunigung = 9,81 m s2

    (auf dem Mond = 1,61 m s2)

    mMassendichte = = in kg m3 bzw. g cm3 (1.1)

    V

    Fr alle Stoffe unserer Welt stehen nur etwa hundert chemische Elemente zur Verfgung, die im Periodensystem der Elemente dargestellt sind s. Abb. 3.15.

    1 Stoffe

    Darber hinaus eignet sich dieses Kapitel auf disperse Systeme einzugehen. Sie haben in der Technik bei vielen Verfahren und Produktionsgngen groe Bedeutung, wozu die mechanische Verfahrentechnik die Grundlagen und das Wissen beitrgt. Nicht zuletzt kann ein disperses System zur Herstellung z.B. von keramischen Werk-stoffen dienen. Im fertigen Werkstoff sind die Eigenschaften dann meist in gewnsch-ter Weise verbessert gegenber Werkstoffen, die nach anderen Herstellungsverfahren gewonnen wurden.

    1.1 Was versteht man unter einem Stoff?

    Die Welt, in der wir leben besteht aus natrlichen und knstlich hergestellten Stoffen.

    Stoffe knnen anorganischer und organischer Natur sein und sie haben in ihren ver-schiedenen Erscheinungsarten bestimmte chemische und physikalische Eigenschaften, die unabhngig sind von Gre und Gestalt.

    Beispiele:Anorganische Stoffe sind Metalle, Oxide, Graphit, Wasser, Sauerstoff, Stickstoff u.a. Organische Stoffe sind Methan, Acetylen, Erdl, Kunststoffe u.a. sowie die meisten Stoffe aus der Tier- und Pflanzenwelt.

    Eigenschaften knnen sein: plastisch verformbar, magnetisch, hart, sprd, weich, flssig, gasfrmig, leicht brennbar, temperaturempfindlich usw.

    Ein Stoff besitzt Masse und damit Gewicht. Er nimmt bei einer bestimmten Tempe-ratur, z.B. bei 20 C und Atmosphrendruck (1,013 bar), ein bestimmtes Volumen im Raum ein. Das Verhltnis von Masse zu Volumen bezeichnet man als Massendichte, meist nur Dichte genannt.

  • 31.1 Was versteht man unter einem Stoff? / 1.2 Einteilung der Stoffe

    1.2 Einteilung der Stoffe

    Eine erste grobe Einteilung (s. Abb. 1.1) unterscheidet zwischen heterogenen und homogenen Stoffen, d.h. zwischen Stoffen, die meist schon sichtbar uneinheitlich oder sichtbar einheitlich aufgebaut sind. Der Begriff Stoff wird hier durch den Ausdruck System ersetzt und in der Verfahrenstechnik spricht man weniger von heterogenen Systemen, vielmehr von dispersen Systemen.

    gr. heteros uneinheitlich, verschieden; gr. homoios gleich; gr. genos Art; lat. dispergere zerteilen, zerstreuen.

    Die homogenen Systeme werden weiter unterteilt in homogene Gemische, die im weitesten Sinne auch Lsungen genannt werden sowie in reine Stoffe.

    Als reine Stoffe bezeichnet man die chemischen Verbindungen und die chemischen Elemente.

    Abb. 1.1 Schema zur Einteilung der Stoffe und zu den Umwandlungsverfahren

  • 4 1 Stoffe

    1.3 Heterogene Systeme

    1.3.1 Allgemeine Begriffe

    Heterogene Systeme Heterogene Systeme bestehen aus mindestens zwei, oftmals aus mehr als zwei ver-schiedenartigen homogenen Komponenten (s. Abb. 1.2 und Tabelle 1.1). Der Ausdruck Komponente wird verwendet, um anzuzeigen, dass es sich um einen Bestandteil eines Ganzen handelt.

    Bei einem heterogenen System man spricht auch von heterogenem Gemisch oder Gemenge kann man die einzelnen Komponenten mit dem bloen Auge oder gegebe-nenfalls noch mit dem Lichtmikroskop erkennen. Die Zusammensetzung ist variabel, das Massenverhltnis der einzelnen Anteile beliebig.

    Die einzelnen Komponenten werden in einem heterogenen System auch Phasen genannt. Eine Phase ist in ihrer Zusammensetzung, Struktur und den Eigenschaften konstant, d.h. sie ist in sich einheitlich, homogen (s. Abschn. 1.4). Die unterschiedli-chen Phasen knnen im gleichen Aggregatzustand oder in verschiedenen Aggregatzu-stnden vorliegen, nmlich fest, flssig oder gasfrmig. Eine Phase ist von der anderen Phase durch eine Grenzflche, eine Phasengrenzflche getrennt.

    Abb. 1.2 Heterogenes ZweiphasensystemDie Phasengrenzen lassen sich mit dem bloen Auge oder gegebenenfalls noch mit dem Lichtmikroskop erkennen.

    Anmerkung: Auf ein System trifft allgemein zu, was man unter Synergie versteht: Ein System ist mehr als nur die Summe der einzelnen Komponenten (Phasen). Ein System zeigt neue, meist berlegene Ei-genschaften.

    Beispiel: Granit besteht aus den Komponenten Feldspat, Quarz und Glimmer. Die einzelnen Komponenten haben nicht die Eigenschaft zum harten Urgestein, wie sie es im Zusammenwirken als heterogenes System errei-chen. Geschliffener Granit ist zustzlich von besonderer Schnheit. Vgl.: Legierungen Abschn. 4.4.

    Disperse SystemeWhrend die Bezeichnung heterogenes System auf die Zusammensetzung aus ver-schiedenartigen homogenen Komponenten hinweist, gilt die Bezeichnung disperses System zustzlich fr Systeme, die aus ein und derselben Komponente bestehen knnen. Diese muss dann allerdings in unterschiedlicher geometrischer Form oder in unterschiedlichem Aggregatzustand vorliegen. Ein Beispiel ist Eiswasser, das sind Eisstcke in Wasser.

    Fr disperse Systeme gibt es folgende Sprachregelung:

  • 5Aggregatzustand der Phasen

    Beispiele fr heterogene Systeme

    fest fest Heterogenes Gemisch, Gemenge verschiedener fester Komponenten: Granit: Feldspat, Quarz und GlimmerErze: metalloxid- oder metallsulfidfhrende Gesteine

    fest flssig Tpferton: Ton in Wasser aufgeschlmmt

    fest gasfrmig Rauch: Ru und andere Partikel in Luft

    flssig fest Wassereinschlsse in Mineralien

    flssig flssig Milch: Milchfett (Sahne) in der wssrigen Phase der Milch

    flssig gasfrmig Nebel: Wassertrpfchen in Luft

    gasfrmig fest Porensysteme: Kork

    gasfrmig flssig Blasensysteme, Schaum z.B.Seifenschaum: Luftblasen in Seifenlsung

    gasfrmig gasfrmig Diese Systeme sind immer homogen.

    Tabelle 1.1 Beispiele fr heterogene Systeme. Einteilung nach dem Aggregatzustand der Phasen

    Eine Phase,die disperse Phase, sie wird auch disperser Stoff, disperser Bestandteil, dispergierte Phase genannt,

    ist in der anderen Phase,im Dispersionsmittel, auch Dispersionsmedium, kontinuierliche (zusammenhng-ende) Phase genannt,

    fein verteilt, d.h. dispergiert.

    Teilchengre der dispersen Phasen Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der dispersen Systeme ist die Teilchen-gre der dispersen Phase. Je nach Zerteilungsgrad (Dispersionsgrad) der dispersen Phase gibt man folgende Einteilung an:

    Grobdisperses System: mit dem Auge sichtbare Teilchen bis zu einem Durchmesser von etwa 107 m. Die Grenze von 107 m wurde gewhlt, da die Erkennbarkeit von Teilchen unter dem Lichtmikroskop bei einem Durchmesser von etwa 2 107 m liegt. Die Teilchen nennt man Partikel, Korn oder bei groen Partikeln auch Stcke.

    1.3 Heterogene Systeme

  • 6 1 Stoffe

    Kolloiddisperses System: mit einem Teilchendurchmesser von etwa 107 m bis109 m. Kolloiddisperse Teilchen werden Kolloide genannt.

    Anstelle von m werden auch m = 106 m oder nm = 109 m verwendet: 107 m = 0,1 m.

    Kolloid gr. kolla Leim, gr. eidos Form, Aussehen. Bezeichnung nach einer Aufschlmmung von Tischlerleim in Wasser, die ein kolloidales System darstellt.

    Molekulardisperses System: mit einem Teilchendurchmesser

  • 7 Die Trennung einer hydrophilen, d.h. wasserlslichen kolloiddispersen Suspension erreicht man durch Ausfllen zu einem Gel (s. Abschn.1.3.3).

    Emulsion lat. emulgere ausmelken, weil Milch eine Emulsion darstellt.Eine Emulsion ist eine Dispersion aus nicht miteinander mischbaren Flssigkeiten. Eine der flssigen Phasen bildet die zusammenhngende Phase, das Dispersionsmittel, in der die andere Phase, die disperse Phase, in Form von kleinen Trpfchen fein verteilt, d.h. dispergiert ist.

    Die Stabilitt, d.h. die Bestndigkeit einer Makroemulsion hngt von der Gre der dispergierten Trpfchen ab. Je kleiner sie sind, umso mehr kommt wegen der stark gestiegenen Verhltnisse von Grenzflche zu Volumen die Grenzflchenspannung zur Geltung. Diese bestimmt den Arbeitsaufwand die Grenzflchenenergie die zur Bildung einer neuen, vergrerten Grenzflche erforderlich ist.

    Anmerkung: Grenzflchenspannung/Grenzflchenenergie: In dispersen Systemen wird die Trennflche zwischen zwei aneinander grenzenden, nicht mischbaren Phasen als Grenzflche bezeichnet (s. Abschn. 1.3.1). Die Bildung einer neuen Grenzflche, d.h. die Vergrerung der Grenzflche bedeutet, dass Energie also Grenzflchenenergie aufgewendet werden muss. Die spezifische Grenzflchenspannung und die spezifische Grenzflchenenergie sind zahlenmig und dimensionsmig identisch:

    Kraft pro Lnge = Arbeit pro Grenzflche

    Eine Vergrerung der Grenzflche, d.h. die Verkleinerung eines Tropfens bedeutet die Erhhung der Grenzflchenspannung bzw. der Grenzflchenenergie.Eine Verkleinerung der Grenzflche, d.h. die Vergrerung der Tropfen bedeutet die Verringerung der Grenzflchenspannung bzw. der Grenzflchenenergie.

    Die Gesamtgrenzflche und damit die Grenzflchenenergie nehmen zu, wenn man einen (kugelfrmigen) Tropfen einer Makroemulsion in viele kleine Trpfchen auf-teilt, die Stabilitt (Bestndigkeit) nimmt dadurch ab. Umgekehrt nimmt die Grenz-flchenenergie ab, wenn zwei Tropfen sich zu einem einzigen Tropfen vereinen. Dabei verschwindet der kleinere auf Kosten des greren Tropfens, weil der von der Grenzflchenspannung herrhrende Normaldruck umgekehrt proportional zum Radius des Trpfchens ist. Die Flssigkeit wird also aus der kleineren in die grere Trpfchenkugel hineingepresst. Dem System muss dann Energie Schtteln, Schla-gen, Rhren zugefhrt werden, um es wieder in kleine Trpfchen aufzuteilen. Eine Makroemulsion ist stabiler, wenn der Massendichteunterschied zwischen den nicht mischbaren Flssigkeiten gering ist. Das Zusammenflieen der Trpfchen kann man durch Emulgatoren verhindern (grenzflchenaktive Substanzen s. Abschn. 4.2.7).

    Die Trennung der einzelnen, nicht miteinander mischbaren flssigen Phasen einer Makroemulsion kann durch mechanische Methoden erfolgen aufgrund der unter-schiedlichen Massendichten durch Abscheiden lassen bzw. Zentrifugieren.

    Eine Mikroemulsion, eine kolloiddisperse Emulsion sie erscheint meistens klar wird hergestellt mit Hilfe von Kolloidmhlen (Homogenisieren) oder mit Ultraschall.

    Die meisten Emulsionen zeigen jedoch eine uneinheitliche Gre der dispers ver-teilten Trpfchen, sie sind polydispers.

    1.3 Heterogene Systeme

  • 8 1 Stoffe

    SchaumSchume sind Gebilde aus gasgefllten Zellen, die durch flssige oder feste Zellstege begrenzt werden. Die Zellstege bilden ein zusammenhngendes Gerst.

    Im flssigen Schaum sind also Gasblschen in einem Gerst einer Flssigkeit, im festen Schaum sind Gasblschen in einem Gerst aus Feststoff fein verteilt. Im fls-sigen Schaum sind die Gasblasen durch einen Flssigkeitsfilm von kolloidaler Dicke voneinander getrennt. Dieser Zustand ist thermodynamisch instabil. Es besteht die Tendenz, Oberflchenenergie durch Verkleinerung der Oberflchen frei zu setzen, zu gewinnen. Flssiger Schaum kann durch Schaumbildner stabilisiert werden (grenzfl-chenaktive Substanzen s. Abschn. 4.2.7).

    Aerosol lat. aer Luft; lat. solutio LsungFestststoffteilchen (bei einem festen Aerosol) oder Flssigteilchen (bei einem flssi-gen Aerosol) sind als Schwebeteilchen in einem gasfrmigen Medium fein verteilt. Die Bezeichnung sol weist auf ein kolloiddisperses System hin, doch knnen durch-aus auch grere Teilchen im gasfrmigen Medium verteilt sein.

    Aerosole sind instabil, da gasfrmige Medien und Schwebeteilchen meist erhebli-che Massendichteunterschiede aufweisen. Die Schwebeteilchen knnen sich absetzen oder sich durch Zusammenste vergrern. Je hher konzentriert das Aerosol ist und je grer die Aerosol-Teilchen werden, umso rascher setzen sich die Teilchen ab. Aerosol-Teilchen knnen auch elektrisch aufgeladen sein.

    Das bedeutendste natrliche Aerosol bildet die Lufthlle der Erde.

    1.3.3 Kolloidale Lsungen

    Kolloiddisperse Systeme gibt es in unterschiedlicher Art. Danach richten sich die Einteilungsmglichkeiten, beispielsweise nach den Aggregatzustnden von disperser Phase und Dispersionsmittel (Suspension, Emulsion u.a.), nach anorganischen und or-ganischen Kolloiden sowie nach der Form der Kolloide, wie kugelige (globulre) oder lang gestreckte (fibrillre) Kolloide. Eine besondere Bedeutung haben die kolloidalen Lsungen, sie beschreiben das Verhalten gegenber dem flssigen Dispersionsmittel.

    Kolloidal (oder auch kolloid) bezeichnet einen Zustand, keine Stoffeigenschaft.

    Suspensionen und Emulsionen in kolloidaler Dimension werden als kolloidale L-sungen bezeichnet. Es sind jedoch keine echten Lsungen, denn es sind Schwebeteil-chen fest oder flssig im flssigen Dispersionsmittel fein verteilt.

    Die Bezeichnung kolloidale Lsung ist darauf zurckzufhren, dass die Kolloide im Lichtmikroskop wie bei einer echten, molekularen Lsung nicht mehr sichtbar sind, so dass die kolloidalen Lsungen in vielem den echten Lsungen hneln. Man kann sie jedoch von den echten Lsungen mit Hilfe der Tyndall-Streuung (John Tyn-dall 18201893, engl. Physiker) unterscheiden: durch die Streuung des Lichtes an den kolloiddispersen Teilchen wird ein scharf gebndelter Lichtstrahl beim Durchgang zu

  • 9einem Lichtkegel verbreitert. Die Tyndall-Streuung wird beispielsweise bei aufgeblen-detem Scheinwerferlicht eines Autos im Nebel erkennbar.

    Man unterscheidet unabhngig von der Art des flssigen Dispersionsmittels, das meist nicht ganz korrekt Lsemittel genannt wird:

    lyophile Kolloide, d.h. lsemittelfreundliche Kolloide (fest oder flssig), die sich durch Lsen durch Solvatation bilden, d.h. sich mit dem Lsemittel ber zwischenmolekulare Bindungskrfte (s. Abschn. 4.2.7) umhllen knnen.

    lyophobe Kolloide, lsemittelfeindliche Kolloide (fest oder flssig), die nur in sol-chen flssigen Medien herstellbar sind, in denen der betreffende Stoff unlslich ist, d.h. wenn keine Solvatation stattfinden kann. Es bedarf bestimmter Kunstgriffe um sie als Kolloide herzustellen und zu erhalten, so z.B. mechanische Zerteilung und Schutzschichten (s. Seite 10). gr. lyein lsen; gr. philos Freund; gr. phobos Scheu

    Im speziellen Fall, wenn das Lsemittel Wasser ist, so unterscheidet man

    hydrophile Kolloide, die Teilchen umgeben sich ber zwischenmolekulare Bin-dungskrfte mit einer stabilen Umhllung aus fest adsorbiertem* Wasser. So bleiben sie als Schwebeteilchen fein verteilt und sind vor der Zusammenlagerung zu gre-ren Teilchen geschtzt. Man bezeichnet dies als Sol (genauer Lyosol).

    hydrophobe Kolloide, die Teilchen tragen keine Wasserumhllung. Damit sie sich nicht zu greren Teilchen zusammenlagern, bentigen sie eine Schutzschicht, die sie als Sol stabilisiert. Einmal ausgefallen, lassen sie sich nicht mehr in ein Sol um-wandeln (irreversible Kolloide).

    * lat. adsorbere an sich binden; an der Oberflche adsorbieren; Unterschied zu lat. absorbere verschlingen; einen Stoff in sich aufnehmen, absorbieren.

    Stabilisierung einer kolloidalen LsungBei Produktionsgngen, fr die die Herstellung einer stabilen kolloidalen Lsung erforderlich ist, muss die Zerstrung des kolloidalen Systems, d.h. das Zusammen-lagern zu greren Teilchen verhindert werden. Die Stabilisierung kann durch groe Verdnnung oder Schutzschichten erfolgen.

    Anmerkung: Kleine Feststoffteilchen sind gegenber greren Feststoffteilchen unbestndig, was fr Fls-sigteilchen im Abschn. 1.3.2 bereits errtert wurde. Groe Feststoffteilchen wachsen auf Kosten der klei-nen Teilchen, was beim Kristallwachstum deutlich sichtbar ist. Kleine Feststoffteilchen haben relativ groe Grenzflchen mit nicht abgesttigten Restvalenzen, sie machen das Teilchen reaktionsfhiger, energiereicher und sind daher unbestndiger als groe Teilchen. Dies uert sich auch darin, dass man zu ihrer Herstellung Zerkleinerungsenergie hineinstecken muss. Kleine Feststoffteilchen haben das Bestreben in einen grenz-flchenrmeren Zustand berzugehen. Das Bestreben als greres Teilchen auszuflocken, ist gro.

    Groe Verdnnung Hydrophile Kolloide setzen sich beim Stehen nicht ab, wenn die Verdnnung hinrei-chend gro ist. Sie knnen durch die Wrmebewegung (Brownsche Bewegung) des Dispersionsmittels in der Schwebe gehalten werden.

    Bei einem hydrophilen Kolloid kann aber das Bestreben zur Anlagerung von Wasser

    1.3 Heterogene Systeme

  • 10 1 Stoffe

    u.U. so gro sein, dass das Sol zu einer gelatineartigen, wasserreichen Masse, zu einem Gel, erstarrt. Die Kolloide fallen dann mit ihrer fest adsorbierten Wasserumhllung aus. Unter einem Gel hat man sich ein weitmaschiges, unregelmiges Gerst aus Kolloidteilchen vorzustellen, das mit Lsemittel durchtrnkt ist und durch zwischen-molekulare Bindungskrfte zusammengehalten wird. Durch Hinzufgen von Wasser kann das Gel hydrophiler Kolloide wieder in Lsung gebracht, in Sol bergefhrt werden (reversible Kolloide). In speziellen Fllen erreicht man dies auch durch me-chanische Einflsse auf die zwischenmolekularen Bindungskrfte, z.B. durch Rhren oder Schtteln. Dann verflssigt sich das Gel wieder und wandelt sich in ein Sol um.

    Der Vorgang des Erstarrens zu einem Gel bezeichnet man Koagulation, die Herstellung eines Sols aus einem Gel bezeichnet man Peptisation. Der Vorgang ist reversibel.

    lat. gelare zum Erstarren bringen; lat. coagulare gerinnen lassen; gr. pepsis Verdauung, bedeutet hier Auflsung.

    Koagulation Sol Gel Peptisation

    Beispiel fr ein Gel-Sol-Gel-Verfahren:Das Phnomen der Thixotropie gr. thixis Berhrung, gr. tropos WandlungUnter Thixotropie versteht man das unterschiedliche Flieverhalten (Viskositt) von konzentrierten lyophilen kolloidalen Lsungen beim Stehen bzw. Rhren oder Schtteln. Beim Stehen werden die kolloidalen Teilchen mit ihrer Umhllung durch zwischenmolekulare Bindungskrfte miteinander verknpft. Die kolloidale Lsung erstarrt zu einem Gel und zeigt eine hohe Viskositt. Es gengen meist schon geringe Krfte (Rhren, Schtteln), um die Zusammenlagerung aufzuheben und das Gel in ein Sol berzufhren: die Viskositt verringert sich. Erneut zu Ruhe gekommen, erstarrt das Sol wiederum zu einem Gel. Das Flieverhalten beim Vorgang der Thixotropie bezeichnet man als Strukturviskositt.

    Die Erscheinung der Thixotropie, wird z.B. bei nicht-tropfenden Lacken ausgentzt. Der Lack (Gel) lsst sich leicht verstreichen, d.h. durch Rhren und Pinseldruck zu Sol umwandeln. Er bildet aber keine Tropfen, sondern erstarrt zur Ruhe gekommen wieder zu Gel.

    Hydrophobe Kolloide neigen auch bei groer Verdnnung dazu, sich abzusetzen. Eine Stabilisierung gelingt allenfalls dann, wenn der Massendichteunterschied zwi-schen Kolloid und Dispersionsmittel gering ist.

    Schutzschichten Gleichnamige elektrische Ladungen

    Hydrophobe Kolloide mit gleichnamigen elektrischen Ladungen stoen sich gegen-seitig ab und erreichen dadurch eine Stabilisierung. Neutralisiert man die elektrischen Ladungen, z.B. durch Zugabe von entgegengesetzten Ladungen, wie H+- bzw. OH-Ionen, so flocken die Kolloide aus. Der Punkt, an dem die elektrische Ladung des Kol-loids gerade kompensiert ist, heit isoelektrischer Punkt. Ausgeflockte hydrophobe

  • 11

    Kolloide lassen sich durch Zugabe von Wasser nicht mehr in eine kolloidale Lsung umwandeln.

    Hydrophile Kolloide, die in sehr verdnnter wssriger Lsung hydratisiert vorliegen und beispielsweise sauer reagieren, knnen durch Zugabe von OH-Ionen bis zum isoelektrischen Punkt als Gel ausgeflockt werden.

    Beispiele: Ein Sol-Gel-Verfahren bei Ausflockung am isoelektrischen Punkt: Herstellung von Keramik z.B. aus Aluminiumoxid Al2O3, Titandioxid TiO2 oder Zirconiumdioxid ZrO2. Das Verfahren wird im Abschn. 4.1.7 beschrieben. Ein anderes Verfahren ist das Sol-Gel-Verfahren zur Herstellung von Beschichtungen mit Schichtdicken im Nanobereich.

    Schutzkolloide

    Eine weitere Mglichkeit der Stabilisierung von kolloidalen Lsungen ist die Zugabe eines Schutzkolloids. Schutzkolloide bestehen aus Moleklen mit zwei unterschiedli-chen Gruppierungen. Die unpolare Gruppe orientiert sich zum hydrophoben Kolloid, die polare Gruppe orientiert sich zum Dispersionsmittel Wasser. Das hydrophobe Kolloid nimmt so den Charakter eines hydrophilen Kolloids an und kann in Wasser in der Schwebe gehalten werden. Derartige Schutzschichten knnen grenzflchenaktive Substanzen sein (s. Abschn. 4.2.7).

    Entsprechende Schutzkolloide knnen auch in nichtwssrigen Medien fr lyophobe Kolloide eingesetzt werden.

    Es gibt Polymere, die keramische Kolloide stabilisieren knnen. Ihre Wirkungswei-se ist komplexer Art.

    1.3.4 Beispiel fr einen Produktionsgang, bei dem ein grobdisperses System in ein kolloiddisperses System bergefhrt wird

    Die Herstellung eines Magnetbands

    Die Produktion von Magnetbndern s. Abb. 1.3 beginnt mit der Dispersionsherstellung: fr die magnetische Dispersion, die Vorstufe der Magnetschicht, wird meist Eisenoxid (-Fe2O3, s. Abschn. 4.1.2) als Trger des Magnetismus und das polymere Bindemittel Polyurethan PUR (s. Buch 2, Abschn. 5.3.2) in einem Lsemittelgemisch aus Tetrahydro-furan THF und Methylethylketon MEK (s. Buch 2, Tabelle 1.4) dispergiert. Das Eisen-oxid ist ein braunes Pulver, das aus mikroskopisch kleinen Ndelchen besteht. Bei einigen Bandtypen wird Chromdioxid (CrO2) verwendet.

    In groen, mit kugelfrmigen Mahlkrpern gefllten Mhlen werden die Agglo-merate, die Zusammenballungen der Magnetteilchen, bis zum Entstehen einer sehr fein zerteilten Dispersion gemahlen. Jedes Magnetteilchen ist zuletzt von einem Film des Bindemittels PUR als Schutzschicht umgeben. Nach Filtrieren durch Zeolithe

    1.3 Heterogene Systeme

  • 12 1 Stoffe

    Abb. 1.3 Schema fr den Produktionsgang zur Herstellung von Magnetbndern - Quelle BASF AG, Ludwigshafen/Rhein. Seit 1997 nicht mehr im Programm.

  • 13

    (Alumosilicate s. Abschn. 4.2.8) wird schlielich auch die letzte Ungleichmigkeit aus der Dispersion entfernt. Die Gre der Magnetteilchen ist ausschlaggebend fr die Qualitt des Magnetbands. Je feiner die Teilchen, desto besser ist die Qualitt.

    Die Beschichtung von Polyesterbahnen (s. Buch 2, Abschn. 5.3.2) mit der Magnetdis-persion erfolgt in absolut staubfreien und klimatisierten Rumen. Der gleichmige Auftrag der Magnetschicht erfordert hchste Przision der Beschichtungsmaschinen. Die Magnetschicht ist nicht strker als 3 m. Die Magnetteilchen werden durch einen Magneten ausgerichtet.

    Es folgen Trocknungszonen, das Kalandrieren (Gltten und Verdichten der Oberflche zwi-schen zwei gegenlufigen Walzen) und das Aufrollen der Bahnen zu dicken Rollen, den so genannten Blcken. In der Fertigung werden die Blcke zu Bndern geschnitten, ge-prft und konfektioniert, d.h. das Magnetband wird auf die Verkaufsspulen aufgespult und entsprechend verpackt.

    Aus dem Flieschema sind folgende Grundoperationen der Verfahrenstechnik zu entnehmen: Rhren, Filtrieren, Mahlen, Beschichten, Trocknen, Verdampfen und Kon-densieren des Lsemittels (zur Rckgewinnung), Kalandrieren, Aufwickeln, Schnei-den.

    1.4 Homogene Systeme

    Bei homogenen Systemen unterscheidet man zwischen homogenen Gemischen die im weitesten Sinne auch Lsungen genannt werden und reinen Stoffen. Homogene Systeme sind in ihrer Zusammensetzung durch und durch einheitlich und lassen mit der strksten lichtmikroskopischen Vergrerung keine Phasengrenzflchen erkennen. Ein homogenes System hat definierte chemische und physikalische Eigenschaften. Es kann fest, flssig oder gasfrmig sein.

    1.4.1 Homogenes Gemisch, Lsung

    Ein homogenes Gemisch besteht aus mindestens zwei verschiedenartigen Komponen-ten. Bei Lsungen im engeren Sinne ist meist die Flssigkeit im groen berschuss vorhanden, whrend der Begriff Lsung im weiteren Sinne auch feste und gasfrmi-ge Lsungen umfasst. Ein bestimmtes, homogenes Gemisch besitzt eine konstante Zu-sammensetzung und Struktur. Vom variablen Mischungsverhltnis der Komponenten hngen die Eigenschaften des homogenen Gemischs bzw. der Lsung ab.

    Beispiel:Eine konzentrierte Kochsalzlsung hat eine grere Massendichte als eine verdnnte Kochsalzlsung.

    In der nachfolgenden Tabelle 1.2 sind homogene Gemische bzw. Lsungen und

    1.3 Heterogene Systeme / 1.4 Homogene Systeme

  • 14 1 Stoffe

    Aggregatzustand derKomponenten

    homogenesGemisch, Lsung

    Beispiele fr Komponenten eines homogenen Gemischs

    Trennungsverfahrenfr die Zerlegung in reine Stoffe

    fest fest Mischkristalle CuNi-Mischkristall fraktionierte Kristallisation1

    fest flssig Lsung im engeren Sinne: Die flssige Phase ist gegenber der festen Phase im berschuss. Beispiel: Das polare Lsemittel Wasser2 tritt in Wechselwirkung mit dem zu lsenden polaren festen Teilchen. Das feste Teilchen wird in die flssige Phase aufgenommen, molekular gelst. Es ist unter dem Mikroskop nicht mehr sichtbar. Entsprechendes gilt fr die Lsung von unpolaren festen Teilchen in einem unpolaren Lsemittel2.

    Salzwasser

    Mehrere Metallsalze in Lsung

    Natriumchlorid Na+ Cl in Wasser gelst

    NaCl, MgCl2, AgNO3 in Wasser gelst

    Verdampfen und Kondensieren des Wassers; NaCl bleibt als fester Bestandteil zurck.

    Es gibt fr jedes Metallion eine charakteristische chemische Fllungsreaktion3. Der schwer lsliche Niederschlag kann abfiltriert werden.

    flssig flssig Gemisch bzw. Lsung aus verschiedenen Flssigkeiten

    OttokraftstoffDieselkraftstoff (Alkane)4

    fraktionierte Destillation

    flssig gasfrmig in Flssigkeit gelstes Gas

    Kohlendioxid in Wasser Erhitzen

    gasfrmig gasfrmig Gasgemische Luft: VolumenanteileSauerstoff 21 %, Stickstoff 78 %,Kohlendioxid 0,03 %,Argon, Wasserdampf u.a.1%

    Verflssigung der Luft nach dem Linde-Verfahren5 und anschlieende fraktionierte Destillation

    Tabelle 1.2 Homogene Gemische bzw. Lsungen und die Trennungsverfahren zu ihrer Zerlegung in reine Stoffe

    zugleich Trennungsverfahren angegeben, mit deren Hilfe sie in reine Stoffe zerlegt werden knnen. Die erwhnten Verfahren und auch einige Begriffe finden erst in spteren Kapiteln eine Erklrung:

    1 Mischkristalle s. Abschn. 4.4.92 polare und unpolare Lsemittel s. Abschn. 4.2.73 Auf charakteristische chemische Fllungsreaktion wird nicht nher eingegangen (Analytische Chemie)4 Alkane s. Buch 2, Abschn. 1.1.25 Linde-Verfahren s. Abschn. 4.2.7

  • 15

    1.4.2 Reine Stoffe

    Reine Stoffe werden weiter unterteilt in chemische Verbindungen und chemische Ele-mente. Beiden ist gemeinsam, dass sie kennzeichnende physikalische Eigenschaften, wie Schmelzpunkt, Siedepunkt und Massendichte besitzen. Insbesondere Schmelz-punkt und Siedepunkt werden als Reinheitskriterien fr reine Stoffe herangezogen.

    Beispiele fr Kenngren: Siedepunkt fr Wasser 100 C, Schmelzpunkt 0 C, Schmelzpunkt fr Eisen 1535 C,Schmelzpunkt fr Aluminium 660 C.

    Hinweis: Als Siedepunkt (Sdp.) bezeichnet man die Temperatur, bei der der Dampfdruck einer Flssigkeit 1,013 bar (101,3 kPa) betrgt. Als Schmelzpunkt (Smp.) bezeichnet man die Temperatur, bei der die feste Phase unter einem Druck von 1,013 bar schmilzt.

    Der Siedepunkt des Wassers wurde von Celsius (Anders Celsius 17011744, schwe-discher Astronom in Uppsala) auf 100 C, der Schmelzpunkt auf 0 C willkrlich festgelegt. Es gibt andere Skaleneinteilungen. In den USA ist die Einteilung nach Fahrenheit (Daniel Gabriel Fahrenheit 16861736, Physiker und Instrumentenbauer) blich mit der Festlegung: Eispunkt bei 32 F (Grad Fahrenheit) und Dampfpunkt auf 212 F.

    Chemische Verbindungen Die kleinste Einheit einer chemischen Verbindung ist das Molekl (lat. molecula kleine Masse). Bei einer Ionenverbindung spricht man von Formeleinheit (s. Abschn. 4.1.1).

    Eine chemische Verbindung hat eine definierte Zusammensetzung, die chemischen Elemente sind in konstanten Massen- und Mengenverhltnissen enthalten (s. Abschn. 1.2).

    Die Zerlegung einer Verbindung in die Elemente nennt man in der analytischen Chemie Analyse. Dabei handelt es sich um den Nachweis der einzelnen Elemente.

    Die Herstellung einer Verbindung aus den Elementen durch eine chemische Reakti-on nennt man Synthese.

    Beispiele:Fr Molekle: Wasser H2O, Kohlendioxid CO2, Acetylen C2H2, fr Formeleinheiten: Natriumchlorid NaCl, Aluminiumoxid (Dialuminiumtrioxid) Al2O3.

    Chemische Elemente Die kleinste Einheit eines Elements ist das Atom (gr. atomos unteilbar). Atome kann man nicht weiter zerlegen, ohne dass sie die Eigenschaft Stoff verlieren. Die fr den Chemiker wichtigsten Bestandteile eines Atoms sind die Protonen, Neutronen und Elektronen.

    Die Elemente sind im Periodensystem (s. Abb. 3.15) dargestellt und haben

    1.4 Homogene Systeme

  • 16

    besondere Symbole, die Berzelius 1811 eingefhrt hat (Jns Jakob Freiherr von Berzelius 17791848, Medizin und Pharmazie, Stockholm Schweden).

    Beispiele: Eisen Fe lat. ferrum, Aluminium Al lat. alumen bedeutet Alaun, ein Doppelsalz aus Al- und K-Sulfat, Kohlenstoff C lat. carbo, Sauerstoff O lat. oxigenium, Wasserstoff H lat. hydrogeni-um.

    1.5 Hinweis auf die Verfahrenstechnik und dasChemieingenieurwesen, auf Stoffumwandlungsverfahrenin der Technik

    Viele in der Natur vorkommende Stoffe mssen fr ihre Verwendung aufbereitet wer-den, d.h. sie mssen verschiedenen Umwandlungsverfahren unterworfen werden. Bei allen Umwandlungen spielen mechanische, physikalische und chemische Verfahren eine wichtige Rolle. Beispiele dazu wurden in Abb. 1.1, Tabelle 1.2 und im Text von Abschn. 1.3.2 angegeben. Die Aufgabe des Verfahrensingenieurs ist, diese so genann-ten Grundoperationen vom Labor in die grotechnische Produktion zu transferieren. Hier trgt er die Verantwortung fr die Durchfhrung des Verfahrens und zwar kono-misch (u.a. Energieeinsparung), kologisch (Reduzierung der Umweltverschmutzung) und auch im Hinblick auf Sicherheit. Groe Bedeutung haben heute auch Umwand-lungs- und Trennungsverfahren fr Recycling-Verfahren erlangt: man versucht wert-volle Stoffe zurckzugewinnen.

    Mechanische VerfahrenstechnikMechanische Verfahrenstechnik ist eine Partikeltechnik. Die Gre der Partikel zeigt eine groe Bandbreite und reicht von grobdispersen bis kolloiddispersen Systemen, bis zu Durchmessern von 106 m (m) u.U. bis 109 m (nm). Die Mechanische Verfahrens-technik befasst sich vor allem mit der nderung des Dispersittszustandes der Partikel. Darber hinaus hat sie es auch mit Systemen zu tun, bei denen keine unterscheidbaren Partikel vorkommen, sondern zusammenhngende Phasen einander durchdringen. Ein Beispiel sind Porensysteme, wie es z.B. ein wassergesttigter Schwamm darstellt.

    Mit abnehmender Gre der Partikel treten die mechanischen Einwirkungsmglich-keiten zurck gegenber den thermischen, elektrischen und chemischen Einflssen.

    Thermische VerfahrenstechnikEs handelt sich hauptschlich um Umwandlungen von Aggregatzustnden und Aus-tauschvorgngen zwischen verschiedenen Phasen. Neben den in Tabelle 1.2 angege-benen Verfahren (Destillation, Kristallisation) kommen u.a. auch Extrahieren sowie Adsorbieren und Absorbieren in Frage.

    1 Stoffe

  • 17

    Chemieingenieurwesen Dazu gehren: Chemische Verfahrenstechnik, Chemie und Technik von Gas, Erdl und Kohle, Umweltmesstechnik, Lebensmittelverfahrenstechnik, Bioverfahrenstech-nik u.a.. Die mageblichen Umwandlungen sind chemische Reaktionen.

    1.5 Hinweis auf die Verfahrenstechnik

  • 2 Die chemische Formel Die chemische Reaktionsgleichung Stchiometrisches Rechnen

    Der Student des Maschinenbaus kommt mit relativ wenigen chemischen Formeln und Reaktionsgleichungen aus. Auch hat das stchiometrische Rechnen im Maschinenbau nicht die Bedeutung wie beispielsweise in der Chemie oder der chemischen Verfah-renstechnik. Dennoch sollte die Aussagekraft einer chemischen Formel und einer che-mischen Reaktionsgleichung verstanden werden.

    HistorischesAbleitung der chemischen Formel aus den chemischen Grundgesetzen (verkrzt):Die chemische Formel wurde um die Jahrhundertwende 1800 aus den stchiometrischen Gesetzen und den Volumengesetzen man nennt sie chemische Grundgesetze abgeleitet. Ihnen ging das Gesetz von der Erhaltung der Masse von Antoine Laurent de Lavoisier (17431794, Frankreich) voraus: 1785, bei chemischen Reaktionen in einem abgeschlossenen System bleibt die Gesamtmasse der an der Reaktion beteiligten Stoffe konstant. Es erfolgt nur eine Umgruppierung der Atome.

    Stchiometrische Gesetze (Erklrung des Wortes s. Abschn. 2.4)Joseph Louis Proust (17541826, Paris und Madrid), Gesetz der konstanten Massenverhltnisse (frher der konstanten Proportionen): 1799, in chemischen Verbindungen sind die beteiligten Elemente immer in konstanten Massenverhltnissen enthalten. Beispiel: 1 g Kohlenstoff verbindet sich immer mit 1,333 g Sauerstoff zu Kohlenstoffmonoxid CO und nicht mit davon abweichenden Massen.John Dalton (17661844, England), Gesetz der vielfachen Massenverhltnisse (frher multiple Propor-tionen): 1803, bilden zwei Elemente verschiedene Verbindungen miteinander, so stehen die Massen der Elemente zueinander im Verhltnis kleiner, ganzer Zahlen. Beispiel:1 g Kohlenstoff reagiert mit 1 1,333 g Sauerstoff zu Kohlenstoffmonoxid CO. 1 g Kohlenstoff reagiert mit 2 1,333 g Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid CO2.

    Chemische VolumengesetzeLouis Joseph Gay Lussac (17781850, Frankreich), Chemisches Volumengesetz: 1808, die Volumina der an einer chemischen Reaktion beteiligten gasfrmigen Stoffe stehen im Verhltnis einfacher ganzer Zah-len. Es bestand zunchst die Annahme, dass das Volumenverhltnis chemisch miteinander reagierender gasfrmiger Elemente direkt das Zahlenverhltnis der dabei in Reaktion tretender Atome wiedergibt. Amadeo Avogadro (Lorenzo Romano Amadeo Carlo Avogadro, Graf von Quaregna und Ceretto, 17761856, Italien), Gesetz von Avogadro, Moleklhypothese: 1811, gleiche Volumina verschiedener idealer Gase enthalten bei gleichem Druck und bei gleicher Temperatur die gleiche Anzahl Molekle. Aus der Tatsache, dass bei der Reaktion von einem Volumenanteil Wasserstoff mit einem Volumenan-teil Chlor zwei Volumenanteile Chlorwasserstoff entstehen, musste man zu dem Schluss kommen, dass die kleinsten Einheiten von Wasserstoffgas und von Chlorgas nicht einatomig vorliegen knnen, sondern zweiatomig als Molekle vorliegen mssen. Dies ist aus der nachfolgenden graphischen Darstellung der Reaktion zu ersehen.

    Die Volumenverhltnisse der reagierenden Gase geben direkt das Zahlenverhltnis der Molekle an.

    19

  • 20

    2.1 Die chemische Formel macht Aussagen ber Massen und Stoffmengen

    Die chemische Formel stellt aufgrund ihrer Ableitung aus den stchiometrischen Gesetzen und den Volumengesetzen eine Verhltnisformel dar. Fr die Aussage ber Massen und Stoffmengen sind einige Definitionen erforderlich.

    2.1.1 Die atomare Masseneinheit u

    Atommassen eines chemischen Elements stellen viel zu kleine Gren dar, wrden sie in den gebruchlichen Masseneinheiten Kilogramm (kg) oder Gramm (g) angegeben, daher erschien es als zweckmig, ein Bezugssystem einzufhren, das im Prinzip will-krlich festgelegt werden kann.

    Die Internationale Atommassenkommission der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) hat im Jahre 1961 beschlossen, die Atommassen einheit-lich auf das mit einem Massenanteil von 98,89 % im natrlichen Kohlenstoff enthal-tene leichteste Kohlenstoffnuklid 12C zu beziehen, das 12 Nukleonen* enthlt. Damit wurden die bis dahin unterschiedlichen Bezugssysteme von Physikern und Chemikern abgelst.

    * Kernteilchen: 6 Protonen und 6 Neutronen s. Seite 29

    Die Atommasse des Kohlenstoffnuklids 12C wurde auf 12,00000 festgesetzt.

    Atommassen werden in der atomaren Masseneinheit u (dimensionslos) angegeben. Die atomare Masseneinheit u ist definiert als 1/12 der Masse eines Atoms des Kohlenstoffnu-klids 12C.

    1 u = 1/12 der Atommasse 12C u bedeutet unit, aus dem Englischen atomic mass unit

    Damit wurde festgesetzt, dass ein u ungefhr der Masse eines Protons bzw. Neutrons entspricht. Die Masse eines Atoms 12C betrgt also 12 u.

    Die Atommasse eines Elements, die auf die Bezugsbasis des Kohlenstoffnuklids 12C festgelegt ist, nennt man auch relative Atommasse Ar (frher Atomgewicht). Sie gibt an, wie viel die Masse eines bestimmten Atoms grer ist als 1/12 der gleich 12,00000 gesetzten Masse des Bezugsnuklids 12C. Das Adjektiv relativ wird nicht angegeben.

    Anmerkung: Berechnung der Atommasse in kg fr das Kohlenstoffatom:Da das Kohlenstoffnuklid 12C sechs Protonen und sechs Neutronen enthlt, msste die Masse von 1 u dem zwlften Teil vom Mittelwert der Massen von sechs Protonen und sechs Neutronen entsprechen. Es sind dies die Bausteine des Atomkerns, die die Atommasse bestimmen.Sechs Protonen: 6 1,6725 1027 kg = 10,0350 1027 kg Sechs Neutronen: 6 1,6748 1027 kg = 10,0488 1027 kgZusammen mit sechs Hllenelektronen: 6 0,00091 1027 kg = 0,0055 1027 kgerhlt man eineGesamtmasse von 20,089 1027 kg. Man misst aber nur 19,922 1027 kg. Dieser Massendefekt erklrt sich aus der quivalenz von Masse und Energie (s. Abschn. 3.1.2). Fr die Masse von 1 u ergibt sich somit 1,6602 1027 kg. (kg ist eine SI-Einheit s. Anhang)

    2 Die chemische Formel

  • 21

    2.1.2 Stoffmenge n(X), Mol

    Im chemischen Labor und auch in der chemischen Industrie ist es notwendig und sinnvoll, einen Zusammenhang zwischen der atomaren Masseneinheit u und der prak-tischen Masseneinheit kg bzw. g zu finden. Die Frage ist: Wie gro ist die Anzahl der Kohlenstoffatome mit der atomaren Masse 12 u, damit sich eine Kohlenstoffmenge von der Masse 12 g ergibt? Diese Zahl von Kohlenstoffatomen dient als Maeinheit fr eine Gre, die Stoffmenge n genannt wird.

    Die SI-Einheit der Stoffmenge n ist das Mol, das Einheitenzeichen ist mol.

    Das Mol ist die Stoffmenge einer Substanz (Stoff) X, die aus so vielen Teilchen besteht, wie

    Atome in 12 g des Kohlenstoffnuklids 12C enthalten sind.

    SI: Systeme International dUnites s. Anhang, Einheiten

    Teilchen knnen sein: Atome (C, Na, Al, Fe, Ar, H, O, Cl u.a.), Molekle (H2, O2, H2O, Cl2 u.a.), Ionen (H

    +, O2, Cl, Na+ u.a), Formeleinheiten (NaCl, Al2O3, Fe2O3 u.a.).

    Untersuchungen des italienischen Physiker Avogadro haben ergeben, dass die Anzahl Teilchen in einem Mol stets 6,022 1023 betrgt, unabhngig davon welche Teilchenart man betrachtet. Dieses Ergebnis wird als Avogadro-Konstante NA bezeichnet.

    Avogadro-Konstante NA = 6,022 1023 mol1

    Whrend die Avogadro-Konstante NA die Anzahl Teilchen angibt, die in einem Mol eines Stoffes enthalten sind, wird der reine Zahlenwert von 6,02217 1023 Avogadro-Zahl ZA genannt.

    Unter einem Mol versteht man die Stoffmenge von 6,022 1023 Teilchen.

    Die Stoffmenge n(X) gibt die Anzahl Mole einer Teilchenart X an.

    Beispiele:

    n(O) = 1,0 mol: dies ist die Stoffmenge 1mol bezogen auf Sauerstoffatome.

    n(O2) = 1,0 mol: dies ist die Stoffmenge 1 mol bezogen auf Sauerstoffmolekle.

    n(H2O) = 0,5 mol: dies ist die Stoffmenge 12 mol bezogen auf Wassermolekle.

    n(Na) = 1,0 mol: dies ist die Stoffmenge 1 mol bezogen auf Natriumatome.

    n(Na+) = 1,0 mol: dies ist die Stoffmenge 1 mol bezogen auf Natriumionen.

    n(NaCl) = 3,0 mol: dies ist die Stoffmenge 3 mol bezogen auf die Formeleinheit NaCl (Natriumchlorid).

    2.1 Die chemische Formel

  • 22

    2.1.3 Molare Masse, Molmasse M(X)

    Die Masseneinheiten u und g stehen ber die Teilchenzahl NA miteinander in Bezie-hung: NA = 6,022 10

    23 Teilchen (Atome, Molekle, Ionen, Formeleinheiten) ergeben genau die Masse in Gramm, die ein Teilchen in atomaren Masseneinheiten u besitzt. NA Atome des Kohlenstoffnuklids

    12C mit der atomaren Masse von 12 u bringen auf der Waage eine Atommasse von genau 12 g.

    Die molare Masse M einer Teilchenart X abgekrzt Molmasse M(X) ergibt sich aus der Masse m(X) zur Stoffmenge n(X): M(X) = m(X) / n(X).

    Es ist die Masse von NA Teilchen.

    blich ist die Angabe in g/mol. (SI-Einheit kg/mol)

    Fr eine chemische Verbindung kann nach der chemischen Formel des Molekls die (relative) Moleklmasse (frher Molekulargewicht) als Summe aus den (relativen) Atommassen berechnet werden. Bei Ionenverbindungen (s. Abschn. 4.1.1) bezeichnet man die kleinste Einheit als Formeleinheit. Konsequenterweise wre daher hier die Bezeichnung Formelmasse anstelle von Moleklmasse.

    Der Betrag der Atom-, Molekl-, Ionen- oder Formelmasse in u entspricht also der Molmasse in g pro mol s. dazu Tabelle 2.1.

    Tabelle 2.1 Beispiele fr Atom-, Ionen, Molekl- und Formelmassen in u und in Molmassen in g/mol

    TeilchenartAtom-, Molekl-,

    Ionen- und Formelmassen in u

    Molmassen (molare Massen)

    in g/mol

    Wasserstoff H

    Wasserstoffmolekl H2Sauerstoff O

    Sauerstoffion O2

    Wassermolekl H2O

    Chlor Cl

    Chlorion Cl

    Natrium Na

    Natriumion Na+

    Natriumchlorid NaCl

    Aluminium Al

    Aluminiumion Al3+

    Aluminiumoxid Al2O3Eisen Fe

    Eisen Fe3+

    Kohlenstoff C

    Argon Ar

    1,008

    2,016

    15,999

    15,999

    18,015

    35,453

    35,453

    22,989

    22,989

    58,442

    26,982

    26,982

    101,961

    55,845

    55,845

    12,011

    39,948

    1,008

    2,016

    15,999

    15,999

    18,015

    35,453

    35,453

    22,989

    22,989

    58,442

    26,982

    26,982

    101,961

    55,845

    55,845

    12,011

    39,948

    2 Die chemische Formel

  • 23

    In der Natur kommen nur wenige Elemente mit ganzzahliger Atommasse vor. Die meisten Elemente stellen Gemische dar aus Nukliden des Elements mit verschiedenen Nukleonenzahlen (Erklrung s. Abschn. 3.1.2). Die Prozentanteile der verschiedenen Nuklide knnen sehr unterschiedlich sein, daher ist die Atommasse eines Elements, wie man sie in den Tabellen findet, fast nie eine ganze Zahl.

    2.1.4 Molare Normvolumen, Molvolumen Vm(X)

    Das molare Normvolumen Vm eines Stoffes X abgekrzt Molvolumen Vm(X) ergibt sich aus dem Volumen V(X) zur Stoffmenge n(X): Vm(X) = V(X) / n(X).Das Molvolumen eines idealen Gases betrgt nach DIN 22,4141 L/mol bei 0 C

    und 1,013 bar Druck.

    blich ist die Angabe in L/mol. (SI-Einheit m3/mol, L oder l fr Liter).

    0 C bei 1,013 bar (101,3 kPa) abgekrzt NTP normal temperature pressure.

    Das Volumen von 1 m3 im Normzustand wird in der Technik noch vielfach als Normkubikmeter Nm3 bezeichnet.

    Siehe HistorischesNach der Moleklhypothese von Avogadro (1811) enthalten bei gleichem Druck und bei gleicher Temperatur gleiche Volumina von idealen Gasen die gleiche Anzahl von Moleklen.

    2.1.5 Konzentrationsangaben

    Stoffmengenkonzentration c(X)

    Stoffmengenkonzentration c(X) vereinfacht Konzentration genannt gibt die Anzahl Mole einer gelsten Teilchenart X an, die in einem Volumen gelst sind.

    blich ist die Angabe in mol/L. (SI-Einheit mol/m3)

    Beispiel: c(NaCl) = 2 mol/L (auch mol/l), d.h. 116,884 g Natriumchlorid sind z.B. in einem Liter Wasser gelst.

    MassenkonzentrationEine andere sehr hufige Konzentrationsangabe ist die Angabe des Massenanteils des gelsten Stoffs pro Gesamtvolumen der Lsung z.B. in Wasser: m(X) / V.

    2.2 Welche Aussage macht die chemische Formel H2O?

    Die chemische Formel H2O sie wird auch Summenformel genannt gibt ber Fol-gendes Auskunft:

    2.1 Massen und Stoffmengen / 2.2 Formel H2O

  • 24

    die Art der Elemente;Das Wassermolekl H2O besteht aus zwei Wasserstoffatomen H und einem Sauer-stoffatom O: 2 H und 1 O

    das Stoffmengenverhltnis der Elemente;1 mol H2O besteht aus 1 mol H2 und 12 mol O2

    Anmerkung: In welchem Stoffmengenverhltnis sich Elemente verbinden, hngt von ihrer Ionenla-dung ab, die das Atom in einer Ionenverbindung trgt bzw. in einem Molekl tragen wrde, wenn die Verbindung aus Ionen gedanklich aufgebaut wre. Darauf wird erst in spteren Kapiteln eingegangen s. Tabelle 4.1, 4.6 und 5.6.

    das Massenverhltnis der Elemente;In 1 mol H2O verbinden sich 2 1,008 g Wasserstoff mit 1 15,999 g Sauerstoff. Die Atommassen mssen Tabellen entnommen werden.

    Die chemische Formel gibt keine Auskunft ber die Bindungsart oder die Struktur einer Verbindung, auch nicht ber ihre Eigenschaften.

    2.3 Die chemische Reaktionsgleichung

    Die Teilchenarten Atome, Molekle, Ionen, Formeleinheiten werden fr die Auf-stellung einer Reaktionsgleichung bentzt. Der Chemiker gibt damit in der chemischen Reaktionsgleichung neben der Art der Elemente sowohl die Stoffmengen der beteilig-ten Teilchenarten an als auch deren Molmassen s. oben und Abschn. 2.4 Stchiometrie.

    Die Reaktionsgleichung ist also eine

    Stoffmengengleichung: es werden die Stoffmengen n(X) einer Teilchenart in der Reaktionsgleichung angegeben.

    Massengleichung: die Molmassen erlauben, dass der Massenumsatz einer che-mischen Reaktion berechnet werden kann. Nach Lavoisier bleibt bei chemischen Reaktionen in einem abgeschlossenen System die Gesamtmasse der an der Reak-tion beteiligten Stoffe konstant (Gesetz von der Erhaltung der Masse). Es erfolgt nur eine Umgruppierung der Atome. Die Anzahl der beteiligten Atome auf der linken Seite der Reaktionsgleichung ist gleich der Anzahl der beteiligten Atome auf der rechten Seite. Daraus ergibt sich, dass der theoretische Massenumsatz bei einer chemischen Reaktion errechnet werden kann (s. Kap. 5, Die chemische Reaktion, das chemische Gleich-gewicht).

    Die Reaktionsgleichung stellt auch eine

    Energiegleichung dar. Nach ihr kann der Energieumsatz einer Reaktion berechnet werden. Darauf wird erst im Abschn. 5.1.2 unter Enthalpiegleichung eingegangen.

    2 Die chemische Formel

  • 25

    2.4 Stchiometrisches Rechnen

    Das Wort Stchiometrie ist aus dem Griechischen abgeleitet: gr. stoicheia Elementarbestandteil, eine Einheit, die willkrlich festgelegt wird, gr. metron Ma. Stchiometrie ist nicht auf das Rechnen un-ter Ausnutzung der chemischen Formel bzw. der chemischen Reaktionsgleichung fixiert. Es kann eine willkrliche Einheit festgelegt werden. Die Einheit mit der der Chemiker misst, ist das Mol. Fr den Chemiker ist dies eine praktische Gre, wie dies im vorangehenden Abschn. 2.3 dargestellt wurde.

    Das stchiometrische Rechnen basiert auf der quantitativen Ausnutzung der chemi-schen Reaktionsgleichung.

    Als Beispiel wird der Stoffmengen- und Massenumsatz fr die Wasserstoffverbren-nung die Knallgasreaktion im Wasserstoffmotor bzw. in der Brennstoffzelle ange-geben (die Atommassen werden gerundet):

    Stoffmengengleichung: 2 H2 + O2 = 2 H2O (2.1) 2 mol H2 + 1 mol O2 2 mol H2O

    Massengleichung: 4 g H2 + 32 g O2 = 36 g H2O 4 kg H2 + 32 kg O2 = 36 kg H2O

    Es ist unerheblich, ob man mit den Einheiten g, kg oder t rechnet, es handelt sich in der chemischen Reaktionsgleichung nur um Massenverhltnisse

    Die Massengleichung lsst sich auch bei der Umkehrung einer Reaktion verwen-den. Zum Beispiel knnen bei der Zerlegung der Wassermolekle durch Elektrolyse die Stoffmengen und Massen der entstehenden Elemente Wasserstoff und Sauerstoff berechnet werden.

    2.3 Chemische Reaktionsgleichung / 2.4 Stchiometrie

  • 3 Atomaufbau und Periodensystem der Elemente

    Im folgenden Kapitel wird der Atomaufbau sehr vereinfacht beschrieben. Es kann nicht Ziel der Chemie im Nebenfach sein, die Atommodelle mit allen historischen Experimenten und mathematischen Ableitungen zu behandeln (s. Bcher der Physik). Eine anschauliche Darstellung soll die Anordnung der Elemente im Periodensystem verstndlich machen und die Grundlagen fr das Kap. 4 schaffen: fr die Chemische Bindung und ihre Bedeutung fr die Eigenschaften der Werkstoffe.

    Am Schluss des Kapitels 3 ( Abschn. 3.3) werden Verfahren angegeben, die aus der Kenntnis ber den Aufbau der Atome eine Deutung bzw. Erklrung fanden oder sogar erst mglich wurden, wie beispielsweise die Anwendung des Lichtbogens in der Metallspektroskopie.

    3.1 Aufbau eines Atoms

    Atome sind die kleinsten einheitlichen Teilchen der chemischen Elemente und lassen sich mit den klassischen physikalischen und chemischen Methoden nicht weiter zerlegen. Alle Atome eines reinen Elements besitzen den gleichen Aufbau, daher auch die gleichen chemischen Eigenschaften. Atome verschiedener Elemente haben einen unterschiedlichen Aufbau und daher unterschiedliche Eigenschaften.

    HistorischesDie griechischen Naturphilosophen Leukipp und Demokrit haben schon im 4. Jh. v. Chr. durch berlegungen abgeleitet, dass es kleinste Teilchen geben msse, die unteilbar atomos sind und die fr die Sinne unterschiedlich erscheinenden Dinge, wie unterschiedliche Gre und Gestalt verantwort-lich sind. Atomhypothese von John Dalton (17661844, England): 1808, chemische Elemente sind nicht bis ins Unendliche teilbar, sondern aus kleinsten, chemisch nicht weiter zerlegbaren Teilchen, den Atomen auf-gebaut. Die Atome verschiedener Elemente unterscheiden sich voneinander, z.B. durch unterschiedliche Massen.

    Unseren Vorstellungen ber das Innere eines Atoms sind Grenzen gesetzt; z.B. darf nicht ohne weiteres angenommen werden, dass dort die Gesetze der klassischen Mechanik und Elektrodynamik genauso gelten, wie wir sie aus dem tglichen Umgang mit unserer Umgebung erfahren. Somit knnen die Verhltnisse im Atominnern nur nherungsweise angegeben werden. Zu diesem Zweck wurden anschauliche Modelle entwickelt, deren Aussagen die experimentell gemessenen Eigenschaften zwar mglichst genau wiedergeben; doch um anschaulich zu sein, vereinfachen Modelle oft den Sachverhalt und entsprechen dem, was sie darstellen sollen, nur unvollkommen. Damit hat jedes Modell nur eine bestimmte Aussagekraft sowie eine bestimmte Tauglichkeit und deshalb seine Grenzen. Je nach Kenntnisstand werden die Modelle verfeinert und erscheinen dann zunehmend abstrakter.

    Wrtliche Wiedergaben erhalten doppelte Anfhrungszeichen.

    27

  • 28

    3.1.1 AtommodelleHistorische Aufzhlung

    Unsere heutige Vorstellung vom Atomaufbau grndet auf verschiedene, stets weiter-fhrende Atommodelle.

    Kugelmodell nach Thomson um die Jahrhundertwende 1900 (Sir Joseph John Thomson 1856 1940, Cambridge England, Nobelpreis 1906): Atome sind kugel-frmig.

    Atommodell nach Rutherford (Sir Ernest Rutherford, Lord R. of Nelson 18711937, Cambridge England, Nobelpreis 1908): 1911, es gibt einen Atomkern und eine Elektronenhlle. Die Elektronen bewegen sich um den Atomkern wie die Planeten um die Sonne.

    Atommodell nach Bohr (Niels Hendrik David Bohr 18851962, Kopenhagen Dnemark, Nobelpreis 1922): 1913, ausgewhlte Kreisbahnen der Elektronen um den Atomkern sind Energieniveaus mit den Quantenzahlen n = 1 bis 7.

    Die Erweiterung zum Schalenmodell durch Sommerfeld (Arnold Sommerfeld 18681951, Mnchen Deutschland): es gibt eine Feinstruktur der Spektrallinien.

    Orbitalmodell, das wellenmechanische Modell. Namen, die mit dieser Modellvor-stellung verbunden sind:

    de Broglie (Louis-Victor Duc de Broglie 18921987, Paris Frankreich, Nobelpreis 1929): 1924, Materie- und Welleneigenschaften des Elektrons.

    Heisenberg (Werner Karl Heisenberg 19011976, Berlin, Gttingen, Mnchen Deutschland, Nobelpreis 1932): 1927, Quantenmechanik, Unschrferelation.

    Schrdinger (Erwin Schrdinger 18871961, Wien sterreich, mit Stationen in Stuttgart, Breslau, Zrich, Berlin, Oxford, Graz und Dublin, Nobelpreis

    mit Paul Adrien Maurice Dirac, brit. Physiker Cambridge 1933): 1926, mathematisches Modell.

    Pauling (Linus Carl Pauling 19011994, Pasadena USA, Nobelpreise 1954 und 1962): Hybridisierungsmodell.

    Zur Formulierung der Atommodelle bedurfte es der grundlegenden Erkenntnisse von Planck (Max Planck 18581947, Physiker, Kiel, Berlin, Nobelpreis 1918)

    und Einstein (Albert Einstein 18791955, Zrich, Berlin, Princeton USA, Nobelpreis

    1921).

    Die Experimente zu diesen Atommodellen geben uns zusammenfassend folgende Vorstellung (vereinfacht) vom Aufbau eines Atoms: Die Atome sind aus noch kleine-ren Teilchen aufgebaut. Die fr den Chemiker wichtigsten Teilchen sind das Proton p+, das Neutron n und das Elektron e.

    3 Atomaufbau und Periodensystem der Elemente

  • 29

    Die positiv geladenen Protonen und die neutralen Neutronen bilden den Atomkern und werden Kernteilchen Nukleonen (lat. nucleus Kern) genannt. Beide haben etwa die gleiche Masse. Der Atomkern wird von den negativ geladenen Elektronen in der Elektronenhlle umgeben, sie gleichen die positive Ladung des Kerns aus. Atome sind also nach auen elektrisch neutral. Elektronen besitzen eine verschwindend geringe Masse. Sie bewegen sich mit hohen Geschwindigkeiten in bestimmten Raumberei-chen um den positiv geladenen Atomkern nach ganz bestimmten Gesetzmigkeiten (s. Abschn. 3.1.3). Der Durchmesser der Atome ist von der Grenordnung 1010 m, der Durchmesser der Atomkerne ist von der Grenordnung 1014 bis 1015 m. Dies bedeutet, dass fast das gesamte Volumen des Atoms von der Elektronenhlle einge-nommen wird, whrend die Atommasse im Kern konzentriert ist.

    Atomkern : Elektronenhlle

    Grenverhltnisse im Atom 1 : 10 000

    3.1.2 Atomkern

    Das magebliche Unterscheidungsmerkmal fr die chemischen Elemente ist die An-zahl der Protonen in ihrem Atomkern. Die im Kern ebenfalls vorhandenen Neutronen haben Einfluss auf die Masse des Atoms. Whrend die Anzahl Protonen in den Ato-men eines bestimmten Elementes immer konstant ist, kann die Anzahl der Neutronen variieren.

    Protonenzahl, Kernladungszahl, Ordnungszahl Die Kennzeichnung eines Elements erfolgt durch die Protonenzahl, man nennt diese auch da Protonen Kernteilchen sind Kernladungszahl. Nach ihr erfolgt die Anord-nung der Elemente im Periodensystem (s. Abschn. 3.2), was zu dem Ausdruck Ord-nungszahl Z fhrte. Die Protonenzahl (Kernladungszahl, Ordnungszahl) wird links unten an das Elementsymbol angeschrieben. Im neutralen Atom ist die Protonenzahl gleich der Elektronenzahl (s. Abschn. 3.2.1, Historisches).

    Beispiele:

    1H 6C 8O 13Al 18Ar 26Fe

    Nukleonenzahl, Massenzahl Die Masse des Atoms wird von der Summe aus Protonen und Neutronen, also von den Kernteilchen, den Nukleonen bestimmt. Die Nukleonenzahl auch Massenzahl genannt gibt daher die Summe aus der Anzahl Protonen und Neutronen an und ist meist mehr als doppelt so gro wie die Protonenzahl. Sie wird fr einen Kern links oben vor das Elementsymbol angeschrieben.

    Beispiele: 1H 12C 13C 14C 16O 54Fe 56Fe 57Fe

    3.1 Aufbau eines Atoms

  • NuklidEine Atomart (Atomkern mit Elektronenhlle) durch Protonenzahl und Neutronenzahl charakterisiert, nennt man Nuklid. Ein Nuklid wird durch das Elementsymbol und die Nukleonenzahl gekennzeichnet s. 1H, 12C usf. Zustzlich kann die Protonenzahl unten links angegeben werden s. 1H, 6C usf.

    Die Bezeichnung Nuklid wird allgemein dann angewendet, wenn man eine Atomart mit definierter Protonenzahl und Neutronenzahl charakterisieren will.

    IsotopeAtome des gleichen chemischen Elements (gleiche Protonenzahl) mit verschiedener Neutronenzahl nennt man Isotope. Die Bezeichnung Isotop wird also auf Atome verschiedener Nukleonenzahlen angewendet, die zu ein und demselben Element ge-hren.

    Isotope (s. Abb. 3.1) lassen sich mit chemischen Methoden nicht voneinander trennen.

    1H 1H: Deuterium D 1H: Tritium T

    Isotope des Kohlenstoffatoms 6C 6C 6C Nukleonenzahl

    Isotope des Sauerstoffsatoms 8O 8O 8O

    Isotope des Eisenatoms 26Fe 26Fe 26Fe 26Fe

    Abb. 3.1 Beispiele fr Isotope. Eine andere Schreibweise fr ein Isotop ist: Wasserstoff 1 oder H 1, Kohlenstoff 12 oder C 12

    Besteht ein natrlich vorkommendes Element aus einem Gemisch von Isotopen, deren Prozentanteile sehr unterschiedlich sein knnen, so erfhrt die Atommasse sie wird von der Nukleonenzahl bestimmt teilweise groe Abweichungen von der Ganz-zahligkeit.

    Beispiele: Der natrlich vorkommende Wasserstoff besteht aus Massenanteilen von etwa 99,98 % aus 1H und etwa 0,02 % aus Deuterium 1H. Die (rel.) Atommasse fr Wasserstoff wird in Tabellen mit 1,008 angegeben, da es Schwankungen in der Isotopenzusammensetzung geben kann. Tritium 1H kommt in der Natur nicht vor, es entsteht bei Kernreaktionen und zerfllt dann.

    2 3

    Protonenzahl13 14

    16 17 18

    56 54 57 58

    1 2

    3

    1 12

    1

    12

    3 Atomaufbau und Periodensystem der Elemente

    Isotope des Wasserstoffatoms:

    30

  • Der natrlich vorkommende Kohlenstoff besteht aus Massenanteilen von etwa 99 % aus 6C und etwa 1 % aus 6C. Die (rel.) Atommasse fr Kohlenstoff errechnet sich daraus zu 12,011.

    IsobareIsobare sind Atome mit gleicher Nukleonenzahl, aber unterschiedlicher Protonenzahl. Isobare sind daher verschiedenartige Elemente und haben unterschiedliche chemische Eigenschaften. Isobare sind in der Kernchemie, nicht aber in der allgemeinen Chemie von Bedeutung.

    Beispiele fr Isobare: 6C 7N 26Fe 27Co

    ReinelementeVon 20 Elementen sind keine Isotopen bekannt, man nennt sie Reinelemente.

    Beispiele sind 19F 23Na 27Al

    Massendefekt Die absolute Masse eines Nuklids, die man mit den physikalischen Methoden der Massenspektroskopie messen kann, ist stets kleiner als die Summe der Massen von Protonen, Neutronen und Elektronen, die man fr das Atom berechnen kann. s. An-merkung fr das C-Atom Seite 20. Diese Massendifferenz, der Massendefekt, erklrt sich aus der quivalenz von Masse und Energie. Bei der Bildung des Kerns aus den Kern-teilchen (Nukleonen) wird die Kernbindungsenergie E frei und verlsst den Kern als -Strahlung, das ist eine energiereiche, elektromagnetische Strahlung. Nach dem Massen-Energie-quivalenzgesetz (Einstein, 1905) tritt ein Massendefekt m auf nach folgender Formel:

    m =

    Die Gre der Kernbindungsenergie ist Ausdruck fr die Stabilitt eines Atomkerns. Die Kernbindungsenergie ist von der Nukleonenzahl abhngig. Bei hheren Nuk-leonenzahlen nimmt die Kernbindungsenergie pro Nukleon ab und somit auch die Stabilitt der Kerne.

    Natrliche Kernumwandlung, natrliche Radioaktivitt, Radionuklide

    In den sehr schweren Nukliden wird der Zusammenhalt zwischen den einzelnen Nukleonen immer schwcher: sie werden instabil und versuchen, spontan durcheinen Kernumwandlungsprozess in einen stabileren Zustand berzugehen. Dabei wird Kernbindungsenergie frei, was sich auf verschiedene Weise uert:

    Es werden bei der Kernumwandlung Kernbausteine, die als kinetische Energie das sind entweder -Teilchen, also zweifach ionisierte He-Kerne 2He

    2+ oder -Teil-chen, also Elektronen freigesetzt;

    14 14 56 56

    12 13

    E

    c2 c = Lichtgeschwindigkeit (3.1)E = Kernbindungsenergie

    3.1 Aufbau eines Atoms

    4

    31

  • 32

    Zum anderen wird -Strahlung direkt abgestrahlt, das ist energiereiche elektromag-netische Strahlung. Der Kern geht dadurch vom angeregten Zustand in den stabi-len Grundzustand ber.

    Bei der -Strahlung verringert sich die Nukleonenzahl des Kerns um 4, seine La-dungszahl um zwei positive Ladungen. Bei der -Strahlung entstehen Elektronen durch den Zerfall eines Neutrons in ein Proton und ein Elektron: n p+ + e. Whrend das Elektron abgestrahlt wird, verbleibt das Proton im Kern und erhht die Kernladungszahl um 1, die Nukleonenzahl bleibt unverndert.

    Diese spontane Kernumwandlung nennt man natrliche Radioaktivitt eines Ele-ments. Nuklide, die radioaktiv sind, nennt man Radionuklide.

    Beispiel: Uran mit der Protonenzahl (Ordnungszahl) 92 ist im Periodensystem das schwerste natrlich vorkommende radioaktive Element. Es ist ein Gemisch aus den radioaktiven Isotopen 238U (99,27 %), 234U (0,005 %) und 235Uran (0,72 %). Als (rel.) Atommasse ergibt sich 238,03.

    Ein Ma fr die Intensitt der Kernumwandlung eines Radionuklids ist seine Halb-wertszeit t1/2. Es ist die Zeit, in der die Zahl der anfangs vorhandenen Atome durch Zerfall auf die Hlfte abgenommen hat. Die Halbwertszeit ist eine charakteristische Gre. Sie kann zwischen 109 und 1014 Jahren liegen.

    Hinweis: Die Aktivitt eines Radionuklids gibt man mit Bq (Antoine Henri Becquerel 18521908, Paris Frankreich) an. 1 Bq ist der Zerfall von einem Atomkern pro Sekunde. Becquerel hat 1896 entdeckt, dass Uranverbindungen spontan Strahlen aussenden.

    Knstliche Kernumwandlung Kernumwandlungen knnen erzwungen werden, wenn man stabile Kerne mit ener-giereichen Teilchen, wie -Teilchen 2He

    2+, Neutronen 0n, Protonen 1p+oder Deutero-

    nen 1H+ beschiet. Hierbei entstehen meist instabile Radionuklide, die unter Emission

    von -Teilchen bzw. -Teilchen oder -Strahlung wiederum in andere instabile oder stabile Kerne zerfallen. Emittierte Heliumkerne knnen, wenn der Beschuss hinrei-chend stark und lang genug war, als Gas nachgewiesen werden, fr den Nachweis von - und -Strahlung benutzt man Strahlendetektoren. Im Grunde kann man alle Elemente knstlich umwandeln.

    Beispiel: Durch knstliche Kernumwandlungen ist es gelungen, Elemente mit hheren Pro-tonenzahlen als 92 (Uran) herzustellen die Transurane die in der Natur nicht vorkommen, weil sie instabil sind und wieder zerfallen, beispielsweise Plutonium aus dem Uranisotop 238U.

    In der ffentlichkeit sind folgende knstlichen Radionuklide bekannt geworden, weil sie sich nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl (26. April 1986) als Aerosol ver-teilt haben: Iod 131, Csium 137, Strontium 90.

    4 1 1

    2

    3 Atomaufbau und Periodensystem der Elemente

  • 333.1 Aufbau eines Atoms

    Anwendung von Radionukliden in der Technik (s. Abb. 3.2):Knstliche Kernreaktionen mit der Bildung von Radionukliden knnen in der Technik von besonderer Bedeutung sein. Als Beispiel wird das Verfahren zum zerstrungsfreien Nachweis von Verschleierscheinungen mit Radionukliden an Motorbauteilen aus Gusseisen oder Stahl angegeben.

    Fr den Nachweis werden am zu untersuchenden Motorbauteil in einer Beschleu-nigeranlage (Zyklotron) mit hochenergetischen Deuteronen geringe Mengen an vor-handenem 56Fe in das isobare, radioaktive 56Co* umgewandelt. 56Co* ist ein -Strahler mit der Halbwertzeit 77 d (days, Tage).

    26Fe + 1H 27Co* + 2n (3.2)

    Kurzschreibweise 26Fe (d, 2n) 27Co*

    Abb. 3.2 Zerstrungsfreies Nachweisverfahren fr Verschleierscheinungen mit dem Radionuklid 56Co* z.B. an Motorbauteilen aus Gusseisen oder Stahl nach dem Konzentrationsmessverfahren. Quelle: P. Fehsenfeld, Forschungszentrum Karlsruhe s. Literaturverzeichnis. Zeichnung von Alwin Hertweck

    a Motorbauteil, mit Radionuklid 56Co* aktiviert und im Versuchsmotor eingebautb lkreislaufc Strahlendetektor, der die radioaktiven Verschleipartikel im Schmierl misstd Messwerterfassung

    56 2 56

    56 56

  • 34

    *Der Stern zeigt an, dass sich der gebildete Co-Kern im angeregten Zustand befindet. Bei der Kurz-schreibweise wird in der Klammer zuerst das umzuwandelnde Teilchen, dann das radioaktiv umgewan-delte Teilchen genannt.

    Die Radioaktivitt von 56Co* kann als Indikator eingesetzt werden.

    Das radioaktiv markierte Bauteil wird sodann in einen Versuchsmotor eingebaut. Am laufenden Motor lsst sich das Verschleiverhalten des radioaktiv markierten Bauteils kontinuierlich verfolgen, indem die Konzentration der radioaktiven Verschleipartikel im Schmierl mit einem -Strahlendetektor gemessen wird.

    Die exponentielle Zeitabhngigkeit der Radioaktivitt ist stets erfllt und weder Temperatur noch Druck noch chemische oder mechanische Prozesse haben Einfluss darauf. Das Bauteil muss fr den Nachweis von Verschleierscheinungen nach dieser Methode nicht zerstrt werden.

    Die Verschleimessung mit Radioisotopen ist um mehr als einen Faktor 100 emp-findlicher als konventionelle Verschleimessverfahren.

    3.1.3 Struktur der Elektronenhlle

    An jeder chemischen Reaktion sind Elektronen beteiligt, dabei werden Bindungen zwischen den Atomen gelst und wieder neu geknpft. Elektronen sind also fr die chemische Bindung verantwortlich und ebenso werden die meisten Eigenschaften von Stoffen vom Verhalten der Elektronen bestimmt. Der Atomkern nimmt an den chemi-schen Reaktionen nicht teil.

    Die Elektronen sind im Atom jedoch nicht wahllos angeordnet. Um ihre Anordnung fr die Vorgnge in der Chemie aussagekrftig zu machen, verwendet man hauptsch-lich zwei Atommodelle, nmlich das Atommodell von Bohr und das wellenmechani-sche Modell (Orbitalmodell).

    HistorischesDem Atommodell von Bohr gingen die Atommodelle von Thomson und Rutherford voraus:Die Kugelvorstellung von Thomson um die Jahrhundertwende 1900 besagte, dass in dem etwa 1 1010 m groen Atomkgelchen die positive Ladung gleichmig verteilt ist und die punktfrmigen Elektronen darin eingebettet sind. Doch dieses nach auen neutrale Atom konnte nicht erklren, warum in einem NaCl-Kristall neutrale Na- und Cl-Atome zusammenhalten sollten. Der historisch bedeutsame Streuversuch von Rutherford 1911 mit -Teilchen (Heliumkernen) an Goldfo-lie veranlasste Rutherford u.a. ein Planetenmodell anzunehmen: Die positive Ladung des Atoms ist mit seiner gesamten Masse im Kern, d.h. auf einem sehr kleinen Raum von weniger als 1014 m Durchmesser konzentriert und die negativ geladenen Elektronen befinden sich in der Hlle um den Kern des insgesamt 1010 m im Durchmesser groen Atoms. Die Elektronen knnen sich dort nur halten, wenn sie mit hohen Geschwindigkeiten auf Bahnen um den positiv geladenen Atomkern laufen, hnlich den Planeten um die Sonne (Kepler-Bahnen).Beide Modelle fhrten jedoch zu Widersprchen mit der Erfahrung der Experimente.

    Atommodell nach Bohr 1913Lange schon war bekannt, dass die Elektronen fr die Ausstrahlung von sichtbarem

    3 Atomaufbau und Periodensystem der Elemente

  • 35

    und unsichtbarem, beispielsweise ultraviolettem Licht urschlich verantwortlich sind. Zum anderen entdeckte man gewisse Regelmigkeiten im Spektrum des Lichts, das von Wasserstoffgas im Lichtbogen emittiert wird, also von dem einfachsten Atom berhaupt, welches nur ein Elektron enthlt. Wenn man dieses Licht im Spektralap-parat (s. Abb. 3.17) z.B. mit einem Glasprisma nach Wellenlngen zerlegt, findet man ein aus einzelnen Linien bestehendes Linienspektrum und die Wellenlngen lassen sich durch eine relativ einfache Folge ganzer Zahlen darstellen. Es lag also nahe, ein Modell fr das einfache Wasserstoffatom zu entwerfen und seine Tauglichkeit anhand des bekannten Linienspektrums zu testen.

    Dies gelang Bohr mit seinem 1913 vorgestellten Entwurf. Allerdings musste er dabei einige Postulate einfhren, deren Inhalte den bisherigen Anschauungen fremd waren, ja sogar im Widerspruch zu ihnen standen (die Widersprche konnten erst sp-ter ausgerumt werden). Wie beim Planetenmodell umkreist das Elektron den positiv geladenen Kern, Fliehkraft und elektrostatische Anziehung sind im Gleichgewicht. Nach Bohr werden jedoch nicht alle mglichen Kreisbahnen zugelassen, sondern nur diejenigen, auf denen der Bahndrehimpuls, also das Produkt aus Geschwindigkeit und Abstand des Elektrons vom punktfrmigen Kern, ganz bestimmte Werte annimmt. Auf diesen erlaubten Bahnen mit unterschiedlichen Radien luft das Elektron stabil, ohne Energie durch Abstrahlung zu verlieren.

    Zu jeder Bahn gehrt ein bestimmter Wert der Gesamtenergie des Atoms, beste-hend aus kinetischer Energie der Umlaufgeschwindigkeit des Elektrons und seiner potentiellen Energie im Kraftfeld des Kerns. Infolge der Auswahl nach erlaubten Elektronenbahnen kann das System nicht alle beliebigen Energiewerte annehmen, sondern nur eine Reihe von diskreten Werten. Bei der Aufnahme (Absorption) von Strahlungsenergie und analog umgekehrt bei der Emission geht das Elektron von einer erlaubten stabilen Kreisbahn auf eine andere ber, wobei Licht mit einer Energie E entsprechend der Differenz der diskreten Energiewerte auf beiden Bahnen absorbiert bzw. emittiert wird. Strahlungsenergie kann also nur in Portionen, d.h. in Quanten aufgenommen oder abgegeben werden, genauer gesagt in Lichtquanten.

    Die Energie des ausgetauschten Lichtquants E ist gem der Planck-Einstein-Be-ziehung durch die Frequenz bzw. die Wellenlnge der absorbierten bzw. emittierten Lichtwelle auszudrcken:

    Nach Planck-Einstein ist E = h (3.3)

    E = h

    E = Energie des Lichtquants in J h = Plancksche Wirkungsquantum 6,626. 1034 J s c = Lichtgeschwindigkeit 2,99792 108 m s1

    = c/ Frequenz des Lichtquants in s1

    = Wellenlnge des Lichtquants in m

    E ist nach dem oben gesagten identisch mit der Differenz der Energieniveaus der Kreisbahnen, auf denen sich das Elektron vor und nach dem Vorgang befindet.

    3.1 Aufbau eines Atoms

    c

  • Bohr hat nun den erlaubten Kreisbahnen bzw. den zugehrigen Energieniveaus eine ganzzahlige Hauptquantenzahl n zugeordnet. Beginnend mit der dem Kern nchstliegenden und energiermsten Bahn, dem Grundzustand mit n = 1, folgen die angeregten Zustnde des Atoms auf Niveaus mit hheren Energien und mit greren Bahnradien des Elektrons, n = 2, 3, 4..... Die Ablsung des Elektrons vom Kern, d.h. die Ionisation des Atoms (s. Abschn. 3.2.2), wird formal durch den Wert n beschrieben.

    Beim bergang aus einem angeregten Zustand mit der Hauptquantenzahl n > 1 in den Grundzustand n = 1 gilt demnach:

    E = En > 1 En = 1 (3.4)

    Dabei wird ein Lichtquant mit der entsprechenden Wellenlnge emittiert:

    = h (3.5)

    Gem aller vorkommenden Werte von n > 1 erhlt man eine ganze Serie von diskreten Werten von , also von Spektrallinien und damit ein Linienspektrum, wiedie experimentelle Erfahrung lehrt.

    In der Abb. 3.3 ist vereinfacht dargestellt, wie durch Energiezufuhr (+E) das

    cEn > 1 En = 1

    3 Atomaufbau und Periodensystem der Elemente

    Abb. 3.3 Ebene Kreisbahnen n = 1, 2, 3, 4 usf. nach Bohr fr das Elektron im WasserstoffatomOben: Durch Energiezufuhr +E gelangt das Elektron beispielsweise auf die hhere Kreisbahn n = 2.Unten: Das Elektron fllt in den Grundzustand auf n = 1 zurck unter Aussendung eines Lichtquants (Photons) E, was durch die Wellenlinie angezeigt ist.Bei hherer Energiezufuhr gelangt das Elektron auf die hheren Bahnen n = 3, 4 usw. und sendet beim bergang auf niedrige Bahnen die entsprechend energiereicheren Lichtquanten aus.

    36

    +E

    E

  • 37

    Elektron im Wasserstoffatom aus dem Grundzustand auf die hhere Kreisbahn n = 2 gelangt und dann unter Aussendung eines Lichtquants, eines Photons (E), in den Grundzustand auf n = 1 zurckfllt.

    Anmerkung zu Lichtquant bzw. Photon: Unter bestimmten experimentellen Umstnden kann man das Verhalten von Lichtquanten auch so interpretieren, als wren sie materielle Teilchen mit Impuls und Energie. Man spricht dann von Photonen, wenn man den korpuskularen Charakter der Lichtquanten hervorheben will.

    Es ist das Verdienst von Bohr, dass er auf diese Weise und mit unkonventionellen Annahmen das Linienspektrum des Wasserstoffatoms deuten konnte. Sein Modell

    Abb. 3.4 Ebene Kreisbahnen der Elektronen nach Bohr fr einige ausgewhlte Atome: Wasserstoff H, Kohlenstoff C, Sauerstoff O, Aluminium Al.Es werden die Kernladungszahlen und die Grenverhltnisse der Atome mastblich und mit Angabe der Atomradien in pm (Picometer = 1012 m) bercksichtigt.*Fr die Edelgase mit vollbesetzter Auenschale s. Tabelle 3.1 (He, Ne, Ar) sind die so genannten van der Waals-Radien angegeben, daher knnen sie nicht mastblich bercksichtigt werden. Zur Bestimmung der Atomradien von Elementen s. Glossar.

    3.1 Aufbau eines Atoms

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    gengte aber nicht, um die komplizierteren und linienreicheren Spektren von Ele-menten mit mehreren Elektronen zu deuten, es erlaubte auch keine Erklrung fr den rumlichen Aufbau von Moleklen. Das Bild von ebenen Kreisbahnen (s. Abb. 3.4) und die Angabe von bestimmten Geschwindigkeiten fr die Elektronen erwiesen sich spter als nicht haltbar.

    Das Atommodell von Bohr kann dennoch als ein anschauliches Modell nicht nur fr Wasserstoff, sondern auch fr Mehrelektronenelemente dienen. Man kann damit beispielsweise die Ionenbindung und den Aufbau von Werkstoffen, denen eine Ionen-bindung zugrunde liegt, verstndlich machen (s. Abschn. 4.1).

    Schalenmodell nach Bohr-SommerfeldAusgehend vom Wasserstoffmodell nach Bohr glaubte man zu einer Vorstellung ber die Elektronenkonfiguration in Mehrelektronenelementen zu kommen und wollte damit versuchen, eine Interpretation der umfangreichen spektroskopischen Daten zu finden. Um fr die zahlreichen Elektronen Pltze zu schaffen, lag es nahe, sie auf konzentrischen Kugelschalen unterzubringen, also in einem kugelfrmigen Raum anstelle der ebenen Kreisbahnen des Einelektronensystems. Prinzipiell ist das Elektron nicht auf eine Ebene beschrnkt, sondern auch zu einer rumlichen Bewegung fhig. Dies ist in Abb. 3.5 schematisch gezeigt. Die dem Kern nchstliegende Schale ist die K-Schale (s. Historisches), es ist das Energieniveau, das nach Bohr durch die Hauptquantenzahl n = 1 festgelegt ist. Wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zum Kern mit seiner positiven Ladung mssen die Elektronen der K-Sc