41. Studientagung 14. 15. Mai 2018€¦ · Der Mobilitätswandel sowie die verkehrlichen...

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Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V. 14. | 15. Mai 2018 Hannover Dokumentation der 41. Studientagung Alles neu macht die Digitalisierung?! Von neuen Chancen der Kleinstädte, neuer Funktionsmischung in den Cities und dem Mobilitätswandel

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Tagungsort: Handelsverband Hannover e.V. Hinüberstraße 18 30175 Hannover

www.urbanicom.de

41. Studientagung 14. | 15. Mai 2018

Alles neu macht die Digitalisierung?!

Von neuen Chancen der Kleinstädte, neuer Funktionsmischung in den Cities und dem Mobilitätswandel

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Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V.

14. | 15. Mai 2018Hannover

Dokumentation der 41. Studientagung

Alles neu macht die Digitalisierung?!Von neuen Chancen der Kleinstädte, neuer Funktionsmischung in den Cities und dem Mobilitätswandel

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Herausgeber: urbanicom Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V. c/o Handelsverband Deutschland e.V. (HDE)

Michael Reink (v.i.S.d.P.) Am Weidendamm 1A 10117 Berlin

Tel.: 030.72 62 50 25 Fax : 030.72 60 51 25 E-Mail : [email protected]

Bearbeiter: LOKATION:S Partnerschaft für Standortentwicklung Liepe+Wiemken Dipl.-Ingenieure

Sanderstraße 29/30 12047 Berlin

Tel.: 030.49 90 51 80 Fax : 030.69 81 58 81 E-Mail : [email protected] Web : www.lokation-s.de

Susann Liepe Lea Ouardi

Layout: LOKATION:S | Mathilde DutilleulDatum: September 2018

Impressum

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Vorwort

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Die Stadt- und Handelsentwicklung steht vor einer grundlegenden Systemverände-rung, so dass das Gefüge von Stadt und Handel sich voraussichtlich neu sortieren muss. Dies umfasst nicht nur Fragen des Handels, sondern auch des Verkehrs, des Wohnens, der Immobilien oder der Arbeitsplätze. Daher haben wir auf der 41. urba-nicom-Studientagung die Bandbreite der Veränderungsprozesse dargestellt, um die richtigen Fragen in Bezug auf die Stadt- und Handelsentwicklung zu diskutieren.

Innenstadt als zentralen Ort sichern

Die Resilienz der Innenstadt als „zentraler Ort“ muss geprüft werden, da sich Para-digmenwechsel abzeichnen: Z.B. die Umnutzung von Handelsflächen zu Wohnraum oder die wachsende Dynamik von Co-Working-Spaces und zunehmende „Mobilität von Arbeitsplätzen“ (Arbeitsplatz nicht als fester Ort). Durch die Alleinstellung der Innenstädte als Orte maximaler Aktivitätenkopplung, hat dies Implikationen auf den Handel und die Stadtentwicklung. Hinzu kommt eine neue „Körnung“ der inner-städtischen Funktionen. Daher haben wir die zukünftige Rolle der bisher citytypi-schen und –dominanten Funktionen hinterfragt und neue, aufstrebende Partner der Innenstadtentwicklung vorgestellt.

Versorgungswege Inwertsetzen

Der Mobilitätswandel sowie die verkehrlichen Auswirkungen des Online-Handels müssen auf den bereits bestehenden Verkehrswegen bewältigt werden. Hier gilt es insbesondere, die verkehrlichen Auswirkungen des Online-Handels zu berück-sichtigen und Innovationen herauszuarbeiten, die bei steigendem Paketvolumen zu einem besseren Verkehrsfluss führen.

Städtesystem festigen durch Inwertsetzung des ländlichen Raumes

Die Digitalisierung kann eine Chance für den ländlichen Raum sein, da das Breitband die Möglichkeit schafft, hochwertige Arbeitsplätze z.B. im Bereich Dienstleistungen in den ruralen Räumen zu etablieren. Dies kann positive Effekte nach sich ziehen (Baumasse kann genutzt werden, Pendlerverkehre werden z. T. obsolet und die Kundendichte für Versorgungsstrukturen (Medizin, Nahversorgung, Bildung etc.)

Michael ReinkGeschäftsführendes Vorstandsmitglied

urbanicom e.V.

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ist gegeben.) Daher haben wir auf der 41. Studientagung den Status Quo beleuchtet und zukunftsweisende Ideen präsentiert.

Ich wünsche Ihnen beim Studium unserer urbanicom-Dokumentation interessanteEinblicke, Ideen und Anregungen für Ihre Arbeit. Ihr Michael Reink

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Vorwort

Michael Reink 3 Geschäftsführendes Vorstandsmitglied urbanicom e.V.

Begrüßung und Einführung in die Tagung

Lovro Mandac 6 Vorsitzender urbanicom e.V. und ehem. Geschäftsführer Kaufhof Warenhaus AG Monika Dürrer Hauptgeschäftsführerin Handelsverband Hannover

Raumentwicklung in Deutschland – Starke Zentren und schwaches Land!?

Dr. Markus Eltges 10 Leiter Abteilung | Raumordnung und Städtebau BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung | Bonn

Arbeitswelten 2025 – Räumliche, technologische und organisatorische Aspekte

Dr. Stefan Rief 22 Teamleiter Workspace Innovetion Fraunhofer IAO | Stuttgart

Nutzungsmischung im Bestand – Multifunktionale Gebäude als Ergebnis rascher Nutzungszyklen

Dr. Sebastiaan Gerards 30 Vorstandsreferent Landmarken AG | Aachen

Inwertsetzung ländlicher Räume - Telearbeit/ Co-Working in der Dorfmitte

Christian Mainka 38 Senior Projektleiter City & Bits GmbH | Berlin

Die Rolle der Kreativwirtschaft bei der Funktionsstärkung der Innenstädte

Claudia Muntschick 46 Ansprechpartnerin Ostsachsen Kreatives Sachsen - Sächsisches Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft, Dresden

Verkehrliche Auswirkungen des Online-Handels – Innovative Lieferkonzepte auf der letzten Meile

Sven Altenburg 54 Projektleiter Mobilität & Transport Prognos AG, Hamburg

Dokumentation der Tagung Foto-Dokumentation der Exkursion Hannover 59

Kontakte 64

Inhaltsverzeichnis

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Begrüßung und Einführung in die Tagung

Lovro MandacVorsitzender urbanicom e.V. und ehem. Geschäftsführer Kaufhof Warenhaus AG

Monika Dürrer Hauptgeschäftsführerin Handelsverband Hannover

Lovro Mandac

Die Tagung steht unter dem Thema „Alles neu macht die Digitalisierung?!“ und möchte, nachdem sich die vergangenen urbanicom-Studientagungen vor allem mit den Instrumenten der Digitalisierung beschäftigten, die Auswirkungen der Digitalisierung in den Fokus nehmen.

In die Thematik soll mit einem allgemeinen Überblick zur Raumentwicklung in Deutschland eingestiegen werden: Wenn man den Medien glauben darf, scheint es fast so als sei die bipolare Entwicklung des Anwachsens der Großstädte sowie der Schrumpfung im ländlichen Raum unumkehrbar. Doch wie sind die Verhältnisse tatsächlich und welche Chancen bestehen insbesondere für die ländlichen Räume?

Diese Fragen werden bei der Betrachtung der Arbeitswelten 2025 aufgegriffen. Die Digitalisierung wird den Bereich der Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation nicht ausklammern. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auch hier starke Umwälzungsprozesse anstehen, die Auswirkungen auf die Frage nach den Standorten von Arbeitsplätzen haben werden.

Da Innenstädte immer als Orte mit einer Konzentration von hochrangigen Funktionen – und somit auch als Orte mit einer Konzentration von Arbeitsplätzen verstanden werden, ist neben der Sogwirkung des Einzelhandels auch die zukünftige Dichte von Arbeitsplätzen in den Innenstädten zu hinterfragen. Das wiederum führt zu einem neuen Denken bei der Immobilienentwicklung. Noch vor einigen Jahren waren

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Mietvertragslaufzeiten im Einzelhandel von 10 Jahren die Regel. Das hat sich schon heute bedeutend geändert.

Im Ergebnis erwarten wir raschere Funktionswechsel innerhalb der Gebäude, so dass die Projektierung für den Neubau oder auch die Revitalisierung von Bestandsgebäuden diesen neuen Gegebenheiten angepasst werden müssen. Eine Antwort geben „Multifunktionale Gebäude“ die nicht nur mehrere Funktionsänderungen während des Nutzungszyklus verkraften, sondern sich auch durch eine ausgeprägte Nutzungsmischung auszeichnen.

Dort, wo tiefgreifende Veränderungen zu erwarten sind, können an anderer Stelle neue Strukturen entstehen. So bietet die Digitalisierung der Arbeitswelten die Chance für den ländlich geprägten Raum, neue hochwertige Arbeitsplätze anzusiedeln.

Es werden sich in Zukunft neue Fragen der Telearbeit bzw. von Co-Working-Spaces in der Dorfmitte stellen. Das ist nicht nur beachtlich z.B. in Hinblick auf das Arbeitsrecht, sondern auch bei der Frage, wie der Einzelhandel die Versorgung der ländlichen Bevölkerung organisiert. Werden möglicherweise neue Konsumentengruppen ihr „Lebensmodell ländlicher Raum“ im Zuge der Digitalisierung realisieren können? Wenn ja, wird die Kundendichte steigen mit positiven Folgen für die Nahversorgung.

Doch die Kennziffern sind klar: Weitere Umsatzverschiebungen in den Online-Handel, ein negatives Bevölkerungswachstum und ein sinkender Anteil des Handels am Privatkonsum. In der Folge erleben schon etliche Kommunen eine nachlassende Sogwirkung des Handels für die Innenstädte. Das ist kein triviales Problem, zumal der Handel immer Frequenzbringer Nummer eins für die Innenstädte war und viele weitere Funktionen von seinen Frequenzen profitiert haben. Zudem ist es bisher vor allem der Einzelhandel, der mit seinen extrem hohen Mietzahlungen dafür sorgt, dass ein attraktives städtebauliches Ensemble überhaupt möglich ist, bzw. bewahrt werden kann.

Was aber geschieht, wenn der Handel diese Rolle nicht mehr alleine erfüllen kann? Welche Nutzungen können den stationären Einzelhandel in seiner Sogfunktion unterstützen?

Eine bisher unzureichend betrachtete Gruppe stellt die Kreativwirtschaft dar. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die Kreativwirtschaft ein hohes Maß an Alleinstellung in sich trägt, so dass die Standorte einen eigenen, prägenden Charakter entwickeln können.

Bei allen Veränderungen bleibt eines gewiss: Die Erreichbarkeit der Innenstädte muss gewährleistet sein. Es ist zu hinterfragen, inwiefern der Online-Handel hierzu einen Betrag leisten kann. Die augenscheinlichen Auswirkungen tragen möglicherweise nicht dazu bei. Aber vielleicht führt der Online-Handel auch zu einer Reduzierung der Verkehre, weil die Waren gebündelt ausgeliefert werden. Daneben stellt sich für den stationären Handel die Frage, wie er ebenfalls alle Vertriebswege bedienen möchte, wenn er die online bestellten Waren tagsüber nicht aus den Filialen versenden kann.

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Monika Dürrer dankt für die einleitenden Worte durch Lovro Mandac und begrüßt die Referenten und Teilnehmer der Tagung. Die Geschäftsführerin des Handelsverbands Hannover freut sich, dass die Tagung in diesem Jahr in Hannover stattfindet sowie über das Zusammentreffen aller Experten und einen intensiven Austausch im Rahmen der Tagung.

Ein Teil der Veranstaltungsteilnehmer hat bereits im Rahmen des Stadtrundgangs am Vortag einen Eindruck davon erhalten, wie Handel und Stadt sich in Hannover entwickelt haben und welche Pläne die Stadt für die Zukunft von Einzelhandel und Innenstadt hat. Auch im Rahmen der Führung von Andreas Zunft wurde deutlich, dass es heutzutage nicht mehr ausreicht den Einzelhandel in die Innenstädte zu integrieren, um hier Frequenzen zu erhalten und zu schaffen.

Monika Dürrer berichtet auch über den festlichen Abend des ersten Tagungstages im Coworking-Space Hafven, welcher deutlich macht, dass die shared-economy im städtischen Raum mittlerweile eine Renaissance erfährt. Im Rahmen des Abends wurden bereits die Fragen angeschnitten, inwiefern solche Konzepte auch im ländlichen Raum funktionieren könnten und ob eine Übertragung auf den Einzelhandel möglich sei. Da Handel, Stadtplanung und Infrastruktur heutzutage ausgeprägte Schnittstellen aufweisen, ist gegebenenfalls auch vorstellbar, dass die öffentliche Hand zukünftig eine stärkere Rolle bei der Unterstützung des Handels übernimmt.

Monika Dürrer dankt für das spannende Programm der Tagung und beschreibt urbanicom als Think-Tank, der jedes Jahr wieder in die Zukunft blickt und sich dieses Jahr mit der relevanten Frage auseinandersetzt, wie die Immobilienwirtschaft, Stadtplanung, Verkehrswege und Handel sich weiterentwickeln müssen, um in Zukunft weiterhin attraktiv zu bleiben. Geschäftsstraßen, Fußgängerzonen und Fachmärkte sind in den heutigen Zeiten von e-commerce fast obsolet. Zugleich schätzen viele Bewohner aber auch heute noch diese Form des Einkaufens, so dass der stationäre Handel den neuen Herausforderungen weiterhin gerecht werden muss.

Welche Auswirkungen wird die Digitalisierung in Zukunft auf unsere Städte hinsichtlich Logistik, Arbeitswelten und dem Zusammenleben in unserer Gesellschaft haben?Der Umbruch, in dem sich unsere Städte gegenwärtig befinden, bietet zahlreiche spannende Themen und Entwicklungen, die im Rahmen der Tagung diskutiert werden sollen.

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Dokumentation Beitrage

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Raumentwicklung in Deutschland – Starke Zentren und schwaches Land!?

Dr. Markus EltgesLeiter Abteilung | Raumordnung und Städtebau, BBSR

Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Bonn

Seine Forschungen, wissenschaftliche Politikberatungen und Publikationen kreisen um das Politikfeld “Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Raum”. Damit geht es um die Determinanten räumlicher Entwicklungsunterschiede und damit verbundenen Konvergenzen und Divergenzen in Raum und Stadt. Ziel dieser Analysen ist es, auf der Basis eines theoretischen Modells die Gestaltungskraft durch politische Fördermaßnahmen oder raumwirksame fiskalische Entscheidungen auf die Regionalentwicklung abschätzen zu können. Damit ist die intensive Beschäftigung mit den Instrumenten der fiskalischen und strukturpolitischen Ausgleichspolitik sowie den kommunalen Finanzen verbunden. In diesem Zusammenhang steht auch die Frage nach den Treibern der räumlichen Entwicklung von Morgen und Übermorgen. Daher hat Herr Dr. Eltges den Zweig der Zukunftsforschung im BBSR aufgebaut, um damit auch der Aufgabe der Frühwarnung durch Ressortforschung nachzukommen. Hierbei geht es um die Stärkung der Inter- und Transdisziplinarität, um den Blick in die Zukunft mit möglichst vielen Fachrichtungen und Ebenen jenseits der Raum- und Stadtforschung zu richten.

Kernsätze � Die Bevölkerung in Deutschland wächst regional unterschiedlich. 282

der 401 Kreise und kreisfreien Städte haben zwischen 2010 und 2016 an Bevölkerung gewonnen. Besonders stark fällt das Wachstum in den Großstädten und deren Umland aus. Aber auch viele ländliche Räume verzeichnen mehr Einwohner. Dünn besiedelte Landkreise abseits der Ballungsräume verlieren dagegen weiter an Bevölkerung. Die politische Forderung nach den gleichwertigen Lebensverhältnissen muss nun mit konkreter Politik umgesetzt werden. Hierbei muss die Sicherung der Daseinsvorsorge genauso im Mittelpunt stehen wie die Attraktivitätssteigerung bislang weniger dynamischer Regionen.

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Forderung nach gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land

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� Starke Zentren – schwaches Land!? – Eine Frage der Sicht-weise

Ökonomisch war es schon immer so, dass die Städte bzw. Zentren über ein Mehr an Wirtschaftskraft verfügt haben als das Land. Mit dieser Stärke ist aber auch eine Schwäche verbunden. Aus der Konzentration von Bevölkerung und Wirtschaftsleis-tung resultieren u.a. Verkehrsprobleme, hohe Wohnkosten, etc.

Der ländliche Raum dagegen bietet schöne Landschaften und touristische Naherho-lungsziele - ökologisch, grün, landschaftlich reizvoll. So hat das Land schon immer ein „Mehr“ an Attraktivität und Stärke besessen. Es tut gut, sich dort aufzuhalten. Reizvolle Kleinstädte, Wälder und zusammenhängende Grünflächen sind auf dem Land konzentriert. Mit dieser Schönheit ist jedoch auch eine gewisse Problematik verbunden bspw. die Erreichbarkeit von Infrastrukturen der Daseinsvorsorge.

Stark und schwach ist demnach immer eine Frage der Sichtweise und des Erkennt-nisinteresses, der persönlichen Wertigkeit und subjektiven Wahrnehmung. Gleich-wohl haben wir eine gesellschaftspolitische Übereinkunft in Deutschland, dass keinem Menschen ein Nachteil daraus entstehen soll, dass er – aus welchen Gründen auch immer – seinen Lebensmittelpunkt in einer bestimmten Region hat.

� Wo stehen wir?

Laut eines Gutachtens des Bundeswirtschaftsministeriums1 ist in den struktur-stärkeren Regionen die Produktivität im Jahr 2012 etwa doppelt so hoch wie in den strukturschwächeren Regionen. Beim BIP je Einwohner sind die Unterschiede noch größer. Auch die regionale Arbeitslosigkeit - niedrigere Arbeitslosenzahlen vornehmlich in den wirtschaftsstärkeren Regionen - weist deutliche Unterschiede auf.

In räumlicher Hinsicht ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch durch ein Ost-West-Gefälle gekennzeichnet. Es sind vor allem periphere ländliche Gebiete, aber auch einige größere und kleinere Agglomerationsräume (z.B. das Ruhrgebiet und das Saarland) wirtschaftlich struk-turschwach. In Ostdeutschland, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit generell noch unter dem westdeutschen Niveau liegt, werden für wenige städtische Regi-onen überdurchschnittliche Werte beobachtet. Konvergenzuntersuchungen zeigen, dass die Angleichung der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse über die Arbeits-marktregionen in Deutschland nur sehr langsam vorankommt.

Eine Angleichung der wirtschaftlichen Lebensverhältnisse ausschließlich über marktwirtschaftliche Prozesse ist dabei mehr als fraglich. Staatliche Steuerungs- und Anreizinstrumente gewinnen aus diesem Grund an Bedeutung.

1 Gutachten „Aufgaben, Struktur und mögliche Ausgestaltung eines gesamtdeutschen Systems zur

Förderung von strukturschwachen Regionen ab 2020, Endbericht zum Dienstleistungsprojekt Nr. 13/14

des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zum 31. März 2016 von GEFRA – Gesellschaft für

Finanz- und Regionalanalysen GbR, Münster, RUFIS – Ruhr-Forschungsinstitut für Innovations- und

Strukturpolitik e.V., Bochum

„Es scheint eine magische Grenze bei 80% der Wirtschaftskraft in Ostdeutsch-land im Vergleich zu West-deutschland zu geben, über die die wirtschaftliche Konvergenz derzeit nicht hinausgeht.“

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� Wir haben einen Auftrag!

Grundsätze der Raumordnung, die durch Festlegungen in Raumordnungsplänen zu konkretisieren sind, regeln den Ausgleich:

Nr. 1: Im Gesamtraum der Bundesrepublik Deutschland sowie in den Teilräumen sind ausgeglichene soziale, infrastrukturelle, wirtschaftliche, ökologische und kulturelle Verhältnisse anzustreben. Dabei sind eine nachhaltige Daseinsvorsorge und Entwicklungspotenziale zu sichern, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und Innovation zu unterstützen sowie Ressourcen nachhaltig zu schützen.

Die Raumordnung ist dabei kein Instrument ausschließlich für das Land. Die o.g. Aufgaben sind gleichermaßen in Ballungsräumen wie in ländlichen Räumen, in strukturschwachen wie in strukturstarken Regionen zu erfüllen. Demographischen, wirtschaftlichen, sozialen sowie anderen strukturverändernden Herausforderungen ist Rechnung zu tragen, auch im Hinblick auf den Rückgang und den Zuwachs von Bevölkerung und Arbeitsplätzen. Dabei sind regionale Entwicklungskonzepte und Bedarfsprognosen der Landes- und Regionalplanung einzubeziehen.

Auf einen Ausgleich räumlicher und struktureller Ungleichgewichte zwischen den Regionen ist hinzuwirken. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Raumnutzung sind langfristig offenzuhalten.

� Wie sieht die Bevölkerungsentwicklung aus?

Die Bevölkerungsentwicklung ist ein zentraler Faktor, wenn man sich mit den regio-nalen Disparitäten beschäftigen will. Dabei ist die

Bevölkerung eine dynamische Größe, die auch von politischen Ereignissen - auch im Ausland – bestimmt wird.

15.05.2018 5

Bevölkerungsentwicklung als treibende Kraft für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Infrastruktur und Siedlungsentwicklung

78000000

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83000000

absolute Bevölkerungsentwicklung zwischen 1990 und 2016

Seit 2010 starke Außenwanderungs-gewinne + 2,2 Mio. Immer noch Sterbeüberschüsse -1,2 Mio. (2010-2016) Leichter Zuwachs der Fertilität von 1,4 auf 1,6

Aktuell ist ein Höchststand in der Bevölkerungsentwicklung zu verzeichnen. Vor vier bis fünf Jahren wäre eine derartige Prognose undenkbar gewesen. Die Zuwan-

Bevölkerungsentwicklung ist die treibende Kraft für Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Infrastruktur und Siedlungsent-wicklung.Seit 2010 starke Außenwande-rungsgewinne +2,2 Mio. noch immer Sterbeüberschüsse von-1,2 Mio. (2010-2016) und einleichter Zuwachs der Fertilität von 1,4 auf 1,6.

Abb. 1: Absolute Bevölker-ungsentwicklung zwischen 1990 und 2016

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Abb. 2: Streuung der absoluten Bevölkerungszahlen von 1990 bis 2016 auf Basis der über 4.500 Verbandsgemeinden - Variationskoeffizient in %

derung ist vor allem durch die Außenwanderung erfolgt. Wenn in Deutschland der Sterbeüberschuss geringer ausfallen würde, wäre der Bevölkerungszuwachs noch höher. Die Geburtenrate hat leicht zugenommen (von 1,4 vor 10 Jahren auf 1,6) und konnte so auch zu einer positiven Bevölkerungsentwicklung beitragen.

� Was sind die Konsequenzen für die Bevölkerungsverteilung im Raum?

Für die Beurteilung der Bevölkerungsverteilung wird der Variationskoeffizient als Streuungsmaß hinzugezogen. Dieser wäre gleich Null, wenn in den 4.500 Gemeinden in Deutschland die gleiche Einwohnerzahl vorhanden wäre.

15.05.2018 6

Bevölkerungsumfang-, -verteilung und -entwicklung ist die Basis einer jedweden Raumentwicklung(spolitik)

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375

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415

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016

Streuung der absoluten Bevölkerungszahlen von 1990 bis 2016 auf Basis der über 4.500 Verbandsgemeinden -

Variationskoeffizient in %

VK SV-Beschäftigte am Arbeits- und am Wohnort

Bis 2002 bei steigenden Zahlen Reduzierung der Streuung, danach vice versa, unabhängig von Dynamik bei der Bevölkerungs-entwicklung im Bund.

350

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2000

2002

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2016

Die Bevölkerungsstreuung liegt in Deutschland bei über 400%. Bis 2005 haben fast alle Gemeinden von der Bevölkerungsentwicklung profitiert. Von 2005 bis 2010 gab es einen Strukturbruch in der Phase der Bevölkerungsabnahme. Mit dem Bevölkerungswachstum ab 2010 haben die regionalen Unterschiede zwischen den Kommunen zugenommen. Vor allem größere Städte wachsen.

Dabei ist eine Parallelität zwischen der Streuung der Sozialversicherungspflichtig-Beschäftigten und der Bevölkerungsentwicklung festzustellen.

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� Regionale Dimension der Bevölkerungsentwicklung

Es gibt eine hohe Dynamik bei der Bevölkerungsentwicklung, die regional sehr unterschiedlich ist. Insgesamt lassen sich seit 2000 drei Phasen unterscheiden:

15.05.2018 7

Raumordnungsbericht 2017 Referat I 1

Regionale Dimension der Bevölkerungsentwicklung - 170.000 - 1.000.000 + 2.200.000

In der ersten Phase von 2000 bis 2005 ist trotz geringer Bevölkerungsverluste eine hohe regionale Streuung von Schrumpfungsgebieten zu verzeichnen. In der zweiten Phase von 2005 bis 2010 waren auch Städte außerhalb der Metropolregionen bzw. großen Städte von Schrumpfung betroffen. Insgesamt sind deutlich mehr Schrump-fungs- als Wachstumsbereiche zu verzeichnen. In der dritten Phase von 2010 bis 2016 haben die Schrumpfungstendenzen generell abgenommen. Insgesamt ist ein Nord-Süd-Gefälle festzustellen. In den neuen Ländern bilden sich Wachstumsinseln.

� Bevölkerungsentwicklung nach Kreistypen

Für die differenzierte Darstellung der Bevölkerungsentwicklung können folgende siedlungsstrukturellen Kreistypen des BBSR herangezogen werden:

1.) Kreisfreie Großstädte: Kreisfreie Städte mit mindestens 100.000 Einwohnern

2.) Städtische Kreise: Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittel-städten von mindestens 50% und einer Einwohnerdichte von mindestens 150 Einwohnern/km²; sowie Kreise mit einer Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittel-städte von mindestens 150 Einwohnern/km²

3.) Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen: Kreise mit einem Bevölkerungsan-teil in Groß- und Mittelstädten von mindestens 50%, aber einer Einwohnerdichte unter 150 Einwohnern/km², sowie

Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten unter 50% mit einer Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittelstädte von mindestens 100 Einwoh-nern/km²

Abb. 3: Regionale Dimension der Bevölkerungsentwicklung

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4.) Dünn besiedelte ländliche Kreise: Kreise mit einem Bevölkerungsanteil in Groß- und Mittelstädten unter 50% und einer Einwohnerdichte ohne Groß- und Mittel-städte unter 100 Einwohnern/km²

Von 2000 bis 2005 wachsen die Umlandgemeinden der größeren Städte im Westen. Bevölkerungsverluste gibt es vor allem im ländlichen Raum in Ostdeutschland. Aber auch Großstädte in beiden Teilen verlieren in dieser Zeit Einwohner.

Zwischen 2005-2010 gewinnen die Großstädte an Bedeutung – auch auf Kosten der Umlandgemeinden im Westen. Die Verluste ländlicher Räume im Osten werden etwas geringer.

In der dritten Phase von 2010 bis 2016 erfolgt ein Wachstum in den Großstädten und städtischen Kreisen im Westen, welches auch auf die Umlandgemeinden ausstrahlt. Es gibt kaum eine größere Stadt die Einwohner einbüßt. Die Entwicklungsdynamik in Ostdeutschland ist nicht so groß, die Schrumpfungstendenzen nehmen dort aber an Intensität ab.

Abb. 4: Bevölkerungsentwick-lung Ost/West im Vergleich

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2000-2005 2005-2010

Bevölkerungsentwicklung nach Kreistypen

2010-2016

Phase des Wachstums der Umlandgemeinden der größeren Städte im Westen, Verluste ländlicher Räume im Osten

Phase der neuen Attraktivität der größeren Städte – auch auf Kosten der Umlandgemeinden im Westen, Verluste ländlicher Räume im Osten, aber geringer werdend

Wachstum der größeren Städte strahlt auf die Umland-gemeinden im Westen aus, Verluste ländlicher Räume im Osten, nehmen weiter an Intensität ab.

15.05.2018 9

2000-2005 2005-2010

Bevölkerungsentwicklung nach Kreistypen

2010-2016

Phase des Wachstums der Umlandgemeinden der größeren Städte im Westen, Verluste ländlicher Räume im Osten

Phase der neuen Attraktivität der größeren Städte – auch auf Kosten der Umlandgemeinden im Westen, Verluste ländlicher Räume im Osten, aber geringer werdend

Wachstum der größeren Städte strahlt auf die Umland-gemeinden im Westen aus, Verluste ländlicher Räume im Osten, nehmen weiter an Intensität ab.

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2000-2005 2005-2010

Bevölkerungsentwicklung nach Kreistypen

2010-2016

Phase des Wachstums der Umlandgemeinden der größeren Städte im Westen, Verluste ländlicher Räume im Osten

Phase der neuen Attraktivität der größeren Städte – auch auf Kosten der Umlandgemeinden im Westen, Verluste ländlicher Räume im Osten, aber geringer werdend

Wachstum der größeren Städte strahlt auf die Umland-gemeinden im Westen aus, Verluste ländlicher Räume im Osten, nehmen weiter an Intensität ab.

600.000

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1.000.000

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� Was tut sich in den größeren Städten?

Interessant bei der Betrachtung der größeren Städte ist die Unterscheidung nach der Entwicklung der inneren und der äußeren Stadt.

15.05.2018 10

Was tut sich in den größeren Städten?

Differenziertes Bild: wächst die Stadt, wächst vor allem der innere Bereich, schrumpft die Stadt, verlieren der innere und äußere Bereich gleichermaßen

Wachstum geht vor allem in den inneren Bereich der Städte, auch in den Städten, die in der Summe schrumpfen (Innenentwicklung)

15.05.2018 10

Was tut sich in den größeren Städten?

Differenziertes Bild: wächst die Stadt, wächst vor allem der innere Bereich, schrumpft die Stadt, verlieren der innere und äußere Bereich gleichermaßen

Wachstum geht vor allem in den inneren Bereich der Städte, auch in den Städten, die in der Summe schrumpfen (Innenentwicklung)

Abb.5: Bevölkerungsentwick-lung 2000 - 2011 nach inner-städtischem Lagetyp

Zwischen 2000 und 2011 ergibt sich ein differenziertes Bild: Wächst die Stadt, wächst vor allem der innere Bereich. Schrumpft die Stadt, verlieren der innere und äußere Bereich gleichermaßen.

Abb. 6: Bevölkerungsent-wicklung 2011 bis 2016 nach innerstädtischem Lagetyp

Von 2011 bis 2016 ergibt sich ein anderes Bild: Fast alle Großstädte haben an Einwohnern gewonnen. Das Wachstum findet vor allem in den inneren Bereichen der Städte statt, auch in den Städten, die in der Summe schrumpfen (Innenentwick-lung).

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Abb. 7: Bevölkerungsprognose bis 2035

15.05.2018 11

Dynamik der Außenwanderungen - nur schwer einschätzbar Schrumpfungs- und Alterungsprozess ist bereits längerfristig angelegt – verdeckt durch „importierte Dynamik“ Räumliche Muster der Binnenwanderungen sind relativ stabil • jährlich etwa 2,6 Mio. Zu- u. Fortzüge über Kreisgrenzen • Bildungswanderer: Städte und wirtschaftsstarke Regionen

– wenig Rückwanderung • Familien- und Arbeitsplatzwanderer: städtische Kreise und

teilweise Großstädte Bevölkerungswachstum erfordert entweder dauerhafte Zuwanderung (> 400.000 netto jährlich) oder einen deutlichen Anstieg der Fertilitätsrate > 2,1 (1,5/1,8)

80,5

81,0

81,5

82,0

82,5

83,0

83,5

84,0

84,5

2015

2017

2019

2021

2023

2025

2027

2029

2031

2033

2035

IW-Prognose

UNO-Medium-Prognose

aktualisiserte 13.Koordi. (Variane2-A)

Wie geht es weiter?

� Wie geht es weiter?

Die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung fallen je nach Betrachter unterschied-lich aus. Einig sind sie sich alle darin, dass vor allem die Entwicklung der zukünftigen Bevölkerungszahlen vom Ausmaß der Außenwanderungen abhängen. Gleichwohl ist gerade diese Größe nur schwer einschätzbar. Einigkeit besteht auch darin, dass nicht von einer langanhaltenden Stabilität der Bevölkerungszahlen ausgegangen wird. Mitte des nächsten Jahrzehnts wird wieder mit fallenden Werten gerechnet. Daher sind sowohl die politischen Entscheidungen als auch die laufenden demogra-fischen Trends sehr genau zu beobachten. Den Kommunen wird deshalb zur Erstel-lung städtischer Entwicklungsstrategien eine Bevölkerungsprognose oder Szena-rien bis mind. 2030 geraten, um eventuelle Trendwenden rechtzeitig erkennen zu können. Am 31.09.2017 betrug die Bevölkerungszahl nach Angaben des Statis-tischen Bundesamtes 82,7 Mio. Diese Zahl hätte vor fünf Jahren kaum einer für möglich gehalten.

Die räumlichen Muster der Binnenwanderung sind relativ stabil. Jährlich sind etwa 2,6 Mio. Zu- und Fortzüge über die Kreisgrenzen zu erwarten. Städte und wirt-schaftsstarke Regionen profitieren von den Bildungswanderern. Diese werden wenig von Rückwanderung betroffen sein. Städtische Kreise und z.T. Großstädte erfahren einen Zuzug von Familien- und Arbeitsplatzwanderern.

Um die Bevölkerung stabil zu halten bedarf es einer dauerhaften Zuwanderung von mehr als 400.000 Einwohnern pro Jahr oder einem deutlichen Anstieg der Fertili-tätsrate auf mehr als 2,1.

� Zwischenfazit

Das Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfung bleibt im Bundesgebiet erhalten. Die größeren Städte - im Westen wie im Osten - haben große Anziehungs-kraft. Vor allem die inneren Bereiche der Städte wachsen.

Der räumliche Strukturwandel verläuft derzeit zugunsten der städtischen Räume – auch mit Blick auf die Beschäftigtenzahlen. Mehr Bevölkerung heißt in der Regel auch mehr Beschäftigung und vice versa.

Die Verluste in den ländlichen Räumen, insbesondere im Osten Deutschlands, haben in der Summe in der jüngeren Vergangenheit abgenommen. Fraglich ist, ob es sich dabei um eine Trendwende oder Zwischenphase handelt.

� Arbeitsplatzdefizite erfordern längere Pendeldistanzen

2015 pendelten 60% aller Beschäftigten zur Arbeit; im Vergleich: 2000 waren es noch 53%. Der durchschnittliche Weg zur Arbeit nimmt dabei zu und betrug 2015 16,8 km (im Vergleich, 2000: 14,6 km). Besonders lange Pendeldistanzen gibt es in dünn besiedelten Räumen abseits der Ballungsräume. D.h., je schwächer die Zentren werden, desto längere Entfernungen müssen die Beschäftigten in Kauf nehmen. Eine Zunahme ist vor allem bei den Fernpendlern (z.T. bis zu 200 km pro Tag) fest-

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zustellen. Aufgrund einer vergleichsweise hohen Standorttreue in Deutschland werden die Pendlerentfernungen toleriert.

Die spezifische Situation ländlicher Räume darf dabei nicht außer Acht gelassen werden:

• hoher Anteil des Pkw bei Daseinsvorsorge relevanten Aktivitäten,

• keine Wahlfreiheit der Mobilitätsoptionen,

• starker Rückgang des Ausbildungsverkehrs (Rückgang Schülerzahlen) und Zunahme nicht mobiler Altersgruppen.

� Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung

15.05.2018 14

Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung - Alterung

Nach dem Szenario 2-A des Statistischen Bundesamtes wird 2030 die Bevölkerungszahl leicht gegenüber 2015 überschritten, aber die Alterung nimmt weiter zu. Die Anzahl über 65 jährigen wird um 4,5 Millionen Personen ansteigen, davon 1,5 Millionen mehr im hochbetagten Alter über 80 Jahre.

Nach dem Szenario 2-A des Statistischen Bundesamtes wird 2030 die Bevölkerungs-zahl gegenüber 2015 leicht überschritten. Allerdings nimmt die Alterung flächen-deckend weiter zu. Die Anzahl der über 65-jährigen wird um 4,5 Mio. Personen ansteigen, davon 1,5 Mio. Personen mehr im hochbetagten Alter über 80 Jahre. In einigen Regionen liegt der Anteil älterer Menschen damit bei 40%.

� Sicherung der Daseinsvorsorge gewinnt an Bedeutung

Vor allem in Regionen mit langfristigen Bevölkerungsrückgängen und verbreiteten sowie zusammenhängenden niedrigen Siedlungsdichten muss der Sicherung der Daseinsvorsorge mit Blick auf die Erreichbarkeit von Schulen, Ärzten, Apotheken, ÖPNV und Nahversorgungseinrichtungen besonderes Augenmerk geschenkt werden, insbesondere mit Blick auf die Altersstrukturen.

Vor allem in Regionen mit langfristigen Bevölkerungszuwächsen und verbrei-teten und zusammenhängenden hohen Siedlungsdichten muss der Sicherung der Daseinsvorsorge mit Blick auf bezahlbares Wohnen und Wohnungsbau eine beson-dere Bedeutung zukommen (z.B. Verkehr und saubere Luft).

Abb. 8: Alterstruktur der Bevölkerung 2015 und 2030 nach Ländergruppen

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15.05.2018 17

Dimensionen der Daseinsvorsorge und deren Erreichbarkeit

Starkes Stadt-Land-Gefälle bei der Erreichbarkeit von Einrichtungen der Daseinsvorsorge, aber sehr gute flächendeckende ÖPNV-Versorgung

15.05.2018 17

Dimensionen der Daseinsvorsorge und deren Erreichbarkeit

Starkes Stadt-Land-Gefälle bei der Erreichbarkeit von Einrichtungen der Daseinsvorsorge, aber sehr gute flächendeckende ÖPNV-Versorgung

15.05.2018 17

Dimensionen der Daseinsvorsorge und deren Erreichbarkeit

Starkes Stadt-Land-Gefälle bei der Erreichbarkeit von Einrichtungen der Daseinsvorsorge, aber sehr gute flächendeckende ÖPNV-Versorgung

Bezüglich der Erreichbarkeit von Einrichtungen der Daseinsvorsorge gibt es keine gravierenden West-Ost-Unterschiede, allerdings ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Ausnahme bildet die noch sehr gute ÖPNV-Erreichbarkeit in allen Räumen. Aller-dings ist dabei zu beachten, dass der ÖPNV im ländlichen Raum v.a. über die Schü-lerverkehre subventioniert wird. Durch die abnehmenden Schülerzahlen wird das Kommunen vor große Herausforderungen stellen.

Bezüglich der Sicherung v.a. der Nahversorgung enthalten fast alle Landesentwick-lungspläne die relevanten Steuerungsgebote.

Z.B. Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) 2018

„(Z) Flächen für Betriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 der Baunutzungsverord-nung sowie für Agglomerationen (Einzelhandelsgroßprojekte) dürfen nur in Zent-ralen Orten ausgewiesen werden. Abweichend sind Ausweisungen zulässig - für Betriebe bis 1 200 m² Verkaufsfläche, die ganz überwiegend dem Verkauf von Waren des Nahversorgungsbedarfs dienen, in allen Gemeinden; diese Ausweisungen sind unabhängig von den zentralörtlichen Funktionen anderer Gemeinden zulässig und unterliegen nur der Steuerung von Ziel 5.3.2,“ (5.3.2 = städtebaulich integrierte Standorte).

Abb. 9: Erreichbarkeit zentral-er Funktionen und Angebote der Daseinsvorsorge

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Fraglich ist, ob die Digitalisierung, also komplementäre digitale Angebote, die regi-onale Daseinsvorsorge stärken können. Dazu muss vorerst das Gefälle zwischen Stadt und Land hinsichtlich der digitalen Infrastruktur überwunden werden. Auf die Gefahr der Schwächung stationärer Angebote durch die fortschreitende Digitalisie-rung muss ein Augenmerk gerichtet werden.

� Handlungsempfehlungen für ländliche Räume- Makroebene

• Politik der dezentralen Konzentration, d.h. Stärken der Klein- und Mittelstädte im ländlichen Raum, vor allem in Regionen mit starken Bevölkerungsverlusten (auch Aufzeigen guter Beispiele, z.B. „Hofheimer Land“),

• leistungsfähige kommunale Finanzen schaffen,

• Zuwanderung als zentraler demografischer Einflussfaktor steuern,

• Behördenverlagerungen oder Verlagerung von Teilen davon,

• Unternehmensdialog mit Hidden Champions und deren Bedürfnissen für Wachstum und Beschäftigung,

• Unternehmensdialog zur Schaffung von Bereitschaft auf der Unternehmenslen-kerseite für verstärkte Telearbeit oder Ansiedlung von Betriebsteilen sowohl in Metropolregionen wie auch in strukturschwachen ländlichen Räumen sowie

• schneller Breitbandausbau und Identifizierung von Hindernissen und Beseitigung dieser Hindernisse.

� Handlungsempfehlungen – Raumordnung

• Zentrale-Orte-Konzepte (ZOK) weiterentwickeln und Bindungswirkung der ZOK stärken,

• politisch bestimmte verbindliche Mindeststandards (noch akzeptables Versor-gungsniveau) festlegen,

• Raumordnungsklauseln (Schulgesetze, Krankenhausgesetze, Straßengesetze, ÖPNV) in ihrer Bindungswirkung erhöhen,

• Innenentwicklung und Nahversorgung sichern,

• verbindlichere Ausweisung von Erreichbarkeitsstandards,

• strategischen Rückbau ergebnisoffen diskutieren,

• Potenziale informeller Instrumente nutzen,

• interkommunale Zusammenarbeit nutzen sowie

• Regionalplanung als Mediator stärken.

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� Reaktion der Bundesregierung

Die Bundesregierung wird zusammen mit den Ländern und den kommunalen Spit-zenverbänden eine Kommission ‚Gleichwertige Lebensverhältnisse‘ einsetzen, die bis 2020 konkrete Vorschläge erarbeitet. Hierbei geht es um alle Aspekte der Daseins-vorsorge genauso wie gezielte Strukturverstärkungen in Ländern und Kommunen.

Im Mittelpunkt steht hierbei auch das bezahlbare Wohnen in den wachsenden Städten und in diesem Kontext die Baulandbereitstellung.

Die Kommission wurde im Juli von dem Bundeskabinett beschlossen.

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Arbeitswelten 2025 – Räumliche, technologische und organisatorische Aspekte

Dr. Stefan Rief

Teamleiter Workspace Innovation Fraunhofer IAO, Stuttgart

Stefan Rief studierte Architektur- und Stadtplanung an der Universität Stuttgart. Dort schrieb er auch seine Doktorarbeit am Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement. Am Fraunhofer IAO leitet er das Competence Center Workspace Innovation. Dort werden die Wirkungen der räumlich-technischen Arbeitsumgebung auf Leistungsfähigkeit, Motivation und Wohlbefinden auf Menschen in Büros erforscht und innovationsförderliche Arbeitsumgebungen entwickelt. Herr Rief ist Autor zahlreicher Studien wie z. B. „Arbeitswelten 4.0“ oder „Faszination Coworking“ und Dozent für Arbeitsgestaltung im Büro an den Universitäten Stuttgart und Hannover.

Kernsätze � In den vergangenen Jahren haben wir bereits eine massive

Veränderung unserer Arbeitswelt erlebt. Mehr und mehr Organisationen gestehen Ihren Mitarbeitern eine höhere Selbstbestimmung über ihre Arbeitszeit, aber vor allem über ihren täglichen Arbeitsort zu. Mitarbeiter können ihr Arbeitsleben individueller und entsprechend ihres Lebensstils gestalten, Organisationen profitieren von einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit, einer höheren Bindung und teilweise sogar von mehr Ideen. Zugleich zeigen Studien aber auch den Wert der räumlichen Zusammenarbeit von Menschen und nicht zuletzt beweisen Coworking-Spaces diesen Zusammenhang. Nach einer Welle der individuellen Flexibilisierung werden wir zukünftig mehr und mehr die bewusste Entsendung von Gruppen in Coworking-Spaces und Innovation LABs erleben – also einen Wechsel zwischen selbstbestimmter, individueller Arbeit und räumlichen Zusammenführungen im Corporate Office oder im Coworking Space erleben.

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Abb. 10: Die Wirkung flexiblen, selbstbestimmten Arbeitens

Ein positiver Zusammenhang besteht insbesondere zwischen flexiblem Arbeiten und den Er-folgsfaktoren Motivation (0,32) und Work-Life-Balance (0,34)

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� Veränderung in der Büro- und Wissensarbeit

Der Vortrag widmet sich den Veränderungen der Arbeitswelten im Zeitraum bis mindestens zum Jahr 2025 und möchte eine gewisse Orientierung für die Entwick-lung des Arbeitslebens bieten.

Im Rahmen der Studie Arbeitswelten 4.0 , die einen Blick auf das Jahr 2030 wirft, wurde den folgenden vier Thesen zur Entwicklung des Arbeitslebens besondere Bedeutung zugeschrieben:

1. Hohe Flexibilität bei der Wahl des täglichen Arbeitsortes (Büro, zu Hause, im Co-Working-Center o. ä.) ist die Regel.

2. Büros haben sich zu [...] Orten maximaler Produktivität entwickelt. Die Förderung von Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden dominiert alle anderen Aspekte [...].

3. Massive Nachfrage nach flexiblen Arbeitsformen zur Betreuung (älterer) Famili-enangehöriger.

4. Nur Unternehmen, die Kreativität […] massiv stimulieren […] sind auf Dauer wirt-schaftlich erfolgreich.

Die Thesen wurden von Experten im Rahmen einer Befragung dahingehend bewertet, ob diese im Jahr 2030 „gelebte Realität“ und nicht nur Randphänomene sind1.

� Die Wirkung der Arbeitsumgebung – von Corporate Offices und Coworking Spaces

Es herrscht zudem ein positiver Zusammenhang zwischen selbstbestimmtem, flexi-blem Arbeiten und den Erfolgsfaktoren Wohlbefinden, Performance, Motivation und Work-Life-Balance. Diese verbessern sich bei einer Zunahme der Arbeitsflexibi-lität. Zudem schenkt der selbstbestimmte, flexible Arbeitnehmer, der die Möglich-keit des Homeoffices hat, dem Arbeitgeber im Schnitt 50% der eingesparten Reise-zeit als zusätzliche Arbeitszeit.

1 Quelle: Arbeitswelten 4.0, Verbundforschungsprojekt Office 21, 2012

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Abb. 11: Effekte flexibler Ar beitsplatznutzung auf Infor-miertheit und Ideenentwick-lung.

13% der Befragten nutzen im Laufe eines Arbeitstages unterschiedliche Arbeitsplätze und beantworten die Aussa-gen „Ich bekommen sehr viele wichtige Dinge von Anderen mit“ und „Bei meiner Arbeit entstehen laufend neue Ideen und Lösungen“ stärker mit „Ja, stimme voll/eher zu“.

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Arbeitnehmer mit einer hohen zeitlichen und räumlichen Flexibilität sind stärker bereit sich zu engagieren, haben mehr Spaß und Wohlbefinden bei der Arbeit und können bei der Arbeit auftretende Belastungen laut eigener Einschätzung sehr gut bewältigen.

Beim Arbeiten an unterschiedlichen Orten zu mehr als 10 % der vereinbarten Arbeitszeit werden verstärkt neue Ideen zurück an den Arbeitsort getragen, was für die Unternehmen eine Motivation dafür ist flexiblere Arbeitsformen einzuführen.

Dabei existieren stark positive Zusammenhänge zwischen der Zufriedenheit mit der Büroumgebung und den Erfolgsfaktoren. Der Arbeitsort hat eine relativ hohe Strahlkraft auf die Zufriedenheit der Arbeitnehmer. Durch die Nutzung unter-schiedlicher Arbeitsplätze (Arbeitsplatz im Unternehmen, Coworking-Arbeitsplatz etc.) entstehen zudem wichtige informelle Kommunikationsbeziehungen; das Zusammentreffen mit unterschiedlichen Menschen bringt mehr Informiertheit und dadurch auch neue Ideen.

Trotz der fortschreitenden Digitalisierung ist insbesondere die persönliche Kommu-nikation von essentieller Bedeutung bei der Generierung von neuen Ideen und Lösungen. Eine kreative Dichte wird besonders im Rahmen von „face-to-face“-Gesprächen erreicht, was sich auch Coworking-Spaces zunutze machen.

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Abb. 12: Persönliche Kom-munikation ist essentiell um neue Ideen und Lösungen zu generieren

Die Befragten, die die These „Ich habe sehr viele ‚face-to-face‘ Gespräche“ mit „Ja, stimme voll zu“ beantworten, generieren die meisten neuen Ideen und Lösungen.

Reflexion im Dialog

Es besteht ein immer stärkerer Zusammenhang zwischen selbstbestimmtem Arbeiten und räumlichen Strukturen: Während die digitale Welt mit einer extremen Verdichtung einhergeht und immer kompakter wird, findet gleichzeitig eine Flexibilisierung der Arbeitswelten statt, um das Wohlbefinden aufrecht erhalten zu können.

Dr. Timo MunzingerReferent für Integrierte Stadtentwicklung, Regional- und Landesplanung,

Raumordnung, Stadtplanung und Städtebau beim Deutschen Städtetag, Köln

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Abb. 13: Corporate Coworking – Innovationsfähigkeit steigern

81 Prozent der Befragten erwarten eine Steigerung der Innovationsfähigkeit ihres Un-ternehmen durch die Nutzung bzw. den Aufbau eines eigenen Coworking Spaces

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� Corporate Coworking – das Beste aus zwei Welten?

In Coworking-Spaces entstehen neue Orte des Arbeitens und ihre Anzahl wächst weltweit. Als Coworking versteht man dabei das flexible Arbeiten weitgehend vonei-nander unabhängiger Wissensarbeiter an einem gemeinsam institutionalisierten Ort. Durch eine große Outsourcing-Welle im IT- und Web-Bereich entstand vor zehn bis zwölf Jahren die Bewegung durch freie Mitarbeiter, die sich zum „nebenei-nander Arbeiten“ getroffen haben. Da es sich um ein hierarchiefreies soziales Netz-werk handelte, boten sich den Beteiligten vielfältige Kooperationsvorteile. Studien zeigten z.B., dass Freelancer aus Coworking-Spaces mehr Umsätze generierten als ihre alleine arbeitenden Kollegen. Doch auch Corporates profitieren von der Arbeit in Coworking- Spaces und machen inzwischen 36 % der Nutzer aus (57% der Nutzer sind Freelancer/Start-ups). Derzeit ist eine Flexibilisierung von Projektgruppen zu beobachten, die neue Arbeitsorte nutzen.

Im Corporate-Coworking-Bereich werden unterschiedliche Modelle angewandt, um die Innovationsfähigkeit der Arbeitnehmer zu steigern. Während große Unter-nehmen eigene Räumlichkeiten zum Coworking anbieten können (Platz 1), werden auch Beteiligungen an Accelerator- oder Incubator-Programmen (Platz 2) und temporäre Anmietungen von Projektflächen (Platz 3) als wichtig angesehen (vgl. Abb. 5). Sogar CoWorkation-Modelle – also das Arbeiten im Urlaubsumfeld – stei-gern die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter. Insbesondere der Anmietung von Projektflächen werden hohe Chancen zugemessen, da sich bei dieser Arbeitsform nachweislich Projektlaufzeiten verkürzen.

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Abb. 14: Corporate Cowork-ing: Projektflächen anmieten - Chancen

Der Anmietung von Projekt-flächen werden hohe Chancen zugemessen.

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Coworking-Spaces werden zudem als Vorbild für Corporate LABs verstanden, in denen Verbindungen zwischen Corporate und einzelnen Entrepreneurs geschaffen werden. Dadurch entstehen neue Räume für Höchstleistung: cognitive und mobile Environments.

Reflexion im Dialog

In der digitalen Welt verschieben sich die Räume und Multifunktionalität gewinnt an Bedeutung. Auch die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen analog und digital verschwimmen. Doch welche Räume braucht man dazu und kann sich diese Hybridisierung auch im ländlichen Raum entfalten? Da Kreativität eine gewisse Dichte erfordert, werden sich diese Tendenzen wahrscheinlich stets in urbanen Räumen verstärken.

Andreas ReiterZukunftsforscher, ZTB Zukunftsbüro, Wien

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� Cognitive und mobile Environments: Arbeitsplätze für Höchst-leistung

Diesen Räumen wird große Bedeutung zugeschrieben, da das physische Zusam-mensein trotz bzw. insbesondere in Zeiten der Digitalisierung als essentiell ange-sehen wird.

Auch die Stadt-/Land-Dynamiken werden sich in diesem Zuge verändern: Smart Cars oder Smart Rooms erlauben es den Nutzern beispielsweise Zeit effektiver zu nutzen und zu optimieren.

Durch cognitive Environments werden Arbeitsbedingungen und das Arbeitsumfeld mithilfe diverser Systeme und smart Devices optimiert, bspw. durch die Mimikana-lyse per Webcam oder Temperaturregelung im Raum. Gleichzeitig können diese Entwicklungen auch in die Gebäude selbst integriert werden, bspw. durch integ-rierte Sensoren zur Bereitstellung der richtigen Arbeitsumgebung oder durch den Roboter als Nachtwächter (vgl. The Edge, Amsterdam; 28.000 Sensoren dienen der Erfassung und Steuerung von Anwesenheit, Beleuchtung, Luftfeuchte und Raum-temperatur). Weitere Gebäude verwenden „predictive Analytics“, um die Leis-tungen am Arbeitsplatz durch die bewusste Stimulierung durch psychische Prozesse im Gehirn zu steigern.

Im Rahmen der Studie Arbeitswelten 4.0 stimmte ein Großteil der befragten Experten den folgenden Thesen zur Entwicklung der Arbeitswelten bis zum Jahr 2030 zu:

1. »Kreative und komplexe Zusammenhänge visualisieren und bearbeiten wir an großformatigen, interaktiven Oberflächen«: Zustimmung 93%.

2. »SmartRooms: Umgebung stellt sich sensor-gesteuert auf die persönliche Arbeitssituation und Stimmung ein (Beleuchtung, Klima, Telefonie, usw.)«: Zustim-mung 57%.

3. »Über eine digitale Aura […] interagieren wir mit unserer vernetzten Umgebung«: Zustimmung 70%.

4. »Selbststeuernde Automobile erlauben es uns während der Fahrt andere Dinge zu erledigen«: Zustimmung 42%.

Diese Zukunft beginnt schon jetzt – Arbeiten in autonom fahrenden Automobilen befindet sich bereits in der Entwicklung. Die neue Funktion von Autos als Meeting- und Rückzugsräume wird ihrerseits wiederum auch einen Einfluss auf die zukünftige Wahl von Wohn- und Bürostandorten haben.

� Fazit – Arbeitswelten 2025plus

1. Flexibles, autonomes Arbeiten wirkt auf zahlreiche Erfolgsfaktoren wie Ideenent-wicklung, Motivation oder Wohlbefinden stark positiv.

2. Der physische Arbeitsort und Arbeitsraum sind auch in Zukunft essentiell für Motivation, Leistung, Kreativität und Wohlbefinden.

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3. Digitalisierung und die Automatisierung (KI) von Büro- und Wissensarbeit wird Arbeit radikal verändern und erfordert mehr Kreativität und Innovationskraft.

4. Heute bewegt uns das flexible Arbeiten des Individuums, zukünftig werden wir eine räumliche und zeitliche Flexibilisierung von Gruppen erleben.

5. Coworking Spaces und Innovationslabore sind Katalysatoren für eine neue Inno-vationskultur – auch der Kooperationen über die Organisationsgrenzen hinweg.

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Nutzungsmischung im Bestand – Multifunktionale Gebäude als Ergebnis rascher Nutzungszyklen

Dr. Sebastiaan Gerards Vorstandsreferent Landmarken AG, Aachen

Dr. Sebastiaan Gerards ist seit Ende 2016 als Vorstandsreferent bei der Landmarken AG in Aachen tätig. Hier unterstützt er Vorstand Norbert Hermanns in der täglichen Vorstandsarbeit und bei unternehmensstrategischen Zukunftsthemen wie „Büro der Zukunft“, „Zwischennutzung“ und „Co-Kultur“. Der gebürtige Flame hat im belgischen Hasselt Architektur studiert und dort auch seinen Master gemacht. An der niederländischen Universität Maastricht setzte er noch einen zweiten Master-Abschluss in „Arts & Heritage“ drauf, ehe er für vier Jahre nach Hasselt zurückkehrte, um zum Thema Generationenwohnen in Bestandsgebäuden zu promovieren.

Thesen im Überblick � Die Bürger und Gäste unserer Städte suchen nach neuen Erfahrungen.

Großräumige und kleinräumige Nutzungsmischungen sorgen für die notwendige Abwechslung und beleben unsere Innenstädte. Die fortschreitende Digitalisierung ist dabei eine Chance, Menschen in die Städte zu bringen und Ihnen dort maßgeschneiderte Erlebnisse zu bieten. Ein gutes Beispiel, für eine erfolgreiche und lebendige Nutzungsmischung im Bestand, ist die Revitalisierung der ehemaligen St. Elisabeth Kirche in Aachen. Durch eine Kombination von Co-Working und Event-Space, wurde die alte Kirche zu einem Leuchtturmprojekt und Ort der Begegnung.

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� Die Landmarken AG

Die Landmarken AG ist ein Unternehmen aus Aachen mit ca. 30 Jahren Entwicklungserfahrungen, in denen 90 unterschiedliche Projekte an 18 verschiedenen Standorten realisiert wurden. Derzeit hat die Landmarken AG 70 interdisziplinär ausgerichtete Mitarbeiter.

Mit einem breiten Leistungsspektrum in allen Asset-Bereichen setzt die Landmarken AG auf bereichsübergreifendes Arbeiten. Der Schwerpunkt liegt deshalb auf der Entwicklung von gemischt genutzten Immobilien. Anhand von zwei Beispielen sollen Entwicklungsansätze und Vorgehensweisen skizziert werden.

� Beispiel 1: St. Elisabeth Kirche in Aachen // Digital Church

2016 wurde die St. Elisabeth Kirche von der Landmarken AG auf Grundlage eines eingereichten Nutzungskonzeptes erworben. Im gleichen Jahr wurde die Kirche entwidmet, sie stand damit für eine Ansiedlung von neuen Nutzungen offen.

Die Kirche liegt im Aachener Norden, ca. 15 Gehminuten von der Innenstadt entfernt.

In einem ersten Schritt wurde durch die Landmarken AG ein World Café mit allen Parteien und Akteuren, die involviert waren bzw. sein sollten, veranstaltet. Dabei ging es um den Austausch unterschiedlicher Sichtweisen, angefangen vom Stadtmarketing über den Pfarrer der Gemeinde sowie die Stadtverwaltung bis hin zu Jugendlichen, die dort konfirmiert wurden und deshalb eine Verbundenheit zum Ort aufwiesen. Das Gespräch und Brainstorming an verschiedenen Tischen zu verschiedenen Themen wie Funktion, Nutzungsoptionen etc. sowie die Vorstellung und Diskussion der Ideen der Architekten bildeten einen wesentlichen Erfolgsfaktor der Entwicklungen.

Erfolg und Mehrwert sieht die Landmarken AG in der Asset-Klassen-übergreifenden Entwicklung von gemischt genutzten Immobilien

Abb. 15: St. Elisabeth Kirche von obenFoto Ralf Esser

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Aufgrund der Vielfältigkeit der Ergebnisse war ein flexibles Vorgehen bei der Entwicklung wichtig. Ziel war es möglichst unterschiedliche Nutzungsoptionen zu ermöglichen und nicht frühzeitig bestimmte Nutzungsarten auszuschließen. Gefragt war deshalb eine Architektur, die Veränderung zulässt.

Mit dem Digital Hub Aachen konnte ein Hauptmieter gefunden werden, dem die flexible Gestaltung und Nutzung der Räumlichkeiten entgegenkam. Gemeinsam hat das Aachener Digitalisierungszentrum mit der Landmarken AG einen Co-Working-Space entwickelt.

In Vorbereitung auf die Umnutzung wurde eine Fußbodenheizung eingebaut und die Akustik optimiert. Die Ausstattung der Räumlichkeiten für die Büronutzung erfolgt in Form von Kuben, die jederzeit herausgenommen werden können und somit eine flexible Nutzung ermöglichen.

Als Ort der Erinnerung hat die Kirche zudem eine wichtige Bedeutung für die Bevölkerung. Deshalb sollte kein exklusiver Ort, sondern eine offene Begegnungsstätte für alle Aachener entstehen. Nach Feierabend und in Absprache mit dem Hauptmieter kann die Kirche für private und öffentliche Veranstaltungen sowie Tagungen genutzt werden. Die Landmarken AG übernimmt hier – neben ihrer Projektentwicklerrolle - die Funktion eines Eventmanagers und vermittelt die Veranstaltungen.

Abb. 16: Graphic Recording

Die Ergebnisse des World Cafés wurden mittels Graphic Recording festgehalten und stellen auch im Nachhinein die Nutzungsüberlegungen transparent dar.

Reflexion im Dialog

Erfolgreich sind heute vor allem Projektentwicklungen, wenn diese in einem Prozess der Co-Creation entstehen. Die Organisation mit dem bereichsübergreifenden Team der Landmarken AG und die Durchführung eines Worldcafés zur Integration der Visionen der möglichen Nutzer zeigen diesbezüglich einen beispielhaften Weg auf.

Andreas ReiterZukunftsforscher, ZTB Zukunftsbüro, Wien

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Abb. 17-18-19: Nutzung der St. Elisabeth Kirche als Co-Work-ing-Space und Veranstaltungs-location.Foto oben rechts: Landmarken AGFotos oben links und unten: Carl Brunn

Reflexion im Dialog

Der Wandel in der Gesellschaft und Arbeitswelt erfordert heute neue Geschäftsmodelle. Die Umnutzung der St. Elisabeth Kirche ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich unterschiedliche Nutzungen einen Ort erfolgreich teilen können.

Dr. Timo MunzingerReferent für Integrierte Stadtentwicklung, Regional- und Landesplanung,

Raumordnung, Stadtplanung und Städtebau beim Deutschen Städtetag, Köln

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� Beispiel 2: Lust 4 life

Die Landmarken AG hat das ehemalige Horten Kaufhaus in der Innenstadt von Aachen mit einer Nutzfläche von ca. 20.000 qm vor einigen Jahren gekauft. Beim Erwerb stand bereits fest, dass der Mietvertrag für das Kaufhof-Konzept „Lust 4 life“ 2018 ausläuft. Somit hatte die Landmarken AG bei gleichzeitigem cash flow ausreichend Zeit, um Ideen für den zukünftigen Umbau und die weitere Nutzung der Immobilien zu entwickeln.

Mit der Durchführung eines World Cafés wurde eine vergleichbare Vorgehensweise zur Ideengenerierung wie bei der Umnutzung der St. Elisabeth Kirche gewählt.

Die derzeitigen Überlegungen zum Refurbishment der Immobilie sehen folgende Nutzungen vor:

• Im EG-Bereich soll ein Markt bzw. eine Markthalle angesiedelt werden, die entweder von einer Tochtergesellschaft der Landmarken AG selber betrieben wird oder für die ein externer Betreiber gefunden werden soll. Die Markthalle wird zu den Straßen geöffnet und als Ort der Begegnung, wie man es von klassischen Markthallen kennt, ausgeprägt.

• In der ersten bis dritten Etage werden „Office Spaces“ für unterschiedliche Nutzergruppen und Ansprüche kreiert, die den Anforderungen der neuen Kultur der Arbeit entsprechen sollen.

• Im oberen Bereich des Gebäudes soll mittels Gastronomie und einem Terrassenbereich einerseits Aufenthaltsqualität geschaffen, andererseits der Dialog zu den unteren Nutzungen hergestellt werden. Der Ausblick von oben über die Aachener Innenstadt und den Dom ist einmalig und in fast keiner anderen Immobilie im Umfeld so erlebbar. Auf diese Weise kann ein ganz besonderer Mehrwert für die Aachener Bewohner und Gäste entstehen.

Das entwickelte Konzept ermöglicht einen Erhalt der baulichen Struktur. Zugleich

Abb. 20: Ehemaliges Horten-Kaufhaus in der Aachener InnenstadtFoto: Herr Hermann

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ist aber auch eine Erweiterung ist denkbar, wenn auch mit verschiedenen Herausforderungen, wie z.B. baurechtliche Genehmigungsanforderungen, verbunden. Entscheidend ist der notwendige Impuls, der von dem Projekt für die Entwicklung der Innenstadt an diesem Standort - neben dem Rotlichtviertel – ausgehen kann.

Bei der Umsetzung der Entwicklungsüberlegungen geht es vor allem darum, die unterschiedlichen Zielgruppen in einem breiten Spektrum für dieses Konzept zu begeistern: Die Aachener Bevölkerung aller Altersgruppen und Familienkonstellationen, Start-Up- oder Bestandsunternehmen aus dem Mittelastand, Tages-, Freizeit- oder Business-Touristen.

� Breites Zielgruppenspektrum für das Projekt

Als Zielgruppen werden auf der einen Seite „Standardmieter“ bedient und u.a. Coworking-Spaces geschaffen. Die Landmarken AG selber wird dort einen eigenen Space mit ca. 50 Arbeitsplätzen für ca. 70 Mitarbeiter verwirklichen und weitere 30 Arbeitsplätze für Start up-Unternehmen zur Verwirklichung von neuen Ideen und Produkten zur Verfügung stellen. Gleichzeitig soll ein Ort in der Studenten-stadt Aachen geschaffen werden, an dem Studierende verweilen, essen und die Start up-Unternehmen kennenlernen können. Für die Touristen kann ein Mehrwert geschaffen werden, indem in der Markthalle die berühmten Aachener Printen zum Kauf angeboten werden und eine gläserne Produktion Einblicke in ihre Herstellung bietet.

Das Projekt geht einher mit einer neuen Kultur des Arbeitens und Lebens, einer neuen „Urban Culture“, die Kreativität, Qualität und Genuss miteinander verbindet. Diese Entwicklungen mit zu gestalten und zu beobachten bietet aus Sicht der Land-marken AG auch für einen Projektentwickler einen absoluten Mehrwert.

� Fazit

Die Verwirklichung von Projekten im urbanen Raum ist besonders spannend: Bei den beiden vorgestellten Projekten handelt es sich um Entwicklungen im Bestand und damit letztlich um die Kunst des „Nichtbauens“ als vielleicht nachhaltigste Art

Abb. 21: Ideenskizze für die Nutzung des ehemaligen Horten-Kaufhauses

Entwicklung von Bestandsim-mobilien sind nachhaltig und bergen hohes Markenpotenzial

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Erfolgsfaktor ist die frühzeitige Einbeziehung der Kunden und Nutzer

Projektentwicklungen benöti-gen flexibles Agieren

des Bauens. Von den Bestandsstrukturen inspiriert werden bekannte Orte wiederbe-lebt, was auch für die Vermarktung einen guten Ansatz bildet.

Der Landmarken AG geht es als Entwickler nicht um die Umsetzung einer vorher definierten Nutzungsmischung. Vielmehr ist es wichtig, von Anfang an potentielle Zielgruppen (Nutzer und potentielle Mieter) in den Dialog einzubeziehen und für die unterschiedlichen Ansprüche passgenaue Konzepte zu entwickeln.

Projektentwicklungen bedürfen heute einer flexiblen Denkweise. Es geht nicht um den Abschluss starrer Mietverträge, sondern vielmehr um das Ausprobieren und Zulassen kurzfristiger Nutzungen, um am Ende ein Erfolgsmodell zu schaffen, welches langfristig nachhaltig ist und bei dem die Beteiligten voneinander lernen.

Reflexion im Dialog

Die flexible Nutzung von Gebäuden hat mit zentralen Fragestellungen zu tun: Wie machen wir aus Nicht-Orten Orte und wie stärken wir bestehende Orte? Welche Orte der Erinnerung haben wir? Neben Kirchen sind das z.B. Fabriken, also haptische, analoge Orte, die in unserem digitalen Zeitalter Andockpunkte bilden, um Erinnerungen zu generieren.

Die multifunktionalen Orte gruppieren sich in der Regel um diese analogen Feuerstellen und bilden gemeinsam mit den haptischen Elementen, wie dem gemeinsamen Essen, letztlich – anthropologisch gesehen – einen Backslash fast schon in die vorindustrielle Zeit in der Höhle ...

Andreas ReiterZukunftsforscher, ZTB Zukunftsbüro, Wien

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Inwertsetzung ländlicher Räume - Telearbeit/ Co-Working in der Dorfmitte

Christian Mainka Senior Projektleiter City & Bits GmbH, Berlin

Seit rund 20 Jahren arbeitet Christian Mainka in den Bereichen IT, Consulting und Projektmanagement und seit 11 Jahren in den Themenfeldern Regional- und Fördermittelmanagement. Mit innovativen Lösungen und Projekten setzt er sich für die digitale Transformation von Stadt und Land ein. Studiert hat Christian Mainka Regional- und Public Management und war unter anderem im Deutschen Bundestag und in der Gemeinde Wennigsen tätig. Seit Anfang des Jahres 2018 arbeitet er als Senior Consultant bei City & Bits und betreut Kommunen in der Entwicklung und Umsetzung von Digitalisierungsstrategien (Smart Country, Smart City).

Thesen im Überblick � Der Konzentration des Handels auf die Grund- und Mittelzentren

müssen die Kommunen mit intelligenten und digitalen Lösungen begegnen, um den Downgrading-Prozess zu stoppen.

� Co-Working Spaces in der Dorfmitte nutzen leerstehende Geschäftsimmobilien und holen die Frequenz zurück ins Zentrum.

� Sie ermöglichen smarte neue Formen des digitalen Arbeitens im Lebensumfeld der Menschen, reduzieren Pendlerströme und ermöglichen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

� Unternehmen profitieren von dieser Lösung, da sie den Fachkräften Arbeitswege ersparen und einen Arbeitsplatz vor Ort beim Mitarbeiter ermöglichen sowie Kosten für teure Immobilien in Großstadtlagen reduzieren.

� Co-Working Spaces sollen sich vor Ort mit anderen Dienstleistern und Händlern vernetzen und so die lokalen Wertschöpfungsketten stärken.

� Kurzum: Leben und Arbeiten an einem Ort bedeutet die Stärkung des Dorfes.

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� Co-Working im ländlichen Raum

Das Thema „Co-Working“ ist ein gängiges Modell für Großstädte, im ländlichen Raum finden sich bisher jedoch nur sehr wenige Beispiele für diese Form der (Zusammen)Arbeit.

In Wennigsen wurde versucht dieses Thema auf den ländlichen Raum zu über-tragen, nicht weil es besonders „fancy“ ist, sondern weil es konkrete Herausforde-rungen des ländlichen Raums zu lösen galt. Herr Mainka arbeitete neun Jahre lang bis Anfang 2018 im Amt des Wirtschaftsförderers für die Gemeinde Wennigsen.

Wennigsen liegt 20 km südlich von Hannover; ein Grundzentrum mit 15.000 Einwoh-nern, in unmittelbarer Nähe der Mittelzentren Barsinghausen und Springe. Trotz der relativ geringen Entfernung zur Landeshauptstadt Hannover weist Wennigsen massive Probleme mit dem Infrastrukturwandel, mit dem Mobilitätswandel, mit dem demografischen Wandel u. ä. auf.

Klassische Co-Working-Modelle spiegeln das moderne digitale Arbeiten der digi-talen Nomaden, die an Mobilitätskontenpunkten bzw. Hubs gebündelt werden, wider. Co-Working-Spaces bieten jedem die Möglichkeit nach seinen zeitlichen und terminlichen Anforderungen kurzfristig oder auch für einen längeren Zeitraum einen Arbeitsplatz anzumieten.

Denkt man an eine Übertragung auf den ländlichen Raum ergeben sich vollkommen unterschiedliche Ausgangssituationen. Hier gibt es keine jungen Hipsters, IT-affine Nerds oder hippen Start-ups, sondern eher das klassischere Bild der berufstätigen Frau mit Kind und Ehemann, die nur im Ausnahmefall über eine gemeinsame befrie-digende Arbeitssituation verfügen.

Zur Entwicklung der „Gemeinde 5.0“ haben die drei Gemeinden Wenningsen, Barsinghausen und Springe ein Projekt ins Leben gerufen, welches von der Spar-kasse Hannover, dem Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband sowie dem Bund als Modellprojekt gefördert wurde.

Abb. 22: Be spoke, San Francisco

Abb. 23: Betahaus Berlin

Abb. 24: Familienmodell

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� Zukünftige kommunale Herausforderungen

In Wennigsen wurden im Rahmen des Projekts verschiedene, wichtige Zukunfts-themen als Ausgangsszenario herausgearbeitet. Dazu gehörten folgende Themen, die in den kommenden Jahren bearbeitet werden sollen:

• Versorgung mit Lebensmitteln,

• Lebenslanges Lernen,

• Freizeit und Ehrenamt,

• Pendeln vermeiden,

• Multifunktionshäuser bauen und

• Pflege.

� Herausforderungen des Wandels von Wirtschaft und Gesell-schaft

Als wichtiges Thema – auch in Bezug auf die Co-Working Spaces – wurde der Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft näher betrachtet. So geht der demografische Wandel mit einem Strukturwandel der Wirtschaft einher. Die Herausforderungen werden immer komplexer und schwieriger. Eine Steuerung der Entwicklung über die kommunalen Hebesätze ist nur bedingt zielführend, vielmehr ist die Förderung von weichen Standortfaktoren bedeutsam.

Andere Bedürfnisse, wie Pflege, Service, Teilhabe oder Kommunikation, treten in den Vordergrund. Durch eine Konzentration der Dienstleistungen, Akteure etc. auf die Grund- und Mittelzentren ist ein Wandel in der Daseinsvorsorgeinfrastruktur zu verzeichnen. Die Ursachen sind in der höheren Mobilität von Personen und Gütern (Bildung von Hubs), im härteren Wettbewerb der Händler und in der politischen Fehlsteuerung durch Ausweisung von Flächen auf der sogenannten Grünen Wiese zu suchen.

Durch den weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen steigt wiederum die Mobilität; die (Innen)Städte haben mit zunehmenden Leerständen aufgrund der fehlenden Frequenz zu kämpfen, im Ergebnis gehen inhabergeführte Geschäfte

Abb. 25: Zukünftige kommu-nale Herausforderungen

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verloren und der sog. Trading down-Prozess in der Innenentwicklung tritt ein.

In Wennigsen konnten diese Fehlentwicklung durch gezielte Innenentwicklung, Änderung von Bebauungsplänen etc. vermieden werden. So gibt es keine Leer-stände, sondern sogar eine Nachfrage nach Gewerberäumen.

Der Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft beinhaltet auch ein neues Verständnis und einen veränderten Stellenwert für die Arbeit an sich. Damit verbunden sind neue Möglichkeiten des Arbeitens und der Freizeitgestaltung, die sich zunehmend auch miteinander vermischen, wie die oben aufgezeigten Beispiele der Co-Working Spaces erahnen lassen. Die Frage ist, wie der Trend zur Vermischung von Arbeiten und Freizeit – auch im ländlichen Raum – aufgenommen und genutzt werden kann.

Wichtigste Voraussetzung für die Etablierung eines neuen Arbeitens in den Grund-zentren und kleineren Gemeinden ist die flächendeckende Ausstattung mit Breit-band-Internet, die ein ortsunabhängiges Arbeiten überhaupt erst ermöglicht und mittlerweile nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Berufstätige und Pendler, ein entscheidender Standortfaktor geworden ist.

Die digitalen Instrumente für die ortsunabhängige Zusammenarbeit stehen bereits zur Verfügung (z.B. Collaborations-Software Slack, Trello, Office 365, G Suite, Skype). Ein gemeinsamer Arbeitsort ist schon lange nicht mehr erforderlich, um an einem gemeinsamen Projekt zu arbeiten. So entstehen heute Heimarbeitsplätze, Co-Working Spaces oder Maker-Spaces.

In Wennigsen und den Nachbarkommunen sollten die Ziel- und Nutzungskonflikte von Kommunen in Agglomerationsräumen bzgl. des erhöhten Siedlungs- und Flächendrucks und der steigenden Erwartungshaltung der auf das Land ziehenden Städter (z.B. bei der Versorgung mit Glasfaser) gelöst werden.

Abb. 26: Ziel- und Nutzungs-konflikte

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� Mobilität vs. Digitalität

Dabei wurde in einem Tagesworkshop mit Wirtschaftsvertretern, Experten, Unter-nehmern, Ehrenamtlichen, Vereinsvertretern und anderen externen und internen Akteuren ein Problemfeld „Mobilität vs. Digitalität“ herausgearbeitet und näher betrachtet.

In Wennigsen und den Nachbarkommunen gibt es eine sehr hohe Pendlerquote (bis zu 86% der Beschäftigten). Das Pendeln hat negative Auswirkungen auf Umwelt, Infrastruktur Lebenshaltungskosten und vor allem Lebensqualität. Insofern kann das Zusammenführen von Wohnen und Arbeiten am Ort in Verbindung mit dem Thema „Digitalisierung“ – z.B. mit dem Modell der Co-Working Spaces – ein Ansatz zur Verbesserung mit vielfältigen positiven Auswirkungen sein:

• Verbesserung des Klimaschutzes und Einsparung von Kosten durch Redu-zierung der Mobilität,

• Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, alles an einem Ort (Kita, Schule, Wohnung, Arbeitsplatz),

• Stärkung des Wirtschaftsstandorts durch Reduzierung von Leerständen in der (Innen)Stadt und Schaffung eines Frequenzbringers in der Innenstadt,

• Stärkung der lokalen Wertschöpfungsketten (z.B. Mittagsimbiss bei lokalen Anbietern),

• Minimierung der Landflucht durch Schaffung lebendiger und attraktiver Orte,

• Kompensation des Fachkräftemangels durch Schaffung attraktiver Ar-beitsplätze vor Ort.

Die Zielgruppen eines Co-Working Spaces im ländlichen Raum sind Pendler, Sach-bearbeiter, Selbständige, Kreative, Dienstleister, Akteure aus Verbänden und Vereinen, Handwerker oder Versicherungsvertreter, die temporäre ein Büro benö-tigen.

Abb. 27: Mobilität vs. Digi-talität

Die Umsetzung eines Co-Working Spaces oder ähnlichen Modells im ländlichen Raum ist ausgesprochen komplex.

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� Konzepte für Co-Working in Wennigsen und Umgebung

In der Region mit knapp 100.000 Einwohnern leben ca. 12.200 Pendler nach Hannover. Für die Nutzung eines Co-Working-ähnlichen Modells wurde ca. 1 % der Pendler als Marktannahme getroffen, was 122 Pendlern als Zielgröße täglich entspricht.

Aufgrund der Annahme wurden zwei grundsätzliche Geschäftskonzepte herausge-arbeitet:

1. als eigenständiges Modell bzw.

2. als Ergänzung oder Unterstützung zu bestehenden Einrichtungen.

Dazu wurden verschiedene Produkte bzw. Bausteine, die miteinander verknüpft werden können, überlegt:

MietBÜRO

• Klassisches Co-Working-Konzept

• Stunden- oder tageweise Nutzung/Buchung

RegioBÜRO

• Dezentrale Telearbeitsplätze

• Deckung der Fixkosten durch langfristige Verträge

• Unternehmen können sich fest einbuchen

Abb. 28: Überlegungen zur Produktentwicklung

Eine Bespielung 24/7 erschließt viele unterschiedliche Zielgrup-pen aus dem Ort.

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PaketRAUM

• Kooperierende Paketdienste

• Abholstation

RegioDEPOT

• Handel für regionale Produkte

TreffPUNKT

• Versammlungsraum für Vereine, Verbände, Gruppen

Bei der Umsetzung vor Ort wurde der Fokus klar auf Verbundstandorte gelegt. Der Standort sollte hinsichtlich der vorhandenen Frequenz und den Angeboten im Umfeld sowie der verkehrlichen Erreichbarkeit gewisse Qualitäten und Potentiale aufweisen.

Bei der Standortsuche erfolgte daher eine Konzentration auf Mobilitätsknoten-punkte sowie leerstehende Handelsimmobilien, da diese sowohl Barrierefreiheit als auch eine Zentrumsnähe bieten. Auch vermutete man bei den Eigentümern dieser Immobilien ein zur Umsetzung erforderliches Investitionskapitel.

� Standorte für die Co-Working-Projekte

Zur Sondierung von potenziellen Standorten wurden vorerst Standorte nach verschiedenen Kriterien zusammengetragen und in Standortanalysen sowie Work-shops mit der Bevölkerung und potentiellen Zielgruppen näher betrachtet. Im Ergebnis wurden drei Standorte für Co-Working Spaces in drei unterschiedlichen Kommunen sondiert.

1.) Leerstehender, ehemaliger Drogeriemarkt in der Stadt Gehrden; in der Fußgängerzone gelegen; ca. 300 m² mit Café und Besprechungsräumen (ca. 12 Ar beitsplätze)

2.) Ehemaliger Bahnhof in Bennigsen mit Jugendclub, Bücherei, Polizeistation; zentral gelegen mit ÖPNV, Gastronomie, Supermarkt, Bäcker in der Nähe; ca. 100m² Flächenpotential

3.) Ehemaliger Siloturm in Wennigsen; Planung Neubau mit 63 Arbe-itsplätzen, Fokus auf kleine Büros (Fertigstellung 2020); Flexible Innenge-staltung, dadurch später auch umnutzbar für Ärzte, Dienstleister etc.

Das Projekt in Gehrden ist leider gescheitert, da der Betreiber einen Rückzieher gemacht hat. Die Betreibersituation insgesamt für die drei Standorte ist noch offen. Klar ist allerdings, dass nur eine Betreibung im Verbund aller drei Standorte sinnvoll ist.

Für den Standort in Wennigsen wurden Fördermittel in Höhe von 200.000 Euro aus dem ZILE-Programm Niedersachsen als Anschubfinanzierung bewilligt. Zusätzlich läuft ein umfassender Förderantrag beim Bundeslandwirtschaftsministerium im Programm „Land.Digital“ zur weiteren Investitions- und auch späteren Person-alkostenunterstützung.

Bei den Kriterien für die Stan-dortsuche spielte Zentralität eine entscheidende Rolle.

Abb. 29: Leerstehender, ehe-maliger Drogeriemarkt in der Stadt Gehrden

Abb. 30: Ehemaliger Bahnhof in Bennigsen

Abb. 31: Ehemaliger Siloturm in Wennigsen

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� Ausblick

Werden diese beiden Standorte zur Umsetzungsreife gebracht, sollen die Konzepte weiter ausgebaut werden. So können im Sinne der Wirtschaftsförderung lokale Wertschöpfungsketten und Netzwerke ausgebaut werden. Weitere Angebote, Dienstleister oder Nutzerstrukturen, wie z.B. Bäcker, Caterer oder RegioDEPOT (Paketzusteller), könnten als Kooperationspartner gewonnen werden, um gegen-seitig von Frequenzen zu profitieren. Auch die Verbindung mit öffentlichen Infra-strukturen (Kita, Grundschule, Gemeinschaftshäuser, Rathaus) soll geprüft werden. Die Öffnung der Räume für Dritte (Vereine, Verbände, Ehrenamt) kann die Auslas-tung (und damit die Wirtschaftlichkeit) des Standortes erhöhen.

Aus dem Bundesprogramm „Land.Digital“ wurde ein ähnliches Projekt in Ühlingen im Schwarzwald gefördert. Das Projekt ist „online“ gegangen und hat in kürzester Zeit eine enorm hohe Nachfrage erzeugt, obwohl auch hier die Skepsis in der Konzeptionsphase auf Seiten der verschiedenen Akteure sehr hoch war.

Website: grosse-emma.de/uehlingen

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Die Rolle der Kreativwirtschaft bei der Funk-tionsstärkung der Innenstädte

Claudia Muntschick Ansprechpartnerin Ostsachsen Kreatives Sachsen - Sächsisches Zentrum für

Kultur- und Kreativwirtschaft, Dresden

• 2002 Diplom-Ingenieurin für Architektur, HTW Dresden,

• seit 2004 Freie Architektin,

• 2009 Master of Science für Denkmalpflege und Stadtentwicklung, TU Dresden

Schwerpunkt der praktischen Arbeit als Freie Architektin:

• Industriebrachenrevitalisierung für Akteure der Kreativwirtschaft (letztes Projekt: Kühlhaus Görlitz, www.kuehlhaus-goerlitz.de).

• Seit 2011 Architekturvermittlung an Schüler im Auftrag der „Stiftung Sächsischer Architekten“ (www.bauexpedition.de).

• Seit 2012 Projektleiterin für das EU-Projekt „TOPOMOMO – Topographie der Bauten der Moderne“ bei der Stiftung Haus Schminke, Löbau (www.topomomo.eu).

• Seit 2012 Mitbegründerin und Vorstand von „Wir gestalten Dresden“, dem Wirtschaftsverband der Dresdner Kultur- und Kreativwirtschaft.

• Seit Januar 2015 Geschäftsführender Vorstand Stiftung Haus Schminke in Löbau.

• Seit Mai 2017 Ansprechpartnerin Ostsachsen für „Kreatives Sachsen“, das Sächsische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft

Thesen im Überblick � „Die Existenz kleiner Betriebe und kreativer Bewohner ist für

Städte immer essentiell gewesen und hat in ihrer Historie für belebte und funktionierende Strukturen gesorgt. Durch die Verbindung von Wohnen, Arbeiten und Freizeit entstehen durch die Ansiedlung von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft neue urbane Zentren. Mit motivierten Projekten und innovativen Unternehmen stärken sie sowohl regionale Wertschöpfungsketten als auch weiche Standortfaktoren.

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� Ausgangsbasis

• Der Anteil der Dienstleistungen ist bzgl. der Gesamtentwicklung der Wirtschaftsbranchen stetig gewachsen, während der Anteil des produzierenden Gewerbes, für das i.d.R. Wirtschaftsfördermittel zur Verfügung stehen, stetig zurückging.

• Kaufverhalten im Wandel führt zu Leerständen in innerstädtischen Lagen.

• (Inner)Städtische Industriebrachen, vielfach in Sachsen aufgrund der diversen Industriegeschichte vorhanden, tragen zu Imageverlusten der Städte bei.

• Sachsen hat seit den 1950er Jahren an Bevölkerung verloren. Allerdings leben dort immer noch mehr als 4 Mio. Menschen. Apokalyptische Bevölkerungsprog-nosen, v.a. aufgrund von verzerrten Darstellungen, führen nur zu weiteren Ima-geverlusten und Abwanderungen der jüngeren Bevölkerungsgruppen. Derzeit ist zudem wieder ein leichtes Bevölkerungswachstum festzustellen.

• Die Innenstädte sind durch die Sanierungen in den letzten Jahrzehnten baulich sehr gut aufgestellt. Städte, die auf die Förderung weicher Standortvorteile setzen, profitieren von den leichten Bevölkerungszunahmen.

• Ein Wandel hinsichtlich der Nutzungsstrukturen gab es schon immer. So wurden in der Gründerzeit z.B. dörfliche Strukturen überformt und existierten in einer hohen Dichte nebeneinander. Die Prager Straße in Dresden wurde in den 1960er Jahren nach den Grundsätzen der Charta von Athen komplett umgebaut. Heute wird versucht, die großzügigen Räume mit kleinmaßstäbigen Ansätzen umzug-estalten.

• Der Handel heute funktioniert gerade in ausgewählten Lagen, die z.B. gestalt-erisch hochwertig sind, wie Passagen, die es in den größeren Städten in Sachsen gibt, und die ein ausgewähltes Sortiment bereithalten.

� Kreativwirtschaft als Gestalter

Lagen oder Räume, die vom Handel nicht mehr genutzt werden, werden gern von Kreativen angenommen und genutzt.

Die Kreativen nutzen das was da ist. Ihnen geht es nicht um große Investitionen, sondern um Möglichkeitsräume.

Erste „richtige“ Zwischennutzungsprojekte waren i.d.R. künstlerische Projekte. In Halle wurde bspw. von Studierenden der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in der Weihnachtszeit eine Galerie eröffnet. Das Projekt hat über die Jahre überregi-onale und sogar internationale Bekanntheit errunen. Mittlerweile kann das Projekt nicht mehr im Ehrenamt gestemmt werden, so dass die Stadt Halle prüft, ob dieses Image-Projekt über öffentliche Mittel unterstützt werden kann.

Buchempfehlung: T. Etzemül-ler „Ein ewig währender Un-tergang“ - Der apokalyptische Bevölkerungsdiskurs im 20. Jahrhundert

Abb. 32: Nutzung der Fenster als Plakatwand für einen Club

Abb. 33: Galerie Rauschicker-mann, Halle, Foto: Rebekka Rauschhardt

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In der Dresdener Centrum Galerie hatte der Centermanager im Eingangsbereich als Frequenzbringer den HY! Pop-up-Store installiert. HY! - ein kreatives Kollektiv von Agenturen aus Dresden – präsentierte teils unentdeckte und lokale Marken auf einer prominenten Fläche im Center.

In Görlitz gründete sich der KoLABORacja e.V., der einen Raum für gemeinschaft-liches Arbeiten in einem ehemaligen Ladenlokal betreibt. Nicht nur die günstige Miete, sondern vor allem der vorhandene Internetanschluss führte schnell zu einer hohen Auslastung. Heute hat sich der Co-Working-Space als Ort des Austauschs etabliert.

� Ein wirtschaftlicher Blick in die Branche Kultur- und Kreativ-wirtschaft

„Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Kultur- und Kreativunter-nehmen erfasst, welche überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Schaffung, Produktion, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kulturellen/ kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen [...]. Der wirtschaftlich verbindende Kern jeder kultur- und kreativ- wirtschaftlichen Aktivität ist der soge-nannte schöpferische Akt [...].“

Teilbranchen der Kreativwirtschaft

Kunsthandwerk wurde bei der Branchenaufteilung nur für Sachsen eingeführt, da es dort stark vertreten ist.

Quelle: Zwischenbericht zum Zweiten Kulturwirtschaftsbericht, März 2018, Hrsg. SMWA

Branchenwachstum 2010 - 2015

Abb. 34: HY! Pop-up-Store, Foto: Cromatics Dresden

Abb. 35: KoLABORacja e.V. Görlitz, Foto: KoLABORacja e.V

Definition gem. Forschungs-bericht des BMWi 2009

Abb.36: Teilbranchen der Kreativwirtschaft

Abb. 37: Branchenwachstum 2010 bis 2015, Quelle: Zwi-schenbericht zum Zweiten Kulturwirtschaftsbericht, März 2018, Hrsg. SMWA

Wirtschaftliche Bedeutung der Branche in Sachsen• 71.000 Beschäftigte • 3,35 Mrd. Euro Umsatz • 1,7 Mrd. Euro Brutto-wertschöpfung Die Umsätze und die An-zahl der Unternehmen wachsen in der Kultur- und Kreativwirtschaft stärker als in der Gesamtwirtschaft.

Wirtschaftliche Bedeutung der Branche in Deutschland • 1.6 Mio. Beschäftigte, davon 843.800 sozialversicherungs-pflichtig• 150 Mrd. Euro Umsatz • 250.600 Unternehmen • 98,8 Mrd. Euro Brutto-wertschöpfung

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Abb.38: KKwi im Vergleich ausgewählter Branchen nach Anzahl der SvB und Anteil an der Gesamtbeschäftigung in Sachsen 2016 (Quelle: Prognos AG 2017, eigene Berechnung auf Basis der Bundesagentur für Arbeit)

www.zebra.de

Foto: www.intarsienmanufak-tur.de/

Foto: www.leinenmanufaktur-von-kleist.de

Foto: katrinlanger.com

Foto: www.hoerboard.com

Im Vergleich mit andere Branchen kann die Kreativwirtschaft mittlerweile mit den klassischen Wirtschaftszweigen Maschinenbau oder Automobilindustrie hinsicht-lich der Sozialversicherungsbeschäftigten (SvB) mithalten.

� Erfolgreiche Unternehmen der Kreativwirtschaft in Sachsen

corporate friends

• Leuchtendesign aus Kamenz,

• mittlerweile 10 Angestellte,

• haben u.a. das FIFA Museum in Zürich ausgestattet,

• werden die Beleuchtung des Schlosses in Berlin gestalten,

• Träger des Sächsischen Designpreises und des Bundespreises ecoDesign.

zebragroup

• Werbeagentur aus Dresden und Chemnitz,

• bekennt sich zum Standort in Sachsen,

• mehr als 110 Mitarbeiter.

So gibt es viele verschiedene erfolgreiche, (kunst)handwerklich geprägte Unter-nehmen und Kleinproduzenten, v.a. auch im ländlichen Raum, die ihre Absatz-märkte weit über die Region hinaus und sogar weltweit haben.

• Fanny Bracke, Intarsienmanufaktur Sachsen, Sitz: Reichenbach O.L.

• Leinenmanufaktur Ilka von Kleist, Sitz: Neukirch

• Katrin Langner, Taschendesign, Sitz: Plauen

• Hoerbord, Tischlerei und Innenausbau & Design GmbH, Sitz: Markleeberg

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� Kreativwirtschaft in Sachsen organisiert sich

In Sachsen gibt es ca. 10.000 Unternehmen, angefangen von kleinen Zwei-Mann-Agenturen bis zu Unternehmen mit über 100 Angestellten, sowie ca. 16.500 Solo-selbständige.

Zur Organisation der heterogenen Szene entstanden seit 2012 in den drei säch-sischen Großstädten Unternehmerverbände der Kreativwirtschaft. 2014 wurde der Landesverband der Sächsischen Kultur- und Kreativwirtschaft gegründet. Das „Sächsische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft“ (Kreatives Sachsen) ist ein Projekt des Landesverbands, welches seit 2017 vom Sächsischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit (SMWA) gefördert wird. Das Kreative Sachsen hat sieben Mitarbeiter sowie ein Budget von ca. 2,5 Mio. Euro für die nächsten fünf Jahre, um Unternehmer der Kultur- und Kreativwirtschaft auch abseits der Großstädte zu fördern.

� Angebote

Kreatives Sachsen bietet vielfältige Angebote für seine Zielgruppen an. Neben niedrigschwelligen Vernetzungsveranstaltungen für die Akteure untereinander werden auch branchenübergreifende Projekte initiiert (z. Bsp. Kooperationsprojekt mit Kreishandwerkerschaft Meißen oder dem Landestourismusverband Sachen). Weiterhin werden Orientierungsberatungen in ganz Sachsen angeboten, in denen man sich schnell der Frage der Unternehmensziele und damit dem Thema Wert-schöpfung nähert. Bei der Frage der Ansiedlung kommt dann auch die Verknüpfung mit dem Thema innerstädtischer Raum und der Nutzung innerstädtischer Ladenlo-kale zum Tragen.

� Interessante Projekte

Schnürsenkelladen Chemnitz/ www.schnuersenkel-shop.de

Der Inhaber verknüpft online- und offline-Handel. Während im Geschäft Am Brühl in Chemnitz Kunden- und Imagepflege mit Veranstaltungen und Aktionen betrieben wird, sorgt der Online-Handel für den wirtschaftlichen Erfolgt.

KRACH Chemnitz/ www.krach-chemnitz.eu

Die Stadt Chemnitz hat ein Förderprogramm für Kreativunternehmen aufgestellt, mit dem sie gleichzeitig dem städtebaulichen Missstand leerstehender Gewer-beräume entgegnet sind. Die Stadt stellt leerstehende Räume, im EG-Bereich ebenso wie in ehemaligen Dienstleistungslagen im 1. OG, für drei Jahre mietfrei zur Verfügung. Dazu kommen 2.500 Euro Startbudget sowie individuelle kosten-freie Beratungen durch Expert*innen. Insgesamt sind über 50 Bewerbungen für 10 Räume eingegangen. Derzeit befindet sich das Projekt in der ersten Erprobungs-phase, in der sich die ersten Unternehmen ansiedeln und ihre Geschäftsidee auspro-bieren.

Abb.39: Verbandsgebiet Kreatives Sachsen, Claudia Muntschick betreut den Be-reich Ostsachsen

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www.schnuersenkel-shop.de

www.krach-chemnitz.eu

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www.haushalten.orgHausHalten e.V.

Der Verein wurde in Leipzig gegründet, als es um den Abriss leerstehender Häuser ging. Die Idee der Wächterhäuser war die kostenfreie Zwischennutzung bei Über-nahme der Grundsteuer sowie Verantwortung für die grundsätzliche Instandhal-tung und Kontrolle durch sog. Wächter. So konnten einige der Häuser gerettet werden, die sich heute als gute Wohnlagen entwickelt haben und sich nun teilweise im Eigentum der ehemaligen Wächter befinden. Ein ähnliches Modell gibt es heute für Wächterläden.

� Verdrängung und Strategien für die Erschließung neuer Räume für Kreative

Die rb Architekten Leipzig haben sich in verschiedenen Forschungsvorhaben mit der niedrigschwelligen Instandsetzung brachliegender Industrieanlagen für die Kreativ-wirtschaft beschäftigt und einen Bauteilkatalog für preiswerte und einfache Sanie-rungslösungen entwickelt. Damit können neue und aufgrund von Verdrängungs-prozessen in den Großstädten notwendige Räume für Kreative erschlossen werden. Die so mit Engagement der zukünftigen Nutzer revitalisierten Orte funktionieren nachhaltiger, da die Bedürfnisse von Anfang an in die Gestaltung eingeflossen sind. Das Prinzip wird jetzt vor allem auch im ländlichen Raum umgesetzt.

Als Strategie gegen die Verdrängung von den Kreativunternehmen propagiert Krea-tives Sachsen die Eigentumsbildung vor allem im ländlichen Raum. In den Groß-städten ist das aufgrund der Preisentwicklung und Flächenknappheit i.d.R. nicht mehr für die Unternehmen möglich.

� Jacobpassage in Görlitz

Drei junge Unternehmer haben sich zusammengetan und in Görlitz einen Standort entwickelt, da sie in verschiedenen Großstädten in Deutschland keine Räume für ihre Ideen gefunden haben. Sie trafen auf den Eigentümer der Jacobpassage aus München.

Die Jacobstraße hatte zum Zeitpunkt des Projektstarts einen extrem hohen Leer-stand. Die drei Initiatoren haben eine Crowdfunding-Kampagne für den Ausbau des ersten Geschäftes gestartet. Der Eigentümer kam den Drei bzgl. des Mietzins sehr entgegen und hat diese bei der Umsetzung unterstützt.

In diesem Laden werden die Möbel von möbelmelcher, die veganen T-Shirts von carloeco fair Fashion und die aufgearbeiteten DDR-Fahrräder der 20zollfabrik ange-boten. Das Sortiment wird inzwischen durch ein kleinteiliges Produktsortiment junger Kreativschaffender der Region ergänzt.

Durch diese frequenzerzeugende Entwicklungen als sog. „Ankerakteur“ hat sich die gesamte Jacobstraße entwickelt, der Leerstand konnte komplett beseitigt werden. Mittlerweile haben die Unternehmer am Standort auch die Gastronomie Jacobs Söhne aufgemacht. Derzeit wird ein Familienzentrum entwickelt, da die Drei mitt-lerweile Väter geworden sind.

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� Kreativwirtschaft zur Inszenierung von Stadt

Auch bei der Inszenierung von Stadträumen spielt die Kreativwirtschaft oft eine bedeutende Rolle. So verwandelt das internationale Straßentheater Viva ViaThea Görlitz jährlich für drei Tage im Sommer in eine Kunststadt. Straßen und Plätze der deutsch-polnischen Grenzstadt bieten internationalen Künstlern und Theater-gruppen für ihre Inszenierungen eine große Theaterbühne unter freiem Himmel. Das Festival strahlt mittlerweile weit über die Stadtgrenzen hinaus, so dass es nahezu unmöglich ist, in diesem Zeitraum noch ein freies Hotel zu finden.

Im Vino e cultura, ebenfalls in Görlitz, betreibt ein privater Investor neben einer Gastronomie erfolgreich eine private Bühne in Görlitz.

Auch Industriebrachen bieten sich für Inszenierungen an. So hat der Graffiti-Künstler „Tasso“ aus Meerane, der lange Zeit international tätig war, das ibug Festival für urbane Kunst ins Leben gerufen. Auslöser war der geplante Abriss einer Industrieb-rache in Meerane. ibug steht dabei für Industriebrachenumgestaltung und hat zum Ziel, leerstehende Industriegebäude durch Inszenierungen in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zurückzuholen. Letztes Jahr hat die ibug erstmalig nicht im ländlichen Raum, sondern in Chemnitz stattgefunden. 10.000 Besucher strömten 2017 an zwei Wochenenden nach Chemnitz, um sich die Arbeiten von mehr als 100 international renommierten Streetart- und Graffiti-Künstlern anzuschauen.

www.viathea.de

„Privatwirtschaftlich get-riebene Projekte sind oft um einiges spannender als Projekte, die ausschließlich auf öffentlichen Förderungen basieren.“

www.ibug-art.de

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Verkehrliche Auswirkungen des Online-Handels – Innovative Lieferkonzepte auf der letzten Meile

Sven Altenburg Projektleiter Mobilität & Transport Prognos AG, Hamburg

Sven Altenburg hat an der Universität Trier Wirtschafts- und Sozialgeographie mit der Vertiefung Raumentwicklung studiert und ist seit dem Jahr 2014 im Bereich Mobilität & Transport der Prognos AG als Projektleiter beschäftigt. Zuvor arbeitete er sechs Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verkehrsplanung und Logistik der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Sven Altenburg ist Leiter des interdisziplinären Kompetenzteams “Mobilität 4.0” bei Prognos, das sich dezidiert mit den Auswirkungen von Zukunftstechnologien im Verkehr befasst. In dieser Funktion zählt auch der Bereich Online-Handel zu seiner Expertise.

Thesen im Überblick � Der Lieferverkehr in den Städten nimmt zu. Einer der wichtigsten

Treiber ist dabei der stark steigende Online-Handel. Er erhöht nicht nur das Sendungsaufkommen insgesamt, sondern er verschiebt die Lieferungen hin zu deutlich mehr B2C-Liefervorgängen. Dadurch erstrecken sich die Lieferverkehre zunehmend über das gesamte Stadtgebiet bis in die Wohnlagen hinein. Dort entstehen durch die Liefervorgänge besonders hohe Belastungen und Konfliktpotentiale. Städte sind in der Konsequenz gezwungen, zunehmend über innovative, schonendere Lieferkonzepte nachzudenken. Der Vortrag stellt ausgewählte Ansätze vor.

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Die Grundlage des Vortrags bildet eine Studie des BBSR zu den verkehrlichen Auswirkungen des Online-Handels mit Fokussierung auf innovative Lieferkonzepte.

� 1. Problematik urbaner Lieferverkehre

Im innerstädtischen Gütertransport-System besteht eine große Spannweite an unterschiedlichen Arten von Lieferverkehren wie Komplettladungsverkehren, Teil-ladungs-, Stückgut- und Konsumgüterdistribution und KEP-Diensten sowie Kunden, von der Industrie bis zum Endverbraucher. Die Struktur des Transport- und Logistik-markts und die Häufigkeit der Nutzung durch die unterschiedlichen Kundengruppen lässt sich wie folgt kategorisieren:

© 2018 Prognos AG 3

Struktur innerstädtischer Lieferverkehre

Komplettladungs-verkehre

Teilladungs-, Stückgut- und Konsumgüter-

distribution

KEP-Dienste Sonstige Lieferdienste

Industrie

Große Filialisten

Sonstiger Einzelhandel

Dienstleister

Endverbraucher

häufig

gelegentlich

selten oder nie

Kurier-Express-Paket-Dienste beliefern die Mehrheit an Kunden, weswegen sich auf die KEP-Dienste fokussiert werden soll. Mengenmäßig sind diese jedoch von nach-geordneter Bedeutung für den Stadtverkehr, da nur etwa jede 10. innerstädtische Lieferfahrt den KEP-Diensten zuzurechnen ist (Schätzungen von KE-CONSULT). Für die Versorgung der Stadt sind sie jedoch von herausragender Bedeutung, da mehr als die Hälfte der Belieferungsstopps (B2B und B2C) durch KEP-Dienste geleistet werden.

Der KEP-Verkehr ist ein ausgesprochen aufstrebender, der spätestens seit 2008 in Korrelation mit dem großen Onlinehandels-Boom ein stetiges und steiles Wachstum erfährt. Dabei wächst insbesondere der Bereich der Paketsendungen, der für die steigende Allgemeinentwicklung verantwortlich ist.

© 2018 Prognos AG 7

Der KEP-Verkehr wächst enorm stark

Quelle: Prognos, KE-CONSULT, ILS 2017

Abb. 40: Struktur inner-städtischer Lieferverkehre

KEP Wachstum resultiert aus Paketsendungswachstum auf-grund des steigenden Online-handels.

Abb. 41: Wachstum des KEP-Verkehrs

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Das KEP-Wachstum wird auch in einem konservativen business-as-usual-Szenario weiter anhalten:

• Durch den anhaltenden Online-Boom ist der B2C-KEP ein enormer Wachstums-markt.

• Sein Anteil an den gesamten KEP-Sendungen wird bis 2030 von knapp 50% auf über 60% steigen.

• Ein besonders starkes Wachstum kann im Bereich der FMCG (fast moving consumer goods, bspw. Küchen- und Badartikel) erwartet werden: hier könnten die Sendungen bis 2030 um 500% ansteigen!

Und in Zukunft?

Denkt man das Szenario weiter, werden Endkunden in Zukunft regelmäßig von einer großen Anzahl diverser Transportunternehmen beliefert. Für Städte und insbesondere dichte Gebiete hätte dies problematische Auswirkungen: die Beliefe-rung der gleichen Kunden durch unterschiedliche Lieferdienstleister führt mitunter zum Verstoß regelkonformen Verhaltens, z.B. durch Parken in der zweiten Reihe, und sorgt für Unfall- und Verkehrsbehinderungsquellen.

Städte geraten zunehmend unter Zugzwang:

• Einerseits müssen sie den verschärfenden Umweltauflagen aufgrund von Restrik-tionen gerecht werden à Dieselfahrverbote, Umweltzonen u.ä.,

• Andererseits stellen vermehrt Anwohner und der lokale Einzelhandel Forderungen nach angepassten Lieferkonzepten: Es besteht die Sorge, dass urbane Quartiere durch den steigenden Lieferverkehr an Attraktivität und Funktionalität verlieren.

� 2. Diskutierte Lösungsansätze

Ansatz 1: Elektrifizierung des urbanen Lieferverkehrs

• Die KEP-Branche hat großes Interesse an der Elektrifizierung in den Kernstädten und treibt diese aktiv voran.

• Elektrische Fahrzeuge ähneln in ihrer Abmessung herkömmlichen Fahrzeugen, somit ist die Elektrifizierung keine Lösung der räumlichen Konflikte.

Ansatz 2: Bündelung durch «City-Logistik»

• Bündelung einzelner Anbieter und Lieferungen in Konsolidierungszentren.

• Theoretisch nicht nur für KEP, sondern auch für andere Segmente denkbar.

• Transport in die Stadt auch mit anderen Modi denkbar: Busse und Bahnen oder sogar Schiffe (bspw. in Paris).

• Für Transportunternehmen wenig attraktiv und ohne harte Restriktionen kaum realistisch: teuer, wenig effizient.

• Frühere Konzepte nahezu ausnahmslos gescheitert.

Abb 42: Parken in der zweiten Reihe

Die Elektrifizierung des urbanen Lieferverkehrs stellt keine Lösung der räumlichen Konflikte dar.

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Abb. 43: Lieferfahrrad© Hans-Paul Kienzler, Prognos

Ansatz 3: «Punkte statt Fläche»

• Keine Belieferung von Endkunden, sondern von zentralen Pick-up-Points - Dies ist nicht nur durch reine Pick-up-Points möglich, sondern auch durch den Einzelhandel, der diese Funktionen übernimmt und in den Handel integriert (z.B. Kiosk).

• Dadurch werden die Gebiete in der Fläche entlastet und die Verkehre in zentralen Punkten kontrolliert gebündelt.

• Wirtschaftlich interessant für die KEP-Branche.

• Lediglich im B2C realistisch, für B2B unattraktiv.

• Es entstehen zusätzliche Wege im Personenverkehr: Pick-up-Points müssen daher fein verteilt, gut erreichbar und in unmittelbarer Kundennähe aufgestellt sein.

Ansatz 4: Alternative Fahrzeugkonzepte

• Einsatz möglichst kleiner Fahrzeuge auf der „allerletzten Meile“, z.B. durch Star-ship-Dronen oder elektrische Lieferfahrräder.

• Zustellung aus lokalen „Mikro-Depots“ in unmittelbarer Kundennähe heraus ist notwendig.

• Kapazitäten sind begrenzt.

• Dennoch offenbar großes Interesse der KEP-Branche, welches durch die Vielzahl bestehender Pilotprojekte sichtbar wird.

� 3. Was braucht es zur Realisierung dieser Konzepte?

Herausforderungen vor Ort: Neue Flächenbedarfe für Infrastruktur

• Vorstellbar sind große Pick-up-Points integriert an Verkehrsknoten, bspw. am Hauptbahnhof,

• dazu kommen kleinere Pick-up-Points auf Straßen- oder Quartiersebene.

• Microdepots fungieren als innerstädtische Wechselcontainer, aus denen Pakete entnommen und der Lieferservice durch alternative Lieferfahrzeuge wie Lasten-fahrräder fortgeführt werden kann. Die Depots sorgen jedoch für eine Verknappung der innerstädtischen Parkflächen.

• Microhubs als Zwischenlager, von denen mit den geschaffenen baulichen Voraus-setzungen mehrere KEP-Dienste profitieren können. Für die Umsetzung bestehen aktuell jedoch noch rechtliche Hürden. Die Voraussetzungen für eine kooperative Nutzung müssen demnach erst noch geschaffen werden.

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Stadtplanung und regionaler Dialog

• Lieferverkehr muss bei der Stadt- und Verkehrsplanung künftig viel stärker berück-sichtigt werden, durch B2C-Lieferungen insbesondere nun auch in Wohngebieten.

• Ein ausgewogener Mix aus Angeboten und Restriktionen muss gefunden werden.

• Kommunen, Anlieger und Transportunternehmen müssen den Dialog suchen und Hand in Hand arbeiten, um herauszufinden, was in welchen Gebieten funktioniert und was nicht.

Die Problematik liegt darin, dass Erfahrungswerte fehlen. Durch ein Netzwerk sollen diese generiert und Kommunen unterstützt werden.

Das Netzwerk «Verkehr in Städten»:

• berät Kommunen bei der Erstellung angepasster Konzepte,

• begleitet regionale Strategieprozesse,

• liefert Abschätzungen zu den positiven wie negativen Effekten.

Reflexion im Dialog

Eine Umnutzung der Flächen in den Innenstädten durch Microdepots (bspw. der Container statt Parkplatz) gestaltet sich schwierig. Eine höhere Chance liegt in Mischnutzungen, die eine Verbesserung des Lieferverkehrs realistisch machen und gleichzeitig interessante Nutzungskonzepte ermöglichen.

Dr. Timo MunzingerReferent für Integrierte Stadtentwicklung, Regional- und Landesplanung,

Raumordnung, Stadtplanung und Städtebau beim Deutschen Städtetag, Köln

Kommunen, Anlieger und die Transportunternehmen müs-sen den Dialog suchen und Netzwerke bilden.

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Foto-Dokumentation der Exkursion Hannover

Empfang durch den Oberbürger-meister der Landeshauptstadt Hannover Stefan Schostok

Einführung in den Stadtrundgang durch Andreas Zunft, Fachbereich Planen und Stadtentwicklung, Sachgebietsleiter Planungsbezirk Nord an den Stadtmodellen im Neuen Rathaus

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Neues Rathaus und Vorplatz (Trammplatz)Dieser wurde in den letzten Jahren barrierefrei gestaltet und hat somit wieder eine bessere Anbindung an die Innenstadt erhalten. Zudem wurde der Platz als Veranstaltungs-platz mit der erforderlichen Technik versehen.

Köblinger MarktDer Köblinger Markt wird in den nächsten Jahren neugestaltet. Auf der Basis der Wettbewerbsergeb-nisse “HannoverCity2020+“ wird hier eine kleinteilige Gewerbe- und Wohnnutzung durch die öffentliche Hand entwickelt. In diesem Zusam-menhang sollen zudem die Stell-plätze reduziert und die Altstadt besser gestalterisch an die Innen-stadt angeschlossen werden.

Altes Rathaus

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Altestes Gebäude (Fachwerkhaus) und FachwerkhäuserEines der ältesten erhalten Fach-werkhäuser in Hannover befindet sich in der Burgstraße (Foto rechts). Die Nachbarhäuser in der Burg-straße wurden bei den Luftangriffen auf Hannover im Zweiten Weltkrieg zerstört, sodass die Häuser heute isoliert zwischen Nachkriegsbauten stehen. Andere Fachwerkhäuser im Gebiet wurden wieder aufgebaut.

Projekte am Hohen UferDas Gebiet um das Hohe Ufer wurde und wird, aufbauend auf dem histo-rischen Bestand weiterentwickelt. Mit dem Umbau der alten Schule zur Volkshochschule (VHS) und der ergänzenden Wohnbebauung an der Roßmühle sind wichtige städtebauliche Entwicklungen ab-geschlossen. Parallel zu den Hoch-baumaßnahmen wurde die Umge-staltung der öffentlichen Räume in Angriff genommen. Ziel der Gesamtmaßnahmen ist unter anderem, diesen Bereich der Altstadt stärker zu beleben. Dafür werden die Erdgeschosszonen der VHS, die Neubauten an der Roß-mühle und die Bebauung am westli-chen Marstall für Gastronomien geöffnet. Auch der neue Wohnungs-bau zwischen dem Historischen Museum und der VHS wird mit sei-nem Untergeschoss bis an die Be-grenzungsmauer des Hohen Ufers dergestalt weitergeführt, dass eine gastronomische Nutzung auch auf der unteren Uferebene möglich ist, so dass hier die Besucherinnen und Besucher zukünftig einen ganz be-sonderen Blick auf den Wasserlauf der Leine genießen können.

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BallhofplatzDer Ballhofplatz in der der Altstadt wurde zu einem Veranstaltungs-platz für kleinere Veranstaltungen, die zum historischen Ambiente der Altstadt passen, umgestaltet. Auch das Staatstheater, das im Ballhof eine eigene Bühne betreibt, nutzt den Platz im Rahmen seiner Auffüh-rungen. Eine Anliegervereinigung ist bestrebt, den Platz mit an-spruchsvollen Aktionen zu beleben.

KreuzkirchhofDas Areal um den Kreuzkirchhof ist eine Wohninsel innerhalb der Alt-stadt, in unmittelbarer Nähe zu In-nenstadt und Fußgängerzone.

Am MarstallAuf der Ostseite des Marstalls wird im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs ein fünfgeschos-siges Wohnhaus errichtet (Foto unten links). Auch die Neubebau-ung wurde im Zuges des City Wet-tbewerbs „HannoverCity 2020+“ abgestimmt. Die Gastronomie im Erdgeschoss soll den in Neugestal-tung und Aufwertung befindlichen Platz beleben, der vormals fast aus-schließlich zum Abstellen von Autos genutzt wurde. Die Stellplätze dort werden von 300 auf 80 reduziert. Auch auf der Westseite begrenzt ein neuer Kopfbau den Platz (Foto un-ten rechts).

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Der KlagesmarktDer Klagesmarkt wurde bis Ende 2013 umgebaut. U.a. wurde der dortige Kreisverkehr aufgelöst, die Verkehrsflächen umgebaut und der öffentliche Platzraum neugestal-tet. Der stadträumliche Antritt als Übergang von der City in die Nord-stadt hat damit ein neues Gesicht erhalten. Zudem wurde ein Un-fallschwerpunkt entschärft. Gleichzeitig wurde die Vorausset-zung für die Bebauung des Klages-marktes geschaffen. Eine Fläche, die bisher als untergenutzter öffentli-cher Stellplatz diente, wurde als Flächenreserve für innerstädtisches Wohnen mit optimaler ÖPNV An-bindung aktiviert. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft hanova hat zwischenzeitlich an diesem Standort mit einem Gesamtinves-titionsvolumen von rund 50 Mio. Euro ein Bürogebäude für ihre ei-gene Hauptgeschäftsstelle sowie sieben Wohngebäude mit rund 100 Wohneinheiten und eine Kinderta-gesstätte errichtet. Hier läuft auch die Fahrradachse Richtung Nord-stadt entlang.

Niki-de-Saint-Phalle-PromenadeDie ehemalige Bahnhofspassarelle wurde Anfang der 2000er Jahre sa-niert und grundlegend umgestaltet. Durch die Öffnung der Decke, die Entfernung der massiven Decken und den Versatz der Geschäfte in die Passage hinein wurde ein „luf-tiger“ Erlebnisraum geschaffen. Unter dem neuen Namen „Niki-de-Saint-Phalle-Promenade“ funktio-niert dieser Geschäftsbereich heute.

Kröpcke-CenterNach Überwindung vielschichtiger Problemlagen und Erwerb des alten Kröpcke-Centers durch die Düssel-dorfer CENTRUM konnte in wich-tiger innerstädtischer Geschäfts-lage eine neue ansprechende städtebauliche Situation geschaffen werden.

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Kontakte

Lovro MandacVorsitzender urbanicom e.V. und ehem. Geschäftsführer Kaufhof Warenhaus AG

Monika Dürrer Hauptgeschäftsführerin Handelsverband HannoverE-Mail: [email protected]

Dr. Markus EltgesLeiter Abteilung | Raumordnung und Städtebau | BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung | Bonn E-Mail: [email protected]

Dr. Stefan Rief Teamleiter Workspace Innovetion Fraunhofer IAO | StuttgartE-Mail: [email protected]

Dr. Sebastiaan Gerards Vorstandsreferent Landmarken AG | Aachen E-Mail: [email protected]

Christian Mainka Senior Projektleiter City & Bits GmbH | BerlinE-Mail: [email protected]

Claudia Muntschick Ansprechpartnerin Ostsachsen Kreatives Sachsen - Sächsisches Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft, Dresden E-Mail: [email protected]

Sven Altenburg Projektleiter Mobilität & Transport Prognos AG, Hamburg E-Mail: [email protected]

Dr. Timo Munzinger Referent für Integrierte Stadtentwicklung, Regional- und Landesplanung, Raumordnung, Stadtplanung und Städtebau beim Deutschen Städtetag, Köln E-Mail: [email protected]

Andreas ReiterZukunftsforscher, ZTB Zukunftsbüro, Wien E-Mail: [email protected]

Michael ReinkGeschäftsführendes Vorstandsmitglied urbanicom e.V. E-Mail: [email protected]

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Mit freundlicher Unterstützung von:

urbanicom

Deutscher Verein für Stadtentwicklung und Handel e.V.

c/o Handelsverband Deutschland e.V. (HDE)

Am Weidendamm 1 A | 10117 Berlin

Telefon: 030 72 62 50 25 | Telefax: 030 72 62 51 25

E-Mail: [email protected]

urbanicom

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Am Weidendamm 1 A | 10117 Berlin

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