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Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-1 Prof. Dr. Ana B. Ania 4 Verhandlungsspiele Literaturhinweise zu Kapitel 4: Osborne (2004), Kapitel 16 Gibbons (1992), Kapitel 2 Fudenberg und Tirole (1991), Kapitel 4 4.1 Einleitung Verhandlungsspiele sind in vielen Bereichen der ¨ Okonomie sehr wichtig. Immer wenn zwei oder mehr Parteien gemein- sam einen ¨ Uberschuss erwirtschaften k ¨ onnen, stellen sich folgende Fragen: 1. Werden sich die Parteien auf eine effiziente Allokation einigen? 2. Wie werden die Parteien den ¨ Uberschuss, der gemeinsam erwirtschaftet wird, untereinander aufteilen? Klaus M. Schmidt 2007

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Spieltheorie (Winter 2009/10) 4-1 Prof. Dr. Ana B. Ania

4 Verhandlungsspiele

Literaturhinweise zu Kapitel 4:

� Osborne (2004), Kapitel 16

� Gibbons (1992), Kapitel 2

� Fudenberg und Tirole (1991), Kapitel 4

4.1 Einleitung

Verhandlungsspiele sind in vielen Bereichen der Okonomiesehr wichtig. Immer wenn zwei oder mehr Parteien gemein-sam einen Uberschuss erwirtschaften konnen, stellen sichfolgende Fragen:

1. Werden sich die Parteien auf eine effiziente Allokationeinigen?

2. Wie werden die Parteien den Uberschuss, der gemeinsamerwirtschaftet wird, untereinander aufteilen?

� Klaus M. Schmidt 2007

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Beispiele:

� Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgeberverbanden undGewerkschaften

� Bi- oder multilaterale Verhandlungen zum Abbau vonHandelsschranken

� Verhandlungen zwischen Unternehmer und Investor (Ka-pitalgeber) uber Finanzierung eines Investitionsprojekts

� Verhandlungen zwischen Kaufer und Verkaufer uber denVerkauf eines Gutes

� etc.

In allen diesen Beispielen haben die Parteien das gemein-same Interesse, den erreichbaren Uberschuss so groß wiemoglich zu machen, aber es gibt auch einen Interessenkon-flikt uber die Aufteilung des Uberschusses.

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4.2 Das Ultimatumspiel

Die einfachste Version eines nicht-kooperativen Verhand-lungsspiels ist die folgende:

� Spieler 1 und 2 konnen einen gemeinsamen Uberschusserreichen, dessen Maximalgroße auf 1 normiert ist.

� In Stufe 1 schlagt Spieler 1 eine Aufteilung dieses Uber-schusses (s1, s2) vor, wobei s1 + s2 = 1.

� In Stufe 2 kann Spieler 2 diesen Vorschlag annehmenoder ablehnen:

– wenn er annimmt, bekommt Spieler 1 s1 und Spieler2 s2;

– wenn er ablehnt, bekommen beide Spieler eine Aus-zahlung von 0, und das Spiel ist zu Ende.

Analyse des Spiels durch Ruckwartsinduktion:

Stufe 2: Spieler 2 wird jedes Angebot s2 > 0 annehmen.Bei s2 = 0 ist er indifferent zwischen Annehmen und Ab-lehnen.

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Stufe 1:

� Spieler 1 wird Spieler 2 so wenig wie moglich anbietenund fur sich den maximal moglichen Rest beanspruchen.

� Angenommen er schlagt (s1 = 1− ε, s2 = ε) vor, wobeiε > 0. Ist das ein Gleichgewicht?

� Nein: Spieler 1 konnte sich besserstellen, wenn er (s1 =1 − ε

2, s2 = ε2) vorschlagt, was Spieler 2 immer noch

annehmen wird.

⇒ Das einzige teilspielperfekte Gleichgewicht in diesemSpiel ist (s1 = 1, s2 = 0). Im Gleichgewicht mussSpieler 2 dieses Angebot annehmen.

Beachten Sie:

1. Wenn es eine kleinste Geldeinheit (z.B. 0,01 EUR) gibt,ist auch (s1 = 0, 99, s2 = 0, 01) ein TPGG. (Zeigen!)

2. Jede Aufteilung des Uberschusses ist ein Nash-GG.

Beispiel: Spieler 1 schlagt (s1 = 0, 4; s2 = 0, 6) vor.Spieler 2 lehnt jedes Angebot mit s2 < 0, 6 ab.

Aber: Die Ablehnungsdrohung ist nicht glaubwurdig.

Das Ultimatumspiel ist allerdings keine sehr realistische Be-schreibung eines Verhandlungsprozesses.

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4.3 Ein Verhandlungsspiel mit endlichemHorizont: Stahl (1972)

Spieler 1 und Spieler 2 verhandeln uber die Aufteilung einesKuchens mit Wert 1. Sei s ∈ [0, 1] der Anteil des Kuchens,der an Spieler 1 geht, 1 − s der Anteil von Spieler 2.

Zeitliche Struktur

t=1: Spieler 1 macht einen Vorschlag s1 ∈ [0, 1].Wenn Spieler 2 zustimmt, ist das Spiel zu Ende.Ansonsten:

t=2: Spieler 2 macht einen Vorschlag s2.Wenn Spieler 1 zustimmt, ist das Spiel zu Ende.Ansonsten:

t=3: Spieler 1 macht einen Vorschlag s3.Wenn Spieler 2 zustimmt, ist das Spiel zu Ende.Ansonsten:

...

t=T: Falls T ungerade ist, macht Spieler 1 den letztenVorschlag sT .Wenn Spieler 2 zustimmt, ist das Spiel zu Ende.Wenn er ablehnt, ist der Kuchen verloren.Falls T gerade ist, sind die Rollen von 1 und 2 inPeriode T vertauscht.

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Auszahlungen

Einigung in Periode t auf (s, 1 − s) ⇒u1 = δt−1s,

u2 = δt−1(1 − s),

wobei δ = 11+r, δ = Diskontrate, r = Zinssatz.

Keine Einigung ⇒ beide erhalten 0.

Analyse per Ruckwartsinduktion

Wir nehmen an, T ist ungerade.

t=T:Spieler 2 akzeptiert g.d.w. sT ≤ 1.Spieler 1: sT = 1.Spieler 2 akzeptiert.u1 = δT−1 · 1 = δT−1,u2 = δT−1 · 0 = 0.

t=T-1:Spieler 1 akzeptiert g.d.w. δT−2sT−1 ≥ δT−1.Spieler 2: sT−1 = δ.Spieler 1 akzeptiert.u1 = δT−2δ = δT−1,u2 = δT−2(1 − δ).

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t=T-2:Spieler 2 akzeptiert g.d.w. δT−3(1 − sT−2) ≥ δT−2(1 − δ).Spieler 1: sT−2 = 1 − δ(1 − δ) = 1 − δ + δ2.Spieler 2 akzeptiert.u1 = δT−3(1 − δ + δ2),u2 = δT−2(1 − δ).

t=T-3:Spieler 1 akzeptiert g.d.w. δT−4sT−3 ≥ δT−3(1 − δ + δ2).Spieler 2: sT−3 = δ(1 − δ + δ2).Spieler 1 akzeptiert.u1 = δT−3(1 − δ + δ2),u2 = δT−4(1 − δ + δ2 − δ3).

t=T-4:Spieler 2 akzeptiert g.d.w.δT−5(1 − sT−4) ≥ δT−4(1 − δ + δ2 − δ3).Spieler 1: sT−4 = 1 − δ(1 − δ + δ2 − δ3).Spieler 2 akzeptiert.u1 = δT−5(1 − δ + δ2 − δ3 + δ4),u2 = δT−4 · (1 − δ + δ2 − δ3).

t=T-(T-1)=1:Spieler 2 akzeptiert g.d.w.δ(T−T )(1−sT−T+1) = (1−s1) ≥ δ(1−δ+δ2− . . .−δT−2).Spieler 1: sT−T+1 = 1 − δ + δ2 − · · · + δT−1.Spieler 2 akzeptiert.

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u1 = 1 − δ + δ2 − · · · + δT−1

= (1 − δ)(1 + δ2 + δ4 + · · · + δT−3) + δT−1

= (1 − δ)⎛⎜⎝

1

1 − δ2− δT−1 − δT+1 − δT+3 · · ·

⎞⎟⎠ + δT−1

= (1 − δ)

⎛⎜⎜⎝1 − δT−1

1 − δ2

⎞⎟⎟⎠ + δT−1 =

1 − δT−1

1 + δ+ δT−1.

u2 = δ − δ2 + · · · − δT−1

= δ(1 − δ)(1 + δ2 + δ4 + · · · + δT−3)

= δ(1 − δ)

⎛⎜⎜⎝1 − δT−1

1 − δ2

⎞⎟⎟⎠ = δ

1 − δT−1

1 + δ.

Beachten Sie:

� Hier haben wir wiederholt verwendet, dass

1 + δ2 + δ4 + · · · =1

1 − δ2.

Dies folgt aus der bekannten Summenformel

1 + q + q2 + · · · =1

1 − q.

� Die Analyse fur gerades T ist analog, nur dass Spieler 2das letzte Angebot macht.

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� Die Summe der Auszahlungen ist

u1 + u2 =1 − δT−1

1 + δ+ δT−1 + δ

1 − δT−1

1 + δ

=(1 + δ)(1 − δT−1)

1 + δ+ δT−1 = 1 .

Also ist das Ergebnis effizient. (Das muss auch so sein,weil im Gleichgewicht das Angebot der ersten Periodebereits angenommen wird.)

� Fur T → ∞ verschwindet der Unterschied in den Payoffszwischen geradem und ungeradem T .

� Fur T → ∞ konvergiert u1 gegen 11+δ und u2 gegen

δ1+δ

.

� Wenn Angebote und Gegenangebote sehr schnell erfol-gen konnen, sollte δ sehr nahe bei 1 liegen. In diesemFall bekommen beide Spieler ungefahr 1

2.

� Die letzte Periode ist sehr wichtig: Sie zwingt die Spie-ler, letztendlich zuzustimmen, weil sonst der Kuchenendgultig verloren ist.

� Die Annahme einer letzten Periode scheint unplausibel.Wer halt die Parteien davon ab, nach Periode T nochein weiteres Angebot zu machen?

� Was passiert, wenn es keine letzte Periode gibt?

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4.4 Ein Verhandlungsspiel mit unendlichemHorizont: Rubinstein (1982)

Wenn es keine letzte Periode gibt, ist Ruckwartsinduktionunmoglich. Dennoch gilt der folgende Satz:

Satz 4.1 (Rubinstein) Das Verhandlungsspiel mitalternierenden Angeboten und unendlichem Horizonthat ein eindeutiges teilspielperfektes Gleichgewichtmit Auszahlungen u∗

1 = 11+δ

und u∗2 = δ

1+δ.

Beweis: Der Beweis benutzt die Stationaritat des Spiels, d.h.die Tatsache, dass jedes Teilspiel wieder genauso aussiehtwie das ursprungliche Spiel.

1) Sei u1 die hochste Auszahlung fur Spieler 1 in allen teil-spielperfekten Gleichgewichten, und u1 die niedrigste.

Aus der Stationaritat des Spiels folgt:

a) u1 ist auch die hochste GG-Auszahlung fur Spieler1 in jedem Teilspiel, das in einer ungeraden Periodebeginnt. (Analog fur u1.)

b) u1 ist auch die hochste GG-Auszahlung fur Spieler2 in jedem Teilspiel, das in einer geraden Periodebeginnt. (Analog fur u1.)

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2) u1 ≥ 1 − δu1. Warum?

Angenommen, Spieler 1 erhielte die Auszahlung u1 <1−δu1. Dann konnte er sich dadurch besser stellen, dasser in der ersten Periode einen Anteil s1 mit u1 < s1 <1− δu1 verlangt. Spieler 2 wurde solch ein Angebot aufjeden Fall annehmen, denn mit 1 − s1 > δu1 brachtees ihm echt mehr, als er bei Ablehnung in der Folgeerreichen konnte. Eine Auszahlung u1 < 1 − δu1 istdeshalb nicht mit einem TPGG vereinbar.

3) u1 ≤ 1 − δu1. Warum?

Spieler 2 wird jedes Angebot zuruckweisen, das ihm we-niger als δu1 gibt, denn δu1 kann er sich wenigstensgarantieren, indem er eine Periode wartet und dann indie Rolle von Spieler 1 schlupft.

Soll Spieler 2 das Angebot von Spieler 1 im TPGG ak-zeptieren, darf Spieler 1 also hochstens 1− δu1 fur sichverlangen.

Und wenn Spieler 1 im TPGG ein Angebot macht, dasSpieler 2 ablehnt? In diesem Fall verstreicht eine Rundeohne Einigung, und der zu verteilende Kuchen schrumpftim Gegenwartswert auf δ zusammen. Spieler 2 bekommtdavon mindestens δu1, so dass fur Spieler 1 hochstensδ − δu1 ubrigbleibt. Wegen δ < 1 ist dies sogar striktschlechter als 1 − δu1.

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4) Wir haben gezeigt, dass

u1 ≤ 1 − δu1 ≤ u1 + δu1 − δu1

(wegen 1 ≤ u1 + δu1). Also gilt:

(1 − δ)u1 ≤ (1 − δ)u1.

Wegen der Definitionen von u1 und u1 muss aber auchgelten, dass u1 ≥ u1. Das impliziert

u1 = u1 = u∗1,

d.h., Spieler 1 hat eine eindeutige Gleichgewichtsaus-zahlung. Aus u1 ≥ 1 − δu1 und u1 ≤ 1 − δu1 folgtdann, dass u∗

1 = 1 − δu∗1 und somit u∗

1 = 11+δ

.

5) Wie wir in 3) gesehen haben, muss Spieler 2 mindestensδu∗

1 erhalten. Und wegen der vorgegebenen Große deszu verteilenden Kuchens kann er auf keinen Fall mehrals 1− u∗

1 = δu∗1 erhalten. Die Auszahlung fur Spieler 2

ist daher u∗2 = δu∗

1 = δ1+δ

.

6) Wegen u∗1 + u∗

2 = 1 muss die Einigung in der erstenRunde stattfinden (sonst ware die Summe der Payoffskleiner). Spieler 1 muss in der ersten Runde also s1 = u∗

1

vorschlagen, und Spieler 2 muss dies annehmen. (Wirwussten schon, dass er alle hoheren Angebote anneh-men, alle niedrigeren ablehnen wurde.)

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7) Kandidaten fur ein TPGG konnen deshalb nur folgendeStrategien sein:

Spieler 1: “Schlage in jeder ungeraden Periode s1 = u∗1

vor. Wenn Spieler 2 in einer geraden Periode s2 ≥ δu∗1

anbietet, nimm das Angebot an. Wenn er s2 < δu∗1

anbietet, lehne ab.”

Spieler 2: “Schlage in jeder geraden Periode s2 = δu∗1

vor. Wenn Spieler 1 in einer ungeraden Periode s1 ≤u∗

1 anbietet, nimm das Angebot an. Wenn er s1 > u∗1

anbietet, lehne ab.”

D.h., jeder Spieler fordert u∗1 fur sich selbst, wenn er ein

Angebot macht, und lehnt umgekehrt genau diejenigenAngebote ab, die ihm weniger als δu∗

1 einbringen.

8) Uberprufen Sie, dass diese Strategien tatsachlich ein teil-spielperfektes Nash-Gleichgewicht bilden!

Q.E.D.

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Bemerkungen:

1) Das Gleichgewicht ist stationar, d.h., die Gleichgewichtss-trategien sind unabhangig von der Geschichte des Spiels.Beachten Sie: Wir haben nicht angenommen, dass dieStrategien stationar sein mussen. Diese Eigenschaft folgtaus der Analyse des Spiels.

2) Das Gleichgewichtsergebnis ist dasselbe wie im Spiel mitendlichem Horizont und T → ∞.

3) Das Gleichgewicht ist effizient: Volle Aufteilung des Ku-chens in der 1. Periode. (Bestatigung des “Coase Theo-rems”).

4) Spieler 1 hat einen “First-Mover Advantage”, der jedochverschwindet, wenn δ → 1.

Nash-Gleichgewichte im Rubinstein-Spiel

Satz 4.2 Jede Aufteilung (x, 1 − x), x ∈ [0, 1],des Kuchens ist ein Nash-Gleichgewichtsergebnis imRubinstein-Spiel.

Beweis: Die folgenden Strategien bilden ein Nash-GG:

� Spieler 1: Schlage in jeder ungeraden Periode s1 = xvor. Wenn Spieler 2 in einer geraden Periode s2 ≥ xvorschlagt, nimm an, sonst lehne ab.

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� Spieler 2: Schlage in jeder geraden Periode s2 = x vor.Wenn Spieler 1 in einer ungeraden Periode s1 ≤ x vor-schlagt, nimm an, sonst lehne ab.

Q.E.D.

Dieses Nash-Gleichgewicht ist nicht teilspielperfekt:

� Angenommen, Spieler 2 lehnt s1 = x ab und schlagt inder nachsten Runde s2 = x − ε vor.

� Folgt Spieler 1 seiner Nash-Gleichgewichtsstrategie, solehnt er dieses Angebot ab und schlagt in der folgendenRunde s2 = x vor, was Spieler 2 (gemaß seiner Nash-Gleichgewichtsstrategie) akzeptiert.

� Solange x− ε > δx, ist es fur Spieler 1 also besser, dasAngebot anzunehmen – die obigen Strategien sind imdurch s2 = x − ε erreichten Teilspiel dann kein Nash-Gleichgewicht mehr!

D.h., die Drohung von Spieler 1, alle Angebote s2 < xabzulehnen, ist unglaubwurdig!

In der Tat kann Spieler 1 glaubhaft nur damit drohen, An-gebote s2 < δx abzulehnen.

Fur x = u∗1 ergibt dies genau das Ablehnungsverhalten der

teilspielperfekten Gleichgewichtsstrategie.

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4.5 Variationen des Rubinstein-Spiels

4.5.1 Outside Options

Was passiert, wenn Spieler 2 eine “outside option” hat, mitder er sich einen Nutzen y2 < 1 außerhalb der Beziehungsichern kann? Angenommen, Spieler 2 kann diese Optionnur in ungeraden Perioden wahlen, nachdem er ein Ange-bot von Spieler 1 abgelehnt hat. Dann mussen zwei Falleunterschieden werden:

1) y2 ≤ δ1+δ

. In diesem Fall hat die Option keine Auswir-kung auf das Verhandlungsergebnis. Die Drohung vonSpieler 2, seine Option zu wahlen, ist nicht glaubwurdig.

Dennoch ist dieses Ergebnis nicht vollig plausibel. Solltedie Verhandlungsmacht von 2 nicht mit y2 steigen?

2) y2 > δ1+δ

. In diesem Fall bekommt Spieler 2 im eindeu-tigen teilspielperfekten Gleichgewicht genau y2.

Dieses Ergebnis wird das “outside option principle” genannt.

Ubungsaufgabe: Beweisen Sie es!

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4.5.2 Risiko des Spielabbruchs

Nehmen wir an, es gebe keine Diskontierung. Dafur sei dasEnde des Spiels ungewiss:

Jede Periode ist mit Wahrscheinlichkeit 1−δ die letzte; mitWahrscheinlichkeit δ geht es nach einer Ablehnung in dienachste Runde.

Dieses Spiel ist formal vollig aquivalent zum Rubinstein-Spiel mit Diskontierung.

4.5.3 Mehr als zwei Spieler

Was passiert, wenn mehr als zwei Spieler einen Kuchen auf-teilen mussen und die Spielstruktur analog zum Rubinstein-Spiel ist?

Man kann zeigen:

Satz 4.3 Mit N ≥ 3 Spielern im Rubinstein-Spiellasst sich jede Aufteilung des Kuchens als teilspiel-perfektes Gleichgewicht stutzen.

Beweis: siehe Osborne-Rubinstein, S. 130.

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4.5.4 Robustheit des Rubinstein-Ergebnisses

Das Rubinstein-Spiel ist ein gutes Beispiel dafur, dass De-tails der Spielstruktur wichtig sind und oft einen unerwar-teten Einfluss auf das Ergebnis haben konnen. Fur N = 2Spieler haben wir:

� Wenn es eine kleinste Geldeinheit gibt, so dass nur end-lich viele Aufteilungen des Kuchens moglich sind, gilt:Falls δ nahe genug bei 1 ist, lasst sich jede Aufteilungdes Kuchens als TPGG stutzen (van Damme, Selten,Winter).

� Wenn Spieler 2 eine Outside Option hat und diese je-derzeit (d.h. nicht nur in ungeraden Perioden) wahlenkann, dann kann jede Aufteilung des Kuchens, die Spie-ler 2 wenigstens seine Outside Option gibt, als TPGGgestutzt werden.

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4.6 Die Nash-Verhandlungslosung

Einen vollig anderen Ansatz zur Losung von Verhandlungs-spielen verfolgt die kooperative Spieltheorie. Sie fragt,welche Verhandlungslosung bestimmten Axiomen genugt.

Diese Axiome sind Bedingungen, die ein Verhandlungser-gebnis erfullen sollte und die von moglichst vielen Menschenals sinnvll und uberzeugend akzeptiert werden.

Wenn alle Parteien die Verhandlungslosung akzeptieren, kannsie durch einen Vertrag fixiert und von den Gerichten durch-gesetzt werden.

Die bekannteste Verhandlungslosung geht auf John Nash(1950) zuruck und ist die sog. “Nash bargaining solution”.

Wir betrachten eine Situation, in der zwei Parteien uberetwas verhandeln. Sie X die Menge der moglichen Verein-barungen und D das Ergebnis, das sich einstellen wurde,wenn die Parteien zu keiner Einigung finden wurden.

Jede der beiden Parteien hat Praferenzen uber X ⋃{D}, diedurch die von-Neumann-Morgensternschen Nutzenfunktio-nen u1(·) und u2(·) beschrieben werden. Gegeben diese Nut-zenfunktionen ist die Menge der moglichen Auszahlungen

U = {(v1, v2) | u1(x) = v1 und v2(x) = v2 fur x ∈ X}sowie d = (u1(D), u2(D)).

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Von jetzt an arbeiten wir nur noch mit den erreichbarenNutzenallokationen.

Definition 4.1 Sei U ⊂ IR2 die Menge der moglichenNutzenallokationen bei einer Einigung und d die Nutzen-allokation, wenn keine Einigung zustande kommt. Ein Ver-handlungsproblem ist ein Paar (U, d) mit den Eigenschaf-ten

� d ∈ U

� Es existiert ein (v1, v2) ∈ U mit v1 > d1 und v2 > d2

� U ist konvex

� U ist abgeschlossen und beschrankt

Wie lassen sich diese Annahmen rechtfertigen?

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Abb. 8.1: Ein Verhandlunsproblem

Definition 4.2 Eine Verhandlungslosung ordnet jedemVerhandlungsproblem (U, d) wenigstens ein v(U, d) ∈ Uzu.

Die Nash Axiome:

Nash (1950) argumentiert, dass eine Verhandlungslosungdie folgenden Bedingungen erfullen sollte:

Das erste Axiom verlangt, dass die Parteien keinen Nutzenwegwerfen sollten:

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Axiom 4.1 (Pareto-Optimalitat) Sei v(U, d) die Losungdes Verhandlungsspiels (U, d). Dann existiert keine Nut-zenallokation x = v(U, d), so dass x1 ≥ v1(U, d) undx2 ≥ v2(U, d).

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Abb. 8.2: Pareto-Optimalitat

Das zweite Axiom verlangt, dass die Parteien in einer sym-metrischen Situation ein symmetrisches Verhandlungsergeb-nis erzielen sollten.

Axiom 4.2 (Symmetrie) Wenn das Verhandlungsproblemsymmetrisch ist, d.h. wenn (v1, v2) ∈ U ⇔ (v2, v1) ∈ U

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und d1 = d2, dann sollte auch das Verhandlungsergebnissymmetrisch sein, d.h. v1(U, d) = v2(U, d).

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Abb. 8.3: Symmetrie

Das dritte Axiom verlangt, dass die Verhandlungslosungnicht von der Nutzendarstellung abhangen sollte, also nichtdavon, welche lineare Transformation der vN-M Nutzen-funktionen verwendet wird:

Axiom 4.3 (Unabhangigkeit von aquivalenten Nut-zentransformationen) Sei (U, d) ein Verhandlungspro-blem und seien αi, βi, i ∈ {1, 2}, reelle Zahlen mit αi > 0.

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Sei (U ′, d′) ein Verhandlungsproblem mit v′1 = α1v1 + β1

und v′2 = α2v2 + β2 fur alle (v1, v2) ∈ U und d′ = d′1 =(α1d1 + β1, d

′2 = α2d2 + β2. Wenn (w1, w2) eine Verhand-

lungslosung von (U, d) ist, dann ist (α1w1 +β1, α2w2 +β2)eine Verhandlungslosung von (U ′, d′).

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Abb. 8.4: Unabhangigkeit von aquivalentenNutzentransformationen

Das letzte Axiom verlangt, dass wenn (v1, v2) eine Losungdes Verhandlungsproblems (U,d) ist, dann ist es auch dieLosung eines Verhandlungsproblems (U ′, d′), wenn U ′ ⊂ Uund d = d′.

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Axiom 4.4 (Unabhangigkeit von irrelevanten Alter-nativen:) Sei v(U, d) die Losung des Verhandlungsproblems(U, d) und sei U ′ ⊂ U . Wenn v(U, d) ∈ U ′, dann ist v(U, d)auch die Losung des Verhandlungsspiels (U ′, d).

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Abb. 8.5: Unabhangigkeit von irrelevanten Alternativen

John Nash hat den folgenden, bemerkenswerten Satz be-wiesen:

Satz 4.4 Fur jedes Verhandlungsspiel (U, d) exis-tiert eine eindeutige Nutzenallokation v∗ = v(U, d),die die Axiome 1 bis 4 erfullt. v∗ ist die Losung des

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folgenden Maximierungsproblems:

maxv1,v2

(v1 − d1)(v2 − d2)

unter den Nebenbedingungen:

(v1, v2) ∈ U und vi ≥ di i ∈ {1, 2}

Dieses Resultat ist nicht offensichtlich und der Beweis istnicht trivial (siehe z.B. Osborne-Rubinstein (1994).

Der Satz ist sehr nutzlich. Wenn wir glauben, dass eine“vernunftige” Verhandlungslosung den Axiomen 4.1 bis 4.4genugen muss, dann ist die Verhandlungslosung damit ein-deutig bestimmt und wir konnen sie leicht ausrechnen.

Ahnliche Konzepte sind fur Verhandlungsspiele mit mehr alszwei Teilnehmern entwickelt worden:

� Shapley Wert

� Kern

� Kernel

� Nukleolus

� etc.

Aus der Sicht der nicht-kooperativen Spieltheorie sind die-se “kooperativen” Konzepte jedoch nicht voll befriedigend,

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weil sie nichts uber die strategische Interaktion der Spie-ler aussagen, die dazu fuhrt, dass eine bestimmte Verhand-lungslosung erreicht wird.

Die nicht-kooperative Verhandlungstheorie von Rubinsteinfuhrt im Limes (wenn die Geduld der Parteien unendlichwird) zum selben Resultat wie die Nash-Verhandlungslosung.Sie kann als eine Fundierung der Nash-Verhandlungslosungbetrachtet werden.